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BESCHLUSS DES GERICHTS (Vierte Kammer)

3. November 2021(*)

„Nichtigkeitsklage – Umwelt – Richtlinie 2003/87/EG – Treibhausgase – Zuteilung von Emissionszertifikaten – Antrag auf Übertragung von Emissionszertifikaten an Deutschland – Antrag im Rahmen eines nationalen Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes, um die praktische Wirksamkeit des Vorabentscheidungsverfahrens in der Rechtssache C‑271/20 sicherzustellen – Ablehnender Beschluss der Kommission – Klagebefugnis – Keine unmittelbare Betroffenheit – Unzulässigkeit“

In der Rechtssache T‑729/20,

Aurubis AG mit Sitz in Hamburg (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt S. Altenschmidt und Rechtsanwältin J. Hoss,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch B. De Meester und G. Wils als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Schreibens der Kommission vom 8. Dezember 2020, mit dem sie den Antrag der Deutschen Emissionshandelsstelle abgelehnt hat, spätestens bis zum 31. Dezember 2020 vorsorglich auf das nationale Besitzkonto der Bundesrepublik Deutschland oder, hilfsweise, auf das Anlagenkonto der Klägerin eine Anzahl von Treibhausgasemissionszertifikaten zu überweisen, die der Anzahl der zusätzlichen Zertifikate entspricht, deren kostenlose Zuteilung die Klägerin im Rahmen der 3. Handelsperiode für Treibhausgasemissionszertifikate beim Verwaltungsgericht Berlin (Deutschland) beantragt hat,

erlässt

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Gervasoni, der Richterin R. Frendo und des Richters J. Martín y Pérez de Nanclares (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Klägerin, die Aurubis AG, betreibt eine Anlage zur Herstellung von Nichteisenmetallen, in der sie Kupfer herstellt. Diese Anlage unterliegt der in der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Union und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates (ABl. 2003, L 275, S. 32) vorgesehenen Regelung über die Treibhausgasemissionszertifikate.

 Deutsches Verfahren in der Hauptsache und Vorabentscheidungsersuchen

2        In einem Rechtsstreit mit der Deutschen Emissionshandelsstelle (im Folgenden: DEHSt) vor dem Verwaltungsgericht Berlin (Deutschland) (im Folgenden: deutsches Verfahren in der Hauptsache) beantragt die Klägerin die kostenlose Zuteilung von 1 154 794 zusätzlichen Emissionsberechtigungen (im Folgenden: streitige Zertifikate) für den Handelszeitraum 2013 bis 2020 (im Folgenden: 3. Handelsperiode), der am 31. Dezember 2020 endete. Die Entscheidung dieses Rechtsstreits ist u. a. von der Auslegung des Beschlusses 2011/278/EU der Kommission vom 27. April 2011 zur Festlegung EU‑weiter Übergangsvorschriften zur Harmonisierung der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten gemäß Artikel 10a der Richtlinie 2003/87 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2011, L 130, S. 1, berichtigt in ABl. 2011, L 205, S. 38) abhängig.

3        Mit Beschluss vom 11. Juni 2020 hat das Verwaltungsgericht Berlin dem Gerichtshof zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, die Gegenstand der Rechtssache Aurubis (C‑271/20) sind. Die erste Vorlagefrage betrifft die Auslegung von Art. 3 Buchst. d des Beschlusses 2011/278, der die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten für die 3. Handelsperiode regelt. Die zweite Vorlagefrage betrifft das Fortbestehen oder das Erlöschen des Anspruchs auf kostenlose Zuteilung zusätzlicher Zertifikate für die 3. Handelsperiode, wenn das Bestehen eines solchen Anspruchs erst nach Ablauf dieses Zeitraums festgestellt wird.

 Deutsches Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes

4        Am 21. September 2020 beantragte die Klägerin beim Verwaltungsgericht Berlin, die DEHSt im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sicherzustellen, dass sich bis spätestens zum 31. Dezember 2020 eine den streitigen Zertifikaten entsprechende Anzahl von Zertifikaten auf ihrem Anlagenkonto befindet, um ihren Anspruch auf diese Zertifikate nach diesem Zeitpunkt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diese Frage im deutschen Verfahren in der Hauptsache zu gewährleisten.

 Angefochtene Handlung

5        Ohne die Entscheidung des für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen deutschen Gerichts abzuwarten, beantragte die DEHSt bei der Kommission am 7. Oktober 2020, vorsorglich und spätestens bis zum 31. Dezember 2020 eine den streitigen Zertifikaten entsprechende Anzahl von Zertifikaten auf das nationale Besitzkonto der Bundesrepublik Deutschland oder hilfsweise bis zum rechtskräftigen Abschluss des deutschen Verfahrens in der Hauptsache auf das Anlagenkonto der Klägerin zu überweisen (im Folgenden: Antrag der DEHSt).

6        Am 9. Oktober 2020 forderte die Klägerin die Kommission auf, den von der DEHSt beantragten Beschluss innerhalb von zwei Monaten zu erlassen.

7        Mit Schreiben vom 8. Dezember 2020 lehnte die Kommission den Antrag der DEHSt mit dem Hinweis ab, dass die Regelung über das Emissionshandelssystem der Europäischen Union (im Folgenden: EHS) es ihr nicht erlaube, einzelne Übertragungen von Zertifikaten von zentralen Verwaltungskonten im Unionsregister durchzuführen (im Folgenden: angefochtene Handlung).

 Deutsche einstweilige Anordnung vom 15. Dezember 2020

8        Am 15. Dezember 2020 gab das Verwaltungsgericht Berlin der DEHSt auf, die Wahrung des Anspruchs auf Zuteilung der streitigen Zertifikate nach Ablauf der 3. Handelsperiode zu gewährleisten (im Folgenden: Beschluss vom 15. Dezember 2020).

 Nach Erhebung der Klage

9        Mit Beschluss vom 23. Dezember 2020 hob das Oberverwaltungsgericht Berlin‑Brandenburg (Deutschland) den Beschluss vom 15. Dezember 2020 teilweise auf, insbesondere soweit darin der DEHSt aufgegeben worden war, die Wahrung des Anspruchs auf die streitigen Zertifikate nach Ablauf der 3. Handelsperiode zu gewährleisten.

10      Außerdem stellte die Klägerin mit gesondertem Schriftsatz vom 16. Dezember 2020 beim Gericht einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz (Rechtssache T‑729/20 R), der darauf gerichtet war, die Kommission zu verpflichten, den Zentralverwalter des Unionsregisters (im Folgenden: Zentralverwalter) anzuweisen, bis spätestens zum 31. Dezember 2020 eine den streitigen Zertifikaten entsprechende Anzahl von Zertifikaten auf das Anlagenkonto der Klägerin zu überweisen.

11      Dieser Antrag wurde mit Beschluss vom 31. Dezember 2020, Aurubis/Kommission (T‑729/20 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:655), wegen fehlender Dringlichkeit zurückgewiesen, nachdem u. a. festgestellt worden war, dass es unwahrscheinlich sei, dass noch nicht erfüllte Ansprüche auf kostenlose Zuteilung von Zertifikaten mit dem Ende der 3. Handelsperiode untergingen.

 Verfahren und Anträge der Parteien

12      Mit Klageschrift, die am 15. Dezember 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

13      Mit gesondertem Schriftsatz, der am 1. März 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission eine Einrede der Unzulässigkeit gemäß Art. 130 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts erhoben.

14      Die Klägerin hat am 16. April 2021 ihre Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit eingereicht.

15      Die Klägerin beantragt in der Klageschrift,

–        die angefochtene Handlung für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

16      Die Kommission beantragt in der Einrede der Unzulässigkeit,

–        die Klage als unzulässig abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

17      Die Klägerin beantragt in ihrer Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit,

–        die Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

18      Gemäß Art. 130 Abs. 1 und 7 der Verfahrensordnung kann das Gericht auf Antrag des Beklagten über die Unzulässigkeit oder die Unzuständigkeit vorab entscheiden.

19      Da die Kommission im vorliegenden Fall beantragt hat, über die Unzulässigkeit zu entscheiden, beschließt das Gericht, das sich aufgrund der Aktenlage für hinreichend informiert hält, ohne Fortsetzung des Verfahrens über diesen Antrag zu entscheiden.

20      Die Kommission stützt ihre Einrede der Unzulässigkeit auf vier Unzulässigkeitsgründe. Erstens sei die Klägerin nicht klagebefugt, zweitens könne gegen die angefochtene Handlung keine Klage erhoben werden, drittens handele es sich bei der Klage in Wirklichkeit um eine kaschierte Untätigkeitsklage, für die die Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht erfüllt seien, und viertens habe die Klägerin kein Rechtsschutzinteresse mehr.

21      Das Gericht hält es für erforderlich, zunächst zu prüfen, ob die Klage eine kaschierte Untätigkeitsklage darstellt, für die die Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht erfüllt sind, bevor die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit aufgrund fehlender Klagebefugnis der Klägerin geprüft wird.

 Zur Einrede der Unzulässigkeit wegen Erhebung einer kaschierten Untätigkeitsklage, für die die Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht erfüllt seien

22      Die Kommission hält die Klage für unzulässig, da es sich um eine Untätigkeitsklage handele, der keine Aufforderung zum Tätigwerden vorangegangen sei und die von der Klägerin und nicht von der DEHSt erhoben worden sei.

23      Die in Art. 265 AEUV vorgesehene Klagemöglichkeit beruht insoweit nach ständiger Rechtsprechung auf der Vorstellung, dass bei rechtswidriger Untätigkeit eines Organs den Betroffenen die Befassung des Unionsrichters ermöglicht werden soll, um von diesem feststellen zu lassen, dass die Untätigkeit gegen den AEU‑Vertrag verstößt. Der genannte Artikel bezieht sich auf die Untätigkeit durch Nichtbescheidung oder Nichtstellungnahme, nicht aber auf den Erlass eines anderen als des vom Kläger gewünschten oder für notwendig erachteten Rechtsakts (Urteil vom 19. November 2013, Kommission/Rat, C‑196/12, EU:C:2013:753, Rn. 22, und Beschluss vom 8. Februar 2018, CBA Spielapparate- und Restaurantbetrieb/Kommission, C‑508/17 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:72, Rn. 23).

24      Im vorliegenden Fall stützt sich die Kommission auf zwei Gesichtspunkte, um die erhobene Klage in eine Untätigkeitsklage umzudeuten. Zum einen werde in Rn. 25 der Klageschrift darauf hingewiesen, dass die Kommission es mit der angefochtenen Handlung abgelehnt habe, die von der DEHSt beantragten Überweisungen der Zertifikate zugunsten des Sicherungsinteresses der Klägerin vor einem möglichen Untergang ihres Zuteilungsanspruchs, über den die Gerichte in der Hauptsache noch entscheiden müssten, durchzuführen. Zum anderen habe die Klägerin mit ihrem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz (T‑729/20 R) einen Beschluss des Präsidenten des Gerichts angestrebt, die Kommission dazu zu verpflichten, eine präzise Handlung durchzuführen, namentlich den Zentralverwalter anzuweisen, bis spätestens zum 31. Dezember 2020 1 154 794 Zertifikate auf das Anlagenkonto der Klägerin zu überweisen.

25      Hierzu ist festzustellen, dass die Klage ausdrücklich auf Art. 263 AEUV und nicht auf Art. 265 AEUV gestützt wird, der nicht angeführt wird. Die Klage ist darauf gerichtet, „den Beschluss der … Kommission vom 8. Dezember 2020“ für nichtig zu erklären, mit dem diese den Antrag der DEHSt abgelehnt hat. Dies wird u. a. auch in Rn. 25 der Klageschrift betont.

26      Zudem hat die Klägerin die in Rn. 25 der Klageschrift enthaltenen Argumente bezüglich der Weigerung der Kommission, die beantragte Übertragung durchzuführen, zu dem Zweck angeführt, ihre Befugnis zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage gegen die angefochtene Handlung darzutun.

27      Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist im Rahmen der vorliegenden Klage unbeachtlich. Er betrifft nämlich ein Verfahren, dessen Gegenstand sich von dem der vorliegenden Klage unterscheidet, die lediglich auf die Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung gerichtet ist.

28      Selbst wenn der Antrag der DEHSt eine Aufforderung zum Tätigwerden im Sinne von Art. 265 AEUV darstellen sollte, handelt es sich bei der angefochtenen Handlung jedenfalls nicht um eine Weigerung, tätig zu werden, wie die Kommission vorbringt. Die Kommission hat mit dieser Handlung nämlich zum Antrag der DEHSt Stellung genommen und darauf hingewiesen, dass ihr es die Regelung über das EHS nicht erlaube, einzelne Überweisungen von den zentralen Konten des Unionsregisters durchzuführen, so dass es unmöglich sei, eine der beiden beantragten Überweisungen vorzunehmen.

29      Nach der Rechtsprechung schließt diese Stellungnahme die Möglichkeit einer Untätigkeitsklage aus (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 8. Februar 2018, CBA Spielapparate- und Restaurantbetrieb/Kommission, C‑508/17 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:72, Rn. 15 und 23, sowie Urteil vom 10. März 2021, ViaSat/Kommission, T‑245/17, EU:T:2021:128, Rn. 59).

30      Gegen die Stellungnahme ist hingegen eine Nichtigkeitsklage möglich, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. November 1996, T. Port, C‑68/95, EU:C:1996:452, Rn. 61, und vom 10. März 2021, ViaSat/Kommission, T‑245/17, EU:T:2021:128, Rn. 71).

31      Nach alledem ist die Einrede der Unzulässigkeit, die darauf gestützt wird, es liege eine kaschierte Untätigkeitsklage vor, für die die Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht erfüllt seien, zurückzuweisen.

 Zur Klagebefugnis der Klägerin

32      Nach Ansicht der Kommission ist die Klägerin, die nicht Adressatin der angefochtenen Handlung sei, nicht klagebefugt, da sie von ihr weder unmittelbar noch individuell betroffen sei.

33      Art. 263 Abs. 4 AEUV führt insoweit zwei Fälle an, in denen einer natürlichen oder juristischen Person die Befugnis zuerkannt wird, gegen eine nicht an sie gerichtete Handlung Klage zu erheben. Zum einen kann eine derartige Klage nur dann erhoben werden, wenn diese Handlung die Person unmittelbar und individuell betrifft. Zum anderen kann eine solche Person gegen einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, klagen, sofern dieser Rechtsakt sie unmittelbar betrifft (Urteil vom 19. Dezember 2013, Telefónica/Kommission, C‑274/12 P, EU:C:2013:852, Rn. 19).

34      Im vorliegenden Fall ist die Klägerin nicht die Adressatin der angefochtenen Handlung und es handelt sich bei dieser Handlung nicht um einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter. Sie kann daher nur dann klagebefugt sein, wenn sie zu der ersten oben in Rn. 33 genannten Fallgruppe gehört.

35      Es ist darauf hinzuweisen, dass die in Art. 263 Abs. 4 AEUV vorgesehenen Voraussetzungen der unmittelbaren und der individuellen Betroffenheit kumulativ sind, so dass die von einem Kläger gegen diese Handlung erhobene Nichtigkeitsklage als unzulässig anzusehen ist, wenn eine dieser Voraussetzungen bei ihm nicht gegeben ist (Urteil vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, C‑583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 76).

36      Unter den Umständen des vorliegenden Falls ist zunächst zu prüfen, ob die erste Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit der Klägerin erfüllt ist.

37      Nach Ansicht der Kommission ist die Klägerin insoweit nicht unmittelbar von der angefochtenen Handlung betroffen, denn diese habe die DEHSt nicht ihres Ermessensspielraums beraubt und habe sich nicht unmittelbar auf die Rechtsstellung der Klägerin ausgewirkt.

38      Nach der Rechtsprechung ist zur Bejahung der unmittelbaren Betroffenheit erforderlich, dass zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sind, und zwar zum einen, dass sich der angefochtene Rechtsakt unmittelbar auf die Rechtsstellung des Klägers auswirkt, und zum anderen, dass er seinem Adressaten, der mit seiner Durchführung betraut ist, keinerlei Ermessensspielraum lässt, seine Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgen und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung weiterer Durchführungsvorschriften ergeben muss (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 42, vom 26. September 2014, DK Recycling und Roheisen/Kommission, T‑630/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:833, Rn. 30, und vom 26. September 2014, Romonta/Kommission, T‑614/13, EU:T:2014:835, Rn. 31).

39      Zur ersten Voraussetzung für die unmittelbare Betroffenheit macht die Kommission geltend, dass die Rechtsstellung der Klägerin nicht durch die angefochtene Handlung bestimmt werde, sondern durch den Beschluss vom 15. Dezember 2020, mit dem die DEHSt verpflichtet worden sei, auf der Grundlage des deutschen Rechts eine Zusicherung abzugeben, sowie dadurch, dass dieser Beschluss im Rechtsmittelverfahren aufgehoben worden sei. Im Übrigen sei sie nicht befugt, den Zentralverwalter gemäß den Unionsvorschriften zum EHS mit der Überweisung der streitigen Zertifikate zu beauftragen.

40      Nach der Rechtsprechung ist die unmittelbare Betroffenheit insoweit ausgeschlossen, wenn zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage die von der Klägerin geäußerte Befürchtung, dass die von ihr geltend gemachten Rechte durch den angefochtenen Beschluss beeinträchtigt würden, auf ein rein hypothetisches Ereignis abstellt (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 21. Mai 2010, ICO Services/Parlament und Rat, T‑441/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2010:217, Rn. 59), oder wenn die behaupteten Auswirkungen auf ihre Rechtsstellung nur dann eintreten, wenn zuvor Maßnahmen getroffen werden, die im Verhältnis zu der angefochtenen Handlung eigenständig sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. April 1995, CCE de la Société générale des grandes sources u. a./Kommission, T‑96/92, EU:T:1995:77, Rn. 40).

41      Im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, dass die Klägerin einräumt, dass die angefochtene Handlung nicht unmittelbar zu einer Änderung ihrer Rechtsstellung führt.

42      Insoweit ist der Kontext, in dem die angefochtene Handlung vorgenommen wurde, zu berücksichtigen, um zu beurteilen, ob diese Handlung Rechtswirkungen erzeugen konnte, die sich auf die Rechtsstellung der Klägerin auswirken konnten.

43      Hierzu ist erstens festzustellen, dass die Klägerin das Verwaltungsgericht Berlin im deutschen Verfahren in der Hauptsache in einem Rechtsstreit zwischen ihr und der DEHSt über die Zuteilung der streitigen Zertifikate angerufen hat. Angesichts der deutschen Rechtsprechung stellte sich nach Ansicht des Verwaltungsgerichts auch die Frage, ob die streitigen Zertifikate, die für die 3. Handelsperiode zugeteilt werden könnten, nach Ablauf dieser Handelsperiode, d. h. zum 31. Dezember 2020, zu verfallen drohten. Diese Frage wurde dem Gerichtshof im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens in der Rechtssache Aurubis (C‑271/20) vorgelegt.

44      Das Verwaltungsgericht Berlin hatte daher im Rahmen des deutschen Verfahrens in der Hauptsache zum einen zu entscheiden, ob die Klägerin Anspruch auf die streitigen Zertifikate habe, und zum anderen, falls sie Anspruch darauf hätte, ob diese Zertifikate tatsächlich an sie überwiesen werden könnten oder ob sie nach dem 31. Dezember 2020 verfallen seien. Von diesen beiden Entscheidungen über das Bestehen des Anspruchs auf die streitigen Zertifikate und über den etwaigen Untergang dieses Anspruchs nach dem genannten Datum hängt es ab, ob der Klägerin diese Zertifikate zugeteilt werden können oder nicht, so dass diese Entscheidungen geeignet sind, sich tatsächlich auf die Rechtsstellung der Klägerin auszuwirken.

45      Zweitens betraf der Antrag der DEHSt, der mit der angefochtenen Handlung abgelehnt wurde, keine dieser Fragen unmittelbar. Dieser Antrag wurde gestellt, nachdem die Klägerin beim Verwaltungsgericht Berlin einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt hatte. Mit diesem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz sollte insbesondere der Gefahr begegnet werden, dass ihr Anspruch auf die streitigen Zertifikate nach dem 31. Dezember 2020 unterzugehen drohte. Die DEHSt beantragte mithin bei der Kommission die vorsorgliche Überweisung dieser streitigen Zertifikate, weil sie der Ansicht war, dass das für die Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes zuständige deutsche Gericht ihr aufgebe, die Wahrung des Anspruchs der Klägerin auf diese Zertifikate nach diesem Zeitpunkt zu gewährleisten. Mit diesem Antrag ersuchte sie daher die Kommission nicht um eine Stellungnahme zur Anerkennung des Anspruchs der Klägerin auf die streitigen Zertifikate oder zum Verfall dieser Zertifikate nach Ende der 3. Handelsperiode.

46      Drittens hatte das Verwaltungsgericht Berlin, als die Kommission mit dem Antrag der DEHSt befasst wurde und als sie die angefochtene Handlung vornahm, über die Zusicherung für die Wahrung des Anspruchs der Klägerin auf die streitigen Zertifikate nach dem 31. Dezember 2020 noch nicht entschieden. Erst nach Vornahme der angefochtenen Handlung, und zwar am 15. Dezember 2020, an dem auch die Klageschrift eingereicht wurde, hat das Verwaltungsgericht der DEHSt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Erteilung einer solchen Zusicherung aufgegeben. Diese Zusicherung hatte indessen am 23. Dezember 2020 vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin‑Brandenburg keinen Bestand.

47      Somit zielte zum einen die bei der Kommission beantragte Maßnahme darauf ab, die Möglichkeit sicherzustellen, in den Genuss eines noch hypothetischen Anspruchs auf die streitigen Zertifikate zu gelangen, und zum anderen war das Interesse an einer solchen Maßnahme selbst von einem ebenfalls hypothetischen Untergang dieses Anspruchs nach dem 31. Dezember 2020 abhängig. Gegenstand der angefochtenen Handlung war es jedoch nicht, über diese Fragen zu befinden. Diese blieben allein der Beurteilung des nationalen Gerichts im Rahmen des deutschen Verfahrens in der Hauptsache und des Gerichtshofs im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens in der Rechtssache Aurubis (C‑271/20) überlassen, die zum Zeitpunkt der Vornahme der angefochtenen Handlung noch keine Entscheidung getroffen hatten.

48      Im Übrigen hat der Präsident des Gerichts zum von der Klägerin befürchteten Untergang der streitigen Zertifikate in seinem Beschluss vom 31. Dezember 2020, Aurubis/Kommission (T‑729/20 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:655, Rn.17), festgestellt, dass der etwaige Untergang der streitigen Zertifikate am Ende des 3. Handelszeitraums ein zukünftiges und ungewisses Ereignis darstelle, das von der Kommission und der DEHSt für „höchst unwahrscheinlich“ gehalten werde. Dies ist einer der Gründe, aus denen er die Voraussetzung der Dringlichkeit verneint und folglich den Antrag der Klägerin auf vorläufigen Rechtsschutz zurückgewiesen hat.

49      Es ist daher sehr unwahrscheinlich, dass die Rechtsstellung der Klägerin durch einen Untergang ihres etwaigen Anspruchs auf Zertifikate nach dem Ende der 3. Handelsperiode beeinträchtigt wird.

50      Letztlich ist festzustellen, dass die angefochtene Handlung die Rechtsstellung der Klägerin nicht unmittelbar berührt. Allenfalls könnte sie gegebenenfalls lediglich deren tatsächliche Lage beeinträchtigen und sie daran hindern, die streitigen Zertifikate zu erlangen, wenn am Ende des deutschen Verfahrens in der Hauptsache entschieden würde, dass sie zwar Anspruch auf diese Zertifikate habe, diese aber am Ende der 3. Handelsperiode untergegangen und endgültig verloren seien.

51      Nach alledem ist die erste Voraussetzung für die Bejahung der unmittelbaren Betroffenheit nicht erfüllt.

52      Hinsichtlich der zweiten Voraussetzung für eine solche Betroffenheit, nämlich dass die angefochtene Handlung ihren Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, macht die Kommission geltend, dass die fragliche Handlung die DEHSt nicht ihres Ermessensspielraums beraubt habe und sich nicht zu einer rein automatischen Durchführung eigne, ohne dass dabei weitere vermittelnde Rechtsakte erlassen werden müssten.

53      Die Klägerin ist hingegen der Ansicht, dass die angefochtene Handlung der DEHSt bei deren Durchführung keinerlei Ermessensspielraum lasse, denn diese könne die begehrten Zertifikate nicht selbst überweisen, da dafür das Tätigwerden des Zentralverwalters erforderlich sei, und sie könne diesen Zentralverwalter nicht selbst zur Vornahme dieser Übertragungen anweisen.

54      Insoweit kann nicht davon ausgegangen werden, dass die DEHSt mit der Durchführung der angefochtenen Handlung betraut ist, da sie zum Zeitpunkt ihrer Vornahme durch keine gerichtliche Entscheidung verpflichtet war, die Wahrung des Anspruchs auf die streitigen Zertifikate nach dem 31. Dezember 2020 zuzusichern, und da sie seit dem 23. Dezember 2020 keiner derartigen Verpflichtung mehr unterliegt (siehe oben, Rn. 46).

55      Nach alledem ist keine der Voraussetzungen für die unmittelbare Betroffenheit der Klägerin erfüllt.

56      Dieses Ergebnis wird nicht durch das Vorbringen der Klägerin in Frage gestellt, dass das Urteil vom 26. September 2014, DK Recycling und Roheisen/Kommission (T‑630/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:833, Rn. 30), entsprechend heranzuziehen sei.

57      In der Rechtssache, in der das Urteil vom 26. September 2014, DK Recycling und Roheisen/Kommission (T‑630/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:833), ergangen ist, war der angefochtene Beschluss anderer Natur als die angefochtene Handlung, die Gegenstand der vorliegenden Klage ist. Es handelte sich um einen Beschluss der Kommission, der an die deutschen Behörden gerichtet war und mit dem zum einen die Aufnahme der Anlagen der Klägerin in das in Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87 vorgesehene Verzeichnis derjenigen Anlagen abgelehnt wurde, denen für die 3. Handelsperiode kostenlos Zertifikate zugeteilt werden können, und mit dem zum anderen die vorläufigen Jahresgesamtmengen der diesen Anlagen kostenlos zuzuteilenden Zertifikate im Sinne von Art. 15 Abs. 2 des Beschlusses 2011/278 abgelehnt wurden.

58      In dieser Rechtssache hat das Gericht entschieden, dass sich der angefochtene Beschluss unmittelbar auf die Rechtsstellung der Klägerin ausgewirkt hat und der Bundesrepublik Deutschland, die mit dessen Durchführung betraut war, keinerlei Ermessensspielraum gelassen hat (Urteil vom 26. September 2014, DK Recycling und Roheisen/Kommission, T‑630/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:833, Rn. 31).

59      Das Urteil vom 26. September 2014, DK Recycling und Roheisen/Kommission (T‑630/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:833), lässt sich nicht auf den vorliegenden Fall übertragen, denn die angefochtene Handlung betrifft weder die Aufnahme der Anlagen der Klägerin in das oben genannte Verzeichnis der Anlagen, denen für die 3. Handelsperiode kostenlos Zertifikate zugeteilt werden können, noch den Anspruch auf Zuteilung der streitigen Zertifikate. Im Übrigen kann aus den in Rn. 54 dargelegten Gründen nicht angenommen werden, dass die fragliche Handlung ihrem Adressaten – im Gegensatz zum angefochtenen Beschluss in der Rechtssache, in der das Urteil vom 26. September 2014, DK Recycling und Roheisen/Kommission (T‑630/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:833, Rn. 31), ergangen ist – keinerlei Ermessensspielraum ließ.

60      Nach alledem betrifft die angefochtene Handlung die Klägerin nicht unmittelbar.

61      Folglich ist der Einrede der Unzulässigkeit wegen fehlender Klagebefugnis der Klägerin stattzugeben.

62      Die Klage ist daher als unzulässig abzuweisen, ohne dass die übrigen von der Kommission geltend gemachten Unzulässigkeitsgründe geprüft zu werden brauchen.

 Kosten

63      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission die Kosten einschließlich der durch das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstandenen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

beschlossen:

1.      Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2.      Die Aurubis AG trägt die Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes.

Luxemburg, den 3. November 2021.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

S. Gervasoni


*      Verfahrenssprache: Deutsch.