Language of document : ECLI:EU:C:2001:412

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

FRANCIS G. JACOBS

vom 12. Juli 2001(1)

Rechtssache C-443/99

Merck, Sharp & Dohme GmbH

gegen

Paranova Pharmazeutika Handels GmbH

(Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgerichts Wien)

und Rechtssache C-143/00

Boehringer Ingelheim KG und Boehringer Ingelheim Pharma KG u. a.

gegen

Swingward Ltd u. a.

(Vorabentscheidungsersuchen des High Court of Justice [England & Wales], Chancery Division)

Inhaltsverzeichnis

     Einleitung

I - 2

     Der Sachverhalt in der Rechtssache Boehringer Ingelheim

I - 2

     Der gemeinschaftsrechtliche Rahmen

I - 4

     Die einschlägige Rechtsprechung

I - 5

         Die ersten Rechtssachen

I - 6

         Bristol-Myers Squibb und verwandte Rechtssachen

I - 10

         Die Urteile Loendersloot und Upjohn

I - 16

         Die Voraussetzung der Erforderlichkeit

I - 17

     Der Vorlagebeschluss und die -fragen in der Rechtssache Boehringer Ingelheim

I - 19

     Der Sachverhalt und die Vorlagefrage in der Rechtssache Merck, Sharp & Dohme

I - 21

     Erklärungen der Verfahrensbeteiligten

I - 22

     Das Verhältnis zwischen dem spezifischen Gegenstand einer Marke und der Erforderlichkeit des Umpackens

I - 28

     Die Bedeutung von „erforderlich“

I - 32

     Das Erfordernis der vorherigen Unterrichtung

I - 37

     Ergebnis

I - 41

Einleitung

1.
    In diesen Rechtssachen geht es um eine Reihe von Fragen nach den Umständen, unter denen sich der Inhaber einer Marke auf die Rechte aus seiner Marke berufen kann, um zu verhindern, dass seine Markenprodukte von einem Parallelimporteur umgepackt werden.

2.
    In beiden Rechtssachen fand eine gemeinsame mündliche Verhandlung statt, und es erscheint angebracht, sie in gemeinsamen Schlussanträgen zu behandeln. Da der Gegenstand der Rechtssache C-143/00, Boehringer Ingelheim u. a., umfassender ist und in dieser Rechtssache eine Reihe von Fragen vorgelegt wurden, die die in der Rechtssache C-443/99, Merck, Sharp & Dohme, vorgelegte Frage der Sache nach einschließen, werde ich auf sie zuerst eingehen.

Der Sachverhalt in der Rechtssache Boehringer Ingelheim

3.
    Die Klägerinnen der Ausgangsverfahren in der Rechtssache Boehringer Ingelheim, die Boehringer Ingelheim KG und die Boehringer Ingelheim Pharma KG (im Folgenden gemeinsam: Boehringer Ingelheim), die Glaxo Group Ltd undThe Wellcome Foundation Ltd (im Folgenden gemeinsam: Glaxo Wellcome), Eli Lilly and Company (im Folgenden: Eli Lilly) sowie die SmithKline Beecham plc, die Beecham Group plc und SmithKline and French Laboratories Ltd (im Folgenden gemeinsam: SmithKline Beecham) sind bekannte Pharmaunternehmen, die Arzneimittel herstellen und verkaufen. Die Beklagten der Ausgangsverfahren, die Swingward Ltd und die Dowelhurst Ltd (im Folgenden: Swingward), sind Parallelimporteure von Arzneimitteln, zu denen auch, aufgrund einer Genehmigung der Behörden des Vereinigten Königreichs, von den Klägerinnen hergestellte Erzeugnisse gehören.

4.
    Im Vorlagebeschluss führt das vorlegende Gericht aus, dass verschiedene von den Klägerinnen innerhalb der Gemeinschaft unter einer Marke vertriebene Arzneimittel (Inhalatoren und Tabletten) von den Beklagten gekauft und in das Vereinigte Königreich eingeführt worden seien. In jedem dieser Fälle hätten die Beklagten in gewissem Umfang Veränderungen an der Verpackung der Erzeugnisse und ihren Beipackzetteln vorgenommen.

5.
    Die verschiedenen Erzeugnisse wurden offenbar in unterschiedlicher Weise umgepackt. In einigen Fällen wurde auf der Originalpackung ein Etikett aufgeklebt (ohne die Marke zu verdecken), auf dem die Marke und einige wichtige Informationen wie der Name des Parallelimporteurs und die Lizenznummer für den Parallelimport enthalten sind. Auf solchen Packungen bleiben nicht-englische Worte sichtbar. In anderen Fällen wurde das Erzeugnis in Packungen umgepackt, die vom Parallelimporteur gestaltet wurden und auf denen die Originalmarke wiedergegeben wird. Schließlich wurde das Erzeugnis in manchen Fällen in eine vom Parallelimporteur gestaltete Packung umgepackt, die nicht die Marke trägt. Stattdessen befindet sich der Gattungsname des Erzeugnisses auf der Packung. In dieser Packung trägt bei Tabletten die innere Verpackung (Blister) die Originalmarke, die aber mit einem Etikett überklebt ist, auf dem der Gattungsname des Erzeugnisses und Angaben zum Lizenzinhaber für den Parallelimport stehen. In einem dieser Fälle wird auf dem Etikett die Marke wiedergegeben. In einem anderen Fall enthält er (in englischer Sprache) neben den Blistern, in denen sich die Tabletten befinden, die Namen der Wochentage. Handelt es sich bei dem unter seinem Gattungsnamen umgepackten Erzeugnis um einen Inhalator, so wurde dieser, der ursprünglich die Marke trug, mit dem Gattungsnamen überklebt. In allen Fällen enthalten die Packungen einen Beipackzettel in englischer Sprache, auf dem sich die Marke befindet; bei Tabletten steht die Marke auch auf diesen selbst.

6.
    Die Klägerinnen wenden sich gegen alle oben genannten Aufmachungen ihrer Erzeugnisse und vertreten die Ansicht, ein solches Umpacken und Überkleben sei zur Vermarktung der importierten Waren im Vereinigten Königreich nicht erforderlich; deshalb seien die Parallelimporteure nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht berechtigt, ihre Erzeugnisse in dieser Weise umzupacken. Die Klägerinnen haben aus diesem Grund vor dem High Court of Justice of England and Wales Klagen wegen Verletzung ihrer Marken erhoben.

7.
    Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass ich den Begriff „umpacken“ in den vorliegenden Schlussanträgen ganz allgemein zur Bezugnahme auf alle oben genannten Vorgehensweisen, insbesondere das Überkleben mit der Marke, das Umpacken mit der Marke und das Umpacken ohne die Marke, verwende, es sei denn, aus dem Kontext ergibt sich, dass eine speziellere Bedeutung gemeint ist.

8.
    Die Vorlage wurde durch Zweifel des vorlegenden Gerichts an der richtigen Auslegung der einschlägigen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft und der Rechtsprechung des Gerichtshofes in diesem Bereich ausgelöst. Bevor ich mich den acht Einzelfragen, um deren Beantwortung das vorlegende Gericht ersucht, sowie dem Sachverhalt und der Vorlagefrage in der Rechtssache Merck, Sharp & Dohme zuwende, ist es sinnvoll, diese Rechtsvorschriften darzustellen und die einschlägige Rechtsprechung zusammenzufassen.

Der gemeinschaftsrechtliche Rahmen

9.
    Vor dreißig Jahren stellte der Gerichtshof den Grundsatz auf, dass der Vertrag zwar den Bestand der durch die nationale Gesetzgebung eines Mitgliedstaats eingeräumten gewerblichen Schutzrechte nicht berühre, die Ausübung dieser Rechte aber unter die Verbote des Vertrages fallen könne(2).

10.
    Artikel 28 EG verbietet mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten. Nach Artikel 30 Satz 1 EG steht Artikel 28 Verboten oder Beschränkungen nicht entgegen, die zum Schutz des gewerblichen oder kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind. Nach Artikel 30 Satz 2 dürfen diese Verbote oder Beschränkungen jedoch weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen.

11.
    Wenn einem Markeninhaber gestattet wird, seine Marke zu benutzen, um die Einfuhr und den Verkauf von Waren zu verhindern, die mit seiner Zustimmung in einem anderen Mitgliedstaat in den Verkehr gebracht wurden, so führt dies natürlich zu einer mengenmäßigen Beschränkung oder zu einer Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Artikel 28. Der Gerichtshof hat schon früh entschieden, dass die Ausübung der Markenrechte durch einen Markeninhaber zu dem Zweck, einen solchen Parallelhandel zu verhindern, nicht nach Artikel 30 gerechtfertigt sein könne(3).

12.
    Dieser Grundsatz der gemeinschaftsweiten Erschöpfung wurde sodann in Artikel 7 Absatz 1 der Markenrichtlinie(4) verankert, der lautet:

„Die Marke gewährt ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht worden sind.“

13.
    Der Gerichtshof erkannte aber auch an, dass es Umstände gibt, unter denen ein Markeninhaber nach Artikel 30 berechtigt sein kann, sich der Einfuhr von Erzeugnissen aus einem anderen Mitgliedstaat zu widersetzen, die von ihm oder mit seiner Zustimmung in den Verkehr gebracht worden waren. Auf solche Umstände wird, soweit sie für den vorliegenden Fall von Bedeutung sind, nachfolgend eingegangen. Diese Einschränkung des Grundsatzes der Erschöpfung der Rechte kommt in Artikel 7 Absatz 2 der Markenrichtlinie zum Ausdruck, der lautet:

„Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn berechtigte Gründe es rechtfertigen, dass der Inhaber sich dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzt, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist.“

14.
    Die Analyse des in diesem Bereich anwendbaren Rechts durch das vorlegende Gericht konzentriert sich auf die Artikel 28 EG und 30 EG und nicht auf Artikel 7 der Richtlinie. Der Gerichtshof hat jedoch - worauf das vorlegende Gericht hinweist - klargestellt, dass Artikel 7 die Frage der Erschöpfung der Rechte aus der Marke für Waren, die in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht worden sind, abschließend regele(5), und wiederholt ausgeführt, dass Artikel 30 EG und Artikel 7 der Richtlinie gleich auszulegen seien(6).

Die einschlägige Rechtsprechung

15.
    Das nationale Gericht äußert sich in seinem Vorlagebeschluss kritisch zur Rechtsprechung des Gerichtshofes in diesem Bereich und ersucht den Gerichtshofder Sache nach, seine früheren Entscheidungen in bestimmten Aspekten zu revidieren(7). Die Kritik des vorlegenden Gerichts und die beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen lassen sich am besten nach einer relativ eingehenden Darstellung der Entwicklung dieser Rechtsprechung würdigen.

Die ersten Rechtssachen

16.
    Der Gerichtshof stellte den Grundsatz der Erschöpfung von Rechten in Bezug auf Marken im Urteil Centrafarm(8) auf. In dieser Rechtssache ging es um den Versuch des Inhabers eines Warenzeichens, unter Berufung auf seine innerstaatlichen Rechte den Parallelimport von Arzneimitteln in ihrer ursprünglichen Verpackung zu verhindern. Der Gerichtshof entschied, dass Artikel 36 EG-Vertrag (der Vorgänger von Artikel 30 EG) als Ausnahme von einem der grundlegenden Prinzipien des Gemeinsamen Marktes Beschränkungen des freien Warenverkehrs nur erlaube, soweit sie zur Wahrung der Rechte berechtigt seien, die den spezifischen Gegenstand dieses Warenzeichens ausmachten. Der spezifische Gegenstand des Warenzeichens bestehe darin, dass der Inhaber das ausschließliche Recht habe, das Warenzeichen zu benutzen, um von ihm geschützte Erzeugnisse erstmals in den Verkehr zu bringen, und solle ihn somit vor Konkurrenten schützen, die durch widerrechtliche Veräußerung mit diesem Zeichen versehener Erzeugnisse die aufgrund des Warenzeichens erworbene Stellung und Kreditwürdigkeit ausnutzen wollten. Sei das Erzeugnis in dem Mitgliedstaat, aus dem es eingeführt worden sei, durch den Inhaber des Warenzeichens oder mit seiner Zustimmung rechtmäßig auf den Markt gebracht worden, so dass von einem Missbrauch oder einer Verletzung des Zeichenrechts keine Rede sein könne, so sei es nicht gerechtfertigt, dem Inhaber des Warenzeichens zu gestatten, den Handel mit dem Erzeugnis zu verhindern(9).

17.
    Im Urteil Hoffmann-La Roche(10) hatte der Gerichtshof über die Anwendung des Grundsatzes der Erschöpfung von Warenzeichenrechten in einem Fall zu entscheiden, in dem ein Parallelimporteur von Arzneimitteln diese umgepackt und die neue Verpackung ohne Zustimmung des Inhabers des Warenzeichens mit diesem versehen hatte. Das Umpacken wurde vorgenommen, weil das Erzeugnis im Ausfuhr- und im Einfuhrmitgliedstaat in unterschiedlichen Stückelungen verkauft wurde.

18.
    Der Gerichtshof wiederholte in seinem Urteil die Ausführungen im Urteil Centrafarm zum Umfang der Ausnahmen vom Grundsatz des freien Warenverkehrs in Artikel 36 und zur Bedeutung des spezifischen Gegenstands desWarenzeichens(11) und fügte hinzu, für die Beantwortung der Frage, ob der spezifische Gegenstand des Warenzeichens die Befugnis umfasse, sich der Anbringung des Warenzeichens durch einen Dritten nach Umpacken des Erzeugnisses zu widersetzen - und ob ein solches Vorgehen folglich nach Artikel 36 gerechtfertigt sei -, sei die Hauptfunktion des Warenzeichens zu berücksichtigen. Diese bestehe darin, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität des gekennzeichneten Erzeugnisses zu garantieren, indem ihm ermöglicht werde, dieses Erzeugnis ohne Verwechslungsgefahr von Erzeugnissen anderer Herkunft zu unterscheiden. Diese Herkunftsgarantie schließe ein, dass der Verbraucher oder Endabnehmer sicher sein dürfe, dass an einem gekennzeichneten Erzeugnis nicht durch einen Dritten ohne Zustimmung des Warenzeicheninhabers ein Eingriff vorgenommen worden sei, der den Originalzustand des Erzeugnisses berührt habe. Das Recht des Zeicheninhabers, jede Benutzung des Warenzeichens zu verhindern, die die so verstandene Herkunftsgarantie verfälschen könnte, gehöre somit zum spezifischen Gegenstand des Warenzeichenrechts(12).

19.
    Der Gerichtshof führte aus, nach Artikel 36 Satz 1 habe der Inhaber eines Warenzeichens daher das Recht, den Importeur eines Markenerzeugnisses daran zu hindern, nach dem Umpacken der Ware das Warenzeichen ohne Zustimmung des Zeicheninhabers auf der neuen Verpackung anzubringen(13).

20.
    Der Gerichtshof schränkte diese Feststellung dann unter Hinweis darauf ein, dass jedoch noch zu prüfen sei, ob die Ausübung dieses Rechts eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne von Artikel 36 Satz 2 darstellen könne. Eine derartige Beschränkung könnte sich daraus ergeben, dass der Inhaber des Warenzeichens das gleiche Erzeugnis in verschiedenen Mitgliedstaaten in unterschiedlicher Verpackung auf den Markt bringe und sich dabei auf die aus dem Warenzeichen fließenden Rechte berufe, um ein Umpacken zu verhindern, selbst wenn dieses unter solchen Bedingungen vorgenommen werde, dass die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Ware und deren Originalzustand dadurch nicht beeinträchtigt werden könnten(14). Dies könne zum Beispiel dann der Fall sein, wenn sich das Umpacken nur auf die äußere einer doppelten Verpackung beziehe, während die innere Verpackung unberührt bleibe. Werde die Hauptfunktion auf diese Weise gewahrt, so könnte der Umstand, dass der Inhaber sein Warenzeichenrecht ausübe, eine verschleierte Beschränkung darstellen, wenn dies unter Berücksichtigung des von ihm angewandten Vermarktungssystems zurkünstlichen Abschottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten beitragen würde(15).

21.
    Der Gerichtshof fügte hinzu, im Hinblick auf das Interesse, das der Zeicheninhaber daran habe, dass der Verbraucher nicht über die Herkunft der Ware irregeführt werde, dürfe dem Händler die Befugnis, die umgepackte Ware zu verkaufen, nur zuerkannt werden, wenn er den Zeicheninhaber vorher unterrichte und auf der neuen Packung darauf hinweise, dass die Ware von ihm umgepackt worden sei(16).

22.
    Der Gerichtshof entschied daher wie folgt:

„a)    Es ist im Sinne von Artikel 36 Satz 1 EWG-Vertrag gerechtfertigt, wenn sich der Inhaber eines in zwei Mitgliedstaaten gleichzeitig geschützten Warenzeichenrechts dagegen zur Wehr setzt, dass ein in einem dieser Staaten rechtmäßig mit dem Warenzeichen versehenes Erzeugnis nach dem Umfüllen in eine neue Packung, auf der das Warenzeichen durch einen Dritten angebracht wurde, in dem anderen Mitgliedstaat auf den Markt gebracht wird.

b)    Diese Abwehr stellt jedoch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne von Artikel 36 Satz 2 des Vertrages dar,

    -    wenn erwiesen ist, dass die Geltendmachung des Warenzeichenrechts durch den Inhaber unter Berücksichtigung des von ihm angewandten Vermarktungssystems zur künstlichen Abschottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten beitragen würde,

    -    wenn dargetan ist, dass das Umpacken den Originalzustand des Erzeugnisses nicht beeinträchtigen kann,

    -    wenn der Inhaber des Warenzeichens vorher von dem Feilhalten des umgepackten Erzeugnisses unterrichtet wird und

    -    wenn auf der neuen Packung angegeben ist, von wem das Erzeugnis umgepackt wurde.“

23.
    Nach dem Urteil Hoffmann-La Roche ist die Rechtmäßigkeit der Parallelimporte umgepackter Arzneimittel, auf denen das Warenzeichen angebracht wurde - abgesehen vom Erfordernis vorheriger Unterrichtung, auf das ichgesondert eingehen werde(17), und den Anforderungen an die Angaben auf der neuen Packung, um die es in den vorliegenden Fällen nicht geht - deshalb wie folgt zu beurteilen.

24.
    Zunächst ist der Inhaber des Warenzeichens - da das Umpacken die Herkunftsgarantie verfälschen könnte und da das Recht des Zeicheninhabers, jede Benutzung des Warenzeichens zu verhindern, die dies zur Folge haben könnte, zum spezifischen Gegenstand des Warenzeichenrechts gehört - prima facie nach Artikel 36 Satz 1 berechtigt, einen Importeur daran zu hindern, das Warenzeichen auf der neuen Packung anzubringen.

25.
    Die Ausübung dieses Rechts kann jedoch unter bestimmten Umständen eine verschleierte Beschränkung im Sinne von Artikel 36 Satz 2 darstellen und deshalb rechtswidrig sein.

26.
    Dies könnte der Fall sein, wenn der Inhaber des Warenzeichens in verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedliche Verpackungen verwendet und sich auf die aus dem Warenzeichen fließenden Rechte beruft, um ein Umpacken zu verhindern, das die Ursprungsidentität und den Originalzustand der gekennzeichneten Ware nicht beeinträchtigen könnte. Dann würde die Ausübung der Zeichenrechte zur künstlichen Abschottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten beitragen.

27.
    Kurz nach dem Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache Hoffmann-La Roche wurde der Gerichtshof in der Rechtssache American Home Products(18) ersucht, über einen Fall zu entscheiden, in dem der Importeur die Ware nicht nur umpacken, sondern auch ein anderes Warenzeichen anbringen wollte. American Home Products war Inhaberin des im Beneluxgebiet eingetragenen Warenzeichens Seresta und des im Vereinigten Königreich eingetragenen Warenzeichens Serenid D für Beruhigungsmittel mit identischen therapeutischen Eigenschaften, die in den Niederlanden unter dem Namen Seresta und im Vereinigten Königreich unter dem Namen Serenid D vermarktet wurden. Centrafarm kaufte Beruhigungsmittel im Vereinigten Königreich und vermarktete sie in den Niederlanden mit neuer Verpackung und unter dem Warenzeichen Seresta. American Home Products beantragte, ihr dies zu untersagen; der Gerichtshof wurde gefragt, ob die Artikel 30 und 36 den Inhaber des Warenzeichens daran hinderten, von der ihm nach nationalem Recht zustehenden Befugnis Gebrauch zu machen, sich einer solchen Vermarktung zu widersetzen.

28.
    Der Gerichtshof verkündete sein Urteil im Oktober 1978, fünf Monate nach dem Urteil Hoffmann-La Roche. Er wiederholte seine Ausführungen in derfrüheren Rechtssache zum spezifischen Gegenstand und zur Hauptfunktion eines Warenzeichens (als Herkunftsgarantie). Er fuhr fort:

„Diese Herkunftsgarantie schließt ein, dass nur der Inhaber das Erzeugnis durch die Anbringung des Warenzeichens identifizieren darf.

Die Herkunftsgarantie wäre gefährdet, wenn es einem Dritten gestattet wäre, das Warenzeichen auf der Ware - mag sie auch vom Zeicheninhaber stammen - anzubringen.

...

Das dem Warenzeicheninhaber eingeräumte Recht, sich jeder unbefugten Anbringung des Warenzeichens auf seinem Erzeugnis zu widersetzen, gehört somit zum spezifischen Gegenstand des Warenzeichenrechts.“(19)

29.
    Der Gerichtshof wandte sich dann der Frage zu, ob die Ausübung dieses Rechts eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne von Artikel 36 Satz 2 darstellen könnte. Er hat sein Ergebnis zu diesem Punkt mittlerweile im Urteil Upjohn(20) modifiziert, um die Rechtsprechung zum „Rebranding“ (der Ersetzung einer Marke durch eine andere des gleichen Inhabers) mit der zur Wiederanbringung einer Marke an einem umgepackten Erzeugnis in Einklang zu bringen(21).

Bristol-Myers Squibb und verwandte Rechtssachen

30.
    Die Rechtssache Bristol-Myers Squibb und die zwei verwandten Rechtssachen Eurim-Pharm und MPA Pharma(22) betrafen in ähnlicher Weise die Umstände, unter denen der Inhaber einer Marke einen Parallelimporteur am Umpacken seiner mit der Marke versehenen Arzneimittel hindern konnte. Der Gerichtshof wählte sein Urteil Hoffmann-La Roche als Ausgangspunkt für eine Fortentwicklung seiner Rechtsprechung(23).

31.
    Der Gerichtshof stellte zunächst klar, dass der Erlass der Markenrichtlinie am wesentlichen Inhalt der oben behandelten Rechtsprechung nichts geändert habe. Daher stehe Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie abgesehen von den Fällen des Artikels 7 Absatz 2 der Berufung eines Markeninhabers auf die Marke zu demZweck, einen Importeur am Vertrieb einer Ware zu hindern, die vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung in einem anderen Mitgliedstaat in den Verkehr gebracht worden sei, auch dann entgegen, wenn dieser Importeur die Ware umgepackt und die Marke ohne Zustimmung des Inhabers wieder darauf angebracht habe(24). Zur Klärung der Frage, ob sich ein Markeninhaber gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie dem Vertrieb von Waren widersetzen könne, die umgepackt worden seien und auf denen die Marke wieder angebracht worden sei, sei auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu Artikel 36 zurückzugreifen(25).

32.
    Unter Bezugnahme auf das Urteil Hoffmann-La Roche bekräftigte der Gerichtshof das Grundprinzip der Erschöpfung von Rechten(26), wiederholte dann die in dieser Rechtssache in Bezug auf die Hauptfunktion und den spezifischen Gegenstand der Marke aufgestellten Grundsätze(27) und kam zu dem Ergebnis, dass Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie somit dahin auszulegen sei, dass sich „ein Markeninhaber dem weiteren Vertrieb eines Arzneimittels widersetzen kann, wenn der Importeur es umgepackt und die Marke wieder darauf angebracht hat, es sei denn, die vier im Urteil Hoffmann-La Roche ... genannten Voraussetzungen sind erfüllt“(28). Wie bereits ausgeführt, regeln diese vier Voraussetzungen die Umstände, unter denen es eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne von Artikel 30 Satz 2 EG darstellt, wenn der Markeninhaber die Rechte aus der Marke ausübt, um eine Vermarktung zu verhindern; sie gehen dahin, dass i) die Geltendmachung des Rechts aus der Marke in Anbetracht des vom Markeninhaber angewandten Vermarktungssystems zur künstlichen Abschottung der Märkte beitragen würde, ii) das Umpacken den Originalzustand der Ware nicht beeinträchtigen kann, iii) der Markeninhaber vorher unterrichtet wird und iv) auf der neuen Packung angegeben ist, von wem die Ware umgepackt wurde.

33.
    Der Gerichtshof ging dann näher auf jedes dieser vier Erfordernisse ein.

34.
    Zur künstlichen Abschottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten führte er aus:

„Die Geltendmachung einer Marke durch den Markeninhaber zu dem Zweck, sich dem Vertrieb der umgepackten Waren unter der Marke durch einen Dritten zu widersetzen, würde insbesondere dann zu einer Abschottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten beitragen, wenn der Inhaber das gleiche Arzneimittel inunterschiedlichen Packungen in verschiedenen Mitgliedstaaten in den Verkehr gebracht hat und das Arzneimittel in dem Zustand, in dem es vom Markeninhaber in einem Mitgliedstaat vertrieben worden ist, von einem Parallelimporteur nicht in einen anderen Mitgliedstaat eingeführt und dort in den Verkehr gebracht werden kann.

Daraus folgt, dass sich ein Markeninhaber dem Umpacken der Ware in eine neue äußere Verpackung nicht widersetzen kann, wenn Packungen der Größe, die er in dem Mitgliedstaat, in dem der Importeur die Ware gekauft hat, verwendet, im Einfuhrmitgliedstaat nicht vertrieben werden können, insbesondere weil dort nur Packungen einer bestimmten Größe zulässig sind oder eine entsprechende nationale Praxis besteht, weil Krankenversicherungsvorschriften die Erstattung der Krankheitskosten von der Packungsgröße abhängig machen oder weil feste ärztliche Verschreibungsgewohnheiten bestehen, die u. a. auf durch Berufsverbände und Krankenversicherungsträger empfohlenen Normgrößen beruhen.

...

Dagegen kann sich der Markeninhaber dem Umpacken der Ware in eine neue äußere Verpackung widersetzen, wenn es dem Importeur möglich ist, eine im Einfuhrmitgliedstaat vertriebsfähige Packung zu schaffen, indem er z. B. auf der äußeren oder inneren Originalverpackung neue Etiketten in der Sprache des Einfuhrmitgliedstaats anbringt ...

Die Befugnis des Inhabers einer in einem Mitgliedstaat geschützten Marke, sich dem Vertrieb umgepackter Waren unter dieser Marke zu widersetzen, darf nämlich nur insoweit beschränkt werden, als das Umpacken durch den Importeur erforderlich ist, um die Ware im Einfuhrmitgliedstaat vertreiben zu können.

Schließlich ist klarzustellen, dass die Verwendung des Begriffes .künstliche Abschottung der Märkte' durch den Gerichtshof entgegen der Ansicht der Klägerinnen der Ausgangsverfahren nicht bedeutet, dass der Importeur nachweisen muss, dass der Markeninhaber durch das Inverkehrbringen einer identischen Ware in verschiedenen Packungen bewusst versucht hat, die Märkte zwischen Mitgliedstaaten abzuschotten. Der Gerichtshof wollte durch die Feststellung, dass es sich um eine künstliche Abschottung handeln muss, hervorheben, dass sich der Inhaber stets auf seine Marke berufen kann, um sich dem Vertrieb umgepackter Waren zu widersetzen, wenn dies durch die Notwendigkeit, die Hauptfunktion der Marke zu wahren, gerechtfertigt ist; denn die sich daraus ergebende Abschottung kann in diesem Fall nicht als künstlich angesehen werden.“(29)

35.
    Der Gerichtshof stellte damit zwei Aspekte der ersten im Urteil Hoffmann-La Roche aufgestellten Voraussetzung für eine verschleierte Beschränkung desHandels klar, die darin besteht, dass die Geltendmachung des Rechts aus der Marke durch den Inhaber zur künstlichen Abschottung der Märkte beiträgt.

36.
    Erstens war in der früheren Rechtssache allgemein von der „Berücksichtigung des [vom Markeninhaber] angewandten Vermarktungssystems“ die Rede, während in den späteren Entscheidungen ein Beispiel für ein solches Vermarktungssystem genannt wird - dass nämlich der Inhaber das gleiche Arzneimittel in verschiedenen Mitgliedstaaten in unterschiedlichen Packungen in den Verkehr gebracht hat und das Arzneimittel in dem Zustand, in dem es vom Markeninhaber in einem Mitgliedstaat vertrieben worden ist, von einem Parallelimporteur nicht in einen anderen Mitgliedstaat eingeführt und dort in den Verkehr gebracht werden kann. Der Gerichtshof hob hervor, dass es für die Frage, ob der Markeninhaber aus diesem Grund sein Prima-facie-Recht verliere, sich der Vermarktung umgepackter Erzeugnisse zu widersetzen, darauf ankomme, ob das Umpacken durch den Importeur erforderlich sei, um die Ware im Einfuhrmitgliedstaat vertreiben zu können.

37.
    Zweitens bestätigte der Gerichtshof, dass es - wie schon im Urteil Hoffmann-La Roche angedeutet - nicht als Beitrag zur künstlichen Abschottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten anzusehen ist, wenn sich der Markeninhaber auf seine Rechte beruft, um die Hauptfunktion der Marke zu wahren.

38.
    Hinsichtlich der Voraussetzung, dass das Umpacken nicht geeignet sein darf, den Originalzustand der Ware zu beeinträchtigen, hob der Gerichtshof zunächst hervor, dass es um den Zustand der Ware gehe, die in der Verpackung enthalten sei. Ein Markeninhaber könne sich daher einem Umpacken immer dann widersetzen, wenn dieses das Risiko mit sich bringe, dass die in der Verpackung enthaltene Ware Manipulationen oder Einflüssen ausgesetzt werde, die ihren Originalzustand beeinträchtigten. Dies sei nicht der Fall, wenn sich das Umpacken nur auf die äußere von zwei Verpackungen beziehe, während die innere Verpackung unberührt bleibe. Wenn Blisterstreifen, Flaschen, Ampullen oder Inhalatoren aus ihrer äußeren Originalverpackung herausgenommen und in eine neue äußere Verpackung umgepackt würden, könne dies folglich den Originalzustand der in der Verpackung enthaltenen Ware nicht beeinträchtigen(30).

39.
    Der Gerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass die Hauptfunktion der Marke - die Herkunftsgarantie - gewahrt sei, wenn das Umpacken unter Bedingungen erfolge, die den Originalzustand der in der Verpackung enthaltenen Ware nicht beeinträchtigen könnten; der Verbraucher oder Endabnehmer werde nicht über die Herkunft der Waren irregeführt, sondern erhalte tatsächlich unter der alleinigen Kontrolle des Markeninhabers hergestellte Waren. Der Markeninhaber könne sich daher dem Vertrieb der durch einen Importeur umgepackten Waren unter seinerMarke nicht unter Berufung auf die Marke widersetzen. Damit werde dem Importeur jedoch eine bestimmte Befugnis eingeräumt, die unter normalen Umständen dem Markeninhaber selbst vorbehalten sei. Im Interesse des Markeninhabers und zu seinem Schutz vor Missbrauch sei dem Importeur diese Befugnis daher, wie der Gerichtshof im Urteil Hoffmann-La Roche festgestellt habe, nur insoweit zuzuerkennen, als er bestimmte sonstige Erfordernisse beachte(31).

40.
    Erstens müsse im Hinblick auf das Interesse des Markeninhabers daran, dass der Verbraucher oder Endabnehmer nicht zu der Annahme veranlasst werde, er sei für das Umpacken verantwortlich, auf der neuen Verpackung klar angegeben sein, wer die Ware umgepackt habe und von wem sie hergestellt worden sei(32).

41.
    Selbst wenn diese Voraussetzung eingehalten werde, könne die Aufmachung einer umgepackten Ware jedoch geeignet sein, den Ruf der Marke und ihres Inhabers zu schädigen; dann habe der Markeninhaber ein durch den spezifischen Gegenstand des Markenrechts bedingtes berechtigtes Interesse daran, sich dem Vertrieb der Ware widersetzen zu können. Bei der Beurteilung der Frage, ob die Aufmachung der umgepackten Ware geeignet sei, den Ruf der Marke zu schädigen, seien die Art der Ware und der Markt, für den sie bestimmt sei, zu berücksichtigen. Bei Arzneimitteln hingen die Anforderungen, denen die Aufmachung nach dem Umpacken genügen müsse, davon ab, ob es sich um eine Ware handele, die an Krankenhäuser oder aber über Apotheken an die Verbraucher verkauft werde. Im erstgenannten Fall würden die Arzneimittel den Patienten von Fachkräften verabreicht, für die die Aufmachung der Ware keine große Bedeutung habe. Im zweiten Fall sei die Aufmachung der Ware für den Verbraucher von größerer Bedeutung, auch wenn bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln schon dieser Umstand allein geeignet sei, beim Verbraucher ein gewisses Vertrauen in die Qualität der Ware zu erwecken(33).

42.
    Schließlich bestätigte der Gerichtshof, dass der Importeur den Markeninhaber vorab vom Feilhalten der umgepackten Ware unterrichten und ihm auf Verlangen ein Muster der umgepackten Ware liefern müsse. Dann könne der Markeninhaber nachprüfen, ob das Umpacken nicht in einer Weise vorgenommen werde, die den Originalzustand der Ware unmittelbar oder mittelbar beeinträchtige, und ob deren Aufmachung nach dem Umpacken nicht den Ruf der Marke schädige; ferner erleichtere dieses Erfordernis es dem Markeninhaber, sich vor den Aktivitäten von Fälschern zu schützen(34).

43.
    In allen drei Urteilen entschied der Gerichtshof, dass Artikel 7 Absatz 2 der Markenrichtlinie oder Artikel 36 EG-Vertrag zur Folge habe, dass sich ein Markeninhaber dem weiteren Vertrieb eines Arzneimittels widersetzen könne, wenn der Importeur es umgepackt und die Marke wieder darauf angebracht habe, es sei denn, folgende Voraussetzungen seien erfüllt:

„-    Es ist erwiesen, dass die Geltendmachung einer Marke durch den Markeninhaber zu dem Zweck, sich dem Vertrieb der umgepackten Waren unter der Marke zu widersetzen, zu einer künstlichen Abschottung der Märkte zwischen Mitgliedstaaten beitragen würde. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Markeninhaber das gleiche Arzneimittel in unterschiedlichen Packungen in verschiedenen Mitgliedstaaten in den Verkehr gebracht hat und das Umpacken durch den Importeur zum einen erforderlich ist, um das Arzneimittel im Einfuhrmitgliedstaat vertreiben zu können, und zum anderen unter solchen Bedingungen erfolgt, dass der Originalzustand des Arzneimittels dadurch nicht beeinträchtigt werden kann. Diese Voraussetzung bedeutet nicht, dass der Importeur nachweisen muss, dass der Markeninhaber beabsichtigt hat, die Märkte zwischen Mitgliedstaaten abzuschotten.

-    Es ist dargetan, dass das Umpacken den Originalzustand der in der Verpackung enthaltenen Ware nicht beeinträchtigen kann. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Importeur nur Handlungen vorgenommen hat, mit denen kein Risiko einer Beeinträchtigung verbunden ist, so z. B. wenn Blisterstreifen, Flaschen, Ampullen oder Inhalatoren aus ihrer äußeren Originalverpackung herausgenommen und in eine neue äußere Verpackung umgepackt werden, auf der inneren Verpackung der Ware Aufkleber angebracht werden oder in die Verpackung neue Beipack- oder Informationszettel oder ein zusätzlicher Artikel eingelegt werden. Das nationale Gericht hat zu prüfen, ob der Originalzustand der in der Verpackung enthaltenen Ware insbesondere dadurch mittelbar beeinträchtigt wird, dass die äußere oder innere Verpackung der umgepackten Ware oder ein neuer Beipack- oder Informationszettel bestimmte wichtige Angaben nicht enthält oder aber unzutreffende Angaben enthält oder dass ein vom Importeur in die Verpackung eingelegter zusätzlicher Artikel, der zur Einnahme und zur Dosierung des Arzneimittels dient, nicht der Gebrauchsanweisung und den Dosierungsempfehlungen des Herstellers entspricht.

-    Auf der neuen Verpackung ist klar angegeben, von wem das Arzneimittel umgepackt worden ist und wer der Hersteller ist. Diese Angaben müssen so aufgedruckt sein, dass sie ein normalsichtiger Verbraucher bei Anwendung eines normalen Maßes an Aufmerksamkeit verstehen kann. Ferner muss die Herkunft eines zusätzlichen Artikels, der nicht vom Markeninhaber stammt, in einer Weise angegeben sein, die den Eindruckausschließt, dass der Markeninhaber dafür verantwortlich ist. Dagegen braucht nicht angegeben zu werden, dass das Umpacken ohne Zustimmung des Markeninhabers erfolgt ist.

-    Das umgepackte Arzneimittel ist nicht so aufgemacht, dass dadurch der Ruf der Marke und ihres Inhabers geschädigt werden kann. Die Verpackung darf folglich nicht schadhaft, von schlechter Qualität oder unordentlich sein.

-    Der Importeur unterrichtet den Markeninhaber vorab vom Feilhalten des umgepackten Arzneimittels und liefert ihm auf Verlangen ein Muster der umgepackten Ware.“(35)

44.
    Der Gerichtshof machte somit im Urteil Bristol-Myers Squibb nähere Angaben zu den Umständen, unter denen sich ein Markeninhaber unter Berufung auf seine Rechte aus der Marke dem Umpacken durch einen Parallelimporteur widersetzen kann; dies ist nicht zulässig, wenn es zur künstlichen Abschottung der Märkte beiträgt - z. B. wenn das Umpacken zur Vermarktung erforderlich ist - und wenn das Umpacken so vorgenommen wird, dass die berechtigten Interessen des Markeninhabers gewahrt bleiben. Der Schutz dieser berechtigten Interessen bedeutet insbesondere, dass der Originalzustand der Ware nicht beeinträchtigt werden darf und dass das Umpacken nicht in einer Weise vorgenommen wird, die dem guten Ruf der Marke und ihres Inhabers schaden könnte(36); außerdem ist der Importeur verpflichtet, den Markeninhaber über das Umpacken zu unterrichten, ihm ein Muster der umgepackten Ware zu liefern und auf dieser den Verantwortlichen für das Umpacken anzugeben.

Die Urteile Loendersloot und Upjohn

45.
    In jüngster Zeit wurde die oben zusammengefasste Rechtsprechung vom Gerichtshof in den Urteilen Loendersloot(37) und Upjohn(38) bestätigt (abgesehen von einem Punkt) und weiter ausgebaut.

46.
    In der Rechtssache Loendersloot (in der es nicht um Arzneimittel ging) führte der Gerichtshof aus, dass sich nach seiner Rechtsprechung ein Markeninhaber dem weiteren Vertrieb eines Arzneimittels grundsätzlich widersetzen könne, wenn der Importeur es umgepackt und die Marke wieder darauf angebracht habe; in solchen Fällen sei das mit der Marke versehene Erzeugnis von einem Dritten ohne Genehmigung des Markeninhabers in einerWeise geändert worden, die die von der Marke erbrachte Herkunftsgarantie verfälschen könnte(39).

47.
    Im Urteil Upjohn stellte der Gerichtshof fest, dass nach der früheren Rechtsprechung die Befugnis eines Markeninhabers, sich aufgrund nationalen Rechts dem Umpacken von Waren bei Wiederanbringung der Originalmarke zu widersetzen, nach Artikel 36 gerechtfertigt sei, soweit nicht erwiesen sei, dass ein derartiges Vorgehen insbesondere zu einer künstlichen Abschottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten führen würde(40). Er fasste das Urteil American Home Products dahin gehend zusammen, dass die Hauptfunktion der Marke gefährdet wäre, wenn es einem Dritten gestattet wäre, die Marke auf der Ware - auch wenn diese vom Markeninhaber stamme - anzubringen, und dass das dem Markeninhaber eingeräumte Recht, sich jeder unbefugten Anbringung der Marke auf seinem Erzeugnis zu widersetzen, zum spezifischen Gegenstand der Marke gehöre. Es sei daher nach Artikel 36 Satz 1 gerechtfertigt, wenn sich der Markeninhaber gegen den Eingriff des Parallelimporteurs zur Wehr setze(41).

Die Voraussetzung der Erforderlichkeit

48.
    Bei der Erörterung des Konzepts der künstlichen Abschottung der Märkte in Fällen, in denen der Markeninhaber das gleiche Produkt in verschiedenen Mitgliedstaaten in unterschiedlichen Packungen vermarktet hatte, führte der Gerichtshof im Urteil Bristol-Myers Squibb aus, dass die Befugnis des Markeninhabers, sich dem Vertrieb umgepackter Waren zu widersetzen, nur insoweit beschränkt werden dürfe, als das Umpacken erforderlich sei, um die Ware im Einfuhrstaat vertreiben zu können(42). Der Gerichtshof wiederholte dies im Urteil Loendersloot(43), in dem er ausführte, dass in Fällen, in denen es um das Umpacken von Arzneimitteln gehe, die nationalen Gerichte zu prüfen hätten, ob auf den Märkten ihrer eigenen Staaten Bedingungen herrschten, die objektiv ein Umpacken erforderlich machten.

49.
    Erläuterungen zu den Umständen, unter denen ein Umpacken durch den Importeur als „erforderlich“ angesehen werden kann, sind im Urteil Bristol-Myers Squibb zu finden. Der Gerichtshof verwies in diesem Urteil auf den Fall, dass eine Vermarktung im Einfuhrmitgliedstaat insbesondere wegen nationaler Regelungen oder Praktiken, Krankenversicherungsvorschriften, die die Erstattung von Krankheitskosten regeln, oder festen ärztlichen Verschreibungsgewohnheiten nichtmöglich ist(44). Dagegen hielt er ein Umpacken nicht für erforderlich, wenn es dem Importeur möglich sei, „eine im Einfuhrmitgliedstaat vertriebsfähige Packung zu schaffen, indem er z. B. auf der äußeren oder inneren Originalverpackung neue Etiketten in der Sprache des Einfuhrmitgliedstaats anbringt [oder] neue Beipack- oder Informationszettel in der Sprache des Einfuhrmitgliedstaats beilegt ...“(45)

50.
    Weitere Erläuterungen zur Bedeutung von „objektiv erforderlich“ wurden seitdem vom Gerichtshof in den Urteilen Loendersloot(46) und Upjohn(47) gegeben.

51.
    Das Urteil Upjohn betraf die Frage, ob ein Parallelimporteur auf importierten Waren die Marke benutzen durfte, die der Inhaber im Einfuhrstaat für die gleichen Waren benutzte, auch wenn sie sich von der Marke unterschied, unter der die fraglichen Waren im Ausfuhrstaat vom Markeninhaber in den Verkehr gebracht wurden. Obwohl dies ein anderer Fall als das Umpacken im oben dargestellten Sinn ist, stellte der Gerichtshof klar, dass es im Rahmen der Prüfung, ob das Verhalten des Markeninhabers zur künstlichen Abschottung der Märkte beigetragen habe, keinen Unterschied zwischen beiden Fällen gebe(48).

52.
    Der Gerichtshof führte im Urteil Upjohn aus, die Voraussetzung der Erforderlichkeit sei erfüllt, wenn in einem konkreten Fall der tatsächliche Zugang des Parallelimporteurs zu den Märkten des Einfuhrmitgliedstaats behindert wäre, falls ihm die Ersetzung der Marke (das Umpacken) verboten wäre; dies sei dann der Fall, wenn Regelungen oder Praktiken im Einfuhrmitgliedstaat den Vertrieb der betreffenden Ware auf dem Markt dieses Staates unter der Marke, die sie im Ausfuhrmitgliedstaat trage (in der im Ausfuhrmitgliedstaat verwendeten Verpackung), verhinderten. Die Voraussetzung der Erforderlichkeit sei dagegen nicht erfüllt, wenn die Ersetzung der Marke (das Umpacken) ihren Grund ausschließlich darin habe, dass der Parallelimporteur einen wirtschaftlichen Vorteil erlangen wolle(49).

53.
    Im Urteil Loendersloot führte der Gerichtshof aus, selbst wenn die Neuetikettierung (die dort statt eines Umpackens in Rede stand) erforderlich sei, um das Erzeugnis im Einfuhrstaat abzusetzen, müsse sie so vorgenommen werden, dass sie den Parallelhandel ermögliche, aber den spezifischen Gegenstand des Markenrechts möglichst wenig beeinträchtige. So sei es nicht erforderlich, die Originaletiketten zu entfernen und wieder anzubringen oder zu ersetzen, wenn sieden Etikettierungsvorschriften des Einfuhrstaats zwar entsprächen, diese aber zusätzliche Angaben vorschrieben, da es dann genüge, auf den fraglichen Flaschen ein Zusatzetikett mit den zusätzlichen Angaben anzubringen(50).

Der Vorlagebeschluss und die -fragen in der Rechtssache Boehringer Ingelheim

54.
    Aus dem sehr langen und detaillierten Vorlagebeschluss ergibt sich, dass der High Court nicht davon überzeugt ist, dass die oben wiedergegebene Rechtsprechung in jeder Hinsicht zutrifft. Speziell in zwei Fällen hält er diese Rechtsprechung für unklar und/oder unzutreffend.

55.
    Erstens ist das vorlegende Gericht der Ansicht, dass ein Widerspruch zwischen dem erstmals im Urteil Hoffmann-La Roche zum Ausdruck gebrachten Grundsatz, dass sich ein Markeninhaber auf die Rechte aus seiner Marke berufen könne, um sich dem Parallelimport umgepackter, mit der Marke versehener Waren zu widersetzen, soweit dies zur Wahrung der Rechte gerechtfertigt sei, die den spezifischen Gegenstand der Marke ausmachten, und dem erstmals im Urteil Bristol-Myers Squibb zum Ausdruck gebrachten Grundsatz bestehe, dass die Befugnis des Markeninhabers, sich dem Parallelimport solcher Waren zu widersetzen, nur insoweit beschränkt werden dürfe, als das Umpacken erforderlich sei, um die Ware vertreiben zu können. Für das vorlegende Gericht ist nicht ersichtlich, weshalb das Kriterium der Erforderlichkeit eine Rolle spielen sollte; wenn die Vermarktung der umgepackten Waren den spezifischen Gegenstand der Marke nicht verletzen könne, sollte der Markeninhaber nach der früheren Rechtsprechung nicht berechtigt sein, sich ihr zu widersetzen.

56.
    Spiele das Kriterium der Erforderlichkeit aber - entgegen seiner Rechtsauffassung - eine Rolle, so gebe es in der Rechtsprechung des Gerichtshofes keine ausreichenden Erläuterungen zu dessen Bedeutung. Fraglich sei insbesondere, ob das Umpacken von Arzneimitteln als „erforderlich“ bezeichnet werden könne, wenn das Anbringen von Aufklebern den gleichen Erfolg hätte, die Produkte aber auf einem bestimmten Markt erheblich weniger wettbewerbsfähig machen würde.

57.
    Zweitens hält das vorlegende Gericht das vom Gerichtshof in seiner Rechtsprechung entwickelte Erfordernis einer vorherigen Unterrichtung vom Umpacken nicht für überzeugend. Es ersucht den Gerichtshof, dieses Erfordernis zu überdenken. Sollte er daran festhalten, bittet das vorlegende Gericht um Erläuterungen zu Form und Umfang einer solchen Unterrichtung und zu den Folgen ihrer Unterlassung.

58.
    Es hat dem Gerichtshof daher folgende Fragen vorgelegt:

1.    Kann der Inhaber einer Marke seine Rechte dazu benutzen, die Einfuhr seiner eigenen Waren aus einem Mitgliedstaat in einen anderen zu untersagen oder zu behindern oder deren späteren Vertrieb oder Absatzförderung zu behindern, wenn Einfuhr, Vertrieb oder Absatzförderung den spezifischen Gegenstand seiner Rechte nicht oder nicht wesentlich beeinträchtigen?

2.    Ist die vorstehende Frage anders zu beantworten, wenn sich der Markeninhaber darauf beruft, dass der Importeur oder später der Verkäufer seine Marke in einer Weise benutzt, bei der zwar ihr spezifischer Gegenstand nicht beeinträchtigt wird, die aber nicht erforderlich ist?

3.    Falls der Importeur der Waren des Markeninhabers oder ein Händler mit diesen Importwaren nachzuweisen hat, dass seine Benutzung der Marke „erforderlich“ ist, ist diese Voraussetzung dann erfüllt, wenn nachgewiesen wird, dass eine Benutzung der Marke vernünftigerweise nötig ist, um ihm a) einen Teil des Marktes für die Waren oder b) diesen gesamten Markt zu öffnen, oder bedeutet dies, dass die Benutzung der Marke für den Marktzugang dieser Waren wesentlich gewesen sein muss? Sollte dies alles nicht zutreffen, welches ist dann der Sinn von „erforderlich“?

4.    Falls der Markeninhaber prima facie berechtigt ist, seine nationalen Markenrechte gegen jede nicht erforderliche Benutzung seiner Marke bei oder im Zusammenhang mit Waren durchzusetzen, stellt dann die Geltendmachung dieser Berechtigung zu dem Zweck, Parallelimporte seiner eigenen Waren, die den spezifischen Gegenstand oder die Hauptfunktion der Marke nicht gefährden, zu behindern oder auszuschließen, ein missbräuchliches Verhalten und eine verschleierte Handelsbeschränkung im Sinne von Artikel 30 Satz 2 EG dar?

5.    Muss ein Importeur oder ein Händler mit importierten Waren, der die Marke bei oder im Zusammenhang mit diesen Waren benutzen will, ohne dass diese Benutzung den spezifischen Gegenstand der Marke beeinträchtigt oder beeinträchtigen wird, gleichwohl dem Markeninhaber vorab die beabsichtigte Benutzung der Marke mitteilen?

6.    Falls die vorstehende Frage zu bejahen ist: Bewirkt die Unterlassung dieser Mitteilung durch den Importeur oder Händler, dass der Markeninhaber die Befugnis erhält, die Einfuhr oder den weiteren Vertrieb dieser Waren zu unterbinden oder zu behindern, obwohl diese den spezifischen Gegenstand der Marke nicht beeinträchtigen?

7.    Falls ein Importeur oder ein Händler mit importierten Waren den Markeninhaber vorab über die Benutzung der Marke zu unterrichten hat, auch wenn diese den spezifischen Gegenstand der Marke nicht beeinträchtigt,

    a)    gilt dieses Erfordernis für sämtliche Nutzungen der Marke einschließlich Werbung, Umetikettierung und Umpacken oder nur für bestimmte Nutzungen, und wenn ja, für welche,

    b)    hat der Importeur oder Händler den Markeninhaber zu unterrichten oder genügt es, dass dieser anderweitig davon erfährt,

    c)    welchen Umfang muss diese Unterrichtung haben?

8.    Ist das nationale Gericht eines Mitgliedstaats befugt, auf Antrag des Inhabers von Markenrechten auf einstweilige Anordnungen, Schadensersatz, Herausgabe oder sonstige Rechtsbehelfe in Bezug auf importierte Waren, deren Verpackung oder die Werbung für sie zu erkennen, wenn eine solche Entscheidung a) den freien Handel mit Waren, die vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung in der EG in den Verkehr gebracht wurden, verhindert oder erschwert, aber b) nicht zu dem Zweck ergeht, eine Beeinträchtigung des spezifischen Gegenstands der Rechte zu verhindern, und zur Verhinderung einer solchen Beeinträchtigung nicht beiträgt?

Der Sachverhalt und die Vorlagefrage in der Rechtssache Merck, Sharp & Dohme

59.
    Die Klägerin des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C-443/99, die Merck, Sharp & Dohme GmbH (im Folgenden: Merck), vertreibt in Österreich Arzneimittel unter der Marke Proscar. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Paranova Pharmazeutika Handels GmbH (im Folgenden: Paranova), ist ein Parallelimporteur von Arzneimitteln; u. a. importiert sie mit Genehmigung der österreichischen Behörden Proscar. Paranova kaufte in Spanien Proscar-Tabletten und packte sie zum Zweck ihrer Vermarktung in Österreich um. Dabei wurden die Blisterpackungen der Tabletten in neue Außenverpackungen umgepackt, auf denen die Marke angebracht war, sonstige Unterlagen wie die Gebrauchsinformation erstellt oder angepasst (insbesondere übersetzt) und auf der neuen Verpackung die für den Vertrieb in Österreich vorgeschriebenen Angaben angebracht.

60.
    Auf Antrag von Merck, der damit begründet wurde, dass das Umpacken (und damit das Wiederanbringen der Marke) durch Paranova einen unzulässigen Eingriff in ihr Markenrecht darstelle, wurde Paranova eine solche Benutzung der Marke untersagt, wobei das erstinstanzliche Gericht(51) ausführte, dass der Austausch der Originalverpackung gegen eine neue Verpackung nur dann zulässig wäre, wenn das Arzneimittel nicht durch Aufkleber an die österreichischen Rechtsvorschriften angepasst werden könnte.

61.
    Im Rekursverfahren hat das Oberlandesgericht Wien dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Artikel 7 Absatz 2 der Ersten Richtlinie des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (89/104/EWG) dahin auszulegen, dass sich ein Markeninhaber dem Vertrieb eines unter seiner Marke in den Verkehr gebrachten Arzneimittels widersetzen kann, wenn der Importeur es umgepackt und die Marke wieder darauf angebracht sowie die weiteren in den Entscheidungen C-427/93, C-429/93 und C-436/93 des Europäischen Gerichtshofes angeführten Voraussetzungen erfüllt hat (keine Beeinträchtigung der in der Verpackung enthaltenen Ware, klare Angabe über Hersteller und Herkunft, keine Schädigung der Marke und ihres Inhabers durch schlechte Verpackung sowie Verständigung des Markeninhabers vom Feilhalten des umgepackten Arzneimittels), die Verkehrsfähigkeit der Ware aber allein deshalb ohne ein solches Umpacken gefährdet wäre, weil ein nicht unerheblicher Teil der Arzneimittelkonsumenten im Importstaat Arzneimitteln misstrauisch gegenübersteht, die ersichtlich für den Markt eines anderen (fremdsprachigen) Staates produziert und deren Verpackungen lediglich durch Aufkleber an die für das Feilhalten von Arzneimitteln geltenden innerstaatlichen Vorschriften angepasst wurden?

62.
    Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich, dass das Oberlandesgericht Wien Zweifel hinsichtlich der zutreffenden Auslegung der oben dargestellten Rechtsprechung des Gerichtshofes und insbesondere des Urteils Bristol-Myers Squibb hat, die mit denen vergleichbar sind, die den High Court of Justice of England and Wales zur Vorlage der Fragen in der Rechtssache Boehringer Ingelheim veranlasst haben.

63.
    Im Einzelnen führt das Oberlandesgericht aus, es erscheine insbesondere bei Arzneimitteln fraglich, unter welchen Voraussetzungen davon gesprochen werden könne, dass die Geltendmachung einer Marke durch ihren Inhaber zu dem Zweck, sich dem Vertrieb der umgepackten Waren unter der Marke zu widersetzen, zu einer künstlichen Abschottung der Märkte zwischen Mitgliedstaaten beitragen würde. Sollte - wie es der Fall zu sein scheine - ein nicht unerheblicher Teil der Verbraucher Misstrauen gegen Arzneimittel haben, die durch die Verwendung von Aufklebern an die österreichischen Vorschriften über die Präsentation von Arzneimitteln angepasst worden seien, so könne durchaus davon gesprochen werden, dass ein Verbot des Umpackens derartiger Arzneimittel zu einer künstlichen Abschottung der Märkte beitragen würde. Daher sei darüber zu entscheiden, ob solche Produkte nur dann umgepackt werden dürften, wenn auf andere Weise ein den Rechtsvorschriften des Einfuhrstaats entsprechender Zustand nicht hergestellt werden könne, oder auch dann, wenn das Verwenden von Aufklebern zwar rechtlich zulässig sei, aber zu einer tatsächlichen Beeinträchtigung der Absatzchancen gegenüber dem „Originalprodukt“ führen würde. Es geht mit anderen Worten darum, was genau damit gemeint ist, dass das Umpacken „erforderlich“ sein muss, um das importierte Produkt zu vermarkten. Diese Frage stimmt im Wesentlichen mit der überein, die der High Court aufgeworfen hat und die oben unter Nummer 56 zusammengefasst wurde.

Erklärungen der Verfahrensbeteiligten

64.
    In der Rechtssache Merck, Sharp & Dohme haben Merck, Paranova, die belgische Regierung und die Kommission schriftliche Erklärungen abgegeben. Merck, Paranova und die Kommission nahmen an der mündlichen Verhandlung teil.

65.
    In der Rechtssache Boehringer Ingelheim haben Boehringer Ingelheim, Glaxo Wellcome, Eli Lilly und SmithKline Beecham (gemeinsam), Swingward, die deutsche und die norwegische Regierung(52) sowie die Kommission schriftliche Erklärungen abgegeben und alle an der mündlichen Verhandlung teilgenommen.

66.
    Speziell die schriftlichen Erklärungen beschäftigen sich zum Teil mit den Sachverhalten, die zu den Ausgangsverfahren führten. Die vorlegenden Gerichte haben die Vorlagefragen jedoch in beiden Fällen zutreffend auf der Grundlage allgemeiner Grundsätze formuliert, so dass die Antworten des Gerichtshofes auch in anderen Zusammenhängen herangezogen werden können. Auch ich werde bestrebt sein, mich nicht durch Einzelheiten des Sachverhalts ablenken zu lassen, da ich es für möglich und angebracht halte, die Fragen auf der Grundlage allgemeiner Grundsätze zu beantworten.

67.
    Soweit sie sich mit einschlägigen allgemeinen Grundsätzen befassen, können die Erklärungen wie folgt zusammengefasst werden. Die Erklärungen der Verfahrensbeteiligten zu Fragen, die das Erfordernis der vorherigen Unterrichtung betreffen, werden später im Rahmen der Erörterung dieses Erfordernisses angesprochen.

68.
    Merck trägt vor, die Vorlagefrage des Oberlandesgerichts Wien sei in der Rechtsprechung des Gerichtshofes, zuletzt im Urteil Upjohn, bereits beantwortet worden: Ein wirtschaftlicher Vorteil - wie die Überwindung der Abneigung der Verbraucher gegen mit Aufklebern versehene Packungen - könne einen Parallelimporteur nicht zum Umpacken eines importierten Produkts berechtigen. Für den Fall, dass der Gerichtshof dem nicht folgen sollte, trägt Merck vor, das Verbot des Umpackens sei keine Handelsbeschränkung, wenn der Importeur die Originalpackung anpassen könne, auch wenn die Verbraucher umgepackte Produkte bevorzugten. In einer Marktwirtschaft sei es Sache des Parallelimporteurs, diese Abneigung zu überwinden. Die wirtschaftlichen Interessen des Importeurs seien subjektiver Art und dürften bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit seines Verhaltens nicht herangezogen werden, da sonst der Grundsatz der Rechtssicherheit verletzt würde. Zudem verlange der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die Einschränkung eines Grundrechts nicht über das hinausgehen dürfe, was zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet und erforderlich sei.

69.
    Boehringer Ingelheim trägt vor, das Verbot der Benutzung einer Marke durch andere als den Markeninhaber stelle kein Hindernis für den freien Handel zwischen Mitgliedstaaten im Sinne von Artikel 28 EG dar, wenn der Parallelimporteur tatsächlich Zugang zu den Märkten des Einfuhrstaats erlangen könne, ohne in die Rechte des Markeninhabers einzugreifen. Umgekehrt hindere das Gemeinschaftsrecht den Markeninhaber nicht daran, sich eines Eingriffs in seine Markenrechte zu widersetzen, es sei denn, dieser Eingriff sei für den Zugang zum Markt des Einfuhrstaats erforderlich und beeinträchtige den spezifischen Gegenstand der Marke so wenig wie möglich, und andere berechtigte Interessen des Markeninhabers blieben gewahrt. Ein Eingriff in die Rechte des Markeninhabers sei nur dann erforderlich, wenn Rechtsvorschriften des Einfuhrstaats und Praktiken mit gleicher Wirkung den Importeur ohne einen solchen Eingriff an der Vermarktung des Produkts im Einfuhrstaat hindern würden. Der Markeninhaber sei daher berechtigt, sich einem Eingriff, der darauf beruhe, dass die örtlichen Verbraucher eine bestimmte Verpackung vorzögen, zu widersetzen, sofern die in diesem Staat bestehenden Vorschriften und Praktiken es dem Parallelimporteur erlaubten, das Produkt ohne den Eingriff zu vermarkten.

70.
    Glaxo macht geltend, das Umpacken der Waren eines Markeninhabers und das Wiederanbringen der Marke ohne Zustimmung des Inhabers seien ein Eingriff in den spezifischen Gegenstand der Marke. Schon dieser Eingriff allein rechtfertige unter den vier im Urteil Hoffmann-La Roche genannten Voraussetzungen eine Klage wegen Markenverletzung. Insbesondere müsse nicht nachgewiesen werden, dass das Umpacken schädlich sei oder den spezifischen Gegenstand der Marke beeinträchtige oder verletze.

71.
    Zur Voraussetzung der Erforderlichkeit führt Glaxo aus, der Gerichtshof habe zwischen Änderungen der Verpackung, die nötig seien, damit die Waren in Verkehr gebracht werden könnten, und Änderungen differenzieren wollen, die „erforderlich“ seien, um die wirtschaftliche Akzeptanz dieser Waren auf dem Markt zu maximieren - wie z. B. Änderungen, die es den Parallelimporteuren ermöglichen sollten, höhere Preise für ihre Waren zu verlangen, die diese in anderer Weise für die Verbraucher attraktiver machten oder die den Absatz steigerten. Wenn nicht dargetan werde, dass das Umpacken erforderlich sei, um das Produkt im Einfuhrmitgliedstaat zu vermarkten, liege keine künstliche Abschottung des Marktes durch den Markeninhaber vor. Dürfe der Importeur umpacken, falls dies zur Vermarktung erforderlich sei, so werde der Grundsatz des freien Warenverkehrs nicht verletzt.

72.
    SmithKline Beecham trägt vor, aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergebe sich, dass die Frage des Beweises für eine Schädigung des Rufes der Marke eine für Artikel 30 Satz 2 EG relevante Erwägung sein könne, aber keine Voraussetzung für die Anwendung von Artikel 30 Satz 1 sei. Schädigung und Erforderlichkeit seien voneinander zu trennen. Wenn es erforderlich sei, das Umpacken in einer bestimmten Form zuzulassen, um eine verschleierte Beschränkung zu verhindern, bleibe die Tatsache, dass das Umpacken denMarkeninhaber schädige, eine relevante Erwägung. Die Tatsache, dass das Umpacken keinen Schaden verursachen würde, könne für sich genommen das Umpacken nicht erforderlich machen. „Erforderlich“ bedeute unentbehrlich für die Vermarktung des Produkts in dem Sinne, dass das Produkt ohne das Umpacken nicht in Verkehr gebracht werden könnte. Die Überwindung der Abneigung der Verbraucher gegen überklebte Produkte sei kein berechtigter Grund für das Umpacken.

73.
    Paranova führt aus, das Erfordernis, die Proscar-Packungen zu überkleben statt sie zu ersetzen, würde ihren Absatz behindern und zu einer unerwünschten Abschottung der Märkte führen. Das Umpacken von Arzneimitteln aus anderen Mitgliedstaaten sei grundsätzlich zulässig, sofern der Importeur die vom Gerichtshof in seiner Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen einhalte. Im Urteil Bristol-Myers Squibb habe der Gerichtshof hervorgehoben, dass es sich bei Arzneimitteln um einen sensiblen Bereich handele, in dem die Aufmachung des Produkts das Vertrauen der Öffentlichkeit wecken (und auch zerstören) könne. Die besondere Situation des Marktes für solche Produkte sei zu berücksichtigen, ohne dem wirtschaftlichen oder nicht-wirtschaftlichen Charakter der verschiedenen Aspekte der Aufmachung Gewicht beizumessen. Im Kontext eines Marktes, auf dem die nationalen Behörden umgepackte Arzneimittel gegenüber überklebten Packungen bevorzugten, würde ein Beharren auf dem Überkleben ein wesentlich größeres Handelshemmnis als die unterschiedlichen Packungsgrößen darstellen, um die es im Urteil Bristol-Myers Squibb gegangen sei.

74.
    Zur Voraussetzung der Erforderlichkeit führt Paranova aus, sie sei unklar und jedenfalls nicht das ausschlaggebende Kriterium. Die Auslegung durch den Gerichtshof im Urteil Upjohn stehe im Widerspruch zur früheren Rechtsprechung. Um die Fälle miteinander in Einklang zu bringen, sollte die Frage der Erforderlichkeit nur angesprochen werden, wenn der spezifische Gegenstand der Marke beeinträchtigt worden sei. Werde die Voraussetzung dagegen für anwendbar erachtet, so sollte sie in weiter Auslegung dahin verstanden werden, dass sie einen tatsächlichen Zugang zum Markt ermögliche, so dass nur Umstände ausgeschlossen seien, die in die subjektive Sphäre des Parallelimporteurs selbst fielen.

75.
    Nach Ansicht von Swingward geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes klar hervor, dass die Berufung auf eine Marke nur zulässig sei, wenn eine spezielle und substanzielle Schädigung des spezifischen Gegenstands der Marke vorliege. Umstände, unter denen das Verhalten in Bezug auf eine Marke nicht erforderlich sei, lägen nur dann vor, wenn es allein mit Versuchen des Parallelimporteurs zu erklären sei, sich einen wirtschaftlichen Vorteil zu sichern. Ein wirtschaftlicher Vorteil im Sinne des Urteils Upjohn sei ein unfairer oder missbräuchlicher wirtschaftlicher Vorteil.

76.
    Die deutsche Regierung trägt in der Rechtssache Boehringer Ingelheim vor, die Rechtsprechung des Gerichtshofes mache deutlich, dass das Umpacken oderNeukennzeichnen von Markenware Rechte des Markeninhabers einschließlich derer, die den spezifischen Gegenstand des Markenrechts ausmachten, gefährden könne; es bestehe kein Anlass, von dieser gefestigten Rechtsprechung abzurücken. Der Gerichtshof habe auch klare Leitlinien zu den Umständen geschaffen, unter denen das Umpacken und die Neuetikettierung markenrechtlich geschützter Arzneimittel zulässig seien, und dabei auf die Erforderlichkeit abgestellt. Bloße wirtschaftliche Vorteile wie die weitere Steigerung des Absatzes eines Produkts reichten nicht aus, um das Umpacken oder die Neuetikettierung als erforderlich anzusehen. Eine objektive Zwangslage zum Umpacken bestehe daher beispielsweise nicht, wenn die Akzeptanz für überklebte oder fremdsprachige Packungen geringer sei. Wenn dagegen der potenzielle Abnehmermarkt tatsächlich einem unveränderten importierten Produkt den Absatz ganz erheblich erschwere, dann müsse das Umpacken als erforderlich angesehen werden.

77.
    Die norwegische Regierung macht in der Rechtssache Boehringer Ingelheim geltend, der Wortlaut von Artikel 30 EG setze voraus, dass Einfuhrbeschränkungen nur dann gerechtfertigt seien, wenn das gewerbliche oder kommerzielle Eigentum sonst gefährdet wäre; eine die Erforderlichkeit betreffende Voraussetzung würde zudem gegen Artikel 30 EG verstoßen, da sie eine unangemessene Einfuhrbeschränkung wäre. Die Abschnitte in der Rechtsprechung des Gerichtshofes, auf die sich die Gegenmeinung berufe, stützten nicht die Schlussfolgerung, dass sich ein Markeninhaber der Einfuhr umgepackter Produkte widersetzen könne, bei der weder der Originalzustand des Produkts beeinträchtigt noch der Ruf der Marke und ihres Inhabers geschädigt werde. Wenn die vier im Urteil Hoffmann-La Roche aufgestellten Voraussetzungen erfüllt seien, bleibe dem Markeninhaber kein berechtigter Grund, sich der Einfuhr des umgepackten Produkts zu widersetzen. Der Rechtsprechung des Gerichtshofes lasse sich die Voraussetzung der Erforderlichkeit folglich nicht entnehmen. Sollte eine solche Voraussetzung jedoch aufgestellt werden, dann müsste sie als erfüllt angesehen werden, wenn der Parallelimporteur das Umpacken für erforderlich halte, um das Produkt zu vermarkten.

78.
    In der Rechtssache Merck, Sharp & Dohme fügt die norwegische Regierung hinzu, die Voraussetzung der Erforderlichkeit sei erfüllt, wenn ein großer Teil der Verbraucher ohne das Umpacken nicht gewillt sei, die Produkte zu kaufen, weil ein erheblicher Prozentsatz der Kunden und Benutzer misstrauisch gegenüber Arzneimitteln sei, die eindeutig für den Markt eines anderen, fremdsprachigen Staates herstellt worden seien.

79.
    Die Kommission trägt in der Rechtssache Merck, Sharp & Dohme vor, die „Erforderlichkeit“, die das Umpacken durch einen Parallelimporteur objektiv rechtfertige, könne rechtlicher Art sein (wie im Urteil Loendersloot) oder tatsächlicher Art (wie im Urteil Bristol-Myers Squibb). Als Ausnahme vom gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz des Verbots eines Eingriffs in das Markenrecht sei die Anerkennung einer objektiven Notwendigkeit eng auszulegen. Der Parallelimporteur müsse den spezifischen Gegenstand der Marke möglichst wenigbeeinträchtigen. Er dürfe die Ware z. B. nicht umpacken, wenn die Anbringung von Etiketten möglich sei. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Umpacken im vorliegenden Fall rechtlich oder tatsächlich erforderlich sei. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes liege eine künstliche Abschottung der Märkte erst dann vor, wenn die Ablehnung der importierten Produkte so groß sei, dass dem Parallelimporteur der tatsächliche Zugang zu den Märkten des Einfuhrstaats versperrt werde; selbst ein erheblicher Widerstand der Verbraucher erscheine daher nicht ausreichend. Auch wenn das nationale Gericht feststellen sollte, dass der Absatz überklebter Packungen erheblich niedriger oder sogar unbedeutend sei, müsste es die Gründe für diese Ablehnung prüfen; wenn sie tatsächlich auf unzureichenden Informationen beruhen sollte, müsste sich das nationale Gericht fragen, ob der Importeur nicht Schritte zur Aufklärung der Verbraucher und Apotheker unternehmen sollte.

80.
    In der Rechtssache Boehringer Ingelheim führt die Kommission aus, die Kernfrage laute, ob die Voraussetzung der Erforderlichkeit mit den Voraussetzungen kombiniert werden müsse, die den Schutz des spezifischen Gegenstands einer Marke beträfen. Auch wenn das Urteil Bristol-Myers Squibb insoweit nicht völlig frei von Unklarheiten sei, hätte der Gerichtshof, wenn er das Wesen der im Urteil Hoffmann-La Roche aufgestellten Liste von Voraussetzungen hätte ändern und einige von ihnen als Alternativen hätte ausgestalten wollen, dies im erstgenannten Urteil ohne weiteres tun können. Daher sei davon auszugehen, dass die Voraussetzung der „Erforderlichkeit“ zu den Kriterien hinzukomme, die den Schutz des spezifischen Gegenstands einer Marke beträfen. Die Erforderlichkeit des Überklebens sei leichter zu rechtfertigen als die des Umpackens unter der Marke, bedürfe aber gleichwohl einer solchen Rechtfertigung. Beim Umpacken ohne Anbringen der Marke erscheine es überflüssig, die Voraussetzung der „Erforderlichkeit“ aufzustellen, da die Marke nicht über das zum Weiterverkauf der Waren unerlässliche Maß hinaus benutzt werde. In solchen Fällen sollten nur die letzten vier Voraussetzungen aus dem Urteil Bristol-Myers Squibb angewandt werden, die den spezifischen Gegenstand beträfen. Zur Bedeutung des Wortes „Erforderlichkeit“ trägt die Kommission vor, die Ablehnung durch die Verbraucher mache das Umpacken nicht im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes erforderlich, sofern sie nicht so groß sei, dass sie durch niedrigere Preise und bessere Information nicht überwunden werden könne.

81.
    Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen in der Rechtssache Boehringer Ingelheim die erste, die fünfte, die siebente und die achte Frage des High Court insofern als unzulässig ansieht, als sie sich auf die Benutzung einer Marke zu Werbezwecken beziehen, da es im Vorlagebeschluss keinen Anhaltspunkt dafür gebe, dass die Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Beteiligten an den Ausgangsverfahren Werbemaßnahmen beträfen. Diesem Vorbringen wurde in der mündlichen Verhandlung nicht widersprochen. Daher erscheint das Ergebnis unabweisbar, dass das vorlegendeGericht in diesem Punkt bei der Entscheidung über die ihm vorliegenden Rechtssachen keiner Erläuterung des Gemeinschaftsrechts bedarf. Meines Erachtens braucht daher auf die Vorlagefragen nicht eingegangen zu werden, soweit sie die Werbung oder Absatzförderung durch Parallelimporteure betreffen.

Das Verhältnis zwischen dem spezifischen Gegenstand einer Marke und der Erforderlichkeit des Umpackens

82.
    Die erste, die zweite, die vierte und die achte Vorlagefrage in der Rechtssache Boehringer Ingelheim gehen alle im Wesentlichen dahin, ob sich ein Markeninhaber auf seine Markenrechte berufen darf, um einen Parallelimporteur daran zu hindern, verschiedene Umpackvorgänge vorzunehmen, die nach nationalem Recht als Verletzungen der Marke angesehen werden, wenn der spezifische Gegenstand oder die Hauptfunktion der Marke nicht bedroht sind und/oder wenn es nicht erforderlich ist, dass der Parallelimporteur ein solches Umpacken vornimmt.

83.
    Wie oben erwähnt, ergibt sich aus dem Vorlagebeschluss, dass der Gerichtshof nach Ansicht des nationalen Gerichts bei der Aufstellung der verschiedenen Voraussetzungen in Bezug auf den spezifischen Gegenstand einer Marke und die Erforderlichkeit des Umpackens nicht widerspruchsfrei vorgegangen ist.

84.
    Ich vermag jedoch in der Aufstellung der verschiedenen Voraussetzungen weder einen Widerspruch noch fehlende Übereinstimmung zu erkennen, da diese Voraussetzungen verschiedene Stufen bei der Prüfung der Frage betreffen, ob sich ein Markeninhaber auf seine Markenrechte berufen darf, um einen Parallelimporteur daran zu hindern, Markenwaren umzupacken.

85.
    Erstens geht aus der Rechtsprechung klar hervor, dass ein Markeninhaber nach Artikel 30 Satz 1 EG oder nach Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie prima facie berechtigt ist, sich dagegen zu wehren, dass nach dem Umpacken ohne seine Zustimmung wieder seine Marke angebracht wird(53).

86.
    Meines Erachtens gilt dieser Grundsatz für alle hier in Rede stehenden Formen des Umpackens, weil i) jeder dieser Umpackvorgänge grundsätzlich geeignet ist, die mit einer Marke verbundene Garantie zu beeinträchtigen, dass auf ein diese Marke tragendes Produkt kein Dritter ohne Zustimmung des Markeninhabers eingewirkt hat, und ii) der spezifische Gegenstand der Marke das Recht einschließt, jede Benutzung der Marke zu verhindern, die dieseHerkunftsgarantie wahrscheinlich verfälschen wird, wovon bei jedem dieser Umpackvorgänge auszugehen ist(54).

87.
    Zweitens ist jedoch die Ausübung dieses Widerspruchsrechts nach Artikel 30 Satz 2 nicht gerechtfertigt, wenn sie eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen Mitgliedstaaten darstellt.

88.
    Der Gerichtshof hat in seiner oben zusammengefassten Rechtsprechung Leitlinien für die Prüfung aufgestellt, ob die Ausübung der Rechte aus der Marke durch den Markeninhaber eine verschleierte Beschränkung des Handels im Sinne von Artikel 30 Satz 2 darstellt.

89.
    Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich insbesondere, dass die Ausübung der Rechte aus der Marke durch den Markeninhaber eine verschleierte Beschränkung darstellt, wenn sie zur künstlichen Abschottung der Märkte beiträgt(55).

90.
    Ein Fall, in dem die Ausübung dieser Rechte durch den Markeninhaber zur künstlichen Abschottung der Märkte beiträgt, liegt vor, wenn der Inhaber in verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedliche Verpackungen verwendet und das Umpacken für einen tatsächlichen Zugang zum Markt des Einfuhrstaats erforderlich ist(56).

91.
    Die Frage, ob das Umpacken erforderlich ist, kann sich somit stellen, wenn geprüft wird, ob die Ausübung der Rechte aus der Marke durch den Markeninhaber, obwohl sie prima facie nach Artikel 30 Satz 1 gerechtfertigt ist, im konkreten Fall gegen Artikel 30 Satz 2 verstößt.

92.
    Das vorlegende Gericht und die Beklagten in der Rechtssache Boehringer Ingelheim sind jedoch der Ansicht, wenn dies eine zutreffende Wiedergabe der Rechtsprechung des Gerichtshofes sei, sollte diese Rechtsprechung geändert werden.

93.
    Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass der Gerichtshof im Urteil Bristol-Myers Squibb Folgendes ausgeführt habe:

„Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt sich, dass Artikel 36 Ausnahmen von dem fundamentalen Grundsatz des freien Warenverkehrs im GemeinsamenMarkt nur zulässt, soweit sie zur Wahrung der Rechte gerechtfertigt sind, die den spezifischen Gegenstand des fraglichen gewerblichen Schutzrechts ausmachen.“(57)

94.
    Da nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umpackvorgänge den spezifischen Gegenstand der Marken der Klägerinnen nicht beeinträchtigen oder auch nur gefährden, vertritt es die Ansicht, dass keine Ausnahme vom Grundsatz des freien Warenverkehrs gerechtfertigt sei. Die Voraussetzung der Erforderlichkeit habe mit dem oben genannten fundamentalen Grundsatz nichts zu tun.

95.
    Meines Erachtens besteht jedoch kein Widerspruch zwischen den oben zitierten Ausführungen des Gerichtshofes und der Feststellung, dass die Klägerinnen grundsätzlich (d. h. vorbehaltlich Artikel 30 Satz 2) ihre Rechte aus der Marke auch ohne tatsächliche oder drohende Schädigung geltend machen dürfen. Der Gerichtshof äußerte sich im Kontext von Erwägungen zur Auslegung von Artikel 7 Absatz 2 der Markenrichtlinie. Die anschließenden Randnummern des Urteils zeigen, dass der Gerichtshof seine Auffassung im Urteil Hoffmann-La Roche bestätigte, wonach sich der Markeninhaber, da das Umpacken die Herkunftsgarantie verfälschen könnte, grundsätzlich auf seine Rechte berufen könne, um die Vermarktung umgepackter Erzeugnisse zu verhindern(58).

96.
    Eine solche Auslegung bedeutet natürlich, dass es Fälle geben mag, in denen sich der Markeninhaber auf seine Rechte berufen kann, auch wenn anscheinend keine konkrete Beeinträchtigung des spezifischen Gegenstands oder der Hauptfunktion der Marke vorliegt. Ich teile jedoch nicht die vom vorlegenden Gericht offenbar vertretene Meinung, dass dies zwangsläufig ein unerwünschtes oder unlogisches Ergebnis sei.

97.
    Es ist klar, dass nach der Auslegung der relevanten Bestimmungen des Vertrages durch den Gerichtshof Eingriffe eines Dritten - z. B. eines Parallelimporteurs - in Rechte am geistigen Eigentum wie die eines Markeninhabers gemeinschaftsrechtlich nur dann gerechtfertigt sein können, wenn die ungehinderte Ausübung dieser Rechte den freien Warenverkehr beeinträchtigen würde. Mit der Einführung des Kriteriums der Erforderlichkeit, das alle derartigen Eingriffe rechtfertigt, wenn sie für einen wirksamen Zugang zum Markt des Einfuhrstaats erforderlich sind, hat der Gerichtshof eine Formel entwickelt, die diese Abwägung genau widerspiegelt.

98.
    Es ist zu berücksichtigen, dass das Umpacken eines mit einer Marke versehenen Produkts unabhängig davon, ob die Marke wieder an der neuen äußeren Verpackung angebracht oder einfach entfernt und nicht ersetzt wird, eine besonders einschneidende Form der Markenverletzung ist.

99.
    Ferner darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die meisten der oben behandelten „Umpackfälle“ Arzneimittel betrafen und dass der Arzneimittelmarkt aus Gründen, auf die später näher eingegangen wird(59), bestimmte Merkmale aufweist, die ihn von den Märkten für viele andere Waren unterscheiden.

100.
    Das vorlegende Gericht und die Beklagten in der Rechtssache Boehringer Ingelheim haben Bedenken in Bezug auf eine von ihnen als unausweichlich angesehene Folge der Billigung des Kriteriums der Erforderlichkeit in Verbindung mit einer engen Auslegung des Begriffes der Erforderlichkeit geäußert, die dahin gehen, dass Markeninhaber den Marken auch dann Geltung verschaffen können, wenn ihre Unternehmensstrategie darauf abzielt, die Märkte abzuschotten. Diese Folge ist aber nicht zwingend. Es ist zu berücksichtigen, dass das Kriterium der Erforderlichkeit vom Gerichtshof nur im Kontext eines Beispiels für ein Verhalten eingeführt wurde, das zur künstlichen Abschottung der Märkte beitragen und somit eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen Mitgliedstaaten im Sinne von Artikel 30 Satz 2 EG darstellen würde. Es ist meines Erachtens nicht das einzige Beispiel. Wie ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Upjohn ausgeführt habe, würde, wenn der Nachweis erbracht werden könnte, dass die Praxis des Markeninhabers, unterschiedliche Marken in verschiedenen Mitgliedstaaten zu benutzen, auf die Abschottung der Märkte abzielte, dies allein genügen, um den Markeninhaber daran zu hindern, sich unter Berufung auf seine Markenrechte dem Anbringen einer anderen Marke durch den Importeur zu widersetzen(60); das Gleiche gilt, wenn es nicht um das Anbringen einer anderen Marke, sondern um das Wiederanbringen einer Marke nach dem Umpacken geht(61).

101.
    Die Beklagten in der Rechtssache Boehringer Ingelheim berufen sich ferner auf das Urteil Sabèl des Gerichtshofes(62), aus dem sie ableiten, dass sich Markeninhaber ohne hinreichend substantiierten Nachweis, dass der Gegenstand der Marke beeinträchtigt worden sei, nicht auf ihre Rechte berufen könnten. Das Urteil Sabèl betraf jedoch Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie, der vorsieht, dass eine Marke von der Eintragung ausgeschlossen ist oder im Fall der Eintragung der Ungültigerklärung unterliegt, „wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht ...“ Diese Bestimmung verlangt somit ausdrücklich den Nachweis einer Verwechslungsgefahr. Die Ausgangsverfahren in der Rechtssache Boehringer Ingelheim betreffen jedoch nicht ähnliche Marken oder ähnlicheWaren; sie betreffen (zumindest teilweise) die Verwendung einer identischen Marke auf identischen Waren. Für eine Verletzung gilt in diesem Fall Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a, der nicht den Nachweis einer Verwechslungsgefahr (oder einer anderen Beeinträchtigung) verlangt.

102.
    Das vorlegende Gericht führt in der Rechtssache Boehringer Ingelheim im Vorlagebeschluss aus, es sei davon ausgegangen, dass die Klägerinnen eine Markenverletzung nach britischem Recht schlüssig vorgetragen hätten. Nebenbei bemerkt wurden, wie im vorhergehenden Absatz ausgeführt, die Verletzungstatbestände mittlerweile durch die Markenrichtlinie(63) harmonisiert, so dass im nationalen Recht nun nicht mehr frei darüber entschieden werden kann, welches Verhalten als Verletzung einzustufen ist.

103.
    Ich komme deshalb zu dem Ergebnis, dass ein Markeninhaber seine Rechte aus der Marke benutzen kann, um den Parallelimporteur eines Arzneimittels an dessen Umpacken zu hindern, sofern eine solche Ausübung seiner Rechte nicht zur künstlichen Abschottung der Märkte der Mitgliedstaaten beiträgt oder eine sonstige verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellt. Ein Markeninhaber, der seine Rechte aus der Marke benutzt, um einen Parallelimporteur an einem erforderlichen Umpacken zu hindern, trägt zu einer solchen künstlichen Abschottung bei. Dies ist die unausweichliche Folge der oben dargestellten Rechtsprechung, und ich sehe keinen Grund, von ihr abzugehen. Dieses Ergebnis wirft jedoch die Frage auf, wie der Begriff „erforderlich“ auszulegen ist; ihr wende ich mich nun zu.

Die Bedeutung von „erforderlich“

104.
    Die dritte Frage in der Rechtssache Boehringer Ingelheim und die Frage in der Rechtssache Merck, Sharp & Dohme betreffen den Anwendungsbereich des Begriffes „erforderlich“, den der Gerichtshof als Kriterium für die Prüfung entwickelt hat, ob die Berufung eines Markeninhabers auf seine Rechte aus der Marke zur künstlichen Abschottung der Märkte beiträgt und damit eine verschleierte Beschränkung des Handels im Sinne von Artikel 30 Satz 2 EG darstellt.

105.
    Verschiedene Auslegungen dieses Begriffes sind vorgetragen worden. Das vorlegende Gericht in der Rechtssache Boehringer Ingelheim vertritt in seiner dritten Frage die Ansicht, er könnte entweder bedeuten, dass die Benutzung der Marke „vernünftigerweise nötig ist, um [dem Importeur den Markt] zu öffnen“ (ich werde später auf das ebenfalls in der dritten Frage aufgeworfene Problem eingehen, welches der relevante Markt ist), oder dass sie dafür „wesentlich“ ist. Die Klägerinnen machen verständlicherweise geltend, dass „erforderlich“ nichts weniger bedeute als „wesentlich“, während die Beklagten ebenso verständlicherweisevortragen, dass dieses Kriterium (sofern es überhaupt relevant sei) unter Bezugnahme auf den tatsächlichen Zugang zum Markt im weitesten Sinne zu verstehen sei.

106.
    Aus den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen geht hervor, dass die unterschiedlichen Auffassungen der Beteiligten in Bezug auf die zutreffende Auslegung des Begriffes der Erforderlichkeit weitgehend auf Ausführungen des Gerichtshofes im Urteil Upjohn(64) und speziell auf folgende Randnummern zurückzuführen sind:

„Ist der Begriff der künstlichen Abschottung der Märkte, wie er im Urteil Bristol-Myers Squibb u. a. definiert wurde, somit auch auf den Fall der Ersetzung einer Marke anzuwenden, so folgt daraus - entgegen dem Vorbringen der Beklagten -, dass das Recht des Markeninhabers, sich der Ersetzung der Marke zu widersetzen, nur dann ausgeschlossen ist, wenn diese Ersetzung im Sinne des genannten Urteils objektiv notwendig ist.

Die nationalen Gerichte haben daher zu untersuchen, ob im Zeitpunkt des Vertriebes bestehende Umstände den Parallelimporteur objektiv dazu zwingen, die ursprüngliche Marke durch die des Einfuhrmitgliedstaats zu ersetzen, um die betreffende Ware in diesem Mitgliedstaat in den Verkehr bringen zu können. Dieses Tatbestandsmerkmal der Zwangslage ist gegeben, wenn im Einzelfall der tatsächliche Zugang des Parallelimporteurs zu den Märkten des Einfuhrmitgliedstaats behindert wäre, falls ihm die Ersetzung der Marke verboten wäre. Das ist dann der Fall, wenn Regelungen oder Praktiken im Einfuhrmitgliedstaat den Vertrieb der betreffenden Ware auf dem Markt dieses Staates unter der Marke, die sie im Ausfuhrmitgliedstaat trägt, verhindern, wenn also etwa eine Verbraucherschutzvorschrift die Benutzung der im Ausfuhrmitgliedstaat angebrachten Marke im Einfuhrmitgliedstaat verbietet, weil sie zur Irreführung der Verbraucher geeignet ist.

Das Tatbestandsmerkmal der Zwangslage ist dagegen nicht erfüllt, wenn die Ersetzung der Marke ihren Grund ausschließlich darin hat, dass der Parallelimporteur einen wirtschaftlichen Vorteil erlangen möchte.

Es ist Sache der nationalen Gerichte, in jedem Einzelfall zu bestimmen, ob der Parallelimporteur objektiv gezwungen war, die im Einfuhrmitgliedstaat benutzte Marke anzubringen, um die importierten Waren in den Verkehr bringen zu können.“(65)

107.
    Merck versteht diese Erwägungen und insbesondere die zweite der oben zitierten Randnummern(66) dahin, dass nach den Ausführungen des Gerichtshofes „behindern“ als „verhindern“ auszulegen sei, was wiederum „unmöglich machen“ bedeute; das Umpacken sei daher nur zulässig, wenn eine Vermarktung sonst unmöglich wäre. Dies erscheint mir zu eng. Es ist natürlich richtig, dass eine Regelung oder Praxis, die den Zugang zum Markt verhindert oder unmöglich macht, als „Behinderung“ des Zugangs anzusehen ist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass nur solche Regelungen oder Praktiken als „Behinderung“ des Zugangs angesehen werden können. Der Gerichtshof gab in dieser Randnummer des Urteils Upjohn nur ein Beispiel für Umstände, unter denen das Umpacken als erforderlich anzusehen wäre; er wollte keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben.

108.
    Aus den Entscheidungen des Gerichtshofes ergibt sich, dass das Umpacken „objektiv“ erforderlich sein muss. Daher kann entgegen dem Vorbringen der norwegischen Regierung nicht der Parallelimporteur darüber entscheiden, was erforderlich ist. Die Feststellung des vorlegenden Gerichts in der Rechtssache Boehringer Ingelheim, dass es immer alternative Möglichkeiten des Umpackens gebe, so dass kein bestimmter Weg erforderlich sein könne, geht meines Erachtens aus dem gleichen Grund fehl.

109.
    Paranova hat vorgetragen, dass in einigen Mitgliedstaaten - sie nennt Österreich, Dänemark und Finnland (sowie Norwegen im Europäischen Wirtschaftsraum) - der Vertrieb von Arzneimitteln in überklebten Packungen nicht zulässig sei. Falls dies zutrifft, ist es eindeutig ein Beispiel für eine Situation, in der das Umpacken für den Zugang zum Markt objektiv erforderlich wäre.

110.
    Meines Erachtens kann das Umpacken aber auch in anderen, weniger eindeutigen Situationen als objektiv erforderlich angesehen werden. Kommt das nationale Gericht - wie das vorlegende Gericht in der Rechtssache Boehringer Ingelheim - zu dem Ergebnis, dass es bei den relevanten Verbrauchern eine „weit verbreitete erhebliche Abneigung“ gegen überklebte Packungen gibt, und führt diese Abneigung dazu, dass der Parallelimporteur praktisch vom Markt ausgeschlossen wäre, wenn er nicht umpacken dürfte, dann wäre das Umpacken meiner Ansicht nach mit Sicherheit als objektiv erforderlich für einen tatsächlichen Marktzugang in dem Sinne anzusehen, dass es für diesen Zugang vernünftigerweise nötig ist. Es ist zwar klar, dass zu den „Regelungen [und] Praktiken“(67) keine bloßen Vorlieben der Verbraucher gehören können, aber wenn solche Vorlieben hinreichend ausgeprägt, weit verbreitet und weithin anerkannt sind, so dass sie sich z. B. auf die Verschreibungspraktiken der Ärzte oder die Einkaufspraktiken der Apotheker auswirken und ein „tatsächlicher Zugang“ nicht gewährleistet ist, dann kann das Umpacken als objektiv erforderlich angesehen werden.

111.
    Aus der oben dargestellten Rechtsprechung des Gerichtshofes geht meines Erachtens auch klar hervor, dass eine bestimmte Umpackmethode nicht als erforderlich angesehen werden kann, wenn eine andere, weniger stark in die Rechte des Markeninhabers eingreifende Methode ausreicht, um dem Parallelimporteur einen tatsächlichen Zugang zum Markt des Einfuhrstaats zu verschaffen(68). Stellt das nationale Gericht daher fest, dass überklebte Packungen tatsächlich Zugang zum Markt haben, dann kann es für den Parallelimporteur nicht erforderlich sein, einschneidendere Formen des Umpackens wie das Neuverpacken zu wählen.

112.
    Ferner ist darauf hinzuweisen, dass alle oben genannten Fälle mit Ausnahme der Rechtssache Loendersloot, die nur insofern erwähnt wird, als sie diese früheren Entscheidungen bestätigt, Arzneimittel betrafen. Der Arzneimittelmarkt weist eine Reihe von Merkmalen auf, die ihn in wichtigen Punkten von den Märkten für viele andere Produkte unterscheiden. Insbesondere werden die Preise im Allgemeinen von nationalen Aufsichtsbehörden festgesetzt oder beeinflusst und spiegeln nicht das normale Verhältnis von Angebot und Nachfrage wider; Groß- und Einzelhändler können die Arzneimittelpreise auf einem bestimmten nationalen Markt nicht frei anpassen, um den Absatz zu erhöhen. Zudem kann ein unvorsichtiges Umpacken von Arzneimitteln Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit haben und damit über die Schädigung der Rechte des Markeninhabers hinausgehen.

113.
    Diese Merkmale des Marktes liegen vielleicht dem offenbaren Zögern des Gerichtshofes zugrunde, das Recht des Markeninhabers, sich dem Umpacken zu widersetzen, übermäßig einzuschränken. So bedeutet z. B. die begrenzte Wirkung normaler Marktkräfte auf einem weitgehend reglementierten Markt, dass unterschiedliche Preise auf verschiedenen nationalen Märkten nicht zwangsläufig darauf zurückzuführen sind, dass sich der Markeninhaber die Abschottung nationaler Märkte zunutze macht; sie kann auch bedeuten, dass Parallelimporteure nicht wie die Importeure der meisten anderen Produkte niedrigere Preise als Mittel zur Überwindung einer Abneigung der Verbraucher gegen die von ihnen importierten Produkte einsetzen können. Wiederum scheint mir, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofes den widerstreitenden Interessen gerecht wird: Einerseits dürfte z. B. das Recht des Markeninhabers, sich auf Artikel 30 Satz 1 EG zu berufen, um sich einem Umpacken zu widersetzen, die Vermarktung importierter Arzneimittel verhindern, die durch das Umpacken Schaden genommen haben; andererseits ist der Importeur im Allgemeinen zum sorgfältigen Umpacken berechtigt, soweit es für einen tatsächlichen Zugang zum Markt erforderlich ist, und kann daher eine geeignete neue Verpackung verwenden, um die Abneigung der Verbraucher zu überwinden.

114.
    Swingward hat vorgetragen, die Ausführungen des Gerichtshofes im Urteil Upjohn, dass die Voraussetzung der Erforderlichkeit nicht erfüllt sei, wenn die Ersetzung (oder Wiederanbringung) der Marke ihren Grund ausschließlich darin habe, dass der Parallelimporteur einen wirtschaftlichen Vorteil erlangen wolle, müssten so verstanden werden, dass damit ein unbilliger oder missbräuchlicher wirtschaftlicher Vorteil gemeint sei; nur unter diesen Umständen sei die Verwendung der Marke auf der Packung nicht erforderlich.

115.
    Aus dem Kontext der Ausführungen des Gerichtshofes im Urteil Upjohn ergibt sich jedoch, dass er Faktoren, die sich - wie nationale Regelungen und Praktiken - der Kontrolle des Importeurs entziehen, dem Wunsch des Importeurs nach größtmöglichem Absatz gegenüberstellen wollte. Ein Eingriff des Importeurs, der nicht zur Überwindung objektiver Faktoren erforderlich ist, sondern den der Importeur für absatzfördernd hält, ist nicht „zwingend“ im Sinne des Urteils Upjohn. Es gibt in diesem Urteil keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gerichtshof einen Eingriff, der einen „billigen“ (im Gegensatz zu einem „unbilligen“ oder „missbräuchlichen“) wirtschaftlichen Vorteil bringt, als erforderlich einstufen wollte(69).

116.
    Zum zweiten Aspekt der dritten Vorlagefrage in der Rechtssache Boehringer Ingelheim, der dahin geht, ob die Benutzung der Marke durch den Parallelimporteur erforderlich sein muss, um ihm a) einen Teil des Marktes für die Waren oder b) diesen gesamten Markt zu öffnen, geht meines Erachtens aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes klar hervor, dass die Versagung des Zugangs zu einem Teil des Marktes nicht zulässig ist. Dies folgt aus dem Urteil Bristol-Myers Squibb(70), in dem der Gerichtshof Folgendes ausführte:

„Verwendet der Markeninhaber entsprechend den Vorschriften und der Praxis im Einfuhrmitgliedstaat dort verschiedene Packungsgrößen, so kann daraus allein, dass eine dieser Größen auch im Ausfuhrmitgliedstaat vertrieben wird, nicht geschlossen werden, dass ein Umpacken der Ware nicht erforderlich ist. Es läge nämlich eine Abschottung der Märkte vor, wenn der Importeur die Ware nur auf einem beschränkten Teil des Marktes für diese Ware vertreiben könnte.“(71)

117.
    Das vorlegende Gericht führt aus, nach den ihm vorliegenden Informationen bestehe kein Zweifel daran, dass einige Apotheker neu etikettierte Waren aufgrund der häufig auf Erfahrung beruhenden Befürchtung nicht kaufen würden, dass einige ihrer Kunden sie nicht akzeptierten, so dass neu etikettierte Ware von einem Teil des Marktes völlig ausgeschlossen sei. Wenn die Ware auf diese Weise vom Marktausgeschlossen wird, denke ich, dass ein Umpacken erforderlich ist, damit die Beklagten einen tatsächlichen Zugang zum relevanten Markt erhalten.

118.
    Ich komme somit zu dem Ergebnis, dass ein Parallelimporteur nach dem Gemeinschaftsrecht berechtigt ist, Arzneimittel umzupacken, sofern dies vernünftigerweise nötig ist, um ihm einen tatsächlichen Zugang zum Markt des Einfuhrmitgliedstaats (oder einem wesentlichen Teil davon) zu verschaffen, und sofern andere, weniger einschneidende Umpackmethoden es ihm nicht ermöglichen, tatsächlichen Zugang zu diesem Markt (oder einem wesentlichen Teil davon) zu erlangen; dabei sind nicht nur rechtliche Hindernisse - wie die Rechtsvorschriften des Einfuhrmitgliedstaats -, sondern auch tatsächliche Hindernisse einschließlich der Abneigung der Verbraucher z. B. gegen mit Aufklebern versehene Packungen zu berücksichtigen, wenn sie sich auf die Verschreibungs- oder Verkaufspraxis auswirken.

119.
    Dieses Ergebnis scheint mir - wie mein Ergebnis zur ersten Frage(72) - eine korrekte Auslegung der Rechtsprechung zu sein, die zu einem fairen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen des Parallelimporteurs an der Ausnutzung des freien Warenverkehrs und des Markeninhabers am Schutz seiner Rechte am geistigen Eigentum führt. Dieser Ausgleich wird jedoch zu Ungunsten des tragenden Grundsatzes des freien Warenverkehrs gestört, wenn nationale Verfahrensregeln oder Praktiken zur Beweislast den Parallelimporteur im Ergebnis daran hindern, die Erforderlichkeit des Umpackens unter bestimmten Umständen nachzuweisen.

Das Erfordernis der vorherigen Unterrichtung

120.
    Mit der fünften, der sechsten und der siebenten Vorlagefrage in der Rechtssache Boehringer Ingelheim wird der Gerichtshof im Wesentlichen aufgefordert, das in seiner früheren Rechtsprechung aufgestellte Erfordernis der vorherigen Unterrichtung über das Umpacken zu überdenken. Das vorlegende Gericht fragt insbesondere, ob es einer Unterrichtung auch dann bedarf, wenn das beabsichtigte Umpacken den spezifischen Gegenstand der Marke nicht beeinträchtigt, und, wenn ja, welchen Umfang die Unterrichtung haben muss, ob sie durch den Importeur erfolgen muss oder ob es genügt, dass der Markeninhaber von anderer Seite unterrichtet wird, und welche Auswirkung eine fehlende Unterrichtung hat.

121.
    Boehringer Ingelheim trägt vor, es gebe keinen stichhaltigen Grund für ein Überdenken des vom Gerichtshof entwickelten Erfordernisses vorheriger Unterrichtung. Dieses Erfordernis stelle für den Parallelimporteur keine unzumutbare Belastung dar und behindere weder den freien Warenverkehr noch verzögere es die Vermarktung der importierten Waren oder erschwere diesespürbar. Da das Erfordernis nicht von einer Benutzung der Marke abhänge, die deren spezifischen Gegenstand beeinträchtige, könne sich der Markeninhaber jeder Benutzung seiner Marke durch einen Parallelimporteur widersetzen, sofern dieser ihn nicht vorher davon unterrichtet habe.

122.
    Glaxo ist der Ansicht, das Erfordernis vorheriger Unterrichtung sei keine Belastung und sei sinnvoll. Es solle durchgesetzt werden, wie es der Gerichtshof seit dem Urteil Hoffmann-La Roche in ständiger Rechtsprechung verlange. Die vorherige Unterrichtung müsse durch den Parallelimporteur erfolgen. Sie müsse lange genug vor dem Inverkehrbringen vorgenommen werden, um die Prüfung von Einwänden zu ermöglichen, und das Unterbleiben einer Unterrichtung durch den Parallelimporteur müsse geahndet werden, da sonst kein Anreiz für die Einhaltung des Erfordernisses bestünde und es in der Praxis nie zu einer Unterrichtung kommen würde. Eine Unterrichtung 28 Tage im Voraus sei angebracht.

123.
    Swingward trägt vor, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes sei das Erfordernis, dass ein Importeur den Markeninhaber vorab unterrichten müsse, verfahrensrechtlicher Art und solle den Markeninhaber in die Lage versetzen, die Einhaltung seiner legitimen Rechte zu überwachen; es sei ein Mittel zum Zweck, aber kein Selbstzweck. Nach der Gemeinschaftsterminologie sei es ein sekundäres Verfahrensrecht. Als solches unterliege es dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Wenn der spezifische Gegenstand der Marke nicht beeinträchtigt werde, werde der Markeninhaber durch die fehlende Unterrichtung in keiner Weise geschädigt. Es stünde daher außer Verhältnis zum Zweck des Erfordernisses, wenn durch dieses Versäumnis aus einer harmlosen Benutzung der Marke eine Markenverletzung würde. Die vom vorlegenden Gericht genannte Frist von zwei Tagen sei angemessen. Schließlich sei dem Erfordernis der Unterrichtung Genüge getan, wenn der Markeninhaber unterrichtet werde, gleichgültig von wem.

124.
    Die deutsche Regierung macht geltend, wenn der Markeninhaber vor dem Inverkehrbringen der umgepackten Waren nicht ausreichend über den Umpackvorgang informiert worden sei, um in angemessener Zeit prüfen zu können, ob die vom Gerichtshof aufgestellten Anforderungen an das Umpacken erfüllt seien, liege ein Grund vor, der den umpackenden Parallelimporteur daran hindere, sich auf die Erschöpfung der Markenrechte zu berufen. Die Unterrichtung müsse so rechtzeitig erfolgen, dass der Markeninhaber den Vorgang prüfen könne. Sie müsse vom Parallelimporteur vorgenommen werden.

125.
    Die Kommission trägt vor, das Unterrichtungserfordernis in Verbindung mit der Möglichkeit, vom Parallelimporteur die Übersendung eines Musters der umgepackten oder neu etikettierten Ware zu verlangen, erlaube es dem Markeninhaber, den Schutz des spezifischen Gegenstands seines Rechts sicherzustellen. Das Erfordernis sei daher ein Instrument für den Schutz des spezifischen Gegenstands der Markenrechte. Die Rechtsprechung zeige, dass nach Ansicht des Gerichtshofes jede der aufgestellten Voraussetzungen erfüllt sein müsse, bevor einem Markeninhaber das Recht genommen werden könne, sich derweiteren Vermarktung eines umgepackten Arzneimittels zu widersetzen. Aus dieser Rechtsprechung folge, dass sich ein Markeninhaber der weiteren Vermarktung widersetzen könne, wenn er nicht über die beabsichtigte Nutzung seiner Marke unterrichtet worden sei. Die Unterrichtungsfrist sei allein anhand der Rechte des Markeninhabers zu berechnen und werde daher normalerweise recht kurz sein. Sie verlängere sich, wenn der Parallelimporteur die Unterrichtung ohne gleichzeitige Übersendung eines Musters vornehme. In diesem Fall werde zusätzliche Zeit benötigt, damit sich der Markeninhaber zur Anforderung eines Musters entschließen und es erhalten könne.

126.
    Das Unterrichtungserfordernis stammt aus dem Urteil Hoffmann-La Roche(73), in dem der Gerichtshof ausführte, dass im Hinblick auf das Interesse, das der Markeninhaber daran habe, dass der Verbraucher nicht über die Herkunft der Ware irregeführt werde, dem Händler die Befugnis, die umgepackte Ware zu verkaufen, nur zuerkannt werden dürfe, wenn er den Markeninhaber vorher unterrichte und auf der neuen Packung darauf hinweise, dass die Ware von ihm umgepackt worden sei.

127.
    Im Urteil Bristol-Myers Squibb(74) führte der Gerichtshof aus, dass „der Markeninhaber ... vom Feilhalten der umgepackten Ware vorab unterrichtet werden“ müsse, und zwar durch den Importeur. Im Urteil Loendersloot(75) bestätigte er dies für den speziellen Kontext von Arzneimitteln und fügte hinzu, auch im größeren Kontext des dortigen Sachverhalts (Neuetikettierung von Whisky) würden „die Interessen des Markeninhabers, insbesondere sein Interesse daran, Nachahmungen bekämpfen zu können, ... hinreichend berücksichtigt, wenn [der Importeur] den Markeninhaber vorab vom Verkauf der neu etikettierten Erzeugnisse unterrichtet“(76).

128.
    Das Erfordernis, dass der Parallelimporteur den Markeninhaber unterrichtet, bevor die umgepackte Ware in den Verkauf gelangt, besteht somit schon seit langer Zeit und beruht auf stichhaltigen Gründen.

129.
    Das vorlegende Gericht in der Rechtssache Boehringer Ingelheim hat jedoch Zweifel, ob dieses Erfordernis angemessen ist, wenn der spezifische Gegenstand der Marke nicht beeinträchtigt wird.

130.
    Meines Erachtens kann das Unterrichtungserfordernis nicht davon abhängen, ob der spezifische Gegenstand der Marke tatsächlich beeinträchtigt wird.Wie oben ausgeführt, kann nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der bloße Umpackvorgang den spezifischen Gegenstand der Marke beeinträchtigen. Die vorherige Unterrichtung des Markeninhabers gibt ihm Gelegenheit zur Prüfung, ob der spezifische Gegenstand oder die Hauptfunktion der Marke tatsächlich beeinträchtigt wird. Ein Verzicht auf das Erfordernis der Unterrichtung würde dem Parallelimporteur das Recht zur ersten Entscheidung darüber verleihen, ob die gewählte Art des Umpackens diese berechtigten Interessen des Markeninhabers tatsächlich beeinträchtigt. Dies würde gegen die ganz klaren Stellungnahmen des Gerichtshofes seit der Einführung des Unterrichtungserfordernisses im Urteil Hoffmann-La Roche, dem ersten das Umpacken betreffenden Fall, im Jahr 1978 verstoßen. Meines Erachtens spricht nichts für eine solche Änderung der Rechtsprechung.

131.
    Ich sehe auch keinen Grund für eine Abweichung von der klaren Feststellung des Gerichtshofes, dass die Unterrichtung durch den Parallelimporteur zu erfolgen hat. Swingward hat vorgetragen, da die Medicines Control Agency (MCA) im Vereinigten Königreich den Markeninhaber informiere, wenn sie eine Produktlizenz (Parallelimport) erteile, werde der Markeninhaber auf diese Weise ausreichend über beabsichtigte Parallelimporte unterrichtet. Ich kann dem aus zwei Gründen nicht folgen.

132.
    Erstens ergibt sich aus dem Muster, das den Erklärungen von Boehringer Ingelheim beigefügt ist, dass eine Mitteilung des MCA keine Angaben darüber enthält, wie das fragliche Produkt umgepackt wurde. Sie kann daher keinesfalls eine Unterrichtung im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes darstellen.

133.
    Zweitens muss den Parallelimporteuren in der gesamten Union bewusst sein, welche Pflichten sie haben und wie diese zu erfüllen sind. Die Erfüllung eines vom Gerichtshof aufgestellten Erfordernisses kann nicht an den rechtlichen Rahmen in einem bestimmten Mitgliedstaat geknüpft werden. Das Erfordernis, dass der Importeur den Markeninhaber unterrichtet, ist einfach zu handhaben und einfach zu erfüllen; es trägt damit zur einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts bei.

134.
    Die Unterrichtungsfrist muss natürlich angemessen sein. Insbesondere muss dem Markeninhaber - bei dem es sich im Fall von Arzneimitteln in der Regel um ein großes Unternehmen handeln wird, von dem mehrere Abteilungen, möglicherweise in mehr als einem Land, in ihren berechtigten Interessen betroffen sind - genug Zeit für die Prüfung bleiben, ob er mit der beabsichtigten Verpackung einverstanden ist. Meines Erachtens dürfte im Allgemeinen eine Frist von drei bis vier Wochen angemessen sein. Ich möchte hinzufügen, dass nach Angaben von Boehringer Ingelheim die British Association of Parallel Importers drei Wochen vorgeschlagen hat. Es mag besondere Umstände geben, die in einem konkreten Fall eine kürzere oder längere Frist rechtfertigen; ob dies zutrifft, hat das nationale Gericht zu beurteilen.

135.
    Schließlich fragt das nationale Gericht, welche Folge das Unterbleiben einer Unterrichtung haben sollte. Ihm wurde vorgetragen, es wäre absurd, wenn ein Markeninhaber Parallelimporte unter solchen Umständen blockieren könnte, denn selbst wenn es ein Unterrichtungserfordernis gebe, wäre es völlig unverhältnismäßig, einem Markeninhaber zu gestatten, die weitere Vermarktung von Parallelimporten wegen der Nichtbeachtung einer Verfahrensregel in einem Fall zu verhindern, in dem der spezifische Gegenstand der Marke nicht beeinträchtigt worden sei.

136.
    Das Ergebnis, dass das Umpacken eine Markenverletzung darstellt, wenn der Parallelimporteur es versäumt, den Markeninhaber in angemessener Form vorab darüber zu unterrichten, erscheint jedoch unausweichlich. Die vom Gerichtshof in den Urteilen Hoffmann-La Roche und Bristol-Myers Squibb gewählten Formulierungen zeigen, dass nach seiner Auffassung jede der dort aufgestellten Voraussetzungen einschließlich des Erfordernisses vorheriger Unterrichtung erfüllt sein muss, bevor ein Markeninhaber das Recht verliert, sich dem Umpacken zu widersetzen. Hinzu kommt das pragmatische Argument, dass eine Haftung wegen Markenverletzung die einzige realistische Sanktion für das Unterbleiben einer vorherigen Unterrichtung durch den Parallelimporteur ist und dass es keinen Sinn hätte, wenn der Gerichtshof ein sanktionsloses Erfordernis aufstellen würde.

Ergebnis

137.
    Ich bin daher der Ansicht, dass die dem Gerichtshof in den vorliegenden Rechtssachen gestellten Fragen wie folgt beantwortet werden sollten:

In der Rechtssache C-443/99, Merck, Sharp & Dohme:

Artikel 7 Absatz 2 der Ersten Richtlinie des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (89/104/EWG) berechtigt einen Markeninhaber nicht, sich dem Vertrieb eines unter seiner Marke in den Verkehr gebrachten Arzneimittels zu widersetzen, wenn der Importeur es umgepackt und die Marke wieder darauf angebracht sowie die weiteren im Urteil des Gerichtshofes in den Rechtssachen C-427/93, C-429/93 und C-436/93, Bristol-Myers Squibb u. a., angeführten Voraussetzungen erfüllt hat (keine Beeinträchtigung der in der Verpackung enthaltenen Ware, klare Angabe über Hersteller und Herkunft, keine Schädigung der Marke und ihres Inhabers durch schlechte Verpackung sowie Verständigung des Markeninhabers vom Feilhalten des umgepackten Arzneimittels), sofern das Umpacken und die Wiederanbringung der Marke vernünftigerweise nötig sind, um dem Importeur einen tatsächlichen Zugang zum Markt des Einfuhrmitgliedstaats (oder einem wesentlichen Teil davon) zu verschaffen, und sofern andere, wenigereinschneidende Umpackmethoden es ihm nicht ermöglichen, tatsächlichen Zugang zu diesem Markt (oder einem wesentlichen Teil davon) zu erlangen; dabei sind nicht nur rechtliche Hindernisse wie die Rechtsvorschriften des Einfuhrmitgliedstaats, sondern auch tatsächliche Hindernisse einschließlich der Abneigung der Verbraucher z. B. gegen mit Aufklebern versehene Packungen zu berücksichtigen, die sich auf die Verschreibungs- oder Verkaufspraxis auswirken.

In der Rechtssache C-143/00, Boehringer Ingelheim u. a.:

1.    Weder die Artikel 28 EG und 30 EG noch Artikel 7 Absatz 2 der Ersten Richtlinie des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (89/104/EWG) verbieten es einem Markeninhaber, seine Rechte aus der Marke zu benutzen, um den Parallelimporteur eines Arzneimittels an dessen Umpacken zu hindern, sofern eine solche Ausübung seiner Rechte nicht zur künstlichen Abschottung der Märkte der Mitgliedstaaten beiträgt oder eine sonstige verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellt. Ein Markeninhaber, der seine Rechte aus der Marke benutzt, um einen Parallelimporteur an einem erforderlichen Umpacken zu hindern, trägt zu einer solchen künstlichen Abschottung bei.

2.    Das Umpacken ist erforderlich, wenn es vernünftigerweise nötig ist, um dem Importeur einen tatsächlichen Zugang zum Markt des Einfuhrmitgliedstaats (oder einem wesentlichen Teil davon) zu verschaffen, und wenn andere, weniger einschneidende Umpackmethoden es ihm nicht ermöglichen, tatsächlichen Zugang zu diesem Markt (oder einem wesentlichen Teil davon) zu erlangen; dabei sind nicht nur rechtliche Hindernisse wie die Rechtsvorschriften des Einfuhrmitgliedstaats, sondern auch tatsächliche Hindernisse einschließlich der Abneigung der Verbraucher z. B. gegen mit Aufklebern versehene Packungen zu berücksichtigen, die sich auf die Verschreibungs- oder Verkaufspraxis auswirken.

3.    Ein Parallelimporteur, der mit einer Marke gekennzeichnete umgepackte Waren in Verkehr bringen will, muss den Markeninhaber unter allen Umständen in angemessener Form vorab unterrichten. Eine Unterrichtungsfrist von drei bis vier Wochen ist in der Regel als angemessen anzusehen. Ein Parallelimporteur, der eine angemessene Unterrichtung des Markeninhabers unterlassen hat, kann sich in einem gegen ihn eingeleiteten Verfahren wegen Markenverletzung nicht auf Artikel 30 EG oder auf Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie berufen.


1: -     Originalsprache: Englisch.


2: -     Urteil vom 8. Juni 1971 in der Rechtssache 78/70 (Deutsche Grammophon, Slg. 1971, 487, Randnr. 11).


3: -     Urteil vom 31. Oktober 1974 in der Rechtssache 16/74 (Centrafarm, Slg. 1974, 1183, Randnr. 12).


4: -     Erste Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1).


5: -     Urteile vom 11. Juli 1996 in den Rechtssachen C-427/93, C-429/93 und C-436/93 (Bristol-Myers Squibb u. a., Slg. 1996, I-3457, Randnrn. 25 und 26) und vom 20. März 1997 in der Rechtssache C-352/95 (Phytheron International, Slg. 1997, I-1729, Randnr. 17).


6: -     Urteil Bristol-Myers Squibb u. a., angeführt in Fußnote 5, Randnr. 40, Urteile vom 11. Juli 1996 in den Rechtssachen C-71/94, C-72/94 und C-73/94 (Eurim-Pharm, Slg. 1996, I-3603, Randnr. 27) und in der Rechtssache C-232/94 (MPA Pharma, Slg. 1996, I-3671, Randnr. 13), Urteil vom 4. November 1997 in der Rechtssache C-337/95 (Parfums Christian Dior, Slg. 1997, I-6013, Randnr. 53) und Urteil vom 11. November 1997 in der Rechtssache C-349/95 (Loendersloot, Slg. 1997, I-6227, Randnr. 18).


7: -     Näheres siehe unten, Nrn. 54 bis 57.


8: -     Angeführt in Fußnote 3.


9: -     Randnrn. 7, 8 und 10 des Urteils.


10: -    Urteil vom 23. Mai 1978 in der Rechtssache 102/77 (Slg. 1978, 1139).


11: -     Randnrn. 6 und 7 des Urteils.


12: -     Randnr. 7 des Urteils.


13: -     Randnr. 8 des Urteils.


14: -     Randnr. 9 des Urteils.


15: -     Randnr. 10 des Urteils.


16: -     Randnr. 12 des Urteils.


17: -     Siehe unten, Nrn. 118 bis 134.


18: -     Urteil vom 10. Oktober 1978 in der Rechtssache 3/78 (Slg. 1978, 1823).


19: -     Randnrn. 13, 14 und 17 des Urteils.


20: -     Urteil vom 12. Oktober 1999 in der Rechtssache C-379/97 (Slg. 1999, I-6927).


21: -     Siehe unten, Nr. 51.


22: -     Angeführt in Fußnoten 5 und 6.


23: -     Die nachfolgenden Fußnoten verweisen auf Randnummern des Urteil Bristol-Myers Squibb; die Urteile in den beiden anderen Rechtssachen stimmen inhaltlich damit überein.


24: -     Randnr. 37 des Urteils.


25: -     Randnr. 41 des Urteils.


26: -     Randnrn. 42 bis 45 des Urteils.


27: -     Randnrn 47 und 48 des Urteils.


28: -     Randnr. 50 des Urteils.


29: -     Randnrn. 52 bis 57 des Urteils.


30: -     Randnrn. 58 bis 61 des Urteils.


31: -     Randnrn. 67 bis 69 des Urteils.


32: -     Randnrn. 70 bis 74 des Urteils.


33: -     Randnrn. 75 bis 77 des Urteils.


34: -     Randnr. 78 des Urteils.


35: -     Randnr. 79 und Tenor des Urteils.


36: -     Vgl. das in Fußnote 6 angeführte Urteil Loendersloot, Randnrn. 28 bis 30, und das in Fußnote 20 angeführte Urteil Upjohn, Randnr. 17.


37: -     Angeführt in Fußnote 6.


38: -     Angeführt in Fußnote 20.


39: -     Randnrn. 26 und 27 des Urteils.


40: -     Randnr. 31 des Urteils.


41: -     Randnr. 21 des Urteils.


42: -     Randnr. 56 des Urteils.


43: -     Angeführt in Fußnote 6, Randnr. 38 des Urteils.


44: -     Randnr. 53 des Urteils.


45: -     Randnr. 55 des Urteils.


46: -     Angeführt in Fußnote 20, Randnrn. 43 und 44 des Urteils.


47: -     Angeführt in Fußnote 6.


48: -     Vgl. Randnrn. 37 bis 39 des Urteils.


49: -     Randnrn. 43 und 44 des Urteils.


50: -     Randnrn. 45 und 46 des Urteils.


51: -     Das Handelsgericht Wien.


52: -     Letztere gemäß Artikel 20 Absatz 3 der EG-Satzung des Gerichtshofes.


53: -     Randnr. 8 des in Fußnote 10 angeführten Urteils Hoffmann-La Roche, oben in Nr. 19 zusammengefasst; Randnr. 50 des in Fußnote 5 angeführten Urteils Bristol-Myers Squibb, oben in Nr. 32 zitiert.


54: -     Randnr. 7 des Urteils Hoffmann-La Roche, oben in Nr. 18 zusammengefasst.


55: -     Randnr. 10 des Urteils Hoffmann-La Roche, oben in Nr. 20 zusammengefasst.


56: -     Randnr. 52 des Urteils Bristol-Myers Squibb, oben in Nr. 34 zitiert.


57: -     Randnr. 42 des Urteils.


58: -     Vgl. insbesondere Randnrn. 47 bis 49 des Urteils Bristol-Myers Squibb.


59: -     Nrn. 112 und 113.


60: -     Nr. 42.


61: -     Siehe oben, Nr. 51.


62: -     Urteil vom 11. November 1997 in der Rechtssache C-251/95 (Slg. 1997, I-6191, Randnrn. 22 bis 26).


63: -     Angeführt in Fußnote 4.


64: -     Angeführt in Fußnote 20.


65: -     Randnrn. 42 bis 45 des Urteils.


66: -     Randnr. 43 des Urteils.


67: -     Randnr. 43 des Urteils Upjohn; wiedergegeben in Nr. 104.


68: -     Vgl. Randnr. 55 des Urteils Bristol-Myers Squibb, wiedergegeben in Nr. 34, und Randnr. 46 des Urteils Loendersloot, zusammengefasst in Nr. 53.


69: -     Vgl. auch Nr. 54 meiner Schlussanträge in der Rechtssache Upjohn.


70: -     Angeführt in Fußnote 5, Randnr. 54 des Urteils.


71: -     [Betrifft nur die englische Fassung.]


72: -     Siehe oben, Nr. 101.


73: -     Angeführt in Fußnote 10, Randnr. 12 des Urteils.


74: -     Angeführt in Fußnote 5, Randnr. 78 des Urteils, zusammengefasst in Nr. 42, sowie Randnr. 79 und Tenor des Urteils, wiedergegeben in Nr. 43.


75: -     Angeführt in Fußnote 6.


76: -     Randnrn. 30, 47, 48 und 49 des Urteils.