Language of document : ECLI:EU:T:2020:41

URTEIL DES GERICHTS (Zehnte Kammer)

11. Februar 2020(*)

„Unionsmarke – Anmeldung einer dreidimensionalen Unionsmarke – Form einer Tasse – Unzulässigkeit der Beschwerde vor der Beschwerdekammer“

In der Rechtssache T‑262/19,

Philip Jakober, wohnhaft in Stuttgart (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt J. Klink,

Kläger,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch M. Fischer als Bevollmächtigten,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des EUIPO vom 11. Februar 2019 (Sache R 1153/2018‑4) über die Anmeldung eines dreidimensionalen Zeichens in Form einer Tasse als Unionsmarke

erlässt

DAS GERICHT (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Kornezov, der Richterin K. Kowalik-Bańczyk und des Richters G. Hesse (Berichterstatter),

Kanzler: P. Cullen, Verwaltungsrat,

aufgrund der am 17. April 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 10. Juli 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund der schriftlichen Fragen des Gerichts an das EUIPO und dessen am 26. November 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Antwort auf diese Fragen,

auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2019

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 21. Oktober 2016 wurde folgendes dreidimensionale Zeichen beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) als Unionsmarke angemeldet:

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2        Ursprünglich war im Antragsformular als Art des Anmelders „Gesellschaft“, als Name „Jakoeber Rechtsanwälte“ und als Rechtsform „Freiberuf“ angegeben.

3        Am 14. März 2018 wurden Änderungen im Register der Unionsmarken mit Extunc-Wirkung für alle im Register unter der Kennung 790260 eingetragenen Rechte, einschließlich der fraglichen Anmeldung, vorgenommen. So wurde der Name des Anmelders angegeben mit „Philip M. Jakober, handelnd unter Jakober Rechtsanwälte“. Zudem wurde der Vermerk „Freiberuf“ in „natürliche Person“ geändert.

4        Mit Entscheidung vom 7. Mai 2018 wies der Prüfer die Markenanmeldung gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) für alle betroffenen Waren zurück. Er wies die Anmeldung auch gemäß Art. 7 Abs. 3 dieser Verordnung zurück, da nicht der Nachweis erbracht worden sei, dass die Marke infolge Benutzung in der gesamten Europäischen Union Unterscheidungskraft erlangt habe.

5        Am 19. Juni 2018 wurde gegen die Entscheidung des Prüfers gemäß den Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001 Beschwerde beim EUIPO eingelegt (im Folgenden: Beschwerde gegen die Entscheidung des Prüfers).

6        Mit Schreiben vom 20. Juni 2018 teilte die Geschäftsstelle der Beschwerdekammern Jakober Rechtsanwälte mit, dass entgegen Art. 21 Abs. 1 Buchst. a der Delegierten Verordnung (EU) 2018/625 der Kommission vom 5. März 2018 zur Ergänzung der Verordnung 2017/1001 und zur Aufhebung der Delegierten Verordnung (EU) 2017/1430 (ABl. 2018, L 104, S. 1) in der Beschwerdeschrift vom 19. Juni 2018 kein Beschwerdeführer angegeben sei und die Beschwerde gegen die Entscheidung des Prüfers daher als unzulässig zurückgewiesen werden könnte.

7        Mit Schreiben vom 4. Juli 2018, das vom Kläger, Herrn Philip Jakober, unterzeichnet war, wurde dem EUIPO mitgeteilt, dass die Beschwerde gegen die Entscheidung des Prüfers von Jakober Rechtsanwälte eingelegt worden sei.

8        Nach Eingang der Beschwerdebegründung vom 22. Oktober 2018 sandte die Vierte Beschwerdekammer am 12. November 2018 eine Mitteilung an Jakober Rechtsanwälte. In dieser teilte sie – neben Bedenken hinsichtlich der originären oder infolge Benutzung erlangten Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke – mit, dass die Beschwerde für unzulässig erklärt werden könnte. Die Beschwerdekammer habe nämlich keine Kenntnis, welche Rechtsform Jakober Rechtsanwälte besäßen. Sie forderte daher Jakober Rechtsanwälte auf, bis spätestens 3. Januar 2019 Nachweise betreffend ihre Rechtsform einzureichen.

9        Als Antwort erhielt das EUIPO am 19. Dezember 2018 einen Schriftsatz von Jakober Rechtsanwälte, der zum einen Erläuterungen zur originären und zur infolge Benutzung erlangten Unterscheidungskraft enthielt und in dem ferner Folgendes mitgeteilt wurde: „Bei der Beschwerdeführerin ‚Jakober Rechtsanwälte‘ handelt es sich nicht um eine juristische Person, sondern um einen selbständig tätigen Freiberufler. Sollte der Beschwerdekammer diese Information nicht genügen, so bitten wir Herrn Rechtsanwalt Philip Jakober als natürliche Person als Beschwerdeführer anzugeben.“

10      Mit Entscheidung vom 11. Februar 2019 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) erklärte die Vierte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde gegen die Entscheidung des Prüfers für unzulässig. Sie entschied, dass die Beschwerde gemäß Art. 23 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2018/625 als unzulässig zurückzuweisen sei, weil die Beschwerdeschrift nicht alle nach Art. 21 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung erforderlichen Angaben enthalte, obwohl dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Behebung dieses Mangels gegeben worden sei.

11      Erstens müsse die Beschwerdeschrift gemäß Art. 21 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2018/625 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Durchführungsverordnung (EU) 2018/626 der Kommission vom 5. März 2018 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung 2017/1001 und zur Aufhebung der Durchführungsverordnung (EU) 2017/1431 (ABl. 2018, L 104, S. 37) Angaben betreffend die amtliche Bezeichnung und die Rechtsform juristischer Personen, wobei deren gewöhnliche Abkürzung ausreiche, enthalten (Rn. 15 der angefochtenen Entscheidung).

12      Zweitens habe der Betroffene in Bezug auf die Beschwerdeschrift vom 19. Juni 2018 mit Schreiben vom 4. Juli 2018 mitgeteilt, dass Jakober Rechtsanwälte Beschwerdeführer seien (Rn. 18 der angefochtenen Entscheidung). Zum einen aber sei die Bezeichnung „Jakober Rechtsanwälte“ die einer juristischen Person, da sie nicht die einer natürlichen Person sein könne. Somit sei die Aussage im Schriftsatz vom 19. Dezember 2018, dass es sich bei „Jakober Rechtsanwälte“ nicht um eine juristische Person, sondern um einen „selbständig tätigen Freiberufler“ handele, falsch (Rn. 22 der angefochtenen Entscheidung). Zum anderen sei die Rechtsform von Jakober Rechtsanwälte in den im Beschwerdeverfahren eingereichten Schriftsätzen nicht näher definiert worden und lasse sich auch nicht aus anderen Angaben in den Akten feststellen (Rn. 19 der angefochtenen Entscheidung). Die im Anmeldeformular angegebene Rechtsform „Freiberuf“ stelle ihres Wissens keine Rechtsform dar (Rn. 20 der angefochtenen Entscheidung).

13      Drittens – so die Beschwerdekammer – „ist der hilfsweise gestellte Antrag [vom 19. Dezember 2018], ‚Philip Jakober‘ als Beschwerdeführer zu führen, unzulässig“. Ein solcher Wechsel des Beschwerdeführers sei nur möglich, wenn die Markenanmeldung übertragen worden sei, was im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen worden sei (Rn. 24 bis 26 der angefochtenen Entscheidung).

 Anträge der Parteien

14      Der Kläger beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        die angefochtene Entscheidung dahin gehend abzuändern, dass die Beschwerde begründet ist und die Anmeldung zur Eintragung in das Register des EUIPO zugelassen wird;

–        dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

15      Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

16      In der mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 2019 hat der Kläger seinen zweiten Antrag zurückgenommen, was im Sitzungsprotokoll vermerkt worden ist. Somit ist davon auszugehen, dass der Kläger das Vorbringen zu dem ausschließlich zur Stützung dieses zweiten Antrags vorgebrachten Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und Art. 7 Abs. 3 der Verordnung 2017/1001 zurückgenommen hat, und dass sich der Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung nur auf die Frage der Zulässigkeit der Beschwerde vor der Beschwerdekammer bezieht.

17      Das EUIPO hat in der mündlichen Verhandlung auf eine Frage des Gerichts erklärt, dass es seinen Antrag auf Klageabweisung aufrechterhalte. Es hat weiter ausgeführt, dass, sollte das Gericht jedoch der Meinung sein, dass dieser Antrag zum weiteren Schriftverkehr in Widerspruch stehe, es die entsprechenden Schlussfolgerungen daraus ziehen müsste.

 Rechtliche Würdigung

18      Der Kläger stützt seine Klage, wie sie oben in Rn. 16 des vorliegenden Urteils eingegrenzt worden ist, auf einen einzigen Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 21 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2018/625 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Durchführungsverordnung 2018/626. Er trägt vor, die Beschwerdekammer sei in der angefochtenen Entscheidung fälschlicherweise davon ausgegangen, dass die Beschwerde gegen die Entscheidung des Prüfers von einer juristischen Person eingelegt worden sei.

19      Das EUIPO macht geltend, dass im Beschwerdeverfahren der – explizit als „Jakober Rechtsanwälte“ auftretende – Kläger trotz ausdrücklicher Aufforderung der ihm obliegenden Pflicht zur Angabe einer gültigen Rechtsform nicht nachgekommen sei. In Anbetracht dieser Umstände habe sich die Beschwerdekammer weder dazu veranlasst noch dazu verpflichtet gesehen, zusätzliche Erkundigungen über die wahre Identität oder die Rechtsform des Beschwerdeführers einzuholen.

20      Insoweit ist erstens darauf hinzuweisen, dass nach Art. 21 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2018/625 eine gemäß Art. 68 der Verordnung 2017/1001 bei der Beschwerdekammer eingereichte Beschwerdeschrift gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2018/626 den Namen des Beschwerdeführers enthalten muss. Die letztgenannte Vorschrift sieht ferner vor, dass bei natürlichen Personen die Familiennamen und Vornamen und bei juristischen Personen die Rechtsform anzugeben sind.

21      Zweitens ergibt sich aus Art. 111 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001, dass das Register der Unionsmarken eine Reihe von Angaben bezüglich der Anmeldung und Eintragung von Unionsmarken einschließlich des Namens des Anmelders enthält. Das EUIPO hat in seiner Antwort auf die schriftlichen Fragen des Gerichts insoweit erklärt, dass es von der Vermutung ausgehe, dass diese Eintragungen richtig seien, und dass seine Entscheidungen daher auf der Grundlage des Registers zu treffen seien.

22      Im vorliegenden Fall ergibt sich, wie der Kläger vorträgt, aus der oben in Rn. 3 angeführten Änderung des Registers der Unionsmarken, dass im fraglichen Eintragungsverfahren der Name des Anmelders „Philip M. Jakober, handelnd unter Jakober Rechtsanwälte“ ist. Im Register ist auch vermerkt, dass es sich um eine natürliche Person handelt.

23      Obwohl die Beschwerdekammer, wie das EUIPO in seiner Antwort auf die schriftlichen Fragen des Gerichts und in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, die Registerlage zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung hätte berücksichtigen müssen, hat sie dies unstreitig nicht getan.

24      Zwar waren die Antworten des Klägers auf die Mitteilungen der Beschwerdekammer in einigen Aspekten nicht eindeutig, doch hat er im Schriftsatz vom 19. Dezember 2018 ausdrücklich Folgendes erklärt: „Sollte der Beschwerdekammer [die erteilte] Information nicht genügen, so bitten wir, Herrn Rechtsanwalt Philip Jakober als natürliche Person als Beschwerdeführer anzugeben“. Der Kläger hat somit gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2018/626 seinen Familiennamen und seinen Vornamen angegeben.

25      Damit hat der Kläger den ihm vorgeworfenen Mangel innerhalb der festgesetzten Frist behoben. Die Beschwerdekammer konnte folglich die Beschwerde nicht mit der Begründung für unzulässig erklären, dass Beschwerdeführerin die juristische Person – Jakober Rechtsanwälte – sei und diese es versäumt habe, ihr eine nach Art. 21 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2018/625 erforderliche Angabe zu übermitteln.

26      Unter diesen Umständen musste die Beschwerdekammer dem im Schriftsatz vom 19. Dezember 2018 enthaltenen Hilfsantrag des Klägers, die Beschwerde als von „Herrn Rechtsanwalt Philip Jakober als natürliche Person“ eingelegt anzusehen, stattgeben.

27      Diese Schlussfolgerung wird durch Art. 67 der Verordnung 2017/1001 bestätigt, wonach die Beschwerde denjenigen zusteht, die an einem Verfahren beteiligt waren, das zu einer Entscheidung geführt hat, soweit sie durch die Entscheidung beschwert sind. Im vorliegenden Fall war die vor der Beschwerdekammer angefochtene Entscheidung des Prüfers an „Philip M. Jakober, handelnd unter Jakober Rechtsanwälte“, eine natürliche Person, gerichtet. Mit der Zurückweisung des Hilfsantrags, die Beschwerdekammer möge den Kläger als denjenigen behandeln, der die Beschwerde bei ihr eingereicht habe, hat die Beschwerdekammer ihm sein Recht genommen, eine Beschwerde gegen die an ihn gerichtete und ihn beschwerende Entscheidung des Prüfers einzulegen, obwohl er sowohl in seinem zur Änderung des Registers der Unionsmarken führenden Schriftsatz als auch in seinem ausdrücklichen Antrag vom 19. Dezember 2018 übereinstimmend angegeben hat, dass er „Philip Jakober“, eine natürliche Person, sei.

28      Nach alledem ist dem einzigen Klagegrund des Klägers stattzugeben und die angefochtene Entscheidung somit im Ganzen aufzuheben.

 Kosten

29      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

30      Da das EUIPO unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag des Klägers die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zehnte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 11. Februar 2019 (Sache R 1153/20184) wird aufgehoben.

2.      Das EUIPO trägt die Kosten.

Kornezov

Kowalik-Bańczyk

Hesse

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 11. Februar 2020.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

      H. Kanninen


*      Verfahrenssprache: Deutsch.