Language of document : ECLI:EU:T:2007:258

Rechtssache T‑36/04

Association de la presse internationale ASBL (API)

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Zugang zu Dokumenten – Von der Kommission in Verfahren vor dem Gerichtshof und dem Gericht eingereichte Schriftsätze – Entscheidung, mit der der Zugang verweigert wird“

Leitsätze des Urteils

1.      Europäische Gemeinschaften – Organe – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001

(Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4)

2.      Europäische Gemeinschaften – Organe – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001

(Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4 Abs. 2)

3.      Europäische Gemeinschaften – Organe – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001

(Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4 Abs. 2)

4.      Verfahren – Weitergabe eigener Schriftsätze durch eine Partei

(Satzung des Gerichtshofs, Art. 20 Abs. 2 und Art. 53; Verfahrensordnung des Gerichtshofs, Art. 16 § 5 und Art. 56 § 2; Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 24 § 5 und Art. 57; Dienstanweisung für den Kanzler des Gerichts, Art. 5 Abs. 3)

5.      Europäische Gemeinschaften – Organe – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001

(Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4 Abs. 2)

6.      Europäische Gemeinschaften – Organe – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001

(Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4 Abs. 2)

7.      Europäische Gemeinschaften – Organe – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001

(Art. 226 EG; Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4 Abs. 2)

1.      Die Prüfung, die im Rahmen der Bearbeitung eines auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission gestellten Antrags auf Zugang zu Dokumenten erforderlich ist, muss konkret sein. Zum einen kann nämlich der bloße Umstand, dass ein Dokument ein durch eine Ausnahme geschütztes Interesse betrifft, nicht ausreichen, um die Anwendung der Ausnahme zu rechtfertigen. Eine solche Anwendung kann grundsätzlich nur dann gerechtfertigt sein, wenn das Organ zuvor geprüft hat, ob erstens der Zugang zu dem Dokument das geschützte Interesse tatsächlich konkret hätte verletzen können und ob zweitens – in den Fällen des Art. 4 Abs. 2 und 3 dieser Verordnung – nicht ein höherrangiges öffentliches Interesse bestand, das die Freigabe des betreffenden Dokuments rechtfertigte. Zum anderen muss die Gefahr einer Beeinträchtigung eines geschützten Interesses vernünftigerweise absehbar sein und darf nicht rein hypothetisch sein. Die Prüfung, die das Organ durchführen muss, um eine Ausnahme anzuwenden, muss daher konkret sein und aus der Begründung der Entscheidung hervorgehen. Diese Prüfung muss für jedes im Antrag bezeichnete Dokument durchgeführt werden.

Eine konkrete und individuelle Prüfung ist jedenfalls dann erforderlich, wenn – auch in den Fällen, in denen klar ist, dass ein Zugangsantrag von einer Ausnahme erfasste Dokumente betrifft – nur eine solche Prüfung es dem Organ ermöglicht, zu beurteilen, ob dem Antragsteller teilweiser Zugang nach Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 gewährt werden kann.

Bei der Verpflichtung eines Organs, den Inhalt der in dem Zugangsantrag bezeichneten Dokumente konkret und individuell zu prüfen, handelt es sich um eine grundsätzliche Verpflichtung, die bei allen in Art. 4 Abs. 1 bis 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 genannten Ausnahmen besteht, unabhängig davon, zu welchem Bereich die angeforderten Dokumente gehören.

Diese grundsätzliche Verpflichtung bedeutet allerdings nicht, dass eine solche Prüfung unter allen Umständen erforderlich ist. Sie kann nämlich entbehrlich sein, wenn aufgrund der besonderen Umstände des betreffenden Falls offenkundig ist, dass der Zugang zu verweigern oder im Gegenteil zu gewähren ist. Dies könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn bestimmte Dokumente offenkundig in vollem Umfang von einer Ausnahme vom Zugangsrecht erfasst werden oder aber offenkundig in vollem Umfang zugänglich sind oder wenn sie von der Kommission unter ähnlichen Umständen bereits konkret und individuell geprüft worden waren.

(vgl. Randnrn. 54-58)

2.      Hinsichtlich der Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz des Zugangs zu Dokumenten nach Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, die den Schutz von Gerichtsverfahren betrifft, ergibt sich erstens aus der weiten Definition des Begriffs des Dokuments in Art. 3 Buchst. a dieser Verordnung sowie aus der Formulierung und dem bloßen Bestehen der Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die Tätigkeit der Organe im Zusammenhang mit solchen Verfahren nicht vom Zugangsrecht der Bürger ausschließen wollte, sondern hierfür vorgesehen hat, dass sie die Freigabe von Dokumenten aus einem Gerichtsverfahren dann verweigern, wenn eine solche Freigabe das Verfahren, auf das sich die Dokumente beziehen, beeinträchtigen würde.

Zweitens fallen die von der Kommission beim Gemeinschaftsrichter eingereichten Schriftsätze insofern in den Anwendungsbereich der Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren, als sie ein geschütztes Interesse betreffen.

Drittens vermag der Umstand allein, dass alle Dokumente, die nur für ein bestimmtes Gerichtsverfahren erstellt wurden, in den Anwendungsbereich dieser Ausnahme fallen, und insbesondere die von den Organen eingereichten Schriftsätze, nicht die Anwendung der geltend gemachten Ausnahme zu rechtfertigen. Denn die dem Schutz des öffentlichen Interesses im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens dienende Ausnahme kann nicht dahin ausgelegt werden, dass die Kommission ihretwegen verpflichtet ist, den Zugang zu allen von ihr allein für dieses Verfahren erstellten Dokumenten zu verweigern.

Viertens soll die auf den Schutz von Gerichtsverfahren gerichtete Ausnahme u. a. das Recht jeder Person auf ein faires Verfahren vor einem unabhängigen Gericht wahren, das ein in Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte (EMRK) vorgesehenes Grundrecht und integraler Bestandteil der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ist, deren Beachtung der Gemeinschaftsrichter sichert, wobei er sich an die gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten und an die Hinweise anlehnt, die insbesondere die EMRK liefert, sowie eine geordnete Rechtspflege gewährleisten. Diese Ausnahme erfasst also nicht nur die Interessen der Beteiligten in einem Gerichtsverfahren, sondern auch allgemein den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens.

(vgl. Randnrn. 59-61, 63)

3.      Bei der Anwendung der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission hängt es grundsätzlich von der Art der Informationen in den von einem Zugangsantrag erfassten Dokumenten ab, ob ihre Freigabe ein geschütztes Interesse beeinträchtigen kann. Jedoch kann angesichts der besonderen Natur der Interessen, die von der Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren geschützt werden sollen, nämlich des Rechts jeder Person auf ein faires Verfahren vor einem unabhängigen Gericht und der Notwendigkeit, eine geordnete Rechtspflege zu gewährleisten, und aufgrund der Tatsache, dass die Dokumente, zu denen Zugang begehrt wird, Schriftsätze sind, die die Kommission in anhängigen Verfahren, an denen sie beteiligt ist, eingereicht hat, nicht ausgeschlossen werden, dass die Nichtfreigabe für einen bestimmten Zeitraum aus Gründen, die nichts mit dem Inhalt jedes einzelnen angeforderten Dokuments zu tun haben, gerechtfertigt werden kann, vorausgesetzt, diese Gründe rechtfertigen, dass die fraglichen Dokumente in ihrer Gesamtheit geschützt werden müssen.

In diesem Zusammenhang muss die Kommission ebenso wie die anderen Verfahrensbeteiligten ihren Standpunkt geschützt vor jeder äußeren Beeinflussung vortragen und erörtern können, zumal der von ihr vertretene Standpunkt grundsätzlich bezweckt, die ordnungsgemäße Anwendung des Gemeinschaftsrechts sicherzustellen. Die Verwirklichung eines solchen Zwecks verlangt wegen der Natur der Interessen, die von der Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren geschützt werden sollen, dass ihre Schriftsätze nicht freigegeben werden, bevor sie nicht die Möglichkeit gehabt hat, sie in der mündlichen Verhandlung vor Gericht zu erörtern, und dass sie daher das Recht hat, sie wegen des eventuellen Drucks auf ihre Bediensteten, zu dem eine von ihrer Freigabe ausgelöste öffentliche Debatte führen könnte, vom Zugang der Öffentlichkeit auszunehmen, ohne dass hierfür eine konkrete Prüfung ihres Inhalts erforderlich wäre.

Wenn das Verfahren, auf das sich die Schriftsätze, zu denen Zugang begehrt wird, beziehen, noch nicht das Stadium der mündlichen Verhandlung erreicht hat, gilt somit die Weigerung, diese Schriftsätze freizugeben, für alle darin enthaltenen Informationen. Nach der mündlichen Verhandlung ist die Kommission hingegen verpflichtet, jedes angeforderte Dokument konkret daraufhin zu überprüfen, ob es angesichts seines besonderen Inhalts freigegeben werden kann oder ob seine Freigabe das Gerichtsverfahren, auf das es sich bezieht, beeinträchtigen würde.

(vgl. Randnrn. 63, 73-75, 81-82)

4.      Die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten sind, was ihre Behandlung durch den Gemeinschaftsrichter angeht, grundsätzlich vertraulich. Art. 20 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs, der nach Art. 53 der Satzung auch für das Gericht gilt, verlangt nämlich nur deren Übermittlung an die Parteien und diejenigen Gemeinschaftsorgane, deren Entscheidungen Gegenstand des Verfahrens sind. Zudem sehen Art. 16 § 5 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs und Art. 24 § 5 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts die Möglichkeit, Abschriften von Verfahrensschriftstücken zu erhalten, nur für die Parteien vor, und nach Art. 5 Abs. 3 Unterabs. 3 der Dienstanweisung für den Kanzler des Gerichts erster Instanz ist der Zugang Dritter zu Verfahrensvorgängen vom Vorliegen eines berechtigten Interesses abhängig, das ordnungsgemäß nachzuweisen ist.

Diese Bestimmungen untersagen den Parteien jedoch nicht, ihre eigenen Schriftsätze freizugeben. Abgesehen von Ausnahmefällen, in denen die Freigabe eines Schriftstücks die ordnungsgemäße Rechtspflege beeinträchtigen könnte, steht es den Parteien nämlich grundsätzlich frei, ihre eigenen Schriftsätze Dritten zugänglich zu machen.

Diese Bestimmungen schreiben den Organen auch nicht vor, in Bezug auf die Anwendung der Regelungen über den Zugang zu Dokumenten der Vorgehensweise des Gerichts zu folgen, bei dem die Rechtssache anhängig ist, auf die sich die Dokumente beziehen, zu denen Zugang begehrt wird. Mangels dafür vorgesehener Sonderregelungen kommt es daher nicht in Betracht, den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission mit dem Argument einzuschränken, dass diese Verfahrensordnungen den Zugang Dritter nicht regelten und als lex specialis eingriffen.

Die einzigen Verfahrensbestimmungen, die den Parteien eine Freigabe verbieten, sind Art. 56 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs und Art. 57 der Verfahrensordnung des Gerichts, wonach, wenn die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird, der Inhalt der mündlichen Verhandlung nicht veröffentlicht werden darf.

(vgl. Randnrn. 87-90)

5.      Was das in Art. 4 Abs. 2 letzter Satzteil der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission genannte überwiegende öffentliche Interesse angeht, das die den Schutz von Gerichtsverfahren beeinträchtigende Freigabe eines Dokuments rechtfertigen kann, ist es Sache des betreffenden Organs, die Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Freigabe und dem Interesse, dem durch eine Verweigerung der Freigabe genügt würde, gegebenenfalls unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragstellers, vorzunehmen.

Dieses überwiegende öffentliche Interesse muss grundsätzlich von den der Verordnung zugrunde liegenden Grundsätzen der Pressefreiheit und der Transparenz verschieden sein. Gleichwohl bedeutet die Tatsache, dass ein Antragsteller kein von diesen Grundsätzen verschiedenes öffentliches Interesse geltend macht, nicht ohne Weiteres, dass keine Abwägung der beteiligten Interessen erforderlich wäre. Denn die Berufung auf diese Grundsätze kann angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalls so dringend sein, dass sie die Schutzbedürftigkeit der streitigen Dokumente überwiegt.

Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn die Dokumente, zu denen Zugang begehrt wird, Schriftsätze sind, die die Kommission in anhängigen Verfahren, an denen sie beteiligt ist, eingereicht hat. Dass sich die Öffentlichkeit über laufende Rechtssachen informieren kann, wird nämlich zum einen dadurch sichergestellt, dass jedes Gerichtsverfahren, sobald es anhängig gemacht worden ist, Gegenstand einer Mitteilung im Amtsblatt ist, die auf der EUR‑Lex-Webseite sowie auf der Seite des Gerichtshofs auch über das Internet abrufbar ist und u. a. den Streitgegenstand, den Klageantrag sowie die geltend gemachten Klagegründe und die wesentlichen Argumente enthält. Außerdem wird der Sitzungsbericht, der eine Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien enthält, am Tag der mündlichen Verhandlung veröffentlicht, in der im Übrigen das Vorbringen der Parteien öffentlich erörtert wird.

Zum anderen hat die Anwendung der Ausnahme zum Schutz der fraglichen Gerichtsverfahren u. a. den Zweck, jede äußere Beeinflussung ihres ordnungsgemäßen Ablaufs zu verhindern. Das Interesse am Schutz dieses Zwecks ist aber unabhängig vom Inhalt der angeforderten Schriftsätze zwingend zu beachten, da es sich um ein Interesse handelt, dessen Schutz für eine geordnete Rechtspflege erforderlich ist. Im Übrigen ist eine solche Beschränkung nicht absolut, da sie für alle Schriftsätze, zu denen der Zugang verweigert wurde, nur bis zur mündlichen Verhandlung gilt.

(vgl. Randnrn. 94, 97-100)

6.      Bei der Anwendung der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission kann die behauptete Notwendigkeit, Argumente zu schützen, die gegebenenfalls in einem noch anhängigen Verfahren vorgetragen werden, kein Grund für die Verweigerung des Zugangs zu Schriftsätzen einer Rechtssache sein, die bereits durch ein Urteil des Gerichts abgeschlossen wurde, wenn es an jedweder besonderen Begründung fehlt, mit der gezeigt werden soll, dass die Freigabe der Schriftsätze das anhängige Gerichtsverfahren beeinträchtigen würde.

Der Inhalt von Schriftsätzen eines Gemeinschaftsorgans, die eine Rechtssache betreffen, die durch ein Urteil des Gerichts abgeschlossen wurde, ist in Form einer Zusammenfassung durch den Sitzungsbericht veröffentlicht worden, im Lauf einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erörtert worden, und hat Eingang in das Urteil des Gerichts gefunden. Es handelt sich also um Vorbringen, das der Öffentlichkeit, zumindest in Form einer Zusammenfassung, bereits zugänglich ist. Zudem kann die bloße Verknüpfung zwischen zwei oder mehreren Rechtssachen, unabhängig davon, ob sie dieselben Parteien oder denselben Gegenstand haben, für sich allein keine Zugangsverweigerung rechtfertigen, geschweige denn eine eindeutige Umkehr des Verhältnisses zwischen dem Grundsatz des freien Zugangs zu Dokumenten der Organe und den Ausnahmen von diesem Grundsatz, wie sie in der Verordnung Nr. 1049/2001 normiert wurden, bewirken.

(vgl. Randnrn. 106, 110, 141)

7.      Die Schriftsätze, die die Kommission in einem Verfahren nach Art. 226 EG eingereicht hat, sind, da sie notwendigerweise die Ergebnisse der Untersuchungen enthalten, die die Kommission durchgeführt hat, um einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht nachzuweisen, eng mit der Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens verknüpft, in dessen Rahmen sie eingereicht worden sind, und beziehen sich daher auf Untersuchungstätigkeiten im Sinne des Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission.

Die Wahrung des Zwecks des Vertragsverletzungsverfahrens, nämlich die gütliche Beilegung des Streits zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat vor Erlass des Urteils des Gerichtshofs, kann es rechtfertigen, den Zugang zu Dokumenten, die im Rahmen dieses Verfahrens verfasst wurden, in Anwendung der Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten zu verweigern. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass die Verhandlungen zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat, mit denen erreicht werden soll, dass dieser freiwillig den Anforderungen des Vertrags nachkommt, während des Gerichtsverfahrens und bis zur Verkündung des Urteils fortgesetzt werden. Eine solche Rechtfertigung ist unabhängig vom Inhalt jedes einzelnen angeforderten Dokuments auf die Schriftsätze der Kommission anwendbar, wenn sie die gleiche Art von Informationen enthalten und der betreffende Mitgliedstaat die Vertragsverletzung, auf die sie sich beziehen, bestreitet. Diese Schriftsätze werden offenkundig in ihrer Gesamtheit von der jeweiligen Ausnahme vom Zugangsrecht erfasst.

Der Zweck, eine gütliche Beilegung zu erreichen, besteht hingegen nach Verkündung der Urteile, mit denen die Vertragsverletzungen festgestellt werden, für die die Untersuchungstätigkeiten der Kommission durchgeführt worden sind, nicht fort. Sobald der Gerichtshof nämlich festgestellt hat, dass ein Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen aus dem Vertrag verstoßen hat, hat dieser Maßnahmen zu ergreifen, um diesem Urteil nachzukommen, ohne dass dies vom Ergebnis der Verhandlungen mit der Kommission abhängig gemacht werden kann. Würde man anerkennen, dass die verschiedenen Dokumente, die sich auf Untersuchungstätigkeiten beziehen, von der Ausnahme nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 erfasst werden, solange nicht alle im Anschluss an diese Verfahren zu ergreifenden Maßnahmen erlassen sind, selbst wenn eine neue Untersuchung erforderlich ist, die eventuell zu einer Klageerhebung nach Art. 228 Abs. 2 EG führt, liefe das außerdem darauf hinaus, den Zugang zu diesen Dokumenten von ungewissen Ereignissen wie der Missachtung des Urteils des Gerichtshofs, mit dem die Vertragsverletzung festgestellt wird, durch den betreffenden Mitgliedstaat und der Klageerhebung nach Art. 228 Abs. 2 EG, die im Ermessen der Kommission steht, abhängig zu machen. Jedenfalls würde es sich um zukünftige und ungewisse Ereignisse handeln, deren Eintritt von der Schnelligkeit und der Sorgfalt der verschiedenen beteiligten Behörden abhinge. Dieses Ergebnis stünde im Widerspruch zu dem Ziel, den größtmöglichen Zugang der Öffentlichkeit zu den Dokumenten der Organe zu gewährleisten, um den Bürgern die Möglichkeit zu geben, die Ausübung öffentlicher Gewalt wirksamer auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu kontrollieren.

(vgl. Randnrn. 121-123, 126, 135-136, 139-140)