Language of document : ECLI:EU:T:2015:381

URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

16. Juni 2015(*)

„Gemeinschaftsmarke – Anmeldung einer dreidimensionalen Gemeinschaftsmarke – Form eines zylindrischen, weiß-roten Gefäßes – Absolutes Eintragungshindernis – Fehlende Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑654/13

Gako Konietzko GmbH mit Sitz in Bamberg (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin S. Reinhardt,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch M. Fischer als Bevollmächtigten,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des HABM vom 19. September 2013 (Sache R 2232/2012‑1) über die Anmeldung eines dreidimensionalen Zeichens in Form eines zylindrischen, weiß-roten Gefäßes als Gemeinschaftsmarke

erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten S. Papasavvas sowie der Richter N. J. Forwood (Berichterstatter) und E. Bieliūnas,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 6. Dezember 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 10. Februar 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien binnen der Frist von einem Monat nach der Mitteilung, dass das schriftliche Verfahren abgeschlossen ist, die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des daher auf Bericht des Berichterstatters gemäß Art. 135a der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Am 21. Mai 2012 meldete die Klägerin, die Gako Konietzko GmbH, nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das nachstehend wiedergegebene dreidimensionale weiß-rote Zeichen:

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3        Die Marke wurde für folgende Waren der Klassen 3, 5 und 10 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 3: „Seifen; Mittel zur Körper‑ und Schönheitspflege, insbesondere kosmetische Salben“;

–        Klasse 5: „Pharmazeutische Erzeugnisse, insbesondere Salben für pharmazeutische Zwecke; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke“;

–        Klasse 10: „Behältnisse für Salben, Pasten, Gele und sonstige Mittel für medizinische Zwecke (Kruken); Gefäße, Behälter aus Kunststoff zur Herstellung, Lagerung und Verabreichung von Arzneimitteln“.

4        Mit Entscheidung vom 14. November 2012 wies der Prüfer die Gemeinschaftsmarkenanmeldung für alle in der vorstehenden Rn. 3 genannten Waren auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 mit der Begründung zurück, die angemeldete Marke habe keine Unterscheidungskraft.

5        Am 3. Dezember 2012 erhob die Klägerin beim HABM gegen die Entscheidung des Prüfers vom 14. November 2012 gemäß den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 eine Beschwerde.

6        Mit Entscheidung vom 19. September 2013 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Erste Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück. Insbesondere stellte sie bezüglich sämtlicher streitigen Waren fest, dass sich weder aus den einzelnen Merkmalen der angemeldeten Form noch aus deren Kombination eine erhebliche Abweichung von der Norm oder der Üblichkeit der Branche ergebe. Eventuelle Unterschiede zu anderen Formen dieser Art seien bloße Ausführungsvarianten, und auch die Farbkombination Weiß-Rot sei im Bereich der angemeldeten Waren gewöhnlich, so dass sich weder in der Gestaltung der angemeldeten Form noch in deren Merkmalen irgendeine prägende Produktvariation erkennen lasse, die in dem Gesamteindruck dieser Form eine Markenfunktion übernehmen könnte. Im Übrigen stellte die Beschwerdekammer in Bezug auf von der Klägerin angeführte Voreintragungen der Marke in Polen und in Deutschland fest, dass die Gemeinschaftsregelung für Marken ein autonomes, von nationalen Rechtsordnungen unabhängiges System darstelle. Demzufolge weise die Anmeldemarke keine Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 auf.

 Anträge der Parteien

7        Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

8        Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

9        Die Klägerin stützt ihre Klage auf drei Gründe. Mit dem ersten Klagegrund macht sie einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, mit dem zweiten einen Verstoß gegen Art. 75 der Verordnung Nr. 207/2009 und mit dem dritten eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung geltend.

 Erster Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009

10      Gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 sind Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen.

11      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne dieser Bestimmung besagt, dass die Marke geeignet ist, die Ware, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. Urteil vom 20. Oktober 2011, Freixenet/HABM, C‑344/10 P und C‑345/10 P, Slg, EU:C:2011:680, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

12      Diese Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf ihre Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen, die aus den Verbrauchern dieser Waren oder Dienstleistungen bestehen (vgl. Urteil Freixenet/HABM, oben in Rn. 11 angeführt, EU:C:2011:680, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

13      Mit ihrem ersten Klagegrund wirft die Klägerin dem HABM im Wesentlichen vor, festgestellt zu haben, dass die angemeldete Marke keine Unterscheidungskraft aufweise.

14      Insbesondere rügt sie erstens, die Beschwerdekammer habe bei ihrer Beurteilung der Wahrnehmung der Waren durch die maßgebenden Verkehrskreise deren erhöhte Aufmerksamkeit hinsichtlich der Form der Ware nicht hinreichend berücksichtigt.

15      Hinsichtlich der oben in Rn. 3 angeführten Waren der Klassen 5 und 10 schenke das Fachpersonal in Apotheken insbesondere der Form und deren kennzeichnendem Charakter erhöhte Aufmerksamkeit und erblicke in der Anmeldemarke nicht lediglich einen Verpackungsbehälter, sondern einen unverwechselbaren Hinweis auf den Hersteller.

16      Bei den Waren der Klasse 3, bei denen die maßgeblichen Verkehrskreise ebenfalls in den Endverbrauchern zu sehen seien, sei der Durchschnittsverbraucher von Arzneimittelsalben in der Lage, die Form der Verpackung als Hinweis auf die betriebliche Herkunft dieser Ware wahrzunehmen, d. h. als Hinweis auf die Apotheke, aus der sie stamme und die ihrerseits den Hersteller der Ware kenne.

17      Hinsichtlich des von der angemeldeten Marke hervorgerufenen Gesamteindrucks ergebe sich die Unterscheidungskraft der Marke zum einen aus den Farben Rot (Schraubdeckel) und Weiß (Behälter), die sich von den in der Branche verwendeten Farben deutlich unterschieden, und zum anderen aus der Form der Marke mit der auf dem Schraubdeckel angebrachten Zentralöffnung mit (weißer) Schraubkappe, die ein kennzeichnendes Element sei. Darüber hinaus weiche die Marke von den branchenüblichen Gestaltungsformen erheblich ab.

18      Was zunächst die maßgeblichen Verkehrskreise angeht, steht im vorliegenden Fall fest, dass die Waren der Klasse 3 (Seifen; Schönheitspflegemittel) für den allgemeinen Verbrauch von Durchschnittsverbrauchern und die Waren der Klasse 5 (pharmazeutische Erzeugnisse wie Salben und zahnärztliche Artikel) sowohl für Fachverkehrskreise (Apotheker) als auch für Durchschnittsverbraucher (Patienten) als Endverbraucher dieser Waren bestimmt sind, während sich die Waren der Klasse 10 (Kruken) an entsprechendes Fachpersonal in Apotheken (Apotheker und pharmazeutisch-technische Assistenten) richten.

19      Bei dem angemeldeten Zeichen handelt es sich um ein zylindrisches, weißes Gefäß mit glatter Oberfläche und einem roten, am Rand gerillten Deckel, in dessen Mitte eine kleinere, weiße Schraubkappe ersichtlich ist. Nach Ansicht der Beschwerdekammer erkennt der Verbraucher somit in der Anmeldeform unmittelbar einen Behälter mit zwei unterschiedlich großen Öffnungsmöglichkeiten.

20      Nach ständiger Rechtsprechung sind die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken, die aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst bestehen, nicht anders als die für die übrigen Markenkategorien geltenden (vgl. Urteil Freixenet/HABM, oben in Rn. 11 angeführt, EU:C:2011:680, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

21      Je mehr sich jedoch die angemeldete Form der Form annähert, in der die betreffende Ware am wahrscheinlichsten in Erscheinung tritt, umso eher ist zu erwarten, dass dieser Form die Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 fehlt. Unter diesen Umständen besitzt nur eine Marke, die erheblich von der Norm oder der Üblichkeit in der betreffenden Branche abweicht und deshalb ihre wesentliche herkunftskennzeichnende Funktion erfüllen kann, auch Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 (vgl. Urteil vom 25. September 2014, Peri/HABM [Form eines Spannschlosses], T‑171/12, Slg, EU:T:2014:817, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Im vorliegenden Fall ist die als Gemeinschaftsmarke angemeldete dreidimensionale Form ein zylindrisches Gefäß mit zwei unterschiedlich großen Öffnungen. Die größere der beiden ist mit einem roten Deckel mit Rillen an den Rändern verschlossen, die die Drehung beim Öffnen und Schließen erleichtern. Die andere Öffnung befindet sich in der Mitte des großen Deckels und ist mit einem weißen Schraubverschluss verschlossen.

23      Hinsichtlich der Waren der Klassen 3 und 5 ist erstens daran zu erinnern, dass die Durchschnittsverbraucher, wenn grafische oder Wortelemente fehlen, aus der Form der Waren oder der ihrer Verpackung gewöhnlich nicht auf die Herkunft dieser Waren schließen (vgl. Urteil Freixenet/HABM, oben in Rn. 11 angeführt, EU:C:2011:680, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24      Außerdem schreibt der Durchschnittsverbraucher, wie die Beschwerdekammer feststellt, Verpackungen, die solche Waren enthalten, in erster Linie eine reine Verpackungsfunktion zu (Urteil vom 15. März 2006, Develey/HABM [Form einer Kunststoffflasche], T‑129/04, Slg, EU:T:2006:84, Rn. 47).

25      Darüber hinaus können, wie die Beschwerdekammer ausführt, Waren der Klassen 3 und 5 nur verpackt vermarktet werden. Die Verpackung in einem Gefäß ist folglich ein zwingendes Vertriebserfordernis, und das fragliche Gefäß ist somit lediglich eine funktional bedingte mögliche Variante.

26      Was zweitens die beiden Merkmale angeht, die nach Ansicht der Klägerin zur Unterscheidungskraft der Flasche beitragen, d. h. die Anordnung der Farben Rot und Weiß und die gewählte Form mit zwei übereinanderliegenden Öffnungen, ist zunächst daran zu erinnern, dass allein die Tatsache, dass eine Form die Variante einer der üblichen Formen einer bestimmten Warenart ist, nicht für die Feststellung ausreicht, dass diese Form als Marke keine Unterscheidungskraft hat. Es ist stets zu prüfen, ob es eine derartige Marke dem durchschnittlich informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher erlaubt, die fragliche Ware – ohne eine Prüfung vorzunehmen und ohne besonders aufmerksam zu sein – von Waren anderer Unternehmen zu unterscheiden (Urteil vom 7. Oktober 2004, Mag Instrument/HABM, C‑136/02 P, Slg, EU:C:2004:592, Rn. 32).

27      Im vorliegenden Fall reichen die Unterscheidungsmerkmale der angemeldeten Form, d. h. die beiden Öffnungen und die Farben Rot und Weiß, nicht aus, um sie von den anderen auf dem Markt anzutreffenden Formen nennenswert derart zu unterscheiden, dass die Form die Funktion als Herkunftshinweis erfüllen könnte.

28      Bezüglich der Form ist nämlich, wie die Beschwerdekammer ausgeführt hat, darauf hinzuweisen, dass die zylindrische Form mit Deckel bei Kruken und bei für die Schönheitspflege bestimmten Gefäßen üblich ist. Auch die Deckel weisen keine ungewöhnlichen Merkmale auf, denn die Rillen an ihrem Rand sind lediglich technische Elemente, die dazu dienen, die Drehung des Deckels und des Schraubverschlusses zu erleichtern.

29      Das einzige Merkmal, durch das sich die angemeldete Marke von der üblichen Form abhebt, ist in den übereinanderliegenden Öffnungen zu sehen. Die angemeldete Marke weist nämlich im Gegensatz zu den in der Akte aufgeführten Beispielen von Gefäßen einen Deckel in der Größe des Gefäßes als Verschluss auf, und auf diesem befindet sich in der Mitte ein zweiter Verschluss in Form eines Schraubverschlusses.

30      Selbst wenn dieses Merkmal als ungewöhnlich angesehen werden könnte, wäre es allein nicht ausreichend, um den durch die angemeldete Marke hervorgerufenen Gesamteindruck so stark zu beeinflussen, dass die Marke damit erheblich von der Norm oder der Üblichkeit in der betreffenden Branche abwiche und deshalb ihre wesentliche herkunftskennzeichnende Funktion erfüllen könnte. Das Übereinanderliegen der beiden Verschlüsse ist nämlich lediglich eine Variante eines üblichen Merkmals von Gefäßen für in einer Apotheke zubereitete Cremes, Flüssigkeiten und Produkte, so dass der Durchschnittsverbraucher, obwohl diese Artikel nicht genauso in anderen Gefäßen der Branche verpackt werden, die betreffende Ware nicht ohne Prüfung und ohne besondere Aufmerksamkeit von Waren anderer Unternehmen unterscheiden kann.

31      Die Kombination der Farben Rot und Weiß ist entgegen dem Vorbringen der Klägerin im kosmetischen und im medizinischen Bereich keineswegs unüblich, denn Weiß wird regelmäßig mit Hygiene und Sauberkeit assoziiert und Rot mit Warnhinweisen, insbesondere im medizinischen Bereich. Die Beschwerdekammer hat daher zu Recht festgestellt, dass diese Kombination für das fragliche Zeichen keine Unterscheidungskraft begründen kann.

32      Zu dem Argument der Klägerin, wonach die angemeldete Marke ein neuartiges Konzept darstelle, das geeignet sei, die angesprochenen Verkehrskreise dazu anzuhalten, sich bei Betrachtung des Gefäßes Gedanken über den Sinn und Zweck der zusätzlichen Zentralöffnung sowie der darauf befindlichen Schraubkappe zu machen, ist festzustellen, dass sowohl der innovative Charakter der Form der Anmeldemarke als auch die Konzeption dieser Form oder der ihr zugrunde liegende Gedanke keine für die Beurteilung der Unterscheidungskraft des angemeldeten Zeichens als Gemeinschaftsmarke relevanten Kriterien sind. Das Beurteilungskriterium ist, ob die angemeldete Marke es ermöglicht, die Waren oder die Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

33      Hinsichtlich der Waren der Klassen 5 und 10, die sich an die maßgeblichen Fachverkehrskreise, d. h. Apotheker, richten, ist zunächst festzustellen, dass die vorstehend in Rn. 21 dargelegten Prüfungsgrundsätze auch dann uneingeschränkt gelten, wenn es sich bei dem fraglichen Publikum um ein spezialisiertes Publikum handelt (Urteil Form eines Spannschlosses, oben in Rn. 21 angeführt, EU:T:2014:817, Rn. 42).

34      Aus dem Umstand, dass eine erhöhte Aufmerksamkeit der relevanten Verkehrskreise in Bezug auf Waren aus dem medizinischen Bereich besteht, kann nicht automatisch geschlossen werden, dass der Verkehr auch auf die Form der Waren bzw. der Verpackung als Herkunftsangabe sensibilisiert wäre. Was die betriebliche Herkunft gerade von Produkten, die in marktüblichen Behältnissen auf den Markt kommen und wegen ihrer flüssigen Konsistenz nicht ohne Verpackung angeboten werden können, anbelangt, wird sich der Verbraucher – auch der besonders aufmerksame – erfahrungsgemäß in erster Linie an den Etiketten der Verpackung, d. h. an Wort- und Bildmarken, orientieren und nicht an der Form der Ware.

35      Es reicht also nicht aus, dass das Publikum die Unterschiede zwischen den verschiedenen Gefäßen erkennen kann, wozu ein spezialisiertes Publikum wie im vorliegenden Fall in der Tat imstande ist, sondern es muss in der Lage sein, die von der Klägerin vorgelegte Krukenvariante als Herkunftsbezeichnung zu erkennen. Wie sich jedoch aus den Rn. 27 bis 31 des vorliegenden Urteils ergibt, erscheinen die Unterschiede, die das fragliche Gefäß aufweist, die gewiss erkennbar sind, als bloße Ausführungsvarianten von Kruken. Diese Merkmale sind daher nicht geeignet, die betreffende Ware zu individualisieren und als solche eine bestimmte betriebliche Herkunft anzuzeigen.

36      Im Übrigen hat die Beschwerdekammer zu Recht hervorgehoben, dass hinsichtlich der Waren der Klasse 10 die fraglichen Behältnisse und Behälter genau der angemeldeten Form entsprechen, weshalb das Zeichen lediglich eine Information hinsichtlich des Gegenstands der Anmeldung vermittelt, aber nicht über die Herkunft der Waren.

37      Außerdem ist die Auffassung der Klägerin unzutreffend, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Verkehrsgewöhnung an die Gefäßform als Herkunftshinweis im vorliegenden Fall ihre Argumentation stütze, dass der mit Waren aus dem medizinischen Bereich konfrontierte Verkehr für die Form und Verpackung der Ware als Herkunftshinweis sensibilisiert wäre. Diese Rechtsprechung bezieht sich nämlich auf Massenkonsumgüter wie Getränke bzw. Wasch‑ und Putzmittel und nicht auf die hier gegenständlichen pharmazeutischen/medizinischen Waren, für die eine vergleichbare Verkehrsgewöhnung nicht nachgewiesen wurde. Insofern ist das Vorbringen der Klägerin, dass eine entsprechende Verkehrsgewöhnung an die herkunftshinweisende Funktion von Behälterformen auf dem gegenständlichen – medizinischen – Warensektor „allgemein bekannt“ sei, eine bloße Behauptung, die nicht belegt wurde.

38      Dass schließlich die maßgeblichen Fachverkehrskreise die Waren der Klägerin möglicherweise anhand des für die Verwendung ihrer Waren erforderlichen geschlossenen Rührsystems der Marke UNGUATOR wiedererkennen, schließt im vorliegenden Fall nicht die Anwendung des absoluten Eintragungshindernisses gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 aus. Eine solche Wahrnehmung der angemeldeten Marke wäre nur im Rahmen von Art. 7 Abs. 3 dieser Verordnung zu berücksichtigen, auf den sich die Klägerin zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens berufen hat (Urteil vom 7. Februar 2002, Mag Instrument/HABM [Form von Taschenlampen], T‑88/00, Slg, EU:T:2002:28, Rn. 39).

39      Folglich ist der Beschwerdekammer kein Beurteilungsfehler unterlaufen, als sie festgestellt hat, dass die Anmeldemarke keine Unterscheidungskraft hat, weil sich der von ihr hervorgerufene Gesamteindruck in einer Kombination funktioneller Elemente erschöpft, die in den fraglichen Branchen für gewöhnlich verwendet werden.

 Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen Art. 75 der Verordnung Nr. 207/2009

40      Mit ihrem zweiten Klagegrund wirft die Klägerin der Beschwerdekammer vor, die Einschränkung des Warenverzeichnisses als unzulässig zurückgewiesen zu haben, ohne ihr vorher die Möglichkeit zur Äußerung gegeben zu haben.

41      Was den Anspruch auf rechtliches Gehör vor der Beschwerdekammer angeht, so ist daran zu erinnern, dass die Antwort auf die Frage, ob eine von einer Partei beantragte mündliche Verhandlung sachdienlich ist, sowohl nach dem Wortlaut von Art. 75 der Verordnung Nr. 207/2009 als auch nach der Rechtsprechung im Ermessen der Beschwerdekammer liegt (Urteil vom 19. Mai 2010, Ravensburger/HABM – Educa Borras [Memory], T‑108/09, EU:T:2010:213, Rn. 46).

42      Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Würdigung der Tatsachen zur Entscheidungsfindung gehört. Der sich aus Art. 75 der Verordnung Nr. 207/2009 ergebende Anspruch auf rechtliches Gehör erstreckt sich auf alle tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte, die die Grundlage für die Entscheidungsfindung bilden, nicht aber auf den endgültigen Standpunkt, den die Verwaltung einnehmen will (vgl. Urteil vom 7. Juni 2005, Lidl Stiftung/HABM – REWE-Zentral [Salvita], T‑303/03, Slg, EU:T:2005:200, Rn. 62).

43      Im vorliegenden Fall hat die Klägerin beim HABM den Hilfsantrag selbst gestellt und Gesichtspunkte vorgetragen, die diesen stützen. Sie konnte sich daher zu diesen Gesichtspunkten und ihrer Erheblichkeit äußern. Unter diesen Umständen war die Beschwerdekammer nicht verpflichtet, die Klägerin zur Würdigung der tatsächlichen Gesichtspunkte, auf die sie ihre Entscheidung stützen wollte, anzuhören.

44      Demzufolge ist die Entscheidung der Beschwerdekammer, es abzulehnen, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, nicht zu beanstanden. Daraus folgt, dass auch der zweite Klagegrund zurückzuweisen ist.

 Dritter Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung

45      Die Klägerin wirft der Beschwerdekammer vor, sie habe die nationalen Voreintragungen der Marke in Deutschland und in Polen, die sowohl im Hinblick auf die dreidimensionale Gestaltung als auch hinsichtlich der Schutz beanspruchenden Waren in Klasse 10 mit der angemeldeten Gemeinschaftsmarke identisch seien, nicht gemäß den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit ordnungsgemäß geprüft und berücksichtigt. Auch wenn das HABM an nationale Voreintragungen nicht gebunden sei, habe es solche Voreintragungen im Rahmen seiner Entscheidungsfindung nach den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit angemessen zu berücksichtigen und besonderes Augenmerk darauf zu richten, ob im gleichen Sinne zu entscheiden sei oder nicht.

46      In diesem Zusammenhang ist den Ausführungen der Beschwerdekammer folgend festzustellen, dass die Gemeinschaftsregelung für Marken ein autonomes System ist, das aus einer Gesamtheit von Vorschriften besteht, mit dem ihm eigene Ziele verfolgt werden und dessen Anwendung von jedem nationalen System unabhängig ist. Die Eintragungsfähigkeit eines Zeichens als Gemeinschaftsmarke darf somit nur auf der Grundlage der einschlägigen Unionsregelung beurteilt werden. Daher ist das HABM und gegebenenfalls der Unionsrichter nicht an eine auf der Ebene eines Mitgliedstaats ergangene Entscheidung gebunden, in der die Eintragungsfähigkeit desselben Zeichens als nationale Marke bejaht wird. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine solche Entscheidung gemäß harmonisierten nationalen Rechtsvorschriften erlassen wurde (Urteil vom 27. Februar 2002, Streamserve/HABM [STREAMSERVE], T‑106/00, Slg, EU:T:2002:43, Rn. 47).

47      Folglich hat die Beschwerdekammer keinen Fehler begangen, indem sie lediglich auf die Autonomie der Gemeinschaftsregelung für Marken verwiesen hat, die von jedem nationalen System unabhängig ist. Daraus folgt, dass auch der dritte Klagegrund zurückzuweisen ist.

48      Nach alledem ist die Klage abzuweisen.

 Kosten

49      Gemäß Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

50      Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des HABM die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Gako Konietzko GmbH trägt die Kosten.

Papasavvas

Forwood

Bieliūnas

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. Juni 2015.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.