Language of document : ECLI:EU:T:2008:203

Rechtssache T‑420/03

El Corte Inglés, SA

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Gemeinschaftsbildmarke BoomerangTV – Als ältere nationale Marken und Gemeinschaftsmarke eingetragene Wort- und Bildzeichen BOOMERANG und Boomerang – Relative Eintragungshindernisse – Keine Verwechslungsgefahr – Keine notorisch bekannte Marke im Sinne von Art. 6bis der Pariser Verbandsübereinkunft – Keine Beeinträchtigung der Wertschätzung – Unterbliebene Vorlage von Nachweisen für das Bestehen bestimmter älterer Marken oder ihrer Übersetzungen bei der Widerspruchsabteilung – Erstmalige Vorlage der Nachweise bei der Beschwerdekammer – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 2 Buchst. c und Abs. 5 und Art. 74 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 – Regeln 16 Abs. 2 und 3, 17 Abs. 2 und 20 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95“

Leitsätze des Urteils

1.      Gemeinschaftsmarke – Beschwerdeverfahren – Beschwerde gegen eine Entscheidung der Widerspruchsabteilung des Amtes – Prüfung durch die Beschwerdekammer

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 74 Abs. 2)

2.      Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragenen identischen oder ähnlichen älteren Marke – Anerkennung der Gültigkeit der Eintragung der älteren Marke durch den Anmelder

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 8)

3.      Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragenen identischen oder ähnlichen älteren Marke – Gefahr der Verwechslung mit der älteren Marke

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 8 Abs. 1 Buchst. b)

1.      Gemäß Art. 74 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke braucht das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten verspätet vorgebracht werden, nicht zu berücksichtigen.

Daraus folgt, dass als allgemeine Regel und vorbehaltlich einer gegenteiligen Vorschrift die Beteiligten Tatsachen und Beweismittel auch dann noch vorbringen können, wenn die für dieses Vorbringen nach den Bestimmungen der Verordnung Nr. 40/94 geltenden Fristen abgelaufen sind, und dass es dem Amt keineswegs untersagt ist, solche verspätet vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen. Jedoch kann ein solches verspätetes Vorbringen von Tatsachen und Beweismitteln dem Beteiligten, von dem es stammt, keinen bedingungslosen Anspruch darauf verleihen, dass diese Tatsachen oder Beweismittel vom Amt berücksichtigt werden. Mit der Klarstellung, dass das Amt in einem solchen Fall die fraglichen Tatsachen und Beweismittel nicht zu berücksichtigen „braucht“, räumt Art. 74 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 dem Amt nämlich ein weites Ermessen ein, um unter entsprechender Begründung seiner Entscheidung darüber zu befinden, ob die Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen sind oder nicht.

Eine Berücksichtigung von verspätet vorgebrachten Tatsachen und Beweismitteln durch das Amt kann, wenn es im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens zu entscheiden hat, insbesondere dann gerechtfertigt sein, wenn es zu der Auffassung gelangt, dass zum einen die verspätet vorgebrachten Gesichtspunkte auf den ersten Blick von wirklicher Relevanz für das Ergebnis des bei ihm eingelegten Widerspruchs sein können und dass zum anderen das Verfahrensstadium, in dem das verspätete Vorbringen erfolgt, und die Umstände, die es begleiten, einer Berücksichtigung nicht entgegenstehen.

Die Anwendung der vorstehend wiedergegebenen Prinzipien ist grundsätzlich nicht nach Maßgabe der Art der in Frage stehenden Tatsachen und Beweismittel zu beschränken, da eine solche Beschränkung in Art. 74 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 nicht vorgesehen ist. Die Art der in Frage stehenden Tatsachen und Beweise ist jedoch ein Gesichtspunkt, der bei der Ausübung des dem Amt in dieser Bestimmung eingeräumten Ermessens zu berücksichtigen sein kann.

(vgl. Randnrn. 40-43)

2.      Art. 8 der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke sieht im Wesentlichen vor, dass der Eintragung einer Gemeinschaftsmarke nur dann ein relatives Eintragungshindernis entgegenstehen kann, wenn die angemeldete Gemeinschaftsmarke mit einer älteren Marke kollidiert. Es ist Sache des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle), auf der Grundlage von Beweisen, die der Widersprechende einzureichen hat, zu überprüfen, ob die Marken, die für den Widerspruch geltend gemacht werden, bestehen. Die Frage, ob eine ältere Marke existiert, ist daher kein Element, das der freien Beurteilung durch die Beteiligten überlassen bleiben könnte. Selbst wenn der Anmelder tatsächlich eingeräumt hat, dass die Eintragung einer älteren Marke oder sogar weiterer älterer Rechte „gültig“ sei, verpflichtet dies deshalb die Widerspruchsabteilung und die Beschwerdekammer nicht dazu, das Bestehen dieser Rechte als erwiesen zu betrachten.

(vgl. Randnr. 77)

3.      Es besteht keine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke zwischen der angemeldeten Gemeinschaftsbildmarke BoomerangTV für „Telekommunikation; Rundfunk- und Fernsehprogrammdienste; Ausstrahlung von Rundfunk- und Fernsehsendungen“ in Klasse 38 sowie „Dienstleistungen der Erziehung, Ausbildung und Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten; Betrieb von Kinos und Aufnahmestudios; Vermietung von Videos; Freizeitveranstaltungen; Installation von Fernseh- und Rundfunkgeräten; Produktion von Filmen“ in Klasse 41 des Nizzaer Abkommens einerseits und den älteren Bildmarken Boomerang, die in Spanien für Waren der Klassen 8, 11, 16, 18, 25 und 28 sowie in Irland und im Vereinigten Königreich für Waren der Klasse 25 eingetragen sind, sowie der angemeldeten Gemeinschaftsbildmarke Boomerang für verschiedene Waren in den Klassen 3, 18 und 25 des Nizzaer Abkommens andererseits.

Die von den älteren Rechten erfassten Waren sind nämlich ihrer Art, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung nach von den Dienstleistungen verschieden, für die die Marke BoomerangTV angemeldet wurde. Diese Waren und Dienstleistungen weisen auch keinen konkurrierenden oder einander ergänzenden Charakter auf. Dass bestimmte der von den älteren Rechten erfassten Waren verwendet werden könnten, um für die in der Anmeldung der Marke BoomerangTV beanspruchten Dienstleistungen zu werben, oder dass der Sportsektor, zu dem bestimmte ältere Rechte möglicherweise gehören, mit dem Bereich von Fernsehproduktionen, zu dem die Anmeldemarke gehört, in Zusammenhang stehen kann, ist nicht geeignet, dieses Ergebnis in Frage zu stellen. Derartige Zusammenhänge sind zu vage und zufällig, um den Schluss zuzulassen, dass die Waren und Dienstleistungen einander ergänzen.

(vgl. Randnrn. 99-100)