Language of document : ECLI:EU:T:2014:1061

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

11. Dezember 2014(1)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Gemeinschaftsbildmarke F1‑LIVE – Ältere Gemeinschaftsbildmarke F1 und nationale und internationale Wortmarken F1 Formula 1 – Relative Eintragungshindernisse – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5 der Verordnung [EG] Nr. 207/2009)“

In der Rechtssache T‑10/09 RENV

Formula One Licensing BV mit Sitz in Rotterdam (Niederlande), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen B. Klingberg und K. Sandberg,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch A. Folliard-Monguiral als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM und Streithelferin im Verfahren vor dem Gericht:

ESPN Sports Media Ltd mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt T. de Haan,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des HABM vom 16. Oktober 2008 (Sache R 7/2008‑1) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der Racing-Live SAS und der Formula One Licensing BV

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten D. Gratsias, der Richterin M. Kancheva und des Richters C. Wetter (Berichterstatter),

Kanzler: C. Heeren, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2014

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 13. April 2004 meldete die Racing-Live SAS nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das folgende Bildzeichen:

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3        Die Marke wurde für folgende Waren und Dienstleistungen in den Klassen 16, 38 und 41 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 16: „Magazine, Broschüren, Bücher; alle Produkte beziehen sich auf die Formel 1“;

–        Klasse 38: „Mitteilungen über und Verbreitung von Büchern, Magazinen und Journalen über Computerterminals; all diese Leistungen beziehen sich auf die Formel 1“;

–        Klasse 41: „Elektronische Veröffentlichung von Büchern, Zeitschriften und Periodika; Informationen im Bereich Unterhaltung; Organisation von Wettbewerben über das Internet; Reservierung von Karten für Veranstaltungen; Online-Spiele; all diese Leistungen beziehen sich auf die Formel 1“.

4        Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 5/2005 vom 31. Januar 2005 veröffentlicht.

5        Am 2. Mai 2005 legte die Klägerin, die Formula One Licensing BV, nach Art. 42 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009) Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke ein, da Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009) bestehe.

6        Der Widerspruch war insbesondere auf folgende ältere Eintragungen gestützt:

–        drei Eintragungen des Wortzeichens F1, nämlich erstens die internationale Eintragung Nr. 732134 vom 20. Dezember 1999 mit Schutzwirkung für Dänemark, Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien und Ungarn u. a. für die von der Anmeldemarke erfassten Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 38 und 41, zweitens die deutsche Eintragung Nr. 30007412 vom 10. Mai 2000 für die „Organisation von Sportveranstaltungen“ der Klasse 41 und drittens die Eintragung im Vereinigten Königreich Nr. 2277746D vom 13. August 2001 für „Papier, Pappe, Karton, Druck-, Mal- und Zeichensets; Kataloge“ der Klasse 16 und „Telekommunikationsdienste; elektronische Übertragung von Daten, Bildern und Ton über Computerterminals und ‑netze“ der Klasse 38;

–        die Eintragung Nr. 631531 vom 19. Mai 2003 der folgenden Gemeinschaftsbildmarke u. a. für die von der Anmeldemarke erfassten Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 38 und 41:

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7        Der Widerspruch, für den alle von den älteren Marken erfassten Waren und Dienstleistungen angeführt wurden, richtete sich gegen alle in der Anmeldung beanspruchten Waren und Dienstleistungen.

8        Die Klägerin machte geltend, alle ihre Marken hätten eine große Kennzeichnungskraft, da sie seit Jahren in Zusammenhang mit verschiedenen Waren und Dienstleistungen benutzt würden.

9        Mit Entscheidung vom 17. Oktober 2007 wies die Widerspruchsabteilung des HABM, die sich dafür allein auf die ältere international registrierte Marke Nr. 732134 stützte, die Gemeinschaftsmarkenanmeldung zurück. Sie stellte fest, dass zwischen den mit den Marken gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen Ähnlichkeit oder Identität und zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen eine mittlere Ähnlichkeit bestehe und dass daher eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 zu bejahen sei.

10      Am 14. Dezember 2007 legte die Global Sports Media Ltd, die an die Stelle der Racing-Live SAS getreten ist, als Inhaberin der angemeldeten Marke nach den Art. 57 bis 62 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009) gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung Beschwerde ein.

11      Mit Entscheidung vom 16. Oktober 2008 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) hob die Erste Beschwerdekammer die Entscheidung der Widerspruchsabteilung auf. Zur Begründung führte sie aus, dass selbst dann, wenn die betreffenden Waren und Dienstleistungen als identisch oder ähnlich anzusehen wären, keine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 zwischen der Anmeldemarke und den Marken der Klägerin bestehe, da die einander gegenüberstehenden Zeichen offenkundige Unterschiede aufwiesen. Die Beschwerdekammer war außerdem der Auffassung, dass die maßgeblichen Verkehrskreise, die sich aus gewöhnlichen Verbrauchern und gewerblichen Verwendern zusammensetzten, die Verbindung des Buchstabens „f“ mit der Ziffer „1“ als Gattungsbegriff für eine Rennwagenkategorie und im weiteren Sinne für Rennen mit diesen Wagen verstünden. Sie befand außerdem, dass sich die Bekanntheit der älteren Marken nur auf den Bestandteil „f1“ der unter der Nr. 631531 eingetragenen Marke beziehe.

12      Zu Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 vertrat die Beschwerdekammer den Standpunkt, dass zwar die ältere Bildmarke ein Image von Spitzentechnologie, Exklusivität und Luxus vermitteln könne, dass dieses Image jedoch ausschließlich über den Bestandteil „f1“ als Logo F1 transportiert werde. Nur wenige Verbraucher sprächen aber der Abkürzung F1 Kennzeichnungskraft zu, es sei denn, sie trete zusammen mit dem erwähnten Logo auf. Hierzu stellte die Beschwerdekammer fest, dass kein Bestandteil der Anmeldemarke dem Publikum dieses Logo in Erinnerung rufe und dass die Anmeldemarke daher nicht von den älteren Marken profitiere, deren Wertschätzung nicht beeinträchtige und es der Anmelderin nicht ermögliche, das positive Image dieser Marken in unlauterer Weise auszunutzen.

 Verfahren vor dem Gericht und dem Gerichtshof

13      Mit Klageschrift, die am 14. Januar 2009 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Klägerin Klage auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung wegen Verstoßes gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94.

14      Die Verfahrensbeteiligten verhandelten in der mündlichen Verhandlung vom 10. Juni 2010 mündlich und beantworteten Fragen des Gerichts.

15      Mit Urteil vom 17. Februar 2011, Formula One Licensing/HABM – Global Sports Media (F1‑LIVE) (T‑10/09, Slg, im Folgenden: Urteil des Gerichts, EU:T:2011:45), wies das Gericht die Klage ab und erlegte der Klägerin die Kosten auf.

16      Das Gericht hat so entschieden, weil es die zwei von der Klägerin geltend gemachten Klagegründe zurückwies.

17      Mit Rechtsmittelschrift, die am 29. April 2011 bei der Kanzlei des Gerichtshofs einging, legte die Klägerin Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts ein und beantragte, dieses Urteil aufzuheben.

18      Mit Urteil vom 24. Mai 2012, Formula One Licensing/HABM (C‑196/11 P, Slg, im Folgenden: Rechtsmittelurteil, EU:C:2012:314), hat der Gerichtshof das Urteil des Gerichts aufgehoben.

19      Der Gerichtshof hat festgestellt, dass das Gericht die Gültigkeit der älteren Marken im Rahmen eines Verfahrens zur Eintragung einer Gemeinschaftsmarke in Frage gestellt und damit gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 verstoßen habe. Unter diesen Umständen habe Formula One Licensing zu Recht vorgetragen, dass das angefochtene Urteil mit einem Rechtsfehler behaftet sei (Rechtsmittelurteil, oben in Rn. 18 angeführt, EU:C:2012:314, Rn. 51 bis 53).

20      Der Gerichtshof hat die Rechtssache an das Gericht zurückverwiesen, damit es die Frage prüft, ob die Anwendung von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 ausgeschlossen werden kann, ohne dass die Kennzeichnungskraft des Bestandteils „f1“ in den älteren Marken verneint wird.

21      Auf das Rechtsmittelurteil hin ist die Rechtssache gemäß Art. 118 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts der Sechsten Kammer zugewiesen worden. Danach ist der Berichterstatter im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts der Achten Kammer zugeteilt worden, der deshalb die vorliegende Rechtssache zugewiesen worden ist.

22      Mit Schreiben vom 11. Juni 2014 hat die ESPN Sports Media Ltd ihren Eintritt in das Verfahren vor dem Gericht als Streithelferin anstelle der Global Sports Media Ltd beantragt, weil die mit der angemeldeten Marke verbundenen Rechte auf sie übertragen worden waren.

23      Mit Schreiben vom 17. Juni 2014 sind die Verfahrensbeteiligten aufgefordert worden, zu dem Antrag der Streithelferin auf Eintritt in das Verfahren Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom 20. Juni 2014 hat das HABM mitgeteilt, dass es keine Einwände gegen den Eintritt der ESPN Sports Media in das vorliegende Verfahren anstelle der Global Sports Media erhebe.

24      Mit Beschluss des Gerichts (Achte Kammer) vom 30. Juni 2014 ist der Eintritt zugelassen worden.

 Anträge der Parteien nach Zurückverweisung

25      Die Parteien sind gemäß Art. 119 Abs. 1 der Verfahrensordnung aufgefordert worden, sich zu äußern. Die Klägerin und das HABM haben fristgerecht am 9. August bzw. am 28. September 2012 Schriftsätze eingereicht. Die Streithelferin hat sich innerhalb der ihr gesetzten Frist nicht geäußert.

26      Die Klägerin beantragt in ihrer Stellungnahme,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem HABM und der Streithelferin die im Verfahren vor dem HABM, dem Gericht und dem Gerichtshof entstandenen Kosten aufzuerlegen.

27      Das HABM beantragt in seiner Stellungnahme,

–        die Klage insgesamt abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

28      Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Klagegründe, mit denen sie einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 und einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 5 dieser Verordnung rügt.

 Erster Klagegrund: Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94

29      Zunächst ist mit der Beschwerdekammer davon auszugehen, dass sich die maßgeblichen Verkehrskreise aus Durchschnittsverbrauchern der Europäischen Union zusammensetzen.

30      Ebenso ist die Beschwerdekammer in den Rn. 25 bis 27 der angefochtenen Entscheidung zutreffend zu dem Schluss gelangt, dass die von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren und Dienstleistungen entweder identisch oder sehr ähnlich sind.

31      Weiter besteht Einigkeit darüber, dass die Verbindung des Buchstabens „f“ und der Ziffer „1“ die Abkürzung des Ausdrucks „Formel 1“ ist, der eine Rennwagenkategorie und im weiteren Sinne Rennen mit diesen Wagen bezeichnet.

32      Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die Gefahr einer Verwechslung der Wortmarke F1 (als internationale Marke in Dänemark, Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien und Ungarn geschützt) mit der angemeldeten Marke F1-LIVE bestehe. Gleiches gelte für die Gemeinschaftsbildmarke und die angemeldete Marke.

33      Wie aus dem Rechtsmittelurteil (oben in Rn. 18 angeführt, EU:C:2012:314, Rn. 47) hervorgeht, muss einer nationalen Marke, auf die ein Widerspruch gegen die Eintragung einer Gemeinschaftsmarke gestützt wird, ein gewisser Grad an Unterscheidungskraft zuerkannt werden, um nicht gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 zu verstoßen.

34      Daher kann nicht anerkannt werden, dass es sich bei dem Zeichen F1 um einen Gattungsbegriff handelt, der beschreibend ist oder keine Unterscheidungskraft hat, ohne die Gültigkeit der älteren Marke im Rahmen eines Verfahrens zur Eintragung einer Gemeinschaftsmarke in Frage zu stellen, was einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 zur Folge hat (Rechtsmittelurteil, oben in Rn. 18 angeführt, EU:C:2012:314, Rn. 51 und 52).

35      Das HABM und folglich das Gericht haben, wenn gegen die Eintragung einer Gemeinschaftsmarke ein auf eine ältere nationale Marke gestützter Widerspruch eingelegt wird, zwar zu prüfen, in welcher Weise die maßgeblichen Verkehrskreise das mit dieser nationalen Marke identische Zeichen in der Anmeldemarke auffassen, und gegebenenfalls den Grad der Unterscheidungskraft dieses Zeichens zu beurteilen (Rechtsmittelurteil, oben in Rn. 18 angeführt, EU:C:2012:314, Rn. 42).

36      Diese Prüfungen dürfen jedoch nicht zur Feststellung fehlender Unterscheidungskraft bei einem Zeichen führen, das mit einer eingetragenen und geschützten nationalen Marke identisch ist, weil eine solche Feststellung weder mit der Koexistenz der Gemeinschaftsmarken und der nationalen Marken noch mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94, ausgelegt in Verbindung mit Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii dieses Artikels, vereinbar wäre (Rechtsmittelurteil, oben in Rn. 18 angeführt, EU:C:2012:314, Rn. 44).

37      Wie sich aus dem Rechtsmittelurteil (oben in Rn. 18 angeführt, EU:C:2012:314, Rn. 45) ergibt, würde diese Feststellung nämlich die nationalen Marken beeinträchtigen, die mit einem Zeichen identisch sind, bei dem von einer fehlenden Unterscheidungskraft ausgegangen wird, weil die Eintragung einer solchen Gemeinschaftsmarke einen Sachverhalt darstellen würde, durch den der nationale Schutz dieser Marken aufgehoben werden könnte. Mit dieser Feststellung würde demnach das durch die Verordnung Nr. 40/94 geschaffene System, das auf der in deren fünftem Erwägungsgrund erwähnten Koexistenz der Gemeinschaftsmarken und der nationalen Marken beruht, nicht beachtet, da die Gültigkeit einer internationalen oder nationalen Marke mit der Begründung fehlender Unterscheidungskraft nur im Rahmen eines im betreffenden Mitgliedstaat nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1) und der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 299, S. 25) angestrengten Nichtigkeitsverfahrens in Frage gestellt werden kann.

38      Auf dieser Grundlage ist festzustellen, dass aus den von den Parteien vor dem HABM vorgelegten schriftlichen Nachweisen hervorgeht, dass der Wortbestandteil „f1“ geringe Kennzeichnungskraft aufweist, da er, wie in Rn. 31 des vorliegenden Urteils ausgeführt, eine übliche Abkürzung des Ausdrucks „Formel 1“ ist. Insoweit ist daran zu erinnern, dass die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen speziell den Bereich der Formel 1 betreffen.

39      Außerdem greift das Vorbringen der Klägerin, der Wortbestandteil „f1“ sei der dominierende Bestandteil der angemeldeten Marke, nicht durch. Die angemeldete Marke ist nämlich relativ komplex, da sie aus zwei Wortbestandteilen – „f1“ und „live“ – besteht, die durch einen Bindestrich getrennt und grafisch originell angeordnet sind, um ein spezielles Logo zu bilden. Deshalb werden sie visuell als ein Ganzes wahrgenommen.

40      Hinsichtlich der behaupteten Bekanntheit ergibt sich aus den Akten, dass die Beschwerdekammer zutreffend festgestellt hat, dass sie allein mit der Logoversion des Wortbestandteils „f1“ verknüpft ist.

41      Es sind daher die einander gegenüberstehenden Zeichen zu vergleichen, d. h. die ältere Wortmarke F1 und die angemeldete Marke sowie gegebenenfalls die ältere Bildmarke F1 Formula 1 und die angemeldete Marke.

42      Vorab sei darauf hingewiesen, dass die Beschwerdekammer in den Rn. 59 ff. der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen eine gewisse Ähnlichkeit aufweisen, da ihnen der Bestandteil „f1“ gemeinsam ist. Sie unterscheiden sich jedoch in visueller Hinsicht, da sie unterschiedlich lang sind und die angemeldete Marke das Wort „live“ und ein Bildelement enthält.

43      In klanglicher Hinsicht ist festzustellen, dass die angemeldete Marke zwei Wörter enthält, die älteren Marken dagegen nur eines. Die Hinzufügung eines weiteren Wortes, das bei der angemeldeten Marke ausgesprochen wird, schwächt in gewisser Weise den gemeinsamen Bestandteil „f1“ ab. Da jedoch beide Zeichen den Bestandteil „f1“ enthalten, der in der angemeldeten Marke als erster ausgesprochen wird, besteht eine gewisse klangliche Ähnlichkeit.

44      In begrifflicher Hinsicht bezeichnet die ältere Marke eine besondere Art von Rennwagen, nämlich Formel-1-Wagen, und kann ebenfalls dahin aufgefasst werden, dass mit ihr implizit auf Formel-1-Rennen Bezug genommen wird. Die Anmeldemarke vermittelt den gleichen Aussagegehalt, ist jedoch infolge der Hinzufügung des Wortes „live“, das an eine Live-Berichterstattung über ein Ereignis oder dessen Live-Übertragung denken lässt, in begrifflicher Hinsicht reichhaltiger als die ältere Marke.

45      Aus alledem ergibt sich, dass sich die einander gegenüberstehenden Marken zwar bildlich, klanglich und begrifflich in einigen Merkmalen unterscheiden, dass insgesamt aber auch eine gewisse Ähnlichkeit besteht, weil die Bildmarke, für die die Eintragung beantragt worden ist, den Wortbestandteil der älteren Marke enthält.

46      Damit bleibt umfassend zu beurteilen, ob die Gefahr einer Verwechslung der einander gegenüberstehenden Marken besteht.

47      Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert eine gewisse Wechselbeziehung der in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (Urteile vom 29. September 1998, Canon, C‑39/97, Slg, EU:C:1998:442, Rn. 17, und vom 14. Dezember 2006, Mast-Jägermeister/HABM – Licorera Zacapaneca [VENADO mit Rahmen u. a.], T‑81/03, T‑82/03 und T‑103/03, Slg, EU:T:2006:397, Rn. 74).

48      Insoweit ist daran zu erinnern, dass der Bestandteil „f1“ in Standardschrift in Bezug auf die erfassten Waren und Dienstleistungen nur eine geringe Kennzeichnungskraft besitzt und dass die etwaige Bekanntheit der in der Union benutzten Gemeinschaftsbildmarke im Wesentlichen mit dem Logo selbst verknüpft ist.

49      Allerdings kann im vorliegenden Fall auch dann Verwechslungsgefahr bestehen, wenn die Kennzeichnungskraft der älteren Marke schwach ist. Denn die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr zwar zu berücksichtigen (vgl. entsprechend Urteil Canon, oben in Rn. 47 angeführt, EU:C:1998:442, Rn. 24), sie ist dabei aber nur einer von mehreren Faktoren. Auch bei einer älteren Marke mit schwacher Kennzeichnungskraft kann daher, insbesondere wegen einer Ähnlichkeit der Zeichen und der betreffenden Waren oder Dienstleistungen, Verwechslungsgefahr bestehen (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2007, Xentral/HABM – Pages jaunes [PAGESJAUNES.COM], T‑134/06, Slg, EU:T:2007:387, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50      Hierzu ist festzustellen, dass die in der Anmeldung beanspruchten und die von den älteren Marken erfassten Waren und Dienstleistungen entweder identisch oder sehr ähnlich sind.

51      Außerdem ist, wie in den Rn. 42 und 45 des vorliegenden Urteils ausgeführt, der Wortbestandteil „f1“ der älteren Marke in der Marke, deren Eintragung beantragt worden ist, wiedergegeben. Auch wenn der Wortbestandteil „f1“ nicht der dominierende Bestandteil des angemeldeten Zeichens ist, bedeutet das nicht, dass er deshalb unerheblich ist. Die beiden anderen Bestandteile der angemeldeten Marke, nämlich der Wortbestandteil „live“ und der Bildbestandteil in Form eines sich von dem dunkelgrauen Hintergrund abhebenden Kreises, könnten dahin aufgefasst werden, dass der erste die Übertragung von Sportereignissen in Echtzeit und der zweite eine Rennstrecke darstellt. Da diese Bestandteile die allgemeine Vorstellung von Motorsportereignissen hervorrufen können, trägt ihre Verbindung mit dem Wortbestandteil „f1“ somit dazu bei, bei den maßgeblichen Verkehrskreisen das durch diesen Wortbestandteil suggerierte Bild von Autorennen der Formel 1 zu verankern.

52      Nach alledem kann insbesondere in Anbetracht dessen, dass die maßgeblichen Verkehrskreise nur ein unvollkommenes Bild der fraglichen Marken im Gedächtnis behalten und deren gemeinsamer Bestandteil „f1“ somit eine gewisse Ähnlichkeit zwischen ihnen begründet, und angesichts der Wechselbeziehung zwischen den verschiedenen zu berücksichtigenden Faktoren, wobei die betreffenden Waren identisch oder sehr ähnlich sind, nicht ausgeschlossen werden, dass für die Verbraucher die Gefahr von Verwechslungen besteht. Mit anderen Worten besteht die Gefahr, dass die Verbraucher die beiden Marken miteinander in Verbindung bringen und die angemeldete Marke wegen der identischen Wiedergabe der älteren Marke F1 als eine Abwandlung dieser Marke auffassen und daher auf ihre betriebliche Herkunft schließen.

53      Folglich ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer zu Unrecht den Schluss gezogen hat, dass keine Gefahr der Verwechslung der angemeldeten Marke mit der älteren Wortmarke bestehe.

54      Nach alledem ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben, ohne dass es erforderlich wäre, die ältere Bildmarke mit der angemeldeten Marke zu vergleichen und den zweiten Klagegrund zu prüfen.

 Kosten

55      In seinem Rechtsmittelurteil hat der Gerichtshof die Kostenentscheidung vorbehalten. Somit hat das Gericht im vorliegenden Urteil gemäß Art. 121 der Verfahrensordnung über die gesamten in den verschiedenen Verfahren angefallenen Kosten zu entscheiden.

56      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

57      Da das HABM und die Streithelferin unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

58      Außerdem hat die Klägerin beantragt, dem HABM und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen, die ihr im Verfahren vor dem HABM entstanden sind. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 136 § 2 der Verfahrensordnung die Aufwendungen der Parteien, die für das Verfahren vor der Beschwerdekammer notwendig waren, als erstattungsfähige Kosten gelten. Dies gilt jedoch nicht in gleicher Weise für die Aufwendungen für das Verfahren vor der Widerspruchsabteilung des HABM (Urteil vom 25. Juni 2010, MIP Metro/HABM – CBT Comunicación Multimedia (Metromeet), T‑407/08, Slg, EU:T:2010:256, Rn. 51). Daher kann dem Antrag der Klägerin, dem HABM und der Streithelferin, die mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, die Kosten, einschließlich der im Rahmen des Verfahrens vor dem HABM entstandenen Kosten, aufzuerlegen, nur hinsichtlich der Aufwendungen der Klägerin stattgegeben werden, die für das Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM notwendig waren.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 16. Oktober 2008 (Sache R 7/2008-1) wird aufgehoben.

2.      Das HABM und die ESPN Sports Media Ltd tragen die Kosten, die der Formula One Licensing BV in den Verfahren vor dem Gericht und dem Gerichtshof und in dem Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM entstanden sind.

Gratsias

Kancheva

Wetter

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 11. Dezember 2014.

Unterschriften


1 Verfahrenssprache: Englisch