Language of document : ECLI:EU:T:2010:153

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

21. April 2010(*)

„Gemeinschaftsmarke – Anmeldung einer Gemeinschaftsmarke, die einen Teil eines Spannfutters mit drei Rillen darstellt – Absolutes Eintragungshindernis – Fehlende Unterscheidungskraft – Fehlen einer durch Benutzung erworbenen Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und Art. 7 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009)“

In der Rechtssache T‑7/09

Schunk GmbH & Co. KG Spann- und Greiftechnik mit Sitz in Lauffen am Neckar (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin C. Koppe-Zagouras,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch A. Pohlmann als Bevollmächtigten,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des HABM vom 31. Oktober 2008 (Sache R 1109/2007‑1) über die Anmeldung eines Zeichens, das einen Teil eines Spannfutters mit drei Rillen darstellt, als Gemeinschaftsmarke

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin M. E. Martins Ribeiro (Berichterstatterin) sowie der Richter S. Papasavvas und A. Dittrich,

Kanzler: K. Andová, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 12. Januar 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 3. April 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

auf die mündliche Verhandlung vom 9. Dezember 2009

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 17. März 2003 meldete die Klägerin, die Schunk GmbH & Co. KG Spann- und Greiftechnik, nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Die angemeldete Marke ist nachstehend wiedergegeben:

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3        Die Klägerin bezeichnete die angemeldete Marke in der Anmeldung als „sonstige“ Marke.

4        Der Markenanmeldung war die folgende Beschreibung beigefügt:

„Bei der vorliegenden Marke handelt es sich um eine sonstige Markenform, in Form einer Aufmachung der beanspruchten Waren. Diese Aufmachung besteht in drei konzentrischen Rillen, die in einem rotationssymmetrischen Abschnitt des Spannfutters konzentrisch zur Rotationsachse des Spannfutters in die Oberfläche eingeformt sind. Sie haben keinerlei technische Funktion“.

5        Die Marke wurde für folgende Waren der Klassen 7 und 8 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 7: „Maschinelle Spannfutter für Werkzeuge für die Werkstückbearbeitung, insbesondere Spannfutter für Werkzeugmaschinen, Dehnspannfutter“;

–        Klasse 8: „Manuelle Spannfutter für Werkzeuge für die Werkstückbearbeitung, insbesondere Spannfutter für Werkzeugmaschinen, Dehnspannfutter“.

6        Mit Entscheidung vom 23. Mai 2007 wies der Prüfer die Anmeldung mit der Begründung zurück, zum einen fehle es der angemeldeten Marke an Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009) und zum anderen habe diese Marke keine Unterscheidungskraft infolge einer Benutzung im Sinne von Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009) erworben, da das von der Klägerin hierfür vorgelegte Beweismaterial nicht ausreichend sei.

7        Am 16. Juli 2007 legte die Klägerin gegen die Entscheidung des Prüfers beim HABM Beschwerde ein.

8        Mit Entscheidung vom 31. Oktober 2008 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Erste Beschwerdekammer des HABM diese Beschwerde zurück. Die Beschwerdekammer führte im Wesentlichen aus, dass die angemeldete Marke aus der Abbildung eines zylinderförmigen Spannfutters bestehe, das drei parallel verlaufende ringförmige eingefräste Rillen enthalte. Sie stellte fest, dass das Versehen von Spannfuttern mit Rillen üblich sei und Rillen Ausschmückungen einer der vielen möglichen Gestaltungen der fraglichen Waren seien, so dass die Anzahl der eingefrästen Rillen es dem Abnehmer dieser Waren nicht erlaube, diese von Waren anderer Unternehmen zu unterscheiden. Folglich würden die maßgeblichen Verkehrskreise, bei denen es sich um ein hochspezialisiertes Fachpublikum mit erheblichem Sachverstand handele, Spannfutter nicht aufgrund ihrer Form identifizieren, sondern aufgrund von Handelsnamen und Wortmarken, die den maßgeblichen Verkehrskreisen genaue, nachvollziehbare Auskünfte über die Herkunft der Waren gäben. Aus Mangel an Beweisen habe die angemeldete Marke auch nicht nach Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 eingetragen werden können.

 Anträge der Parteien

9        Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

10      Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

11      Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Gründe, einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 und einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 3 dieser Verordnung.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94

12      Die Klägerin wirft der Beschwerdekammer vor, verkannt zu haben, dass es sich bei der angemeldeten Marke – wie sich aus den Erläuterungen in der Anmeldung ergebe – um eine „sonstige“ Marke handele, sowie in den Rillen dekorative Elemente und keinen Herkunftshinweis gesehen zu haben.

13      Das HABM beantragt die Zurückweisung des Klagegrundes.

14      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 Marken von der Eintragung ausgeschlossen sind, „die keine Unterscheidungskraft haben“.

15      Die Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 besagt, dass die Marke geeignet ist, die Ware, für die sie angemeldet worden ist, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (Urteil des Gerichtshofs vom 29. April 2004, Henkel/HABM, C‑456/01 P und C‑457/01 P, Slg. 2004, I‑5089, Randnr. 34; vgl. ebenso Urteil des Gerichts vom 10. Oktober 2007, Bang & Olufsen/HABM [Form eines Lautsprechers], T‑460/05, Slg. 2007, II‑4207, Randnr. 27).

16      Die Unterscheidungskraft einer Marke ist zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen, die sich aus den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern dieser Waren oder Dienstleistungen zusammensetzen (Urteile des Gerichtshofs Henkel/HABM, oben in Randnr. 15 angeführt, Randnr. 35, und vom 22. Juni 2006, Storck/HABM, C‑25/05 P, Slg. 2006, I‑5719, Randnr. 25; vgl. auch Urteil Form eines Lautsprechers, oben in Randnr. 15 angeführt, Randnr. 28).

17      Nach ständiger Rechtsprechung sind die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Marken, die aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst bestehen, keine anderen als für die übrigen Markenkategorien (vgl. Urteil Storck/HABM, oben in Randnr. 16 angeführt, Randnr. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. auch Urteil Form eines Lautsprechers, oben in Randnr. 15 angeführt, Randnr. 36).

18      Jedoch wird im Rahmen der Anwendung dieser Kriterien eine dreidimensionale Marke, die aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst besteht, von den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen wie eine Wort- oder Bildmarke, die aus einem Zeichen besteht, das vom Erscheinungsbild der mit der Marke bezeichneten Waren unabhängig ist. Denn wenn grafische oder Wortelemente fehlen, schließen die Durchschnittsverbraucher aus der Form der Waren oder ihrer Verpackung gewöhnlich nicht auf die Herkunft dieser Waren, und es kann schwieriger sein, die Unterscheidungskraft einer solchen dreidimensionalen Marke nachzuweisen als die einer Wort- oder Bildmarke (vgl. Urteil Storck/HABM, oben in Randnr. 16 angeführt, Randnr. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. auch Urteil Form eines Lautsprechers, oben in Randnr. 15 angeführt, Randnr. 37).

19      Nach der Rechtsprechung gilt zudem, dass, je mehr sich die angemeldete Form der Form annähert, in der die betreffende Ware am wahrscheinlichsten in Erscheinung tritt, umso eher zu erwarten ist, dass dieser Form die Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 fehlt. Unter diesen Umständen besitzt nur eine Marke, die erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht und deshalb ihre wesentliche herkunftskennzeichnende Funktion erfüllen kann, auch Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 (Urteil Henkel/HABM, oben in Randnr. 15 angeführt, Randnr. 39; Urteile des Gerichts vom 10. September 2008, Gerson/HABM [Teilweise gelber Farbfilter], T‑201/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 22, und vom 14. September 2009, Lange Uhren/HABM [Geometrische Felder auf dem Ziffernblatt einer Uhr], T‑152/07, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 69).

20      Diese Rechtsprechung, die für dreidimensionale, aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst bestehende Marken entwickelt wurde, ist ebenfalls einschlägig, wenn die angemeldete Marke eine Bildmarke ist, die aus der zweidimensionalen Darstellung der Ware besteht. Denn auch in einem solchen Fall besteht die Marke nicht aus einem Zeichen, das vom Erscheinungsbild der mit ihr gekennzeichneten Waren unabhängig ist (Urteil Storck/HABM, oben in Randnr. 16 angeführt, Randnr. 29, und Urteil Geometrische Felder auf dem Ziffernblatt einer Uhr, oben in Randnr. 19 angeführt, Randnr. 70).

21      Das Vorbringen der Klägerin ist im Licht dieser Erwägungen zu prüfen.

22      Erstens ist darauf hinzuweisen, dass sich die Parteien im vorliegenden Fall nicht gegen die Beurteilung der Beschwerdekammer in Randnr. 11 der angefochtenen Entscheidung wenden, wonach die von der angemeldeten Marke erfassten Waren für ein hochspezialisiertes Fachpublikum mit erheblichem Sachverstand bestimmt seien. Die Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke ist daher unter Berücksichtigung der mutmaßlichen Wahrnehmung eines solchen fachmännischen Verbrauchers zu beurteilen.

23      Zweitens ist zur Natur der von der Klägerin als „sonstige“ Marke angemeldeten Marke festzustellen, dass diese Marke eine zweidimensionale, perspektivische Darstellung eines Teils eines Spannfutters ist, in dessen Oberfläche drei Rillen eingefräst sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Storck/HABM, oben in Randnr. 16 angeführt, Randnrn. 5 und 29). Zwar hat die Beschwerdekammer in Randnr. 12 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, das angemeldete Zeichen bestehe „aus einem zylinderförmigen Spannfutter, welches drei parallel verlaufende ringförmige eingefräste Rillen“ enthalte, doch erwähnt sie in Randnr. 14 der angefochtenen Entscheidung, dass das angemeldete Zeichen eine „Darstellung“ sei, und bestätigt die in Randnr. 3 der angefochtenen Entscheidung wiedergegebene Feststellung des Prüfers, dass das „von der Anmeldung erfasste Zeichen … die Abbildung eines zylinderförmigen Abschnitts eines Spannfutters [sei], das drei parallel verlaufende ringförmige eingefräste Rillen“ enthalte.

24      Damit handelt es sich im Wesentlichen um die Darstellung eines Teils eines Spannfutters, das drei Rillen aufweist, so dass die Beschwerdekammer zu Recht die Rechtsprechung zu dreidimensionalen Marken herangezogen hat, die nach der vorstehend in Randnr. 20 angeführten Rechtsprechung auf Marken anwendbar ist, die – wie die in der vorliegenden Rechtssache fragliche – Marke aus der zweidimensionalen Darstellung der Ware bestehen.

25      Sollte die Klägerin den Schutz der Beschreibung begehren, die vorstehend in Randnr. 4 wiedergegeben worden ist, ist darauf hinzuweisen, dass die Anmeldung der Marke nicht allgemein oder abstrakt gehalten sein darf, wenn diese eine Marke im Sinne von Art. 4 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009) sein soll, in dem es heißt, dass Gemeinschaftsmarken alle Zeichen sein können, die sich graphisch darstellen lassen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 12. Dezember 2002, Sieckmann, C‑273/00, Slg. 2002, I‑11737, Randnr. 39, und vom 25. Januar 2007, Dyson, C‑321/03, Slg. 2007, I‑687, Randnrn. 27 und 28). Im Übrigen verhält es sich jedenfalls so, dass die Aufmachungsform, deren Eintragung die Klägerin beantragt, ein Spannfutter betrifft, bei dem es sich genau um die Ware handelt, für die die Marke angemeldet wurde, und sie fester Bestandteil der Form und der bildlichen Darstellung dieser Ware ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Geometrische Felder auf dem Ziffernblatt einer Uhr, oben in Randnr. 19 angeführt, Randnr. 76).

26      Drittens ist zu untersuchen, ob die angemeldete Form wegen der vorhandenen drei konzentrischen Rillen so erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht, dass es dem Verbraucher möglich ist, ein der angemeldeten Aufmachungsform entsprechendes Spannfutter als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu erkennen und es somit von den Spannfuttern anderer Unternehmen zu unterscheiden.

27      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer in Randnr. 12 der angefochtenen Entscheidung die Auffassung vertreten, dass das Versehen von Spannfuttern mit einer oder mehreren eingefrästen Rillen branchenüblich sei. Die Klägerin hat diese Aussage nicht in Zweifel gezogen.

28      Die Klägerin wiederholt vor dem Gericht unter Berufung auf die von ihr vor dem HABM vorgelegten Unterlagen, dass die verschiedenen Hersteller ihre Spannfutter mit Rillen kennzeichneten, die sich je nach Hersteller insbesondere hinsichtlich des Abstands, der Größe und der Anzahl unterschieden. Die Kennzeichnung der Spannfutter, die keinen technischen oder ästhetischen Nutzen habe, werde von den entsprechenden Fachkreisen auch als Herkunftsnachweis erkannt.

29      Hierzu ist zum einen festzustellen, dass die Merkmale, die die Klägerin für ihr Vorbringen anführt, die angemeldete Marke sei von Haus aus geeignet, ihre Waren von denen ihrer Wettbewerber zu unterscheiden, als bloße gewöhnliche Varianten der Rillen auf Spannfuttern und nicht als Merkmale erscheinen, die geeignet sind, die betreffenden Waren zu individualisieren und von sich aus auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen. Die Beispiele für ähnliche Rillenanordnungen, auf die sich die Klägerin beruft, unterscheiden sich nicht erheblich von den Rillenmotiven auf den Spannfuttern der angemeldeten Marke, so dass diese verschiedenen Rillenanordnungen vielmehr übliche Gestaltungsmerkmale von Spannfuttern sind.

30      Zum anderen ist hinsichtlich des Arguments der Klägerin, dass es üblich sei, Rillen oder Spiralen in Spannfutter einzufräsen, allein um deren Herkunft zu kennzeichnen und sie so von den Spannfuttern der Wettbewerber zu unterscheiden, und dass die maßgeblichen Verkehrskreise diese Rillen als Herkunftshinweis wahrnähmen, daran zu erinnern, dass es, wenn sich ein Kläger auf die Unterscheidungskraft einer angemeldeten Marke beruft, seine Sache ist, durch konkrete und fundierte Angaben darzulegen, dass die angemeldete Marke originäre Unterscheidungskraft besitzt (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 5. März 2003, Unilever/HABM [Ovoide Tablette], T‑194/01, Slg. 2003, II‑383, Randnr. 48, und vom 15. März 2006, Develey/HABM [Form einer Kunststoffflasche], T‑129/04, Slg. 2006, II‑811, Randnr. 21, im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch Urteil des Gerichtshofs vom 25. Oktober 2007, Develey/HABM, C‑238/06 P, Slg. 2007, I‑9375, Randnr. 50).

31      Im vorliegenden Fall hat die Klägerin aber vor der Beschwerdekammer keinen Beweis für das Bestehen einer Verkehrsübung erbracht, nach der Rillenmotive in Spannfutter eingefräst werden, um deren Herkunft zu kennzeichnen, und auch nicht nachgewiesen, dass die Verkehrskreise diese Rillenmotive mit einem Herkunftshinweis verbinden. Daher durfte die Beschwerdekammer allein anhand der ihr vorgelegten Beweise den Schluss ziehen, dass die Rillen auf den Spannfuttern nur Dekorationselemente seien, ohne als Hinweis auf die Herkunft der Ware zu fungieren.

32      Die Möglichkeit, dass sich der Durchschnittsverbraucher daran gewöhnt hat, die Waren der Klägerin allein aufgrund der Rillenmotive wiederzuerkennen, vermag zudem im vorliegenden Fall die Anwendung des absoluten Eintragungshindernisses des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 nicht auszuschließen. Eine solche Wahrnehmung der angemeldeten Marke wäre nur im Rahmen von Art. 7 Abs. 3 dieser Verordnung zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 7. Februar 2002, Mag Instrument/HABM [Form von Taschenlampen], T‑88/00, Slg. 2002, II‑467, Randnr. 39, im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch Urteil des Gerichtshofs vom 7. Oktober 2004, Mag Instrument/HABM, C‑136/02 P, Slg. 2004, I‑9165). Das Vorbringen der Klägerin, dass sie in ihren Werbematerialien die Kennzeichnung ihrer Waren durch die drei Rillen besonders hervorhebe, ist im Rahmen von Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 zu berücksichtigen, da der Erwerb der Unterscheidungskraft gegebenenfalls insbesondere aus dem Werbeaufwand resultierte und diese nicht von Haus aus bestünde.

33      Daher hat die Beschwerdekammer in Randnr. 12 der angefochtenen Entscheidung zu Recht festgestellt, dass es branchenüblich sei, Spannfutter mit einer oder mehreren Rillen zu versehen, so dass die angemeldete Form nicht von der Branchenüblichkeit abweiche und dem Verbraucher nicht erlaube, diese Form als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu erkennen.

34      Viertens ist hinsichtlich des Vorbringens, das HABM habe eine sehr ähnliche Marke eingetragen, lediglich darauf hinzuweisen, dass die von den Beschwerdekammern gemäß der Verordnung Nr. 40/94 zu treffenden Entscheidungen über die Eintragung eines Zeichens als Gemeinschaftsmarke keine Ermessensentscheidungen, sondern gebundene Entscheidungen sind. Die Frage, ob ein Zeichen als Gemeinschaftsmarke eingetragen werden kann, ist daher ausschließlich auf der Grundlage dieser Verordnung in der Auslegung durch den Gemeinschaftsrichter zu beantworten und nicht auf der Grundlage einer früheren Entscheidungspraxis der Beschwerdekammern (Urteil des Gerichtshofs vom 12. Januar 2006, Deutsche SiSi-Werke/HABM, C‑173/04 P, Slg. 2006, I‑551, Randnr. 48; Urteile des Gerichts vom 9. Oktober 2002, Glaverbel/HABM [Oberfläche einer Glasplatte], T‑36/01, Slg. 2002, II‑3887, Randnr. 35, und vom 12. Juni 2007, MacLean-Fogg/HABM [LOKTHREAD], T‑339/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 56).

35      Folglich ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94

36      Die Klägerin trägt vor, die angemeldete Marke habe infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt. Die beim HABM eingereichten Unterlagen erbrächten den Nachweis der von der Marke in Deutschland und in anderen Staaten erworbenen Bekanntheit. Die Klägerin bietet dem Gericht hierfür Zeugenbeweis an.

37      Das HABM beantragt die Zurückweisung des vorliegenden Klagegrundes.

38      Nach Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 stehen die absoluten Eintragungshindernisse des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b bis d der Verordnung (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b bis d der Verordnung Nr. 207/2009) der Eintragung einer Marke nicht entgegen, wenn diese für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hat. Die Tatsache, dass das Zeichen, das die betreffende Marke bildet, von den maßgeblichen Verkehrskreisen tatsächlich als Angabe der betrieblichen Herkunft einer Ware oder einer Dienstleistung wahrgenommen wird, ist nämlich im Fall des Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 das Ergebnis einer wirtschaftlichen Anstrengung des Anmelders der Marke. Dieser Umstand erlaubt es, die Erwägungen des Allgemeininteresses hintanzustellen, die Art. 7 Abs. 1 Buchst. b bis d der Verordnung zugrunde liegen und die verlangen, dass die von diesen Bestimmungen erfassten Zeichen von allen frei verwendet werden können, um einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil für einen einzelnen Wirtschaftsteilnehmer zu vermeiden (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 19. November 2008, Rautaruukki/HABM [RAUTARUUKKI], T‑269/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39      Der Rechtsprechung ist erstens zu entnehmen, dass der Erwerb von Unterscheidungskraft durch Benutzung der Marke es erfordert, dass zumindest ein erheblicher Teil der maßgeblichen Verkehrskreise die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aufgrund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennt. Jedoch können die Umstände, unter denen die Voraussetzung des Erwerbs von Unterscheidungskraft durch Benutzung als erfüllt anzusehen ist, nicht nur anhand von generellen und abstrakten Angaben, wie z. B. bestimmten Prozentsätzen, festgestellt werden (vgl. Urteil RAUTARUUKKI, oben in Randnr. 38 angeführt, Randnr. 44 und die dort zitierte Rechtsprechung).

40      Zweitens muss für die Zulassung einer Marke zur Eintragung nach Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 die durch ihre Benutzung erlangte Unterscheidungskraft in dem Teil der Europäischen Gemeinschaft nachgewiesen werden, in dem die Marke nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b bis d der Verordnung nicht unterscheidungskräftig wäre (vgl. Urteil RAUTARUUKKI, oben in Randnr. 38 angeführt, Randnr. 45 und die dort zitierte Rechtsprechung). Ferner muss die Unterscheidungskraft durch Benutzung vor dem Anmeldetag erworben worden sein (vgl. Urteil Geometrische Felder auf dem Ziffernblatt einer Uhr, oben in Randnr. 19 angeführt, Randnr. 128 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Drittens sind für die Beurteilung, ob eine Marke im Einzelfall Unterscheidungskraft durch Benutzung erworben hat, Gesichtspunkte wie der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, die geografische Verbreitung und die Dauer ihrer Benutzung, der Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke, der Anteil der beteiligten Verkehrskreise, der die Ware aufgrund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennt, sowie Erklärungen von Industrie- und Handelskammern oder anderen Berufsverbänden zu berücksichtigen. Ist anhand dieser Gesichtspunkte festzustellen, dass die beteiligten Verkehrskreise oder zumindest ein erheblicher Teil von ihnen die Ware aufgrund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen, so ist daraus der Schluss zu ziehen, dass die Voraussetzung, die Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 für die Eintragung der Marke aufstellt, erfüllt ist (vgl. Urteil RAUTARUUKKI, oben in Randnr. 38 angeführt, Randnr. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Viertens ist die Unterscheidungskraft einer Marke einschließlich der durch Benutzung erworbenen Unterscheidungskraft nach der Rechtsprechung in Bezug auf die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke angemeldet worden ist, sowie im Hinblick auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der betreffenden Kategorie von Waren oder Dienstleistungen zu beurteilen (vgl. Urteil RAUTARUUKKI, oben in Randnr. 38 angeführt, Randnr. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43      Im Licht dieser Überlegungen ist zu prüfen, ob der Beschwerdekammer in der vorliegenden Rechtssache ein Fehler unterlaufen ist, soweit sie die Auffassung vertreten hat, dass das angemeldete Zeichen keine durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 habe.

44      Hierzu ist festzustellen, dass die Klägerin ihre Stellung als Marktführerin auf dem Gebiet der Spannfutter in Deutschland, Österreich, Frankreich, Schweden, Italien und den Benelux-Ländern geltend macht, ohne die Richtigkeit ihres Vorbringens in irgendeiner Weise nachzuweisen. So hat die Klägerin nur Auszüge aus den von ihr oder ihren Wettbewerbern verteilten Katalogen vorgelegt, die für die Ermittlung des von der Marke gehaltenen Marktanteils, der Intensität, der geografischen Verbreitung und der Dauer ihrer Benutzung, des Werbeaufwands des Unternehmens für die Marke und des Anteils der beteiligten Verkehrskreise, der die Ware aufgrund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennt, völlig unzureichend sind.

45      Nach ständiger Rechtsprechung ist es aber Sache der Klägerin, wenn sie sich auf die Unterscheidungskraft einer angemeldeten Marke beruft, durch konkrete und fundierte Angaben darzulegen, dass die angemeldete Marke Unterscheidungskraft durch Benutzung erworben hat (vgl. in diesem Sinne Urteile Ovoide Tablette, oben in Randnr. 30 angeführt, Randnr. 48, und Form einer Kunststoffflasche, oben in Randnr. 30 angeführt, Randnr. 21, im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch Urteil Develey/HABM, oben in Randnr. 30 angeführt, Randnr. 50).

46      Bezüglich des heranzuziehenden Gebiets ergibt sich ferner aus der Rechtsprechung, dass grundsätzlich auf das gesamte Gebiet der Gemeinschaft in ihrer bei Eingang der Anmeldung im Jahr 2003 bestehenden Zusammensetzung aus 15 Mitgliedstaaten abzustellen ist, da die durch Benutzung der Marke erworbene Unterscheidungskraft in dem wesentlichen Teil der Gemeinschaft, in dem die Marke gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b bis d der Verordnung Nr. 40/94 nicht unterscheidungskräftig wäre, nachzuweisen ist und das absolute Eintragungshindernis für die Marke in der gesamten Gemeinschaft besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil Geometrische Felder auf dem Ziffernblatt einer Uhr, oben in Randnr. 19 angeführt, Randnr. 133).

47      Das Belegmaterial, das die Klägerin für die Anwendung von Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 bei der Beschwerdekammer eingereicht hat, umfasst jedoch nur acht Mitgliedstaaten.

48      Was das Angebot des Zeugenbeweises seitens der Klägerin angeht, so ist es zurückzuweisen. Da es nicht Aufgabe des Gerichts ist, die tatsächlichen Umstände im Licht der erstmals vor ihm vorgelegten Beweise zu überprüfen, sind nämlich erstmals vor dem Gericht geltend gemachte Tatsachen unberücksichtigt zu lassen, wenn sie nicht vorher vor dem HABM geltend gemacht wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 5. März 2003, Alcon/HABM – Dr. Robert Winzer Pharma [BSS], T‑237/01, Slg. 2003, II‑411, Randnrn. 61 und 62, im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch Beschluss des Gerichtshofs vom 5. Oktober 2004, Alcon/HABM, C‑192/03 P, Slg. 2004, I‑8993).

49      Unter diesen Umständen ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen und damit die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

 Kosten

50      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des HABM dessen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Schunk GmbH & Co. KG Spann- und Greiftechnik trägt die Kosten.

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 21. April 2010.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.