Language of document : ECLI:EU:T:2021:104

URTEIL DES GERICHTS (Zehnte erweiterte Kammer)

24. Februar 2021(*)(1)

„Schiedsklausel – Tempus‑IV-Programme – Finanzhilfevereinbarungen – Vertragliche Natur des Rechtsstreits – Umdeutung der Klage – Förderfähige Kosten – Systembedingte, immer wiederkehrende Unregelmäßigkeiten – Vollständige Erstattung der gezahlten Beträge – Verhältnismäßigkeit – Anspruch auf rechtliches Gehör – Begründungspflicht – Art. 41 der Charta der Grundrechte“

In der Rechtssache T‑108/18,

Universität Koblenz-Landau mit Sitz in Mainz (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt C. von der Lühe und Rechtsanwältin I. Felder,

Klägerin,

gegen

Exekutivagentur Bildung, Audiovisuelles und Kultur (EACEA), vertreten durch H. Monet als Bevollmächtigten im Beistand der Rechtsanwälte R. van der Hout und C. Wagner,

Beklagte,

betreffend einen Antrag nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung der Schreiben der EACEA vom 21. Dezember 2017 und vom 7. Februar 2018 bezüglich der Beträge, die an die Klägerin im Rahmen der für die Durchführung von drei Projekten im Bereich der Hochschulbildung geschlossenen Finanzhilfevereinbarungen gezahlt wurden, und hilfsweise einen Antrag nach Art. 272 AEUV auf Feststellung, dass der geltend gemachte Rückforderungsanspruch nicht bestehe,

erlässt

DAS GERICHT (Zehnte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Papasavvas, der Richter A. Kornezov (Berichterstatter) und E. Buttigieg, der Richterin K. Kowalik-Bańczyk und des Richters G. Hesse,

Kanzler: L. Ramette, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. September 2020

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Klägerin, die Universität Koblenz-Landau, ist eine deutsche öffentlich-rechtliche Hochschule.

2        In den Jahren 2008 und 2010 unterzeichnete die Klägerin im Rahmen der Programme der Europäischen Union zur Kooperation mit Drittstaaten für die Modernisierung von deren Hochschulbildung, genannt Tempus IV, die drei folgenden Finanzhilfevereinbarungen:

–        die Finanzhilfevereinbarung Nr. 2008‑4744 vom 5. Dezember 2008 für die Durchführung des Projekts „Educational Centers Network on Modern Technologies of Local Governing“ (Netzwerk von Bildungszentren für moderne Technologien lokaler Verwaltung) (im Folgenden: Ecesis-Vereinbarung), die von der Klägerin als einziger Begünstigter und der Europäischen Kommission unterzeichnet wurde;

–        die Finanzhilfevereinbarung Nr. 2010‑2844 vom 18. Oktober 2010 für die Durchführung des Projekts „Development and Integration of University Self-assessment Systems“ (Entwicklung und Integration von Selbstbeurteilungssystemen für Universitäten) (im Folgenden: Diusas-Vereinbarung), die u. a. von der Klägerin als Koordinatorin und Mitbegünstigter sowie von der Exekutivagentur Bildung, Audiovisuelles und Kultur (EACEA) unterzeichnet wurde;

–        die Finanzhilfevereinbarung Nr. 2010‑2862 vom 30. September 2010 für die Durchführung des Projekts „Development of Quality Assurance System in Turkmenistan on the basis of Bologna Standards“ (Entwicklung eines Qualitätssicherungssystems in Turkmenistan auf der Grundlage der Kriterien des Bologna-Prozesses) (im Folgenden: Deque-Vereinbarung), die u. a. von der Klägerin als Koordinatorin und Mitbegünstigter sowie von der EACEA unterzeichnet wurde.

3        Nach Art. I.8 Abs. 1 der Ecesis-Vereinbarung unterliegt die Gewährung der davon erfassten Finanzhilfe in erster Linie den Bestimmungen dieser Vereinbarung und den anwendbaren Vorschriften des Unionsrecht sowie, hilfsweise, den belgischen Rechtsvorschriften über die Gewährung von Finanzhilfen. Die Diusas- und die Deque-Vereinbarung unterliegen, wie jeweils aus ihrem Art. I.9 hervorgeht, den vertraglichen Bestimmungen und den anwendbaren Vorschriften des Unionsrechts.

4        Art. I.8 Abs. 2 der Ecesis-Vereinbarung sowie Art. I.9 der Diusas- und der Deque-Vereinbarung (im Folgenden zusammen: streitige Vereinbarungen) bestimmen, dass Entscheidungen der EACEA über die Anwendung der Klauseln der betreffenden Finanzhilfevereinbarung sowie die Modalitäten ihrer Durchführung Gegenstand einer Klage der Begünstigten vor den Unionsgerichten sein können.

5        In Anwendung der streitigen Vereinbarungen zahlte die EACEA an die Klägerin Fördermittel in Höhe von 756 381,89 Euro im Rahmen der Ecesis-Vereinbarung, 736 493,52 Euro im Rahmen der Diusas-Vereinbarung und 345 500,10 Euro im Rahmen der Deque-Vereinbarung.

6        Im Jahr 2014 beauftragte die EACEA eine spezialisierte Gesellschaft damit, bei der Klägerin ein Audit durchzuführen, um zu überprüfen, ob die von der Klägerin deklarierten Kosten den Bestimmungen der streitigen Vereinbarungen entsprachen.

7        Am 22. April 2016 übermittelten die Prüfer der Klägerin den Entwurf des Prüfberichts vom 16. November 2015 (im Folgenden: Entwurf des Prüfberichts). Die Untersuchung der Prüfer beruhte auf den von der Klägerin vorgelegten Informationen sowie auf Informationen, die sie bei Nachprüfungen in den Räumlichkeiten der Klägerin, die zwischen dem 10. und dem 14. November 2014 stattfanden, gesammelt hatten. Die Prüfer führten außerdem zwischen dem 1. und dem 7. Juni 2015 einen Besuch vor Ort in den Räumlichkeiten bestimmter Mitbegünstigter im Rahmen der Deque-Vereinbarung in Aschgabat (Turkmenistan) durch. Auf der Grundlage einer Prüfung, die laut dem Prüfbericht 90,93 % der im Rahmen des Projekts bezüglich der Ecesis-Vereinbarung geltend gemachten Kosten, 90,05 % der im Rahmen des Projekts bezüglich der Diusas-Vereinbarung geltend gemachten Kosten und 93,42 % der im Rahmen des Projekts bezüglich der Deque-Vereinbarung geltend gemachten Kosten umfasste, stellten die Prüfer mehrere möglicherweise systembedingte Unregelmäßigkeiten in Bezug auf die durch die erhaltenen Zuschüsse finanzierten Ausgaben fest.

8        Am 23. Mai 2016 hielten die EACEA und die Klägerin in Brüssel (Belgien) eine Besprechung zu den im Entwurf des Prüfberichts enthaltenen Feststellungen ab. Mit E‑Mail vom 29. Juli 2016 übermittelte die Klägerin der EACEA ihre Stellungnahme zum Protokoll dieser Besprechung.

9        Mit Schreiben vom 30. August 2016 teilte das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) der Klägerin mit, dass es ebenfalls eine Untersuchung eingeleitet habe, die u. a. die Ausgaben in Bezug auf die streitigen Vereinbarungen und den Verdacht eines diesbezüglichen Betrugs betreffe.

10      Mit Schreiben vom 29. September 2016, von dem auch eine Kopie an das OLAF ging, übermittelte die Klägerin der EACEA ihre Stellungnahme zum Entwurf des Prüfberichts.

11      Mit Schreiben vom 11. November 2016 übermittelte die Klägerin dem OLAF ihre Stellungnahme zu dessen Schreiben vom 30. August 2016.

12      Mit Schreiben vom 4. Juli 2017 forderte die EACEA die Klägerin auf, ihr innerhalb einer bestimmten Frist und anhand einer Tabelle Angaben zu den Beträgen zu übermitteln, die sie aufgrund der Diusas- und der Deque-Vereinbarung erhalten und anschließend an die Mitbegünstigten der diese Vereinbarungen betreffenden Projekte gezahlt habe.

13      Mit Schreiben vom 26. Juli 2017 übermittelte die EACEA der Klägerin den endgültigen Prüfbericht vom 16. Dezember 2016 (im Folgenden: endgültiger Prüfbericht), der die im Entwurf des Prüfberichts festgestellten Unregelmäßigkeiten bei der Durchführung der streitigen Vereinbarungen bestätigte, und fügte ihrem Schreiben auch den Abschlussbericht des OLAF vom 21. November 2016 bei (im Folgenden: Abschlussbericht des OLAF).

14      Die Prüfer empfahlen die Rückforderung von 754 670,95 Euro von dem aufgrund der streitigen Vereinbarungen gezahlten Gesamtbetrag von 2 123 470,12 Euro, nämlich 389 123,88 Euro im Rahmen der Ecesis-Vereinbarung, 302 179,34 Euro im Rahmen der Diusas-Vereinbarung und 63 367,73 Euro im Rahmen der Deque-Vereinbarung. Sie wiesen jedoch in Nr. I.2.1 des endgültigen Prüfberichts darauf hin, dass der Betrag der erforderlichen Berichtigungen so hoch sei, dass sie nicht zu dem Schluss gelangen könnten, dass die geltend gemachten Kosten die förderfähigen Ausgaben korrekt widerspiegelten oder dass diese Kosten dem Begünstigten im Einklang mit den Vertragsbestimmungen entstanden seien. In Nr. I.2.2 des Berichts empfahlen sie, dass die EACEA insoweit unverzüglich eine zusätzliche Untersuchung bei der Klägerin und ihren Mitbegünstigten durchführen sollte.

15      Im Abschlussbericht des OLAF wurde ausgeführt, es bestehe der Verdacht des Betrugs bei der Durchführung der streitigen Vereinbarungen, da die Glaubhaftigkeit zahlreicher von verschiedenen Lieferanten ausgestellter Rechnungen zweifelhaft erscheine und fraglich sei, ob die Lieferanten tatsächlich für einen Betrag von 374 031,31 Euro geschäftlich tätig gewesen seien. Zu den Unregelmäßigkeiten in Bezug auf die Beträge, die unmittelbar auf den Privatkonten der beiden bei der Klägerin beschäftigten natürlichen Personen eingegangen seien, die Projektmanager der streitigen Vereinbarungen gewesen seien und diese Beträge in der Folgezeit angeblich in bar gezahlt hätten, sei darauf hinzuweisen, dass das OLAF nicht habe überprüfen können, ob die fraglichen Beträge an das betroffene Personal gezahlt worden seien, da solche Überprüfungen „eine gerichtliche Genehmigung erforderten“.

16      Mit Schreiben vom 26. Juli 2017 teilte die EACEA der Klägerin außerdem mit, dass sie wegen der Schwere der im endgültigen Prüfbericht und im Abschlussbericht des OLAF festgestellten Unregelmäßigkeiten sowie wegen deren systembedingten, immer wiederkehrenden Charakters beabsichtige, sämtliche der Klägerin aufgrund der streitigen Vereinbarungen gezahlten Beträge auf der Grundlage von Art. II.19 Abs. 3 und 5 dieser Vereinbarungen sowie von Art. 135 Abs. 4 der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union und zur Aufhebung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates (ABl. 2012, L 298, S. 1) einzuziehen. In Bezug auf die Diusas- und die Deque-Vereinbarung wies die EACEA jedoch darauf hin, dass sie beabsichtige, nur die Rückzahlung der Beträge zu verlangen, die die Klägerin als Endbegünstigte erhalten habe, und die von der ihr an die anderen Begünstigten dieser beiden Vereinbarungen gezahlten Beträge von der Rückforderung auszuschließen. Die EACEA wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ihr keine Informationen über die Aufteilung der von den Mitbegünstigten erhaltenen Zuschüsse und folglich auch nicht über die von der Klägerin als Endbegünstigter empfangenen Beträge vorlägen. Die Klägerin wurde daher aufgefordert, zum einen binnen 15 Tagen die in Anhang III dieses Schreibens aufgeführten Rechnungen im Original und zum anderen innerhalb von 60 Tagen ihre Stellungnahme zu der beabsichtigten Einziehung einschließlich Kopien der Bankbelege vorzulegen. Außerdem teilte die EACEA der Klägerin mit, dass sie ihren Namen im Früherkennungs- und Ausschlusssystem (EDES DB) registriert habe.

17      Mit Schreiben vom 9. August 2017 teilte die Klägerin der EACEA mit, dass sie die verlangten Rechnungen nicht vorlegen könne, da sie von der Staatsanwaltschaft Koblenz (Deutschland) beschlagnahmt worden seien. Mit Schreiben vom 24. August 2017 bestätigte die Klägerin erneut, dass die Staatsanwaltschaft Koblenz ihre Anwälte darauf hingewiesen habe, dass diese Unterlagen nicht eingesehen werden könnten.

18      Mit Schreiben vom 25. September 2017 nahm die Klägerin zu sämtlichen Feststellungen im Schreiben der EACEA vom 26. Juli 2017 Stellung und fügte Anlagen zur Stützung dieser Stellungnahme bei.

19      Mit Schreiben vom 21. Dezember 2017 (im Folgenden: Schreiben vom 21. Dezember 2017) teilte die EACEA der Klägerin ihre Entscheidung mit, 756 381,89 Euro aus der Ecesis-Vereinbarung einzuziehen. In Bezug auf die Diusas- und die Deque-Vereinbarung teilte sie der Klägerin ihre Absicht mit, lediglich die Beträge zurückzufordern, die die Klägerin im Rahmen dieser Vereinbarungen als Endbegünstigte erhalten habe, unter Ausschluss der von dieser an Mitbegünstigte weitergeleiteten Beträge, deren Höhe ihr von der Klägerin noch mitzuteilen sei. Die EACEA wies darauf hin, dass sie, falls sie keine Informationen über die den Mitbegünstigten aufgrund dieser beiden Vereinbarungen gezahlten Beträge erhalte, die vollständige Rückerstattung dieser Beträge oder die Rückerstattung eines „höheren“ Betrags verlangen werde.

20      Mit Schreiben vom 7. Februar 2018 (im Folgenden: Schreiben vom 7. Februar 2018) stellte die EACEA zum einen fest, dass die Klägerin nicht die Informationen vorgelegt habe, die erforderlich seien, um denjenigen Teil der ihr aufgrund der Diusas- und der Deque-Vereinbarung gezahlten Beträge zu bestimmen, der anschließend an andere, mitbegünstigte Einrichtungen weitergeleitet worden sei. Zum anderen wies die EACEA darauf hin, dass sie selbst mit diesen Einrichtungen Kontakt aufgenommen und von einigen von ihnen die verlangten Informationen erhalten habe. Auf der Grundlage der auf diese Weise gewonnenen Informationen setzte die EACEA den einzuziehenden Betrag auf 695 919,31 Euro bezüglich der Diusas-Vereinbarung und auf 343 525,10 Euro bezüglich der Deque-Vereinbarung fest. Die EACEA forderte die Klägerin auf, ihr eine etwaige Stellungnahme innerhalb von 15 Kalendertagen zu übermitteln, und stellte klar, dass sie die genannten Beträge einziehen werde, wenn die Klägerin nicht Stellung nehme.

21      Am 13. Februar 2018 übersandte die EACEA der Klägerin eine Belastungsanzeige über einen Betrag von 756 381,89 Euro bezogen auf die Ecesis-Vereinbarung (im Folgenden: Belastungsanzeige).

22      Der für die drei Vereinbarungen geforderte Gesamtbetrag belief sich somit auf 1 795 826,30 Euro.

 Verfahren

23      Mit Klageschrift, die am 22. Februar 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Diese war gegen die „Kommission, vertreten durch die … EACEA …“, gerichtet.

24      Gemäß der Entscheidung des Präsidenten des Gerichts vom 28. März 2018 ist die Klage als sowohl gegen die EACEA als auch gegen die Kommission erhoben angesehen worden.

25      Mit gesondertem Schriftsatz, der am 4. Mai 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission gemäß Art. 130 der Verfahrensordnung des Gerichts geltend gemacht, die Klage sei, soweit sie gegen sie erhoben worden sei, unzulässig. Die Klägerin hat zu dieser Einrede am 18. Juni 2018 Stellung genommen.

26      Mit Schriftsatz, der am 15. Juni 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die EACEA ihre Klagebeantwortung eingereicht.

27      Mit Schriftsatz, der am 7. August 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die Erwiderung eingereicht.

28      Mit Schriftsatz, der am 25. September 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die EACEA die Gegenerwiderung eingereicht.

29      Mit Schreiben vom 8. Oktober 2018 hat das Gericht die Kommission gemäß Art. 89 Abs. 3 Buchst. d der Verfahrensordnung aufgefordert, bestimmte Dokumente vorzulegen. Die Kommission ist dieser Aufforderung fristgerecht nachgekommen.

30      Mit Schriftsatz, der am 2. November 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin ihre Stellungnahme zu den von der Kommission vorgelegten Dokumenten abgegeben.

31      Auf Antrag der Klägerin ist das Verfahren durch Entscheidungen vom 28. Februar bzw. 11. Juni 2019 zweimal ausgesetzt worden, weil die Klägerin und die EACEA Gespräche aufgenommen hatten, um gegebenenfalls zu einer gütlichen Einigung zu gelangen.

32      Mit Entscheidung vom 5. September 2019 ist ein dritter Antrag auf Aussetzung des Verfahrens zurückgewiesen worden.

33      Mit Beschluss vom 23. Oktober 2019, Universität Koblenz-Landau/Kommission und EACEA (T‑108/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:768), hat das Gericht die Klage als unzulässig abgewiesen, soweit sie gegen die Kommission gerichtet war, und der Klägerin insoweit die Kosten auferlegt.

34      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist die vorliegende Rechtssache durch Entscheidung des Präsidenten des Gerichts vom 24. Oktober 2019 gemäß Art. 27 Abs. 5 der Verfahrensordnung der Zehnten Kammer neu zugewiesen worden.

35      Die EACEA hat am 6. November 2019 gemäß Art. 106 Abs. 2 der Verfahrensordnung beantragt, in einer mündlichen Verhandlung gehört zu werden.

36      Mit Entscheidung vom 11. März 2020 hat das Gericht die Rechtssache gemäß Art. 28 der Verfahrensordnung an die mit fünf Richtern besetzte Zehnte erweiterte Kammer verwiesen.

37      Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen vom 12. März und vom 27. Mai 2020, die gemäß Art. 89 Abs. 3 Buchst. a und d der Verfahrensordnung getroffen wurden, hat das Gericht Fragen an die Parteien gerichtet. Diese haben fristgerecht geantwortet.

38      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen.

39      In der Sitzung vom 16. September 2020 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet. Am Ende der Sitzung ist das mündliche Verfahren abgeschlossen worden.

40      Mit Schriftsatz, der am 3. Februar 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin gemäß Art. 113 Abs. 2 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beantragt, wobei sie sich auf eine Verfügung der Staatsanwaltschaft Koblenz vom 28. Dezember 2020 gestützt hat, die ihr am 28. Januar 2021 zugestellt worden war. Mit Entscheidung vom 4. Februar 2021 hat der Präsident der Zehnten erweiterten Kammer des Gerichts diesen Antrag zurückgewiesen, was den Parteien mit Schreiben der Kanzlei vom 5. Februar 2021 mitgeteilt worden ist.

 Anträge

41      Die Klägerin beantragt in der Klageschrift,

–        das Schreiben vom 21. Dezember 2017 für nichtig zu erklären;

–        das Schreiben vom 7. Februar 2018 für nichtig zu erklären;

–        die Zwangsvollstreckung aus den Schreiben vom 21. Dezember 2017 und vom 7. Februar 2018 sowie aus der Belastungsanzeige bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die vorliegende Nichtigkeitsklage auszusetzen;

–        der Beklagten die Kosten aufzuerlegen.

42      In der Erwiderung beantragt die Klägerin hilfsweise, die vorliegende Klage in eine auf Art. 272 AEUV gestützte Klage umzudeuten und festzustellen, dass der Anspruch auf Rückzahlung von 756 381,89 Euro aus der Ecesis-Vereinbarung und der Anspruch auf Rückzahlung von 1 039 444,41 Euro aus den Finanzhilfevereinbarungen Diusas und Deque nicht bestehen.

43      Des Weiteren hat die Klägerin erklärt, der dritte in der Klageschrift gestellte Antrag habe sich erledigt, da die EACEA beschlossen habe, die Einziehung der in den Schreiben vom 21. Dezember 2017 und vom 7. Februar 2018 geforderten Beträge auszusetzen, worüber die Klägerin mit Schreiben vom 9. April 2018, das als Anlage C.5 zur Klagebeantwortung eingereicht worden sei, informiert worden sei. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin auf eine entsprechende Frage des Gerichts bestätigt, dass sie ihren dritten Klageantrag zurückgenommen habe, was im Sitzungsprotokoll vermerkt worden ist.

44      Die EACEA beantragt,

–        die Klage als offensichtlich unzulässig und, hilfsweise, als unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

45      In der mündlichen Verhandlung hat die EACEA erklärt, dass sie ihre Eigenschaft als Beklagte und damit die Zulässigkeit der Klage, soweit diese gegen sie gerichtet sei, nicht mehr in Abrede stelle, was im Sitzungsprotokoll vermerkt worden ist.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zuständigkeit des Gerichts und zu den von der EACEA geltend gemachten Unzulässigkeitsgründen

46      Die EACEA macht im Wesentlichen geltend, dass die vorliegende Klage, soweit sie auf Art. 263 AEUV gestützt sei, unzulässig sei, da die Schreiben vom 21. Dezember 2017 und vom 7. Februar 2018 sowie die Belastungsanzeige keine anfechtbaren Handlungen darstellten, die im Rahmen einer solchen Klage für nichtig erklärt werden könnten.

47      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Klägerin am Anfang der Klageschrift angegeben hat, ihre Klage sei auf Art. 263 Abs. 4 AEUV gestützt. Gleichwohl hat sie in Rn. 40 der Klageschrift erklärt, das Gericht sei für die vorliegende Rechtssache nach Art. I.8 der Ecesis-Vereinbarung sowie Art. I.9 der Diusas- und der Deque-Vereinbarung zuständig.

48      In der Erwiderung hat die Klägerin vorgetragen, ihre Klage sei zu Recht auf Art. 263 AEUV gestützt. Darüber hinaus hat sie aber erklärt, falls ihre Klage auf dieser Grundlage als unzulässig angesehen werde, sei sie in eine auf Art. 272 AEUV gestützte Klage umzudeuten. Hilfsweise hat sie einen ausdrücklich auf Art. 272 AEUV gestützten Antrag gestellt (siehe oben, Rn. 42).

49      Unter diesen Umständen ist in einem ersten Schritt die Zulässigkeit der vorliegenden Klage nach Maßgabe von Art. 263 AEUV zu prüfen, bevor gegebenenfalls in einem zweiten Schritt untersucht wird, ob diese Klage, falls sich die Nichtigkeitsklage als unzulässig erweisen sollte, in eine Klage gemäß Art. 272 AEUV umgedeutet werden kann.

 Zur Zulässigkeit der Nichtigkeitsanträge nach Maßgabe von Art. 263 AEUV

50      Nach der Rechtsprechung kann bei Vorliegen eines Vertrags, der den Kläger an ein Organ, eine Einrichtung oder eine sonstige Stelle der Union bindet, eine Klage nach Art. 263 AEUV nur dann bei den Unionsgerichten anhängig gemacht werden, wenn die angefochtene Handlung verbindliche Rechtswirkungen erzeugen soll, die außerhalb der vertraglichen Beziehung, die die Parteien bindet, angesiedelt sind und die Ausübung hoheitlicher Befugnisse voraussetzen, die dem vertragschließenden Organ als Verwaltungsbehörde übertragen worden sind (Urteil vom 16. Juli 2020, ADR Center/Kommission, C‑584/17 P, EU:C:2020:576, Rn. 65).

51      Der Gerichtshof hat ferner klargestellt, dass eine Zahlungsaufforderung oder Mahnung, mit der eine Forderung aus der betreffenden Finanzhilfevereinbarung eingezogen werden soll und in der für die festgestellte Forderung die Fälligkeit und die Zahlungsbedingungen angegeben sind, einem vollstreckbaren Titel als solchem nicht gleichgesetzt werden kann, auch wenn sie das Vollstreckungsverfahren gemäß Art. 299 AEUV als einen möglichen Weg nennt, der der Kommission offenstehe, falls der Schuldner nicht zum festgelegten Fälligkeitszeitpunkt erfüllen sollte (Urteil vom 16. Juli 2020, ADR Center/Kommission, C‑584/17 P, EU:C:2020:576, Rn. 66).

52      Daraus folgt, dass eine solche Zahlungsaufforderung oder Mahnung keine Rechtswirkungen erzeugt, die aus der Ausübung hoheitlicher Befugnisse herrühren, sondern im Gegenteil als untrennbar mit den vertraglichen Beziehungen zwischen dem Kläger und dem betreffenden Organ bzw. der betreffenden Einrichtung oder sonstigen Stelle der Union verbunden anzusehen ist.

53      Im Licht dieser Rechtsprechung ist folglich zu prüfen, ob die Schreiben vom 21. Dezember 2017 und vom 7. Februar 2018 sowie die Belastungsanzeige zu denjenigen Handlungen gehören, die vom Unionsrichter gemäß Art. 263 AEUV für nichtig erklärt werden können, oder ob sie im Gegenteil vertraglicher Natur sind.

54      Hinsichtlich des Schreibens vom 21. Dezember 2017, dessen Inhalt oben in Rn. 19 zusammengefasst wurde, stellt das Gericht fest, dass die EACEA der Klägerin mit diesem Schreiben zum einen mitgeteilt hat, dass sie beschlossen habe, die Rückzahlung eines im Rahmen der Ecesis-Vereinbarung gezahlten Betrags von 756 381,89 Euro zu verlangen. Zum anderen hat die EACEA der Klägerin mit diesem Schreiben mitgeteilt, dass sie beabsichtige, die Rückzahlung sämtlicher Beträge zu verlangen, die der Klägerin im Rahmen der Diusas- und der Deque-Vereinbarung als Endbegünstigter dieser Vereinbarungen gezahlt worden seien, mithin unter Ausschluss der von der Klägerin erhaltenen und von ihr an die Mitbegünstigten weitergeleiteten Beträge. Daher hat die EACEA die Klägerin gemahnt und sie aufgefordert, ihr bis spätestens Ende Januar 2018 Informationen zukommen zu lassen, anhand deren sie die Höhe dieser Beträge ermitteln könne. In Abschnitt II dieses Schreibens hat die EACEA erläutert, dass sie beschlossen habe, die Rückzahlung der im Rahmen der streitigen Vereinbarungen gezahlten Beträge auf der Grundlage von Art. II.19 Abs. 3 und 5 dieser Vereinbarungen sowie von Art. 135 Abs. 4 der Verordnung Nr. 966/2012 zu verlangen, und zwar im Wesentlichen wegen der festgestellten systembedingten, immer wiederkehrenden Unregelmäßigkeiten bei der Durchführung der streitigen Vereinbarungen.

55      Mit dem Schreiben vom 7. Februar 2018 hat die EACEA der Klägerin mitgeteilt, dass sie den Betrag der beabsichtigten Einziehung auf 695 919,31 Euro bezüglich der Diusas-Vereinbarung und auf 343 525,10 Euro bezüglich der Deque-Vereinbarung festgesetzt habe. Die EACEA hat die Klägerin jedoch aufgefordert, ihr gegebenenfalls eine Stellungnahme innerhalb von 15 Kalendertagen zu übermitteln, und darauf hingewiesen, dass sie ihr nach Ablauf dieser Frist eine Belastungsanzeige über diese Beträge, d. h. über einen Gesamtbetrag von 1 039 444,41 Euro, übersenden werde, in der die Zahlungsbedingungen und die Zahlungsfrist angegeben seien. Die EACEA hat außerdem ausgeführt, dass sie einen Beschluss erlassen werde, der einen vollstreckbaren Titel darstelle, falls die Klägerin die in dieser Belastungsanzeige angegebene Forderung nicht erfülle.

56      Entgegen dem Vorbringen der Klägerin lässt der Inhalt der Schreiben vom 21. Dezember 2017 und vom 7. Februar 2018 somit nicht den Schluss zu, dass die EACEA im vorliegenden Fall in Ausübung ihrer hoheitlichen Befugnisse und nicht in Wahrnehmung der Rechte und Pflichten aus den streitigen Vereinbarungen gehandelt hätte. Es handelt sich vielmehr um einfache Schreiben, mit denen die Klägerin gemahnt wurde, eine vertragliche Verpflichtung aus den fraglichen Vereinbarungen zu erfüllen.

57      Ebenso heißt es in der Belastungsanzeige vom 13. Februar 2018, mit der der im Rahmen der Ecesis-Vereinbarung zurückzufordernde Betrag und die entsprechende Zahlungsfrist festgelegt wurden, dass ein Beschluss, der einen vollstreckbaren Titel nach Art. 299 AEUV darstelle, erlassen werde, falls dieser Betrag nicht fristgerecht gezahlt werde.

58      Daraus folgt, dass weder die Schreiben vom 21. Dezember 2017 und vom 7. Februar 2018 noch die Belastungsanzeige verbindliche Rechtswirkungen erzeugen sollen, die außerhalb des die Parteien bindenden Vertragsverhältnisses angesiedelt sind und die Ausübung hoheitlicher Befugnisse voraussetzen. Folglich können diese Schreiben und diese Belastungsanzeige nicht als Handlungen angesehen werden, die Gegenstand einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV sein könnten.

59      Nach alledem sind die Nichtigkeitsanträge für unzulässig zu erklären, soweit sie auf Art. 263 AEUV gestützt sind.

 Zur Umdeutung der Klage in eine auf Art. 272 AEUV gestützte Klage

60      Wird beim Gericht eine Nichtigkeits- oder Schadensersatzklage erhoben, obwohl der Rechtsstreit in Wirklichkeit vertraglicher Natur ist, deutet es die Klage um, falls die Voraussetzungen für eine solche Umdeutung vorliegen (Urteile vom 24. Oktober 2014, Technische Universität Dresden/Kommission, T‑29/11, EU:T:2014:912, Rn. 42, und vom 10. Oktober 2019, Help – Hilfe zur Selbsthilfe/Kommission, T‑335/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:736, Rn. 78).

61      Die Umdeutung der Klage ist möglich, soweit ihr der ausdrücklich erklärte Wille des Klägers nicht entgegensteht und in der Klageschrift zumindest ein Klagegrund gemäß den Bestimmungen von Art. 76 der Verfahrensordnung geltend gemacht wird, der aus einer Verletzung der für das betreffende Vertragsverhältnis geltenden Regeln hergeleitet ist. Diese beiden Voraussetzungen sind kumulativ (Urteile vom 24. Oktober 2014, Technische Universität Dresden/Kommission, T‑29/11, EU:T:2014:912, Rn. 44, und vom 20. Juni 2018, KV/EACEA, T‑306/15 und T‑484/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:359, Rn. 49).

62      Im vorliegenden Fall sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt. Zum einen trägt die Klägerin, wie oben in den Rn. 42 und 48 dargelegt, in der Erwiderung ausdrücklich vor, dass ihre Klage in eine Klage nach Art. 272 AEUV umzudeuten sei, falls sie als unzulässig angesehen werden solle, soweit sie auf Art. 263 AEUV gestützt sei. Die Klägerin hat also ihren Willen bekundet, die Klage in eine Klage nach Art. 272 AEUV umzudeuten.

63      Zum anderen ist festzustellen, dass alle zur Stützung der Klage angeführten Klagegründe im Rahmen eines Rechtsstreits vertraglicher Natur geltend gemacht werden können, wie sich aus den nachfolgenden Rn. 68 bis 164 ergibt.

64      Darüber hinaus enthalten die streitigen Vereinbarungen, wie die Klägerin selbst geltend macht, eine Schiedsklausel im Sinne von Art. 272 AEUV, die dem Unionsrichter die ausschließliche Zuständigkeit für Entscheidungen über Streitigkeiten zwischen den Parteien in Bezug auf die Gültigkeit, die Anwendung oder die Auslegung dieser Vereinbarungen verleiht. Da Art. 272 AEUV dem Unionsrichter eine umfassende Entscheidungsbefugnis zuweist, die ihn, im Gegensatz zu seiner im Rahmen von Art. 263 AEUV auf die Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkten Entscheidungsbefugnis, dazu ermächtigt, über jede Art von Klage auf der Grundlage einer Schiedsklausel zu urteilen, ist er die geeignete Rechtsgrundlage für die Entscheidung über den Antrag von Klägern auf Feststellung des Nichtbestehens der streitigen vertraglichen Forderung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. November 2016, Trivisio Prototyping/Kommission, T‑184/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:652, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

65      Daraus folgt, dass zum einen die vorliegende, ursprünglich nach Art. 263 AEUV erhobene Klage in eine Klage nach Art. 272 AEUV umzudeuten ist und dass zum anderen das Gericht gemäß Art. 272 AEUV und den in Art. I.8 der Ecesis-Vereinbarung sowie Art. I.9 der Diusas- und der Deque-Vereinbarung enthaltenen Schiedsklauseln für die Entscheidung über diese Klage zuständig ist.

 Zur Begründetheit

66      Die Klägerin stützt ihre Klage auf vier Gründe, mit denen sie erstens eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, zweitens eine „fehlerhafte Rechtsanwendung des europäischen Rechts“, drittens einen Begründungsmangel und viertens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rügt.

67      Zunächst sind der erste und der dritte Klagegrund zu prüfen, dann der zweite und schließlich der vierte.

 Zum ersten und zum dritten Klagegrund: Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bzw. Begründungsmangel

–       Zur Möglichkeit der Geltendmachung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Begründungspflicht im Rahmen eines Rechtsstreits vertraglicher Art

68      Die EACEA trägt vor, der Anspruch auf rechtliches Gehör und die Begründungspflicht könnten im Rahmen eines Rechtsstreits vertraglicher Art nicht erfolgreich geltend gemacht werden. Daher sei sie weder verpflichtet gewesen, die Klägerin anzuhören, bevor sie die Schreiben vom 21. Dezember 2017 und vom 8. Februar 2018 sowie die Belastungsanzeige an sie gerichtet habe, noch habe sie diese Dokumente begründen müssen.

69      Dieser Einwand ist zurückzuweisen.

70      Insoweit ist hervorzuheben, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör und die Begründungspflicht, auf die sich die Klägerin im Rahmen ihres ersten und ihres dritten Klagegrundes beruft, in Art. 41 Abs. 2 Buchst. a und c der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) verankert sind, wonach die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union zum einen das Recht einer jeden Person beachten müssen, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine für sie nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird, und zum anderen verpflichtet sind, ihre Entscheidungen zu begründen.

71      Das Gericht hatte bereits Gelegenheit, zu entscheiden, dass die Charta, die Teil des Primärrechts ist, gemäß ihrem Art. 51 Abs. 1 ohne Ausnahme „für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips [gilt]“ und dass demnach die Grundrechte dazu bestimmt sind, die Ausübung der den Unionsorganen übertragenen Zuständigkeiten zu lenken, und zwar auch in einem vertraglichen Rahmen (Urteile vom 3. Mai 2018, Sigma Orionis/Kommission, T‑48/16, EU:T:2018:245, Rn. 101 und 102, sowie vom 3. Mai 2018, Sigma Orionis/REA, T‑47/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:247, Rn. 79 und 80; vgl. auch entsprechend Urteil vom 13. Mai 2020, Talanton/Kommission, T‑195/18, nicht veröffentlicht, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2020:194, Rn. 73).

72      Desgleichen unterliegen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Union bei der Durchführung eines Vertrags weiterhin ihren Verpflichtungen aus der Charta und den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2020, ADR Center/Kommission, C‑584/17 P, EU:C:2020:576, Rn. 86).

73      Der Gerichtshof hat außerdem hervorgehoben, dass der Unionsrichter, wenn sich die Parteien in ihrem Vertrag entschließen, ihm mittels einer Schiedsklausel die Zuständigkeit zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit diesem Vertrag zu übertragen, unabhängig von dem in diesem Vertrag vereinbarten anwendbaren Recht für die Prüfung etwaiger Verstöße gegen die Charta und gegen allgemeine Grundsätze des Unionsrechts zuständig ist (Urteil vom 16. Juli 2020, Inclusion Alliance for Europe/Kommission, C‑378/16 P, EU:C:2020:575, Rn. 81).

74      Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union nicht gänzlich mit privaten Vertragsparteien vergleichbar sind, wenn sie in einem vertraglichen Rahmen handeln. So werden zum einen für die von ihnen gewährten Finanzhilfen öffentliche Mittel der Union in Anspruch genommen, so dass die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union auch bei der Gewährung solcher Finanzhilfen insbesondere den sich aus Art. 317 AEUV ergebenden Haushaltserfordernissen und den diesbezüglichen Finanzvorschriften der geltenden Haushaltsordnung unterliegen. Zum anderen verfügt u. a. die Kommission bei Vorliegen eines Vertrags, der – wie im vorliegenden Fall – eine Schiedsklausel enthält, mit der die Zuständigkeit des Unionsrichters begründet wird, über außerhalb der allgemeinen Rechtsvorschriften liegende Befugnisse, die es ihr ermöglichen, die Feststellung einer vertraglichen Forderung dadurch zu formalisieren, dass sie einseitig auf der Grundlage von Art. 72 Abs. 2 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates vom 25. Juni 2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 2002, L 248, S. 1) oder von Art. 79 Abs. 2 der Verordnung Nr. 966/2012 einen Beschluss erlässt, der einen vollstreckbaren Titel nach Art. 299 AEUV darstellt und dessen Wirkungen und Verbindlichkeit sich aus diesen Bestimmungen ergeben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2020, ADR Center/Kommission, C‑584/17 P, EU:C:2020:576, Rn. 68 bis 70 und 73). Darüber hinaus ist zu festzustellen, dass gemäß Art. 108 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1605/2002 und Art. 121 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 966/2012 eine Finanzhilfe entweder durch eine schriftliche Vereinbarung oder durch einen Beschluss der Kommission, der dem Begünstigten zugestellt wird, gewährt werden kann. Der Unionsgesetzgeber hat also vorgesehen, dass eine Finanzhilfe sowohl vertraglich als auch auf dem Verwaltungsweg gewährt werden kann. Die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union können sich indessen nicht nach eigenem Belieben ihren Verpflichtungen aus dem Primärrecht, einschließlich der Charta, entziehen, indem sie sich dafür entscheiden, Finanzhilfen im Wege einer Vereinbarung anstatt durch Beschluss zu gewähren.

75      Demzufolge ist der Einwand der EACEA, der Anspruch auf rechtliches Gehör und die Begründungspflicht könnten in Rechtsstreitigkeiten vertraglicher Art nicht geltend gemacht werden, zurückzuweisen.

–       Zum Anspruch auf rechtliches Gehör

76      Die Klägerin macht geltend, die EACEA habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör missachtet, indem sie die streitige Einziehung vorzeitig betrieben habe. Insbesondere habe die Klägerin die EACEA darauf hingewiesen, dass sie nicht im Besitz der angeforderten Dokumente sei, da diese im Zusammenhang mit einem laufenden Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Koblenz beschlagnahmt worden seien, das sich gegen zwei natürliche Personen gerichtet habe, die zu jener Zeit bei ihr für die Durchführung und Überwachung der nach den streitigen Vereinbarungen finanzierten Projekte zuständig gewesen seien. Aus diesem Grund hätten die von der EACEA verlangten fehlenden Informationen oder Originalrechnungen nicht vorgelegt werden können, denn der Klägerin sei keine Einsicht in die von der Staatsanwaltschaft Koblenz beschlagnahmten Unterlagen gewährt worden. Somit sei die beabsichtigte Einziehung der aufgrund der streitigen Vereinbarungen gezahlten Beträge nicht gerechtfertigt, weil es der Klägerin vorübergehend nicht möglich gewesen sei, die angeforderten Dokumente vorzulegen, wobei kein Ausfallrisiko bestanden habe, da die Klägerin eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sei.

77      Die EACEA tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

78      Als Erstes ist zu prüfen, ob die EACEA der Klägerin vor der Übermittlung der Schreiben vom 21. Dezember 2017 und vom 7. Februar 2018 sowie der Belastungsanzeige vom 13. Februar 2018 die Möglichkeit eingeräumt hat, ihren Standpunkt in zweckdienlicher und wirksamer Weise darzulegen.

79      Der Gerichtshof hat bereits festgestellt, dass die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union insbesondere gemäß den Erfordernissen des Grundsatzes der guten Verwaltung verpflichtet sind, im Rahmen eines Auditverfahrens, wie es in Art. II.19 der streitigen Vereinbarungen vorgesehen ist, den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens zu beachten. Die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union müssen alle maßgeblichen Informationen einholen, insbesondere diejenigen, die ihr Vertragspartner ihnen zur Verfügung stellen kann, bevor sie eine Entscheidung über die Einziehung, die Ausstellung einer Belastungsanzeige, die Beendigung eines Vertrags oder die Verweigerung weiterer Zahlungen an den Vertragspartner treffen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juni 2015, EMA/Kommission, C‑100/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:382, Rn. 123).

80      In dieser Hinsicht stellt das Gericht erstens fest, dass der Entwurf des Prüfberichts der Klägerin übermittelt wurde und dass die EACEA die Klägerin aufgefordert hat, zu den Feststellungen der Prüfer Stellung zu nehmen, was sie in ihren Schreiben vom 29. September und vom 11. November 2016 tatsächlich ausführlich getan hat (siehe oben, Rn. 10 und 11). Im Entwurf des Prüfberichts wurde insbesondere auf den potenziell systembedingten, immer wiederkehrenden Charakter der festgestellten Unregelmäßigkeiten hingewiesen. In den genannten Schreiben äußerte sich die Klägerin zu allen im Entwurf des Prüfberichts dargelegten Feststellungen.

81      Zweitens hat die EACEA der Klägerin mit Schreiben vom 26. Juli 2017 den endgültigen Prüfbericht und den Abschlussbericht des OLAF übermittelt. Im erstgenannten Bericht wurde auf die Ausführungen und Nachweise Bezug genommen, die die Klägerin in ihren Schreiben vom 29. September und vom 11. November 2016 in Bezug auf jede der 35 Finanzaudit-Feststellungen (Financial Audit Findings) und der sieben Managementaudit-Feststellungen (Management Audit Findings) geltend gemacht hatte, wobei jeweils die von den Prüfern diesbezüglich vorgenommenen Würdigungen erläutert wurden.

82      Drittens hat die EACEA in ihrem Schreiben vom 26. Juli 2017 darauf hingewiesen, dass sie in Anbetracht der Schwere der festgestellten Unregelmäßigkeiten sowie wegen ihres systembedingten, immer wiederkehrenden Charakters die Rückforderung aller im Rahmen der streitigen Vereinbarungen an die Klägerin gezahlten Beträge in Betracht ziehe. Die Klägerin wurde aufgefordert, sich innerhalb von 60 Tagen zu der beabsichtigten Einziehung zu äußern.

83      Die Klägerin kam dieser Aufforderung mit Schreiben vom 25. September 2017 nach und reichte erneut Unterlagen ein.

84      Unter diesen Umständen teilte die EACEA mit Schreiben vom 21. Dezember 2017 in Bezug auf die Diusas- und die Deque-Vereinbarung u. a. mit, dass sie beabsichtige, die Rückzahlung eines Betrags zu fordern, der demjenigen entspreche, den die Klägerin als Endbegünstigte erhalten habe, und dass sie, da die Klägerin nicht die erforderlichen Informationen vorgelegt habe, die es ihr ermöglichten, die tatsächliche Höhe dieses Betrags festzustellen, keine andere Wahl habe, als ihn auf der Grundlage der verfügbaren Informationen zu ermitteln. Die EACEA teilte der Klägerin ferner ihre Entscheidung mit, den gesamten von ihr aufgrund der Ecesis-Vereinbarung gezahlten Betrag zurückzufordern, in deren Rahmen die Klägerin die alleinige Begünstigte war.

85      Mit Schreiben vom 7. Februar 2018 setzte die EACEA auf der Grundlage der Informationen, die sie selbst von bestimmten Mitbegünstigten hatte erlangen können, die im Rahmen der Diusas- und der Deque-Vereinbarung zurückzufordernden Beträge fest.

86      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Klägerin vor der Übermittlung der Schreiben vom 21. Dezember 2017 und vom 7. Februar 2018 sowie der Belastungsanzeige vielfach Gelegenheit hatte, sich sowohl zu Art und Umfang der festgestellten Unregelmäßigkeiten als auch zu den einzuziehenden Beträgen in zweckdienlicher und wirksamer Weise zu äußern.

87      Als Zweites macht die Klägerin gleichwohl geltend, es sei ihr unmöglich gewesen, bestimmte Rechnungen im Original vorzulegen, wie von der EACEA in ihrem Schreiben vom 26. Juli 2017 gefordert. Diese Rechnungen hätten sich nämlich zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr in ihrem Besitz befunden, da sie im Rahmen eines laufenden Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Koblenz beschlagnahmt worden seien.

88      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass im Grundsatz die objektive und erwiesene, aus dem Betroffenen nicht zurechenbaren Gründen bestehende Unmöglichkeit, bestimmte Dokumente auf Verlangen der EACEA vorzulegen, dem Betroffenen in bestimmten Fällen jede Möglichkeit nehmen kann, seinen Standpunkt zu den Tatsachen, die Gegenstand dieser Dokumente sind, zweckdienlich und wirksam darzulegen, wenn sich die unterbliebene Vorlage der Dokumente auf die Festsetzung der zurückgeforderten Beträge ausgewirkt hat.

89      Dies ist hier allerdings nicht der Fall. Zwar ist unstreitig, dass es der Klägerin aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen objektiv und nachweislich unmöglich war, die Originale der von der EACEA in ihrem Schreiben vom 26. Juli 2017 angeforderten Rechnungen vorzulegen; jedoch hatte die unterbliebene Vorlage keine Auswirkungen auf die Festsetzung der Beträge, die Gegenstand der in den Schreiben vom 21. Dezember 2017 und vom 7. Februar 2018 sowie in der Belastungsanzeige vom 13. Februar 2018 enthaltenen Rückzahlungsforderungen waren.

90      Zum einen nämlich geht aus den Akten hervor, dass die Beschlagnahme der Unterlagen durch die Staatsanwaltschaft Koblenz am 22. Juni 2017 erfolgte, während sowohl das Audit als auch die Untersuchung des OLAF im Zeitraum von 2014 bis 2016, also vor der fraglichen Beschlagnahme, durchgeführt worden waren, so dass sowohl die Prüfer als auch das OLAF in der Lage waren, den Inhalt der fraglichen Rechnungen einzusehen und daraus angemessene Schlüsse zu ziehen, wie die Klägerin im Übrigen in ihren Ausführungen zur prozessleitenden Maßnahme des Gerichts vom 27. Mai 2020 eingeräumt hat. Außerdem erfolgte diese Beschlagnahme, nachdem der Klägerin am 22. April 2016 der Entwurf des Prüfberichts übermittelt worden war, der bereits die wesentlichen Feststellungen zur Durchführung der streitigen Vereinbarungen enthielt. Aus diesem Bericht geht insbesondere hervor, dass die Schlussfolgerungen der Prüfer auf einer Prüfung nahezu aller im Rahmen der streitigen Vereinbarungen geltend gemachten Kosten beruhen (siehe oben, Rn. 7). Darüber hinaus hat die Klägerin mit Schreiben vom 29. September und vom 11. November 2016, also immer noch deutlich vor der fraglichen Beschlagnahme, zu den im Entwurf des Prüfberichts enthaltenen Feststellungen Stellung genommen, so dass sie zu diesem Zeitpunkt in der Lage war, alle in ihrem Besitz befindlichen relevanten Unterlagen einschließlich der Rechnungen, die später beschlagnahmt wurden, einzusehen und ihren Standpunkt somit in voller Kenntnis der Sachlage geltend zu machen.

91      Zum anderen trifft es zwar zu, dass die EACEA in ihrem Schreiben vom 26. Juli 2017 die Vorlage bestimmter Originalrechnungen verlangt hat. Jedoch hat sie im Schreiben vom 21. Dezember 2017 zur Kenntnis genommen, dass die Klägerin nicht im Besitz der angeforderten Originalrechnungen war und diese daher nicht vorlegen konnte. Daraus hat sie indessen keinerlei Konsequenzen gezogen. Weder aus diesem Schreiben noch aus demjenigen vom 7. Februar 2018 geht nämlich hervor, dass die Nichtvorlage dieser Rechnungen irgendeine Auswirkung auf die Festsetzung der in den Schreiben vom 21. Dezember 2017 und vom 7. Februar 2018 sowie in der Belastungsanzeige vom 13. Februar 2018 zurückgeforderten Beträge gehabt hätte. Wie die EACEA in ihrer Antwort auf eine im Rahmen der prozessleitenden Maßnahme vom 12. März 2020 und in der mündlichen Verhandlung gestellte Frage ausgeführt hat, ohne dass ihr die Klägerin insoweit widersprochen hätte, betrafen einige der zahlreichen Unregelmäßigkeiten, die im endgültigen Prüfbericht und im Abschlussbericht des OLAF festgestellt wurden, insbesondere Unstimmigkeiten, die mit dem Inhalt der Rechnungen zusammenhingen (siehe oben, Rn. 15), nicht aber mit dem Umstand, dass diese keine Originale waren.

92      Überdies hinderte der Umstand, dass die Klägerin nicht im Besitz der angeforderten Originalrechnungen war, auch nicht daran, die notwendigen Informationen hinsichtlich der von der EACEA verlangten Aufschlüsselung zwischen den von der Klägerin als Endbegünstigter der Diusas- und der Deque-Vereinbarung erhaltenen Beträgen und den von ihr an die Mitbegünstigten dieser Vereinbarungen weitergeleiteten Beträgen vorzulegen. Laut dem Schreiben der EACEA vom 26. Juli 2017 sollte diese Aufschlüsselung nämlich anhand von Banküberweisungen oder Kontoauszügen vorgenommen werden und nicht anhand dieser Rechnungen.

93      Daraus folgt, dass die Nichtvorlage der von der EACEA in ihrem Schreiben vom 26. Juli 2017 angeforderten Originalrechnungen keinen Einfluss auf die Festsetzung der in den Schreiben vom 21. Dezember 2017 und vom 7. Februar 2018 sowie in der Belastungsanzeige zurückgeforderten Beträge hatte.

94      Der erste Klagegrund, mit dem eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt wird, ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

–       Zur Begründungspflicht

95      Die Klägerin macht geltend, die Schreiben vom 21. Dezember 2017 und vom 7. Februar 2018 seien mangelhaft und unzureichend begründet, da sich die EACEA darauf beschränkt habe, allgemeine Erwägungen anzuführen, obwohl die Klägerin ihrer Stellungnahme vom 25. September 2017 zahlreiche Anlagen beigefügt habe, um die korrekte Verwendung der ihr zur Verfügung gestellten Mittel nachzuweisen.

96      Die EACEA tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

97      Der Umfang der Begründungspflicht ist nach den konkreten Umständen, insbesondere nach dem Inhalt der Handlung, der Art der angeführten Gründe und dem Interesse zu beurteilen, das der Adressat an Erläuterungen haben kann. Bei der Prüfung der Frage, ob die Begründung ausreicht, ist diese in dem tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang zu betrachten, in dem die fragliche Handlung erfolgte. So ist eine Handlung hinreichend begründet, wenn sie in einem Zusammenhang erfolgt ist, der dem betroffenen Adressaten bekannt war und ihm gestattet, die Tragweite der ihm gegenüber getroffenen Maßnahme zu verstehen (vgl. entsprechend Urteile vom 15. November 2012, Rat/Bamba, C‑417/11 P, EU:C:2012:718, Rn. 53 und 54 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, vom 24. Oktober 2011, P/Parlament, T‑213/10 P, EU:T:2011:617, Rn. 30, und vom 27. September 2012, Applied Microengineering/Kommission, T‑387/09, EU:T:2012:501, Rn. 64 bis 67).

98      Im vorliegenden Fall stellt das Gericht erstens fest, dass in den Schreiben vom 21. Dezember 2017 und vom 7. Februar 2018 die Rechtsgrundlage der beabsichtigten Einziehung, nämlich Art. II.19 Abs. 3 und 5 der streitigen Vereinbarungen sowie Art. 135 Abs. 4 der Verordnung Nr. 966/2012 (siehe oben, Rn. 16 bis 20), sowie die nach Ansicht der EACEA einzuziehenden Beträge klar angegeben werden.

99      Zweitens enthält der umfangreiche Schriftverkehr zwischen den Parteien, der mit der Übermittlung des Entwurfs des Prüfberichts an die Klägerin mit Schreiben vom 22. April 2016 begann und oben in den Rn. 7 bis 20 zusammengefasst worden ist, ausreichende und übereinstimmende Informationen, anhand deren die Klägerin nachvollziehen kann, aus welchen Gründen die EACEA beschlossen hat, die fragliche Rückzahlung zu verlangen, und wie die zu erstattenden Beträge ermittelt wurden. Insbesondere wurden, wie oben in den Rn. 80 und 81 festgestellt, im endgültigen Prüfbericht, auf dessen Schlussfolgerungen sich die EACEA hinsichtlich der beabsichtigten Einziehung stützt, alle von der Klägerin vorgebrachten Ausführungen und von ihr vorgelegten Nachweise berücksichtigt, geprüft und einzeln zurückgewiesen, wobei jeweils erläutert wurde, aus welchen Gründen diese Ausführungen bzw. Nachweise die Feststellungen der Prüfer nicht in Frage stellten.

100    Drittens antwortete die EACEA im Schreiben vom 21. Dezember 2017 zum einen auf alle von der Klägerin in ihren Schreiben vom 9. August und vom 25. September 2017 vorgebrachten Argumente und erläuterte zum anderen deutlich, dass die einzuziehenden Beträge nicht nach Maßgabe der als nicht förderfähig erachteten Kosten, sondern auf der Grundlage der Feststellung schwerwiegender, systembedingter und immer wiederkehrender Unregelmäßigkeiten bei der Durchführung der streitigen Vereinbarungen ermittelt worden seien.

101    Daraus folgt, dass die Schreiben vom 21. Dezember 2017 und vom 7. Februar 2018 eine hinreichende Begründung enthalten, anhand deren die Klägerin nachvollziehen kann, aus welchen Gründen die EACEA die Rückzahlung der fraglichen Beträge verlangt hat, und auf deren Grundlage der Unionsrichter seine Kontrolle ausüben kann.

102    Der dritte Klagegrund, mit dem eine mangelhafte oder unzureichende Begründung gerügt wird, ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: „fehlerhafte Rechtsanwendung des europäischen Rechts“

103    Die von der Klägerin im Rahmen ihres zweiten Klagegrundes vorgebrachten Argumente beziehen sich auf drei Rügen, die im Folgenden nacheinander zu prüfen sind.

–       Zur ersten Rüge: keine Rechtsgrundlage für die vollständige Rückforderung der ausgezahlten Beträge

104    Die Klägerin ist der Auffassung, weder Art. II.19 Abs. 3 und 5 der streitigen Vereinbarungen noch Art. 135 Abs. 4 der Verordnung Nr. 966/2012 erlaubten es der EACEA, die der Klägerin im Rahmen der streitigen Vereinbarungen gezahlten Beträge in vollem Umfang zurückzufordern.

105    Die EACEA tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

106    Das Gericht stellt im vorliegenden Fall fest, dass nach Art. I.8 Abs. 1 der Ecesis-Vereinbarung die Gewährung der davon erfassten Finanzhilfe den Bestimmungen dieser Vereinbarung, den „anwendbaren Vorschriften des Gemeinschaftsrechts“ sowie, hilfsweise, den belgischen Rechtsvorschriften über die Gewährung von Finanzhilfen unterliegt. Die Diusas- und die Deque-Vereinbarung unterliegen, wie jeweils in ihrem Art. I.9 vorgesehen ist, den vertraglichen Bestimmungen und den anwendbaren Vorschriften des Unionsrechts.

107    Als Erstes ist zu den einschlägigen vertraglichen Bestimmungen darauf zu verweisen, dass die EACEA gemäß Art. II.19 Abs. 3 jeder dieser Vereinbarungen das Recht hat, die Verwendung der Finanzhilfen zu kontrollieren. Gemäß dieser Bestimmung können die Ergebnisse der Kontrollen zu Rückforderungsentscheidungen führen. Desgleichen ist in Art. II.19 Abs. 5 der Vereinbarungen geregelt, dass das OLAF das Recht hat, Kontrollen durchzuführen, die ebenfalls zu Rückforderungsentscheidungen führen können.

108    Diese Klauseln, gegen die nach Ansicht der Klägerin verstoßen wurde, schließen nicht aus, dass die EACEA die im Rahmen der genannten Vereinbarungen gezahlten Beträge in voller Höhe zurückfordern kann. Darin ist nämlich von der „Rückforderung“ der Finanzhilfen durch die EACEA die Rede, ohne dass es diesbezüglich irgendeine Einschränkung gäbe.

109    Als Zweites weist das Gericht in Bezug auf die „anwendbaren Vorschriften des Unionsrechts“ im Sinne von Art. I.8 Abs. 1 der Ecesis-Vereinbarung sowie von Art. I.9 der Diusas- und der Deque-Vereinbarung darauf hin, dass im vorliegenden Fall in zeitlicher Hinsicht zunächst die Verordnung Nr. 1605/2002 anwendbar ist, die mit Wirkung vom 1. Januar 2013 aufgehoben wurde (Art. 212 der Verordnung Nr. 966/2012), und sodann die Verordnung Nr. 966/2012, die ihrerseits mit Wirkung vom 2. August 2018 durch die Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juli 2018 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union, zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1296/2013, (EU) Nr. 1301/2013, (EU) Nr. 1303/2013, (EU) Nr. 1304/2013, (EU) Nr. 1309/2013, (EU) Nr. 1316/2013, (EU) Nr. 223/2014, (EU) Nr. 283/2014 und des Beschlusses Nr. 541/2014/EU sowie zur Aufhebung der Verordnung Nr. 966/2012 (ABl. 2018, L 193, S. 1) aufgehoben wurde. Gemäß Art. 187 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1605/2002 und Art. 212 der Verordnung Nr. 966/2012 war nämlich vom 1. Januar 2003 bis zum 1. Januar 2013 grundsätzlich die Verordnung Nr. 1605/2002 anwendbar, während die streitigen Vereinbarungen 2008 bzw. 2010 geschlossen wurden (siehe oben, Rn. 2). Zudem war der Zeitraum der Durchführung der Vereinbarungen und folglich der vom Audit betroffene Zeitraum für die Ecesis-Vereinbarung der Zeitraum vom 15. Januar 2009 bis zum 14. Januar 2011, für die Diusas-Vereinbarung der Zeitraum vom 15. Oktober 2010 bis zum 14. Oktober 2012 und für die Deque-Vereinbarung derjenige vom 15. Oktober 2010 bis zum 14. Oktober 2013. Daraus folgt zum einen, dass die Verordnung Nr. 1605/2002 in zeitlicher Hinsicht auf die Ecesis- und die Diusas-Vereinbarung anwendbar war, und zum anderen, dass diese Verordnung sowie die Verordnung Nr. 966/2012 nacheinander auf die Deque-Vereinbarung anwendbar waren.

110    In Art. 119 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1605/2002 heißt es: „Verletzt der Empfänger seine Pflichten, wird die Finanzhilfe in den in den Durchführungsbestimmungen vorgesehenen Fällen ausgesetzt, gekürzt oder gestrichen, nachdem ihm die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden ist.“ Die Verwendung des Ausdrucks „gestrichen“ bezieht sich auf den Fall, dass die erhaltenen Beträge in voller Höhe zurückgefordert werden.

111    Art. 135 Abs. 4 der Verordnung Nr. 966/2012 lautet:

„Sind diese Fehler, Unregelmäßigkeiten oder Betrugsfälle dem Begünstigten anzulasten oder verstößt der Begünstigte gegen seine Pflichten aus der Finanzhilfevereinbarung oder dem Finanzhilfebeschluss, kann der zuständige Anweisungsbefugte darüber hinaus die Finanzhilfe kürzen oder die unter Verstoß gegen die Finanzhilfevereinbarung oder den Finanzhilfebeschluss gezahlten Beträge im Verhältnis zu dem Schweregrad der Fehler, der Unregelmäßigkeiten, des Betrugs oder des Pflichtverstoßes einziehen, nachdem dem Begünstigten die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden ist.“

112    Ferner bestimmt Art. 135 Abs. 5 der Verordnung Nr. 966/2012:

„Werden im Zuge von Kontrollen oder Prüfungen bei einem Begünstigten systembedingte oder immer wiederkehrende Fehler, Unregelmäßigkeiten, Betrugsfälle oder Pflichtverstöße festgestellt, die dem Begünstigten anzulasten sind und beträchtliche Auswirkungen auf mehrere diesem Begünstigten unter ähnlichen Bedingungen gewährte Finanzhilfen haben, kann der zuständige Anweisungsbefugte die Durchführung aller betroffenen Finanzhilfen aussetzen oder gegebenenfalls die jeweiligen Finanzhilfevereinbarungen oder Finanzhilfebeschlüsse mit diesem Begünstigten im Verhältnis zum Schweregrad der Fehler, der Unregelmäßigkeiten, des Betrugs oder des Pflichtverstoßes kündigen, sofern dem Begünstigten die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden ist.

Der zuständige Anweisungsbefugte kann außerdem im Rahmen eines kontradiktorischen Verfahrens die Finanzhilfen kürzen oder zu Unrecht gezahlte Beträge einziehen in Bezug auf alle Finanzhilfen, die von den systembedingten oder immer wiederkehrenden Fehlern, Unregelmäßigkeiten, Betrugsfälle[n] oder Pflichtverstöße[n] nach Unterabsatz 1 betroffen sind, die gemäß den Finanzhilfevereinbarungen oder ‑beschlüssen geprüft werden können.“

113    Weder Art. 119 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1605/2002 noch Art. 135 Abs. 4 der Verordnung Nr. 966/2012 steht mithin der vollständigen Rückforderung einer Finanzhilfe entgegen. Zum einen verlangt nämlich die letztgenannte Bestimmung ausdrücklich die Berücksichtigung des Schweregrads der festgestellten Fehler, Unregelmäßigkeiten, Betrugsfälle oder Pflichtverstöße. Somit ist der Umstand, dass diese Verfehlungen systembedingt sind oder immer wiederkehren, eindeutig ein Faktor, der bei der Beurteilung der Schwere der genannten Unregelmäßigkeiten zu berücksichtigen ist. Sind die festgestellten Fehler, Unregelmäßigkeiten, Betrugsfälle oder Pflichtverstöße so schwerwiegend, dass dadurch das gesamte Kontroll- und Verwaltungssystem für die betreffenden Vereinbarungen und damit sämtliche beanspruchten Ausgaben kompromittiert werden, kann daher die vollständige Rückforderung der gezahlten Beträge nicht als unverhältnismäßig angesehen werden.

114    Diese Schlussfolgerung wird auch durch Art. 135 Abs. 5 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 966/2012 gestützt, wonach der Anweisungsbefugte im Fall von systembedingten, immer wiederkehrenden Unregelmäßigkeiten, die dem Begünstigten anzulasten sind und beträchtliche Auswirkungen auf mehrere Finanzhilfen haben, „zu Unrecht gezahlte Beträge“ in Bezug auf alle von diesen Unregelmäßigkeiten betroffenen Vereinbarungen „einziehen“ kann. Diese Bestimmung schließt also nicht aus, dass eine bestimmte Finanzhilfe vollständig zurückgefordert wird, wenn die festgestellten Unregelmäßigkeiten so schwer wiegen, dass alle fraglichen Beträge als zu Unrecht gezahlt anzusehen sind.

115    Die genannte Schlussfolgerung steht außerdem im Einklang mit dem in Art. 317 AEUV verankerten Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung hinsichtlich der Mittel der Union. Danach sind die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union im Fall der Nichteinhaltung der in einer Finanzhilfevereinbarung festgelegten Bedingungen verpflichtet, die gezahlte Finanzhilfe in Höhe der für nicht glaubhaft oder nicht überprüfbar gehaltenen Beträge zurückzufordern.

116    Darüber hinaus hatten die Unionsgerichte bereits Gelegenheit, zu entscheiden, dass im System der finanziellen Zuschüsse der Union die Verwendung dieser Zuschüsse Vorschriften unterliegt, die zur teilweisen oder vollständigen Rückzahlung eines bereits gewährten Zuschusses führen können (Urteile vom 7. Juli 2010, Kommission/Hellenic Ventures u. a., T‑44/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2010:284, Rn. 85, und vom 16. Dezember 2010, Kommission/Arci Nuova associazione comitato di Cagliari und Gessa, T‑259/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2010:536, Rn. 61).

117    Aus alledem folgt, dass die vertraglichen Bestimmungen und die maßgeblichen Vorschriften der Verordnungen Nrn. 1605/2002 und 966/2012 in ihrer Auslegung durch den Unionsrichter es der EACEA grundsätzlich nicht verwehren, alle an die Klägerin im Rahmen der streitigen Vereinbarungen gezahlten Beträge zurückzufordern. Die Frage, ob eine solche Rückforderung im vorliegenden Fall mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang steht, ist Gegenstand des vierten Klagegrundes und wird daher weiter unten geprüft.

118    Folglich ist die erste Rüge des zweiten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

–       Zur zweiten Rüge: Fehlen von Unregelmäßigkeiten systembedingter, immer wiederkehrender Art

119    Die Klägerin trägt vor, die EACEA habe die fraglichen Beträge nicht wegen des Vorliegens von Unregelmäßigkeiten „systemischer und wiederholter Art“ zurückfordern können, da zum einen dieser Begriff nicht in Art. 135 Abs. 4 der Verordnung Nr. 966/2012 zu finden sei und auch nicht in einer anderen Bestimmung definiert werde. Zum anderen beträfen die festgestellten Unregelmäßigkeiten höchstens eine oder zwei natürliche Personen, so dass von einer systematischen Unregelmäßigkeit in ihrem Abwicklungsprozess nicht die Rede sein könne. Ferner habe die EACEA selbst in einem Schreiben vom 24. Juni 2013 das von der Klägerin für die Abwicklung der fraglichen Fördermittel eingeführte System belobigt. Zudem seien die behaupteten Unregelmäßigkeiten Gegenstand laufender strafrechtlicher Ermittlungsverfahren, so dass es sich nicht um erwiesene Tatsachen handele. Schließlich bestätige der endgültige Prüfbericht, dass die Unregelmäßigkeiten nur teilweise systematisch seien, nicht aber insgesamt.

120    Die EACEA tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

121    Nach der Rechtsprechung ist die in einer Finanzhilfevereinbarung vorgesehene Verpflichtung, einem Organ, einer Einrichtung oder einer sonstigen Stelle der Union form- und fristgemäß Aufstellungen der Kosten vorzulegen, die erstattungsfähig sein sollen, zwingender Natur, und das Erfordernis, diese Aufstellungen ordnungsgemäß vorzulegen, dient allein dazu, dem betreffenden Organ bzw. der betreffenden Einrichtung oder sonstigen Stelle der Union die notwendigen Angaben zu verschaffen, damit geprüft werden kann, ob die Unionsmittel im Einklang mit den Bestimmungen der Vereinbarung verwendet worden sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2010, Kommission/Arci Nuova associazione comitato di Cagliari und Gessa, T‑259/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2010:536, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

122    Weiter ist der Rechtsprechung zu entnehmen, dass im Rahmen eines Vertrags, der eine Schiedsklausel im Sinne von Art. 272 AEUV enthält, derjenigen Partei, die gegenüber einem Organ, einer Einrichtung oder einer sonstigen Stelle der Union Kosten geltend gemacht hat, um einen finanziellen Zuschuss seitens der Union zu erhalten, der Nachweis obliegt, dass es sich bei diesen Kosten um tatsächliche Kosten handelt, die unumgänglich waren und während der Laufzeit des Vorhabens für dessen Durchführung angefallen sind. Verlangt das betreffende Organ, bzw. die betreffende Einrichtung oder sonstige Stelle der Union im Anschluss an ein Finanzaudit die Erstattung einer Forderung, so obliegt ihm bzw. ihr jedoch, sofern der Begünstigte die maßgeblichen Kostenaufstellungen und sonstigen relevanten Informationen vorgelegt hat, die Beweislast dafür, dass die vertragliche Leistung mangelhaft ist oder dass die Kostenaufstellungen unrichtig oder unglaubhaft sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. Juni 2009, Kommission/Burie Onderzoek en Advies, T‑179/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2009:171, Rn. 100, vom 26. Januar 2017, Diktyo Amyntikon Viomichanion Net/Kommission, T‑703/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:34, Rn. 84, und vom 13. Juli 2017, Talanton/Kommission, T‑65/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:491, Rn. 54).

123    Im vorliegenden Fall sind, was die vertraglichen Bestimmungen anbelangt, die Hauptpflichten der Klägerin in Bezug auf die Förderfähigkeit der Kosten in Art. II.14.1 der streitigen Vereinbarungen geregelt. Danach müssen die Kosten, um als förderfähige Kosten des vertragsgegenständlichen Vorhabens gelten zu können, insbesondere folgende allgemeine Kriterien erfüllen: Sie müssen in Zusammenhang mit dem Gegenstand der Vereinbarung stehen und in dem ihr beigefügten Finanzierungsplan vorgesehen sein; sie müssen für die Durchführung der Maßnahme, die mit der Finanzhilfe gefördert werden soll, erforderlich sein; sie müssen identifizierbar und überprüfbar und insbesondere in der Buchführung des Begünstigten entsprechend den im Land seiner Niederlassung geltenden Rechnungslegungsgrundsätzen sowie seinen üblichen Kostenrechnungsverfahren erfasst sein; sie müssen die Anforderungen der geltenden Steuer- und Sozialgesetzgebung erfüllen; sie müssen angemessen und gerechtfertigt sein und dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung, insbesondere im Hinblick auf Sparsamkeit und Effizienz, entsprechen. Zudem müssen die internen Buchführungs- und Rechnungsprüfungsverfahren des Begünstigten eine unmittelbare Zuordnung der im Rahmen der Maßnahme aufgeführten Ausgaben und Einnahmen zu den entsprechenden Buchungsposten und Belegen ermöglichen.

124    Als Erstes ist hervorzuheben, dass im endgültigen Prüfbericht mehrere Fehler und Unregelmäßigkeiten festgestellt wurden, die aufgrund ihrer Art als teilweise potenziell systembedingt eingestuft wurden (Nr. I.2.2 dieses Berichts).

125    So wurde erstens festgestellt, dass das mit der Durchführung der Projekte beauftragte Personal von zwei natürlichen Personen, die damals für die Klägerin gearbeitet hätten, in bar bezahlt worden sei. Die Klägerin habe die fraglichen Beträge auf die privaten Bankkonten dieser natürlichen Personen überwiesen, die von ihr mit der Abwicklung der streitigen Vereinbarungen betraut worden seien, und diese Personen hätten die Beträge anschließend von ihren Konten abgehoben, um Barzahlungen an Projektmitarbeiter zu leisten. Die Prüfer stellten daher einen Mangel an Klarheit und Gewissheit in Bezug auf die insoweit deklarierten Zahlungen fest, wodurch sie sich daran gehindert sahen, sich ein klares Urteil über die Förderfähigkeit dieser Kosten zu bilden. In diesem Zusammenhang geht aus einem Schreiben der Klägerin vom 25. September 2017 (Anlage A.20 zur Klageschrift) hervor, dass die Klägerin in der Tat sehr hohe Beträge auf die privaten Bankkonten der beiden für die Abwicklung der streitigen Vereinbarungen zuständigen natürlichen Personen überwies, ohne dass die anschließenden Ausgaben, die diesen Beträgen entsprechen sollten, ordnungsgemäß dokumentiert worden wären. So erhielt eine dieser Personen 463 224,27 Euro im Rahmen der Ecesis-Vereinbarung, und beide Personen zusammen erhielten 249 000 Euro im Rahmen der Diusas-Vereinbarung sowie 105 000 Euro im Rahmen der Deque-Vereinbarung auf ihren privaten Bankkonten.

126    Zweitens ist dem Prüfbericht zu entnehmen, dass auch die Reise- und Aufenthaltskosten des Personals von diesen natürlichen Personen in bar bezahlt worden seien, ohne dass die Klägerin entsprechende Zahlungsbelege hätte vorlegen können.

127    Drittens waren die Prüfer der Ansicht, dass der Ablauf des Materialerwerbs nicht nachvollziehbar sei und dass es keine Inventarlisten gebe, die beweisen könnten, dass das angeblich angeschaffte Material tatsächlich bei den Mitbegünstigten installiert worden sei. Es könne somit nicht bestätigt werden, dass die deklarierten Materialeinkäufe der Realität entsprächen, da zahlreiche Rechnungen, die angeblich von voneinander unabhängigen Unternehmen ausgestellt worden seien, große Ähnlichkeiten in Aussehen und Inhalt aufwiesen, was auf Fälschungen oder Duplikate hinweisen könne. Darüber hinaus konnten die Prüfer auf der Grundlage unabhängiger Informationsquellen weder die Existenz bestimmter Unternehmen bestätigen, noch, ob es zwischen ihnen irgendwelche Verbindungen gab.

128    Als Zweites wiesen die Prüfer darauf hin, dass der Betrag der erforderlichen Berichtigungen so hoch sei, dass sie nicht zu dem Schluss gelangen könnten, dass die geltend gemachten Kosten die förderfähigen Ausgaben korrekt widerspiegelten oder dass diese Kosten dem Begünstigten im Einklang mit den Vertragsbestimmungen entstanden seien. In Nr. I.2.2 des Berichts empfahlen sie, dass die EACEA insoweit unverzüglich eine zusätzliche Untersuchung bei der Klägerin und ihren Mitbegünstigten durchführen solle.

129    Als Drittes stellten die Prüfer fest, die von der Klägerin eingeführten internen Verfahren und Kontrollen könnten keine angemessene finanzielle Abwicklung der operativen Tätigkeiten gewährleisten, funktionierten nicht in zufriedenstellender Weise, stünden nicht im Einklang mit den gesetzlichen und vertraglichen Grundlagen der in Rede stehenden Tätigkeiten und stellten keine angemessenen Garantien für die Verhinderung und Aufdeckung von Fehlern, Unregelmäßigkeiten oder Betrug dar.

130    Als Viertes wurde im Abschlussbericht des OLAF das Vorliegen schwerwiegender Unregelmäßigkeiten bestätigt. Insbesondere stellte das OLAF anhand einer Stichprobe von 100 Rechnungen, die von 26 verschiedenen Lieferanten ausgestellt worden waren, fest, dass diese Rechnungen Anomalien aufwiesen, die den Verdacht der Fälschung nahelegten. Insbesondere wurden folgende Anomalien festgestellt: Rechnungen, die von vermeintlich voneinander unabhängigen Lieferanten ausgestellt worden seien, wiesen Ähnlichkeiten auf, während von demselben Lieferanten ausgestellte Rechnungen Unterschiede aufwiesen; die Bankverbindungen der Klägerin in einigen Rechnungen seien andere als die in den streitigen Vereinbarungen angegebenen gewesen; die Bankdaten auf bestimmten Rechnungen bezeichneten sogenannte „Korrespondenz“-Konten, was auf eine Geschäftsbeziehung zwischen einer Auslandsbank und einer inländischen Bank hinweise, während im gegebenen Fall der Lieferant und der Kunde ihren Sitz im selben Land gehabt hätten; einige Rechnungen desselben Lieferanten hätten dieselbe Referenznummer gehabt, obwohl sie angeblich zu verschiedenen Zeitpunkten ausgestellt worden seien; die Unterschriften derselben Personen wiesen Unterschiede auf, und auf derselben Rechnung hätten die in Zahlen angegebenen Beträge nicht den in Worten angegebenen Beträgen entsprochen. Außerdem stellte das OLAF auf der Grundlage einer Suche in öffentlichen Informationsquellen fest, dass sich einige Lieferanten in Liquidationsverfahren befunden hätten oder keine Geschäftstätigkeit ausübten und andere in „Offshore“-Gebieten (Britische Jungferninseln und Hongkong) eingetragen gewesen seien, oder auch, dass ein Lieferant wegen Verdachts der Beteiligung an umfangreichen kriminellen Aktivitäten aus dem nationalen Handelsregister (Neuseeland) gestrichen worden sei. Zu den Unregelmäßigkeiten in Bezug auf die Beträge, die unmittelbar auf die Privatkonten der beiden bei der Klägerin beschäftigten natürlichen Personen überwiesen worden seien, die Projektmanager der streitigen Vereinbarungen gewesen seien und diese Beträge in der Folgezeit angeblich in bar gezahlt hätten, wies das OLAF darauf hin, dass es nicht habe überprüfen können, ob solche Zahlungen tatsächlich erfolgt seien.

131    Somit wurden im endgültigen Prüfbericht und im Abschlussbericht des OLAF übereinstimmend zahlreiche Unregelmäßigkeiten festgestellt, die immer wiederkehrten, sich auf alle streitigen Vereinbarungen auswirkten und ein systembedingtes Versagen im Umgang mit den von der Union an die Klägerin als Begünstigte und Koordinatorin dieser Vereinbarungen gewährten Mittel belegen.

132    Unter diesen Umständen konnte die EACEA im Einklang mit den vertraglichen Regelungen und den anwendbaren Bestimmungen des Unionsrechts davon ausgehen, dass die von den Prüfern und dem OLAF festgestellten Unregelmäßigkeiten systembedingter und immer wiederkehrender Natur waren, dass das von der Klägerin eingerichtete Kontroll- und Verwaltungssystem mangelhaft war und dass diese Unregelmäßigkeiten daher geeignet waren, insgesamt die Durchführung jeder der streitigen Vereinbarungen zu beeinträchtigen.

133    Keines der Argumente der Klägerin vermag diese Schlussfolgerung in Frage zu stellen.

134    Erstens trifft es zwar zu, dass im endgültigen Prüfbericht, wie die Klägerin ausführt, von Unregelmäßigkeiten die Rede ist, die „ihrer Art nach teilweise potenziell systembedingt“ seien. Zum einen ändert diese Präzisierung jedoch nichts daran, dass einige der festgestellten Unregelmäßigkeiten systembedingt waren, zumal die Prüfer ausgeführt haben, der Betrag der erforderlichen Berichtigungen sei so hoch, dass sie nicht zu dem Schluss gelangen könnten, dass die geltend gemachten Kosten die förderfähigen Ausgaben korrekt widerspiegelten oder dass diese Kosten dem Begünstigten im Einklang mit den Vertragsbestimmungen entstanden seien. Zum anderen wurde die Schwere dieser Unregelmäßigkeiten durch den Abschlussbericht des OLAF bestätigt.

135    Jedenfalls ist ein Auditverfahren nur ein vorbereitendes Vorverfahren, das sich von dem Verfahren unterscheidet, das mit einer Rückforderung enden kann. Letzteres Verfahren wird von den operationellen Dienststellen des betreffenden Organs bzw. der betreffenden Einrichtung oder sonstigen Stelle der Union geführt, die in keiner Weise an die Schlussfolgerungen im Prüfbericht gebunden sind (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 4. Dezember 2014, Talanton/Kommission, T‑165/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1027, Rn. 47, und Urteil vom 5. Oktober 2016, European Children’s Fashion Association und Instituto de Economía Pública/EACEA, T‑724/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:600, Rn. 66) und folglich zu ihren eigenen Schlussfolgerungen gelangen können. Im vorliegenden Fall konnte die EACEA, wie aus den obigen Rn. 124 bis 131 hervorgeht, im Einklang mit den vertraglichen Regelungen und den geltenden Bestimmungen des Unionsrechts zu dem Schluss kommen, dass die festgestellten Unregelmäßigkeiten systembedingt und wiederkehrend waren.

136    Zweitens kann das Argument, dass die festgestellten Unregelmäßigkeiten „allenfalls bei einer oder zwei Personen“ aufgetreten sein könnten, nur zurückgewiesen werden. Als Vertragspartei der streitigen Vereinbarungen und Empfängerin der Finanzhilfen war nämlich die Klägerin für die Durchführung dieser Vereinbarungen und folglich aufgrund ihrer Überwachungspflicht auch für das Fehlverhalten ihrer Angestellten oder Mitarbeiter verantwortlich. Dementsprechend ist nach Art. II.1.1 der streitigen Vereinbarungen allein die Begünstigte für die Einhaltung der für sie geltenden rechtlichen Verpflichtungen verantwortlich. Darüber hinaus ist in Art. 1.3.1 Buchst. a der Diusas- und der Deque-Vereinbarung geregelt, dass die Koordinatorin die volle Verantwortung dafür übernimmt, dass das Projekt im Einklang mit der Vereinbarung durchgeführt wird, und gemäß Art. 1.3.1 Buchst. i dieser Vereinbarungen ist die Koordinatorin verpflichtet, im Rahmen der u. a. in Art. II.19 der Vereinbarungen genannten Audits, Überprüfungen und Bewertungen alle erforderlichen Unterlagen vorzulegen.

137    Drittens ist die Tatsache, dass die festgestellten Unregelmäßigkeiten Gegenstand eines laufenden Strafverfahrens sind, ebenfalls ohne Belang. Die Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der beiden in Rede stehenden natürlichen Personen ist nämlich eine ganz andere als die der vertraglichen Haftung der Klägerin.

138    Viertens vermag das Argument der Klägerin, die EACEA habe in der Vergangenheit, insbesondere in einem Schreiben vom 24. Juni 2013 (Anlage A.23 zur Klageschrift, S. 1), die von der Klägerin zur Durchführung der streitigen Vereinbarungen eingerichtete Datenbank gelobt, keinerlei Auswirkung auf die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits zu haben. Diese Äußerung, die zu einem Zeitpunkt getätigt wurde, der vor den hier in Rede stehenden Audit- und Kontrollverfahren lag, bedeutet keineswegs, dass die EACEA ihre Beurteilung im Licht neuer Erkenntnisse, die im Lauf des späteren Audits in Bezug auf die Durchführung der streitigen Vereinbarungen zutage traten, nicht ändern könnte. So ist in der Rechtsprechung bereits festgestellt worden, dass eine Kontrolle aufgrund neuer Umstände, die den Verdacht von Unregelmäßigkeiten bei bestimmten Vorhaben geweckt haben, naturgemäß – wie im vorliegenden Fall – gründlicher ist und zu anderen Ergebnissen führt als eine vorhergehende Routinekontrolle, die ohne jeden Verdacht durchgeführt wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Juni 2009, CPEM/Kommission, T‑444/07, EU:T:2009:227, Rn. 135 und die dort angeführte Rechtsprechung).

139    Fünftens und letztens kann die Klägerin kein Argument daraus ableiten, dass Art. 135 Abs. 4 der Verordnung Nr. 966/2012 nicht auf systembedingte, immer wiederkehrende Unregelmäßigkeiten Bezug nimmt oder dass diese Ausdrücke in dieser Verordnung nicht definiert werden. Zum einen verlangt diese Bestimmung nämlich ausdrücklich, dass die Schwere der festgestellten Unregelmäßigkeiten berücksichtigt wird. Die Tatsache, dass diese Unregelmäßigkeiten systembedingter oder wiederkehrender Natur sind, ist selbstverständlich ein Faktor, der bei der Bewertung der Schwere der Unregelmäßigkeiten zu berücksichtigen ist. Zum anderen kann der Umstand, dass diese Ausdrücke insbesondere in Art. 135 Abs. 5 der Verordnung Nr. 966/2012 verwendet werden, ohne ausdrücklich definiert zu werden, keinerlei Einfluss auf die beabsichtigte Einziehung haben, da sich der Sinngehalt dieser Ausdrücke unzweifelhaft aus deren üblicher Wortbedeutung ergibt, wonach systembedingte, immer wiederkehrende Unregelmäßigkeiten solche sind, die wiederholt auftreten und das gesamte Kontroll- und Verwaltungssystem betreffen, wie die oben in den Rn. 124 bis 131 angeführten Unregelmäßigkeiten.

140    Folglich ist die zweite Rüge des zweiten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

–       Zur dritten Rüge betreffend die Besonderheiten des Finanzverwaltungssystems der Klägerin

141    Die Klägerin macht geltend, sie habe die von der EACEA verlangten Zahlungsnachweise nicht vorlegen können, da die in ihrem Namen erfolgenden Zahlungen nicht von ihr selbst, sondern von zwei deutschen Einrichtungen, der Landeshochschulkasse Rheinland-Pfalz (im Folgenden: LHSK) und der Landesoberkasse Rheinland-Pfalz (im Folgenden: LOK), abgewickelt würden, so dass sie keinen Zahlungsverkehr beeinflussen könne. Alle Zahlungen seien so erfolgt, wie dies die der EACEA vorgelegten Listen auch auswiesen. Darüber hinaus macht die Klägerin geltend, dass der Abwicklungsmodus der streitigen Vereinbarungen keine Darstellung bzw. Aufteilung in Finanzmittel ermögliche, die ihr als Endbegünstigte zugeflossen seien. Die Klägerin habe nur einen Teil der Zuwendung an die Mitbegünstigten weitergeleitet und einen Großteil treuhänderisch für diese verwaltet, indem sie von den Mitbegünstigten ausgelöste Ausgaben bezahlt habe. Aus diesem Grund könnten die den Schreiben der EACEA vom 4. Juli 2017 zur Diusas- und zur Deque-Vereinbarung beigefügten Tabellen zur Aufteilung der Mittel zwischen der Klägerin und den Mitbegünstigten nicht ausgefüllt werden (siehe oben, Rn. 12).

142    Die EACEA tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

143    Hierzu ist erstens festzustellen, dass die EACEA in ihrem Schreiben vom 21. Dezember 2017 anerkannt hat, dass die über die LHSK und die LOK geleisteten Zahlungen als Nachweis dafür geeignet seien, dass bestimmte Zahlungen getätigt worden seien. Sie hat allerdings darauf hingewiesen, dass die betreffenden Unterlagen keinerlei Informationen zu den an die Mitbegünstigten weitergeleiteten Beträgen enthielten. In ihrer Antwort auf eine Frage des Gerichts im Rahmen der prozessleitenden Maßnahme vom 12. März 2020 hat die EACEA klargestellt, diese Unterlagen belegten zwar, dass überhaupt Zahlungen stattgefunden hätten, jedoch seien diese Zahlungen an Dritte und nicht an die Mitbegünstigten erfolgt (Rn. 7 der Antwort).

144    Auf die Frage in der mündlichen Verhandlung, inwiefern die Tatsache, dass die Klägerin ihre Zahlungen über die LHSK und die LOK abwickeln müsse, sie daran hindere, ein Kontroll- und Verwaltungssystem einzurichten, das ihren vertraglichen Verpflichtungen aus den streitigen Vereinbarungen entspreche, war die Klägerin nicht in der Lage, eine angemessene und schlüssige Erklärung abzugeben.

145    Der Umstand, dass das von der Klägerin eingerichtete System zum finanziellen Management der streitigen Vereinbarungen nach ihrem eigenen Eingeständnis keine Aufschlüsselung der von ihr als Endbegünstigter erhaltenen Mittel und der von ihr an die Mitbegünstigten weitergeleiteten Mittel erlaubt, reicht aus, um einen schweren Verstoß gegen ihre Verpflichtung aus Art. II.14.1 der streitigen Vereinbarungen festzustellen, wonach sie ab der Unterzeichnung der jeweiligen Vereinbarung gewährleisten muss, dass die angefallenen Kosten identifizierbar und überprüfbar sind. Damit die EACEA ihre Kontrollfunktion wahrnehmen kann, müssen die Begünstigten nämlich nachweisen, dass die Kosten, die im Rahmen der subventionierten Vorhaben abgerechnet worden sind, tatsächlich entstanden sind. Denn die Erteilung zuverlässiger Auskünfte seitens der Begünstigten ist für das ordnungsgemäße Funktionieren des Kontroll- und Beweissystems unerlässlich, das zur Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Gewährung von Zuschüssen eingeführt worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Oktober 2014, Technische Universität Dresden/Kommission, T‑29/11, EU:T:2014:912, Rn. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung).

146    Diese Feststellung wird auch dadurch gestützt, dass die Klägerin als Koordinatorin der Diusas- und der Deque-Vereinbarung allein für alle aufgrund dieser Vereinbarungen erhaltenen Beträge verantwortlich war (siehe oben, Rn. 136).

147    Aus diesen Gründen ist die dritte Rüge des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

148    Die Klägerin macht geltend, die EACEA habe gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Erstens könne die vollständige Rückforderung nur unter besonderen Ausnahmeumständen, die im vorliegenden Fall nicht gegeben seien, als letztes Mittel angewandt werden. Zweitens habe die Klägerin alles in ihrer Macht Stehende getan, um der EACEA alle Unterlagen vorzulegen, die zur Klärung der Sache hätten dienen können. Sie sei jedoch nicht in der Lage, „entsprechende“ Unterlagen vorzulegen, weil die Staatsanwaltschaft Koblenz sie beschlagnahmt habe. Drittens sei der Betrag der im endgültigen Prüfbericht empfohlenen Rückforderung erheblich niedriger als der in den Schreiben vom 21. Dezember 2017 und vom 7. Februar 2018 geforderte, ohne dass diese Schreiben eine eingehende Auseinandersetzung mit den von der Klägerin im Vorfeld vorgelegten Informationen enthielten.

149    Die EACEA tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

150    Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der in Art. 5 Abs. 4 EUV verankert ist. Er verlangt, dass die Handlungen der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich und angemessen ist. Dieser Grundsatz gilt für alle Handlungsformen der Union unabhängig davon, ob sie vertraglicher oder außervertraglicher Art sind (vgl. Urteil vom 10. Oktober 2019, Help – Hilfe zur Selbsthilfe/Kommission, T‑335/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:736, Rn. 197 und 198 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

151    Dieser Grundsatz spiegelt sich im Übrigen in den Bestimmungen der Verordnungen Nrn. 1605/2002 und 966/2012 wider, die oben in den Rn. 110 bis 112 zitiert worden sind.

152    Wie oben in den Rn. 106 bis 117 festgestellt worden ist, hindern die vertraglichen Bestimmungen und die maßgeblichen Vorschriften der Verordnungen Nrn. 1605/2002 und 966/2012 in ihrer Auslegung durch den Unionsrichter die EACEA grundsätzlich nicht daran, sämtliche im Rahmen einer Vereinbarung gezahlten Beträge zurückzufordern. Nunmehr ist zu prüfen, ob eine solche Rückforderung im vorliegenden Fall mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang steht.

153    Dies vorausgeschickt, stellt das Gericht zunächst fest, dass die EACEA nur im Rahmen der Ecesis-Vereinbarung beschlossen hat, die vollständige Rückzahlung der an die Klägerin gezahlten Beträge zu verlangen. In Bezug auf die Diusas- und die Deque-Vereinbarung beabsichtigte die EACEA nämlich, nur diejenigen Beträge einzuziehen, die die Klägerin als Endbegünstigte erhalten hatte, und die von ihr an die anderen Begünstigten dieser beiden Vereinbarungen gezahlten Beträge mithin von der Einziehung auszuschließen.

154    Im Licht dieser Präzisierung ist zu prüfen, ob die vorgesehene Einziehung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist.

155    Insoweit erinnert das Gericht erstens daran, dass die EACEA zu Recht davon ausgehen konnte, dass die gesamte Abwicklung der streitigen Vereinbarungen mit systembedingten, immer wiederkehrenden Unregelmäßigkeiten behaftet war und dass das von der Klägerin eingerichtete Kontrollsystem mangelhaft war (siehe oben, Rn. 124 bis 131). Das Ausmaß und die Art dieser Unregelmäßigkeiten, die im endgültigen Prüfbericht und im Abschlussbericht des OLAF festgestellt wurden, stellen die Glaubhaftigkeit aller im Rahmen dieser Vereinbarungen geltend gemachten Kosten in Frage.

156    Zweitens trifft es zwar zu, dass, wie die Klägerin ausführt, im endgültigen Prüfbericht vorgeschlagen wurde, einen Teil der aufgrund der streitigen Vereinbarungen gezahlten Beträge zurückzufordern. Dies allein ist jedoch nicht geeignet, die Unverhältnismäßigkeit der Rückzahlung der geforderten Beträge zu belegen. Denn wie oben in Rn. 134 festgestellt worden ist, waren die Prüfer der Ansicht, der Betrag der erforderlichen Berichtigungen sei so hoch, dass sie nicht zu dem Schluss gelangen könnten, dass die geltend gemachten Kosten die förderfähigen Ausgaben korrekt widerspiegelten oder dass diese Kosten dem Begünstigten im Einklang mit den Vertragsbestimmungen entstanden seien. Sie empfahlen daher, dass die EACEA insoweit unverzüglich eine zusätzliche Untersuchung bei der Klägerin und ihren Mitbegünstigten durchführen solle, was zeigt, dass die in diesem Bericht enthaltenen bezifferten Ergebnisse nicht abschließend waren.

157    Darüber hinaus hat die EACEA in ihrem Schreiben vom 21. Dezember 2017 zu Recht dargelegt, dass die im endgültigen Prüfbericht angegebenen und die von ihr festgesetzten zurückzufordernden Beträge das Ergebnis getrennter Analysen waren. Während erstere Beträge die verschiedenen Kosten widerspiegelten, die von den Prüfern als nicht förderfähig angesehen wurden, waren letztere durch die Unregelmäßigkeiten gerechtfertigt, die die Klägerin bei der Durchführung der fraglichen Projekte begangen hatte. Es ist auch daran zu erinnern, dass nach der oben in Rn. 135 angeführten Rechtsprechung ein Auditverfahren nur ein vorbereitendes Vorverfahren ist, das sich von dem Verfahren unterscheidet, das mit einer Rückforderung enden kann. Letzteres Verfahren wird von den operationellen Dienststellen des betreffenden Organs bzw. der betreffenden Einrichtung oder sonstigen Stelle der Union geführt, die in keiner Weise an die Schlussfolgerungen im Prüfbericht gebunden sind.

158    Unter diesen Umständen macht die bloße Tatsache, dass im endgültigen Prüfbericht die Rückforderung eines geringeren Betrags empfohlen wurde als des im Schreiben vom 21. Dezember 2017 und in der Belastungsanzeige vom 13. Februar 2018 genannten, für sich genommen letzteren Betrag nicht zu einem unverhältnismäßigen.

159    Drittens ist hervorzuheben, dass die EACEA trotz des Umfangs und der Schwere der festgestellten systembedingten, immer wiederkehrenden Unregelmäßigkeiten beschlossen hat, in Bezug auf die Diusas- und die Deque-Vereinbarung nur die Rückzahlung derjenigen Beträge zu fordern, die die Klägerin als Endbegünstigte erhalten hatte, und somit von ihr nicht die Rückzahlung der von ihr an die Mitbegünstigten weitergeleiteten Beträge zu verlangen, und dies obwohl allein die Klägerin ihr gegenüber als Koordinatorin für die Durchführung dieser Vereinbarungen verantwortlich war. Diese Vorgehensweise der EACEA zeigt, dass sie bestrebt war, bei ihrem Handeln dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Rahmen des Möglichen Rechnung zu tragen.

160    In Ermangelung einschlägiger Informationen, die es ihr ermöglicht hätten, die Höhe der Beträge zu ermitteln, die die Klägerin als Endbegünstigte im Rahmen dieser Vereinbarungen erhalten hatte, hat sich die EACEA selbst an die Mitbegünstigten gewandt, um diese Informationen einzuholen, und in der Folge diejenigen Beträge ausgeschlossen, von denen einige der Mitbegünstigten bestätigt haben, dass sie sie von der Klägerin im Rahmen der Diusas- und Deque-Vereinbarung erhalten hatten (vgl. Anlage C.3 zur Klagebeantwortung).

161    Viertens kann die Klägerin nicht mit Erfolg argumentieren, dass sie mit der EACEA zusammengearbeitet habe. Dieser Umstand ist nämlich für die Ermittlung des von der beabsichtigten Einziehung betroffenen Betrags nicht relevant.

162    Fünftens und letztens ist das Argument der Klägerin, dass bestimmte Unterlagen nicht hätten vorgelegt werden können, weil sie von der Staatsanwaltschaft Koblenz beschlagnahmt worden seien, mit Verweis auf die Rn. 87 bis 93 des vorliegenden Urteils zu verwerfen.

163    Nach alledem ist festzustellen, dass die EACEA nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen hat, als sie beschloss, im Rahmen der streitigen Vereinbarungen die Rückzahlung der oben in den Rn. 19 bis 22 genannten Beträge zu fordern.

164    Folglich ist der vierte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen und die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

165    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der EACEA die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zehnte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Universität Koblenz-Landau trägt die Kosten.

Papasavvas

Kornezov

Buttigieg

Kowalik-Bańczyk

 

Hesse

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 24. Februar 2021.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

S. Papasavvas


*      Verfahrenssprache: Deutsch.


1      Dieses Urteil wird auszugsweise veröffentlicht.