Language of document : ECLI:EU:T:2010:555

BESCHLUSS DES GERICHTS (Dritte Kammer)

17. Dezember 2010(*)

„Untätigkeitsklage – Stellungnahme – Verpflichtungsantrag – Offensichtliche Unzulässigkeit“

In der Rechtssache T‑245/10

Verein Deutsche Sprache e. V. mit Sitz in Dortmund (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: K. T. Bröcker, Rechtsanwalt,

Kläger,

gegen

Rat der Europäischen Union,

Beklagter,

betreffend eine Klage auf Feststellung, dass der Rat gegen Unionsrecht verstoßen hat, indem er u. a. nicht gewährleistet hat, dass der jeweilige Internetauftritt der Ratspräsidentschaft in deutscher Sprache bereitgestellt wird,

erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger, des Richters O. Czúcz (Berichterstatter) und der Richterin I. Labucka,

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

 Sachverhalt

1        Mit Schreiben vom 22. Januar 2005 ersuchte der Kläger, der Verein Deutsche Sprache e. V., den Rat der Europäischen Union darum, die Internetseite der Ratspräsidentschaft künftig auch in einer deutschen Fassung anzubieten.

2        In seiner Antwort vom 4. März 2005 wies der Rat u. a. darauf hin, dass für die auf seiner Internetseite veröffentlichten Informationen derjenige Mitgliedstaat verantwortlich sei, der den Vorsitz im Rat innehabe.

3        Am 1. April 2005 erhob der Kläger eine Beschwerde beim Europäischen Bürgerbeauftragten. Der Bürgerbeauftragte war der Ansicht, dass der in der Beschwerde vorgetragene Sachverhalt einen Missstand in der Verwaltungstätigkeit darstelle, und richtete am 21. März 2006 einen Empfehlungsentwurf an den Rat. In einer detaillierten Stellungnahme vom 7. Juni 2006 äußerte sich der Rat zu dem Empfehlungsentwurf. Am 30. November 2006 verabschiedete der Bürgerbeauftragte im Anschluss an den Empfehlungsentwurf einen an den Rat gerichteten Sonderbericht über die Beschwerde. Dieser Sonderbericht wurde dem Europäischen Parlament und dem Rat übermittelt.

4        Am 20. November 2008 nahm das Parlament eine Entschließung zu dem Sonderbericht des Bürgerbeauftragten vom 30. November 2006 an.

5        Mit Schreiben vom 26. Januar 2010 wandte der Kläger sich an den Rat und beantragte, bis zum 1. April 2010 sicherzustellen, dass der Internetauftritt der jeweiligen Ratspräsidentschaft auch in deutscher Sprache angeboten werde. Hilfsweise beantragte der Kläger, dass der Rat die Aufnahme des Deutschen in den „Kreis der ständigen Sprachen“ der Internetseiten der Ratspräsidentschaften prüfe und über seinen Antrag unter Berücksichtigung des Sonderberichts des Europäischen Bürgerbeauftragten vom 30. November 2006 und der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 20. November 2008 entscheide.

6        Mit Schreiben vom 17. März 2010 antwortete der Rat auf das Schreiben des Klägers vom 26. Januar 2010 und führte aus, dass es nicht zu seinen Befugnissen gehöre, die Sprachen zu bestimmen, in denen ein Mitgliedstaat, der den Vorsitz im Rat innehabe, die Internetseite seiner Präsidentschaft präsentiere.

 Verfahren und Anträge des Klägers

7        Mit Klageschrift, die am 31. Mai 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.

8        Mit Entscheidung des Präsidenten des Gerichts ist die Zusammensetzung der Dritten Kammer des Gerichts im vorliegenden Verfahren geändert worden.

9        Der Kläger beantragt,

–        festzustellen, dass der Rat gegen seine Verpflichtungen aus dem Unionsrecht verstoßen hat, indem er nicht gewährleistet, dass der jeweilige Internetauftritt der Ratspräsidentschaft u. a. in deutscher Sprache dergestalt vorgehalten wird, dass jeder Eintrag, der neben den Landessprachen des vorsitzenden Mitgliedstaats in mindestens zwei weiteren Amtssprachen der Union erscheint, immer auch in gleicher Weise in deutscher Fassung vorzuliegen hat;

–        hilfsweise, festzustellen, dass der Rat gegen seine Verpflichtungen aus dem Unionsrecht (insbesondere Art. 195 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 6 des Beschlusses 94/262/EGKS, EG, Euratom des Europäischen Parlaments vom 9. März 1994 über die Regelungen und allgemeinen Bedingungen für die Ausübung der Aufgaben des Bürgerbeauftragten [ABl. L 113, S. 15]) verstoßen hat, indem er sich zum einen geweigert hat, die Aufnahme des Deutschen in den Kreis der ständigen Sprachen der Internetseiten der Ratspräsidentschaften zu prüfen, und zum anderen, den Kläger in der Angelegenheit zu bescheiden.

 Entscheidungsgründe

10      Ist eine Klage offensichtlich unzulässig, so kann das Gericht gemäß Art. 111 seiner Verfahrensordnung ohne Fortsetzung des Verfahrens durch Beschluss entscheiden, der mit Gründen zu versehen ist.

11      Im vorliegenden Fall ist das Gericht in der Lage, auf der Grundlage des Akteninhalts in Anwendung dieses Artikels ohne Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden.

12      Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger nicht näher angibt, auf welche Rechtsgrundlage sich seine Klage stützt. Er beschränkt sich auf den Hinweis, dass das Gericht gemäß Art. 256 Abs. 1 AEUV für seine Klage zuständig sei und dass Gegenstand der Klage „das Sprachenangebot auf den Internetseiten der Ratspräsidentschaft“ sei.

13      Aus den in der Klageschrift enthaltenen Anträgen ergibt sich jedoch, dass die Klage als Untätigkeitsklage gemäß Art. 265 Abs. 3 AEUV anzusehen ist; der Kläger ersucht das Gericht mit seiner Klage nämlich darum, festzustellen, dass der Rat gegen seine Verpflichtungen verstoßen habe, hauptsächlich, indem er nicht gewährleistet habe, dass der jeweilige Internetauftritt der Ratspräsidentschaft u. a. in deutscher Sprache bereitgestellt werde, und hilfsweise, indem er sich geweigert habe, die Aufnahme dieser Sprache in den „Kreis der ständigen Sprachen“ der Internetseiten der Ratspräsidentschaften zu prüfen und über den Antrag zu entscheiden.

14      Zwar nimmt der Kläger im Rahmen seiner Argumentation zur Zulässigkeit des ersten Klageantrags auf die in Art. 263 Abs. 4 AEUV genannten Zulässigkeitsvoraussetzungen Bezug, ohne diese Vorschrift zu erwähnen. Da allerdings nach der Rechtsprechung zur Auslegung von Art. 232 EG ein Einzelner eine Untätigkeitsklage betreffend den Nichterlass eines Rechtsakts erheben kann, der zwar nicht an ihn gerichtet gewesen wäre, ihn aber im Sinne des Art. 230 Abs. 4 EG unmittelbar und individuell betroffen hätte (Urteil des Gerichtshofs vom 26. November 1996, T. Port, C‑68/95, Slg. 1996, I‑6065, Randnr. 58, und Beschluss des Gerichtshofs vom 1. Oktober 2004, Pérez Escolar/Kommission, C‑379/03 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 15), ist diese Argumentation des Klägers so zu verstehen, dass mit ihr dargelegt werden soll, dass er zur Erhebung einer Untätigkeitsklage auch dann befugt sei, wenn der Rechtsakt, dessen Nichterlass er dem Rat vorwirft, nicht an ihn gerichtet sei.

15      Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass Art. 265 AEUV die Untätigkeit durch Nichtbescheidung oder Nichtstellungnahme meint, nicht aber die Vornahme einer anderen als der von dem Betroffenen gewünschten oder für notwendig erachteten Handlung (Urteile des Gerichtshofs vom 13. Juli 1971, Deutscher Komponistenverband/Kommission, 8/71, Slg. 1971, 705, Randnr. 2, und vom 24. November 1992, Buckl u. a./Kommission, C‑15/91 und C‑108/91, Slg. 1992, I‑6061, Randnr. 17). In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung ist somit davon auszugehen, dass eine Untätigkeit des Organs nicht nur dann nicht vorliegt, wenn es eine den Kläger zufrieden stellende Handlung vornimmt, sondern auch dann, wenn es die Vornahme dieser Handlung verweigert und den an das Organ gerichteten Antrag mit einem Hinweis auf die Gründe beantwortet, aus denen es die Vornahme dieser Handlung für unangebracht hält (Urteil Buckl u. a./Kommission, Randnr. 9) oder sich als hierfür nicht zuständig ansieht (Beschluss des Gerichts vom 11. März 2002, Schlüsselverlag J. S. Moser u. a./Kommission, T‑3/02, Slg. 2002, II‑1473, Randnrn. 19 bis 24).

16      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Akten, dass der Rat mit Schreiben vom 17. März 2010 auf das Schreiben des Klägers vom 26. Januar 2010 antwortete und dabei darauf hinwies, dass er auf den Sonderbericht des Bürgerbeauftragten vom 30. November 2006 und auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 20. November 2008 nicht reagieren könne, da es nicht zu seinen Befugnissen gehöre, zu bestimmen, in welchen Sprachen der Mitgliedstaat, der den Vorsitz im Rat innehabe, die Internetseite seiner Präsidentschaft präsentieren müsse.

17      Somit ist festzustellen, dass der Rat zu der Handlungsaufforderung des Klägers, die im Wesentlichen darauf abzielte, dass der Rat die Bereitstellung des jeweiligen Internetauftritts der Ratspräsidentschaft auch in deutscher Sprache gewährleistet, Stellung nahm, indem er darauf hinwies, aus welchem Grund er seiner Ansicht nach nicht befugt war, dieser Forderung nachzukommen. Der Umstand, dass der Rat mit dieser Antwort nicht gewährleistete, dass der jeweilige Internetauftritt der Ratspräsidentschaft u. a. in deutscher Sprache bereitgestellt wird, und folglich dem Kläger nicht die gewünschte Antwort gab, ändert nichts daran, dass er zum einen die vom Kläger aufgeworfene Frage geprüft und zum anderen hierzu Stellung genommen hat. Die Klage ist daher unzulässig.

18      Vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger in der Klageschrift angibt, seine Klage bezwecke in erster Linie die Vornahme einer Handlung durch den Rat, nämlich die Bereitstellung des jeweiligen Internetauftritts der Ratspräsidentschaft u. a. in deutscher Sprache, und hilfsweise, den Rat zu verpflichten, die Aufnahme des Deutschen in den „Kreis der ständigen Sprachen“ der Internetseiten der Ratspräsidentschaften zu prüfen und über den Antrag zu entscheiden. Soweit dieser Vortrag in dem Sinne zu verstehen ist, dass die Klage darauf abzielt, das Gericht zur Erteilung einer Weisung an den Rat zu veranlassen, ist darauf hinzuweisen, dass der Unionsrichter in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung grundsätzlich nicht befugt ist, gegenüber den Organen Anordnungen zu treffen. Dies gilt ganz besonders im Rahmen der Befugnis zur Rechtmäßigkeitskontrolle, der die Verpflichtung der Verwaltung zum Erlass der sich aus dem Urteil ergebenden Maßnahmen korrespondiert, und zwar sowohl im Verfahren wegen Nichtigerklärung als auch im Verfahren wegen Untätigkeit (Urteil des Gerichts vom 24. Januar 1995, Ladbroke Racing/Kommission, T‑74/92, Slg. 1992, II‑115, Randnr. 75).

19      Demnach ist festzustellen, dass die Klage sowohl in Bezug auf den Antrag in der Hauptsache als auch in Bezug auf den Hilfsantrag offensichtlich unzulässig ist. Sie ist folglich abzuweisen, ohne dass es der Zustellung der Klageschrift an den Rat bedarf.

 Kosten

20      Da der vorliegende Beschluss vor einer Zustellung der Klageschrift an den Rat ergangen ist und diesem keine Kosten entstehen konnten, ist nur zu entscheiden, dass der Kläger nach Art. 87 Abs. 1 der Verfahrensordnung seine eigenen Kosten trägt.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

beschlossen:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Der Verein Deutsche Sprache e. V. trägt seine eigenen Kosten.

Luxemburg, den 17. Dezember 2010.

Der Kanzler

 

      Der Präsident

E. Coulon

 

      M. Jaeger


* Verfahrenssprache: Deutsch.