Language of document : ECLI:EU:T:2022:315

URTEIL DES GERICHTS (Dritte erweiterte Kammer)

1. Juni 2022(*)

„Wirtschafts- und Währungsunion – Bankenunion – Einheitlicher Abwicklungsmechanismus für Kreditinstitute und bestimmte Wertpapierfirmen (SRM) – Bei Ausfall oder wahrscheinlichem Ausfall eines Unternehmens anwendbares Abwicklungsverfahren – Festlegung eines Abwicklungskonzepts für Banco Popular Español durch den SRB – Befugnisübertragung – Anspruch auf rechtliches Gehör – Eigentumsrecht – Begründungspflicht – Art. 14, 18 und 20 der Verordnung (EU) Nr. 806/2014“

In der Rechtssache T‑628/17,

Aeris Invest Sàrl mit Sitz in Luxemburg (Luxemburg), vertreten durch M. Roca Junyent, R. Vallina Hoset, G. Serrano Fenollosa, E. Galán Burgos und M. Varela Suárez, Rechtsanwälte,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch L. Flynn und A. Steiblytė als Bevollmächtigte,

und

Einheitlicher Abwicklungsausschuss (SRB), vertreten durch J. King und M. Fernández Rupérez als Bevollmächtigte im Beistand von B. Meyring, S. Schelo, F. Fernández de Trocóniz Robles, T. Klupsch und S. Ianc, Rechtsanwälte,

Beklagte,

unterstützt durch

Königreich Spanien, vertreten durch L. Aguilera Ruiz und J. Rodríguez de la Rúa Puig als Bevollmächtigte,

durch

Europäisches Parlament, vertreten durch P. López-Carceller, M. Martínez Iglesias, L. Visaggio, J. Etienne, M. Menegatti und M. Sammut als Bevollmächtigte,

durch

Rat der Europäischen Union, vertreten durch A. de Gregorio Merino, J. Bauerschmidt, H. Marcos Fraile und A. Westerhof Löfflerová als Bevollmächtigte,

und durch

Banco Santander, SA mit Sitz in Santander (Spanien), vertreten durch J. Rodríguez Cárcamo, A. M. Rodríguez Conde, D. Sarmiento Ramírez-Escudero und J. Remón Peñalver, Rechtsanwälte,

Streithelfer,

wegen Nichtigerklärung nach Art. 263 AEUV zum einen des Beschlusses SRB/EES/2017/08 der Präsidiumssitzung des SRB vom 7. Juni 2017 über ein Abwicklungskonzept für die Banco Popular Español, SA und zum anderen des Beschlusses (EU) 2017/1246 der Kommission vom 7. Juni 2017 zur Billigung des Abwicklungskonzepts für Banco Popular Español (ABl. 2017, L 178, S. 15)

erlässt

DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. van der Woude, der Richter M. Jaeger, V. Kreuschitz und G. De Baere (Berichterstatter) sowie der Richterin G. Steinfatt,

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juni 2021

folgendes

Urteil

I.      Rechtlicher Rahmen

1        Nach der Finanzkrise von 2008 wurde beschlossen, eine Bankenunion innerhalb der Europäischen Union zu schaffen, die auf ein umfassendes und detailliertes einheitliches Regelwerk für Finanzdienstleistungen im Binnenmarkt als Ganzes gestützt ist und einen einheitlichen Aufsichtsmechanismus sowie neue Rahmenbedingungen für die Einlagensicherung und die Abwicklung von Kreditinstituten umfasst.

2        Der erste Schritt zur Schaffung der Bankenunion bestand in der Einrichtung eines einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) durch die Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (ABl. 2013, L 287, S. 63). Dem zwölften Erwägungsgrund dieser Verordnung zufolge sollte der SSM sicherstellen, dass die Politik der Union hinsichtlich der Beaufsichtigung von Kreditinstituten kohärent und wirksam umgesetzt wird, dass das einheitliche Regelwerk für Finanzdienstleistungen auf die Kreditinstitute in allen betroffenen Mitgliedstaaten in der gleichen Weise angewandt wird und dass bei der Beaufsichtigung dieser Kreditinstitute höchste, von nicht aufsichtsrechtlichen Überlegungen unbeeinflusste Standards Anwendung finden. Zu diesem Zweck wurden der Europäischen Zentralbank (EZB) mit der Verordnung Nr. 1024/2013 besondere Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute übertragen, um zur Sicherheit und Solidität von Kreditinstituten und zur Stabilität des Finanzsystems in der Union und in jedem einzelnen Mitgliedstaat beizutragen.

3        Im Anschluss daran wurde die Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2014, L 173, S. 190) erlassen. In ihrem ersten Erwägungsgrund heißt es:

„Die Finanzkrise hat gezeigt, dass es auf der Ebene der Union eindeutig an angemessenen Instrumenten für den wirksamen Umgang mit unsoliden oder ausfallenden Kreditinstituten und Wertpapierfirmen … mangelt. Derartige Instrumentarien werden vor allem zur Verhinderung einer Insolvenz benötigt oder, falls eine solche eintritt, zur Minimierung der negativen Auswirkungen, indem die systemisch wichtigen Funktionen des jeweiligen Instituts aufrechterhalten werden. Während der Krise trugen diese Herausforderungen wesentlich dazu bei, dass die Mitgliedstaaten Institute unter Rückgriff auf das Geld der Steuerzahler retten mussten. Ziel eines glaubwürdigen Sanierungs- und Abwicklungsrahmens ist es, solchen Maßnahmen so weit wie möglich vorzubeugen.“

4        Die Richtlinie 2014/59 hat die Schaffung gemeinsamer Regeln zur Mindestharmonisierung der nationalen Bestimmungen über die Abwicklung von Banken in der Union zum Ziel und sieht eine Zusammenarbeit zwischen Abwicklungsbehörden bei Ausfällen von grenzüberschreitend tätigen Banken vor. Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2014/59 benennt jeder Mitgliedstaat eine oder in Ausnahmefällen mehrere Abwicklungsbehörden, die ermächtigt sind, die Abwicklungsinstrumente anzuwenden und die Abwicklungsbefugnisse auszuüben.

5        Jedoch wurde in der Erwägung, dass die Richtlinie 2014/59 zum einen nicht zu einer Zentralisierung des Entscheidungsprozesses im Bereich der Abwicklung führt, im Wesentlichen Abwicklungsinstrumente und gemeinsame Abwicklungsbefugnisse für die nationalen Behörden der einzelnen Mitgliedstaaten vorsieht und diesen Behörden bei der Anwendung der Instrumente und der Nutzung der nationalen Finanzierungsmechanismen für die Abwicklungsverfahren einen Ermessensspielraum belässt und dass sie zum anderen getrennte und potenziell inkohärente Entscheidungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Abwicklung grenzüberschreitender Gruppen nicht vollständig verhindert, die Einführung eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus (SRM) beschlossen.

6        Als zweiter Schritt zur Schaffung der Bankenunion wurde somit die Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines [SRM] und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (ABl. 2014, L 225, S. 1) erlassen.

7        Der zwölfte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 806/2014 lautet:

„Die Gewährleistung wirksamer Beschlüsse über die Abwicklung ausfallender Banken innerhalb der Union, einschließlich über die Verwendung der auf Unionsebene aufgebrachten Mittel, ist von wesentlicher Bedeutung für die Verwirklichung des Binnenmarkts für Finanzdienstleistungen. Im Binnenmarkt kann der Ausfall von Banken in einem Mitgliedstaat die Stabilität der Finanzmärkte in der Union als Ganzes beeinträchtigen. Die Sicherstellung wirksamer und einheitlicher Abwicklungsvorschriften und gleicher Bedingungen für die Finanzierung von Abwicklungen in allen Mitgliedstaaten liegt nicht nur im Interesse der Mitgliedstaaten, in denen Banken tätig sind, sondern auch allgemein im Interesse aller Mitgliedstaaten, da es sich um ein Mittel zur Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen und für ein besseres Funktionieren des Binnenmarkts handelt. Die Bankensysteme im Binnenmarkt sind eng miteinander verflochten, die Bankengruppen sind international aufgestellt und die Banken besitzen einen prozentual hohen Anteil an Auslandsvermögen. Ohne einen [SRM] würden sich Bankkrisen in Mitgliedstaaten, die am einheitlichen Aufsichtsmechanismus teilnehmen, auch in nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten stärker auf das Bankensystem auswirken. Mit der Einrichtung des [SRM] soll ein neutraler Ansatz beim Umgang mit ausfallenden Banken sichergestellt und damit die Stabilität der Banken der teilnehmenden Mitgliedstaaten gestärkt und zudem verhindert werden, dass Krisen auf nicht teilnehmende Mitgliedstaaten übergreifen, wodurch das Funktionieren des Binnenmarkts insgesamt gefördert wird. Die Mechanismen der Zusammenarbeit hinsichtlich der Institute, die sowohl in teilnehmenden als auch in nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten niedergelassen sind, sollten klar sein, und kein Mitgliedstaat und keine Gruppe von Mitgliedstaaten sollte unmittelbar oder mittelbar als Handelsplatz für Finanzdienstleistungen diskriminiert werden.“

8        Gegenstand der Verordnung Nr. 806/2014 ist nach ihrem Art. 1 Abs. 1 die Festlegung einheitlicher Regeln und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung der in Art. 2 genannten Unternehmen, die in den teilnehmenden Mitgliedstaaten ansässig sind, d. h. Banken, deren Aufsichtsbehörde im Herkunftsmitgliedstaat entweder die EZB oder die zuständige nationale Behörde in denjenigen Mitgliedstaaten ist, deren Währung der Euro ist, bzw. in denjenigen Mitgliedstaaten ist, deren Währung nicht der Euro ist und die eine enge Zusammenarbeit nach Maßgabe von Art. 7 der Verordnung Nr. 1024/2013 eingegangen sind (vgl. den 15. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 806/2014).

9        Nach Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 werden diese einheitlichen Regeln und dieses einheitliche Verfahren von dem mit Art. 42 dieser Verordnung errichteten Einheitlichen Abwicklungsausschuss (SRB) in Zusammenarbeit mit dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Abwicklungsbehörden im Rahmen des mit dieser Verordnung geschaffenen SRM angewandt. Der SRM wird durch einen einheitlichen Abwicklungsfonds (SRF) unterstützt.

10      Gemäß Art. 16 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 entscheidet der SRB über eine Abwicklungsmaßnahme für ein Finanzinstitut, das in einem teilnehmenden Mitgliedstaat ansässig ist, wenn die drei Voraussetzungen nach Art. 18 Abs. 1 dieser Verordnung erfüllt sind.

11      Die erste Voraussetzung ist, dass das Unternehmen ausfällt oder wahrscheinlich ausfällt. Die Bewertung dieser Voraussetzung erfolgt durch die EZB nach Anhörung des SRB oder durch den SRB, und sie gilt als erfüllt, wenn die Lage des Unternehmens eine oder mehrere der in Art. 18 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 aufgeführten Voraussetzungen erfüllt.

12      Als zweite Voraussetzung gilt, dass nach vernünftigem Ermessen keine Aussicht besteht, dass der Ausfall des Unternehmens innerhalb eines angemessenen Zeitraums durch alternative Maßnahmen des privaten Sektors oder der Aufsichtsbehörden abgewendet werden kann.

13      Die dritte Voraussetzung ist, dass eine Abwicklungsmaßnahme im öffentlichen Interesse erforderlich ist, dass sie also für das Erreichen der Abwicklungsziele notwendig ist und sich diese bei einer Liquidation des Unternehmens im Wege eines regulären Insolvenzverfahrens nicht im selben Umfang erreichen ließen.

14      In Art. 14 der Verordnung Nr. 806/2014 werden folgende Abwicklungsziele genannt: die Sicherstellung der Kontinuität kritischer Funktionen, die Vermeidung erheblicher negativer Auswirkungen auf die Finanzstabilität, vor allem durch die Verhinderung einer Ansteckung, der Schutz öffentlicher Mittel durch geringere Inanspruchnahme außerordentlicher finanzieller Unterstützung aus öffentlichen Mitteln, der Schutz der Einleger und der Anleger sowie der Schutz der Gelder und Vermögenswerte der Kunden.

15      Nach Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 muss, bevor Abwicklungsmaßnahmen getroffen werden oder die Befugnis zur Herabschreibung oder Umwandlung von relevanten Kapitalinstrumenten ausgeübt wird, der SRB sicherstellen, dass eine faire, vorsichtige und realistische Bewertung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten eines Unternehmens durch eine von öffentlichen Stellen – einschließlich des SRB und der nationalen Abwicklungsbehörde – und dem betroffenen Unternehmen unabhängige Person vorgenommen wird.

16      Nach Art. 20 Abs. 15 der Verordnung Nr. 806/2014 ist die Bewertung integraler Bestandteil der Entscheidung über die Anwendung eines Abwicklungsinstruments oder die Ausübung einer Abwicklungsbefugnis bzw. der Entscheidung über die Ausübung der Befugnis zur Herabschreibung oder Umwandlung von Kapitalinstrumenten.

17      Sind die Voraussetzungen gemäß Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 erfüllt, legt der SRB ein Abwicklungskonzept fest.

18      Wenn sie im Abwicklungsverfahren tätig werden, müssen der SRB, der Rat und die Kommission dafür sorgen, dass die Abwicklung im Einklang mit bestimmten, in Art. 15 der Verordnung Nr. 806/2014 aufgeführten Grundsätzen erfolgt, darunter dem Grundsatz, dass Verluste zuerst von den Anteilseignern des in Abwicklung befindlichen Instituts getragen werden, und dem Grundsatz, dass kein Gläubiger größere Verluste zu tragen hat, als er im Fall einer Liquidation eines von einer Abwicklungsmaßnahme betroffenen Unternehmens im Wege eines regulären Insolvenzverfahrens zu tragen gehabt hätte.

19      Im Abwicklungskonzept bestimmt der SRB die Anwendung der Abwicklungsinstrumente. Nach Art. 22 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 stehen als Abwicklungsinstrumente die Unternehmensveräußerung, das Brückeninstitut, die Ausgliederung von Vermögenswerten und das Bail-in‑Instrument zur Verfügung.

20      Im Abwicklungskonzept kann der SRB unter den in Art. 21 der Verordnung Nr. 806/2014 vorgesehenen Voraussetzungen auch die Befugnis zur Herabschreibung oder Umwandlung von relevanten Kapitalinstrumenten ausüben. Nach Art. 19 der Verordnung Nr. 806/2014 kann eine Abwicklungsmaßnahme ebenfalls die Gewährung staatlicher Beihilfen oder die Inanspruchnahme des SRF umfassen.

21      Nach Art. 18 Abs. 7 der Verordnung Nr. 806/2014 übermittelt der SRB das Abwicklungskonzept unmittelbar nach seiner Festlegung der Kommission. Innerhalb von 24 Stunden ab Übermittlung des Abwicklungskonzepts durch den SRB muss die Kommission das Abwicklungskonzept entweder billigen oder in den Fällen, die nicht unter Unterabs. 3 fallen, Einwände hinsichtlich der Aspekte des Abwicklungskonzepts erheben, bei denen ein Ermessensspielraum besteht (im Folgenden: Ermessensaspekte), nämlich in Bezug auf die Einhaltung des Kriteriums des öffentlichen Interesses oder eine erhebliche Änderung des Betrags des SRF. Hinsichtlich der letztgenannten Ermessensaspekte kann die Kommission innerhalb von zwölf Stunden nach Übermittlung des Abwicklungsplans durch den SRB dem Rat vorschlagen, gegen das vom SRB festgelegte Abwicklungskonzept Einwände mit der Begründung zu erheben, dass dieses nicht das Kriterium des öffentlichen Interesses erfülle, oder eine erhebliche Änderung des Betrags des SRF, der im Abwicklungskonzept des SRB vorgesehen ist, zu billigen oder Einwände dagegen zu erheben. Das Abwicklungskonzept kann nur in Kraft treten, wenn weder der Rat noch die Kommission innerhalb von 24 Stunden nach seiner Übermittlung durch den SRB Einwände erhoben haben.

22      Nach Art. 18 Abs. 9 der Verordnung Nr. 806/2014 sorgt der SRB dafür, dass die betreffenden nationalen Abwicklungsbehörden die zur Durchführung des Abwicklungskonzepts notwendigen Abwicklungsmaßnahmen einleiten. Das Abwicklungskonzept ist an diese Behörden gerichtet und weist sie an, gemäß Art. 29 dieser Verordnung alle zur Umsetzung des Konzepts notwendigen Maßnahmen zu ergreifen und zu diesem Zweck Abwicklungsbefugnisse auszuüben.

23      Gemäß Art. 20 Abs. 16 der Verordnung Nr. 806/2014 stellt der SRB sicher, dass nach der Durchführung einer Abwicklungsmaßnahme eine Bewertung durch eine unabhängige Person vorgenommen wird, um festzustellen, ob Anteilseigner und Gläubiger besser behandelt worden wären, wenn für das in Abwicklung befindliche Unternehmen ein reguläres Insolvenzverfahren eingeleitet worden wäre. Diese Bewertung kann nach Art. 76 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 806/2014 zu Entschädigungszahlungen an Anteilseigner oder Gläubiger führen, falls sie größere Verluste erlitten haben, als sie bei einer Liquidation im Rahmen eines regulären Insolvenzverfahrens erlitten hätten.

II.    Vorgeschichte des Rechtsstreits und Sachverhalt nach Klageerhebung

24      Die Klägerin, die Aeris Invest Sàrl, ist eine juristische Person luxemburgischen Rechts, die Anteilseignerin der Banco Popular Español, SA (im Folgenden: Banco Popular) war, bevor für Letztere ein Abwicklungskonzept angenommen wurde.

A.      Zur Situation von Banco Popular vor der Annahme des Abwicklungskonzepts

25      Die Banco-Popular-Gruppe, deren Muttergesellschaft Banco Popular war, war zum Zeitpunkt der Abwicklung die sechstgrößte spanische Bankengruppe.

26      2016 nahm Banco Popular eine Kapitalerhöhung von 2,5 Mrd. Euro vor.

27      Am 5. Dezember 2016 verabschiedete die Präsidiumssitzung des SRB einen Abwicklungsplan für die Banco-Popular-Gruppe (im Folgenden: Abwicklungsplan von 2016). Bevorzugtes Abwicklungsinstrument im Abwicklungsplan von 2016 war das in Art. 27 der Verordnung Nr. 806/2014 vorgesehene Bail-in‑Instrument.

28      Am 3. Februar 2017 veröffentlichte Banco Popular ihren Jahresbericht 2016, in dem sie einen Sonderrückstellungsbedarf in Höhe von 5,7 Mrd. Euro mit der Folge eines konsolidierten Verlusts von 3,485 Mrd. Euro und die Ernennung eines neuen Präsidenten ankündigte.

29      Am 10. Februar 2017 stufte die DBRS Ratings Limited (jetzt DBRS Morningstar) das Rating von Banco Popular angesichts ihrer geschwächten Kapitalsituation infolge eines höheren Nettoverlusts als in ihrem vorstehend in Rn. 28 erwähnten Jahresbericht vorhergesehen und ihrer Bemühungen, ihren noch hohen Bestand an notleidenden Vermögenswerten abzubauen, mit negativem Ausblick herab.

30      Am 3. April 2017 gab Banco Popular das Ergebnis interner Prüfungen bekannt, wonach Korrekturen gegenüber dem Jahresbericht 2016 erforderlich sein könnten. Diese Berichtigungen wurden im Finanzbericht von Banco Popular für das erste Quartal 2017 vorgenommen.

31      Am 10. April 2017 gab der Vorstandsvorsitzende in der Hauptversammlung der Anteilseigner von Banco Popular bekannt, dass die Bank aufgrund der Eigenkapitalsituation der Gruppe und des Niveaus der notleidenden Vermögenswerte entweder eine Kapitalerhöhung oder eine Unternehmensübertragung beabsichtige. Der Generaldirektor von Banco Popular wurde weniger als ein Jahr nach der Aufnahme seiner Tätigkeit ausgewechselt.

32      Im Anschluss an die am 3. April 2017 erfolgte Bekanntgabe der Notwendigkeit einer Anpassung der finanziellen Ergebnisse von 2016 stufte DBRS am 6. April das Rating von Banco Popular mit weiter negativem Ausblick herab. Auch Standard & Poor’s und Moody’s Investors Service (im Folgenden: Moody’s) stuften am 7. April bzw. 21. April 2017 das Rating von Banco Popular mit negativem Ausblick herab.

33      Im April 2017 leitete Banco Popular ein privates Veräußerungsverfahren mit dem Ziel ihrer Veräußerung an einen starken Wettbewerber ein, um ihre Finanzlage zu verbessern. Die Angebotsfrist für Interessenten für den Erwerb von Banco Popular endete am 10. Juni 2017 und wurde später bis Ende Juni 2017 verlängert.

34      Am 5. Mai 2017 legte Banco Popular ihren Finanzbericht für das erste Quartal 2017 vor, in dem sie Verluste in Höhe von 137 Mio. Euro bekannt gab.

35      Am 12. Mai 2017 unterschritt Banco Popular die für sie geltende Liquiditätsdeckungsanforderung (Liquidity Coverage Requirement) von mindestens 80 %, die in Art. 460 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. 2013, L 176, S. 1) festgelegt ist.

36      Mit Schreiben vom 16. Mai 2017 teilte die Banco Santander, SA Banco Popular mit, dass sie im Rahmen des privaten Veräußerungsverfahrens kein verbindliches Angebot abgeben könne.

37      Am 16. Mai 2017 erklärte Banco Popular in einer Mitteilung einer relevanten Tatsache an die Comisión nacional del mercado de valores (CNMV, Nationale Wertpapiermarktkommission, Spanien), dass potenzielle Erwerber ihr Interesse an dem privaten Veräußerungsverfahren bekundet hätten, dass aber kein verbindliches Angebot eingegangen sei.

38      Am 19. Mai 2017 stufte die Agentur FITCH das langfristige Rating von Banco Popular herab.

39      Am 23. Mai 2017 gab die Vorsitzende des SRB, Frau Elke König, dem Fernsehsender Bloomberg ein Interview, in dem sie u. a. zur Situation von Banco Popular befragt wurde.

40      Im Mai 2017 war in zahlreichen Presseartikeln über die Schwierigkeiten von Banco Popular berichtet worden. Beispielsweise erschien auf der Website elconfidencial.com am 11. Mai 2017 ein Artikel mit dem Titel „Saracho empfiehlt wegen eines Konkursrisikos den dringenden Verkauf von Popular an JP Morgan und Lazard“ (Saracho encarga la venta urgente del Popular a JP Morgan y Lazard por riesgo de quiebra). Diesem Artikel zufolge hatte der Präsident der Bank JP Morgan und Lazard beauftragt, den dringenden Verkauf der Bank wegen Konkursgefahr aufgrund der massiven Einlagenflucht privater und institutioneller Kunden zu organisieren, und war der Ansicht, dass die Existenzfähigkeit der Bank nur durch die vollständige und sofortige Veräußerung der gesamten Gruppe sichergestellt werden könne. In dem Artikel heißt es, dass „für die Bank angesichts der anhaltenden Einlagenabflüsse und der Schließung externer Finanzierungsquellen ein ernsthaftes Insolvenzrisiko besteht und [ihr Präsident] daher gezwungen war, zur drastischsten Maßnahme zu greifen und den Verkauf ihrer Vermögenswerte schrittweise einzustellen, um die Kapitalquote zu verbessern und den Forderungen der EZB nachzukommen“.

41      Am 15. Mai 2017 wurde in einem auf der Website elconfidencial.com veröffentlichten Artikel mit dem Titel „Mitten im Veräußerungsprozess prüft die EZB Banco Popular zwei Monate lang“ (El BCE inspecciona a Banco Popular durante dos meses en pleno proceso de venta) berichtet, dass der Präsident von Banco Popular seinen Plan zu deren Veräußerung nach der Prüfung durch die EZB, die das Rückstellungsdefizit bestätigt habe, umgesetzt habe. Diesem Artikel zufolge waren die Prüfer der EZB zu dem Ergebnis gelangt, dass die Schwierigkeiten von Banco Popular mit ihrem Defizit bei Rückstellungen zur Deckung ihrer Risikoposition bei Immobilien zusammenhingen und gelegentliche Einlagenabflüsse vermieden werden müssten. Die Prüfer hätten auch ihre Unzufriedenheit hinsichtlich der Vorlage der Jahresabschlüsse von 2016 zum Ausdruck gebracht.

42      Am 31. Mai 2017 veröffentlichte die Agentur Reuters einen Artikel mit dem Titel „EU, Warnung vor der Gefahr einer Abwicklung von Banco Popular“ (La UE, advertida de riesgo de una resolución ordenada en Banco Popular). In diesem Artikel heißt es u. a., dass einem hohen, nicht namentlich genannten Unionsbeamten zufolge eine der wichtigsten Bankenaufsichtspersonen in Europa die Unionsbeamten darauf hingewiesen habe, dass die Abwicklung von Banco Popular erforderlich sein könnte, wenn sie keinen Käufer finde. In diesem Artikel heißt es weiter, dass diesem Beamten zufolge die Vorsitzende des SRB kürzlich eine „Frühwarnung“ abgegeben und erklärt habe, dass der SRB das Verfahren (Banco Popular) mit besonderer Aufmerksamkeit im Hinblick auf eine mögliche Intervention verfolge.

43      Am selben Tag veröffentlichte der SRB eine Pressemitteilung, in der er dem Inhalt dieses Artikels entgegentrat.

44      In den ersten Junitagen 2017 sah sich Banco Popular massiven Liquiditätsabzügen gegenüber.

45      Am 5. Juni 2017 stellte Banco Popular am Vormittag einen ersten Antrag auf Notfallliquiditätshilfe bei der Banco de España (Bank von Spanien) und am Nachmittag einen zweiten Antrag mit einer Ausweitung des gewünschten Betrags wegen erheblicher Liquiditätsbewegungen. Auf Antrag der Bank von Spanien und nach der Beurteilung des Antrags von Banco Popular auf Notfallliquiditätshilfe vom selben Tag durch die EZB erhob der EZB-Rat keine Einwände gegen eine Notfallliquiditätshilfe für Banco Popular für den Zeitraum bis zum 8. Juni 2017. Nachdem Banco Popular einen Teil dieser Notfallliquiditätshilfe erhalten hatte, erklärte die Bank von Spanien, dass sie zu einer zusätzlichen Notfallliquiditätshilfe nicht in der Lage sei.

46      Am 6. Juni 2017 stuften DBRS und Moody’s das Rating von Banco Popular herab.

B.      Zum weiteren Sachverhalt vor Annahme des Abwicklungskonzepts

47      Am 23. Mai 2017 beauftragte der SRB Deloitte als unabhängigen Sachverständigen mit der Bewertung von Banco Popular gemäß Art. 20 der Verordnung Nr. 806/2014.

48      Am 24. Mai 2017 forderte der SRB auf der Grundlage von Art. 34 der Verordnung Nr. 806/2014 bei Banco Popular die für die Durchführung ihrer Bewertung erforderlichen Informationen an. Am 2. Juni 2017 forderte er Banco Popular auch auf, Informationen über das private Veräußerungsverfahren zur Verfügung zu stellen und einen Zugang zu dem gesicherten virtuellen Datenraum vorzusehen, den die Bank im Rahmen dieses Verfahrens eingerichtet hatte.

49      Am 3. Juni 2017 erließ die Präsidiumssitzung des SRB den Beschluss SRB/EES/2017/06 über die Vermarktung von Banco Popular, der an den Fondo de Reestructuración Ordenada Bancaria (FROB, Fonds zur geordneten Umstrukturierung von Kreditinstituten, Spanien) gerichtet war (im Folgenden: Vermarktungsbeschluss). Der SRB billigte die sofortige Einleitung des Verfahrens zur Veräußerung von Banco Popular durch den FROB und teilte diesem die Anforderungen für die Veräußerung gemäß Art. 39 der Richtlinie 2014/59 mit. Der SRB wies den FROB u. a. darauf hin, dass er an die fünf potenziellen Erwerber herantreten müsse, die im Rahmen des privaten Veräußerungsverfahrens zur Abgabe eines Angebots aufgefordert worden waren.

50      Von den fünf potenziellen Erwerbern entschieden sich zwei gegen eine Teilnahme am Veräußerungsverfahren, ein weiterer wurde von der EZB aus aufsichtsrechtlichen Gründen ausgeschlossen.

51      Am 4. Juni 2017 unterzeichneten die beiden potenziellen Erwerber, die beschlossen hatten, am Verkaufsverfahren teilzunehmen, Banco Santander und die Banco Bilbao Vizcaya Argentaria, SA (BBVA), eine Nichtoffenlegungsvereinbarung und erhielten am 5. Juni 2017 Zugang zu dem virtuellen Datenraum.

52      Am 5. Juni 2017 nahm der SRB gemäß Art. 20 Abs. 5 Buchst. a der Verordnung Nr. 806/2014 eine erste Bewertung (im Folgenden: Bewertung 1) zur Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Abwicklung gemäß Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 vor.

53      Am 6. Juni 2017 nahm die EZB nach Anhörung des SRB gemäß Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 eine Bewertung der Lage von Banco Popular als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend vor.

54      In dieser Bewertung wies die EZB darauf hin, dass sich die Liquiditätssituation von Banco Popular in den vorangegangenen Monaten erheblich verschlechtert habe, was hauptsächlich auf eine signifikante Erschöpfung ihrer Einlagenbasis zurückzuführen sei. Banco Popular sei in allen Kundensegmenten mit erheblichen Liquiditätsabflüssen konfrontiert gewesen. Die EZB führte die Geschehnisse auf, die zu den Liquiditätsproblemen von Banco Popular geführt hätten.

55      Im Februar 2017 habe Banco Popular bei Vorlage ihrer Jahresabschlüsse einen Sonderrückstellungsbedarf in Höhe von 5,7 Mrd. Euro offengelegt, was zu Verlusten in Höhe von 3,485 Mrd. Euro im Jahr 2016 geführt habe, und sie habe die Auswechslung ihres langjährigen Präsidenten bekannt gegeben, der eine Änderung der Strategie der Bank betrieben habe. Die Ankündigung zusätzlicher Rückstellungen und Verluste am Ende des Geschäftsjahrs habe zu einer Herabstufung des Ratings von Banco Popular durch DBRS am 10. Februar 2017 geführt und große Besorgnis bei deren Kundschaft ausgelöst, was sich darin niedergeschlagen habe, dass Einlagen in erheblichem Umfang und unerwartet abgezogen worden seien und viele Kunden die Zweigstellen der Bank aufgesucht hätten.

56      Die Veröffentlichung einer öffentlichen Ad-hoc-Erklärung am 3. April 2017, mit der das Ergebnis mehrerer interner Prüfungen mitgeteilt worden sei, die einen erheblichen Einfluss auf die Bilanzen des Instituts haben könnten, sowie die Bestätigung, dass der Generaldirektor des Instituts weniger als ein Jahr nach seinem Dienstantritt ausgewechselt werde, hätten zu einer weiteren Welle von Einlagenabzügen geführt. Diese Abzugswelle sei auch gespeist worden durch

–        eine Herabstufung des Ratings von Banco Popular durch Standard & Poor’s am 7. April 2017;

–        die Ankündigung von Banco Popular vom 10. April 2017, dass sie keine Dividenden auszahlen werde und dass aufgrund der gespannten Eigenkapitalsituation und der notwendigen Anpassung der Absicherung der notleidenden Vermögenswerte an ihre Mitbewerber eine Kapitalerhöhung oder eine Unternehmensübertragung erforderlich sein könne;

–        eine Herabstufung des Ratings von Banco Popular durch Moody’s am 21. April 2017;

–        die Offenlegung der Ergebnisse des ersten Quartals 2017, die schlechter gewesen seien als vorgesehen;

–        die anhaltende negative Berichterstattung in den Medien, wie die oben in den Rn. 40 und 41 angeführten Artikel vom 11. und 15. Mai 2017, die nahelegten, dass der Präsident von Banco Popular wegen eines unmittelbar drohenden Konkursrisikos oder wegen fehlender Liquidität eine dringliche Veräußerung der Bank angeordnet habe und dass sich die Bank nach einer Vor-Ort-Prüfung durch die Bankenaufsicht einem zusätzlichen Rückstellungsbedarf gegenübersehe.

57      Seit dem 31. Mai 2017, so die EZB, seien die Einlagenverluste besonders erheblich gewesen, nachdem in den Medien verbreitet worden sei, dass die Bank liquidiert werden könnte, wenn der laufende Veräußerungsprozess nicht sehr kurzfristig erfolgreich abgeschlossen werden könne.

58      Obwohl Banco Popular in den vorangegangenen Wochen verschiedene Maßnahmen zur Beschaffung zusätzlicher Liquidität entwickelt und mit deren Umsetzung begonnen habe, habe der Umfang der realisierten und noch erwarteten Zuflüsse nicht ausgereicht, um der Erschöpfung der Liquiditätssituation von Banco Popular zum Zeitpunkt der Bewertung abzuhelfen. Selbst mit dem Rückgriff auf die Notfallliquiditätshilfe, gegen die der EZB-Rat am 5. Juni 2017 keine Einwände erhoben habe, genüge die Liquiditätssituation zu diesem Zeitpunkt nicht, um die Fähigkeit von Banco Popular zu gewährleisten, ihren Verpflichtungen bis zum 7. Juni 2017 nachzukommen.

59      Die von Banco Popular bereits ergriffenen Maßnahmen seien nicht wirksam genug gewesen, um die Verschlechterung ihrer Liquiditätssituation umzukehren. Als alternative Maßnahme zur Gewährleistung ihrer Fähigkeit, ihren fällig werdenden Verpflichtungen nachzukommen, versuche Banco Popular, eine Unternehmensübertragung durchzuführen, nämlich ihre Veräußerung an einen stärkeren Wettbewerber. In Anbetracht der Verschlechterung der Liquiditätssituation von Banco Popular, des fehlenden Nachweises ihrer Fähigkeit, diese Entwicklung in naher Zukunft umzukehren, und der Tatsache, dass die Verhandlungen bisher nicht zu einem positiven Ergebnis geführt hätten, sei, so die EZB, die Bestätigung eines solchen privaten Geschäfts nicht innerhalb einer Frist absehbar gewesen, die es Banco Popular ermöglicht hätte, ihre Schulden oder sonstigen Verbindlichkeiten bei Fälligkeit zu begleichen.

60      Gleichzeitig gebe es keine Aufsichts- oder Frühinterventionsmaßnahmen, die es ermöglichten, die Liquiditätssituation von Banco Popular sofort wieder zu verbessern, und die ihr genügend Zeit für eine Unternehmensübertragung oder eine andere Lösung verschafften. Mit den Maßnahmen, die der EZB als zuständiger Behörde gemäß der nationalen Umsetzung von Art. 104 der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. 2013, L 176, S. 338) und den Art. 27 bis 29 der Richtlinie 2014/59 oder Art. 16 der Verordnung Nr. 1024/2013 zur Verfügung stünden, lasse sich angesichts von Ausmaß und Geschwindigkeit der beobachteten Liquiditätsverschlechterung nicht sicherstellen, dass Banco Popular ihre Schulden und sonstigen Verbindlichkeiten bei Fälligkeit werde begleichen können.

61      Die EZB gelangte unter Berücksichtigung insbesondere der exzessiven Einlagenabflüsse, der rapiden Liquiditätsverluste der Bank und deren Unvermögen, anderweit Liquidität zu generieren, zu dem Schluss, dass es objektive Anhaltspunkte dafür gebe, dass Banco Popular in naher Zukunft wahrscheinlich nicht in der Lage sein werde, ihre Schulden oder sonstigen Verbindlichkeiten bei Fälligkeit zu begleichen. Es sei davon auszugehen, dass Banco Popular ausfalle oder jedenfalls wahrscheinlich in naher Zukunft ausfalle im Sinne von Art. 18 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 4 Buchst. c der Verordnung Nr. 806/2014.

62      Am 6. Juni 2017 teilte der Verwaltungsrat von Banco Popular der EZB mit, er sei zu dem Schluss gekommen, dass die Bank wahrscheinlich ausfalle.

63      Ebenfalls an diesem Tag erging ein Schreiben des FROB, das Informationen über das Veräußerungsverfahren enthielt (im Folgenden: Verfahrensschreiben) und in dem das Ende der Frist für die Einreichung der Angebote auf den 6. Juni 2017 um Mitternacht festgesetzt wurde.

64      Am selben Tag teilte BBVA, einer der beiden potenziellen Erwerber von Banco Popular, dem FROB mit, dass sie kein Angebot abgeben werde.

65      Ebenfalls am 6. Juni 2017 übermittelte Deloitte dem SRB gemäß Art. 20 Abs. 10 der Verordnung Nr. 806/2014 eine zweite Bewertung (im Folgenden: Bewertung 2). Die Bewertung 2 sollte der Veranschlagung des Wertes der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten von Banco Popular, der Schätzung, wie die Anteilseigner und Gläubiger behandelt würden, wenn ein reguläres Insolvenzverfahren für Banco Popular durchgeführt würde, sowie der fundierten Entscheidung über die zu übertragenden Anteile und Eigentumstitel und dem Verständnis des SRB dafür dienen, was unter kommerziellen Bedingungen für das Instrument der Unternehmensveräußerung zu verstehen ist. Im Rahmen dieser Bewertung wurde u. a. der wirtschaftliche Wert von Banco Popular auf 1,3 Mrd. Euro im besten Szenario, auf minus 8,2 Mrd. Euro im ungünstigsten Szenario und auf minus 2 Mrd. Euro für die beste Schätzung veranschlagt.

66      Am 7. Juni 2017 gab Banco Santander ein verbindliches Angebot ab.

67      Mit Schreiben vom 7. Juni 2017 teilte der FROB dem SRB mit, dass Banco Santander am 7. Juni um 03.12 Uhr ein Angebot abgegeben und für den Kauf der Anteile von Banco Popular einen Preis von einem Euro geboten habe. Der FROB wies darauf hin, dass sein Lenkungsausschuss Banco Santander als Zuschlagsempfänger im wettbewerbsbasierten Verfahren zur Veräußerung von Banco Popular ausgewählt und beschlossen habe, dem SRB vorzuschlagen, in seinem Beschluss über die Annahme eines Abwicklungskonzepts für Banco Popular Banco Santander als Erwerber zu bestimmen.

C.      Zum Abwicklungskonzept für Banco Popular vom 7. Juni 2017

68      Am 7. Juni 2017 erließ die Präsidiumssitzung des SRB auf der Grundlage der Verordnung Nr. 806/2014 den Beschluss SRB/EES/2017/08 über ein Abwicklungskonzept für Banco Popular (im Folgenden: Abwicklungskonzept).

69      Art. 1 des Abwicklungskonzepts zufolge sah der SRB die Voraussetzungen nach Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 als erfüllt an und beschloss, Banco Popular ab dem Abwicklungsdatum abzuwickeln.

70      Der SRB war der Ansicht, erstens falle Banco Popular aus oder wahrscheinlich aus, zweitens gebe es keine anderen Maßnahmen, mit denen der Ausfall von Banco Popular innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens abgewendet werden könne und drittens sei eine Abwicklungsmaßnahme in Form eines Instruments der Unternehmensveräußerung von Banco Popular im öffentlichen Interesse erforderlich. Hierzu wies der SRB darauf hin, dass die Abwicklung notwendig sei und in angemessenem Verhältnis zur Erreichung von zwei in Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 genannten Zielen stehe, nämlich der Sicherstellung der Kontinuität kritischer Funktionen der Bank und der Vermeidung erheblicher negativer Auswirkungen auf die Finanzstabilität.

71      In Art. 5.1 des Abwicklungskonzepts beschloss der SRB:

„Das Abwicklungsinstrument für Banco Popular besteht in einer Unternehmensveräußerung gemäß Artikel 24 der Verordnung Nr. 806/2014 durch Übertragung der Anteile auf einen Erwerber. Die Herabschreibung und die Umwandlung der Kapitalinstrumente erfolgen unmittelbar vor Anwendung des Instruments der Unternehmensveräußerung.“

72      Art. 6 des Abwicklungskonzepts betrifft die Herabschreibung der Kapitalinstrumente und das Instrument der Unternehmensveräußerung. In Art. 6.1 nannte der SRB die Maßnahmen, die er in Ausübung seiner Herabschreibungsbefugnis gemäß Art. 21 der Verordnung Nr. 806/2014 erlassen hatte.

73      So beschloss der SRB in Art. 6.1 des Abwicklungskonzepts,

–        zunächst den Nominalbetrag des Grundkapitals von Banco Popular um 2 098 429 046 Euro herabzuschreiben, was zur Löschung von 100 % der Anteile von Banco Popular führte;

–        sodann den gesamten Nennwert der von Banco Popular ausgegebenen und zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Abwicklungskonzept im Umlauf befindlichen Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals in neu ausgegebene Anteile von Banco Popular, die „neuen Anteile I“, umzuwandeln;

–        sodann den Nennwert der „neuen Anteile I“ auf null herabzuschreiben, was zur Löschung von 100 % dieser „neuen Anteile I“ führte;

–        schließlich den gesamten Nennwert der von Banco Popular ausgegebenen und zum Zeitpunkt der Abwicklungsentscheidung im Umlauf befindlichen Instrumente des Ergänzungskapitals in neu ausgegebene Anteile von Banco Popular, die „neuen Anteile II“, umzuwandeln.

74      Nach Art. 6.3 des Abwicklungskonzepts beruhen diese Herabschreibungs- und Umwandlungsmaßnahmen auf der Bewertung 2, die durch die Ergebnisse eines transparenten und offenen Veräußerungsprozesses durch die spanische Abwicklungsbehörde, den FROB, bestätigt werde.

75      In Art. 6.5 des Abwicklungskonzepts ordnete der SRB in Ausübung seiner Befugnisse nach Art. 24 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 806/2014 betreffend das Instrument der Unternehmensveräußerung an, dass die „neuen Anteile II“ frei von allen Rechten oder Vorrechten Dritter gegen Zahlung eines Kaufpreises von einem Euro auf Banco Santander übertragen würden. Der Erwerber habe der Übertragung bereits zugestimmt.

76      Der SRB wies auch darauf hin, dass die Übertragung der „neuen Anteile II“ auf der Grundlage des verbindlichen Angebots des Erwerbers vom 7. Juni 2017 erfolgen und vom FROB gemäß der Ley 11/2015 de recuperación y resolución de entidades de crédito y empresas de servicios de inversión (Gesetz 11/2015 zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen) vom 18. Juni 2015 (BOE Nr. 146 vom 19. Juni 2015, S. 50797, im Folgenden: Gesetz 11/2015) umgesetzt werden sollte.

77      Das Abwicklungskonzept wurde der Kommission am 7. Juni 2017 um 05.13 Uhr vorgelegt.

78      Am 7. Juni 2017 um 06.30 Uhr erließ die Kommission den Beschluss (EU) 2017/1246 zur Billigung des Abwicklungskonzepts für Banco Popular (ABl. 2017, L 178, S. 15) und stellte ihn dem SRB zu. Demgemäß trat das Abwicklungskonzept am selben Tag in Kraft.

79      Der vierte Erwägungsgrund des Beschlusses 2017/1246 lautet:

„Die Kommission stimmt dem Abwicklungskonzept zu. Sie stimmt insbesondere auch den Argumenten zu, die der [SRB] zur Begründung der Notwendigkeit einer Abwicklung im öffentlichen Interesse nach Artikel 5 der Verordnung … Nr. 806/2014 nennt.“

80      Am selben Tag erließ der FROB gemäß Art. 29 der Verordnung Nr. 806/2014 die erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung des Abwicklungskonzepts. In diesem Rahmen erteilte der FROB seine Zustimmung zur Übertragung der neuen Anteile von Banco Popular aus der Umwandlung der Instrumente des Ergänzungskapitals (der „neuen Anteile II“) auf Banco Santander.

D.      Zum Sachverhalt nach Erlass des Abwicklungsbeschlusses

81      Am 14. Juni 2018 übermittelte Deloitte dem SRB die in Art. 20 Abs. 16 bis 18 der Verordnung Nr. 806/2014 vorgesehene Bewertung in Bezug auf unterschiedliche Behandlung, mit der festgestellt werden sollte, ob Anteilseigner und Gläubiger besser behandelt worden wären, wenn für Banco Popular ein reguläres Insolvenzverfahren eingeleitet worden wäre (im Folgenden: Bewertung 3). Am 31. Juli 2018 übermittelte Deloitte dem SRB einen Nachtrag zu dieser Bewertung, mit dem bestimmte formale Fehler berichtigt wurden.

82      Am 28. September 2018 wurde Banco Santander infolge einer Verschmelzung durch Aufnahme Gesamtrechtsnachfolgerin von Banco Popular.

83      Am 17. März 2020 erließ der SRB den Beschluss SRB/EES/2020/52 zur Entscheidung, ob den Anteilseignern und Gläubigern, die von den Abwicklungsmaßnahmen für Banco Popular betroffen sind, Entschädigung gewährt werden muss. Eine Bekanntmachung dieses Beschlusses wurde am 20. März 2020 im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. 2020, C 91, S. 2) veröffentlicht. In diesem Beschluss vertrat der SRB die Auffassung, dass die von der Abwicklung von Banco Popular betroffenen Anteilseigner und Gläubiger keinen Anspruch auf eine Entschädigung durch den SRF nach Art. 76 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 806/2014 hätten.

III. Verfahren und Anträge der Parteien

84      Mit am 18. September 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingereichter Klageschrift hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

85      Mit am 15. November 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingereichtem Schriftsatz hat der SRB gemäß Art. 92 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts eine Beweiserhebung zur Vorlage bestimmter, in der Anlage genannter Schriftstücke beantragt. Am 30. November 2017 hat das Gericht beschlossen, diesem Antrag beim damaligen Verfahrensstand nicht stattzugeben.

86      Mit am 6. und 30. November sowie 5. bzw. 13. Dezember 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingereichten Schriftsätzen haben Banco Santander, der Rat, das Königreich Spanien und das Europäische Parlament beantragt, als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des SRB und der Kommission zum vorliegenden Verfahren zugelassen zu werden. Der Präsident der Achten Kammer des Gerichts hat mit Entscheidungen vom 6. August 2018 das Königreich Spanien, das Parlament und den Rat und mit Beschluss vom 12. April 2019 Banco Santander als Streithelfer zugelassen. Innerhalb der gesetzten Fristen haben das Königreich Spanien, das Parlament, der Rat und Banco Santander ihre Streithilfeschriftsätze sowie die Klägerin und der SRB ihre Stellungnahmen dazu eingereicht.

87      Am 16. Februar 2018 hat das Gericht im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 der Verfahrensordnung den SRB aufgefordert, die letzte nicht vertrauliche Fassung des Abwicklungskonzepts und eine nicht vertrauliche Fassung der Bewertung 2 vorzulegen, die auf dessen Website veröffentlicht sind. Der SRB hat die Schriftstücke fristgerecht vorgelegt.

88      Am 6. Juli 2018 hat das Gericht im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 der Verfahrensordnung den Hauptparteien schriftliche Fragen gestellt. Die Hauptparteien haben diese Fragen fristgerecht beantwortet.

89      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist nach Art. 27 Abs. 5 der Verfahrensordnung der Berichterstatter der Dritten Kammer zugeteilt worden, der die vorliegende Rechtssache deshalb zugewiesen worden ist.

90      Mit am 21. Januar 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eigereichtem Schriftsatz hat die Klägerin gemäß Art. 84 der Verfahrensordnung einen neuen Klagegrund vorgebracht. Die Kommission, der SRB, das Königreich Spanien, das Parlament, der Rat und Banco Santander haben dazu fristgerecht Stellung genommen.

91      Auf Vorschlag der Dritten Kammer hat das Gericht gemäß Art. 28 der Verfahrensordnung entschieden, die Rechtssache an einen erweiterten Spruchkörper zu verweisen.

92      Mit am 2. Oktober 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eigereichtem Schriftsatz hat die Klägerin gemäß Art. 85 Abs. 3 der Verfahrensordnung ein neues Beweisangebot vorgelegt. Die Kommission, der SRB, das Königreich Spanien, das Parlament, der Rat und Banco Santander haben dazu fristgerecht Stellung genommen.

93      Am 16. März 2021 hat das Gericht im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 der Verfahrensordnung den SRB zur Vorlage verschiedener Schriftstücke aufgefordert. Mit Schreiben vom 30. März 2021 hat der SRB geantwortet, dass diese Schriftstücke zum Teil vertraulich seien und vorgelegt werden könnten, wenn das Gericht eine Beweiserhebung beschließe.

94      Mit am 19. April 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingereichtem Schriftsatz hat die Klägerin ein neues Beweisangebot vorgelegt und den Erlass prozessleitender Maßnahmen beantragt. Die Kommission, der SRB, das Königreich Spanien, das Parlament, der Rat und Banco Santander haben dazu fristgerecht Stellung genommen.

95      Mit Beschluss vom 12. Mai 2021 hat das Gericht auf der Grundlage von Art. 24 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie Art. 91 Buchst. b, Art. 92 Abs. 3 und Art. 103 der Verfahrensordnung dem SRB aufgegeben, die vollständigen Fassungen des Abwicklungskonzepts, der Bewertung 2, der Bewertung der EZB vom 6. Juni 2017 betreffend den Ausfall oder wahrscheinlichen Ausfall von Banco Popular, des Schreibens von Banco Popular an die EZB vom 6. Juni 2017 einschließlich seiner Anlage und des Schreibens der EZB an Banco Popular vom 18. Mai 2017 vorzulegen. Das Gericht hat dem SRB zudem aufgegeben, die nicht vertraulichen Fassungen des Schreibens von Banco Popular an die EZB vom 6. Juni 2017 einschließlich seiner Anlage und das Schreiben der EZB an Banco Popular vom 18. Mai 2017 vorzulegen.

96      Mit am 17. Mai 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingereichtem Schriftsatz hat die Klägerin den Erlass prozessleitender Maßnahmen beantragt. Die Kommission, der SRB, das Königreich Spanien, das Parlament, der Rat und Banco Santander haben dazu fristgerecht Stellung genommen.

97      Mit Beschluss vom 9. Juni 2021 hat das Gericht die vertraulichen Fassungen der vom SRB gemäß dem Beschluss vom 12. Mai 2021 vorgelegten Schriftstücke aus den Akten entfernt sowie der Klägerin, dem Königreich Spanien, dem Parlament, dem Rat und Banco Santander das Schreiben von Banco Popular an die EZB vom 6. Juni 2017 ohne seine Anlage übermittelt.

98      Wegen Verhinderung zweier Mitglieder der Dritten erweiterten Kammer hat der Präsident des Gerichts zwei andere Richter zur Ergänzung der Kammer bestimmt.

99      Die Parteien haben in der Sitzung vom 17. Juni 2021 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

100    Mit am 30. Juli 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingereichtem Schriftsatz hat die Klägerin die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens gemäß Art. 113 Abs. 2 Buchst. c der Verfahrensordnung beantragt. Mit Entscheidung vom 27. August 2021 hat der Präsident der Dritten erweiterten Kammer diesen Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass keine der Voraussetzungen des Art. 113 Abs. 2 der Verfahrensordnung erfüllt sei, da die Tatsachen, auf die die Klägerin ihren Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens stütze, für die Entscheidung des Gerichts nicht von maßgeblicher Bedeutung seien.

101    Die Klägerin beantragt,

–        das Abwicklungskonzept und den Beschluss 2017/1246 (im Folgenden zusammen: angefochtene Beschlüsse) für nichtig zu erklären;

–        dem SRB die Kosten aufzuerlegen.

102    Die Kommission und der SRB beantragen,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

103    Das Königreich Spanien, der Rat und Banco Santander beantragen,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

104    Das Parlament beantragt,

–        die Klage abzuweisen, soweit sie auf Einreden der Rechtswidrigkeit der Verordnung Nr. 806/2014 gestützt ist;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

IV.    Rechtliche Würdigung

A.      Zum neuen Beweisangebot vom 19. April 2021

105    Mit am 19. April 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingereichtem Schriftsatz hat die Klägerin gemäß Art. 85 Abs. 3 der Verfahrensordnung ein neues Beweisangebot vorgelegt. Dieses Angebot betrifft einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten, den die Klägerin am 4. Mai 2018 an den SRB gerichtet hatte, um Zugang zu der endgültigen Ex-post-Bewertung von Banco Popular und der Antwort des SRB vom 19. Juni 2018 zu erhalten.

106    Die Kommission, der SRB und Banco Santander machen geltend, diese Schriftstücke seien für den vorliegenden Rechtsstreit nicht erheblich.

107    Nach Art. 85 Abs. 3 der Verfahrensordnung können die Hauptparteien ausnahmsweise noch vor Abschluss des mündlichen Verfahrens Beweise oder Beweisangebote vorlegen, sofern die Verspätung der Vorlage gerechtfertigt ist.

108    Nach ständiger Rechtsprechung ist die Rechtmäßigkeit eines Rechtsakts der Union anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses zu beurteilen (vgl. Urteil vom 3. September 2015, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Kommission, C‑398/13 P, EU:C:2015:535, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung). Folglich können Umstände, die nach dem Erlass des Rechtsakts der Union eingetreten sind, bei der Beurteilung seiner Rechtmäßigkeit nicht berücksichtigt werden (vgl. Urteil vom 17. Dezember 2014, Si.mobil/Kommission, T‑201/11, EU:T:2014:1096, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

109    Insoweit genügt die Feststellung, dass sich das neue Beweisangebot der Klägerin auf einen Schriftwechsel zwischen ihr und dem SRB bezieht, der einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten aus den Monaten Mai und Juni 2018 betrifft. Da diese Dokumente aus einer weit nach dem Erlass der angefochtenen Beschlüsse liegenden Zeit stammen, können sie somit deren Rechtmäßigkeit nicht in Frage stellen.

110    Zudem erläutert die Klägerin nicht, welche in diesem Schriftwechsel enthaltene Information für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich sein und welches Vorbringen in der Klageschrift oder in der Erwiderung durch diesen Schriftwechsel gestützt werden soll.

111    Somit ist das neue Beweisangebot, das die Klägerin am 19. April 2021 vorgelegt hat, für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidungen unerheblich, ohne dass geprüft zu werden braucht, ob die Klägerin die verspätete Vorlage dieser Schriftstücke, die ihr angesichts ihrer Datierung bereits vor Einreichung der Erwiderung zur Verfügung standen, gerechtfertigt hat.

B.      Zur Begründetheit

112    Die Klägerin führt in der Klageschrift zehn Klagegründe an. Mit dem ersten Klagegrund rügt sie eine Verletzung der Begründungspflicht und der Verteidigungsrechte, die in den Art. 15 und 296 AEUV sowie in den Art. 42 und 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) verankert seien. Mit dem zweiten Klagegrund rügt sie einen Verstoß gegen den Grundsatz nemo auditur propriam turpitudinem allegans und gegen Art. 88 der Verordnung Nr. 806/2014. Mit dem dritten Klagegrund erhebt sie eine Einrede der Rechtswidrigkeit, weil die Art. 21 und 24 der Verordnung Nr. 806/2014 gegen die Grundsätze der Befugnisübertragung verstießen. Mit dem vierten Klagegrund erhebt sie eine Einrede der Rechtswidrigkeit, weil die Art. 15 und 22 der Verordnung Nr. 806/2014 das in Art. 17 der Charta verankerte Eigentumsrecht und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach Art. 5 Abs. 4 EUV verletzten. Mit dem fünften Klagegrund erhebt sie eine Einrede der Rechtswidrigkeit, weil die Art. 18 und 20 der Verordnung Nr. 806/2014 das in den Art. 17 und 41 der Charta verankerte Recht auf Gehör verletzten. Mit dem sechsten Klagegrund rügt sie eine Verletzung des in Art. 17 der Charta verankerten Eigentumsrechts und einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 4 EUV. Mit dem siebten Klagegrund rügt sie eine Verletzung des in den Art. 17 und 41 der Charta verankerten Rechts auf Gehör. Mit dem achten Klagegrund rügt sie einen Verstoß gegen Art. 18 der Verordnung Nr. 806/2014, gegen die Sorgfaltspflicht und gegen Art. 296 AEUV. Mit dem neunten Klagegrund rügt sie einen Verstoß gegen die Art. 14 und 20 der Verordnung Nr. 806/2014, gegen die Sorgfaltspflicht und gegen Art. 296 AEUV. Mit dem zehnten Klagegrund rügt sie einen Verstoß gegen Art. 14 der Verordnung Nr. 806/2014, gegen die Sorgfaltspflicht und gegen Art. 296 AEUV.

113    In der Erwiderung macht die Klägerin zwei neue Klagegründe geltend. Mit dem elften Klagegrund rügt sie einen Verstoß gegen Art. 20 Abs. 14 der Verordnung Nr. 806/2014 in Verbindung mit deren Art. 20 Abs. 11 und 15 sowie die Verletzung wesentlicher Formvorschriften. Mit dem zwölften Klagegrund macht sie einen Verstoß gegen Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 in Verbindung mit deren Art. 20 Abs. 3 und 5 geltend.

114    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtsprechung die vom Gericht ausgeübte Kontrolle sowohl in Fällen begrenzt hat, in denen die angefochtene Handlung auf hochkomplexe tatsächliche Umstände wissenschaftlicher und technischer Art gestützt ist, als auch in solchen, in denen es um komplexe wirtschaftliche Wertungen geht.

115    Zum einen muss sich in den Fällen, in denen die Unionsbehörden über ein weites Ermessen insbesondere in Bezug auf die Beurteilung hochkomplexer wissenschaftlicher und technischer tatsächlicher Umstände bei der Festlegung von Art und Umfang der von ihnen erlassenen Maßnahmen verfügen, die Kontrolle durch den Unionsrichter auf die Prüfung beschränken, ob die Ausübung dieses Ermessens nicht offensichtlich fehlerhaft ist oder einen Ermessensmissbrauch darstellt oder ob diese Behörden die Grenzen ihres Ermessens nicht offensichtlich überschritten haben. In einem solchen Kontext darf der Unionsrichter nicht seine Beurteilung der tatsächlichen Umstände wissenschaftlicher und technischer Art an die Stelle derjenigen der Unionsbehörden setzen, denen allein der AEU‑Vertrag diese Aufgabe zugewiesen hat (Urteile vom 21. Juli 2011 Etimine, C‑15/10, EU:C:2011:504, Rn. 60, und vom 7. März 2013, Bilbaína de Alquitranes u. a./ECHA, T‑93/10, EU:T:2013:106, Rn. 76; vgl. auch Urteil vom 11. Mai 2017, Deza/ECHA, T‑115/15, EU:T:2017:329, Rn. 163 und die dort angeführte Rechtsprechung).

116    Zum anderen handelt es sich bei der Kontrolle, die die Unionsgerichte in Bezug auf die Würdigung komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten durch die Unionsbehörden ausüben, um eine beschränkte Kontrolle, die sich zwangsläufig auf die Prüfung beschränkt, ob die Verfahrens- und Begründungsvorschriften eingehalten worden sind, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt worden ist und ob kein offensichtlicher Beurteilungsfehler oder Ermessensmissbrauch vorliegt. Im Rahmen dieser Kontrolle darf der Unionsrichter somit nicht die wirtschaftliche Beurteilung seitens der Kommission durch seine eigene ersetzen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Juli 1985, Remia u. a./Kommission, 42/84, EU:C:1985:327, Rn. 34, vom 10. Dezember 2020, Comune di Milano/Kommission, C‑160/19 P, EU:C:2020:1012, Rn. 100 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 16. Januar 2020, Iberpotash/Kommission, T‑257/18, EU:T:2020:1, Rn. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung).

117    Da die Beschlüsse, die der SRB im Rahmen eines Abwicklungsverfahrens zu erlassen hat, auf hochkomplexen wirtschaftlichen und technischen Beurteilungen beruhen, gelten die Grundsätze, die sich aus der oben in den Rn. 115 und 116 angeführten Rechtsprechung ergeben, für die Kontrolle, die das Gericht auszuüben hat.

118    Auch wenn dem SRB ein Beurteilungsspielraum in wirtschaftlichen und technischen Fragen zusteht, bedeutet dies jedoch nicht, dass der Unionsrichter die Auslegung der Wirtschaftsdaten durch den SRB, die dessen Beschluss zugrunde liegen, nicht kontrollieren darf. Denn der Unionsrichter muss, wie der Gerichtshof entschieden hat, selbst bei komplexen Beurteilungen nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. November 2007, Spanien/Lenzing, C‑525/04 P, EU:C:2007:698, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 26. März 2019, Kommission/Italien, C‑621/16 P, EU:C:2019:251, Rn. 104 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 10. Dezember 2020, Comune di Milano/Kommission, C‑160/19 P, EU:C:2020:1012, Rn. 115 und die dort angeführte Rechtsprechung).

119    Ein die Nichtigerklärung des Abwicklungskonzepts rechtfertigender offensichtlicher Fehler des SRB bei der Würdigung des Sachverhalts kann nur festgestellt werden, wenn die vom Kläger vorgelegten Beweise ausreichen, um die in diesem Konzept vorgenommene Sachverhaltswürdigung nicht plausibel erscheinen zu lassen (vgl. entsprechend Urteile vom 14. Juni 2018, Lubrizol France/Rat, C‑223/17 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:442, Rn. 39, vom 12. Dezember 1996, AIUFFASS und AKT/Kommission, T‑380/94, EU:T:1996:195, Rn. 59, und vom 13. Dezember 2018, Comune di Milano/Kommission, T‑167/13, EU:T:2018:940, Rn. 108 und die dort angeführte Rechtsprechung).

120    Das Gericht hält es für zweckmäßig, zunächst die mit dem dritten, dem vierten und dem fünften Klagegrund erhobenen Rechtswidrigkeitseinreden, sodann den achten Klagegrund und schließlich die übrigen Klagegründe zu prüfen.

1.      Zum dritten Klagegrund: Einrede der Rechtswidrigkeit wegen Verletzung der für die Befugnisübertragung geltenden Grundsätze durch die Art. 21 und 24 der Verordnung Nr. 806/2014

121    Die Klägerin macht geltend, die Art. 21 und 24 der Verordnung Nr. 806/2014 verstießen gegen die Grundsätze, die in den Urteilen vom 13. Juni 1958, Meroni/Hohe Behörde (9/56, EU:C:1958:7), und vom 22. Januar 2014, Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat (C‑270/12, EU:C:2014:18), für die Übertragung von Befugnissen durch die Organe aufgestellt worden seien. Die Übertragung der Befugnis nach Art. 21 der Verordnung Nr. 806/2014 zur Herabschreibung und Umwandlung von Kapitalinstrumenten und der Befugnis nach Art. 24 dieser Verordnung zur Unternehmensveräußerung auf den SRB genüge nicht den drei in diesen Urteilen aufgestellten Voraussetzungen, denn die Ziele seien nicht genau festgelegt, die Umstände und Bedingungen, unter denen diese Befugnisse ausgeübt werden könnten, seien nicht abgegrenzt und die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sei nicht gewährleistet.

122    Die Kommission, das Parlament und der Rat machen der Sache nach geltend, der Unionsgesetzgeber habe dem SRB keine Ermessensbefugnisse übertragen, da dessen Abwicklungskonzept nur dann bindende Rechtswirkungen entfalte, wenn es von der Kommission oder vom Rat gebilligt werde. Die Befugnisse nach den Art. 21 und 24 der Verordnung Nr. 806/2014 erforderten eine Billigung durch die Kommission gemäß dem Urteil vom 13. Juni 1958, Meroni/Hohe Behörde (9/56, EU:C:1958:7). Da die Befugnis zur Entscheidung über Fragen, die mit der Ausübung von Ermessen verbunden seien, der Kommission oder dem Rat vorbehalten sei, trügen diese die rechtliche und politische Verantwortung für die Abwicklungspolitik der Union.

123    Es ist darauf hinzuweisen, dass die Verträge keine Bestimmung enthalten, die die Übertragung von Zuständigkeiten auf eine Einrichtung oder eine Agentur der Union vorsieht. So werden die Agenturen weder in Art. 290 AEUV, der die Übertragung von Regelungsbefugnissen auf die Kommission im Rahmen von Gesetzgebungsakten vorsieht, noch in Art. 291 AEUV erwähnt, der den Mitgliedstaaten, der Kommission und unter bestimmten Umständen dem Rat Durchführungsbefugnisse überträgt (Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen in der Rechtssache Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat, C‑270/12, EU:C:2013:562, Nr. 75).

124    Die Grundsätze für die Übertragung von Befugnissen sind somit von der Rechtsprechung, insbesondere im Urteil vom 13. Juni 1958, Meroni/Hohe Behörde (9/56, EU:C:1958:7), aufgestellt worden. Diese Grundsätze sind sodann im Urteil vom 22. Januar 2014, Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat (C‑270/12, EU:C:2014:18), auf den Fall angewandt worden, dass der Unionsgesetzgeber einer Agentur autonome Befugnisse zugewiesen hat.

125    In Rn. 41 des Urteils vom 22. Januar 2014, Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat (C‑270/12, EU:C:2014:18), hat der Gerichtshof ausgeführt, dass er im Urteil vom 13. Juni 1958, Meroni/Hohe Behörde (9/56, EU:C:1958:7), im Wesentlichen darauf hingewiesen hat, dass sich eine Übertragung von Befugnissen sehr verschieden auswirken kann. Handelt es sich dabei um genau umgrenzte Ausführungsbefugnisse, so unterliegt deren Ausübung einer strengen Kontrolle im Hinblick auf die Beachtung objektiver Tatbestandsmerkmale, die von der übertragenden Behörde festgesetzt werden; handelt es sich dagegen um „Befugnisse, die nach freiem Ermessen auszuüben sind und die einen weiten Ermessensspielraum voraussetzen, so ermöglichen sie, je nach der Art ihrer Ausübung, die Verwirklichung einer ausgesprochenen Wirtschaftspolitik“.

126    Außerdem hat der Gerichtshof auf seine ebenfalls im Urteil vom 13. Juni 1958, Meroni/Hohe Behörde (9/56, EU:C:1958:7), getroffene Feststellung hingewiesen, dass eine Delegation der ersten Art nicht geeignet ist, die Ausübung der übertragenen Befugnisse wesentlich zu beeinflussen, während eine Delegation der zweiten Art dadurch, dass an die Stelle des Ermessens der übertragenden Behörde das Ermessen derjenigen Stelle tritt, der die Befugnisse übertragen worden sind, eine „tatsächliche Verlagerung der Verantwortung“ bewirkt (Urteil vom 22. Januar 2014, Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat, C‑270/12, EU:C:2014:18, Rn. 42).

127    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber das mit der Verordnung Nr. 806/2014 für den Erlass von Abwicklungsmaßnahmen geschaffene Verfahren nach der Stellungnahme des Juristischen Dienstes des Rates eingeführt hat, der in einem Gutachten vom 7. Oktober 2013 das ursprünglich im Verordnungsvorschlag der Kommission vorgesehene Verfahren auf seine Vereinbarkeit mit den Grundsätzen für die Übertragung von Befugnissen in ihrer Auslegung im Urteil vom 13. Juni 1958, Meroni/Hohe Behörde (9/56, EU:C:1958:7), beurteilt hatte.

128    Ursprünglich sah der in diesem Gutachten geprüfte Verordnungsvorschlag eine andere Zuständigkeitsverteilung zwischen der Kommission und dem SRB vor, als sie schließlich in der Verordnung Nr. 806/2014 festgelegt wurde. Insbesondere sollte die Kommission befugt sein, eine Einrichtung abzuwickeln, einen Rahmen für die Verwendung von Abwicklungsinstrumenten zu schaffen und zu entscheiden, ob und wie die Befugnisse zur Herabschreibung und zur Umwandlung von Kapitalinstrumenten zu nutzen waren, und der SRB sollte gemäß dem von der Kommission festgelegten Rahmen für den Erlass der an die nationalen Abwicklungsbehörden gerichteten Beschlüsse zuständig sein.

129    In seinem Gutachten wies der Juristische Dienst des Rates darauf hin, dass einige Maßnahmen, die der SRB in einen Abwicklungsbeschluss aufnehmen könne, nicht hinreichend genau bestimmt seien. Die allgemeine Systematik und die Struktur des Verordnungsvorschlags, wonach die Kommission den Basisbeschluss über die Abwicklung erlasse und der SRB im Rahmen der von der Kommission aufgestellten Kriterien handeln müsse, seien mit dem Unionsrecht in seiner Auslegung durch das Urteil vom 13. Juni 1958, Meroni/Hohe Behörde (9/56, EU:C:1958:7), vereinbar. Die Befugnisse des SRB zur Umsetzung der Abwicklungsinstrumente und seiner Beschlüsse schienen jedoch in gewissem Umfang Ermessenscharakter zu haben und über die Ausübung rein technischer Befugnisse hinauszugehen. Es könne daher erforderlich sein, entweder weitere Bestimmungen in die Verordnung aufzunehmen, um die Anwendung der Abwicklungsinstrumente durch den SRB ordnungsgemäß zu regeln, oder ein mit Durchführungsbefugnissen ausgestattetes Unionsorgan in die Ausübung dieser Befugnisse einzubeziehen.

130    Der Unionsgesetzgeber hat unter Berücksichtigung dieses Gutachtens des Juristischen Dienstes des Rates den Mechanismus für den Erlass von Abwicklungsmaßnahmen geändert. Da dieser Erlass einen Ermessensspielraum impliziert, hat der Gesetzgeber diese Zuständigkeit einem Organ vorbehalten und nicht dem SRB übertragen.

131    Dies geht insbesondere aus den Erwägungsgründen 24 und 26 der Verordnung Nr. 806/2014 hervor, in denen es heißt:

„(24)      Da nur Organe der Union die Abwicklungspolitik der Union festlegen dürfen und da bei der Festlegung jedes spezifischen Abwicklungskonzepts ein Ermessensspielraum verbleibt, ist es notwendig, für die angemessene Einbeziehung des Rates und der Kommission als Organe zu sorgen, die gemäß Artikel 291 AEUV Durchführungsbefugnisse ausüben dürfen. Die Bewertung der Aspekte von durch den [SRB] gefassten Abwicklungsbeschlüssen, bei denen ein Ermessensspielraum besteht, sollte durch die Kommission erfolgen. Wegen der beträchtlichen Auswirkungen der Abwicklungsbeschlüsse auf die finanzielle Stabilität der Mitgliedstaaten und der Union als solche sowie auf die Haushaltshoheit der Mitgliedstaaten, ist es wichtig, dass dem Rat Durchführungsbefugnisse zum Erlass bestimmter Beschlüsse im Zusammenhang mit der Abwicklung übertragen werden. Deshalb sollte es dem Rat obliegen, auf Vorschlag der Kommission eine wirksame Kontrolle über die durch den [SRB] vorgenommene Bewertung der Frage auszuüben, ob ein öffentliches Interesse besteht, und etwaige erhebliche Änderungen an dem Betrag aus dem Fonds zu bewerten, der im Rahmen einer konkreten Abwicklungsmaßnahme in Anspruch genommen werden soll. …

(26)      … Wenn der [SRB] der Auffassung ist, dass alle Kriterien im Zusammenhang mit der Einleitung von Abwicklungen erfüllt sind, sollte er das Abwicklungskonzept festlegen. Das Verfahren im Zusammenhang mit der Festlegung des Abwicklungskonzepts, an dem die Kommission und der Rat beteiligt sind, stärkt die notwendige operative Unabhängigkeit des [SRB], ohne den Grundsatz der Übertragung von Befugnissen auf Einrichtungen entsprechend der Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union … anzutasten. Deshalb ist in dieser Verordnung vorgesehen, dass das vom [SRB] angenommene Abwicklungskonzept nur in Kraft tritt, wenn innerhalb einer Frist von 24 Stunden nach Annahme des Konzepts durch den [SRB] weder der Rat noch die Kommission Einwände erhoben haben oder wenn das Abwicklungskonzept durch die Kommission gebilligt wurde. Die Gründe, die es dem Rat gestatten, auf Vorschlag der Kommission Einwände gegen das Abwicklungskonzept des [SRB] zu erheben, sollten strikt auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses und auf erhebliche Änderungen des Betrags der Inanspruchnahme des Fonds, wie er vom [SRB] vorgeschlagen wurde, durch die Kommission beschränkt sein. … Als Beobachterin in den Sitzungen des [SRB] sollte sich die Kommission laufend vergewissern, dass das vom [SRB] festgelegte Abwicklungskonzept in jeder Hinsicht im Einklang mit dieser Verordnung steht, für ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Zielen und Interessen, um die es geht, sorgt, dem öffentlichen Interesse Rechnung trägt und dass die Integrität des Binnenmarkts gewahrt ist. Da die Abwicklungsmaßnahme einen sehr zügigen Beschlussfassungsprozess erfordert, sollten der Rat und die Kommission eng zusammenarbeiten, und der Rat sollte die bereits durch die Kommission geleisteten vorbereitenden Arbeiten nicht erneut durchführen. …“

132    Demgemäß sieht Art. 18 Abs. 7 der Verordnung Nr. 806/2014 für das Abwicklungsverfahren vor, dass die Kommission entweder das Abwicklungskonzept billigt oder hinsichtlich der Aspekte des Konzepts, bei denen ein Ermessensspielraum besteht, Einwände erhebt und dass ein Abwicklungskonzept nur in Kraft treten kann, wenn weder der Rat noch die Kommission innerhalb von 24 Stunden nach seiner Übermittlung durch den SRB Einwände erhoben haben.

133    Daher muss nach Art. 18 Abs. 7 der Verordnung Nr. 806/2014 ein Unionsorgan, und zwar die Kommission oder der Rat, das Abwicklungskonzept hinsichtlich seiner Ermessensaspekte billigen, damit es Rechtswirkungen entfaltet. Der Unionsgesetzgeber hat demnach einem Organ die rechtliche und politische Verantwortung übertragen, die Politik der Union im Bereich der Abwicklung festzulegen, und damit eine „tatsächliche Verlagerung der Verantwortung“ im Sinne des Urteils vom 13. Juni 1958, Meroni/Hohe Behörde (9/56, EU:C:1958:7), vermieden.

134    Wie die Kommission, das Parlament und der Rat geltend machen, hat der europäische Gesetzgeber, indem er das in der Verordnung Nr. 806/2014 vorgesehene Verfahren für den Erlass einer Abwicklungsmaßnahme eingeführt und den Beschluss über die Ermessensaspekte einer solchen Maßnahme ausdrücklich den Unionsorganen vorbehalten hat, dem SRB keine eigenständige Befugnis übertragen.

135    Im Licht dieser Erwägungen sind die Befugnisse zu prüfen, die dem SRB durch Art. 21 der Verordnung Nr. 806/2014 über die Befugnis zur Herabschreibung und zur Umwandlung von Kapitalinstrumenten und deren Art. 24 über das Instrument der Unternehmensveräußerung zugewiesen worden sind, gegen die sich die von der Klägerin erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit richtet.

136    Zunächst ist festzustellen, dass für die Wahl des Instruments der Unternehmensveräußerung und die Ausübung der Befugnis zur Herabschreibung und zur Umwandlung von Kapitalinstrumenten im Rahmen einer Abwicklungsmaßnahme die Voraussetzungen für die Annahme eines Abwicklungskonzepts gemäß Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 erfüllt sein müssen. Insbesondere muss die Abwicklungsmaßnahme im Sinne von Art. 18 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 806/2014 im öffentlichen Interesse erforderlich sein.

137    Nach Art. 18 Abs. 7 Unterabs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 806/2014 kann die Kommission dem Rat nach Übermittlung des Abwicklungskonzepts durch den SRB die Erhebung von Einwänden mit der Begründung vorschlagen, dass das vom SRB angenommene Abwicklungskonzept nicht das Kriterium des öffentlichen Interesses im Sinne von Abs. 1 Buchst. c dieses Artikels erfülle.

138    Nur wenn die Voraussetzung nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 806/2014 erfüllt ist, kann der Beschluss zur Abwicklung eines Instituts gefasst werden, und die Kontrolle, ob die Maßnahme im öffentlichen Interesse erforderlich ist, bedingt die Ausübung eines Ermessens, das mit einem weiten Wertungsspielraum einhergeht. Aus diesem Grund hat der Unionsgesetzgeber ausdrücklich der Kommission und gegebenenfalls dem Rat, nicht aber dem SRB die Kontrolle der Einhaltung dieser Voraussetzung übertragen.

139    Nach Art. 18 Abs. 5 der Verordnung Nr. 806/2014 ist „[f]ür die Zwecke von Absatz 1 Buchstabe c dieses Artikels … eine Abwicklungsmaßnahme als im öffentlichen Interesse liegend zu betrachten, wenn sie für das Erreichen eines oder mehrerer der in Artikel 14 genannten Abwicklungsziele notwendig und mit Blick auf diese Ziele verhältnismäßig ist und wenn dies bei einer Liquidation des Unternehmens im Wege eines regulären Insolvenzverfahrens nicht im selben Umfang der Fall wäre“.

140    Art. 14 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 lautet:

„Werden der [SRB], der Rat, die Kommission und gegebenenfalls die nationalen Abwicklungsbehörden im Rahmen des in Artikel 18 genannten Abwicklungsverfahrens tätig, tragen sie dabei in Bezug auf ihre jeweiligen Zuständigkeiten den Abwicklungszielen Rechnung und wählen die Abwicklungsinstrumente und die Abwicklungsbefugnisse aus, mit denen sich ihrer Ansicht nach den Umständen des Einzelfalls relevanten Abwicklungsziele am besten erreichen lassen.“

141    Daraus ergibt sich, dass es Sache der Kommission ist, im Rahmen ihrer Beurteilung der Beachtung des Kriteriums des öffentlichen Interesses zu prüfen, ob die Wahl des Abwicklungsinstruments und die Ausübung der Befugnis zur Herabschreibung und zur Umwandlung von Kapitalinstrumenten im Hinblick auf die Abwicklungsziele angemessen und verhältnismäßig sind. Zudem muss die Kommission prüfen, ob das vom SRB vorgesehene Abwicklungskonzept der Lage des betreffenden Unternehmens angemessen ist, u. a. in Ansehung der Gründe, aus denen das Unternehmen für ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend erachtet worden ist.

142    Daher ist zum einen festzustellen, dass die Wahl des Instruments der Unternehmensveräußerung gemäß Art. 24 der Verordnung Nr. 806/2014 als Abwicklungsinstrument bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme anhand des Kriteriums des öffentlichen Interesses zu berücksichtigen ist und dass es nach der Verordnung Nr. 806/2014 ausdrücklich Sache der Kommission ist, diese Wahl zu billigen oder Einwände zu erheben. Somit ist festzustellen, dass dieser Artikel dem SRB kein Ermessen einräumt.

143    Zum anderen ist zur Ausübung der Befugnis nach Art. 21 der Verordnung Nr. 806/2014 zur Herabschreibung und zur Umwandlung von Kapitalinstrumenten darauf hinzuweisen, dass dieser Artikel zahlreiche Verweise auf das Verfahren des Art. 18 dieser Verordnung enthält, u. a. in seinem Abs. 9, wonach, wenn „eine oder mehrere der Voraussetzungen gemäß Absatz 1 und gemäß Artikel 18 Absatz 2 gegeben [ist bzw. sind], … das in Artikel 18 Absätze 6, 7 und 8 dargelegte Verfahren Anwendung [findet]“. Somit unterliegt die Entscheidung für die Herabschreibung und die Umwandlung von Kapitalinstrumenten des Unternehmens dem Verfahren zur Annahme des Abwicklungskonzepts nach Art. 18 der Verordnung Nr. 806/2014 und bedarf u. a. der Billigung durch die Kommission.

144    Zudem gehört die Befugnis zur Herabschreibung und zur Umwandlung von Kapitalinstrumenten zu den Befugnissen nach Art. 14 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014, deren Ausübung in angemessenem Verhältnis zu den Abwicklungszielen stehen muss und die der Beurteilung der Beachtung des Kriteriums des öffentlichen Interesses durch die Kommission unterliegen. Daher ist festzustellen, dass Art. 21 der Verordnung Nr. 806/2014 dem SRB kein Ermessen einräumt.

145    Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Wahl des Instruments der Unternehmensveräußerung und die Ausübung der Befugnis zur Herabschreibung und zur Umwandlung von Kapitalinstrumenten als wesentliche Elemente des Abwicklungskonzepts nur Rechtswirkungen entfalten, wenn ein Unionsorgan, nämlich die Kommission oder der Rat, sie gebilligt hat.

146    Daher ist festzustellen, dass dem SRB mit den Art. 21 und 24 der Verordnung Nr. 806/2014 keine autonomen Befugnisse im Sinne des Urteils vom 13. Juni 1958, Meroni/Hohe Behörde (9/56, EU:C:1958:7), übertragen worden sind.

147    Mit ihrem Vorbringen macht die Klägerin der Sache nach geltend, dass die Übertragung von Befugnissen an den SRB durch die Art. 21 und 24 der Verordnung Nr. 806/2014 nicht den Voraussetzungen genüge, die in dem oben in Rn. 121 angeführten Urteil vom 22. Januar 2014, Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat (C‑270/12, EU:C:2014:18), aufgestellt worden seien.

148    Da mit den Art. 21 und 24 der Verordnung Nr. 806/2014, wie festgestellt, keine Befugnisse an den SRB übertragen worden sind, gelten die vom Gerichtshof im Urteil vom 22. Januar 2014, Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat (C‑270/12, EU:C:2014:18), aufgestellten Voraussetzungen, unter denen eine Übertragung von Befugnissen an eine Agentur mit den im Urteil vom 13. Juni 1958, Meroni/Hohe Behörde (9/56, EU:C:1958:7), aufgestellten Grundsätzen im Einklang steht, somit im vorliegenden Fall nicht. Daher ist das Vorbringen, die mit diesem Urteil aufgestellten Voraussetzungen seien nicht erfüllt, nicht erheblich.

149    Nach alledem ist die Einrede der Rechtswidrigkeit der Art. 21 und 24 der Verordnung Nr. 806/2014 zurückzuweisen.

2.      Zum vierten Klagegrund: Einrede der Rechtswidrigkeit der Art. 15 und 22 der Verordnung Nr. 806/2014, weil diese das in Art. 17 der Charta verankerte Eigentumsrecht und den in Art. 5 Abs. 4 EUV vorgesehenen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzten

150    Die Klägerin erhebt auf der Grundlage von Art. 277 AEUV eine Einrede der Rechtswidrigkeit der Art. 15 und 22 der Verordnung Nr. 806/2014. Sie macht der Sache nach geltend, da nach diesen Bestimmungen Verluste zuerst von den Anteilseignern zu tragen seien, verletzten sie zum einen das durch Art. 17 der Charta verbürgte Eigentumsrecht, ohne dass diese Einschränkung nach Art. 52 Abs. 1 der Charta als gerechtfertigt angesehen werden könne, und zum anderen den durch Art. 5 Abs. 4 EUV verbürgten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

151    Die Art. 15 und 22 der Verordnung Nr. 806/2014 schränkten das Eigentumsrecht der Anteilseigner ein, da diese die aus der Abwicklung folgenden Verluste zu tragen hätten. Diese Artikel verhinderten die Suche nach weniger belastenden Lösungen und erfüllten damit nicht die Voraussetzungen nach Art. 52 Abs. 1 der Charta. Es bestehe keine allgemeine Vermutung für ein öffentliches Interesse daran, dass Verluste zuerst von den Anteilseignern zu tragen seien, ohne dass andere Maßnahmen geprüft werden könnten. Die Behörde müsse das öffentliche Interesse daran, dass keine öffentlichen Mittel eingesetzt würden oder dass der SRF nicht in Anspruch genommen werde, in jedem Einzelfall nach Maßgabe der Lage der öffentlichen Finanzen, der Marktlage, des wirtschaftlichen Kontexts sowie der Solvenz des Instituts beurteilen können.

152    Die Art. 15 und 22 der Verordnung Nr. 806/2014 verstießen auch gegen den durch Art. 5 Abs. 4 EUV verbürgten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, denn der SRB müsse im Einzelfall überprüfen können, ob ein öffentliches Interesse daran bestehe, dass Verluste von den Anteilseignern getragen würden, oder ob je nach den Umständen des Einzelfalls das Eigentumsrecht vorgehen müsse. Mit diesen Artikeln werde auch eine Ungleichbehandlung der verschiedenen Gläubigerklassen geschaffen, u. a. hinsichtlich des Art. 27 Abs. 3 der Verordnung Nr. 806/2014.

153    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die von der Klägerin als rechtswidrig beanstandeten Bestimmungen die allgemeinen Grundsätze enthalten, die für die Abwicklung oder die Abwicklungsinstrumente gelten.

154    In Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 heißt es:

„Werden der [SRB], der Rat und die Kommission sowie gegebenenfalls die nationalen Abwicklungsbehörden im Rahmen des in Artikel 18 genannten Abwicklungsverfahrens tätig, treffen sie alle geeigneten Maßnahmen, damit die Abwicklung im Einklang mit nachstehenden Grundsätzen erfolgt:

a)      Verluste werden zuerst von den Anteilseignern des in Abwicklung befindlichen Instituts getragen.

…“

155    Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 lautet:

„Beschließt der [SRB], ein Abwicklungsinstrument auf ein Unternehmen oder eine Gruppe im Sinne des Artikels 7 Absatz 2 oder auf ein Unternehmen oder eine Gruppe im Sinne des Artikels 7 Absatz 4 Buchstabe b und Absatz 5, sofern die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Absätze erfüllt sind, anzuwenden und würde die Abwicklungsmaßnahme zu Verlusten für die Gläubiger oder zu einer Umwandlung ihrer Forderungen führen, weist der [SRB] die nationalen Abwicklungsbehörden an, die Befugnis zur Herabschreibung oder Umwandlung von relevanten Kapitalinstrumenten gemäß Artikel 21 unmittelbar vor oder zeitgleich mit der Anwendung des Abwicklungsinstruments auszuüben.“

156    In der Herabschreibung und der Umwandlung von Kapitalinstrumenten nach Art. 22 der Verordnung Nr. 806/2014 ist eine Anwendung des in deren Art. 15 vorgesehenen Grundsatzes zu sehen, dass Verluste zuerst von den Anteilseignern getragen werden.

157    Art. 17 Abs. 1 der Charta lautet:

„Jede Person hat das Recht, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn aus Gründen des öffentlichen Interesses in den Fällen und unter den Bedingungen, die in einem Gesetz vorgesehen sind, sowie gegen eine rechtzeitige angemessene Entschädigung für den Verlust des Eigentums. Die Nutzung des Eigentums kann gesetzlich geregelt werden, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist.“

158    Art. 52 Abs. 1 der Charta lautet:

„Jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten muss gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.“

159    Nach ständiger Rechtsprechung gilt das durch Art. 17 Abs. 1 der Charta verbürgte Eigentumsrecht nicht schrankenlos, und seine Ausübung kann Einschränkungen unterworfen werden, die durch dem Gemeinwohl dienende Ziele der Union gerechtfertigt sind. Das Eigentumsrecht kann daher, wie aus Art. 52 Abs. 1 der Charta hervorgeht, Einschränkungen unterworfen werden, sofern diese Einschränkungen tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und nicht tragbaren Eingriff darstellen, der das so gewährleistete Recht in seinem Wesensgehalt antasten würde (vgl. Urteil vom 20. September 2016, Ledra Advertising u. a./Kommission und EZB, C‑8/15 P bis C‑10/15 P, EU:C:2016:701, Rn. 69 und 70 sowie die dort angeführte Rechtsprechung; Urteile vom 16. Juli 2020, Adusbef u. a., C‑686/18, EU:C:2020:567, Rn. 85, und vom 23. Mai 2019, Steinhoff u. a./EZB, T‑107/17, EU:T:2019:353, Rn. 100).

160    Daraus folgt, dass das Eigentumsrecht kein schrankenloses Recht ist, sondern Einschränkungen unterworfen werden kann, sofern diese in den anwendbaren Regelungen vorgesehen, zur Verfolgung eines dem Gemeinwohl dienenden Ziels erforderlich und im Hinblick auf dieses Ziel verhältnismäßig sind.

161    Als Erstes geht aus der Rechtsprechung hervor, dass Finanzdienstleistungen in der Wirtschaft der Union eine zentrale Rolle spielen. Banken und sonstige Kreditinstitute sind eine wesentliche Finanzierungsquelle für auf den verschiedenen Märkten tätige Unternehmen. Außerdem sind Banken häufig eng untereinander verbunden, und viele operieren auf internationaler Ebene. Deshalb besteht das Risiko, dass die Insolvenz einer oder mehrerer Banken rasch auf andere Banken – sowohl im Herkunftsstaat als auch in anderen Mitgliedstaaten – übergreift. Dies wiederum birgt die Gefahr, dass negative Auswirkungen auch in anderen Wirtschaftssektoren spürbar werden (Urteile vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a., C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 50, vom 20. September 2016, Ledra Advertising u. a./Kommission und EZB, C‑8/15 P bis C‑10/15 P, EU:C:2016:701, Rn. 72, und vom 25. März 2021, Balgarska Narodna Banka, C‑501/18, EU:C:2021:249, Rn. 108).

162    Dem Gerichtshof zufolge stellt das Ziel, die Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten, gleichzeitig aber übermäßige öffentliche Ausgaben zu vermeiden und Wettbewerbsverzerrungen auf ein Minimum zu beschränken, ein hochrangiges öffentliches Interesse dar (Urteil vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a., C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 69).

163    Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, können unter Berücksichtigung des Ziels, die Stabilität des Bankensystems im Euro-Währungsgebiet sicherzustellen, und in Anbetracht der Gefahr finanzieller Verluste, die den Einlegern bei den betroffenen Banken im Fall von deren Zahlungsunfähigkeit unmittelbar droht, bestimmte Einschränkungen des Eigentumsrechts gerechtfertigt sein (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. September 2016, Ledra Advertising u. a./Kommission und EZB, C‑8/15 P bis C‑10/15 P, EU:C:2016:701, Rn. 74).

164    Der Gerichtshof hat ebenfalls entschieden, dass zwar ein klares öffentliches Interesse daran besteht, in der gesamten Union einen wirksamen und einheitlichen Schutz der Investoren zu gewährleisten, dass aber nicht davon ausgegangen werden kann, dass dieses Interesse in jedem Fall Vorrang vor dem öffentlichen Interesse an der Gewährleistung der Stabilität des Finanzsystems hat (Urteile vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a., C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 91, und vom 8. November 2016, Dowling u. a., C‑41/15, EU:C:2016:836, Rn. 54).

165    In dieser Hinsicht heißt es im 61. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 806/2014, dass die Einschränkungen der Anteilseigner- und Gläubigerrechte in Übereinstimmung mit Art. 52 der Charta erfolgen und die Abwicklungsinstrumente folglich nur auf die Unternehmen angewandt werden sollten, die ausfallen oder wahrscheinlich ausfallen, und auch nur dann, wenn dies dem Ziel der Wahrung der Finanzstabilität im Allgemeininteresse dient.

166    Art. 15 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 sehen ausdrücklich vor, dass sie im Rahmen einer Abwicklungsmaßnahme angewandt werden, was bedingt, dass sie den Abwicklungszielen entsprechen müssen.

167    Die Abwicklungsziele sind nach Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 die Sicherstellung der Kontinuität kritischer Funktionen, die Vermeidung erheblicher negativer Auswirkungen auf die Finanzstabilität, vor allem durch die Verhinderung einer Ansteckung, der Schutz öffentlicher Mittel durch geringere Inanspruchnahme außerordentlicher finanzieller Unterstützung aus öffentlichen Mitteln und der Schutz der Einleger sowie der Gelder und Vermögenswerte der Kunden.

168    Daher ist festzustellen, dass das Ziel, das mit einer Abwicklungsmaßnahme verfolgt wird, die die Stabilität des Finanzsystems gewährleisten soll, ein Gemeinwohlziel ist, das nach der oben in den Rn. 162 bis 164 angeführten Rechtsprechung bestimmte Einschränkungen des Eigentumsrechts rechtfertigen kann. Die Einschränkungen des Eigentumsrechts der Anteilseigner, zu denen die Art. 15 und 22 der Verordnung Nr. 806/2014 führen können, entsprechen demselben von der Union anerkannten Gemeinwohlzielen und können somit im Einklang mit den Anforderungen nach Art. 52 Abs. 1 der Charta gerechtfertigt sein.

169    Als Zweites ist darauf hinzuweisen, dass für die Anwendung der Art. 15 und 22 der Verordnung Nr. 806/2014 die Voraussetzungen für den Erlass einer Abwicklungsmaßnahme erfüllt sein müssen.

170    Die Voraussetzungen für den Erlass einer Abwicklungsmaßnahme sind nach Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014, dass das von der Abwicklungsmaßnahme betroffene Unternehmen ausfällt oder wahrscheinlich ausfällt, dass nach vernünftigem Ermessen keine Aussicht besteht, dass der Ausfall des Unternehmens innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens durch alternative Maßnahmen des privaten Sektors oder der Aufsichtsbehörden abgewendet werden kann, und dass die Maßnahme im öffentlichen Interesse erforderlich ist.

171    Zudem stellt, wie aus Art. 18 Abs. 8 der Verordnung Nr. 806/2014 hervorgeht, eine Abwicklungsmaßnahme eine gegenüber einem regulären Insolvenzverfahren alternative Lösung dar.

172    Wie der Gerichtshof entschieden hat, tragen die Anteilseigner der Banken nach den allgemeinen Regeln, die für die Rechtsstellung von Anteilseignern von Kapitalgesellschaften gelten, ihr Investitionsrisiko in vollem Umfang (Urteil vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a., C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 73).

173    Da die Anteilseigner, wie der Gerichtshof im Bereich der staatlichen Beihilfen festgestellt hat, bis zur Höhe des Grundkapitals der Bank für deren Schulden haften, kann darin, dass nach den Rn. 40 bis 46 der Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen ab dem 1. August 2013 auf Maßnahmen zur Stützung von Banken im Kontext der Finanzkrise („Bankenmitteilung“) (ABl. 2013, C 216, S. 1) die Anteilseigner zur Schließung von Kapitallücken einer Bank vor der Gewährung einer staatlichen Beihilfe in demselben Umfang wie beim Fehlen einer solchen staatlichen Beihilfe dazu beizutragen haben, die Verluste der Bank zu absorbieren, keine Beeinträchtigung ihres Eigentumsrechts gesehen werden (Urteil vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a., C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 74).

174    Entsprechend folgen im Fall eines Unternehmens, für das eine Abwicklungsmaßnahme eingeleitet worden ist, die Anwendung des in Art. 15 der Verordnung Nr. 806/2014 vorgesehenen Grundsatzes, dass Verluste zuerst von den Anteilseignern getragen werden, und die Ausübung der Befugnis zur Herabschreibung und zur Umwandlung von Kapitalinstrumenten nach Art. 22 dieser Verordnung daraus, dass die Anteilseigner eines Unternehmens die ihren Investitionen innewohnenden Risiken tragen und die wirtschaftlichen Konsequenzen der Abwicklung dieses Unternehmens wegen dessen Ausfall hinnehmen müssen.

175    Die Klägerin führt mehrere Argumente dafür an, dass die Art. 15 und 22 der Verordnung Nr. 806/2014 gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstießen, weil sie keine Einzelfallprüfung oder keine Prüfung anderer Lösungen zuließen.

176    Nach ständiger Rechtsprechung dürfen gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, die Handlungen der Unionsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist, wobei zu beachten ist, dass, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und dass die verursachten Nachteile gegenüber den angestrebten Zielen nicht unangemessen sein dürfen (vgl. Urteile vom 30. April 2019, Italien/Rat [Fangquote für Schwertfisch im Mittelmeer], C‑611/17, EU:C:2019:332, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 6. Mai 2021, Bayer CropScience und Bayer/Kommission, C‑499/18 P, EU:C:2021:367, Rn. 166 und die dort angeführte Rechtsprechung). Auf diesen Grundsatz wird in Art. 5 Abs. 4 EUV und in Art. 1 des dem EU‑Vertrag und dem AEU‑Vertrag beigefügten Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit Bezug genommen.

177    Erstens macht die Klägerin geltend, die Art. 15 und 22 der Verordnung Nr. 806/2014 gälten in allen Fällen, ohne dass den Umständen des Einzelfalls Rechnung getragen werde.

178    Art. 15 der Verordnung Nr. 806/2014 enthält zwar einen Grundsatz, der jede Abwicklungsmaßnahme leiten muss, da die Anteilseigner die mit ihren Investitionen verbundenen Risiken zu tragen haben. Wie dargelegt, stellt nach der oben in Rn. 173 angeführten Rechtsprechung der Beitrag der Anteilseigner zu den Verlusten der Bank keinen Eingriff in ihr Eigentumsrecht dar.

179    Die Anwendung dieses Grundsatzes führt jedoch entgegen dem, was die Klägerin geltend zu machen scheint, nicht automatisch zur Ausübung der Befugnis zur Herabschreibung und zur Umwandlung von Kapitalinstrumenten nach Art. 22 der Verordnung Nr. 806/2014 in jedem Fall, in dem ein Unternehmen Gegenstand einer Abwicklungsmaßnahme ist.

180    So sind, was die Beteiligung der Anteilseigner und der Gläubiger angeht, in Art. 21 der Verordnung Nr. 806/2014 die Voraussetzungen für die Ausübung der Befugnis zur Herabschreibung und zur Umwandlung von Kapitalinstrumenten aufgeführt.

181    Zudem schreibt Art. 22 der Verordnung Nr. 806/2014 nicht die Anwendung eines bestimmten Abwicklungsinstruments vor. Es ist Sache des SRB und der Kommission, entsprechend den Umständen des Einzelfalls über das am besten geeignete Abwicklungsinstrument zu entscheiden.

182    Zweitens macht die Klägerin geltend, die Art. 15 und 22 der Verordnung Nr. 806/2014 hinderten an der Suche nach weniger einschränkenden Lösungen, wie etwa der Inanspruchnahme, je nach den Umständen, des SRF, von öffentlichen Mittel oder von Krediten. Zu diesem Vorbringen ist festzustellen, dass es auf einem Fehlverständnis des Abwicklungsmechanismus beruht.

183    Zum einen setzt nämlich nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 806/2014 der Erlass einer Abwicklungsmaßnahme und somit die Ausübung der Befugnis zur Herabschreibung und zur Umwandlung von Kapitalinstrumenten in diesem Rahmen voraus, dass eine alternative Lösung des privaten Sektors oder der Aufsichtsbehörden fehlt.

184    Die von der Klägerin angesprochenen weniger einschränkenden Lösungen können somit nicht als alternative Maßnahmen gegenüber der Beteiligung der Anteilseigner und der Gläubiger im Rahmen einer Abwicklungsmaßnahme angesehen werden.

185    Zudem scheint die Klägerin nicht zu berücksichtigen, dass die Abwicklungsmaßnahme eine Alternative zur Liquidation eines Unternehmens im Wege eines regulären Insolvenzverfahrens darstellt. Könnten die Schwierigkeiten einer Bank mittels Darlehen, seien sie öffentlicher oder privater Natur, gelöst werden, so könnte ein Abwicklungsverfahren nicht eingeleitet werden, da die in Art. 18 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 806/2014 vorgesehene Voraussetzung nicht erfüllt wäre.

186    Zum anderen ist zu beachten, dass die Gewährung einer staatlichen Beihilfe oder einer Unterstützung des SRF im Rahmen einer Abwicklungsmaßnahme gemäß Art. 19 der Verordnung Nr. 806/2014 nicht ausgeschlossen ist. Somit können entgegen dem Vorbringen der Klägerin der SRB und die Kommission je nach den Umständen des Einzelfalls die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel oder des SRF genehmigen.

187    Drittens fügt die Klägerin in der Erwiderung hinzu, dass die Art. 15 und 22 der Verordnung Nr. 806/2014 flexiblere Lösungen, u. a. im Fall einer Liquiditätskrise, die nicht das größte Problem sei, vor dem eine Bank stehen könne, nicht zuließen, wie etwa Darlehen öffentlicher Stellen oder Liquiditätshilfen der EZB.

188    Mit diesem Vorbringen scheint die Klägerin dem Gesetzgeber vorzuwerfen, in Art. 22 der Verordnung Nr. 806/2014 für die Schwierigkeiten, vor denen eine Bank stehen könne, keine andere Lösung als eine Abwicklungsmaßnahme vorgesehen zu haben. Dazu genügt die Feststellung, dass dieses Vorbringen ins Leere geht, da der Fall einer Bank, die aufgrund ihrer Lage nicht die Voraussetzungen für den Erlass einer Abwicklungsmaßnahme erfüllt, nicht vom Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 806/2014 erfasst wird.

189    Jedenfalls kann entgegen dem Vorbringen der Klägerin eine Bank durch eine Liquiditätskrise in eine Situation geraten, in der sie nicht in der Lage ist, ihre Schulden oder sonstigen Verbindlichkeiten bei Fälligkeit zu begleichen, oder in der objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dies in naher Zukunft der Fall sein wird, was nach Art. 18 Abs. 4 Buchst. c der Verordnung Nr. 806/2014 einer der Fälle ist, in denen ein Unternehmen als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend zu betrachten ist.

190    Viertens macht die Klägerin geltend, die Art. 15 und 22 der Verordnung Nr. 806/2014 verstießen auch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil mit ihnen eine Ungleichbehandlung der verschiedenen Gläubigerklassen geschaffen und Inhabern von Einlagen eine nicht gerechtfertigte Vorzugsbehandlung gewährt werde.

191    Der Grundsatz der Gleichbehandlung ist ein nunmehr in den Art. 20 und 21 der Charta verankerter allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, wonach vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (Urteile vom 9. März 2017, Milkova, C‑406/15, EU:C:2017:198, Rn. 55, vom 16. Dezember 2020, Rat u. a./K. Chrysostomides & Co. u. a., C‑597/18 P, C‑598/18 P, C‑603/18 P und C‑604/18 P, EU:C:2020:1028, Rn. 191, und vom 3. Juni 2021, Ungarn/Parlament, C‑650/18, EU:C:2021:426, Rn. 98).

192    Dazu genügt zum einen der Hinweis auf Art. 15 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 806/2014, wonach „[n]ach den Anteilseignern … die Gläubiger des in Abwicklung befindlichen Instituts die Verluste in der Rangfolge der Forderungen gemäß Artikel 17 [tragen], sofern in dieser Verordnung nicht ausdrücklich etwas anderes vorgesehen ist“. Nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 806/2014 werden Gläubiger derselben Klasse gleichbehandelt.

193    Zudem stellt nach Art. 21 Abs. 10 der Verordnung Nr. 806/2014 „[d]er [SRB] sicher, dass die nationalen Abwicklungsbehörden unverzüglich und im Einklang mit der Rangfolge der Forderungen gemäß Artikel 17 … von den Herabschreibungs- bzw. Umwandlungsbefugnissen Gebrauch machen“. Diese Bestimmung sieht eine Rangfolge der Forderungen vor und unterscheidet dafür zwischen verschiedenen Gläubigerklassen, den Inhabern von Instrumenten des harten Kernkapitals, den Inhabern von Instrumenten des zusätzlichen Kernkapitals und den Inhabern von Instrumenten des Ergänzungskapitals.

194    Die Anteilseigner und, je nach ihrer Zugehörigkeit zu einer dieser Klassen, die Gläubiger, die Inhaber von nachrangigen Instrumenten sind, befinden sich nicht in einer vergleichbaren Situation und können entsprechend der Rangfolge ihrer Forderungen unterschiedlich behandelt werden. Zudem wird die Beachtung des Verbots der Diskriminierung der Gläubiger durch Art. 15 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 806/2014 gewährleistet.

195    Zum anderen ist die Situation der Anteilseigner einer Bank nicht mit der der Einleger vergleichbar. Im Gegensatz zu den Anteilseignern können die Einleger nicht als Investoren angesehen werden, die die wirtschaftlichen Risiken einer Investition in das Gesellschaftskapital der Bank tragen müssen.

196    Außerdem gehört der Einlegerschutz nach Art. 14 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 806/2014 zu den Abwicklungszielen und wird auch in Art. 15 Abs. 1 Buchst. h dieser Verordnung genannt. Damit stellt die Verordnung Nr. 806/2014 sicher, dass eine Abwicklungsmaßnahme im Einklang mit den Grundsätzen der Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Einlagensicherungssysteme (ABl. 2014, L 173, S. 149) steht.

197    Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass die Art. 15 und 22 der Verordnung Nr. 806/2014 zu einer unverhältnismäßigen Einschränkung des Eigentumsrechts führen.

198    Darüber hinaus ist entgegen dem Vorbringen der Klägerin zu berücksichtigen, dass die Verordnung Nr. 806/2014 einen Mechanismus vorsieht, mit dem gewährleistet werden soll, dass Eingriffe in das Eigentumsrecht der Anteilseigner, die sich aus der Abwicklungsmaßnahme ergeben könnten, nicht unverhältnismäßig sind.

199    Dazu heißt es im 62. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 806/2014, dass der Eingriff in die Eigentumsrechte nicht unverhältnismäßig sein sollte und dass folglich die betroffenen Anteilseigner und Gläubiger keine größeren Verluste tragen sollten, als sie hätten tragen müssen, wenn das Unternehmen zum Zeitpunkt des Abwicklungsbeschlusses liquidiert worden wäre.

200    Zu den allgemeinen Grundsätzen für eine Abwicklung gehört gemäß Art. 15 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 806/2014 der Grundsatz, dass kein Gläubiger schlechter behandelt werden darf, dass also

„[k]ein Gläubiger … größere Verluste zu tragen [hat], als er im Fall einer Liquidation eines Unternehmens im Sinne des Artikels 2 im Wege eines regulären Insolvenzverfahrens nach Maßgabe der in Artikel 29 vorgesehenen Schutzbestimmungen zu tragen gehabt hätte.“

201    Zur Beantwortung der Frage, ob die Anteilseigner und die Gläubiger besser behandelt worden wären, wenn für das betreffende Unternehmen ein reguläres Insolvenzverfahren eingeleitet worden wäre, sieht Art. 20 Abs. 16 der Verordnung Nr. 806/2014 vor, dass nach der Abwicklung eine Bewertung durchgeführt wird. Nach Art. 20 Abs. 17 der Verordnung Nr. 806/2014 wird bei dieser Bewertung festgestellt, ob Unterschiede zwischen der Behandlung, die den Anteilseignern und den Gläubigern zuteilgeworden wäre, wenn für das in Abwicklung befindliche Institut zu dem Zeitpunkt, als der Beschluss über die Abwicklungsmaßnahme gefasst wurde, das reguläre Insolvenzverfahren eingeleitet worden wäre, und ihrer tatsächlichen Behandlung im Rahmen der Abwicklung bestehen.

202    Wird als Ergebnis dieser Bewertung festgestellt, dass die Anteilseigner oder die Gläubiger größere Verluste erlitten haben, als sie bei einer Liquidation im Rahmen eines regulären Insolvenzverfahrens erlitten hätten, kann der SRB nach Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 den SRF heranziehen.

203    Damit gewährleistet die Verordnung Nr. 806/2014, dass die Anteilseigner und die Gläubiger aufgrund der Abwicklung nicht schlechter behandelt werden, als sie im Rahmen eines regulären Insolvenzverfahrens behandelt worden wären, indem sie gegebenenfalls einen Entschädigungsmechanismus vorsieht. Unter Beachtung des in Art. 17 Abs. 1 der Charta verankerten Eigentumsrechts sieht die Verordnung Nr. 806/2014 für den Fall, dass ein Abwicklungskonzept zu einem Eingriff in das Eigentumsrecht der Anteilseigner und der Gläubiger führt, einen Mechanismus vor, der eine gerechte Entschädigung für ihre Verluste garantiert.

204    Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist das Insolvenzverfahren die einzige Alternative zur Abwicklung. Denn nach Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 setzt der Erlass einer Abwicklungsmaßnahme voraus, dass das Unternehmen ausfällt oder wahrscheinlich ausfällt und dass nach vernünftigem Ermessen keine Aussicht besteht, dass dieser Ausfall durch andere Maßnahmen des privaten Sektors oder der Aufsichtsbehörden abgewendet werden kann.

205    Wie der Gerichtshof im Bereich der staatlichen Beihilfen entschieden hat, haben die Verluste der Anteilseigner von notleidenden Banken jedenfalls dasselbe Ausmaß unabhängig davon, ob sie ihren Grund in einem Urteil zur Feststellung der Insolvenz aufgrund der Nichtgewährung einer staatlichen Beihilfe oder in einem Verfahren zur Gewährung einer solchen Beihilfe unter der Voraussetzung der Lastenverteilung haben (Urteil vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a., C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 75).

206    Der Gerichtshof hat auf Rn. 46 der Bankenmitteilung hingewiesen, wonach „der Grundsatz eingehalten werden [muss], dass ‚keine Schlechterstellung von Gläubigern‘ … erfolgen darf“, und „[n]achrangige Gläubiger … folglich für ihr Instrument nicht weniger erhalten [dürfen] als das, was sie erhalten hätten, wenn keine staatliche Beihilfe gewährt worden wäre“ (Urteil vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a., C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 77).

207    Aus dieser Randnummer der Bankenmitteilung ergibt sich, so der Gerichtshof, dass die Lastenverteilungsmaßnahmen, von denen die Gewährung einer staatlichen Beihilfe für eine defizitäre Bank abhängig gemacht würde, das Eigentumsrecht der nachrangigen Gläubiger nicht stärker beeinträchtigen könnten, als dies im Rahmen eines Insolvenzverfahrens infolge der Nichtgewährung einer solchen Beihilfe der Fall wäre. Unter diesen Umständen kann nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, dass Lastenverteilungsmaßnahmen, wie sie in der Bankenmitteilung vorgesehen sind, einen Eingriff in das Eigentumsrecht der Anteilseigner und der nachrangigen Gläubiger darstellen (Urteil vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a., C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 78 und 79).

208    Daher ist entsprechend zu befinden, dass die Anwendung des in Art. 15 der Verordnung Nr. 806/2014 vorgesehenen Grundsatzes, dass kein Gläubiger schlechtergestellt werden darf, den Anteilseignern eines Unternehmens, für das eine Abwicklungsmaßnahme eingeleitet worden ist, eine gerechte Entschädigung im Einklang mit den Anforderungen nach Art. 17 der Charta gewährleistet.

209    Die Klägerin hat ferner mit am 21. Januar 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingereichtem Schriftsatz gemäß Art. 84 Abs. 2 der Verfahrensordnung einen neuen Klagegrund vorgebracht. Sie macht geltend, der Beschluss vom 10. Oktober 2019, Aeris Invest/SRB (T‑599/18, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2019:740), wirke sich unmittelbar auf die Einrede der Rechtswidrigkeit der Art. 15 und 22 der Verordnung Nr. 806/2014 aus und das Vorbringen im Rahmen des vierten Klagegrundes müsse in Anbetracht dieses Beschlusses ergänzt werden.

210    Die Kommission, der SRB, das Königreich Spanien, der Rat und Banco Santander machen geltend, die von der Klägerin am 21. Januar 2020 vorgebrachten Argumente stellten einen neuen Klagegrund dar, der unzulässig sei.

211    Da die Klägerin in der Sitzung bekräftigt hat, dass es sich nicht um einen neuen Klagegrund, sondern um eine Erweiterung des vierten Klagegrundes handle, wird sich das Gericht mit einer Prüfung der neuen Argumente begnügen, die am 21. Januar 2020 zur Stützung der mit dem vierten Klagegrund erhobenen Einrede der Rechtswidrigkeit vorgebracht worden sind.

212    Die Klägerin macht geltend, aus den Rn. 48 und 49 des Beschlusses vom 10. Oktober 2019, Aeris Invest/SRB (T‑599/18, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2019:740), gegen den sie ein Rechtsmittel eingelegt habe, gehe hervor, dass die Verordnung Nr. 806/2014 keinen Ausgleich für die Anteilseigner vorsehe, denen ihr Eigentumsrecht in Fällen wie dem von Banco Popular entzogen werde. Nach diesem Beschluss hätten die Anteilseigner von Banco Popular keinen Ausgleichsanspruch, selbst wenn der tatsächliche Wert von Banco Popular den ihr in der Bewertung 2 zuerkannten übersteige. Folglich sehe die Verordnung Nr. 806/2014 kein angemessenes Entschädigungssystem für die Anteilseigner vor, denen ihr Eigentumsrecht entzogen werde, so dass die Einrede der Rechtswidrigkeit durchgreife. Zudem sei die in Art. 20 Abs. 16 der Verordnung Nr. 806/2014 vorgesehene Entschädigung nicht angemessen und unzureichend.

213    Das Gericht hat mit seinem Beschluss vom 10. Oktober 2019, Aeris Invest/SRB (T‑599/18, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2019:740), die von der Klägerin erhobene Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses des SRB, keine endgültige Ex-post-Bewertung von Banco Popular vorzunehmen, abgewiesen. In Rn. 47 dieses Beschlusses hat das Gericht festgestellt, dass das auf Banco Popular angewandte Instrument der Unternehmensveräußerung nicht zu den in Art. 20 Abs. 12 der Verordnung Nr. 806/2014 genannten Fällen gehört, in denen nach einer endgültigen Ex-post-Bewertung ein Ausgleich gezahlt werden kann. In den von der Klägerin angeführten Rn. 48 und 49 dieses Beschlusses hat das Gericht ausgeführt:

„48      Zudem ist festzustellen, dass Art. 20 Abs. 12 der Verordnung Nr. 806/2014 nicht die Entschädigung früherer Anteilseigner und Gläubiger eines Unternehmens zulässt, deren Kapitalinstrumente zur Gänze umgewandelt, herabgeschrieben oder an einen Dritten veräußert worden sind.

49      Insoweit macht die Klägerin zu Unrecht geltend, dass die endgültige Ex-post-Bewertung die Rechtslage der früheren Anteilseigner von Banco Popular unmittelbar berühre und dass diese, wenn die Schätzung des Marktwerts über derjenigen liege, die sich aus der Bewertung 2 ergebe, einen Ausgleichsanspruch nach Art. 20 der Verordnung Nr. 806/2014 hätten.“

214    Es genügt der Hinweis, dass sich das Gericht im Beschluss vom 10. Oktober 2019, Aeris Invest/SRB (T‑599/18, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2019:740), nur zur Situation der Klägerin im Rahmen der Abwicklung von Banco Popular geäußert und befunden hat, dass der in Art. 20 Abs. 12 der Verordnung Nr. 806/2014 vorgesehene Ausgleich in diesem Fall keine Anwendung findet.

215    Daraus ergibt sich, dass die auf den betreffenden Einzelfall beschränkten Erwägungen des Gerichts im Beschluss vom 10. Oktober 2019, Aeris Invest/SRB (T‑599/18, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2019:740), für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verordnung Nr. 806/2014 nicht erheblich sind. Darüber hinaus stellt die Klägerin in ihrem am 21. Januar 2020 eingereichten Schriftsatz keinen Zusammenhang zwischen diesem Beschluss und den Art. 15 und 22 der Verordnung Nr. 806/2014 her, deren Rechtswidrigkeit mit dem vierten Klagegrund geltend gemacht wird.

216    Ferner ist darauf hinzuweisen, dass der Beschluss vom 10. Oktober 2019, Aeris Invest/SRB (T‑599/18, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2019:740), nicht rechtskräftig ist, da die Klägerin ein Rechtsmittel gegen ihn eingelegt hat.

217    Folglich sind die von der Klägerin am 21. Januar 2020 vorgebrachten neuen Argumente für die Beurteilung der mit dem vierten Klagegrund erhobenen Einrede der Rechtswidrigkeit unerheblich.

218    Nach alledem stellen die Art. 15 und 22 der Verordnung Nr. 806/2014 keinen übermäßigen und nicht hinnehmbaren Eingriff in den Kernbestand des Eigentumsrechts der Anteilseigner des von einer Abwicklungsmaßnahme betroffenen Unternehmens dar, sondern sind als eine gerechtfertigte und verhältnismäßige Einschränkung ihres Eigentumsrechts im Einklang mit Art. 17 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 1 der Charta sowie Art. 5 Abs. 4 EUV anzusehen.

219    Daher ist die mit dem vierten Klagegrund erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit zurückzuweisen.

3.      Zum fünften Klagegrund: Einrede der Rechtswidrigkeit der Art. 18 und 20 der Verordnung Nr. 806/2014 wegen Verletzung des in den Art. 17 und 41 der Charta verankerten Rechts auf Gehör

220    Die Klägerin erhebt auf der Grundlage von Art. 277 AEUV eine Einrede der Rechtswidrigkeit der Art. 18 und 20 der Verordnung Nr. 806/2014 wegen Verletzung des in Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta verankerten Rechts auf Gehör, da diese Bestimmungen nicht die Anhörung der Anteilseigner des Unternehmens vorsähen, für das eine Abwicklungsmaßnahme eingeleitet worden ist. Dieses Fehlen einer Anhörung sei auch unvereinbar mit den Verfahrensgarantien des Eigentumsrechts nach Art. 17 der Charta in Verbindung mit Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zu der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, wonach einer Person im Fall eines Eingriffs in ihr Eigentumsrecht angemessene Gelegenheit gegeben werden müsse, ihre Sache vor den zuständigen Stellen vorzubringen.

221    Die Kommission, der SRB und das Parlament machen geltend, falls den Anteilseignern eines in Abwicklung befindlichen Unternehmens ein Recht auf Gehör gemäß Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta zustehen sollte, bestünde dieses Recht auch ohne ausdrückliche Bestimmung in der Verordnung Nr. 806/2014. Dass Art. 18 der Verordnung Nr. 806/2014 keine ausdrückliche Bestimmung enthalte, die eine Anhörung der Anteilseigner vorsehe, führe nicht zur Rechtswidrigkeit dieser Verordnung, da keine ihrer Bestimmungen eine solche Anhörung untersage.

222    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin das Fehlen einer Anhörung der Anteilseigner des Unternehmens, für das eine Abwicklungsmaßnahme eingeleitet worden ist, in dem Verfahren rügt, das zum Erlass dieser Maßnahme führt, dass sie aber nichts zu Art. 20 der Verordnung Nr. 806/2014 vorträgt, der die Bewertung betrifft. Daher ist davon auszugehen, dass die Klägerin mit ihrer im Rahmen des fünften Klagegrundes erhobenen Einrede der Rechtswidrigkeit die Gültigkeit von Art. 18 der Verordnung Nr. 806/2014, der das Abwicklungsverfahren betrifft, deshalb in Frage stellt, weil dieser ihr durch Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta verbürgtes Recht auf Gehör dadurch verletze, dass er keine Anhörung der Anteilseigner durch den SRB vor dem Erlass einer Abwicklungsmaßnahme vorsehe.

223    Nach Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta umfasst das Recht auf eine gute Verwaltung das Recht jeder Person, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine für sie nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird.

224    Das Recht, gehört zu werden, garantiert jeder Person die Möglichkeit, im Verwaltungsverfahren sachdienlich und wirksam ihren Standpunkt vorzutragen, bevor ihr gegenüber eine für ihre Interessen möglicherweise nachteilige Entscheidung erlassen wird. Das Recht auf Gehör dient einem zweifachen Zweck. Es dient zum einen der Zusammenstellung der Akten und einer möglichst genauen und zutreffenden Ermittlung des Sachverhalts und ermöglicht es zum anderen, einen wirksamen Schutz der betroffenen Person zu gewährleisten. Das Recht auf Gehör soll insbesondere gewährleisten, dass jede beschwerende Entscheidung in Kenntnis aller Umstände getroffen wird, und soll u. a. der zuständigen Behörde erlauben, einen Fehler zu berichtigen, und der betroffenen Person, individuelle Umstände vorzutragen, die für oder gegen den Erlass oder für oder gegen einen bestimmten Inhalt der Entscheidung sprechen (vgl. Urteil vom 4. Juni 2020, EAD/De Loecker, C‑187/19 P, EU:C:2020:444, Rn. 68 und 69 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

225    Der Gerichtshof hat die Bedeutung des Rechts auf Gehör und seine sehr weite Geltung in der Rechtsordnung der Union bekräftigt, indem er dargelegt hat, dass dieses Recht in allen Verfahren gelten muss, die zu einer beschwerenden Maßnahme führen können. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist dieses Recht auch dann zu wahren, wenn die anwendbare Regelung ein solches Verfahrensrecht nicht ausdrücklich vorsieht (vgl. Urteile vom 22. November 2012 M., C‑277/11, EU:C:2012:744, Rn. 85 und 86 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 18. Juni 2020, Kommission/RQ, C‑831/18 P, EU:C:2020:481, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 7. November 2019, ADDE/Parlament, T‑48/17, EU:T:2019:780, Rn. 89 und die dort angeführte Rechtsprechung).

226    Da der Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte, der das Recht auf Gehör einschließt, ein fundamentaler und allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist, kann seine Anwendung durch eine Verordnung weder ausgeschlossen noch eingeschränkt werden, und seine Beachtung ist daher sowohl bei völligem Fehlen einer Sonderregelung als auch bei Vorliegen einer Regelung, die ihm nicht selbst Rechnung trägt, sicherzustellen (vgl. Urteil vom 18. Juni 2014, Spanien/Kommission, T‑260/11, EU:T:2014:555, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

227    Der Geltungsbereich des Rechts auf Gehör als Grundsatz und Grundrecht der Unionsrechtsordnung ist nämlich eröffnet, wenn die Verwaltung eine beschwerende Maßnahme erlassen will, d. h. eine Maßnahme, die für die Interessen der betroffenen Person oder des betroffenen Mitgliedstaats nachteilig sein kann, wobei seine Geltung nicht davon abhängt, dass sie ausdrücklich in einer sekundärrechtlichen Bestimmung vorgesehen ist (Urteil vom 18. Juni 2014, Spanien/Kommission, T‑260/11, EU:T:2014:555, Rn. 64).

228    Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 806/2014 ihrem 121. Erwägungsgrund zufolge im Einklang mit den Grundrechten und den insbesondere in der Charta verankerten Rechten, Freiheiten und Grundsätzen, darunter den Verteidigungsrechten, steht und im Einklang mit diesen Rechten und Grundsätzen anzuwenden ist. Zum anderen schließt keine Bestimmung der Verordnung Nr. 806/2014 das Recht auf Gehör der Anteilseigner und der Gläubiger des betreffenden Unternehmens während des Abwicklungsverfahrens ausdrücklich aus oder schränkt es ausdrücklich ein.

229    Zudem ist mit der Kommission und dem Rat darauf hinzuweisen, dass mit einer vom SRB zum Abschluss des Verfahrens nach Art. 18 der Verordnung Nr. 806/2014 festgelegten Abwicklungsmaßnahme die Abwicklung eines Unternehmens bezweckt wird. Das in Abwicklung befindliche Unternehmen ist als die Person anzusehen, der gegenüber eine individuelle Maßnahme getroffen wird und für die das Recht auf Gehör durch Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta garantiert ist.

230    Daher ist zu berücksichtigen, dass die Anteilseigner und die Gläubiger dieses Unternehmens nicht Adressaten einer Abwicklungsmaßnahme sind, die keine ihnen gegenüber getroffene individuelle Maßnahme ist.

231    Zu beachten ist jedoch, dass der SRB nach Art. 21 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 die Befugnis zur Herabschreibung oder zur Umwandlung von Kapitalinstrumenten des von einer Abwicklungsmaßnahme betroffenen Unternehmens nach dem Verfahren des Art. 18 dieser Verordnung ausüben kann.

232    Somit kann das Verfahren des Art. 18 der Verordnung Nr. 806/2014, auch wenn es kein gegenüber den Anteilseignern und den Gläubigern des betreffenden Unternehmens eröffnetes individuelles Verfahren ist, zur Annahme einer Abwicklungsmaßnahme führen, die für deren Interessen nachteilig sein kann.

233    In der oben in Rn. 225 angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs ist aber das Recht auf Gehör weit dahin ausgelegt worden, dass es jeder Person in einem Verfahren garantiert ist, das zu einer sie beschwerenden Maßnahme führen kann. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die Anteilseigner eines Instituts, für das eine Abwicklungsmaßnahme eingeleitet worden ist, ein Recht auf Gehör im Rahmen des Abwicklungsverfahrens geltend machen können.

234    Allerdings kann die Ausübung dieses Rechts gemäß dem oben in Rn. 158 angeführten Art. 52 Abs. 1 der Charta Einschränkungen unterworfen werden.

235    Daher ist zu prüfen, ob das Fehlen einer Bestimmung in der Verordnung Nr. 806/2014, die ausdrücklich eine Anhörung der Anteilseigner und der Gläubiger des betreffenden Unternehmens im Rahmen des Verfahrens nach Art. 18 dieser Verordnung vorsieht, eine Einschränkung der Ausübung des Rechts auf Gehör darstellt, die mit Art. 52 Abs. 1 der Charta im Einklang steht.

236    Der Gerichtshof hat entschieden, dass Grundrechte wie das Recht auf Beachtung der Verteidigungsrechte nicht schrankenlos gewährleistet sind, sondern Einschränkungen unterliegen können, sofern diese tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen entsprechen, die mit der fraglichen Maßnahme verfolgt werden, und keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und untragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet (vgl. Urteile vom 10. September 2013, G. und R., C‑383/13 PPU, EU:C:2013:533, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 20. Dezember 2017, Prequ’Italia, C‑276/16, EU:C:2017:1010, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

237    Hierzu machen der SRB, das Königreich Spanien, das Parlament und der Rat geltend, die Einschränkung des Rechts der Anteilseigner auf Gehör sei zum einen durch das Ziel gerechtfertigt, die Stabilität der Finanzmärkte zu gewährleisten, und zum anderen durch die Notwendigkeit, die Wirksamkeit der Abwicklungsbeschlüsse sicherzustellen, die zügig erlassen werden müssten.

238    Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass nach mehreren Erwägungsgründen der Verordnung Nr. 806/2014, u. a. den Erwägungsgründen 12, 58 und 61, die Stabilität der Finanzmärkte eines der Ziele ist, die mit den mit dieser Verordnung eingeführten Abwicklungsmechanismen verfolgt werden.

239    Zudem ist gemäß Art. 18 Abs. 5 der Verordnung Nr. 806/2014 eine Abwicklungsmaßnahme als im öffentlichen Interesse liegend zu betrachten, wenn sie für das Erreichen eines oder mehrerer der in Art. 14 dieser Verordnung genannten Abwicklungsziele notwendig und mit Blick auf diese Ziele verhältnismäßig ist und wenn dies bei einer Liquidation des Unternehmens im Wege eines regulären Insolvenzverfahrens nicht im selben Umfang der Fall wäre. Zu den in Art. 14 der Verordnung Nr. 806/2014 genannten Abwicklungszielen gehören u. a. „die Vermeidung erheblicher negativer Auswirkungen auf die Finanzstabilität, vor allem durch die Verhinderung einer Ansteckung, beispielsweise von Marktinfrastrukturen, und durch die Erhaltung der Marktdisziplin“, sowie „der Schutz öffentlicher Mittel durch geringere Inanspruchnahme außerordentlicher finanzieller Unterstützung aus öffentlichen Mitteln“.

240    In dieser Hinsicht ergibt sich aus der oben in Rn. 161 angeführten Rechtsprechung, dass Finanzdienstleistungen in der Wirtschaft der Union eine zentrale Rolle spielen und dass das Risiko besteht, dass die Insolvenz einer oder mehrerer Banken rasch auf andere Banken – sowohl im Herkunftsstaat als auch in anderen Mitgliedstaaten – übergreift. Zudem stellt nach der oben in Rn. 162 angeführten Rechtsprechung das Ziel, die Stabilität des Finanzsystems sicherzustellen, gleichzeitig aber übermäßige öffentliche Ausgaben zu vermeiden und Wettbewerbsverzerrungen auf ein Minimum zu beschränken, ein hochrangiges öffentliches Interesse dar.

241    Außerdem hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) in seiner Entscheidung vom 1. April 2004, Camberrow MM5 AD/Bulgarien (CE:ECHR:2004:0401DEC005035799, § 6), befunden, dass die Staaten in wirtschaftlich sensiblen Bereichen wie dem der Stabilität des Bankensystems über einen weiten Einschätzungsspielraum verfügten und dass es daher im Hinblick auf die legitimen Ziele des Schutzes der Rechte der Gläubiger und der Sicherung der ordnungsgemäßen Verwaltung der Insolvenz der Bank nicht unverhältnismäßig sei, wenn sich ein Anteilseigner nicht an einem Verfahren beteiligen könne, das zum Verkauf der Bank führe.

242    Darüber hinaus ist das Urteil vom 8. November 2016, Dowling u. a. (C‑41/15, EU:C:2016:836), anzuführen, das auf ein Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Art. 8, 25 und 29 der Zweiten Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom 13. Dezember 1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels [54 Abs. 2 AEUV] im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABl. 1977, L 26, S. 1), ergangen ist. Diese Rechtssache betraf eine außergewöhnliche Maßnahme der nationalen Behörden, mit der durch eine Kapitalerhöhung die Insolvenz einer Aktiengesellschaft verhindert werden sollte, die nach Ansicht des vorlegenden Gerichts die finanzielle Stabilität der Union bedroht hätte. Der Gerichtshof befand, dass sich der den Aktionären und den Gläubigern einer Aktiengesellschaft durch die Zweite Richtlinie 77/91 verliehene Schutz in Bezug auf das Gesellschaftskapital der Aktiengesellschaft nicht auf eine derartige, in der Situation einer gravierenden Störung der Wirtschaft und des Finanzsystems eines Mitgliedstaats getroffene nationale Maßnahme erstreckte, die eine aus der unzureichenden Eigenkapitalausstattung der betroffenen Aktiengesellschaft resultierende systemische Bedrohung der finanziellen Stabilität der Union beseitigen sollte (Urteil vom 8. November 2016, Dowling u. a., C‑41/15, EU:C:2016:836, Rn. 50). Die Bestimmungen der Zweiten Richtlinie 77/91 standen folglich einer das Gesellschaftskapital einer Aktiengesellschaft betreffenden außergewöhnlichen Maßnahme wie der fraglichen Anordnung nicht entgegen, die von den nationalen Behörden in der Situation einer gravierenden Störung der Wirtschaft und des Finanzsystems eines Mitgliedstaats ohne die Zustimmung der Hauptversammlung der Gesellschaft getroffen wurde, um eine systemische Gefahr abzuwenden und die finanzielle Stabilität der Union zu sichern (vgl. Urteil vom 8. November 2016, Dowling u. a., C‑41/15, EU:C:2016:836, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

243    Diese Erwägungen gelten entsprechend für die Situation früherer Anteilseigner einer gemäß der Verordnung Nr. 806/2014 in Abwicklung befindlichen Bank.

244    Auch ein weiteres, in Art. 14 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 806/2014 genanntes Abwicklungsziel, nämlich die Sicherstellung der Kontinuität kritischer Funktionen des von einer Abwicklungsmaßnahme betroffenen Unternehmens, ist dem Gemeinwohlziel des Schutzes der Stabilität der Finanzmärkte zuzurechnen.

245    Art. 2 Abs. 1 Nr. 35 der Richtlinie 2014/59 definiert die kritischen Funktionen eines Instituts als „Tätigkeiten, Dienstleistungen oder Geschäfte, deren Einstellung aufgrund der Größe, des Marktanteils, der externen und internen Verflechtungen, der Komplexität oder der grenzüberschreitenden Tätigkeiten eines Instituts oder einer Gruppe wahrscheinlich in einem oder mehreren Mitgliedstaaten die Unterbrechung von für die Realwirtschaft wesentlichen Dienstleistungen oder eine Störung der Finanzstabilität zur Folge hat, besonders mit Blick auf die Substituierbarkeit dieser Tätigkeiten, Dienstleistungen oder Geschäfte“.

246    In dieser Hinsicht sieht Art. 6 Abs. 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2016/778 der Kommission vom 2. Februar 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59 in Bezug auf die Umstände und Bedingungen, unter denen die Entrichtung von außerordentlichen nachträglich erhobenen Beiträgen teilweise oder vollständig aufgeschoben werden kann, und auf die Kriterien für die Bestimmung der Tätigkeiten, Dienstleistungen und Geschäfte im Zusammenhang mit „kritischen Funktionen“ und zur Präzisierung der Kriterien für die Bestimmung der Geschäftsbereiche und damit verbundenen Dienste im Zusammenhang mit den Kerngeschäftsbereichen (ABl. 2016, L 131, S. 41) die Kriterien zur Bestimmung der kritischen Funktionen vor. Eine Funktion gilt als kritisch, wenn sie von einem Institut für Dritte erbracht wird, die nicht dem Institut oder der Gruppe angehören, und wenn ihr plötzlicher Ausfall wahrscheinlich wesentliche negative Auswirkungen auf diese Dritten hätte, zu Ansteckung führen würde oder das allgemeine Vertrauen der Marktteilnehmer untergraben würde, da die Funktion für Dritte und ihre Ausübung durch das Institut oder die Gruppe systemrelevant sind.

247    Das in Art. 14 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 806/2014 vorgesehene Ziel, die Kontinuität der kritischen Funktionen des von einer Abwicklungsmaßnahme betroffenen Unternehmens sicherzustellen, soll eine Unterbrechung dieser Funktionen verhindern, die zu Störungen nicht nur auf dem betreffenden Markt, sondern auch für die gesamte Finanzstabilität der Union führen könnte.

248    Da eine Abwicklungsmaßnahme die Finanzlage eines Kreditinstituts sichern oder wiederherstellen soll und insbesondere eine Alternative zu dessen Liquidation darstellt, ist davon auszugehen, dass sie tatsächlich einem von der Union anerkannten Gemeinwohlziel entspricht (vgl. entsprechend Urteil vom 25. März 2021, Balgarska Narodna Banka, C‑501/18, EU:C:2021:249, Rn. 108).

249    Aus dem Vorstehenden folgt, dass das mit der Verordnung Nr. 806/2014 eingeführte und in deren Art. 18 beschriebene Abwicklungsverfahren ein dem Gemeinwohl dienendes Ziel im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta verfolgt, nämlich das Ziel, die Stabilität der Finanzmärkte zu gewährleisten, das eine Einschränkung des Rechts auf Gehör rechtfertigen kann.

250    Als Zweites ist mehreren Erwägungsgründen der Verordnung Nr. 806/2014 zu entnehmen, dass eine erforderlich gewordene Abwicklungsmaßnahme rasch erlassen werden muss. Es handelt sich um die Erwägungsgründe 26, 31, 53 und insbesondere 56 dieser Verordnung, nach dem die Abwicklung innerhalb kurzer Zeit vollzogen werden sollte, um eine Störung des Finanzmarkts und der Wirtschaft so gering wie möglich zu halten.

251    Hierzu hat der Gerichtshof festgestellt, dass mit der Verordnung Nr. 806/2014, wie es in ihrem achten Erwägungsgrund heißt, effizientere Abwicklungsmechanismen geschaffen werden sollen, die ein unentbehrliches Instrument zur Verhütung von Schäden sind, die in der Vergangenheit durch Ausfälle von Banken verursacht wurden, und dass die Erreichung dieses Ziels eine rasche Beschlussfassung voraussetzt, wie die kurzen Fristen zeigen, die in Art. 18 der Verordnung Nr. 806/2014 vorgesehen sind, damit die Finanzstabilität nicht gefährdet wird (Urteil vom 6. Mai 2021, ABLV Bank u. a./EZB, C‑551/19 P und C‑552/19 P, EU:C:2021:369, Rn. 55).

252    Demgemäß sieht Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 u. a. vor, dass die EZB, wenn sie zu der Einschätzung gelangt, dass ein Unternehmen ausfällt oder wahrscheinlich ausfällt, diese Einschätzung umgehend der Kommission und dem SRB mitteilt. Nach Abs. 2 dieses Artikels wird eine vom SRB selbst vorgenommene Bewertung unverzüglich der EZB mitgeteilt. Sind die in Abs. 1 genannten Voraussetzungen erfüllt, legt der SRB ein Abwicklungskonzept fest, das gemäß Art. 18 Abs. 7 der Verordnung Nr. 806/2014 unmittelbar danach der Kommission übermittelt wird. Die Kommission verfügt sodann über eine Frist von 24 Stunden, um das Abwicklungskonzept entweder zu billigen oder Einwände zu erheben.

253    Somit sieht Art. 18 der Verordnung Nr. 806/2014 den unverzüglichen Erlass eines Beschlusses vor, wenn ein Unternehmen die Voraussetzungen für die Annahme einer Abwicklungsmaßnahme erfüllt, es also erstens ausfällt oder wahrscheinlich ausfällt, zweitens nach vernünftigem Ermessen keine Aussicht besteht, dass dieser Ausfall innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens durch andere Maßnahmen des privaten Sektors oder der Aufsichtsbehörden abgewendet werden kann, und drittens seine Abwicklung erforderlich ist, um eins oder mehrere der in Art. 14 der Verordnung Nr. 806/2014 genannten Ziele zu erreichen.

254    Diese rasche Beschlussfassung soll insbesondere die Kontinuität der kritischen Funktionen des betreffenden Unternehmens sicherstellen und verhindern, dass ein Ausfall Folgen für die Finanzstabilität hat. Die Schnelligkeit der Beschlussfassung bildet daher eine Voraussetzung für die Wirksamkeit dieses Beschlusses.

255    Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, rechtfertigte daher die Dringlichkeit, die ein sofortiges Tätigwerden der zuständigen Behörde gebot, die Einschränkung des Rechts auf Gehör von Personen, die von Maßnahmen betroffen waren, die im Bereich der Umwelthaftung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. März 2010, ERG u. a., C‑379/08 und C‑380/08, EU:C:2010:127, Rn. 67) und in dem der Landwirtschaft (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Juni 2006, Dokter u. a., C‑28/05, EU:C:2006:408, Rn. 76) getroffen worden waren.

256    Zudem hat der Gerichtshof im Bereich des Einfrierens von Geldern entschieden, dass es die Wirksamkeit der nach dem Unionsrecht gebotenen Maßnahmen des Einfrierens von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen beeinträchtigen würde, wenn die Gründe, auf denen die erstmalige Aufnahme einer Person oder einer Organisation in die Liste der Personen beruht, die mit Restriktionen belegt worden sind, diesen vor ihrer Aufnahme in die Liste mitgeteilt würden. Um das mit dieser Verordnung verfolgte Ziel zu erreichen, müssen solche Maßnahmen naturgemäß einen Überraschungseffekt haben und unverzüglich zur Anwendung kommen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461, Rn. 338 bis 340, vom 21. Dezember 2011 Frankreich/People’s Mojahedin Organization of Iran, C‑27/09 P, EU:C:2011:853, Rn. 61, und vom 12. Februar 2020, Amisi Kumba/Rat, T‑163/18, EU:T:2020:57, Rn. 51).

257    Aus Gründen, die ebenfalls mit dem mit der streitigen Verordnung verfolgten Ziel und der Wirksamkeit der darin vorgesehenen Maßnahmen zusammenhängen, sind die Unionsbehörden auch nicht verpflichtet, die Kläger vor der erstmaligen Aufnahme ihrer Namen in die Liste der mit Restriktionen belegten Personen anzuhören (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461, Rn. 341, und vom 25. April 2013, Gbagbo/Rat, T‑119/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:216, Rn. 103).

258    Dies gilt erst recht, wenn die Einschränkung des Rechts auf Gehör nicht das von der Abwicklung betroffene Unternehmen, sondern dessen Anteilseigner oder dessen Gläubiger betreffen.

259    Zudem ist darauf hinzuweisen, dass der EGMR in seiner Entscheidung vom 1. April 2004, Camberrow MM5 AD/Bulgarien (CE:ECHR:2004:0401DEC005035799), festgestellt hat, dass der Verkauf der insolventen Bank als arbeitendes Unternehmen zur schnelleren und sichereren Befriedigung der Gläubiger, die seit Jahren auf den Erhalt der ihnen zustehenden Gelder gewartet hätten, und zum raschen Abschluss des Insolvenzverfahrens erfolgt sei. Folglich sei das Gebot der Einfachheit und Schnelligkeit des Verfahrens zum Verkauf der Bank von herausragender Bedeutung gewesen. Wäre das Insolvenzgericht gesetzlich verpflichtet gewesen, alle Anteilseigner und Gläubiger der Bank zu konsultieren, hätte dies zu einer erheblichen Verlangsamung des Verfahrens und damit zu einer weiteren Verzögerung bei der Zahlung der den Gläubigern geschuldeten Beträge und der Durchführung des Insolvenzverfahrens geführt.

260    Im Urteil vom 24. November 2005, Capital Bank AD/Bulgarien (CE:ECHR:2005:1124JUD004942999, § 136), hat der EGMR entschieden, dass in einem wirtschaftlich sensiblen Bereich wie dem der Stabilität des Bankensystems und in bestimmten Situationen eine unabweisbare Notwendigkeit bestehen könne, so rasch wie möglich und ohne Ankündigung zu handeln, um irreparable Schäden für die Bank, ihre Einleger und ihre sonstigen Gläubiger oder für das Banken- und Finanzsystem als Ganzes zu verhindern.

261    Auch der Umstand, dass die Abwicklungsmaßnahme zu einem Eingriff in das Eigentumsrecht der Anteilseigner und der Gläubiger des betreffenden Unternehmens führen kann, vermag keine Verpflichtung zu rechtfertigen, ihnen ein Recht auf Gehör vor der Annahme dieser Maßnahme zu gewähren.

262    Hierzu hat das Gericht in Rn. 282 des Urteils vom 13. Juli 2018, K. Chrysostomides & Co. u. a./Rat u. a. (T‑680/13, EU:T:2018:486), ausgeführt, dass die anwendbaren Verfahren dem Betroffenen eine angemessene Gelegenheit bieten müssen, sein Anliegen den zuständigen Stellen vorzutragen. Um die Einhaltung dieses Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten innewohnenden Erfordernisses sicherzustellen, sind die anwendbaren Verfahren abstrakt zu betrachten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461, Rn. 368 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 25. April 2013, Gbagbo/Rat, T‑119/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:216, Rn. 119, und EGMR, vom 20. Juli 2004, Bäck/Finnland, CE:ECHR:2004:0720JUD003759897, § 56). Das genannte Erfordernis kann deshalb nicht dahin ausgelegt werden, dass der Betroffene unter allen Umständen in der Lage sein muss, vor dem Erlass der Maßnahmen, die sein Eigentumsrecht beeinträchtigen, seinen Standpunkt gegenüber den zuständigen Behörden geltend zu machen (vgl. in diesem Sinne EGMR, Urteil vom 19. September 2006, Maupas u. a./Frankreich, CE:ECHR:2006:0919JUD001384402, §§ 20 und 21).

263    Dies war dem Gericht zufolge insbesondere der Fall, wenn, wie bei einer Abwicklungsmaßnahme, die betreffenden Maßnahmen keine Sanktionen darstellten und in einem Kontext besonderer Dringlichkeit standen. In letzterer Hinsicht ging es darum, die unmittelbar bevorstehende Gefahr eines Zusammenbruchs der betroffenen Banken abzuwenden, um die Stabilität des Finanzsystems eines Mitgliedstaats zu erhalten und damit ein Übergreifen auf andere Mitgliedstaaten der Eurozone zu verhindern. Die Durchführung eines Verfahrens zur vorherigen Konsultation, in dem Tausende von Einlegern und Anteilseignern der betroffenen Banken vor dem Erlass der nachteiligen Bestimmungen ihren Standpunkt hätten geltend machen können, hätte die Anwendung der Maßnahmen, mit denen dieser Zusammenbruch verhindert werden sollte, unweigerlich verzögert. Die Erreichung des Ziels, die Stabilität des Finanzsystems dieses Mitgliedstaats zu wahren und damit ein Übergreifen auf andere Mitgliedstaaten der Eurozone zu verhindern, wäre erheblich gefährdet gewesen (vgl. Urteil vom 13. Juli 2018, K. Chrysostomides & Co. u. a./Rat u. a., T‑680/13, EU:T:2018:486, Rn. 282 und die dort angeführte Rechtsprechung).

264    Der Gerichtshof hat diese Beurteilung bestätigt und festgestellt, dass das Gericht seine Erwägungen zutreffend auf das Urteil des EGMR vom 21. Juli 2016, Mamatas u. a./Griechenland (CE:ECHR:2016:0721JUD006306614), gestützt hat, wonach das Erfordernis, dass jede Einschränkung des Eigentumsrechts gesetzlich vorgesehen sein muss, nicht dahin ausgelegt werden kann, dass die Betroffenen vor dem Erlass dieses Gesetzes hätten konsultiert werden müssen, insbesondere wenn eine solche vorherige Konsultation unweigerlich die Anwendung der Maßnahmen, mit denen der Zusammenbruch der betroffenen Banken verhindert werden sollte, verzögert hätte (Urteil vom 16. Dezember 2020, Rat u. a./K. Chrysostomides & Co. u. a., C‑597/18 P, C‑598/18 P, C‑603/18 P und C‑604/18 P, EU:C:2020:1028, Rn. 159).

265    Ferner ist festzustellen, dass durch das Gebot, rasch zu handeln, ohne die Anteilseigner und die Gläubiger eines Unternehmens vom unmittelbaren Bevorstehen eines dieses Unternehmen betreffenden Abwicklungsverfahrens zu unterrichten, eine Verschlechterung der Lage dieses Unternehmens verhindert werden soll, die der Wirksamkeit der Abwicklungsmaßnahme abträglich wäre. Würden nämlich die Anteilseigner oder die Inhaber von Anleihen der Bank davon unterrichtet, dass für diese ein Abwicklungsverfahren eingeleitet werden könnte, dass die Bank also als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend angesehen worden ist, könnte das ein Anreiz für sie sein, ihre Wertpapiere auf den Märkten zu veräußern, und auch zu einem massiven Abzug von Einlagen führen, was zur Folge hätte, dass die Finanzlage der Bank verschlechtert und eine Lösung, die ihre Liquidation verhindern könnte, erschwert oder unmöglich gemacht würde.

266    Wie dazu aus dem 116. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 806/2014 hervorgeht, können alle bereitgestellten Informationen in Bezug auf eine noch nicht gefällte Entscheidung, beispielsweise darüber, ob die Abwicklungsvoraussetzungen erfüllt sind, über die Anwendung eines spezifischen Instruments oder über Maßnahmen im Verlauf des Verfahrens, Auswirkungen auf die öffentlichen und privaten Interessen haben, die von den Maßnahmen betroffen sind.

267    Daher ist festzustellen, dass es eine erhebliche Verzögerung des Verfahrens nach sich ziehen und sowohl die Erreichung der Ziele als auch die Wirksamkeit der Maßnahme gefährden würde, wenn in der Verordnung Nr. 806/2014 eine Anhörung der Anteilseigner und der Gläubiger des betreffenden Unternehmens vor dem Erlass einer Abwicklungsmaßnahme vorgesehen würde.

268    Zudem wäre es in Anbetracht der Dringlichkeit des Erlasses einer Abwicklungsmaßnahme nicht möglich, die Anteilseigner vorher zu konsultieren, u. a. wegen der Schwierigkeiten ihrer Identifizierung. Denn wie das Königreich Spanien und der Rat geltend machen, ließe sich wegen des permanenten Handels mit Aktien und Anleihen auf den Märkten in der Praxis unmöglich feststellen, an welche privaten und institutionellen Anleger heranzutreten wäre.

269    Zum Vorbringen der Klägerin, die Verordnung Nr. 806/2014 könnte eine Anhörung der Anteilseigner nach der Annahme der Abwicklungsmaßnahme vorsehen, genügt es, mit dem Parlament darauf hinzuweisen, dass eine solche Anhörung den Inhalt dieser Maßnahme nicht verändern und somit nicht zu deren Aufhebung führen könnte.

270    Aus dem Vorstehenden folgt, dass eine Anhörung der Anteilseigner und der Gläubiger des von einer Abwicklungsmaßnahme betroffenen Unternehmens vor der Annahme dieser Maßnahme die Ziele der Stabilität der Finanzmärkte und der Kontinuität der kritischen Funktionen des Unternehmens gefährden und den Erfordernissen der Schnelligkeit und Wirksamkeit des Abwicklungsverfahrens zuwiderlaufen würde.

271    Daher stellt das Fehlen einer Bestimmung in der Verordnung Nr. 806/2014, die eine Anhörung der Anteilseigner und der Gläubiger des betreffenden Unternehmens im Rahmen des Verfahrens des Art. 18 dieser Verordnung vorsieht, eine Einschränkung des Rechts auf Gehör dar, die zur Verfolgung eines dem Gemeinwohl dienenden Ziels gerechtfertigt und erforderlich ist, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang mit Art. 52 Abs. 1 der Charta beachtet und keine der in Art. 17 der Charta vorgesehenen Verfahrensgarantien des Eigentumsrechts verletzt.

272    Mithin ist die Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 18 der Verordnung Nr. 806/2014 zurückzuweisen.

4.      Zum achten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 18 der Verordnung Nr. 806/2014, die Sorgfaltspflicht und Art. 296 AEUV

273    Die Klägerin macht geltend, der SRB habe mit der Annahme des Abwicklungskonzepts gegen Art. 18 der Verordnung Nr. 806/2014, seine Sorgfaltspflicht und Art. 296 AEUV verstoßen, da er nicht nachgewiesen habe, dass die Voraussetzungen für die Abwicklung erfüllt gewesen seien. In ihrer Stellungnahme zum Streithilfeschriftsatz des Königreichs Spanien erläutert die Klägerin, dass sie mit diesem Klagegrund keinen Beurteilungsfehler geltend mache, sondern eine Verletzung der Sorgfalts- und der Begründungspflicht im Rahmen der Anwendung von Art. 18 der Verordnung Nr. 806/2014.

274    Die Klägerin führt aus, der SRB habe bei der Annahme des Abwicklungskonzepts nicht alle für die Anwendung von Art. 18 der Verordnung Nr. 806/2014 relevanten Anhaltspunkte sorgfältig und unparteiisch geprüft und habe seinen Beschluss nicht hinreichend begründet. Mit einer ersten Rüge macht sie der Sache nach geltend, der SRB habe nicht dargetan, dass die in Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 806/2014 vorgesehene Voraussetzung des Ausfalls oder wahrscheinlichen Ausfalls des Unternehmens erfüllt gewesen sei. Erstens habe der SRB nicht berücksichtigt, dass Banco Popular solvent gewesen und ihr Ausfall somit nicht nachgewiesen sei, und zweitens habe er nicht belegt, dass ein punktuelles Liquiditätsproblem einen Ausfall von Banco Popular impliziere. Eine zweite Rüge geht dahin, dass der SRB nicht das Vorliegen der Voraussetzung nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 806/2014 dargetan habe, dass bei Berücksichtigung der zeitlichen Zwänge und anderer relevanter Umstände nach vernünftigem Ermessen keine Aussicht bestehe, dass der Ausfall des Unternehmens innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens durch alternative Maßnahmen des privaten Sektors oder Maßnahmen der Aufsichtsbehörden abgewendet werden könne. Der SRB habe nicht geprüft, ob es andere Aufsichtsmaßnahmen gebe, mit denen sich die Liquiditätsprobleme von Banco Popular hätten lösen lassen.

a)      Zur ersten Rüge, die Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 806/2014 betrifft

275    Als Erstes macht die Klägerin geltend, der SRB habe seine Sorgfaltspflicht oder zumindest seine Begründungspflicht dadurch verletzt, dass er eine Reihe von Faktoren nicht berücksichtigt habe, die die Solvenz von Banco Popular zeigten.

276    Erstens nahm, wie dargelegt, die EZB am 6. Juni 2017 nach Anhörung des SRB gemäß Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 eine Bewertung der Frage des Ausfalls oder wahrscheinlichen Ausfalls von Banco Popular vor. In dieser Bewertung gelangte die EZB unter Berücksichtigung insbesondere der exzessiven Einlagenabzüge, der Geschwindigkeit der Liquiditätsverluste der Bank und deren Unvermögen, anderweit Liquidität zu generieren, zu dem Schluss, dass es objektive Anhaltspunkte dafür gebe, dass Banco Popular in naher Zukunft wahrscheinlich nicht in der Lage sein werde, ihre Schulden oder sonstigen Verbindlichkeiten bei Fälligkeit zu begleichen. Es sei davon auszugehen, dass Banco Popular ausfalle oder jedenfalls wahrscheinlich in naher Zukunft ausfallen werde im Sinne von Art. 18 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 4 Buchst. c der Verordnung Nr. 806/2014.

277    Zweitens teilte der Verwaltungsrat von Banco Popular der EZB mit Schreiben vom 6. Juni 2017 mit, er sei zu dem Schluss gekommen, dass die Bank wahrscheinlich ausfalle.

278    In ihrem Schreiben vom 6. Juni 2017 an die EZB bezieht sich Banco Popular auf ihre Mitteilung an diese gemäß Art. 414 der Verordnung Nr. 575/2013 betreffend die Verletzung der Mindestanforderungen an die Liquiditätsdeckung und verweist auf die von ihrem Verwaltungsrat durchgeführte Bewertung in der Anlage zu diesem Schreiben, wonach Banco Popular ausfalle, und auf die Informationen und Analysen, aufgrund deren der Verwaltungsrat zu diesem Schluss gelangt sei.

279    In diesem Schreiben heißt es:

„Gemäß Art. 21.4 des Gesetzes 11/2015 und den Art. 45 und 46 der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1075 [der Kommission vom 23. März 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards, in denen der Inhalt von Sanierungsplänen, Abwicklungsplänen und Gruppenabwicklungsplänen, die Mindestkriterien, anhand deren die zuständige Behörde Sanierungs- und Gruppensanierungspläne zu bewerten hat, die Voraussetzungen für gruppeninterne finanzielle Unterstützung, die Anforderungen an die Unabhängigkeit der Bewerter, die vertragliche Anerkennung von Herabschreibungs- und Umwandlungsbefugnissen, die Verfahren und Inhalte von Mitteilungen und Aussetzungsbekanntmachungen und die konkrete Arbeitsweise der Abwicklungskollegien festgelegt werden (ABl. 2016, L 184, S. 1)] teilt Banco Popular hiermit mit, dass ihr Verwaltungsrat die Bewertung ausgesprochen hat, dass die Bank wahrscheinlich ausfällt.“

280    In diesem Schreiben räumte der Verwaltungsrat von Banco Popular ein, dass die Bank schwerwiegende Liquiditätsprobleme habe und wahrscheinlich ausfallen werde. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist dieses Schreiben nicht als unerheblich außer Betracht zu lassen.

281    Drittens wies der SRB in Art. 2 des Abwicklungskonzepts auf das Ergebnis der Bewertung der EZB hin und gelangte in Art. 2.2 zu dem Schluss, dass danach die Voraussetzung nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 806/2014 erfüllt sei.

282    So wurde im vorliegenden Fall der Ausfall oder wahrscheinliche Ausfall von Banco Popular auf der Grundlage von Art. 18 Abs. 4 Buchst. c der Verordnung Nr. 806/2014 festgestellt, wonach für die Zwecke von Abs. 1 Buchst. a dieses Artikels das Unternehmen als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend zu betrachten ist, wenn folgende Voraussetzung erfüllt ist:

„Das Unternehmen ist nicht in der Lage, seine Schulden oder sonstigen Verbindlichkeiten bei Fälligkeit zu begleichen, oder es liegen objektive Anhaltspunkte dafür vor, dass dies in naher Zukunft der Fall sein wird.“

283    Weder die EZB noch der SRB beriefen sich auf den Tatbestand von Art. 18 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 806/2014, wonach ein Unternehmen als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend zu betrachten ist, wenn „[seine] Vermögenswerte … die Höhe seiner Verbindlichkeiten [unterschreiten] oder … objektive Anhaltspunkte dafür vor[liegen], dass dies in naher Zukunft der Fall sein wird“.

284    Somit ist die Insolvenz des Unternehmens keine Voraussetzung für die Feststellung des Ausfalls oder wahrscheinlichen Ausfalls nach Art. 18 Abs. 4 Buchst. c der Verordnung Nr. 806/2014 und folglich auch keine Voraussetzung für die Annahme eines Abwicklungskonzepts.

285    In dieser Hinsicht heißt es im 57. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 806/2014:

„Der Beschluss zur Abwicklung eines Unternehmens sollte gefasst werden, bevor ein Finanzunternehmen bilanzmäßig insolvent ist und das gesamte Eigenkapital aufgezehrt ist. Die Abwicklung sollte eingeleitet werden, nachdem festgestellt wurde, dass ein Unternehmen ausfällt oder wahrscheinlich ausfällt und dass keine alternativen Maßnahmen des privaten Sektors einen solchen Ausfall innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens abwenden würden. …“

286    Demnach war die Insolvenz von Banco Popular entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht der einzige Fall, in dem diese als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend im Sinne von Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 806/2014 angesehen werden konnte. Die Tatsache, dass ein Unternehmen bilanzmäßig solvent ist, bedeutet nämlich nicht, dass es über ausreichend Liquidität, also frei verfügbare Mittel verfügt, um seine Schulden oder sonstigen Verbindlichkeiten bei Fälligkeit zu begleichen.

287    Dazu geht u. a. aus dem von der Klägerin angeführten Auszug aus dem Schreiben der Vorsitzenden des Aufsichtsgremiums der EZB vom 25. Juli 2017 an ein Mitglied des Parlaments Folgendes hervor:

„Der Beschluss der EZB, wonach die Bank ausfällt oder wahrscheinlich ausfällt, erging auf der Grundlage des Fehlens ausreichender Liquidität. Zu diesem Zeitpunkt reichten die objektiven Anhaltspunkte für die EZB nicht für die Feststellung aus, dass die Bank aufgrund ihrer Kapitalsituation ausfällt oder wahrscheinlich ausfällt. Selbstverständlich hat die EZB nicht nur die Liquiditäts‑, sondern auch die Kapitalposition der Bank sorgfältig beaufsichtigt. Deren strukturelle Probleme (hohes Niveau notleidender Vermögenswerte, geringe Deckung und geringe Rentabilität) spiegeln sich in den von der EZB aufgestellten Eigenmittelanforderungen wider.“

288    Da die Insolvenz des betreffenden Unternehmens kein Tatbestandsmerkmal von Art. 18 Abs. 4 Buchst. c der Verordnung Nr. 806/2014 ist, gehen die Anhaltspunkte, die die Klägerin anführt, um die Solvenz von Banco Popular darzutun, ins Leere, und sie macht zu Unrecht geltend, dass der SRB seine Sorgfalts- oder seine Begründungspflicht dadurch verletzt habe, dass er diese Anhaltspunkte nicht berücksichtigt habe.

289    Als Zweites führt die Klägerin aus, der SRB sei in Anwendung von Art. 18 der Verordnung Nr. 806/2014 zu dem Schluss gelangt, dass Banco Popular wegen Liquiditätsproblemen ausfalle, während solche Probleme kein Tatbestandsmerkmal eines der in Art. 18 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 angesprochenen Fälle seien. Hilfsweise macht sie geltend, der SRB habe seine Begründungspflicht verletzt, weil er nicht erläutert habe, warum ein Liquiditätsproblem von einem der Fälle des Art. 18 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 erfasst sein solle.

290    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der SRB im 23. Erwägungsgrund des Abwicklungskonzepts unter Bezugnahme auf die von der EZB durchgeführte Bewertung feststellte, dass sich die Liquiditätssituation von Banco Popular wegen des Abzugs von Einlagen in allen Kundensegmenten seit Oktober 2016 erheblich verschlechtert habe. Daraus leitete er ab, dass die Bank nicht mehr über genügend Optionen zur Wiederherstellung ihrer Liquiditätsposition verfügt habe, um sich zu vergewissern, dass sie in einer stabilen Position sein würde, um ihren Verpflichtungen bei Fälligkeit nachzukommen.

291    Im Abwicklungskonzept führte der SRB die einzelnen Geschehnisse an, die seit Februar 2017 zu einer rapiden Verschlechterung der Liquiditätsposition von Banco Popular geführt hätten. Der SRB verwies u. a. auf die Veröffentlichung des Jahresberichts 2016 von Banco Popular im Februar 2017, in dem sie einen konsolidierten Verlust von 3,485 Mrd. Euro, einen Sonderrückstellungsbedarf in Höhe von 5,7 Mrd. Euro und die Ernennung eines neuen Präsidenten angekündigt habe, und auf die Veröffentlichung des Finanzberichts für das erste Quartal 2017 im Mai 2017, in dem sie weniger gute Ergebnisse als vom Markt erwartet angekündigt habe. Der SRB erwähnte die Herabstufung des Ratings von Banco Popular durch verschiedene Ratingagenturen im Februar, April und Juni 2017. Auch die anhaltende negative Berichterstattung in den Medien über die finanziellen Ergebnisse und über ein angeblich unmittelbar drohendes Konkurs- oder Illiquiditätsrisiko für Banco Popular habe zu einem vermehrten Abzug von Einlagen geführt.

292    Außerdem legte der SRB dar, am 12. Mai 2017 sei die Liquiditätsdeckungsanforderung für Banco Popular unter die Mindestschwelle von 80 % gesunken, die in Art. 460 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung Nr. 575/2013 festgelegt sei, und ihr sei es nicht gelungen, diese Schwelle zum Zeitpunkt des Abwicklungskonzepts wieder zu erreichen.

293    Art. 412 Abs. 1 der Verordnung Nr. 575/2013 definiert die Liquiditätsdeckungsanforderung wie folgt:

„Institute müssen über liquide Aktiva verfügen, deren Gesamtwert die Liquiditätsabflüsse abzüglich der Liquiditätszuflüsse unter Stressbedingungen abdeckt, damit gewährleistet wird, dass sie über angemessene Liquiditätspuffer verfügen, um sich einem möglichen Ungleichgewicht zwischen Liquiditätszuflüssen und ‑abflüssen unter erheblichen Stressbedingungen während 30 Tagen stellen zu können. In Stressperioden dürfen Institute ihre liquiden Aktiva zur Deckung ihrer Netto-Liquiditätsabflüsse verwenden.“

294    Zudem sind, wie der SRB ausführt, diese verschiedenen Anhaltspunkte in den Leitlinien der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) vom 6. August 2015 zur Interpretation der Umstände, unter denen ein Institut gemäß Art. 32 Abs. 6 der Richtlinie 2014/59 als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend zu betrachten ist (EBA/GL/2015/07) (im Folgenden: EBA-Leitlinien), enthalten.

295    Diese ab dem 1. Januar 2016 geltenden Leitlinien enthalten eine Reihe objektiver Anhaltspunkte für die Feststellung, ob ein Unternehmen im Einklang mit den in Art. 32 Abs. 4 Buchst. a bis c der Richtlinie 2014/59 festgelegten Voraussetzungen als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend gilt. Art. 32 Abs. 4 Buchst. c der Richtlinie 2014/59 entspricht in seinem Wortlaut Art. 18 Abs. 4 Buchst. c der Verordnung Nr. 806/2014.

296    Gemäß Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 bemühen sich der SRB, der Rat und die Kommission nach Kräften, die Leitlinien und Empfehlungen der EBA zu befolgen, die sich auf die Art der von diesen Gremien wahrzunehmenden Aufgaben beziehen.

297    Nach den EBA-Leitlinien gilt ein Institut als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend im Sinne von Art. 32 Abs. 4 Buchst. c der Richtlinie 2014/59, wenn es gegen die regulatorischen Liquiditätsanforderungen verstößt, wenn es nicht in der Lage ist, seine Schulden oder sonstigen Verbindlichkeiten bei Fälligkeit zu begleichen, oder wenn objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dies in naher Zukunft der Fall sein wird.

298    Unter den zu berücksichtigenden objektiven Anhaltspunkten nennen die EBA-Leitlinien u. a. erstens bedeutende nachteilige Entwicklungen, die sich auf die Entwicklung der Liquiditätsposition des Instituts und die Nachhaltigkeit seines Finanzierungsprofils sowie seine Fähigkeit zur Einhaltung der in der Verordnung Nr. 575/2013 festgelegten Mindest-Liquiditätsanforderungen und der gemäß ihrem Art. 105 auferlegten zusätzlichen Anforderungen oder jedweder nationaler Mindest- Liquiditätsanforderungen auswirken, zweitens eine beträchtlich nachteilige Entwicklung der aktuellen und zukünftigen Verbindlichkeiten des Instituts, bei deren Bewertung gegebenenfalls erwartete und außergewöhnliche Liquiditätsabflüsse, einschließlich sich abzeichnender Anzeichen eines möglichen Ansturms auf die Banken, berücksichtigt werden sollten, und drittens Entwicklungen, die den Ruf des Instituts wahrscheinlich ernsthaft schädigen würden, insbesondere bedeutende Herabstufungen des Ratings durch eine oder mehrere Ratingagenturen, wenn sie zu bedeutenden Mittelabflüssen oder der Unfähigkeit zur Erneuerung der Finanzierung oder der Aktivierung der vertraglichen auf externen Ratings basierenden Auslösebedingungen führen.

299    Die verschiedenen Anhaltspunkte, die die EZB und der SRB gemäß den EBA-Leitlinien berücksichtigt haben und die im Übrigen von der Klägerin nicht in Frage gestellt werden, ließen zum Zeitpunkt der Annahme des Abwicklungskonzepts den Schluss zu, dass Banco Popular ausfällt oder wahrscheinlich ausfällt im Sinne von Art. 18 Abs. 4 Buchst. c der Verordnung Nr. 806/2014.

300    Daher macht die Klägerin zu Unrecht geltend, dass der SRB eine unvollständige Analyse der Bewertung des Ausfalls oder wahrscheinlichen Ausfalls von Banco Popular durch die EZB zugrunde gelegt habe, indem er sich auf Umstände gestützt habe, die kein Liquiditätsproblem erkennen ließen.

301    Ebenfalls zu Unrecht meint die Klägerin, dass Liquiditätsprobleme kein Tatbestandsmerkmal der in Art. 18 der Verordnung Nr. 806/2014 angesprochenen Fälle von Ausfall oder wahrscheinlichem Ausfall seien. Da das Abwicklungskonzept ausdrücklich auf die Bewertung der EZB Bezug nimmt, in der der Ausfall oder wahrscheinliche Ausfall von Banco Popular auf der Grundlage von Art. 18 Abs. 4 Buchst. c der Verordnung Nr. 806/2014 festgestellt wurde, kann die Klägerin schließlich nicht mit Erfolg geltend machen, dass der SRB seine Begründungspflicht dadurch verletzt habe, dass er nicht erläutert habe, warum ein Liquiditätsproblem von einem der Fälle des Art. 18 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 erfasst sein solle.

302    Aus diesen Anhaltspunkten geht ferner hervor, dass entgegen dem Vorbringen der Klägerin die Liquiditätsprobleme von Banco Popular nicht als nur punktuell angesehen werden konnten. Dies wird im Übrigen durch den Umstand bestätigt, dass die Bank selbst die EZB davon in Kenntnis gesetzt hat, dass sie wegen Liquiditätsproblemen ausfalle.

303    Schließlich ist das Vorbringen der Klägerin, die Liquiditätsprobleme von Banco Popular seien das Ergebnis von Entwicklungen im Anschluss an die Erklärungen der Vorsitzenden des SRB gewesen und Banco Popular daher nicht zuzurechnen, für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Beschlüsse nicht relevant. Gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 806/2014 stellte der SRB nämlich auf der Grundlage der Bewertung der EZB in Art. 2 des Abwicklungskonzepts fest, dass Banco Popular ausfalle oder wahrscheinlich ausfalle. Es war unerheblich, aufgrund welcher Umstände und aus welchen Gründen die EZB zu dem Schluss auf den Ausfall von Banco Popular gelangt war.

304    Somit hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass der SRB die Erfüllung der Voraussetzung nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 806/2014 nicht dargetan hat, so dass die erste Rüge zurückzuweisen ist.

b)      Zur zweiten Rüge, die Art. 18 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 806/2014 betrifft

305    Die Klägerin bringt vor, dass der SRB seine Sorgfaltspflicht verletzt und die Grenzen seines Ermessens überschritten habe, weil er die anderen verfügbaren Aufsichtsmaßnahmen nicht geprüft habe, mit denen sich die Liquiditätsprobleme von Banco Popular hätten lösen lassen, und hilfsweise, dass er seine Begründungspflicht verletzt habe.

306    Zum einen macht die Klägerin geltend, eine Reihe von Anhaltspunkten belege, dass die Möglichkeit einer Notfallliquiditätshilfe für Banco Popular bestanden habe, und aus dem Abwicklungskonzept ergebe sich nicht, dass der SRB diese Anhaltspunkte geprüft habe. Zum anderen habe der SRB außer Acht gelassen, dass eine Kapitalerhöhung habe angekündigt werden sollen und dass die Barclays Bank und die Deutsche Bank die Zeichnung der gesamten Kapitalerhöhung garantiert hätten.

307    Erstens sei eine Notfallliquiditätshilfe genehmigt worden, weil Banco Popular hinreichende Garantien geboten habe, und da sie nur einen Teil des genehmigten Betrags erhalten habe, sei noch ein Restbetrag verfügbar gewesen. Dieser Betrag sei als ausreichend zur Überwindung der Liquiditätskrise von Banco Popular angesehen worden. Diese habe ausreichende Garantien geboten, die sich nach Presseberichten auf 40 Mrd. Euro belaufen hätten, einen nach den regulatorischen Kriterien ausreichenden Betrag.

308    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die EZB in ihrer Bewertung des Ausfalls oder wahrscheinlichen Ausfalls von Banco Popular feststellte, dass diese zwar in den Wochen vor der Bewertung verschiedene zusätzliche Maßnahmen zur Liquiditätsbeschaffung entwickelt und mit deren Umsetzung begonnen habe, dass aber der Umfang der realisierten und noch erwarteten Zuflüsse nicht ausgereicht habe, um der Erschöpfung ihrer Liquiditätssituation zum Zeitpunkt der Bewertung abzuhelfen. Selbst mit dem Rückgriff auf die Notfallliquiditätshilfe, gegen die der EZB-Rat am 5. Juni 2017 keine Einwände erhoben habe, reiche die Liquiditätssituation zu diesem Zeitpunkt nicht aus, um die Fähigkeit von Banco Popular zu gewährleisten, ihren Verpflichtungen bis zum 7. Juni 2017 nachzukommen.

309    Im 26. Erwägungsgrund Buchst. c des Abwicklungskonzepts stellte der SRB fest, dass Banco Popular am 5. Juni 2017 eine erste Notfallliquiditätshilfe erhalten habe, nachdem die EZB keine Einwände erhoben habe, dass aber die Bank von Spanien nicht in der Lage gewesen sei, ihr eine zusätzliche Liquiditätshilfe zu gewähren.

310    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Bank von Spanien mit einem Schreiben vom 5. Juni 2017 bei der EZB die Genehmigung einer Notfallliquiditätshilfe für Banco Popular mit einer Laufzeit bis zum 14. Juni 2017 beantragt hatte, um deren schwerer Liquiditätskrise zu begegnen. Am selben Tag richtete die Bank von Spanien ein weiteres Schreiben an die EZB mit einem Antrag auf Ausweitung der Notfallliquiditätshilfe für Banco Popular mit einer Laufzeit bis zum 21. Juni, nachdem diese sie von äußerst umfangreichen Liquiditätsbewegungen informiert hatte. Diese beiden der EZB am selben Tag übermittelten Schreiben zeugen davon, wie rapide sich die Liquiditätssituation von Banco Popular verschlechtert hatte.

311    Demgemäß stellte der SRB in Art. 3.2 Buchst. d des Abwicklungskonzepts fest, dass eine Notfallliquiditätshilfe angesichts der rapiden Verschlechterung der Liquiditätsposition von Banco Popular nicht ausgereicht hätte.

312    Die EZB und der Verwaltungsrat von Banco Popular waren am Tag nach dieser ersten Notfallliquiditätshilfe, dem 6. Juni 2017, wegen der umfangreichen und rapiden Liquiditätsabflüsse zu dem Schluss gelangt, dass die Bank nicht mehr in der Lage sein werde, ihre Schulden oder sonstigen Verbindlichkeiten bei Fälligkeit am 7. Juni zu begleichen. Da der Ausfall von Banco Popular somit festgestellt war, kam eine Notfallliquiditätshilfe nicht mehr in Betracht.

313    Zudem ist zu beachten, dass dem SRB keine Rolle bei der Leistung einer Notfallliquiditätshilfe zukommt, die in die Zuständigkeit der nationalen Zentralbanken fällt. Wie der SRB vorträgt, obliegt es ihm daher nicht, zu begründen, dass eine Notfallliquiditätshilfe nicht oder eine zusätzliche Notfallliquiditätshilfe nicht innerhalb der gesetzten Frist verfügbar war.

314    Somit konnte der SRB im Abwicklungskonzept nur feststellen, dass zum einen die EZB in ihrer Bewertung des Ausfalls oder wahrscheinlichen Ausfalls von Banco Popular zu der Ansicht gelangt sei, dass sich mit der von ihr genehmigten Notfallliquiditätshilfe die Liquiditätskrise von Banco Popular nicht bewältigen lasse, und dass zum anderen die Bank von Spanien keine zusätzliche Notfallliquiditätshilfe für Banco Popular genehmigt habe.

315    Die Klägerin kann daher nicht mit Erfolg rügen, dass der SRB im Abwicklungskonzept nicht geprüft hat, ob die Möglichkeit einer zusätzlichen Notfallliquiditätshilfe für Banco Popular bestand.

316    Zweitens wirft die Klägerin dem SRB vor, außer Acht gelassen zu haben, dass eine Kapitalerhöhung habe angekündigt werden sollen und dass die Barclays Bank und die Deutsche Bank die Zeichnung der gesamten Kapitalerhöhung garantiert hätten. Mit dieser Maßnahme hätte sich das verloren gegangene Vertrauen wiederherstellen und, zusammen mit der Gewährung eines Darlehens oder einer Notfallliquiditätshilfe, die punktuelle Krise bewältigen lassen. Zudem seien einige Anteilseigner von Banco Popular bereit gewesen, einer Kapitalerhöhung zuzustimmen.

317    Die Schreiben der Barclays Bank und der Deutschen Bank, die der Erwiderung in Auszügen als Anlagen beigefügt sind, enthalten keinerlei verbindliche Zusage dieser Banken, sich an einer Kapitalerhöhung von Banco Popular zu beteiligen, sondern spiegeln nur Gespräche über eine mögliche künftige Kapitalerhöhung wider. Aus diesen Schreiben geht hervor, dass das Vorhaben einer Kapitalerhöhung von Banco Popular zum Zeitpunkt ihrer Versendung noch in seinem sehr frühen Stadium war.

318    In ihrem Schreiben vom 3. Juni 2017 an Banco Popular bezieht sich die Barclays Bank nur auf kürzlich geführte Gespräche über eine Kapitalerhöhung mit dem Ziel für Banco Popular, ihren zusätzlichen Deckungsbedarf zu befriedigen und ein deutlich höheres Kapitalniveau zu erreichen, um die Herausforderungen durch besondere Risikopositionen im Immobiliensektor und andere notleidende Vermögenswerte abzumildern, denen sie sich gegenübersehe. Zum einen deutet somit nichts in diesem Schreiben darauf hin, dass die Barclays Bank bereit gewesen wäre, sich an dieser Kapitalerhöhung zu beteiligen, und zum anderen erwähnt diese Bank nicht die Liquiditätskrise, in der sich Banco Popular befand, und schlägt keinerlei Lösung dafür vor.

319    In ihrem Schreiben vom 5. Juni 2017 an Banco Popular erwähnt die Deutsche Bank nur ihr Interesse daran, 50 % einer möglichen Kapitalerhöhung von 4 Mrd. Euro sicherzustellen. Die Deutsche Bank führt lediglich aus, dass „[s]elbstverständlich … bestimmte Voraussetzungen [bestehen, dass] dem Schreiben … aber unsere Überzeugung zugrunde [liegt], dass unter Bedingungen, die wir für realistischerweise erfüllbar halten, eine [Kapital‑]Erhöhung durchgeführt werden könnte, die die Bank stabilisieren würde“. Somit kann dieses Schreiben nicht als eine verbindliche Zusage der Deutschen Bank ausgelegt werden, und es betrifft keine Lösung zur Bewältigung der Liquiditätskrise von Banco Popular.

320    Außerdem geht aus den Erklärungen bestimmter Anteilseigner von Banco Popular, die der Stellungnahme zum Streithilfeschriftsatz des Königreichs Spanien als Anlagen beigefügt sind, hervor, dass das Vorhaben einer Kapitalerhöhung durch die Anteilseigner von Banco Popular zum Zeitpunkt der Abwicklung erst in einem Vorbereitungsstadium war. Hierzu ist auf einen Auszug aus der Erklärung von Herrn Del Valle Ruiz hinzuweisen, in dem dieser angibt, er und ein weiterer Investor hätten am 2. Juni 2017 über die Abhaltung eines Treffens mit einer Investmentbank zu der Frage gesprochen, wie die Kapitalerhöhung am besten zu strukturieren sei, und dieses Treffen sei auf den 5. Juni 2017 angesetzt worden.

321    Es ist festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerin auf der rein theoretischen Annahme beruht, dass sich diese Kapitalerhöhungen so rasch hätten konkretisieren lassen, dass der Ausfall oder wahrscheinliche Ausfall von Banco Popular hätte verhindert werden können. Zudem erläutert die Klägerin nicht, inwiefern eine Kapitalerhöhung die Liquiditätsprobleme von Banco Popular hätte lösen können, und räumt selbst ein, dass diese Maßnahme ohne Ergänzung durch ein Darlehen oder eine Notfallliquiditätshilfe nicht in Betracht gekommen sei. Schließlich ist festzustellen, dass die von der Bank selbst am 6. Juni 2017 getroffene Feststellung ihres Ausfalls zeigt, dass diese Maßnahmen aus ihrer Sicht nicht Betracht kamen.

322    Daher war es, wie der SRB geltend macht, nicht erforderlich, im Abwicklungskonzept Maßnahmen, die es nicht erlaubten, Banco Popular mit der nötigen Liquidität zu versorgen, um den Einlagenabzügen zu begegnen, und die nicht rechtzeitig genug durchgeführt werden konnten, um ihren Ausfall zu verhindern, in Betracht zu ziehen, um sie dann zu verwerfen. Gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 806/2014 durfte der SRB seine Bewertung auf die Maßnahmen beschränken, die angesichts der gesetzten Fristen und der Umstände tatsächlich durchführbar waren.

323    Drittens wirft die Klägerin dem SRB vor, dass er keine anderen in Art. 86 der Richtlinie 2013/36 vorgesehenen Aufsichtsmaßnahmen geprüft habe.

324    Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 sieht vor, dass, „[d]amit die Institute stets über angemessene Liquiditätspuffer verfügen, … die zuständigen Behörden sicher[stellen], dass die Institute solide Strategien, Grundsätze, Verfahren und Systeme haben, mit denen sie das Liquiditätsrisiko über eine angemessene Auswahl von Zeiträumen, die auch nur einen Geschäftstag betragen können, ermitteln, messen, steuern und überwachen können“. Nach dem von der Klägerin angeführten Abs. 3 dieses Artikels stellen „[d]ie zuständigen Behörden … sicher, dass die Institute – unter Berücksichtigung der Art, des Umfangs und der Komplexität ihrer Geschäfte – über Liquiditätsrisikoprofile verfügen, die dem Profil entsprechen, das für ein gut funktionierendes und solides System erforderlich ist, und nicht über dieses hinausgehen“.

325    Insoweit genügt es, mit der Kommission festzustellen, dass diese Bestimmung nicht als eine plausible Lösung für die Liquiditätsprobleme von Banco Popular angesehen werden kann. Denn der Ausfall oder wahrscheinliche Ausfall von Banco Popular folgte gerade daraus, dass sie nicht in der Lage war, diesen Liquiditätsanforderungen zu genügen.

326    Somit hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass der SRB seiner Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen ist oder seine Begründungspflicht verletzt hat, weil er die anderen von ihr angeführten Aufsichtsmaßnahmen nicht geprüft hat, und dass er die Erfüllung der Voraussetzung nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 806/2014 nicht dargetan hat.

327    Daher sind die zweite Rüge und der achte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

5.      Zum ersten Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht und der Verteidigungsrechte, die in den Art. 15 und 296 AEUV sowie den Art. 42 und 47 der Charta verankert sind

328    Die Klägerin macht geltend, der SRB habe die Begründungspflicht und die Verteidigungsrechte, die in den Art. 15 und 296 AEUV sowie den Art. 42 und 47 der Charta verankert seien, verletzt, weil die Begründung des Abwicklungskonzepts unzureichend und widersprüchlich sei und weil sie für vertraulich erklärt und deshalb nicht in vollem Umfang zugänglich gemacht worden sei.

329    Dieser Klagegrund besteht der Sache nach aus zwei Rügen, mit denen erstens eine Verletzung der Begründungspflicht und zweitens eine Verletzung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf effektiven gerichtlichen Schutz geltend gemacht werden.

a)      Zur ersten Rüge: Verletzung der Begründungspflicht

330    Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs muss die gemäß Art. 296 AEUV erforderliche Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteile vom 8. Mai 2019, Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB, C‑450/17 P, EU:C:2019:372, Rn. 85 und 87 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 21. Oktober 2020, EZB/Estate of Espírito Santo Financial Group, C‑396/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:845, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

331    Zudem müssen die Anforderungen, die an die Begründung einer Entscheidung zu stellen sind, den tatsächlichen Möglichkeiten sowie den technischen und zeitlichen Bedingungen angepasst werden, unter denen die Entscheidung ergeht (vgl. Urteile vom 6. November 2012, Éditions Odile Jacob/Kommission, C‑551/10 P, EU:C:2012:681, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 23. Mai 2019, KPN/Kommission, T‑370/17, EU:T:2019:354, Rn. 139 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil vom 27. Januar 2021, KPN/Kommission, T‑691/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:43, Rn. 162).

332    Nach Ansicht der Klägerin ist die Begründung des Abwicklungskonzepts unzureichend und widersprüchlich.

333    Erstens rügt sie einen Widerspruch zwischen dem 24. Erwägungsgrund des Abwicklungskonzepts betreffend die Liquiditätsprobleme von Banco Popular und dessen 26. Erwägungsgrund betreffend Maßnahmen in Bezug auf ein Solvenzproblem.

334    Diese beiden Erwägungsgründe betreffen die Beschreibung der Situation von Banco Popular vor der Annahme des Abwicklungskonzepts. Im 24. Erwägungsgrund des Abwicklungskonzepts führt der SRB die Umstände auf, die zu der Liquiditätskrise von Banco Popular geführt hätten. Der 26. Erwägungsgrund betrifft die Maßnahmen, die Banco Popular vor der Annahme des Abwicklungskonzepts ins Auge gefasst habe, um zu versuchen, ihre Liquiditätsprobleme zu bewältigen. Zwischen diesen beiden Erwägungsgründen kann mithin kein Widerspruch bestehen.

335    Außerdem betrifft der 26. Erwägungsgrund entgegen dem, was die Klägerin zu vertreten scheint, keine vom SRB im Abwicklungskonzept vorgeschlagenen Lösungen zur Bewältigung der Liquiditätsprobleme von Banco Popular. Der Umstand, dass die Klägerin der Ansicht ist, die von Banco Popular in den Wochen vor der Abwicklung ins Auge gefassten, im 26. Erwägungsgrund des Abwicklungskonzepts erwähnten Maßnahmen seien Maßnahmen gewesen, die anscheinend ein Solvenzproblem und kein Liquiditätsproblem betroffen hätten, ist unerheblich.

336    Zweitens macht die Klägerin geltend, der SRB habe nicht erläutert, aus welchem Grund das Instrument der Unternehmensveräußerung eine geeignete und verhältnismäßige Maßnahme zur Bewältigung eines Liquiditätsproblems sein solle.

337    Wie der SRB ausführt, findet das in Art. 24 der Verordnung Nr. 806/2014 definierte Instrument der Unternehmensveräußerung in allen Fällen Anwendung, in denen ein Unternehmen als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend angesehen wird. Nichts erlaubt die Annahme, dass dieses Instrument einer Liquiditätskrise nicht angemessen wäre.

338    Zudem erläuterte der SRB in den Art. 4 und 5 des Abwicklungskonzepts die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit des Instruments der Unternehmensveräußerung im Hinblick auf die Abwicklungsziele und führte aus, dass sich diese Ziele mit den anderen in Art. 22 der Verordnung Nr. 806/2014 vorgesehenen Abwicklungsinstrumenten nicht im selben Umfang erreichen ließen.

339    Im Einzelnen befand der SRB in Art. 5.3 des Abwicklungskonzepts, dass die anderen in Art. 22 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 vorgesehenen Abwicklungsinstrumente den Abwicklungszielen nicht in demselben Umfang genügten. Was das Bail-in‑Instrument angehe, könne nicht garantiert werden, dass damit, selbst in Kombination mit dem Instrument der Ausgliederung von Vermögenswerten, sofort wirksam die Liquiditätssituation von Banco Popular bereinigt und somit deren Solidität und Existenzfähigkeit wiederhergestellt werden könne. Da das Instrument des Brückeninstituts, selbst in Kombination mit dem Instrument der Ausgliederung von Vermögenswerten, den Zugang zu den kritischen Funktionen hätte aufrechterhalten und die Veräußerung von Banco Popular innerhalb von grundsätzlich zwei Jahren bewirken sollen und da sich mit dem Instrument der Unternehmensveräußerung dasselbe Ergebnis innerhalb kürzerer Zeit habe erreichen lassen, sei davon ausgegangen worden, dass sich die Abwicklungsziele mit Letzterem wirksamer erreichen ließen als mit dem Instrument des Brückeninstituts.

340    Damit hat der SRB die Gründe dargelegt, aus denen das Instrument der Unternehmensveräußerung die der Ausfallsituation von Banco Popular, nämlich einer Liquiditätskrise, angemessene Maßnahme gewesen sei.

341    Drittens macht die Klägerin geltend, ein weiterer Widerspruch in der Bewertung 2 sei, dass der SRB Banco Popular für solvent befunden habe, diese aber einen negativen Wert von minus 8,2 Mrd. Euro gehabt habe.

342    Hierzu ist auf die Angabe von Deloitte in der Bewertung 2 hinzuweisen, dass sich deren Ergebnis innerhalb einer Spanne zwischen 1,3 Mrd. Euro und minus 8,2 Mrd. Euro bewege, mit der besten Schätzung innerhalb dieser Spanne bei minus 2 Mrd. Euro.

343    Diese Bewertung betrifft den Veräußerungswert von Banco Popular, der dem entspricht, was ein potenzieller Käufer unter den bei Annahme des Abwicklungskonzepts bestehenden Umständen für Banco Popular zu zahlen bereit gewesen wäre. Es handelt sich somit um den wirtschaftlichen Wert von Banco Popular und nicht um ihren Buchwert.

344    Daher steht die Feststellung der buchmäßigen Solvenz von Banco Popular nicht im Widerspruch zu der negativen Schätzung ihres Veräußerungswerts.

345    Viertens macht die Klägerin geltend, die vertraulichen Daten seien für das Verständnis der Begründung wesentlich gewesen und sie wisse nicht, worin die Liquiditätskrise von Banco Popular bestanden habe. Im 25. Erwägungsgrund des Abwicklungskonzepts heiße es nur, dass „[d]ie vorerwähnten Umstände … zu erheblichen Einlagenabflüssen geführt“ hätten.

346    Dazu genügt die Feststellung, dass die Umstände, die zwischen Februar 2017 und dem Tag der Abwicklung zur Liquiditätskrise von Banco Popular geführt haben, im 24. Erwägungsgrund des Abwicklungskonzepts dargelegt werden.

347    Zudem stellte der SRB im 23. Erwägungsgrund des Abwicklungskonzepts unter Bezugnahme auf die von der EZB vorgenommene Bewertung fest, dass sich die Liquiditätssituation von Banco Popular seit Oktober 2016 wegen des Abzugs von Einlagen in allen Kundensegmenten erheblich verschlechtert habe. Daraus leitete er ab, dass die Bank nicht mehr über genügend Optionen für die Wiederherstellung ihre Liquiditätsposition verfügt habe, um sich zu vergewissern, dass sie in einer stabilen Position sein würde, um ihren Verpflichtungen bei Fälligkeit nachzukommen.

348    Im 26. Erwägungsgrund Buchst. c des Abwicklungskonzepts stellte der SRB auch fest, dass Banco Popular am 5. Juni 2017 eine erste Notfallliquiditätshilfe erhalten habe, nachdem die EZB keine Einwände erhoben habe, dass aber die Bank von Spanien nicht in der Lage gewesen sei, ihr eine zusätzliche Liquiditätshilfe zu gewähren.

349    Diese Anhaltspunkte reichen für das Verständnis der Schwere der Liquiditätskrise aus, der sich Banco Popular gegenübersah.

350    Die von der EZB getroffene Feststellung des Ausfalls oder wahrscheinlichen Ausfalls von Banco Popular wegen der Verschlechterung ihrer Liquiditätssituation genügt, um die Gründe für die vom SRB angenommenen Maßnahmen zu verstehen, ohne dass es einer genauen Kenntnis des Betrags der Einlagenabflüsse bedarf.

351    Dem ersten Satz des 25. Erwägungsgrunds zufolge enthält dieser die vertraulichen Daten zum Betrag der Einlagenabflüsse. Die Klägerin erläutert nicht, inwiefern diese Informationen wesentlich für das Verständnis der Begründung des Abwicklungskonzepts sein sollen.

352    Hierzu verweist die Klägerin auf Anlage C.7 zur Erwiderung, in der die fehlenden Daten erläutert sein sollen. Diese Anlage enthält indes eine vergleichende Tabelle der drei nacheinander veröffentlichten Fassungen des Abwicklungskonzepts, aus der nur hervorgeht, dass der 25. Erwägungsgrund nicht vervollständigt wurde.

353    Aus alledem ergibt sich, dass die Klägerin eine Verletzung der Begründungspflicht nicht nachgewiesen hat und dass der erste Klagegrund zurückzuweisen ist.

b)      Zur zweiten Rüge: Verletzung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf effektiven gerichtlichen Schutz

354    Die Klägerin macht geltend, sie habe keinen vollen Zugang zum Abwicklungskonzept gehabt, da dessen wesentliche Teile nicht veröffentlicht und ihre Anträge auf Zugang zurückgewiesen worden seien. Daher kenne sie nicht die Gründe, die den SRB veranlasst hätten, ihr ihr Eigentumsrecht zu entziehen, was eine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte und ihres in Art. 47 der Charta verankerten Rechts auf effektiven gerichtlichen Schutz darstelle. Sie benötige Zugang zum vollständigen Text des Abwicklungskonzepts, um ihre Verteidigungsrechte auszuüben, und die Vertraulichkeit dieses Konzepts sei nicht gerechtfertigt.

355    Zum Grundsatz des effektiven gerichtlichen Schutzes heißt es in Art. 47 Abs. 1 der Charta, dass jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht hat, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs erfordert die Wirksamkeit der durch diese Bestimmung gewährleisteten gerichtlichen Kontrolle insbesondere, dass der Betroffene seine Rechte unter bestmöglichen Bedingungen verteidigen und in Kenntnis aller Umstände entscheiden kann, ob es für ihn von Nutzen ist, beim zuständigen Gericht eine Klage gegen eine bestimmte Einrichtung zu erheben (vgl. Urteil vom 29. April 2021, Banco de Portugal u. a., C‑504/19, EU:C:2021:335, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

356    Insoweit ist es nach ständiger Rechtsprechung für die Wirksamkeit der durch Art. 47 der Charta gewährleisteten gerichtlichen Kontrolle erforderlich, dass der Betroffene von den Gründen, auf denen die ihm gegenüber ergangene Entscheidung beruht, Kenntnis erlangen kann, entweder durch die Lektüre der Entscheidung selbst oder durch eine auf seinen Antrag hin erfolgte Mitteilung dieser Gründe, unbeschadet der Befugnis des zuständigen Gerichts, von der betreffenden Behörde die Übermittlung dieser Gründe zu verlangen, damit er seine Rechte unter den bestmöglichen Bedingungen verteidigen und in Kenntnis aller Umstände entscheiden kann, ob es für ihn von Nutzen ist, das zuständige Gericht anzurufen, und damit dieses Gericht umfassend in der Lage ist, die Rechtmäßigkeit der fraglichen nationalen Entscheidung zu kontrollieren (vgl. Urteile vom 26. April 2018, Donnellan, C‑34/17, EU:C:2018:282, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 24. November 2020, Minister van Buitenlandse Zaken, C‑225/19 und C‑226/19, EU:C:2020:951, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 3. Februar 2021 Ramazani Shadary/Rat, T‑122/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:61, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

357    Was die Übermittlung des Abwicklungskonzepts angeht, ist zu beachten, dass dieses nicht an die Klägerin, sondern an den FROB gerichtet ist. Die Klägerin ist als Dritter anzusehen und hat somit keinen Anspruch auf Übermittlung des Abwicklungskonzepts.

358    Die Klägerin beruft sich dazu zu Unrecht auf die Rechtsprechung zu beschränkenden Maßnahmen, wonach mit der Verpflichtung zur Übermittlung der Gründe einer Entscheidung den Adressaten die Verteidigung ihrer Rechte unter bestmöglichen Bedingungen ermöglicht und das Recht auf effektiven gerichtlichen Schutz gewahrt werden soll.

359    Im Unterschied zu beschränkenden Maßnahmen, mit denen gegen eine Person eine individuelle wirtschaftliche und finanzielle Sanktion (Einfrieren von Geldern) verhängt wird, stellt nämlich das Abwicklungskonzept keine gegenüber den Anteilseignern von Banco Popular und damit der Klägerin getroffene individuelle Maßnahme dar. Daher ist die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung, wonach der Person, die als Adressat einer solchen Entscheidung von einer beschränkenden Maßnahme betroffen ist, deren Gründe zu übermitteln sind, auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.

360    Hinsichtlich der Veröffentlichung des Abwicklungskonzepts sieht Art. 29 Abs. 5 der Verordnung Nr. 806/2014 vor, dass der SRB auf seiner Website eine Kopie des Abwicklungskonzepts oder eine Bekanntmachung veröffentlicht, in der die Auswirkungen der Abwicklungsmaßnahme, insbesondere die Auswirkungen auf die Kleinanleger, zusammengefasst werden.

361    Im vorliegenden Fall veröffentlichte der SRB am 7. Juni 2017 auf seiner Website eine Mitteilung über die Annahme des Abwicklungskonzepts, der eine Zusammenfassung der Auswirkungen der Abwicklung gemäß Art. 29 Abs. 5 der Verordnung Nr. 806/2014 beigefügt war. Am 11. Juli 2017 veröffentlichte der SRB eine nicht vertrauliche Fassung des Abwicklungskonzepts. Ferner veröffentlichte er am 2. Februar 2018 und sodann am 31. Oktober 2018 auf seiner Website weniger stark gekürzte nicht vertrauliche Fassungen des Abwicklungskonzepts und der Bewertungen 1 und 2.

362    Art. 88 Abs. 5 der Verordnung Nr. 806/2014 sieht zudem vor:

„Vor der Offenlegung von Informationen trägt der [SRB] dafür Sorge, dass diese Informationen keine vertraulichen Angaben enthalten, indem er insbesondere die Folgen einer etwaigen Weitergabe dieser Informationen mit Blick auf öffentliche Interessen der Finanz‑, Währungs- oder Wirtschaftspolitik, Geschäftsinteressen natürlicher und juristischer Personen und die Zwecke von Inspektions‑, Untersuchungs- und Prüftätigkeiten bewertet. Die Verfahren zur Überprüfung der Folgen einer Offenlegung von Informationen enthalten eine konkrete Bewertung der Folgen einer Weitergabe der Inhalte und Einzelheiten von Abwicklungsplänen im Sinne der Artikel 8 und 9, der Ergebnisse der nach Artikel 10 durchgeführten Bewertungen oder des Abwicklungskonzepts nach Artikel 18 …“

363    Diese Bestimmung verpflichtet den SRB ausdrücklich, vor der Veröffentlichung des Abwicklungskonzepts oder seiner Übermittlung an einen Dritten dafür Sorge zu tragen, dass dieses keine vertraulichen Angaben enthält. Diese Verpflichtung gilt auch für die Bewertung 2, die einen Anhang des Abwicklungskonzepts darstellt und nach dessen Art. 12.2 integraler Bestandteil desselben ist.

364    Nach Ansicht der Klägerin hat die Vertraulichkeit des Abwicklungskonzepts keine Grundlage in der Verordnung Nr. 806/2014 und läuft der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43) sowie dem in Art. 15 AEUV und Art. 42 der Charta verankerten Grundsatz der Transparenz zuwider.

365    Dazu ist darauf hinzuweisen, dass der SRB nach Art. 339 AEUV, Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta und Art. 88 Abs. 5 der Verordnung Nr. 806/2014 zum Schutz der vertraulichen Daten aller Unternehmen, einschließlich der Geschäftsgeheimnisse, verpflichtet ist.

366    Erstens macht die Klägerin geltend, aus dem 116. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 806/2014 ergebe sich, dass die Vertraulichkeitspflichten nur vor der Veröffentlichung des Abwicklungsbeschlusses bestünden.

367    Der 116. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 806/2014 lautet:

„Abwicklungsmaßnahmen sollten ordnungsgemäß gemeldet und – vorbehaltlich der beschränkten Ausnahmen nach dieser Verordnung – veröffentlicht werden. Da die von dem [SRB], den nationalen Abwicklungsbehörden und ihren professionellen Beratern während des Abwicklungsverfahrens erhaltenen Informationen vertraulich sein dürften, sollten sie vor der Veröffentlichung der Abwicklungsentscheidung der Verpflichtung zur Wahrung des Berufsgeheimnisses unterliegen. Es muss berücksichtigt werden, dass Informationen über den Inhalt und die Einzelheiten von Abwicklungsplänen und über die Ergebnisse einer Bewertung dieser Pläne weitreichende Auswirkungen haben können, insbesondere für die betroffenen Unternehmen. Bei allen bereitgestellten Informationen in Bezug auf eine noch nicht gefällte Entscheidung, beispielsweise darüber, ob die Abwicklungsbedingungen erfüllt sind, über die Anwendung eines spezifischen Instruments oder über Maßnahmen im Verlauf des Verfahrens, muss davon ausgegangen werden, dass sie Auswirkungen auf die öffentlichen und privaten Interessen haben, die von den Maßnahmen betroffen sind. Jedoch könnte die Information, dass der [SRB] und die nationalen Abwicklungsbehörden ein bestimmtes Unternehmen untersuchen, ausreichen, um negative Folgen für dieses Unternehmen zu haben. Deshalb muss sichergestellt werden, dass geeignete Mechanismen für die Wahrung der Vertraulichkeit entsprechender Informationen, beispielsweise des Inhalts und der Einzelheiten der Abwicklungspläne und des Ergebnisses von in diesem Zusammenhang vorgenommenen Bewertungen, existieren.“

368    Zum einen geht aus diesem Erwägungsgrund hervor, dass Informationen, die der SRB besitzt und die im Abwicklungskonzept, in der Bewertung 2 und in den Dokumenten, auf die er sich gestützt hat, enthalten sind, unter das Berufsgeheimnis fallen und vertraulich sind.

369    Nach Art. 34 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 kann der SRB unter voller Ausschöpfung aller bei der EZB oder den nationalen zuständigen Behörden verfügbaren Informationen zur Wahrnehmung seiner Aufgaben im Sinne dieser Verordnung u. a. von den von einer Abwicklungsmaßnahme betroffenen Unternehmen über die nationalen Abwicklungsbehörden oder, nachdem diese von ihm darüber informiert worden sind, direkt sämtliche Informationen anfordern, die für die Wahrnehmung der ihm durch diese Verordnung zugewiesenen Aufgaben erforderlich sind. Gemäß Abs. 2 dieses Artikels entbindet die Verpflichtung zur Wahrung des Berufsgeheimnisses die Unternehmen nicht von der Pflicht, diese Informationen zur Verfügung stellen. Nach Art. 34 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 kann der SRB hinsichtlich eines Instituts, das seinen Abwicklungsbefugnissen unterliegt, alle Informationen, die für die Ausübung seiner Funktionen im Sinne dieser Verordnung erforderlich sind, insbesondere über das Kapital, die Liquidität sowie die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, auch kontinuierlich einholen.

370    Der Gerichtshof hat zur Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates (ABl. 2004, L 145, S. 1) entschieden, dass es das wirksame Funktionieren des Systems zur Überwachung der Tätigkeit von Wertpapierfirmen, das auf einer Überwachung innerhalb eines Mitgliedstaats und dem Informationsaustausch zwischen den zuständigen Behörden mehrerer Mitgliedstaaten beruht, erfordert, dass sowohl die überwachten Firmen als auch die zuständigen Behörden sicher sein können, dass die übermittelten vertraulichen Informationen grundsätzlich auch vertraulich bleiben (vgl. Urteil vom 19. Juni 2018, Baumeister, C‑15/16, EU:C:2018:464, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

371    Dem Gerichtshof zufolge könnte das Fehlen eines solchen Vertrauens die reibungslose Übermittlung der vertraulichen Informationen gefährden, die zur Ausübung der Überwachungstätigkeit erforderlich sind. Daher stellt Art. 54 Abs. 1 der Richtlinie 2004/39 zum Schutz nicht nur der besonderen Interessen der unmittelbar betroffenen Firmen, sondern auch des allgemeinen Interesses am normalen Funktionieren der Unionsmärkte für Finanzinstrumente die Grundregel auf, dass das Berufsgeheimnis zu wahren ist (vgl. Urteil vom 19. Juni 2018, Baumeister, C‑15/16, EU:C:2018:464, Rn. 32 und 33 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

372    Art. 88 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 über das von den Mitgliedern des SRB zu wahrende Berufsgeheimnis enthält eine Art. 54 Abs. 1 der Richtlinie 2004/39 entsprechende Bestimmung.

373    Zum anderen werden zwar im 116. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 806/2014 die Verpflichtungen des SRB zur Wahrung des Berufsgeheimnisses vor der Annahme eines Abwicklungsbeschlusses erwähnt. Soweit bestimmte Informationen im Besitz des SRB vertraulich sind und dem Berufsgeheimnis unterliegen, dürfen sie vor der Annahme einer Abwicklungsmaßnahme nicht veröffentlicht werden. Denn die Bereitstellung von Informationen darüber, dass ein Unternehmen ausfällt oder wahrscheinlich ausfällt und dass es Gegenstand einer Abwicklungsmaßnahme sein kann, könnte u. a. die Anteilseigner dazu veranlassen, ihre Wertpapiere auf den Märkten zu verkaufen, und auch zu einem massiven Abzug von Einlagen führen, was eine Verschlechterung der Finanzlage der Bank zur Folge hätte und der Wirksamkeit des Handelns des SRB und dem Funktionieren des Marktes abträglich wäre.

374    In diesem Erwägungsgrund heißt es jedoch auch ausdrücklich, dass Abwicklungsmaßnahmen „ordnungsgemäß gemeldet und – vorbehaltlich der beschränkten Ausnahmen nach dieser Verordnung – veröffentlicht werden [sollten]“. Der oben in Rn. 362 angeführte Art. 88 Abs. 5 der Verordnung Nr. 806/2014 sieht aber ausdrücklich vor, dass der SRB vor der Offenlegung von Informationen dafür Sorge zu tragen hat, dass diese Informationen keine vertraulichen Angaben enthalten.

375    Demnach kann der 116. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 806/2014 nicht dahin ausgelegt werden, dass die Regeln über die Vertraulichkeit und das Berufsgeheimnis nur vor der Veröffentlichung des Abwicklungsbeschlusses gelten.

376    Zweitens verweist die Klägerin auf Art. 88 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014, wonach „[d]ie unter die Verpflichtung zur Wahrung des Berufsgeheimnisses fallenden Informationen … keiner anderen öffentlichen oder privaten Stelle gegenüber offengelegt [werden], es sei denn, die Offenlegung ist für ein Gerichtsverfahren erforderlich“.

377    Diese Bestimmung kann indes nicht bedeuten, dass der SRB verpflichtet ist, einen Abwicklungsbeschluss in vollem Umfang zu veröffentlichen, sobald ein Gerichtsverfahren eingeleitet worden ist. Diese Bestimmung verweist auf die Möglichkeit für ein Gericht, die Vorlage von Dokumenten anzuordnen, einschließlich solcher, die vertrauliche Informationen enthalten.

378    Gemäß Art. 91 Buchst. b und Art. 92 Abs. 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht den SRB im Wege einer prozessleitenden Maßnahme oder einer Beweiserhebung zur Vorlage aller Schriftstücke auffordern, die es für die Entscheidung über den Rechtsstreit für erheblich erachtet. Nach Art. 103 Abs. 1 der Verfahrensordnung kann das Gericht jedoch bestimmten in diesen Schriftstücken enthaltenen Informationen vertraulichen Charakter beimessen und daher entscheiden, dass sie den anderen Parteien, u. a. den Klägern, nicht bekannt gegeben werden.

379    Daraus ergibt sich, dass eine Entscheidung des Gerichts, mit der die Vorlage von Schriftstücken angeordnet wird, den Parteien keinen umfassenden Zugang zu diesen Schriftstücken garantiert, wenn diese nach Ansicht des Gerichts vertrauliche Angaben enthalten.

380    Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens hat das Gericht dem SRB mit Beweisbeschluss vom 12. Mai 2021 die Vorlage bestimmter Schriftstücke aufgegeben, darunter die vertraulichen Fassungen des Abwicklungskonzepts, der Bewertung 2 und der Bewertung des Ausfalls oder wahrscheinlichen Ausfalls von Banco Popular durch die EZB. Nach Prüfung des Inhalts dieser Schriftstücke gemäß Art. 103 der Verfahrensordnung ist das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Teile, die in den auf den Websites des SRB und der EZB veröffentlichten Fassungen dieser Schriftstücke unkenntlich gemacht worden sind, für die Entscheidung über den vorliegenden Rechtsstreit nicht erheblich sind. Daher hat das Gericht die vertraulichen Fassungen dieser Schriftstücke mit Beschluss vom 9. Juni 2021 aus den Akten entfernt.

381    Drittens beschränkt sich die Klägerin, ohne konkrete Argumente anzuführen, auf das Vorbringen, dass die Vertraulichkeit des Abwicklungskonzepts dem Grundsatz der Transparenz und den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten zuwiderlaufe.

382    Hierzu genügt die Feststellung, dass die Verordnung Nr. 1049/2001 zum einen irrelevant ist für die Frage, ob der SRB zur Veröffentlichung des vollständigen Abwicklungskonzepts verpflichtet war, und dass mit ihr zum anderen eine Regelung des Zugangs zu Dokumenten festgelegt wird, die zur Wahrung der Vertraulichkeit bestimmter Angaben Ausnahmen enthält.

383    In dieser Hinsicht hat der Gerichtshof zu Art. 54 der Richtlinie 2004/39, in dem als allgemeiner Grundsatz ein Verbot der Weitergabe der den zuständigen Behörden vorliegenden vertraulichen Informationen aufgestellt wird und die speziellen Fälle, in denen dieses allgemeine Verbot ausnahmsweise der Übermittlung oder Verwendung solcher Informationen nicht entgegensteht, abschließend aufgeführt sind, entschieden, dass mit diesem Artikel weder ein Zugangsrecht der Öffentlichkeit zu den den zuständigen Behörden vorliegenden Informationen geschaffen noch die Ausübung eines etwa nach nationalem Recht bestehenden Zugangsrechts näher geregelt werden soll (Urteil vom 19. Juni 2018, Baumeister, C‑15/16, EU:C:2018:464, Rn. 38 und 39).

384    Art. 88 der Verordnung Nr. 806/2014 sieht die Anforderungen in Bezug auf das Berufsgeheimnis vor und stellt in derselben Weise wie Art. 54 der Richtlinie 2004/39 einen allgemeinen Grundsatz des Verbots der Weitergabe vertraulicher Informationen durch den SRB auf und bezeichnet die Fälle, in denen dieses allgemeine Verbot einer Weitergabe nicht entgegensteht.

385    Wie der Gerichtshof indes entschieden hat, verfolgt Art. 54 der Richtlinie 2004/39 ein anderes Ziel als die Verordnung Nr. 1049/2001. Letztere soll nämlich der Öffentlichkeit ein Recht auf weitestmöglichen Zugang zu den Dokumenten der Unionsorgane verschaffen (vgl. Urteil vom 19. Juni 2018, Baumeister, C‑15/16, EU:C:2018:464, Rn. 40 und 41 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

386    Dem Gerichtshof zufolge verpflichtet die Verordnung Nr. 1049/2001 im Licht dieses Ziels grundsätzlich das Unionsorgan, das den Zugang zu einem Dokument verweigern möchte, zu der Erläuterung, inwiefern der Zugang zu diesem Dokument das Interesse, das durch eine der für das fragliche Zugangsrecht vorgesehenen Ausnahmen geschützt wird, konkret beeinträchtigen könnte, wobei es dem Organ unbenommen bleibt, sich insoweit auf eine allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit einer bestimmten Kategorie von Dokumenten zu stützen, da für Anträge auf Verbreitung von Dokumenten gleicher Art vergleichbare allgemeine Erwägungen gelten können (vgl. Urteil vom 19. Juni 2018, Baumeister, C‑15/16, EU:C:2018:464, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

387    Sind dagegen die zuständigen Behörden, die über den Antrag einer Person auf Zugang zu Informationen über ein überwachtes Unternehmen zu entscheiden haben, der Auffassung, dass die angeforderten Informationen vertraulich im Sinne von Art. 54 Abs. 1 der Richtlinie 2004/39 sind, dürfen sie einem solchen Antrag nur in den in Art. 54 abschließend aufgezählten Fällen stattgeben (Urteil vom 19. Juni 2018, Baumeister, C‑15/16, EU:C:2018:464, Rn. 43).

388    Diese Rechtsprechung ist entsprechend zu übertragen auf die vertraulichen Informationen im Besitz des SRB im Sinne von Art. 88 der Verordnung Nr. 806/2014.

389    Viertens führt die Klägerin in der Erwiderung die Entscheidungen des Beschwerdeausschusses des SRB vom 28. November 2017 und vom 19. Juni 2018 über ihre Anträge auf Zugang zu Dokumenten gemäß Art. 90 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 und gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001 an, auf die hin der SRB im Februar und im Oktober 2018 auf seiner Website weniger stark gekürzte vertrauliche Fassungen des Abwicklungskonzepts sowie der Bewertungen 1 und 2 veröffentlicht habe. Mit diesen Entscheidungen habe der Beschwerdeausschuss des SRB bestätigt, dass der Zugang zu einem wesentlichen Teil des Abwicklungskonzepts zu Unrecht verweigert und in dessen im Februar 2018 veröffentlichter Fassung zu vieles als vertraulich unkenntlich gemacht worden sei.

390    Der Gerichtshof hat entschieden, dass die zuständigen Behörden grundsätzlich während des gesamten Zeitraums, in dem die ihnen gemäß der Richtlinie 2004/39 anvertrauten Informationen als vertraulich anzusehen sind, zu der ihnen nach Art. 54 Abs. 1 der Richtlinie obliegenden Wahrung des Berufsgeheimnisses verpflichtet sind, da andernfalls die Erreichung der Ziele dieser Bestimmung gefährdet wäre. Gleichwohl stellt der Zeitablauf einen Umstand dar, der in der Regel Einfluss auf die Prüfung der Frage haben kann, ob die Voraussetzungen, von denen die Vertraulichkeit der betreffenden Informationen abhängt, zu einem bestimmten Zeitpunkt erfüllt sind (vgl. Urteil vom 19. Juni 2018, Baumeister, C‑15/16, EU:C:2018:464, Rn. 48 und 49 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

391    Da, wie bereits dargelegt, Art. 88 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 eine Art. 54 Abs. 1 der Richtlinie 2004/39 entsprechende Bestimmung enthält, ist diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall entsprechend übertragbar.

392    Die beiden Entscheidungen des Beschwerdeausschusses sind mehr als sechs Monate bzw. ein Jahr nach der Annahme des Abwicklungskonzepts ergangen. Somit kann das Verstreichen mehrerer Monate seit der Annahme des Abwicklungskonzepts die Analyse des vertraulichen Charakters bestimmter im Abwicklungskonzept und in den Bewertungen 1 und 2 enthaltener Daten beeinflusst haben. Daraus ergibt sich, dass die in den Entscheidungen des Beschwerdeausschusses vom 28. November 2017 und 19. Juni 2018 enthaltene Beurteilung, wonach die Einstufung bestimmter Daten als vertraulich Übermaßcharakter habe, nicht die Tatsache in Frage stellt, dass diese Vertraulichkeit unmittelbar nach der Annahme des Abwicklungskonzepts gerechtfertigt war. Zudem hat der Beschwerdeausschuss nicht die Veröffentlichung des gesamten Abwicklungskonzepts oder der gesamten Bewertung 2 angeordnet, vielmehr blieben bestimmte Daten weiter vertraulich.

393    Folglich macht die Klägerin zu Unrecht geltend, dass die Vertraulichkeit bestimmter Daten des Abwicklungskonzepts nicht begründet gewesen sei.

394    Ferner ist darauf hinzuweisen, dass der SRB am 11. Juli 2017 auf seiner Website eine nicht vertrauliche Fassung des Abwicklungskonzepts veröffentlichte. Zu dieser hatte die Klägerin Zugang und konnte sie mit der vorliegenden, auf Art. 263 AEUV gestützten Klage vor dem Gericht anfechten, was das Bestehen ihres Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf beweist.

395    Zudem hat der SRB nach Einreichung der vorliegenden Klage und nach den oben in Rn. 389 erwähnten Entscheidungen seines Beschwerdeausschusses auf seiner Website am 2. Februar und am 31. Oktober 2018, d. h. vor Einreichung der Erwiderung, weniger stark gekürzte nicht vertrauliche Fassungen des Abwicklungskonzepts sowie der Bewertungen 1 und 2 veröffentlicht. Die Klägerin konnte sich somit zu diesen Fassungen äußern.

396    Die Klägerin macht geltend, zwar habe sie nach der Veröffentlichung der weniger stark gekürzten nicht vertraulichen Fassungen des Abwicklungskonzepts sowie der Bewertungen 1 und 2 am 2. Februar und am 31. Oktober 2018 Zugang zu mehr Informationen gehabt, doch könne das Fehlen der Begründung nach der Eröffnung des Verfahrens nicht geheilt werden.

397    Hierzu genügt die Feststellung, dass die aufeinanderfolgenden Veröffentlichungen auf der Website des SRB das Abwicklungskonzept und die Bewertungen 1 und 2 in ihren ursprünglichen Fassungen betrafen. Mit diesen Veröffentlichungen sollte der Öffentlichkeit Zugang zu Teilen dieser Dokumente gewährt werden, die anfangs als vertraulich angesehen worden waren. Der SRB hat keine Informationen veröffentlicht, die nicht schon von Anfang an im Abwicklungskonzept oder in den Bewertungen 1 und 2 enthalten gewesen wären oder deren Begründung hätten ergänzen sollen.

398    Wie schließlich der Gerichtshof bereits entschieden hat, kann ein Beschluss der Kommission, mit dem das Vorliegen einer von einem Kläger beanstandeten staatlichen Beihilfe verneint wird, aus der Sicht der Verpflichtung zur Wahrung des Geschäftsgeheimnisses hinreichend begründet sein, ohne dass in ihm sämtliche bezifferten Angaben angeführt sind, auf die die Kommission ihre Erwägungen stützt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2008, Chronopost und La Poste/UFEX u. a., C‑341/06 P und C‑342/06 P, EU:C:2008:375, Rn. 108 bis 111). Wenn eine nicht vertrauliche Fassung eines solchen Beschlusses klar und eindeutig die Überlegungen der Kommission und die von ihr verwendete Methode zum Ausdruck bringt und es damit den Betroffenen ermöglicht, von diesen Gründen Kenntnis zu nehmen, und dem Gericht, insoweit seine Kontrolle auszuüben, genügt sie den Anforderungen an die der Kommission obliegende Begründungspflicht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2016, Club Hotel Loutraki u. a./Kommission, C‑131/15 P, EU:C:2016:989, Rn. 55).

399    Was zudem die wirtschaftlichen Gesichtspunkte angeht, die von Deloitte in der Bewertung 2 herangezogen und vom SRB im Abwicklungskonzept berücksichtigt wurden, lässt sich nicht bestreiten, dass es sich um komplexe technische Beurteilungen handelt. Da das Abwicklungskonzept die Erwägungen des SRB klar zum Ausdruck bringt und es so ermöglicht, deren Stichhaltigkeit später vor dem zuständigen Gericht in Frage zu stellen, wäre es übertrieben, eine besondere Begründung für jede der fachlichen Entscheidungen oder der Zahlen zu verlangen, auf die sich diese Erwägungen stützen (vgl. entsprechend Urteil vom 1. Juli 2008, Chronopost und La Poste/UFEX u. a., C‑341/06 P und C‑342/06 P, EU:C:2008:375, Rn. 108 und die dort angeführte Rechtsprechung).

400    Wie aber zum einen die Prüfung der ersten Rüge ergeben hat, hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die Fassungen des Abwicklungskonzepts und der Bewertungen 1 und 2, die auf der Website des SRB veröffentlicht worden waren und zu denen sie Zugang hatte, unzureichend begründet waren. Zum anderen hat die Klägerin nicht erläutert, inwiefern die wirtschaftlichen Daten, die in den nicht vertraulichen Fassungen des Abwicklungskonzepts und der Bewertungen 1 und 2 unkenntlich gemacht worden waren, für das Verständnis des Abwicklungskonzepts und für die Ausübung ihres Rechts auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf notwendig waren.

401    Daher kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, dass für die Ausübung ihrer Verteidigungsrechte oder ihres Rechts auf effektiven gerichtlichen Schutz ein Recht auf Zugang zum gesamten Abwicklungskonzept notwendig gewesen sei.

402    Nach alledem ist die zweite Rüge und damit der erste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

6.      Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz nemo auditur propriam turpitudinem allegans und gegen Art. 88 der Verordnung Nr. 806/2014

403    Die Klägerin macht geltend, der SRB habe gegen den Grundsatz nemo auditur propriam turpitudinem allegans und die in Art. 88 der Verordnung Nr. 806/2014 und Art. 339 AEUV vorgesehene Verpflichtung zur Wahrung des Berufsgeheimnisses verstoßen, indem er einen Rechtsakt erlassen habe, durch den Banco Popular und deren Anteilseigner wegen einer von ihm selbst ausgelösten Krise beschwert seien.

404    Die Erklärungen der Vorsitzenden des SRB in einem Interview bei Bloomberg TV am 23. Mai 2017 und in einem von Reuters am 31. Mai 2017 veröffentlichten Artikel stellten einen Verstoß gegen Art. 88 der Verordnung Nr. 806/2014 dar, der die Mitarbeiter und die Mitglieder des SRB zur Wahrung des Berufsgeheimnisses verpflichte. Diese Erklärungen hätten Panik beim Publikum ausgelöst, das massiv Gelder bei Banco Popular abgezogen habe, und damit zu einer Einlagenflucht geführt. Verschiedene Anhaltspunkte belegten einen Kausalzusammenhang zwischen diesen Erklärungen und der Krise von Banco Popular. Die in diesen Erklärungen der Vorsitzenden des SRB vom 23. und 31. Mai 2017 enthaltenen Informationen seien die Ursache der Liquiditätskrise von Banco Popular, die der Grund für deren Abwicklung sei.

405    Zudem könne sich gemäß dem Grundsatz nemo auditur propriam turpitudinem allegans ein Organ nicht auf seine eigenen Fehler stützen, um einen Rechtsakt zu erlassen, der einen Einzelnen beschwere.

406    Nach Ansicht der Kommission ist es für eine Klage, die die Rechtmäßigkeit des Abwicklungskonzepts betrifft, ohne Bedeutung, welche Umstände zu den Schwierigkeiten des Unternehmens geführt haben, entscheidend sei allein die Frage, ob die rechtlichen Voraussetzungen für die Annahme des Abwicklungskonzepts erfüllt seien. Der SRB macht zudem geltend, die Gültigkeit des Abwicklungskonzepts setze den Ausfall oder wahrscheinlichen Ausfall des Unternehmens und das Vorliegen der Voraussetzungen nach der Verordnung Nr. 806/2014 zum Zeitpunkt seiner Annahme voraus, unabhängig von den Gründen, die zu dieser Situation geführt hätten.

407    Vorab ist zur Berufung der Klägerin auf den Grundsatz nemo auditur propriam turpitudinem allegans – wonach sich niemand gegenüber einem anderen auf sein eigenes Fehlverhalten berufen kann, um einen Vorteil zu erlangen – mit der Kommission und dem SRB festzustellen, dass dieser Grundsatz im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist.

408    Wie der SRB darlegt, gilt dieser Grundsatz, wenn eine Partei unzulässigerweise Nutzen aus ihrem eigenen unrechtmäßigen Verhalten zu ziehen versucht. Die Klägerin gibt jedoch nicht an, welchen Vorteil der SRB aus der Annahme des Abwicklungskonzepts gezogen haben soll.

409    Zudem lässt sich mit keinem der von der Klägerin angeführten Beispiele aus der Rechtsprechung belegen, dass dieser Grundsatz zur Stützung einer Klage auf Nichtigerklärung einer Handlung eines Organs oder einer Einrichtung der Union herangezogen werden kann. So hat das Gericht in Rn. 55 des Urteils vom 11. Dezember 1996, Barraux u. a./Kommission (T‑177/95, EU:T:1996:187), das Vorbringen, dieser Grundsatz stehe dem Erlass einer Verordnung mit Rückwirkung durch den Rat entgegen, für nicht relevant befunden. In Rn. 63 des Urteils vom 10. Juli 2003, Kommission/Fresh Marine (C‑472/00 P, EU:C:2003:399), hat der Gerichtshof lediglich auf eine Feststellung des Gerichts hingewiesen, wonach Fresh Marine durch eigene Nachlässigkeit zum Schaden beigetragen habe. In Rn. 13 des Urteils vom 9. Februar 1984, Kohler/Rechnungshof (316/82, EU:C:1984:49), hat der Gerichtshof das Vorbringen des Rechnungshofs, die Klage sei wegen fehlender Schriftform der angefochtenen Maßnahme unzulässig, als unbegründet zurückgewiesen unabhängig davon, dass dieses Vorbringen, ließe man es gelten, darauf hinausliefe, dass dieser sich auf einen von ihm selbst begangenen Rechtsverstoß berufen könnte, um der Klägerin ihre Klagemöglichkeit zu entziehen.

410    Somit ist der vorliegende Klagegrund insoweit zu prüfen, als die Klägerin geltend macht, der SRB habe seine Verpflichtung zur Wahrung des Berufsgeheimnisses aus Art. 339 AEUV und Art. 88 der Verordnung Nr. 806/2014 verletzt.

411    Selbst wenn die Klägerin nachgewiesen hätte, dass der SRB vertrauliche Informationen an die Presse weitergegeben hat, kann nach ständiger Rechtsprechung eine Unregelmäßigkeit dieser Art nur dann zur Nichtigerklärung der fraglichen Entscheidung führen, wenn erwiesen ist, dass ohne sie die Entscheidung inhaltlich anders ausgefallen wäre (vgl. Urteile vom 6. Juli 2000, Volkswagen/Kommission, T‑62/98, EU:T:2000:180, Rn. 283 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 5. April 2006, Degussa/Kommission, T‑279/02, EU:T:2006:103, Rn. 416; vgl. auch Urteil vom 3. März 2011, Siemens/Kommission, T‑110/07, EU:T:2011:68, Rn. 402 und die dort angeführte Rechtsprechung).

412    Wie die Kommission und der SRB geltend machen, ist ein Abwicklungskonzept rechtswirksam angenommen, wenn die Voraussetzungen gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 806/2014 erfüllt sind, unabhängig von den Gründen, die zum Ausfall oder wahrscheinlichen Ausfall des betreffenden Unternehmens geführt haben.

413    Das Vorbringen der Klägerin zu einem Verstoß gegen Art. 18 der Verordnung Nr. 806/2014 ist jedoch im Rahmen der Prüfung des achten Klagegrundes zurückgewiesen worden.

414    Da der SRB die Voraussetzungen gemäß Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 als erfüllt ansah, legte er demgemäß das Abwicklungskonzept für Banco Popular fest, das die Kommission als mit den Bestimmungen der Verordnung Nr. 806/2014 im Einklang stehend billigte. Welche Umstände dazu geführt haben, dass Banco Popular die Voraussetzungen für die Annahme des Abwicklungskonzepts erfüllte, insbesondere die Voraussetzung ihres Ausfalls oder wahrscheinlichen Ausfalls, ist unerheblich.

415    Folglich ist ein von der Klägerin behaupteter Kausalzusammenhang zwischen den Erklärungen vom 23. und 31. Mai 2017 und der Liquiditätskrise unerheblich und kann nicht zur Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse führen.

416    Daher ist das Vorbringen der Klägerin, der SRB habe das Abwicklungskonzept nicht rechtswirksam festlegen können, weil die Erklärungen seiner Vorsitzenden, die diese unter Verletzung ihrer Pflicht zur Vertraulichkeit und des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung abgegeben habe, die Ursache für die Liquiditätskrise von Banco Popular gewesen seien, als irrelevant für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Abwicklungskonzepts anzusehen.

417    Im Übrigen kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Offenlegungen vom 23. und 31. Mai 2017 die schwere Liquiditätskrise von Banco Popular hervorgerufen hätten. Das Vorbringen der Klägerin beruht auf einer partiellen und unrichtigen Darstellung der Tatsachen, die zu der Liquiditätskrise von Banco Popular geführt haben, und der Ursachen ihres Ausfalls oder wahrscheinlichen Ausfalls.

418    Wie dargelegt, hatte die EZB in ihrer oben in den Rn. 53 bis 61 angeführten Bewertung des Ausfalls oder wahrscheinlichen Ausfalls von Banco Popular die Geschehnisse erwähnt, die zur Verschlechterung von deren Liquiditätssituation geführt hatten.

419    Im 24. Erwägungsgrund des Abwicklungskonzepts führte der SRB folgende weitere Umstände an, die zur rapiden Verschlechterung der Liquiditätssituation von Banco Popular geführt hätten:

–        Im Februar 2017 habe Banco Popular einen Sonderrückstellungsbedarf in Höhe von 5,7 Mrd. Euro angekündigt mit der Folge von Verlusten in Höhe von 3,485 Mrd. Euro und habe einen neuen Präsidenten ernannt;

–        am 10. Februar 2017 habe DBRS das Rating von Banco Popular herabgestuft;

–        am 3. April 2017 habe Banco Popular eine öffentliche Ad-hoc-Erklärung veröffentlicht, mit der sie das Ergebnis interner Prüfungen bekannt gegeben habe, die erhebliche Auswirkungen auf ihre Bilanzen haben könnten, und habe die Auswechslung ihres Generaldirektors weniger als ein Jahr nach seinem Dienstantritt bestätigt;

–        am 7. bzw. 21. April 2017 hätten Standard & Poor’s und Moody’s das Rating von Banco Popular herabgestuft;

–        am 12. Mai 2017 habe Banco Popular die Liquiditätsdeckungsanforderung in Höhe von 80 % unterschritten und sei danach nicht wieder in der Lage gewesen, die gesetzliche Mindestgrenze einzuhalten;

–        die anhaltende negative Berichterstattung in den Medien über die finanziellen Ergebnisse von Banco Popular und ein unmittelbar drohendes Risiko des Konkurses oder der Zahlungsunfähigkeit hätten zu vermehrten Einlagenabzügen geführt;

–        am 6. Juni 2017 hätten DBRS und Moody’s das Rating von Banco Popular herabgestuft.

420    Dem SRB zufolge verursachten alle diese Umstände erhebliche Einlagenabzüge.

421    Aus diesen von der Klägerin nicht bestrittenen Tatsachen ergibt sich, dass sich die Situation von Banco Popular schon deutlich vor dem 23. Mai 2017 verschlechtert hatte und dass deren Liquiditätskrise durch multiple Faktoren verursacht worden war, die ihren Ursprung in den im Februar und April 2017 angekündigten schlechten Ergebnissen der Bank hatten. Insbesondere genügte die Liquiditätsdeckung von Banco Popular seit dem 12. Mai 2017 nicht mehr den gesetzlichen Anforderungen.

422    Der Klägerin konnte die Gesamtheit der objektiven Umstände, die zu den Liquiditätsproblemen von Banco Popular geführt hatten, insbesondere seit April 2017 nicht unbekannt sein. Sie kann nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Liquiditätskrise von Banco Popular auf die Erklärung vom 23. Mai 2017 und den Artikel vom 31. Mai 2017 zurückzuführen gewesen sei, selbst wenn diesen ein Verstoß gegen den Grundsatz der Vertraulichkeit durch den SRB zugrunde gelegen haben sollte.

423    Diese Schlussfolgerung wird durch das übrige Vorbringen der Klägerin nicht in Frage gestellt.

424    Die Klägerin macht geltend, die EZB habe in ihrer Bewertung des Ausfalls oder wahrscheinlichen Ausfalls von Banco Popular ausgeführt, dass die Einlagenverluste seit dem 31. Mai 2017 besonders erheblich gewesen seien, nachdem in den Medien berichtet worden sei, dass die Bank vor einer Liquidation stehen könnte, wenn das private Veräußerungsverfahren nicht innerhalb sehr kurzer Zeit erfolgreich abgeschlossen würde.

425    Aus der Bewertung der EZB geht hervor, dass aus deren Sicht die Ankündigung des Fehlschlags des privaten Veräußerungsverfahrens und der Gefahr einer Liquidation des Unternehmens die Einlagenverluste von Banco Popular verschärfte. Es handelt sich jedoch nur um einen Faktor unter den zahlreichen anderen von der EZB angeführten, auf die diese Einlagenflucht zurückgeht. Die Klägerin kann nicht mit Erfolg geltend machen, die EZB habe eingeräumt, dass der Reuters-Artikel vom 31. Mai 2017 die Ursache für die Liquiditätskrise von Banco Popular gewesen sei.

426    Die EZB wies auf die umfangreiche negative Berichterstattung über Banco Popular während dieser Zeit in den Medien hin und führte sogar als Beispiele die am 11. und 15. Mai 2017 veröffentlichten, oben in den Rn. 40 und 41 erwähnten Artikel an. Die Klägerin kann nicht den einzigen Artikel, in dem ein Unionsbeamter erwähnt wird, aus der Gesamtheit dieser Presseartikel herausgreifen, um geltend zu machen, die Liquiditätsabflüsse bei Banco Popular gingen allein auf diesen Artikel zurück.

427    Die Klägerin macht auch geltend, die Erklärungen vom 23. und 31. Mai 2017 hätten Folgen für den Rückgang des Kurses der Aktien von Banco Popular und für die Notierung verschiedener Finanzinstrumente gehabt.

428    Es ist festzustellen, dass der Kurs der Aktie von Banco Popular zwischen Juni 2016 und Juni 2017 ständig gefallen ist. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin belegt diese Entwicklung keinerlei Zusammenhang zwischen der Erklärung vom 23. Mai und dem Artikel vom 31. Mai 2017 und dem Kurs der Aktie von Banco Popular. Der Kursverfall der Aktien von Banco Popular erklärt sich durch die schlechte Finanzlage der Bank und ist in Bezug zu setzen zu den oben in den Rn. 32, 38 und 46 erwähnten aufeinanderfolgenden Herabstufungen des Ratings von Banco Popular durch die Ratingagenturen.

429    Ferner hat die Klägerin in der Sitzung eingeräumt, dass Banco Popular am 15. Mai 2017 aus dem Index von MSCI (Morgan Stanley Capital International) ausgeschieden ist. Dieses Ausscheiden veranlasste wichtige Investmentfonds zum Verkauf ihrer Banco-Popular-Aktien und trug zu deren Kurssturz bei.

430    Zudem genügt zur Entwicklung der bedingten Pflichtwandelanleihen (CoCos) von Banco Popular der Hinweis, dass der Journalist, der die Vorsitzende des SRB am 23. Mai 2017 befragte, den Verfall dieser Papiere wegen des Risikos eines Zahlungsausfalls erwähnte. Das Vorbringen der Klägerin, der Kursrückgang der CoCos sei nach diesem Interview eingetreten, geht somit fehl.

431    Jedenfalls hat die Klägerin nichts vorgebracht, dem sich entnehmen ließe, welche Teile der Erklärungen vom 23. und 31. Mai 2017 eine Verletzung der Verpflichtung zur Wahrung des Berufsgeheimnisses seitens der Vorsitzenden des SRB darstellen sollen, und sie hat nicht dargetan, dass der SRB seine Pflicht zur Vertraulichkeit oder zur Wahrung des Berufsgeheimnisses verletzt hat.

432    Was als Erstes das Interview der Vorsitzenden des SRB im Fernsehsender Bloomberg vom 23. Mai 2017 angeht, fragte der Journalist:

„Darf ich Sie nach Spanien mitnehmen? Ich möchte unserem Publikum etwas zeigen, das auf unserem Radarschirm hier bei Bloomberg sehr präsent ist, es geht um Banco Popular und die bedingten CoCos (Pflichtwandelanleihen), die gegenwärtig etwas unter Druck stehen. Dieses Institut hat einen leicht über 7 % liegenden CET 1. Haben Sie das auch auf Ihrem Schirm?“ (Can I take you to Spain? I want to show our audience something that is very much on our radar screen here at Bloomberg and that is Banco Popular and the CoCos [Contingent Convertibles] which are under a little bit of pressure right now. This is an institution with a CET 1 just north of 7 per cent. Is it on your radar screen as well?)

433    Die Vorsitzende des SRB antwortete:

„Ich spreche nie über einzelne Banken. Wir haben mehr als eine Bank auf unserem Radarschirm, und natürlich ist auch Banco Popular ein Fall, den wir beobachten, sie ist aber nicht der einzige.“ (Well, I am never talking about individual banks. There are more banks than just one on our radar screen and of course, Banco Popular is also a case we are watching but it is not the only one we are watching.)

434    Zum einen ist mit dem SRB festzustellen, dass diese Äußerungen allgemeinen Charakter haben, da die Aufsicht über die Institute Teil des Auftrags des SRB in Zusammenarbeit mit der EZB ist. Die Information, dass Banco Popular als vom einheitlichen Aufsichtsmechanismus erfasstes Institut „beobachtet“ wird, ist nicht vertraulich.

435    Wie zudem aus dem oben in Rn. 41 genannten von elconfidencial.com am 15. Mai 2017 veröffentlichten Artikel hervorgeht, war die Öffentlichkeit bereits darüber informiert, dass Banco Popular Gegenstand einer Prüfung durch die EZB war.

436    Zum anderen erwähnt die Vorsitzende des SRB in diesem Interview nicht die Möglichkeit einer Abwicklung von Banco Popular. Aus diesen Äußerungen lässt sich keinerlei Schluss auf eine baldige Abwicklung von Banco Popular ziehen, geschweige denn auf das vom SRB möglicherweise eingesetzte Abwicklungsinstrument.

437    Zudem gehören diese Äußerungen, da sie nicht dahin ausgelegt werden können, dass Banco Popular abgewickelt werden sollte, zu keinem der Fälle, die im 116. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 806/2014 betreffend die Bereitstellung von Informationen über einen Abwicklungsbeschluss vor dessen Annahme aufgeführt sind.

438    Daher ist festzustellen, dass die Äußerungen der Vorsitzenden des SRB in dem Interview vom 23. Mai 2017 keine vertraulichen Informationen enthalten und weder den Grundsatz der Vertraulichkeit noch die Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses nach Art. 88 der Verordnung Nr. 806/2014 und Art. 339 AEUV verletzen.

439    Was als Zweites den am 31. Mai 2017 von Reuters veröffentlichten Artikel mit dem Titel „EU, Warnung vor der Gefahr einer Abwicklung von Banco Popular“ (La UE, advertida de riesgo de una resolución ordenada en Banco Popular) angeht, so heißt es dort, dass einem hohen, nicht namentlich genannten Unionsbeamten zufolge eine der wichtigsten Bankenaufsichtspersonen in Europa die Unionsbeamten darauf hingewiesen habe, dass die Abwicklung von Banco Popular erforderlich sein könnte, wenn sie keinen Käufer finde, und dass die Vorsitzende des SRB kürzlich eine „Frühwarnung“ ausgesprochen habe. Dieser hohe Beamte habe auch angegeben, dass die Vorsitzende des SRB erklärt habe, dass der SRB das Verfahren (Banco Popular) mit besonderer Aufmerksamkeit im Hinblick auf eine mögliche Intervention verfolge, und er habe hinzugefügt, dass das Fusionsangebot der Bank erfolglos sein könnte.

440    In diesem Artikel von Reuters heißt es weiter, dass einer anderen, ebenfalls anonymen Quelle zufolge allgemeine Vorbereitungen im Gang seien, obwohl noch keine konkrete Maßnahme ergriffen worden sei. Ein Sprecher von Banco Popular habe erklärt, die Bank arbeite auf mehreren Ebenen, einschließlich Fusion, Kapitalerhöhung und Verkauf von Vermögenswerten.

441    Zu beachten ist auch, dass in diesem Artikel die Pressemitteilung des SRB vom selben Tag erwähnt wird, in der dieser erklärte, dass er die speziellen Schwierigkeiten einer bestimmten Bank nicht kommentiere, dass er die Auslegungen betreffend die angeblichen Zitate seiner Vorsitzenden nicht bestätigen könne und dass er niemals Warnungen in Bezug auf Banken ausspreche.

442    Die Klägerin erläutert nicht, welche in diesem Artikel enthaltenen Informationen vertraulich sein sollen und inwiefern deren Offenlegung eine Verletzung des Berufsgeheimnisses durch den SRB darstellen soll. Sie macht geltend, Urheberin der in diesem Artikel wiedergegebenen Erklärungen sei die Vorsitzende des SRB und weder der SRB noch die Kommission hätten Beweise für das Gegenteil vorgelegt. Indes ist darauf hinzuweisen, dass die in diesem Artikel erwähnten Äußerungen eines Unionsbeamten keine vertraulichen Informationen betrafen, die nur den Mitgliedern des SRB und erst recht nicht nur seiner Vorsitzenden bekannt sein konnten.

443    So soll erstens der Beamte eine „Frühwarnung“ erwähnt haben, die die Vorsitzende des SRB ausgesprochen habe. Diese Behauptung entspricht jedoch keiner Befugnis des SRB, worauf dieser im Übrigen in seiner Pressemitteilung vom 31. Mai 2017 hingewiesen hat.

444    Zweitens genügt zu der Angabe dieses Beamten, „die Vorsitzende des SRB [habe] erklärt …, dass der SRB das Verfahren (Banco Popular) mit besonderer Aufmerksamkeit im Hinblick auf eine mögliche Intervention verfolge“, die Feststellung, dass diese Äußerungen den Kern dessen wiedergeben, was die Vorsitzende des SRB in dem dem Fernsehsender Bloomberg am 23. Mai 2017 gewährten Interview öffentlich geäußert hatte, nämlich, dass Banco Popular „beobachtet“ werde. Zudem trat der SRB in seiner Pressemitteilung der weiten Auslegung dieser Äußerungen mit einem Dementi entgegen.

445    Was drittens die Äußerung dieses Beamten betrifft, dass das Fusionsangebot der Bank erfolglos sein könnte, so geht aus diesem Artikel hervor, dass Banco Popular selbst angegeben hatte, dass sie die ursprünglich am 10. Juni 2017 endende Frist für die Einreichung der Angebote im Rahmen des privaten Veräußerungsverfahrens verlängern müsse.

446    Was viertens die Angabe betrifft, einem hohen, nicht namentlich genannten Unionsbeamten zufolge habe eine der wichtigsten Bankenaufsichtspersonen in Europa die Unionsbeamten darauf hingewiesen, dass die Abwicklung von Banco Popular erforderlich sein könnte, wenn sie keinen Käufer finde, ist darauf hinzuweisen, dass in mehreren Presseartikeln bereits im Lauf des Monats Mai erwähnt worden war, dass Banco Popular in Schwierigkeiten sei und ein privates Veräußerungsverfahren eingeleitet habe.

447    So geht aus einem oben in Rn. 40 angeführten auf der Website elconfidencial.com veröffentlichten Artikel vom 11. Mai 2017 hervor, dass der Präsident von Banco Popular den dringlichen Verkauf der Bank wegen Konkursgefahr angeordnet habe. Der Hinweis im Artikel vom 31. Mai darauf, dass die Unionsbeamten von „eine[r] der wichtigsten Bankenaufsichtspersonen in Europa“ informiert worden sein sollen, scheint der in jenem Artikel mitgeteilten Information zu entsprechen, dass der Präsident von Banco Popular wegen ernsthafter Konkursgefahr u. a. aufgrund des anhaltenden Abflusses von Einlagen gezwungen gewesen sei, das Veräußerungsverfahren einzuleiten, um den Forderungen der EZB nachzukommen. Einem oben in Rn. 41 angeführten auf der Website elconfidencial.com veröffentlichten Artikel vom 15. Mai 2017 zufolge wurde der Plan zur Veräußerung von Banco Popular nach der Prüfung durch die EZB ins Werk gesetzt.

448    Somit war seit Mitte Mai 2017 öffentlich bekannt, dass Banco Popular konkursgefährdet war, wenn sie in dem von ihr eingeleiteten Veräußerungsverfahren keinen Käufer finden sollte.

449    Daraus ergibt sich, dass entgegen dem Vorbringen der Klägerin die in diesem Artikel wiedergegebenen Äußerungen des anonymen Unionsbeamten keine vertraulichen Informationen im Sinne des 116. Erwägungsgrundes der Verordnung Nr. 806/2014 über die Durchführung eines Abwicklungsverfahrens für Banco Popular enthalten.

450    Die Klägerin macht auch zu Unrecht geltend, der SRB und die Kommission müssten dartun, dass Urheberin der in diesem Artikel wiedergegebenen Erklärungen nicht die Vorsitzende des SRB gewesen sei.

451    Wie der SRB ausführt, konnten derartige Äußerungen von zahlreichen anderen Personen als Mitgliedern des SRB oder Beamten der Kommission abgegeben werden, insbesondere angesichts des in Art. 88 Abs. 6 der Verordnung Nr. 806/2014 vorgesehenen Informationsaustauschs.

452    Selbst unterstellt, die in diesem Artikel wiedergegebenen Äußerungen gingen auf die Indiskretion eines Unionsbeamten zurück, kann, da nicht nachgewiesen ist, dass die Vorsitzende des SRB für das Durchsickern von Informationen, von dem die von der Klägerin angeführten Presseartikel zeugen, verantwortlich ist, nach der Rechtsprechung ein solcher Ursprung der Indiskretion nicht vermutet werden (vgl. Urteil vom 15. März 2006, BASF/Kommission, T‑15/02, EU:T:2006:74, Rn. 605).

453    Zudem reicht selbst dann, wenn es wahrscheinlich wäre, dass die undichte Stelle beim SRB zu suchen sein könnte, diese Möglichkeit allein entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht aus, diesem die Last des Gegenbeweises aufzuerlegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. April 2006, Degussa/Kommission, T‑279/02, EU:T:2006:103, Rn. 412).

454    Daher genügt der Umstand, dass in diesem Artikel vermeintliche Äußerungen der Vorsitzenden des SRB wiedergegeben werden, nicht als Beweis für ihre Authentizität, zumal die Person, die diese Äußerungen weitergegeben haben soll, selbst nicht namentlich genannt ist. Außerdem stellt entgegen dem Vorbringen der Klägerin die Pressemitteilung des SRB vom 31. Mai 2017, deren Inhalt oben in Rn. 441 wiedergegeben ist, ein Dementi der in diesem Artikel enthaltenen Informationen dar.

455    Die Klägerin kann sich auch nicht darauf stützen, dass die vermeintlichen Erklärungen der Vorsitzenden des SRB in Presseartikeln vom 1. Juni 2017, die der Klageschrift als Anlage beigefügt sind, wiedergegeben sein sollen. Denn diese Artikel beweisen nicht, dass die Vorsitzende des SRB am 31. Mai 2017 Erklärungen abgegeben hat. Dazu genügt die Feststellung, dass der von der Klägerin angeführte Auszug aus dem Artikel von bolsamania.com vom  1. Juni 2017 nur den Inhalt des Interviews wiedergibt, das die Vorsitzende des SRB dem Fernsehsender Bloomberg am 23. Mai gewährt hat, und dass der Auszug aus dem Artikel der Financial Times vom 1. Juni 2017 den Inhalt des Reuters-Artikels vom 31. Mai 2017 wiedergibt.

456    Mangels einer Vermutung, dass die Erklärung vom 31. Mai 2017 auf die Vorsitzende des SRB zurückgeht, müssen die Kommission und der SRB nicht nachweisen, dass diese nicht deren Urheberin war.

457    Mit am 2. Oktober 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingereichtem Schriftsatz hat die Klägerin gemäß Art. 85 Abs. 3 der Verfahrensordnung ein neues Beweisangebot vorgelegt. Dieses Beweisangebot bezieht sich auf zwei interne E‑Mails des SRB vom 10. und 18. August 2017 betreffend die von diesem ergriffenen Maßnahmen zur Untersuchung des Durchsickerns von Informationen in der Presse im Zusammenhang mit der Abwicklung von Banco Popular. Die Klägerin rechtfertigt die verspätete Vorlage dieser Dokumente damit, dass sie Zugang zu ihnen nach der Entscheidung des SRB vom 24. August 2020 zu deren Offenlegung erlangt habe, die gemäß der Entscheidung des Beschwerdeausschusses des SRB vom 15. April 2020 über einen Antrag eines Dritten auf Zugang zu Dokumenten ergangen sei. Sie habe im September 2020 Zugang zu diesen Dokumenten erhalten. Diese neuen Beweise sollten ihr Vorbringen im Rahmen des zweiten Klagegrundes untermauern, und die genannten Dokumente belegten, dass es keine Untersuchung des Durchsickerns von Informationen in der Presse am 23. Mai 2017 gegeben habe.

458    Die Kommission, der SRB, das Königreich Spanien und der Rat machen geltend, diese Dokumente seien für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Beschlüsse nicht erheblich.

459    Hierzu genügt die Feststellung, dass aus dem Fehlen einer internen Untersuchung des SRB zu der Erklärung seiner Vorsitzenden vom 23. Mai 2017 oder zu der dem Artikel vom 31. Mai 2017 zugrunde liegenden Erklärung keinesfalls der Beweis abgeleitet werden kann, dass der SRB seine Verpflichtungen zur Vertraulichkeit verletzt hat. Somit ist der Umstand, dass der SRB nach der Annahme des Abwicklungsbeschlusses keine interne Untersuchung zu diesen Erklärungen durchgeführt hat, für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Beschlüsse nicht relevant.

460    Daher sind die mit diesem neuen Beweisangebot vorgelegten Schriftstücke als nicht erheblich für die Entscheidung des Rechtsstreits zurückzuweisen.

461    Nach alledem ist der zweite Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

7.      Zum sechsten Klagegrund: Verletzung des in Art. 17 der Charta verankerten Eigentumsrechts und Verstoß gegen Art. 5 Abs. 4 EUV

462    Die Klägerin macht als frühere Anteilseignerin von Banco Popular geltend, die im Abwicklungskonzept enthaltene Entscheidung des SRB, die Anteile von Banco Popular herabzuschreiben und Letztere an Banco Santander zu verkaufen, stelle eine Einschränkung ihres in Art. 17 der Charta verankerten Eigentumsrechts dar, die die Bedingung der Verhältnismäßigkeit im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta und Art. 5 Abs. 4 EUV nicht erfülle.

463    Nach dem oben in Rn. 158 wiedergegebenen Art. 52 Abs. 1 der Charta und der oben in Rn. 159 angeführten Rechtsprechung kann das Eigentumsrecht Einschränkungen unterworfen werden, sofern diese in den anwendbaren Regelungen vorgesehen, zur Verfolgung eines dem Gemeinwohl dienenden Ziels erforderlich und im Hinblick auf dieses Ziel verhältnismäßig sind.

464    Mit ihrem sechsten Klagegrund stellt die Klägerin nicht in Abrede, dass die Einschränkung ihres Eigentumsrechts, die sich aus der Herabschreibung und der Umwandlung von Kapitalinstrumenten von Banco Popular sowie aus deren Verkauf an Banco Santander gemäß der im Abwicklungskonzept getroffenen Entscheidung ergibt, in den anwendbaren Regelungen vorgesehen und zur Verfolgung eines Gemeinwohlziels erforderlich war. Sie stellt lediglich die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahmen angesichts dessen in Frage, dass Banco Popular vor einem Liquiditätsproblem gestanden habe, und wirft dem SRB vor, nicht nach anderen, das Eigentumsrecht der Anteilseigner weniger einschränkenden Lösungen gesucht zu haben.

465    Nach der bereits oben in Rn. 176 angeführten ständigen Rechtsprechung dürfen gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, die Handlungen der Unionsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist, wobei zu beachten ist, dass, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und dass die verursachten Nachteile gegenüber den angestrebten Zielen nicht unangemessen sein dürfen (vgl. Urteile vom 30. April 2019, Italien/Rat [Fangquote für Schwertfisch im Mittelmeer], C‑611/17, EU:C:2019:332, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 6. Mai 2021, Bayer CropScience und Bayer/Kommission, C‑499/18 P, EU:C:2021:367, Rn. 166 und die dort angeführte Rechtsprechung).

466    Die Befugnis zur Herabschreibung und Umwandlung von Kapitalinstrumenten von Banco Popular gemäß Art. 21 der Verordnung Nr. 806/2014 folgt aus der Anwendung des in Art. 15 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung vorgesehenen Grundsatzes, dass Verluste zuerst von den Anteilseignern des in Abwicklung befindlichen Instituts getragen werden. Der Verkauf von Banco Popular an Banco Santander ist das Ergebnis der Anwendung des in Art. 22 der Verordnung Nr. 806/2014 vorgesehenen Instruments der Unternehmensveräußerung.

467    Wie die Prüfung des vierten Klagegrundes ergeben hat, stellen die Art. 15 und 22 der Verordnung Nr. 806/2014 keinen übermäßigen und nicht hinnehmbaren Eingriff in den Kernbestand des Eigentumsrechts der Anteilseigner des von einer Abwicklungsmaßnahme betroffenen Unternehmens dar, sondern sind als gerechtfertigte und verhältnismäßige Einschränkungen ihres Eigentumsrechts im Einklang mit Art. 17 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 1 der Charta anzusehen.

468    Das Gericht hat bereits entschieden, dass die Herabsetzung des Nominalwerts der Anteile einer zyprischen Bank in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit dieser Maßnahme verfolgten Ziel stand. Zunächst, so das Gericht, sollte diese Maßnahme zur Rekapitalisierung der Bank beitragen und war geeignet, einen Beitrag zur Erreichung des Ziels zu leisten, die Stabilität des zyprischen Finanzsystems und der Eurozone insgesamt zu gewährleisten. Sodann ging die Maßnahme nicht über das hinaus, was zur Erreichung des Ziels geeignet und erforderlich war, da weniger einschränkende alternative Maßnahmen entweder nicht durchführbar waren oder nicht zu den erwarteten Ergebnissen hätten führen können. Schließlich brachte in Anbetracht der Bedeutung des verfolgten Ziels die betreffende Maßnahme keine unangemessenen Nachteile mit sich. In diesem Zusammenhang hat das Gericht darauf hingewiesen, dass die Anteilseigner der Banken ihr Investitionsrisiko grundsätzlich in vollem Umfang tragen (Urteil vom 13. Juli 2018, K. Chrysostomides & Co. u. a./Rat u. a., T‑680/13, EU:T:2018:486, Rn. 330).

469    Das Gericht ist daher zu dem Schluss gelangt, dass die Herabsetzung des Nominalwerts der Aktien dieser Bank keinen unverhältnismäßigen und nicht tragbaren Eingriff darstellte, der das Eigentumsrecht der Kläger in seinem Wesensgehalt antastete (Urteil vom 13. Juli 2018, K. Chrysostomides & Co. u. a./Rat u. a., T‑680/13, EU:T:2018:486, Rn. 331).

470    Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass der SRB im Abwicklungskonzept festgestellt hat, dass die Voraussetzungen nach Art. 18 der Verordnung Nr. 806/2014 erfüllt gewesen seien, nämlich erstens, dass Banco Popular ausfalle oder wahrscheinlich ausfalle, zweitens, dass nach vernünftigem Ermessen keine Aussicht bestehe, dass dieser Ausfall innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens durch andere Maßnahmen des privaten Sektors oder der Aufsichtsbehörden abgewendet werden könne, und drittens, dass eine Abwicklungsmaßnahme in Form eines Instruments der Unternehmensveräußerung von Banco Popular im öffentlichen Interesse erforderlich sei. Die Abwicklung sei notwendig und stehe in angemessenem Verhältnis zur Erreichung von zwei der in Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 genannten Ziele, nämlich Sicherstellung der Kontinuität kritischer Funktionen der Bank und Vermeidung erheblicher negativer Auswirkungen auf die Finanzstabilität. Im Beschluss 2017/1246 billigte die Kommission das Abwicklungskonzept und stimmte insbesondere den Argumenten zu, die der SRB zur Begründung der Notwendigkeit einer Abwicklung im öffentlichen Interesse genannt hatte.

471    Da die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass die Voraussetzungen nach Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 im vorliegenden Fall nicht erfüllt waren, und da sie als Anteilseignerin von Banco Popular ihr Investitionsrisiko in vollem Umfang zu tragen hatte, ist festzustellen, dass die im Abwicklungskonzept getroffene Entscheidung zur Herabschreibung und Umwandlung von Kapitalinstrumenten von Banco Popular keinen unverhältnismäßigen und nicht tragbaren Eingriff darstellt, der ihr Eigentumsrecht in seinem Wesensgehalt antastet, sondern als eine gerechtfertigte und verhältnismäßige Einschränkung ihres Eigentumsrechts im Einklang mit Art. 17 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 1 der Charta anzusehen ist.

472    Das Vorbringen der Klägerin kann diese Schlussfolgerung nicht in Frage stellen.

473    Als Erstes macht die Klägerin geltend, die Herabschreibung der Anteile und der Verkauf von Banco Popular seien in Anbetracht von deren Solvenz unverhältnismäßig gewesen und hätten keine angemessenen Lösungen für ein Liquiditätsproblem dargestellt. Ein Insolvenzverfahren sei keine gegenüber der Abwicklung alternative Lösung gewesen, da Banco Popular solvent gewesen sei.

474    Erstens hat die Prüfung der ersten Rüge des achten Klagegrundes ergeben, dass die Insolvenz von Banco Popular keine Voraussetzung für die Annahme eines Abwicklungskonzepts war. Ist nämlich ein Unternehmen nicht in der Lage, seine Schulden oder sonstigen Verbindlichkeiten bei Fälligkeit zu begleichen, etwa bei einer Liquiditätskrise, so liegt einer der Fälle vor, in denen dieses Unternehmen als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend im Sinne von Art. 18 Abs. 4 Buchst. c der Verordnung Nr. 806/2014 zu betrachten ist.

475    Somit geht das Vorbringen zur Solvenz von Banco Popular ins Leere, da die EZB den Ausfall oder wahrscheinlichen Ausfall von Banco Popular gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 4 Buchst. c der Verordnung Nr. 806/2014 wegen der Verschlechterung ihrer Liquiditätssituation festgestellt hatte.

476    Zweitens waren der Ausfall oder wahrscheinliche Ausfall von Banco Popular und das Fehlen anderer Maßnahmen, mit denen dieser Ausfall innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens abgewendet werden konnte, Voraussetzungen für deren Abwicklung im Sinne von Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014. Daher war das Insolvenzverfahren entgegen dem Vorbringen der Klägerin die einzige Alternative zur Abwicklung.

477    Drittens hat der SRB die Wahl des Instruments der Unternehmensveräußerung in Art. 5 des Abwicklungskonzepts begründet. Dieses Instrument sei zur Erreichung der in Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 vorgesehenen Ziele notwendig gewesen und habe dazu in angemessenem Verhältnis gestanden, und es habe die für das Funktionieren der Realwirtschaft kritischen Funktionen schützen und die Finanzstabilität bewahren sollen.

478    Aus dem oben in Rn. 339 angeführten Art. 5.3 des Abwicklungskonzepts geht hervor, dass der SRB entgegen dem Vorbringen der Klägerin erläutert hat, aus welchen Gründen das Instrument der Unternehmensveräußerung am besten zur Lösung der Liquiditätsprobleme von Banco Popular geeignet sei.

479    Die Klägerin trägt nichts vor, was diese Beurteilungen des SRB in Frage stellen könnte, und macht lediglich geltend, eine Ausgliederung von Vermögenswerten und das Instrument des Brückeninstituts seien angemessene Maßnahmen zur Bewältigung der Liquiditätsprobleme und zur Wiederherstellung des Vertrauens des Marktes gewesen.

480    Als Zweites macht die Klägerin geltend, die Lösung zur Bewältigung eines Liquiditätsproblems sei die Bereitstellung zusätzlicher Liquidität. Sie verweist auf die der Klageschrift und der Erwiderung als Anlagen beigefügten Sachverständigengutachten, wonach es zur Bewältigung des Liquiditätsproblems von Banco Popular möglich gewesen sei, Aufsichtsmaßnahmen zu ergreifen, eine Notfallliquiditätshilfe oder Darlehen zu gewähren oder eine Liquiditätshilfe anderer Art zu leisten. Die Klägerin meint, diesen Gutachten zufolge habe es andere, für die Anteilseigner weniger beschränkende Maßnahmen gegeben, die es ihnen ermöglicht hätten, ihre Investition ganz oder zum Teil weiter zu halten, und verweist auf ihr Vorbringen zum achten Klagegrund.

481    Zum einen ist auf das Ergebnis der Prüfung des achten Klagegrundes hinzuweisen, wonach eine Notfallliquiditätshilfe zum Zeitpunkt der Annahme des Abwicklungskonzepts nicht in Betracht kam und der SRB nicht gehalten war, diese Möglichkeit zu berücksichtigen, da ihm bei der Leistung einer Notfallliquiditätshilfe, die in die Zuständigkeit der nationalen Zentralbanken fällt, keine Rolle zukommt. Zudem erläutert die Klägerin nicht, auf welche Aufsichtsmaßnahmen und anderen Formen von Darlehen oder Liquiditätshilfen sie sich bezieht. Wie die Prüfung des achten Klagegrundes ebenfalls ergeben hat, hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die von ihr vorgeschlagenen alternativen Lösungen in Betracht kamen.

482    Zum anderen genügt zu den von der Klägerin in Bezug genommenen Seiten des Sachverständigengutachtens vom 16. September 2017 mit dem Titel „Rechtliche und wirtschaftliche Bewertung“, das der Klageschrift als Anlage beigefügt ist, die Feststellung, dass sie nur eine rein theoretische Analyse der Maßnahmen enthalten, die der SRB nach Ansicht dieses Sachverständigen zur Vermeidung der Krise von Banco Popular hätte ergreifen können, wie die Zusammenarbeit mit anderen zuständigen Stellen oder eine Warnung an die Aufsichtsbehörden. Der Sachverständige stützt sich u. a. auf die unzutreffende Erwägung, dass der SRB die Bank von Spanien zur Leistung einer Notfallliquiditätshilfe habe verpflichten können.

483    Was schließlich die pauschale Verweisung der Klägerin auf das Sachverständigengutachten vom 2. Dezember 2018 mit dem Titel „Rechtliche und wirtschaftliche Bewertung betreffend die Bewertungsberichte und die Verteidigung des SRB“, das der Erwiderung als Anlage beigefügt ist, angeht, genügt die Feststellung, dass es nach der Rechtsprechung nicht Sache des Gerichts ist, die Klagegründe und Argumente, auf die sich die Klage möglicherweise stützen lässt, in den Anlagen zu suchen und zu bestimmen, da diese eine bloße Beweis- und Hilfsfunktion haben (vgl. Urteile vom 11. September 2014, MasterCard u. a./Kommission, C‑382/12 P, EU:C:2014:2201, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 94 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 24. September 2019, Niederlande u. a./Kommission, T‑760/15 und T‑636/16, EU:T:2019:669, Rn. 114 und die dort angeführte Rechtsprechung).

484    Als Drittes macht die Klägerin geltend, im Abwicklungskonzept sei kein Ausgleich zwischen dem öffentlichen Interesse und ihrem Eigentumsrecht gesucht und nicht festgestellt worden, ob ein öffentliches Interesse daran bestanden habe, ihr ihr Eigentum zu entziehen, oder ob es ihr Eigentumsrecht weniger stark einschränkende Maßnahmen gegeben habe.

485    Art. 18 Abs. 5 der Verordnung Nr. 806/2014 lautet:

„Für die Zwecke von Absatz 1 Buchstabe c dieses Artikels ist eine Abwicklungsmaßnahme als im öffentlichen Interesse liegend zu betrachten, wenn sie für das Erreichen eines oder mehrerer der in Artikel 14 genannten Abwicklungsziele notwendig und mit Blick auf diese Ziele verhältnismäßig ist und wenn dies bei einer Liquidation des Unternehmens im Wege eines regulären Insolvenzverfahrens nicht im selben Umfang der Fall wäre.“

486    Daraus folgt, dass das Vorbringen der Klägerin auf einer fehlerhaften Auslegung der Voraussetzung des öffentlichen Interesses gemäß Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 beruht. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin hatte der SRB nicht zu prüfen, ob „ein öffentliches Interesse daran bestand, ihr ihr Eigentum zu entziehen“. Außerdem ging es für den SRB nicht darum, das öffentliche Interesse und das private Interesse der Anteilseigner gegeneinander abzuwägen.

487    Nach der oben in Rn. 164 angeführten Rechtsprechung kann, obwohl ein klares öffentliches Interesse daran besteht, in der gesamten Union einen wirksamen und einheitlichen Schutz der Investoren zu gewährleisten, nicht davon ausgegangen werden, dass dieses Interesse in jedem Fall Vorrang vor dem öffentlichen Interesse an der Gewährleistung der Stabilität des Finanzsystems hat.

488    In der Erwiderung fügt die Klägerin hinzu, dass sich der SRB nicht gemäß dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Fürsorgepflicht vorbereitet habe, was ihn daran gehindert habe, die anderen verfügbaren Lösungen zu prüfen und die angemessenste und kostengünstigste zu wählen. In dem vom SRB erstellten Abwicklungsplan von 2016 sei nicht geprüft worden, ob die beabsichtigte Abwicklungsstrategie durchführbar gewesen sei, es habe an Informationen und an der nötigen Vorbereitung gefehlt, und dieser Plan hätte zurückgewiesen werden müssen.

489    Dazu genügt die Feststellung, dass die Klägerin dem SRB mit diesem Vorbringen vorwirft, die Abwicklungsmaßnahme unter Verletzung des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung und seiner Fürsorgepflicht nicht vorbereitet zu haben.

490    Wie die Kommission geltend macht, ist dieses erstmals in der Erwiderung enthaltene Vorbringen gemäß Art. 84 Abs. 1 der Verfahrensordnung als unzulässig anzusehen.

491    Jedenfalls geht dieses Vorbringen ins Leere, was die Frage betrifft, ob die vom SRB nach Erfüllung der Voraussetzungen gemäß Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 angenommene Abwicklungsmaßnahme zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentumsrecht geführt hat.

492    Daher ist der sechste Klagegrund zurückzuweisen.

8.      Zum siebten Klagegrund: Verletzung des in den Art. 17 und 41 der Charta verankerten Rechts auf Gehör

493    Die Klägerin macht geltend, der SRB habe gegen die Art. 17 und 41 der Charta verstoßen, da er das Abwicklungskonzept, das zu einer Verletzung seines Eigentumsrechts an den Anteilen von Banco Popular geführt habe, festgelegt habe, ohne sie davor oder danach angehört zu haben. In einer Anhörung hätte sich überprüfen lassen, ob es alternative private Maßnahmen, wie etwa eine Kapitalerhöhung, gegeben habe. Außerdem sei diese Einschränkung nicht gesetzlich vorgesehen und sei unverhältnismäßig, da die Dringlichkeit das Fehlen einer Anhörung nicht rechtfertige.

494    Vorab ist auf das Ergebnis der Prüfung des fünften Klagegrundes hinzuweisen, wonach der Umstand, dass Art. 18 der Verordnung Nr. 806/2014 keine Anhörung der Anteilseigner des von einer Abwicklungsmaßnahme betroffenen Unternehmens vorsieht, eine Einschränkung des Rechts auf Gehör darstellt, die zum einen zur Verfolgung eines Gemeinwohlziels, nämlich des in Art. 14 der Verordnung Nr. 806/2014 genannten Ziels, die Stabilität der Finanzmärkte zu gewährleisten, zu dem auch das Ziel gehört, die Kontinuität der kritischen Funktionen des betreffenden Unternehmens sicherzustellen, sowie durch die Notwendigkeit einer raschen Beschlussfassung bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Abwicklung gerechtfertigt ist und die zum anderen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang mit Art. 52 Abs. 1 der Charta beachtet.

495    Nach der oben in den Rn. 225 und 226 angeführten Rechtsprechung ist jedoch das Recht auf Gehör in allen Verfahren zu beachten, die zu einer beschwerenden Maßnahme führen können, und zwar auch dann, wenn die anwendbare Regelung ein solches Verfahrensrecht nicht ausdrücklich vorsieht.

496    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass mit dem vom SRB zum Abschluss des Verfahrens nach Art. 18 der Verordnung Nr. 806/2014 angenommenen Abwicklungskonzept die Abwicklung von Banco Popular bezweckt wird. Alleiniger Adressat des Abwicklungskonzepts ist der FROB, und Banco Popular ist als die Person anzusehen, der gegenüber eine individuelle Maßnahme getroffen wird und der das Recht auf Gehör durch Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta garantiert ist.

497    Somit ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin als Anteilseignerin von Banco Popular weder Adressat des Abwicklungskonzepts, das keine ihr gegenüber getroffene individuelle Maßnahme ist, noch des Beschlusses 2017/1246 zur Billigung dieses Abwicklungskonzepts ist.

498    Allerdings hat der SRB die Befugnis gemäß Art. 21 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 zur Herabschreibung oder Umwandlung der Kapitalinstrumente von Banco Popular ausgeübt.

499    Auch wenn das vom SRB durchgeführte Verfahren zur Annahme des Abwicklungskonzepts kein gegenüber der Klägerin eröffnetes individuelles Verfahren ist, kann es daher zum Erlass einer Maßnahme führen, die für deren Interessen als Anteilseignerin von Banco Popular nachteilig sein kann.

500    In der oben in Rn. 225 angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs ist aber das Recht auf Gehör weit dahin ausgelegt worden, dass es jeder Person in einem Verfahren garantiert ist, das zu einer sie beschwerenden Maßnahme führen kann.

501    Es ist jedoch auch darauf hinzuweisen, dass nach dem oben in Rn. 158 wiedergegebenen Art. 52 Abs. 1 der Charta und der oben in Rn. 235 angeführten Rechtsprechung das in der Charta verankerte Recht auf Gehör, sollte sich die Klägerin im Rahmen des Verfahrens der Abwicklung von Banco Popular darauf berufen können, Einschränkungen unterworfen werden kann. Insbesondere konnte das Fehlen einer Anhörung der Klägerin als Anteilseignerin von Banco Popular im Rahmen des Abwicklungsverfahrens, sei es durch den SRB oder durch die Kommission, gerechtfertigt sein.

502    Im vorliegenden Fall wies der SRB in Art. 4.2 des Abwicklungskonzepts darauf hin, dass die Abwicklung von Banco Popular zur Erreichung von zwei in Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 genannten Zielen notwendig und verhältnismäßig sei, nämlich zur Vermeidung erheblicher negativer Auswirkungen auf die Finanzstabilität und zur Sicherstellung der Kontinuität der kritischen Funktionen von Banco Popular.

503    Dazu erläuterte der SRB in Art. 4.4.2 des Abwicklungskonzepts, er sei aufgrund verschiedener Anhaltspunkte zu dem Schluss gelangt, dass die Situation von Banco Popular eine wachsende Gefahr erheblicher negativer Auswirkungen auf die Finanzstabilität in Spanien berge. Zu diesen Anhaltspunkten gehörten erstens die Größe und die Bedeutung von Banco Popular, die die Muttergesellschaft der sechstgrößten Bankengruppe Spaniens mit Vermögenswerten von insgesamt 147 Mrd. Euro sei und 2017 von der Bank von Spanien als systemrelevantes Institut eingestuft worden sei. Banco Popular sei einer der Hauptakteure auf dem Markt in Spanien mit einem signifikanten Marktanteil im Segment der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und habe in ganz Spanien einen relativ hohen Marktanteil bei den Einlagen (fast 6 %) und eine hohe Zahl von Kunden (etwa 1,4 Millionen). Zweitens sei die Art der Tätigkeit von Banco Popular berücksichtigt worden, deren Schwerpunkt im Firmenkundengeschäft liege und die sich hauptsächlich auf das Angebot von Finanzierungen, die Verwaltung von Sparguthaben und Dienstleistungen für Privatkunden, Familien und Unternehmen (insbesondere KMU) konzentriere. Die Ähnlichkeit des Geschäftsmodells von Banco Popular und anderer spanischer Geschäftsbanken könne zum indirekten Ansteckungspotenzial im Verhältnis zu diesen Banken beitragen, die als vor denselben Schwierigkeiten stehend angesehen werden können.

504    In Art. 4.4 des Abwicklungskonzepts benannte der SRB drei kritische Funktionen im Sinne von Art. 6 der Delegierten Verordnung 2016/778, und zwar das Einlagengeschäft mit Haushalten und Nichtfinanzunternehmen, die Kreditvergabe an KMU und Barzahlungsdienstleistungen.

505    Die Klägerin stellt nicht in Abrede, dass das Abwicklungskonzept im öffentlichen Interesse erforderlich im Sinne von Art. 18 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 806/2014, die Abwicklung von Banco Popular also notwendig war, um eins oder mehrere der in Art. 14 dieser Verordnung genannten Ziele zu erreichen, während sich dies in einem regulären Insolvenzverfahren für das Unternehmen nicht im selben Umfang hätte erreichen lassen. Demnach stellt die Klägerin nicht in Abrede, dass das Abwicklungskonzept erforderlich und verhältnismäßig war, um die erheblichen negativen Auswirkungen des Ausfalls von Banco Popular auf die Finanzstabilität der Union zu vermeiden und die Kontinuität der kritischen Funktionen dieser Bank sicherzustellen.

506    Da das Abwicklungskonzept die Finanzlage von Banco Popular sichern sollte und eine Alternative zu ihrer Liquidation war, entsprach es tatsächlich einem Gemeinwohlziel, nämlich dem Ziel, die Stabilität der Finanzmärkte zu garantieren, das nach der Analyse des fünften Klagegrundes eine Einschränkung des Rechts auf Gehör der Klägerin rechtfertigen kann.

507    Ferner ergibt sich ebenfalls aus der Prüfung des fünften Klagegrundes, dass Art. 18 der Verordnung Nr. 806/2014 den unverzüglichen Erlass eines Beschlusses vorsieht, wenn ein Unternehmen die Voraussetzungen für die Annahme einer Abwicklungsmaßnahme erfüllt.

508    Somit musste, nachdem die EZB den Ausfall oder wahrscheinlichen Ausfall von Banco Popular festgestellt hatte und der SRB die Voraussetzungen des Art. 18 der Verordnung Nr. 806/2014 als erfüllt ansah, das Abwicklungskonzept schnellstmöglich angenommen werden.

509    Diese rasche Beschlussfassung war durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, die Kontinuität der kritischen Funktionen von Banco Popular sicherzustellen und die erheblichen negativen Auswirkungen ihrer Situation auf die Finanzmärkte zu verhindern, indem insbesondere dem Ansteckungsrisiko vorgebeugt wurde. Da im vorliegenden Fall der Ausfall von Banco Popular an einem Wochentag eingetreten war, musste vor der Öffnung der Märkte am Morgen des 7. Juni 2017 das Verfahren abgeschlossen und der Beschluss erlassen worden sein.

510    Wie Generalanwalt Campos Sánchez-Bordona in Nr. 80 seiner Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen ABLV Bank u. a./EZB (C‑551/19 P und C‑552/19 P, EU:C:2021:16) ausgeführt hat, müssen die zuständigen Organe und Agenturen der Union ihre Entscheidungen so schnell treffen, um negative Auswirkungen der Abwicklung des Bankinstituts auf die Finanzmärkte zu verhindern, und dieser Zeitdruck verpflichtet sie de facto dazu, die Entscheidung schon „vorbereitet“ zu haben, bevor sie das Verfahren einleiten, um die Schließung der Wertpapiermärkte nutzen zu können.

511    Die Klägerin stellt nicht in Abrede, dass die Annahme des Abwicklungskonzepts dringlich war.

512    Zudem ist zu beachten, dass eine vorherige Anhörung der Klägerin und der übrigen Anteilseigner von Banco Popular, bei der diese davon unterrichtet worden wären, dass der Erlass einer Abwicklungsmaßnahme unmittelbar bevorstand, die Gefahr heraufbeschworen hätte, dass sie sich in einer Weise auf dem Markt verhielten, die die Finanzlage von Banco Popular verschlimmert hätte. Eine solche Anhörung hätte damit der Wirksamkeit der beabsichtigten Abwicklungsmaßnahme abträglich sein können.

513    Es ist somit davon auszugehen, dass die Anhörung der Klägerin vor der Annahme des Abwicklungskonzepts oder vor dem Erlass des Beschlusses 2017/1246 zu einer erheblichen Verlangsamung des Verfahrens geführt und daher das Erreichen der mit dem Abwicklungskonzept verfolgten Ziele nicht zugelassen und dessen Wirksamkeit gefährdet hätte.

514    Wie aber im vorliegenden Fall die Prüfung des achten Klagegrundes ergeben hat, hat die Klägerin nicht dargetan, dass der SRB gegen Art. 18 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 806/2014 verstoßen hat. Insbesondere hat die Klägerin nicht dargetan, dass sie in der Lage war, alternative Maßnahmen vorzuschlagen, mit denen sich die Liquiditätsprobleme von Banco Popular hätten bewältigen und somit deren Abwicklung hätte verhindern lassen. Wie bereits festgestellt worden ist, kam die von der Klägerin erwähnte Kapitalerhöhung nicht als alternative Maßnahme in Betracht, mit der innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens der Ausfall oder wahrscheinliche Ausfall von Banco Popular hätte verhindert werden können.

515    Daher kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, dass das Abwicklungskonzept nicht angenommen worden wäre, wenn sie die Möglichkeit gehabt hätte, sich während des Verfahrens zum Vorliegen alternativer Maßnahmen der Privatwirtschaft zu äußern.

516    Darüber hinaus ist das Vorbringen der Klägerin, eine Anhörung könne auch noch nach der Annahme des Abwicklungskonzepts stattfinden, zurückzuweisen. Denn eine solche Anhörung könnte den Inhalt des Abwicklungskonzepts nicht verändern, das ex hypothesi schon in Kraft getreten ist.

517    Aus dem Vorstehenden folgt, dass das Fehlen einer Anhörung der Klägerin im Rahmen des Verfahrens, das zum Erlass der angefochtenen Beschlüsse geführt hat, eine Einschränkung des Rechts auf Gehör darstellte, die gerechtfertigt und erforderlich war, um einem dem Gemeinwohl dienenden Ziel zu entsprechen, und im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach Art. 52 Abs. 1 der Charta stand.

518    Daher ist der siebte Klagegrund zurückzuweisen.

9.      Zum neunten Klagegrund: Verstoß gegen die Art. 14 und 20 der Verordnung Nr. 806/2014, die Fürsorgepflicht und Art. 296 AEUV

519    Die Klägerin macht geltend, der SRB habe im Abwicklungskonzept gegen die Art. 14 und 20 der Verordnung Nr. 806/2014, die Fürsorgepflicht und Art. 296 AEUV verstoßen, weil erstens im Veräußerungsverfahren nicht der höchstmögliche Verkaufspreis erzielt und zweitens die Bewertung 2 nicht nach Marktkriterien erstellt worden sei. Dieser Klagegrund besteht aus zwei Teilen.

a)      Zum ersten Teil, der das Veräußerungsverfahren betrifft

520    Die Klägerin macht geltend, im Verfahren zur Veräußerung von Banco Popular sei es unter Verstoß gegen Art. 14 der Verordnung Nr. 806/2014 nicht gelungen, den höchstmöglichen Verkaufspreis zu erzielen. Das Verfahren sei erstens nicht wettbewerbsbasiert und zweitens fehlerhaft gewesen.

521    Vorab ist festzustellen, dass die Klägerin in dem Umstand, dass das Veräußerungsverfahren nicht zur Erzielung des höchstmöglichen Verkaufspreises geführt habe, einen Verstoß gegen Art. 14 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 sieht, der wie folgt lautet:

„Der [SRB], der Rat, die Kommission und gegebenenfalls die nationale Abwicklungsbehörde müssen bei der Verfolgung der in Unterabsatz 1 genannten Ziele bemüht sein, die Kosten der Abwicklung möglichst gering zu halten und die Vernichtung von Werten zu vermeiden, wenn sie nicht zur Verwirklichung der Abwicklungsziele erforderlich ist.“

522    Mit der Kommission und Banco Santander ist festzustellen, dass das Ziel, „einen möglichst hohen Verkaufspreis zu erzielen“, nicht zu den in Art. 14 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 genannten Zielen gehört. Auf diese Bestimmung lässt sich somit das Vorbringen der Klägerin zur Erzielung eines möglichst hohen Verkaufspreises nicht stützen.

523    Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 24 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 806/2014 betreffend das Instrument der Unternehmensveräußerung im Abwicklungskonzept

„die Regelungen für die Vermarktung des jeweiligen Unternehmens oder der jeweiligen Titel, Vermögenswerte, Rechte und Verbindlichkeiten durch die nationale Abwicklungsbehörde gemäß Artikel 39 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 2014/59… [festgelegt werden]“.

524    Nach Art. 39 Abs. 2 Buchst. f der Richtlinie 2014/59 wird bei der Veräußerung durch die Abwicklungsbehörde bei Anwendung des Instruments der Unternehmensveräußerung soweit möglich angestrebt, einen möglichst hohen Verkaufspreis für die betroffenen Anteile oder anderen Eigentumstitel, Vermögenswerte, Rechte oder Verbindlichkeiten zu erzielen.

525    Somit ist das Vorbringen der Klägerin zu prüfen, das Verfahren sei nicht mit allen nötigen Garantien für die Erzielung eines möglichst hohen Preises für Banco Popular durchgeführt worden.

526    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der SRB in dem am 3. Juni 2017 erlassenen Vermarktungsbeschluss unter Berücksichtigung der rapiden Verschlechterung der Liquiditätssituation von Banco Popular, der erheblichen Verringerung des Wertes ihrer Aktien und der möglichen negativen Auswirkungen des Ausfalls der Bank auf die Finanzstabilität feststellte, dass er alle erforderlichen Maßnahmen für die Annahme einer Abwicklungsmaßnahme zu ergreifen habe und dass die Wirksamkeit des Instruments der Unternehmensveräußerung sichergestellt werden müsse, um die Erreichung der Abwicklungsziele zu gewährleisten. Der SRB billigte somit die sofortige Einleitung des Verfahrens zur Veräußerung von Banco Popular durch den FROB und teilte diesem die Anforderungen für die Veräußerung gemäß Art. 39 der Richtlinie 2014/59 mit.

527    In Art. 2 Buchst. b des Vermarktungsbeschlusses wies der SRB darauf hin, dass im Veräußerungsverfahren angestrebt werde, einen möglichst hohen Verkaufspreis zu erzielen, wobei die Notwendigkeit einer raschen Durchführung der Abwicklung berücksichtigt werde. Das Hauptkriterium für die Bewertung der Angebote sei der angebotene Preis.

528    Sodann wurde das Verfahren zur Veräußerung von Banco Popular gemäß den Bestimmungen der Richtlinie 2014/59 und des Gesetzes 11/2015 vom FROB durchgeführt. In dem am 6. Juni 2017 im Zusammenhang mit einer möglichen Abwicklung von Banco Popular ergangenen Verfahrensschreiben forderte der FROB die potenziellen Erwerber auf, am Veräußerungsverfahren teilzunehmen und ihm ein Angebot für den Erwerb von 100 % des Kapitals von Banco Popular zu den in diesem Schreiben genannten Bedingungen vorzulegen. In dem Verfahrensschreiben hieß es, dass der Angebotspreis mindestens einen Euro betragen müsse.

529    Schließlich stellte der SRB in Art. 6.6 des Abwicklungskonzepts fest, dass die Bemühungen des FROB um eine Vermarktung von Banco Popular vor Annahme des Abwicklungskonzepts den Anforderungen nach Art. 24 der Verordnung Nr. 806/2014 in Verbindung mit Art. 39 der Richtlinie 2014/59 genügt hätten.

530    Der SRB wies darauf hin, dass Banco Popular in der Zeit unmittelbar vor der Abwicklung ein privates Veräußerungsverfahren betrieben habe und dass sich in der Woche vom 29. Mai 2017 gezeigt habe, dass dieses Verfahren fehlschlagen werde. Die Entscheidung, seine Veräußerungsbemühungen auf die Banken zu begrenzen, die schon im Rahmen des privaten Veräußerungsverfahrens ein allgemeines Interesse am Erwerb von Banco Popular bekundet hätten, habe den Anforderungen nach Art. 39 der Richtlinie 2014/59 entsprochen.

531    Nach Einleitung des Veräußerungsverfahrens durch den FROB seien letztlich zwei Banken zur Teilnahme an der Veräußerung aufgefordert worden. An alle potenziellen Erwerber sei am selben Tag herangetreten worden, sie hätten Zugang zu demselben virtuellen Datenraum gehabt, und für ihre Angebote hätten dieselben Bedingungen und dieselbe Frist gegolten.

532    Der SRB stellte abschließend fest, dass von den beiden potenziellen Erwerbern nur ein gültiges Angebot eingegangen sei, und befand es, da allein der Erwerber ein Angebot abgegeben habe, für ratsam, dessen Bedingungen anzunehmen und so einer unkontrollierten Insolvenz von Banco Popular zuvorzukommen, die u. a. deren kritische Funktionen hätte beeinträchtigen können.

533    Als Erstes macht die Klägerin geltend, dass nicht genügend Zeit für das Verfahren zur Verfügung gestanden habe und dass dieses nicht wettbewerbsbasiert gewesen sei, da es ohne Publizität und Transparenz und ohne eine ausreichende Zahl potenzieller Erwerber durchgeführt worden sei. Das private Veräußerungsverfahren sei „recycelt“ worden, ohne dass dies im Abwicklungskonzept erläutert worden sei. Die Banken der anderen Mitgliedstaaten seien ausgeschlossen und diskriminiert worden.

534    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Anforderungen betreffend die Veräußerung und insbesondere die Entscheidung zur Begrenzung der Teilnehmer am Veräußerungsverfahren nicht im Abwicklungskonzept enthalten sind, sondern in dem davor, am 3. Juni 2017, ergangenen Vermarktungsbeschluss des SRB.

535    Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Zwischenmaßnahmen, die der Vorbereitung der endgültigen Entscheidung dienen, grundsätzlich keine Handlungen, die Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein können (vgl. Urteile vom 6. Mai 2021, ABLV Bank u. a./EZB, C‑551/19 P und C‑552/19 P, EU:C:2021:369, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 3. Juni 2021, Ungarn/Parlament, C‑650/18, EU:C:2021:426, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

536    Eine Zwischenmaßnahme kann nach der Rechtsprechung auch dann nicht Gegenstand einer Klage sein, wenn feststeht, dass die Rechtswidrigkeit dieser Handlung im Rahmen einer Klage gegen die endgültige Entscheidung, deren Vorbereitung sie dient, geltend gemacht werden kann. Unter solchen Umständen bietet die Klage gegen die das Verfahren abschließende Entscheidung einen ausreichenden gerichtlichen Rechtsschutz (vgl. Urteil vom 15. März 2017, Stichting Woonpunt u. a./Kommission, C‑415/15 P, EU:C:2017:216, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

537    Im vorliegenden Fall befand der SRB im Abwicklungskonzept, dass das vom FROB eingeleitete Veräußerungsverfahren den Anforderungen von Art. 39 der Richtlinie 2014/59 entsprochen habe. Es ist darauf hinzuweisen, dass der FROB die vom SRB im Vermarktungsbeschluss festgelegten Anforderungen berücksichtigt hatte. Folglich bestätigte der SRB im Abwicklungskonzept implizit die Anforderungen betreffend die Veräußerung, die er selbst im Vermarktungsbeschluss festgelegt hatte.

538    Zudem sieht Art. 13 der Verordnung Nr. 806/2014, der die Frühintervention betrifft, in Abs. 3 vor:

„Der [SRB] ist befugt, von dem Institut oder dem Mutterunternehmen vorbehaltlich der in Artikel 39 Absatz 2 der Richtlinie 2014/59… festgelegten Kriterien und der in Artikel 88 dieser Verordnung festgelegte[n] Verpflichtung zur Wahrung des Berufsgeheimnisses zu verlangen, an potenzielle Erwerber heranzutreten, um die Abwicklung des Instituts vorzubereiten.

…“

539    Somit ist der Vermarktungsbeschluss als eine vom SRB erlassene Zwischenmaßnahme im Hinblick auf die mögliche Abwicklung von Banco Popular anzusehen, und der Klägerin ist es nicht verwehrt, zur Stützung ihrer Klage gegen das Abwicklungskonzept geltend zu machen, dass die in diesem Beschluss enthaltene Beurteilung rechtswidrig sei.

540    Was die Transparenz des Verfahrens zur Veräußerung von Banco Popular angeht, ist auf die Feststellung des SRB im vierten Erwägungsgrund des Vermarktungsbeschlusses hinzuweisen, dass jede öffentliche Bekanntgabe der Veräußerung der Bank aufgeschoben werden müsse, um negative Auswirkungen auf die Finanzstabilität zu vermeiden.

541    Diese Möglichkeit ist ausdrücklich in Art. 39 Abs. 2 letzter Unterabsatz der Richtlinie 2014/59 vorgesehen, wonach eine öffentliche Bekanntgabe der Vermarktung eines Instituts, wie sie andernfalls nach Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission (ABl. 2014, L 173, S. 1) erforderlich wäre, im Einklang mit Art. 17 Abs. 4 oder 5 dieser Verordnung aufgeschoben werden kann.

542    Im 64. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/59 heißt es dazu:

„Informationen zur Vermarktung eines ausfallenden Instituts und die Verhandlungen mit potenziellen Käufern vor dem Rückgriff auf das Instrument der Unternehmensveräußerung dürften von systemischer Bedeutung sein. Zur Wahrung der Finanzstabilität ist es von großer Bedeutung, dass die Offenlegung derartiger Informationen, wie in der Verordnung … Nr. 596/2014 … vorgesehen, für den Zeitraum ausgesetzt werden kann, der für die Planung und Strukturierung der Abwicklung des Instituts unter Beachtung der bei der Marktmissbrauch-Regelung gestatteten Fristen erforderlich ist.“

543    Folglich ist das Transparenzerfordernis nach Art. 39 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2014/59 dahin auszulegen, dass es den Ablauf des Veräußerungsverfahrens und nicht die möglichen Maßnahmen zur öffentlichen Ankündigung dieses Verfahrens betrifft.

544    Was die Begrenzung des Veräußerungsverfahrens auf die Institute angeht, die an dem oben in Rn. 33 erwähnten von Banco Popular eingeleiteten privaten Veräußerungsverfahren teilgenommen hatten, nennt der SRB in Art. 2 Buchst. a Ziff. i des Vermarktungsbeschlusses eine Reihe von Gründen für seine Entscheidung, den FROB aufzufordern, nur an diese fünf Teilnehmer heranzutreten.

545    Hierzu führte der SRB aus:

„Was die Auswahl der anzusprechenden Erwerber angeht, tritt der FROB auf jeden Fall an eine ausreichende Zahl von Erwerbern heran, nachdem eine Untersuchung des Interesses des Marktes an einer Investition in die Tätigkeit der Bank durchgeführt worden ist. Angesichts der Notwendigkeit, das Veräußerungsverfahren innerhalb äußerst kurzer Zeit abzuschließen, gibt das im privaten Veräußerungsverfahren gezeigte Interesse Aufschluss über die Analyse des Marktinteresses. Im Verlauf des privaten Veräußerungsverfahrens wurden mehrere potenzielle Bieter angesprochen, die auf dem spanischen und dem internationalen Markt tätig sind. Nur fünf Parteien haben ihr Anfangsinteresse bekundet und sind daher aufgefordert worden, nicht verbindliche Angebote im Rahmen des privaten Veräußerungsverfahrens abzugeben.

Der FROB wird an die fünf Parteien herantreten, die zur Abgabe von Angeboten im Rahmen des privaten Veräußerungsverfahrens aufgefordert worden sind.

An diese fünf Parteien heranzutreten, ist aus Gründen der Finanzstabilität und wegen der erheblichen Gefahr gerechtfertigt, dass die Vermarktung unter Einbeziehung eines größeren Kreises potenzieller Erwerber, die Offenlegung der Risiken und Schätzungen oder die Benennung der kritischen und der nicht kritischen Funktionen der Bank am Markt zu zusätzlicher Unsicherheit und zu einem Vertrauensverlust führen. Zudem könnte das Ansprechen einer größeren Erwerberzahl die Wahrscheinlichkeit des Durchsickerns von Informationen und damit die Gefahr erhöhen, dass die Bank innerhalb äußerst kurzer Frist abgewickelt würde.

Wegen der Dringlichkeit und der sehr begrenzten Zeit, die voraussichtlich für das Vermarktungsverfahren zur Verfügung stehen wird, würde ferner eine Aufforderung an eine größere Zahl von Teilnehmern die Komplexität des Verfahrens erhöhen. Außerdem ist es auf der Grundlage der von der Bank erteilten Informationen zweifelhaft, ob die Bieter, die noch kein Interesse am privaten Veräußerungsverfahren bekundet haben, Angebote abgeben werden.

Gemäß Art. 24 Abs. 3 der Verordnung wird sich der SRB um einen Ausgleich zwischen den Vermarktungsanforderungen und der Notwendigkeit des Erreichens der Abwicklungsziele bemühen. Insbesondere wird der SRB wegen der Dringlichkeit der Umstände und insbesondere der erheblichen Bedrohung für die Finanzstabilität, die sich aus dem Ausfall der Bank ergeben würde, und der Tatsache, dass die Beachtung des Erfordernisses, an eine größere Zahl von Erwerbern heranzutreten, auch die Wirksamkeit des Instruments der Unternehmensveräußerung gefährden würde, teilweise von den Vermarktungsanforderungen abweichen.“

546    Nach Art. 39 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2014/59 hindern vorbehaltlich einer unzulässigen Begünstigung oder einer Benachteiligung potenzieller Erwerber die in diesem Absatz genannten Grundsätze die Abwicklungsbehörde nicht daran, gezielt an bestimmte potenzielle Erwerber heranzutreten.

547    Folglich steht die Entscheidung des SRB, den FROB aufzufordern, nur an die fünf Institute heranzutreten, die an dem privaten Veräußerungsverfahren teilgenommen hatten, im Einklang mit dieser Bestimmung.

548    Die Klägerin bringt nichts dafür vor, dass die Begrenzung der Zahl der potenziellen Erwerber auf die fünf Teilnehmer am privaten Veräußerungsverfahren keinen echten Preiswettbewerb zwischen ihnen zugelassen hat.

549    In dieser Hinsicht sind dem SRB nicht die im Verlauf des Verfahrens eingetretenen Umstände anzulasten, nämlich, dass vier der fünf Teilnehmer auf die Abgabe eines verbindlichen Angebots verzichtet haben und dass das einzige abgegebene verbindliche Angebot auf einen Kaufpreis von einem Euro lautete.

550    Darüber hinaus beruhte diese Entscheidung auf einem objektiven Kriterium, dem von diesen Unternehmen bereits bekundeten Interesse am Erwerb von Banco Popular, und war durch die sehr kurze Frist gerechtfertigt, innerhalb deren das Veräußerungsverfahren abgeschlossen sein musste. Wie der SRB darlegte, drohte eine Ausweitung des Verfahrens auf eine größere Zahl von Teilnehmern das Verfahren zu verlangsamen, erhöhte aber zugleich auch die Risiken des Durchsickerns von Informationen über die Lage von Banco Popular und damit die Risiken für die Finanzstabilität.

551    Daher macht die Klägerin zu Unrecht geltend, dass dieses Verfahren diskriminierend gewesen sei. Die Entscheidung, nur die Institute anzusprechen, die im Rahmen des privaten Veräußerungsverfahrens ein Interesse am Erwerb von Banco Popular bekundet hatten, schloss die Institute der anderen Mitgliedstaaten nicht grundsätzlich aus.

552    Insoweit ist zu beachten, dass das private Veräußerungsverfahren jedem spanischen oder internationalen Wirtschaftsbeteiligten offenstand. Die Klägerin erläutert nicht, aus welchem Grund andere spanische oder internationale Institute, die zur Zeit des privaten Veräußerungsverfahrens kein Interesse am Erwerb von Banco Popular bekundet hatten, einige Wochen später, im Stadium der Einleitung des Verfahrens durch den FROB, daran hätten interessiert sein sollen. Da zudem jede öffentliche Information bezüglich der Einleitung des Veräußerungsverfahrens ausgeschlossen war, erläutert die Klägerin nicht, anhand welcher nicht diskriminierenden Kriterien andere Wirtschaftsbeteiligte hätten angesprochen werden können.

553    Folglich hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass das Veräußerungsverfahren nicht wettbewerbsbasiert war.

554    Als Zweites macht die Klägerin geltend, das Verfahren sei mit Unregelmäßigkeiten behaftet, die den Kaufpreis verfälscht hätten. Der FROB habe Vertraulichkeitsvereinbarungen mit den potenziellen Erwerbern geschlossen, bevor Banco Popular für ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend erklärt worden sei, und das Abwicklungsverfahren habe somit begonnen, bevor die Voraussetzungen dafür erfüllt gewesen seien. Banco Santander habe ihr Angebot am 7. Juni 2017 um 03.12 Uhr abgegeben, obwohl das wettbewerbsbasierte Verfahren beendet gewesen sei.

555    Zum Ablauf des Verfahrens ist darauf hinzuweisen, dass von den fünf potenziellen Erwerbern, an die der FROB herangetreten war, zwei beschlossen, nicht am Veräußerungsverfahren teilzunehmen, und einer von der EZB aus aufsichtsrechtlichen Gründen ausgeschlossen wurde. Am 4. Juni 2017 unterzeichneten Banco Santander und BBVA, die beiden potenziellen Erwerber, die sich zur Teilnahme am Veräußerungsverfahren entschlossen hatten, eine Vertraulichkeitsvereinbarung, und am 5. Juni 2017 hatten sie Zugang zum virtuellen Datenraum. Am 6. Juni 2017 übermittelte ihnen der FROB das Verfahrensschreiben und den Kaufvertrag (Sale and Purchase Agreement). Mit Schreiben vom 6. Juni 2017 teilte BBVA dem FROB ihre Entscheidung mit, kein Angebot abzugeben.

556    Mit Schreiben vom 7. Juni 2017 teilte der FROB dem SRB die Ergebnisse des Veräußerungsverfahrens mit und gab an, dass Banco Santander am 7. Juni um 03.12 Uhr ein Angebot abgegeben und für den Kauf der Anteile von Banco Popular einen Preis von einem Euro angeboten habe. Der FROB schlug vor, Banco Santander als Zuschlagsempfänger im wettbewerbsbasierten Verfahren zur Veräußerung von Banco Popular im Abwicklungskonzept als deren Erwerber zu bestimmen.

557    Im Abwicklungskonzept befand der SRB, dass das vom FROB durchgeführte Verfahren zur Veräußerung von Banco Popular den Anforderungen nach Art. 24 der Verordnung Nr. 806/2014 in Verbindung mit Art. 39 der Richtlinie 2014/59 genügt habe, und nahm den Vorschlag des FROB an, Banco Santander als Erwerber von Banco Popular zu bestimmen.

558    Der FROB hatte zudem im Verfahrensschreiben einen Zeitplan für den Ablauf des Veräußerungsverfahrens für Banco Popular festgelegt. Danach waren die bindenden Angebote bis spätestens 6. Juni 2017 um Mitternacht einzureichen. Am 7. Juni 2017 um 01.00 Uhr sollte Kontakt zu den Bietern aufgenommen werden, um das Verfahren abzuschließen und das Angebot auszuwählen; danach sollten um 05.30 Uhr das Abwicklungskonzept des SRB (gegebenenfalls) und der Vollzug des Kaufvertrags, um 06.30 Uhr der Vollzugsakt des FROB und um 07.00 Uhr die Schließung und die Verkündung der Transaktion erfolgen.

559    Die Klägerin erläutert nicht, gegen welche Bestimmung dadurch verstoßen worden sein soll, dass der FROB das Veräußerungsverfahren begonnen hat, bevor Banco Popular für ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend erklärt worden war, oder welche Folgen dies für den Kaufpreis gehabt haben soll.

560    Außerdem hätte das Veräußerungsverfahren, wenn der FROB mit dessen Beginn hätte warten müssen, bis Banco Popular für ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend erklärt worden wäre, nicht rechtzeitig durchgeführt werden können, um die Liquidation von Banco Popular zu verhindern, und die Abwicklungsziele hätten nicht erreicht werden können.

561    Wie Banco Santander ausführt, sollte mit dem im Verfahrensschreiben festgelegten Zeitplan der Abschluss aller Formalitäten am 7. Juni 2017 um 07.00 Uhr ermöglicht werden, damit Banco Popular nach der Öffnung der Märkte normal weiterarbeiten konnte, um insbesondere eine Unterbrechung ihrer kritischen Funktionen zu verhindern.

562    Da Banco Santander der einzige Teilnehmer des Verfahrens war, der ein Angebot abgegeben hatte, und da nach der Ankündigung von BBVA feststand, dass kein anderes zur Teilnahme am Veräußerungsverfahren aufgefordertes Institut ein Angebot abgeben würde, nahm der FROB dieses Angebot an, obwohl es nach Ablauf der im Verfahrensschreiben gesetzten Frist abgegeben worden war.

563    Zudem sieht Art. 24 Abs. 3 der Verordnung Nr. 806/2014 Folgendes vor:

„Der [SRB] wendet das Instrument der Unternehmensveräußerung an, ohne die in Absatz 2 Buchstabe e genannten Vermarktungsanforderungen einzuhalten, wenn er zu der Feststellung gelangt, dass die Einhaltung dieser Anforderungen wahrscheinlich die Erreichung eines oder mehrerer Abwicklungsziele beeinträchtigen würde, und insbesondere, wenn er der Auffassung ist, dass

a)      ein Ausfall oder wahrscheinlicher Ausfall des in Abwicklung befindlichen Instituts eine schwerwiegende Bedrohung für die Finanzstabilität darstellt bzw. eine bereits bestehende derartige Bedrohung erhöht, und

b)      die Einhaltung dieser Anforderungen wahrscheinlich die Wirksamkeit des Instruments der Unternehmensveräußerung mit Blick auf die Abwendung der Bedrohung oder die Erreichung des in Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe b genannten Abwicklungsziels beeinträchtigen würde.“

564    Wie bereits oben in Rn. 532 dargelegt, befand es der SRB in Art. 6.6 des Abwicklungskonzepts, da allein der Erwerber ein Angebot abgegeben habe, für ratsam, dessen Bedingungen anzunehmen und so einer unkontrollierten Insolvenz von Banco Popular zuvorzukommen, die u. a. deren kritische Funktionen hätte beeinträchtigen können.

565    Wäre nämlich der SRB dem Vorschlag des FROB zur Bestimmung von Banco Santander als Erwerber von Banco Popular nicht gefolgt, so wäre Letztere liquidiert worden. Wie aber bereits im Rahmen der Prüfung des fünften Klagegrundes anhand von Art. 18 Abs. 5 der Verordnung Nr. 806/2014 festgestellt worden ist, hätten sich durch eine Liquidation von Banco Popular im Wege eines regulären Insolvenzverfahrens die in Art. 14 dieser Verordnung vorgesehenen Ziele nicht im selben Umfang wie durch die Abwicklung erreichen lassen. Insbesondere ist festgestellt worden, dass die Abwicklung zur Erreichung der Ziele erforderlich war, die Kontinuität der kritischen Funktionen von Banco Popular sicherzustellen und negative Auswirkungen auf die Finanzstabilität zu verhindern.

566    Der FROB übermittelte dem SRB die Ergebnisse des Veräußerungsverfahrens für Banco Popular so rechtzeitig, dass dieser das Abwicklungskonzept annehmen und am 7. Juni 2017 um 05.13 Uhr der Kommission übermitteln konnte. Die Kommission erließ ihren Beschluss über das Inkrafttreten des Abwicklungskonzepts um 06.30 Uhr desselben Tages. Das Verfahren lief demnach so ab, dass der FROB alle Formalitäten erledigen und die Veräußerung vor Ablauf der im Verfahrensschreiben festgesetzten Frist, also vor dem 7. Juni 2017, 07.00 Uhr, abschließen konnte.

567    Zum Vorbringen der Klägerin schließlich, Banco Santander habe in Kenntnis dessen, dass sie als Einzige ein Angebot abgeben werde, den Minimalpreis angeboten, genügt die Feststellung, dass dieses Vorbringen auf einer nicht belegten Behauptung beruht, wonach Banco Santander vor dem Abschluss des vom FROB durchgeführten Veräußerungsverfahrens darüber informiert worden sei, dass sie die einzige Bieterin war.

568    Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass das Veräußerungsverfahren fehlerhaft war, und sie kann nicht mit Erfolg geltend machen, der Ablauf des Verfahrens habe nicht zur Erzielung eines möglichst hohen Verkaufspreises geführt.

569    Daher ist der erste Teil zurückzuweisen.

b)      Zum zweiten Teil, der die Bewertung 2 betrifft

570    Die Klägerin macht der Sache nach geltend, dass die Bewertung 2 fehlerhaft sei und dass der SRB gegen Art. 20 der Verordnung Nr. 806/2014 verstoßen und seine Begründungspflicht verletzt habe.

571    Der zweite Teil besteht der Sache nach aus fünf Rügen. Die Klägerin macht erstens geltend, der SRB habe seine Begründungspflicht verletzt, weil die Bewertung 2 dem Abwicklungskonzept nicht beigefügt gewesen sei. Zweitens habe der SRB gegen Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 verstoßen, weil die Bewertung 2 nicht „fair, vorsichtig und realistisch“ gewesen sei. Die Bewertung 2 sei nicht verlässlich gewesen, denn Deloitte habe eingeräumt, dass sie über unzureichende Informationen verfügt habe. Voraussetzung für die Verlässlichkeit der Bewertung 2 sei, dass sie durch eine endgültige Bewertung ergänzt werde. Drittens wendet sich die Klägerin gegen die in der Bewertung 2 angewandte Methode. Viertens macht sie geltend, dass die Bewertung 2 im Widerspruch zur Bewertung 1 und zur Einstufung von Banco Popular als solvent stehe, dass sie deren Marktwert nicht berücksichtigt habe und dass sie ohne Begründung Puffer für Verluste umfasst habe. Fünftens macht die Klägerin geltend, nach dem der Erwiderung als Anlage beigefügten Sachverständigengutachten vom 2. Dezember 2018 betreffend die Bewertung 2 (im Folgenden: Sachverständigengutachten) enthalte die Bewertung 2 offensichtliche Beurteilungsfehler.

572    Die vor der Annahme des Abwicklungskonzepts durchgeführte Bewertung von Banco Popular umfasst zwei dem Abwicklungskonzept beigefügte Berichte.

573    Die Bewertung 1 vom 5. Juni 2017 wurde vom SRB gemäß Art. 20 Abs. 5 Buchst. a der Verordnung Nr. 806/2014 erstellt und diente der fundierten Feststellung, ob die Voraussetzungen für eine Abwicklung gemäß Art. 18 Abs. 1 dieser Verordnung erfüllt waren.

574    Die Bewertung 2 vom 6. Juni 2017 wurde von Deloitte als unabhängigem Sachverständigen gemäß Art. 20 Abs. 10 der Verordnung Nr. 806/2014 erstellt.

575    Im Abwicklungskonzept heißt es, in Anbetracht der Dringlichkeit sei es Ziel der gemäß Art. 20 Abs. 10 der Verordnung Nr. 806/2014 erstellten Bewertung 2, den Wert der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten von Banco Popular zu schätzen, eine Einschätzung abzugeben, wie die Anteilseigner und Gläubiger behandelt würden, wenn ein reguläres Insolvenzverfahren für Banco Popular durchgeführt würde, sowie eine fundierte Entscheidung über die zu übertragenden Anteile und Eigentumstitel und dem SRB das Verständnis zu ermöglichen, was unter kommerziellen Bedingungen für die Zwecke des Instruments der Unternehmensveräußerung zu verstehen sei.

576    In der Bewertung 2 wies Deloitte darauf hin, dass sie sich auf die Anforderungen nach Art. 36 der Richtlinie 2014/59 (der Art. 20 der Verordnung Nr. 806/2014 entspricht) und auf Kapitel 3 des endgültigen Entwurfs der technischen Regulierungsstandards der EBA Nrn. 2017/05 und 2017/06 vom 23. Mai 2017 für die Bewertung zum Zweck der Abwicklung und die Bewertung zur Bestimmung der unterschiedlichen Behandlung infolge der Abwicklung nach der Richtlinie 2014/59 (im Folgenden: technische Standards der EBA) gestützt habe.

577    Gemäß Art. 36 Abs. 15 der Richtlinie 2014/59 kann die EBA Entwürfe technischer Regulierungsstandards ausarbeiten, in denen die Kriterien für die in einem Abwicklungsverfahren vorzunehmenden Bewertungen festgelegt werden.

578    Kapitel 3 der technischen Standards der EBA betrifft den Entwurf der technischen Regulierungsstandards Nr. 2017/05 für die Bewertung zum Zweck der Abwicklung (im Folgenden: technische Regulierungsstandards) und enthält u. a. gemäß Art. 36 Abs. 15 der Richtlinie 2014/59 den Entwurf einer Delegierten Verordnung der Kommission zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59 durch technische Regulierungsstandards, in denen die Kriterien im Zusammenhang mit der Methode zur Bewertung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Instituts oder Unternehmens festgelegt sind.

579    Zum Zeitpunkt der Annahme des Abwicklungskonzepts waren die technischen Regulierungsstandards nicht verbindlich, da nach Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 der SRB, der Rat und die Kommission den von der EBA ausgearbeiteten verbindlichen technischen Regulierungs- und Durchführungsstandards unterliegen, wenn diese von der Kommission erlassen worden sind. Diese technischen Regulierungsstandards sind in die Delegierte Verordnung (EU) 2018/345 der Kommission vom 14. November 2017 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59 durch technische Regulierungsstandards zur Präzisierung der Kriterien im Zusammenhang mit der Methode zur Bewertung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten von Instituten oder Unternehmen (ABl. 2018, L 67, S. 8) übernommen worden.

580    In Art. 6.3 des Abwicklungskonzepts führte der SRB aus, er habe sich für die Entscheidung zur Herabschreibung und Umwandlung der Kapitalinstrumente von Banco Popular auf die Bewertung 2 gestützt, wie sie durch die Ergebnisse des vom FROB durchgeführten Veräußerungsverfahrens ergänzt und bestätigt worden sei.

581    Da die Bewertung 2 komplexe wirtschaftliche und technische Beurteilungen enthält, ist dem SRB ein weiter Ermessensspielraum für die Einschätzung dieser Bewertung als zulässige Grundlage für die Entscheidung über die Abwicklungsmaßnahmen zuzuerkennen.

582    Demnach ist die vom Gericht ausgeübte Kontrolle gemäß der oben in den Rn. 114 bis 119 angeführten Rechtsprechung auf die Prüfung beschränkt, ob dem SRB kein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen ist, als er die Bewertung 2 für im Einklang mit den Anforderungen nach Art. 20 der Verordnung Nr. 806/2014 stehend befunden hat. Es ist Sache der Klägerin, ausreichende Beweise für eine fehlende Plausibilität der Bewertung 2 beizubringen.

1)      Zur ersten Rüge, die die Verletzung der Begründungspflicht betrifft

583    Nach Ansicht der Klägerin hat der SRB seine Begründungspflicht verletzt, weil die Bewertung 2 dem Abwicklungskonzept nicht beigefügt gewesen sei und der später gewährte Zugang zu einer zensierten Fassung dieser Bewertung dieser Verletzung nicht abgeholfen habe. Das Fehlen einer Begründung könne nicht nach Klageerhebung geheilt werden.

584    Wie dargelegt, wurde die Bewertung 2 auf der Website des SRB am 2. Februar und am 31. Oktober 2018 in jeweils weniger stark gekürzten Fassungen veröffentlicht.

585    Dazu ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin in der Erwiderung im Anschluss an diese Veröffentlichungen nichts zu einem Begründungsmangel der Bewertung 2 vorbringt. Sie beschränkt sich auf das Vorbringen, dass der Zugang zu einer nicht vertraulichen Fassung der Bewertung 2 die Verletzung der Begründungspflicht nicht entfallen lasse.

586    Des Weiteren ist festzustellen, dass die aufeinanderfolgenden Veröffentlichungen auf der Website des SRB das Abwicklungskonzept und die Bewertungen 1 und 2 in ihren ursprünglichen Fassungen betreffen. Mit diesen Veröffentlichungen sollte der Öffentlichkeit Zugang zu Teilen dieser Dokumente gewährt werden, die anfangs als vertraulich angesehen worden waren.

587    Für den SRB ging es nicht darum, Informationen zu veröffentlichen, die nicht schon von Anfang an im Abwicklungskonzept oder in den Bewertungen 1 und 2 enthalten gewesen wären oder deren Begründung hätten ergänzen sollen. Die Klägerin verwechselt mit diesem Vorbringen die Veröffentlichung eines Beschlusses, d. h. die Bekanntgabe seiner Begründung, mit der Ergänzung seiner Begründung durch zusätzliche Gesichtspunkte, die zum Zeitpunkt seiner Annahme nicht darin enthalten waren.

588    Die erste Rüge ist daher zurückzuweisen.

2)      Zur zweiten Rüge, die die Verlässlichkeit der Bewertung 2 betrifft

589    Nach Ansicht der Klägerin ist die Bewertung 2 nicht verlässlich, weil Deloitte eingeräumt habe, dass sie auf unzureichenden Informationen beruht habe.

590    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass Deloitte in dem Begleitschreiben zur Übermittlung der Bewertung 2 an den SRB ausführte, sie sei wegen der schwierigen Liquiditätssituation von Banco Popular aufgefordert worden, ihre Bewertung äußerst kurzfristig vorzunehmen. Für die Hauptarbeit hätten nur zwölf Tage ab Zugang zu der Dokumentation zur Verfügung gestanden, während ein solches Vorhaben normalerweise sechs Wochen in Anspruch nehme. Deloitte wies auf eine Reihe von Lücken und Inkohärenzen in den verfügbaren Informationen hin. Die Bewertung sei als höchst ungesichert und vorläufig im Sinne von Art. 36 der Richtlinie 2014/59 anzusehen, und gemäß Art. 36 Abs. 9 dieser Richtlinie, der Art. 20 Abs. 10 der Verordnung Nr. 806/2014 entspricht, sei ein Puffer für zusätzliche Verluste eingefügt worden.

591    Art. 20 Abs. 10 der Verordnung Nr. 806/2014 sieht ausdrücklich den Fall vor, dass es aufgrund der gebotenen Dringlichkeit nicht möglich ist, die Anforderungen nach den Abs. 7 und 9 dieses Artikels zu erfüllen, also u. a. den Fall, dass sich die Bewertung nicht durch bestimmte in den Büchern und Aufzeichnungen enthaltene Informationen ergänzen lässt. Zudem wird in dieser Bestimmung anerkannt, dass jeder vorläufigen Bewertung Unsicherheiten innewohnen, da ihr Unterabs. 2 die Einfügung eines Puffers für zusätzliche Verluste vorsieht.

592    Gemäß dieser Bestimmung beschränkte sich Deloitte demnach auf die Angabe, wegen der Kürze der für die Bewertung zur Verfügung stehenden Zeit habe sie sich auf unvollständige Informationen stützen müssen. Sie stellte klar, dass die von ihr vorgenommene Bewertung als vorläufig im Sinne von Art. 36 Abs. 9 der Richtlinie 2014/59 anzusehen sei.

593    Zudem geht aus Art. 20 Abs. 13 der Verordnung Nr. 806/2014 hervor, dass sich der SRB wegen der Dringlichkeit der Situation auf die nach Art. 20 Abs. 10 der Verordnung Nr. 806/2014 vorgenommene Bewertung stützen durfte, um das Abwicklungskonzept anzunehmen, was die Klägerin nicht in Abrede stellt.

594    Daher ist festzustellen, dass in Anbetracht der zeitlichen Zwänge und der verfügbaren Informationen jeder nach Art. 20 Abs. 10 der Verordnung Nr. 806/2014 vorgenommenen vorläufigen Bewertung bestimmte Unsicherheiten und Schätzungen innewohnen und dass die von Deloitte geäußerten Vorbehalte nicht bedeuten, dass die Bewertung 2 nicht „fair, vorsichtig und realistisch“ im Sinne von Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 war.

595    Die Klägerin macht ferner geltend, Voraussetzung für die Verlässlichkeit der Bewertung 2 sei, dass sie durch eine endgültige Bewertung ergänzt werde. Der SRB habe aber bestätigt, dass es keine endgültige Ex-post-Bewertung geben werde.

596    Dazu hat der SRB am 30. Juli 2018 in Beantwortung der vom Gericht im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme gestellten Fragen ausgeführt, dass auf die Bewertung 2 keine endgültige Ex-post-Bewertung folgen werde. Wegen der Besonderheiten des vorliegenden Falles sei er zu dem Schluss gekommen, dass eine endgültige Ex-post-Bewertung keinem praktischen Zweck im Rahmen von Art. 20 Abs. 11 der Verordnung Nr. 806/2014 dienen und nicht zu einer Ausgleichsentscheidung nach Art. 20 Abs. 12 dieser Verordnung führen würde.

597    Es ist darauf hinzuweisen, dass die endgültige Ex-post-Bewertung nach Art. 20 Abs. 11 der Verordnung Nr. 806/2014 definitionsgemäß zeitlich nach der Annahme des Abwicklungskonzepts und dem Erlass des Beschlusses der Kommission liegt.

598    Wie zudem oben in Rn. 593 dargelegt, bildet gemäß Art. 20 Abs. 13 der Verordnung Nr. 806/2014 eine vorläufige Bewertung wie die Bewertung 2 eine zulässige Grundlage für die Annahme des Abwicklungskonzepts.

599    Es genügt der Hinweis auf die ständige Rechtsprechung, wonach die Rechtmäßigkeit eines Rechtsakts der Union anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses zu beurteilen ist (vgl. Urteil vom 3. September 2015, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Kommission, C‑398/13 P, EU:C:2015:535, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung). Demzufolge können Umstände, die nach dem Erlass des Rechtsakts der Union eingetreten sind, bei der Beurteilung seiner Rechtmäßigkeit nicht berücksichtigt werden (vgl. Urteil vom 17. Dezember 2014, Si.mobil/Kommission, T‑201/11, EU:T:2014:1096, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

600    Folglich ist es für die Gültigkeit der angefochtenen Beschlüsse unerheblich, ob eine endgültige Ex-post-Bewertung, die zeitlich offenkundig nach der Annahme des Abwicklungskonzepts liegt, vorgenommen wird oder nicht.

601    Die zweite Rüge ist daher zurückzuweisen.

3)      Zur dritten Rüge, die die in der Bewertung 2 angewandte Methode betrifft

602    Als Erstes macht die Klägerin geltend, Deloitte sei in der Bewertung 2 von dem Grundsatz ausgegangen, dass die Bewertung von Banco Popular im Rahmen eines Liquidationsszenarios erfolgen müsse, was die Anwendung der Kriterien des Art. 20 Abs. 16 und 17 der Verordnung Nr. 806/2014 voraussetze sowie einen offensichtlichen Beurteilungsfehler darstelle und Art. 20 Abs. 8 dieser Verordnung zuwiderlaufe. Bei der Bewertung 2 habe nicht das Kriterium des Liquidationswerts der Bank angewandt werden dürfen, bei dem es sich um das relevante Kriterium für die Bewertung 3 handle, die eine von der Bewertung 2 verschiedene Bewertung sei.

603    Dieses Vorbringen beruht auf einem Fehlverständnis der in der Bewertung 2 angewandten Methode. Die Bewertung 2 besteht nämlich aus zwei Teilen, einem ersten mit der vorläufigen Bewertung von Banco Popular und einem zweiten mit der Simulation eines Liquidationsszenarios. Der erste Teil dient der Bestimmung des wirtschaftlichen Wertes von Banco Popular im Rahmen der Anwendung des Instruments der Unternehmensveräußerung. Der zweite Teil dient der Feststellung, ob die Anteilseigner und die Gläubiger besser behandelt worden wären, wenn für Banco Popular ein reguläres Insolvenzverfahren nach spanischem Recht eingeleitet worden wäre.

604    Der SRB legte das Abwicklungskonzept unter Berücksichtigung des ersten Teils der Bewertung 2 fest, der die eigentliche Bewertung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten von Banco Popular enthält. Da Deloitte angegeben hatte, dass sie in diesem Stadium weder über alle nötigen Informationen noch über ausreichend Zeit für eine mehr als nur annähernde Schätzung verfüge, entspricht dagegen der zweite Teil der Bewertung 2 einer ersten Simulation gemäß Art. 20 Abs. 9 der Verordnung Nr. 806/2014. Die Bewertung 3, bei der es sich um die endgültige Bewertung zum Zweck der Feststellung gemäß Art. 20 Abs. 16 der Verordnung Nr. 806/2014 handelt, ob die Anteilseigner und die Gläubiger besser behandelt worden wären, wenn für Banco Popular ein reguläres Insolvenzverfahren eingeleitet worden wäre, wurde nach der Abwicklung vorgenommen.

605    Der Liquidationswert, dessen Heranziehung durch Deloitte die Klägerin beanstandet, entspricht aber dem zweiten Teil der Bewertung 2. Im Rahmen des ersten Teils berücksichtigte Deloitte den Veräußerungswert von Banco Popular.

606    Zur angewandten Methode führte Deloitte in der Bewertung 2 aus, dass das zur Bestimmung des wirtschaftlichen Wertes herangezogene Szenario die Veräußerung der Bank mittels des Instruments der Unternehmensveräußerung sei. Gemäß Art. 20 Abs. 5 Buchst. f der Verordnung Nr. 806/2014 habe die Bewertung der fundierten Entscheidung über die zu übertragenden Vermögenswerte, Rechte, Verbindlichkeiten oder Eigentumstitel und dem Verständnis des SRB dafür gedient, was unter kommerziellen Bedingungen für die Zwecke von Art. 24 Abs. 2 Buchst. b dieser Verordnung zu verstehen sei.

607    Deloitte erläuterte, dass „[ihre] wirtschaftliche Bewertung … eine Schätzung des Wertes ermöglichen [soll], der nach einem offenen, fairen und wettbewerbsbasierten Versteigerungsverfahren einem potenziellen Erwerber für die Bank als Ganzes vorgeschlagen werden kann (ein ,Veräußerungswert‘ gemäß Art. 11 der technischen Regulierungsstandards) …“

608    Nach dem sechsten Erwägungsgrund der technischen Regulierungsstandards sollte für die von der Abwicklungsbehörde in Betracht gezogenen Abwicklungsmaßnahmen die am besten geeignete Bemessungsgrundlage (Haltewert oder Veräußerungswert) gewählt werden.

609    Zur Wahl der Bemessungsgrundlage heißt es in Art. 11 Abs. 4 der technischen Regulierungsstandards, übernommen in die Delegierte Verordnung 2018/345 als deren Art. 11 Abs. 4:

„Wenn die Abwicklungsmaßnahmen gemäß Artikel 10 Absatz 1 erfordern, dass ein fortgeführtes Unternehmen weiterhin Vermögenswerte und Verbindlichkeiten hält, ist der Haltewert die vom Bewerter verwendete geeignete Bemessungsgrundlage. Der Haltewert kann, sofern er als fair, vorsichtig und realistisch angesehen wird, eine Normalisierung der Marktbedingungen vorwegnehmen.

Der Haltewert darf nicht als Bemessungsgrundlage verwendet werden, wenn Vermögenwerte gemäß Artikel 42 der Richtlinie 2014/59… auf eine eigens für die Vermögensverwaltung errichtete Zweckgesellschaft oder gemäß Artikel 40 der Richtlinie auf ein Brückeninstitut übertragen werden oder wenn ein Instrument der Unternehmensveräußerung gemäß Artikel 38 der Richtlinie 2014/59… genutzt wird.“

610    Nach Art. 12 Abs. 4 der technischen Regulierungsstandards, übernommen in die Delegierte Verordnung 2018/345 als deren Art. 12 Abs. 4, „[beziehen sich, wenn] sich ein Unternehmen in einer Lage [befindet], in der es einen Vermögenswert nicht halten oder einen Geschäftsbereich nicht fortführen kann, oder [wenn] die Abwicklungsbehörde aus anderen Gründen eine Veräußerung für notwendig [erachtet], um die Abwicklungsziele zu erreichen, … die erwarteten Zahlungsströme auf die innerhalb eines bestimmten Veräußerungszeitraums erwarteten Veräußerungswerte“.

611    Die Faktoren, die für die Bestimmung des Veräußerungswerts im Hinblick auf die Verwendung des Instruments der Unternehmensveräußerung zu berücksichtigen sind, sind in Art. 12 Abs. 5 bis 7 der technischen Regulierungsstandards, übernommen in die Delegierte Verordnung 2018/345 als deren Art. 12 Abs. 5 bis 7, definiert.

612    Demnach kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Heranziehung des Veräußerungswerts nicht die korrekte Methode zur Beurteilung des Wertes von Banco Popular im Rahmen der Bewertung 2 gewesen sei.

613    Als Zweites macht die Klägerin geltend, die Bewertung 2 habe nicht den Marktwert von Banco Popular vor der Abwicklung berücksichtigt.

614    Es ist darauf hinzuweisen, dass der Wert der Banco-Popular-Aktie vor dem Erlass des Abwicklungsbeschlusses kein Kriterium für die Veranschlagung des Veräußerungswerts von Banco Popular im Rahmen der Anwendung des Instruments der Unternehmensveräußerung sein kann.

615    Art. 2 Abs. 1 der technischen Regulierungsstandards sieht vor:

„Bei der Durchführung der Bewertung berücksichtigt der Bewerter die sich auf die erwarteten Zahlungsströme auswirkenden Umstände sowie die auf die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten eines Unternehmens anwendbaren Abzinsungssätze und strebt danach, die Finanzlage des Unternehmens vor dem Hintergrund vorhandener Chancen und Risiken angemessen wiederzugeben.“

616    Zum Veräußerungswert heißt es in Art. 12 Abs. 5 der technischen Regulierungsstandards:

„Der Veräußerungswert wird vom Bewerter auf der Grundlage der Zahlungsströme – abzüglich der Veräußerungskosten und des erwarteten Wertes etwaiger Sicherheiten – bestimmt, die das Unternehmen unter den derzeit vorherrschenden Marktbedingungen bei einer ordnungsgemäßen Veräußerung oder Übertragung von Vermögenswerten oder Verbindlichkeiten nach vernünftigem Ermessen erwarten kann. Gegebenenfalls kann der Bewerter unter Berücksichtigung der im Rahmen des Abwicklungskonzepts zu ergreifenden Maßnahmen den Veräußerungswert bestimmen, indem er auf den beobachtbaren Marktpreis dieser Veräußerung oder Übertragung einen Abschlag anwendet, um einem möglichen Preisnachlass bei einer beschleunigten Veräußerung Rechnung zu tragen. Zur Bestimmung des Veräußerungswertes von Vermögenswerten, für die es keinen liquiden Markt gibt, zieht der Bewerter beobachtbare Preise an Märkten heran, an denen ähnliche Vermögenswerte gehandelt werden, oder Modellrechnungen mithilfe beobachtbarer Marktparameter, wobei aufgrund der Illiquidität gegebenenfalls Abschläge anzuwenden sind.“

617    Die Bewertung 2 diente der Feststellung des Betrags, den ein potenzieller Käufer unter den bei Annahme des Abwicklungskonzepts bestehenden Umständen für Banco Popular zu zahlen bereit gewesen wäre. Zu der in der Bewertung 2 angewandten Methode führte Deloitte aus, sie sei Kategorie für Kategorie vorgegangen, indem sie die Buchwerte jeder Kategorie von Vermögenswerten und von Verbindlichkeiten angepasst habe, um die Gewinne und Verluste zu schätzen, und sie habe weitere Anpassungen des Wertes vorgenommen, die auch jeder Erwerber vorgenommen hätte. Für jede Kategorie von Vermögenswerten und von Verbindlichkeiten legte sie eine Bewertungsspanne vor.

618    Zum einen ist festzustellen, dass der Marktwert von Banco Popular vor dem Zeitpunkt, zu dem sie für ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend erklärt wurde, kein Kriterium für die Bestimmung des Veräußerungswerts der Bank sein kann. Wie die Kommission darlegt, hatten die Märkte keine Kenntnis von der unmittelbar bevorstehenden Abwicklung von Banco Popular, von der Tragweite der ins Auge gefassten Maßnahmen und von der Tatsache, dass ohne die Abwicklung ein Insolvenzverfahren über Banco Popular eröffnet worden wäre, so dass der Kurs der Aktie dieses Instituts vor der Abwicklung nicht unbedingt seinem tatsächlichen wirtschaftlichen Wert entsprach.

619    Zum anderen reicht der Wert der Aktie von Banco Popular auf dem Markt als Information nicht aus, um eine Schätzung nach Kategorien oder Gruppen von Vermögenswerten vorzunehmen.

620    Aus diesen Gründen kann entgegen den Aussagen im Sachverständigengutachten der Marktwert von Banco Popular nicht als ein Indikator für ihren Wert für die Zwecke der Bewertung 2 angesehen werden.

621    Ferner erläuterte Deloitte in der Bewertung 2, aus welchem Grund der Marktwert von Banco Popular keine geeignete Methode zur Bewertung ihres Veräußerungswerts sei. Sie wies insbesondere darauf hin, dass der Preis der Aktie wegen der Situation der Bank sehr volatil gewesen sei.

622    Dazu heißt es im Sachverständigengutachten, dass „der aktuelle Preis der Aktie der unmittelbare Beweis für den Preis ist, den ein Käufer ungeachtet seiner Volatilität für ein kleines Aktienpaket zu entrichten bereit ist“. Insoweit genügt indes der Hinweis, dass sich der Veräußerungswert, den Deloitte zu schätzen hatte, auf den Erwerb sämtlicher und nicht nur einiger Aktien von Banco Popular bezog.

623    Als Drittes macht die Klägerin geltend, die Bewertung 2 umfasse ohne Begründung Puffer für Verluste, was Art. 20 Abs. 10 der Verordnung Nr. 806/2014 zuwiderlaufe.

624    Nach Art. 20 Abs. 10 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 umfasst die vorläufige Bewertung im Sinne von Unterabs. 1 einen Puffer für zusätzliche Verluste mit einer Begründung.

625    In Art. 13 der technischen Regulierungsstandards, in dem die Methode für die Berechnung und Einbeziehung eines Puffers für zusätzliche Verluste im Rahmen der vorläufigen Bewertung definiert ist, heißt es:

„(1)      In Bezug auf die Unsicherheit vorläufiger Bewertungen zu den in Artikel 36 Absatz 4 Buchstaben b bis g der Richtlinie 2014/59… genannten Zwecken sieht der Bewerter bei der Bewertung einen Puffer vor, mit dem Tatsachen und Umständen Rechnung getragen werden soll, die zusätzliche Verluste, deren Höhe und zeitlicher Anfall ungewiss sind, begünstigen. Um eine Doppelzählung der Unsicherheit zu vermeiden, erläutert und begründet der Bewerter die bei der Berechnung des Puffers zugrunde gelegten Annahmen hinreichend.

(2)      Zur Bestimmung der Höhe des Puffers ermittelt der Bewerter Faktoren, die infolge der Abwicklungsmaßnahmen, die voraussichtlich ergriffen werden, einen Einfluss auf die erwarteten Zahlungsströme haben können.“

626    Im Begleitschreiben zur Bewertung 2 wies Deloitte ausdrücklich darauf hin, dass diese Bewertung einen Puffer für zusätzliche Verluste gemäß Art. 36 Abs. 9 der Richtlinie 2014/59 umfasse und dass sie die technischen Regulierungsstandards anwende, nach denen die Bewertung einen Puffer für zusätzliche Verluste umfassen müsse. Der Puffer für zusätzliche Verluste sei integraler Bestandteil der Bewertung 2, und die Einzelheiten seien in dem Bericht zu der Bewertung 2 und dessen Anhängen enthalten.

627    Demgemäß gab Deloitte zur Begründung dieses Puffers in der Bewertung 2 für jede Kategorie von Vermögenswerten Erläuterungen zu den verschiedenen Umständen, die zu zusätzlichen Verlusten führen konnten, und wies auf die Unsicherheiten bezüglich ihrer Bewertung hin. Damit begründete Deloitte die Einbeziehung des Puffers für zusätzliche Verluste gemäß den nach den technischen Regulierungsstandards geltenden Anforderungen.

628    Es ist festzustellen, dass die Klägerin nichts vorbringt, um diesen in der Bewertung 2 enthaltenen Erläuterungen entgegenzutreten. In dem Sachverständigengutachten beschränkt sich der Sachverständige auf die Behauptung, Deloitte habe den Puffer für zusätzliche Verluste nicht beziffert, erläutert oder begründet.

629    Daher ist die dritte Rüge zurückzuweisen.

4)      Zur vierten Rüge, die den Widerspruch zur Bewertung 1 betrifft

630    Die Klägerin macht geltend, die Bewertung 2 stehe im Widerspruch dazu, dass Banco Popular in der Bewertung 1 und in der Bewertung der Frage, ob Banco Popular ausfalle oder wahrscheinlich ausfalle, durch die EZB als solvent angesehen worden sei, und dazu, dass die Bank von Spanien Banco Popular am 5. Juni 2017 für solvent erklärt habe.

631    Wie dargelegt, nahm der SRB am 5. Juni 2017 die Bewertung 1 gemäß Art. 20 Abs. 5 Buchst. a der Verordnung Nr. 806/2014 vor, mit der festgestellt werden sollte, ob die Voraussetzungen für eine Abwicklung oder die Voraussetzungen für eine Herabschreibung oder eine Umwandlung von Kapitalinstrumenten erfüllt waren. Dem SRB zufolge sollte die Bewertung 1 zur Beantwortung der Frage des Ausfalls oder wahrscheinlichen Ausfalls von Banco Popular im Sinne von Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 806/2014 beitragen.

632    Die am 23. Mai 2017 erlassenen technischen Standards der EBA waren zwar nicht verbindlich, sie waren aber zum Zeitpunkt der Bewertung 2 verfügbar. In der Bewertung 2 wies Deloitte ausdrücklich darauf hin, dass sie gemäß den Anforderungen nach den technischen Standards der EBA gehandelt habe.

633    Der einleitenden Zusammenfassung der technischen Standards der EBA zufolge ist es wichtig, zwischen zwei Arten der Bewertung vor der Abwicklung zu unterscheiden, der Bewertung 1 gemäß Art. 36 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2014/59, der Art. 20 Abs. 5 Buchst. a der Verordnung Nr. 806/2014 entspricht, und der Bewertung 2 gemäß Art. 36 Abs. 4 Buchst. b bis g der Richtlinie 2014/59, der Art. 20 Abs. 5 Buchst. b bis g der Verordnung Nr. 806/2014 entspricht.

634    Im ersten Erwägungsgrund der technischen Regulierungsstandards, übernommen in die Delegierte Verordnung 2018/345 als deren erster Erwägungsgrund, wird an diese Unterscheidung zwischen anfänglichen Bewertungen, anhand deren ermittelt wird, ob die Bedingungen für die Herabschreibung und Umwandlung von Kapitalinstrumenten oder eine Abwicklung erfüllt sind, und anschließenden Bewertungen, die als Grundlage für die Entscheidung über die Anwendung eines oder mehrerer Abwicklungsinstrumente dienen, erinnert. Die technischen Regulierungsstandards legen unterschiedliche Kriterien für die Durchführung der Bewertung 1 und der Bewertung 2 fest.

635    Nach Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 wird die Voraussetzung des Ausfalls oder wahrscheinlichen Ausfalls von der EZB oder vom SRB bewertet.

636    Zum Vorbringen der Klägerin, die Schlussfolgerungen der Bewertungen 1 und 2 widersprächen einander, genügt die Feststellung, dass es ins Leere geht.

637    Die am 5. Juni 2017 vorgenommene Bewertung 1, mit der festgestellt werden sollte, ob Banco Popular ausfiel oder wahrscheinlich ausfiel, um zu ermitteln, ob die Bedingungen für eine Abwicklung oder für die Herabschreibung oder Umwandlung von Kapitalinstrumenten erfüllt waren, war nämlich nach der am 6. Juni 2017 von der EZB vorgenommenen Bewertung der Lage von Banco Popular als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend hinfällig geworden.

638    In der Bewertung 1 hatte der SRB zwar ausgeführt, dass Banco Popular am Bewertungsstichtag, dem 31. März 2017, solvent gewesen sei. Zum einen schloss die EZB aufgrund erheblicher Einlagenabzüge bei dieser Bank seit den Monaten April und Mai 2017 und deren Unvermögen, neue Liquidität zu generieren, am 6. Juni 2017 auf den Ausfall oder wahrscheinlichen Ausfall von Banco Popular. Zum anderen beruhte die Schlussfolgerung der EZB darauf, dass Banco Popular im Sinne von Art. 18 Abs. 4 Buchst. c der Verordnung Nr. 806/2014 nicht in der Lage sein würde, ihre Schulden oder sonstigen Verbindlichkeiten bei Fälligkeit zu begleichen, und nicht darauf, dass Banco Popular bilanzmäßig insolvent gewesen wäre. Somit waren die Schlussfolgerungen der Bewertung 1 zum Zeitpunkt der Abwicklung nicht mehr relevant.

639    Zudem erklären sich unterschiedliche Schlussfolgerungen der Bewertung 1 und der Bewertung 2 dadurch, dass diese wegen ihres unterschiedlichen Gegenstands auf unterschiedliche Bewertungskriterien gestützt sind, die in den technischen Standards der EBA festgelegt sind. So dient die Bewertung 1 nach den technischen Standards der EBA in erster Linie der Feststellung, ob der Gesamtwert der Vermögenswerte des Unternehmens dessen Verbindlichkeiten übersteigt, ob das Unternehmen also bilanzmäßig solvent ist, während der Bewertung 2 der wirtschaftliche Wert und nicht der Buchwert des Unternehmens zugrunde liegen muss.

640    Schließlich kann die Klägerin, da die Bewertung 2 den wirtschaftlichen Wert und nicht den Buchwert von Banco Popular berücksichtigen muss, nicht mit Erfolg geltend machen, es bestehe ein Widerspruch zwischen der in der Bewertung 1, in der Bewertung durch die EZB oder von der Bank von Spanien getroffenen Feststellung, dass Banco Popular solvent gewesen sei, und den Schlussfolgerungen der Bewertung 2.

641    Die vierte Rüge ist daher zurückzuweisen.

5)      Zur fünften Rüge, die offensichtliche Beurteilungsfehler betrifft

642    Die Klägerin macht geltend, dem Sachverständigengutachten zufolge enthalte die Bewertung 2 offensichtliche Beurteilungsfehler.

643    Zunächst vertritt die Klägerin die Ansicht, dass die Bewertung 2 nach dem Sachverständigengutachten zu niedrig sei, weil sie nicht die Marktdaten und die Daten der Prüfer, die über Zeit für die Bewertung von Banco Popular verfügt hätten, berücksichtige.

644    Zum Marktwert wird auf die vorstehenden Rn. 615 bis 622 verwiesen. Was die Daten der Prüfer angeht, so entspricht der von diesen Prüfern für die Vermögenswerte von Banco Popular angesetzte Wert deren Buchwert. Diese Daten können somit nicht mit denen betreffend den wirtschaftlichen Wert der Vermögenswerte verglichen werden, die Deloitte zur Bestimmung des Veräußerungswerts von Banco Popular berücksichtigen musste.

645    Was erstens die Darlehen und Forderungen angeht, macht die Klägerin unter Berufung auf das Sachverständigengutachten geltend, deren Bewertung sei nicht realistisch, weil sie den von der Bankenaufsicht genehmigten Rückstellungsquoten und der Bewertung 1 widerspreche, in der der Buchwert des Darlehensportfolios nicht gesenkt worden sei.

646    Hierzu genügt der Hinweis, dass sich aus der vorstehenden Rn. 644 und der Prüfung der vierten Rüge ergibt, dass die Daten der Bankenaufsicht und die Bewertung 1 für den Vergleich mit der Bewertung 2 unerheblich sind, da sie nur den Buchwert der Vermögenswerte von Banco Popular berücksichtigen.

647    Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass Darlehen und Forderungen gemäß Art. 8 Buchst. a der technischen Regulierungsstandards zu den Bereichen mit erheblichen Bewertungsunsicherheiten gehören, auf die der Bewerter besonderes Augenmerk legt; dort heißt es:

„Darlehen oder Darlehensportfolios, deren erwartete Zahlungsströme von der Fähigkeit, Bereitschaft oder Motivation einer Gegenpartei abhängen, ihrer Verpflichtung nachzukommen, sofern diese Erwartungen auf Annahmen über Ausfallquoten, Ausfallwahrscheinlichkeiten, die Verlustquote bei Ausfall oder Merkmale von Instrumenten beruhen, insbesondere dann, wenn bei einem Darlehensportfolio Ausfallmuster ersichtlich werden“.

648    Überdies erläuterte Deloitte auf den S. 4 bis 11 des Anhangs der Bewertung 2 die Anpassungen, die sie bei der Bewertung der Darlehen und Forderungen insbesondere wegen des Zahlungsausfallrisikos vorgenommen habe. Die Klägerin tritt diesen Anpassungen mit ihrem Vorbringen nicht entgegen.

649    Was zweitens das Immobiliarvermögen angeht, macht die Klägerin unter Berufung auf das Sachverständigengutachten geltend, die Bewertung 2 habe dessen Wert ohne Rechtfertigung herabgesetzt, indem sie die Bewertungen dieser Vermögenswerte durch die von der Bank von Spanien zugelassenen Sachverständigen unberücksichtigt gelassen habe. Die Bewertung 2 lasse den Wert, den die Prüfer von Banco Popular für diese Werte angesetzt hätten, und die entsprechenden Bewertungsempfehlungen der Bank von Spanien außer Betracht.

650    Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen, da es auf einen Vergleich mit den von den Prüfern vorgenommenen Bewertungen gestützt ist, die nicht relevant sind.

651    Zudem fehlt es diesem Vorbringen an der für sein Verständnis nötigen Klarheit. Insbesondere erläutert die Klägerin nicht, welche von der Bank von Spanien bestellten Sachverständigen und welche Empfehlungen der Bank von Spanien Deloitte außer Betracht gelassen haben soll.

652    Jedenfalls geht aus dem Sachverständigengutachten hervor, dass die „Empfehlungen der Bank von Spanien“ auf deren Rundschreiben 4/2016 verweisen. Der Sachverständige führt aus, Deloitte habe bei der Bewertung des beschlagnahmten Immobiliarvermögens die Orden ECO/805/2003, sobre normas de valoración de bienes inmuebles y de determinados derechos para ciertas finalidades financieras (Erlass ECO/805/2003 über die Bewertungsregeln für Immobilien und bestimmte Rechte für bestimmte finanzielle Zwecke) vom 27. März 2003 (BOE Nr. 85 vom 9. April 2003, S. 13678) herangezogen, um Anpassungen vorzunehmen, was zu niedrigeren Werten geführt habe, als wenn sie dem Rundschreiben 4/2016 gefolgt wäre. Hierzu genügt die Feststellung, dass der Sachverständige die Anwendbarkeit des Erlasses ECO/805/2003 nicht in Abrede stellt.

653    Ferner führte Deloitte in dem Bericht zu der Bewertung 2 aus, dass eine faire Bewertung des beschlagnahmten Immobiliarvermögens eine Anpassung um 42 % bis 47 % gegenüber den von Banco Popular vorgelegten Bewertungen nötig mache. Im Anhang der Bewertung 2 wies Deloitte darauf hin, dass die meisten der festgestellten Inkohärenzen auf eine unzureichende Berücksichtigung des Erlasses ECO/805/2003 zurückzuführen seien, in dem die verbindlichen Regeln für die Bewertung von Immobiliarvermögen im spanischen Bankensektor festgelegt seien. Diese Inkohärenzen beträfen insbesondere die Bewertung von Bauerwartungsland und des Baufortschritts.

654    Im Sachverständigengutachten führt der Sachverständige nichts an, was diese Beurteilung von Deloitte in der Bewertung 2 in Frage stellen soll. Er beschränkt sich auf den Hinweis, dass die von der Bank von Spanien bestellten Sachverständigen auch für die Bewertung des Immobiliarvermögens von Banco Popular qualifiziert gewesen seien.

655    Daraus ergibt sich, dass Deloitte die Methode erläutert hat, die in der Bewertung 2 zur Bewertung der Immobiliarvermögenswerte von Banco Popular angewandt worden ist, und die Gründe dargelegt hat, aus denen sich ihre Bewertung der beschlagnahmten Immobiliarvermögenswerte von der von Banco Popular vorgelegten unterschied.

656    Was drittens die latenten Steueransprüche angeht, macht die Klägerin geltend, Deloitte habe diese bewertet, ohne über die erforderlichen Dokumente zu verfügen, und diese Bewertung stehe im Widerspruch zur Bewertung 1.

657    Dazu genügt der Hinweis auf das Ergebnis der Prüfung der vierten Rüge, wonach das Vorbringen der Klägerin betreffend einen Widerspruch zur Bewertung 1 ins Leere geht.

658    In Bezug auf die Bewertung der latenten Steueransprüche wies Deloitte im Anhang zur Bewertung 2 auf die in ihrer Bewertung enthaltenen Unsicherheiten hin, die mit der verfügbaren Zeit und den verfügbaren Informationen zusammenhingen und die in der Natur dieser Vermögenswerte selbst lägen. Dazu erläuterte sie die von ihr zur Bewertung der latenten Steueransprüche angewandte Methode und die von ihr berücksichtigten Hypothesen.

659    Im Bericht zur Bewertung 2 führte Deloitte z. B. aus, dass die Bewertung der nicht geschützten latenten Steueransprüche von den vorweggenommenen steuerpflichtigen Gewinnen des Erwerbers (Geschäftsplan) und der Höhe der bestehenden Steuergutschriften abhänge. Im Anhang der Bewertung 2 erläuterte sie u. a., die Bewertung der nicht geschützten latenten Steueransprüche hänge vom Erwerber, und zwar u. a. davon ab, ob dieser eine spanische oder eine ausländische Bank sei, und falls der Erwerber eine spanische Bank sei, hänge ihre Beitreibbarkeit und ihre Einstellung in die Bilanz vom Geschäftsplan von Banco Popular und von dem des Erwerbers ab. Dem Bericht zu der Bewertung zufolge berücksichtigte die von Deloitte vorgenommene Bewertung diese verschiedenen Hypothesen.

660    Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass Unsicherheiten jeder nach Art. 20 Abs. 10 der Verordnung Nr. 806/2014 vorgenommenen vorläufigen Bewertung innewohnen.

661    Die Klägerin trägt nichts zur Beanstandung der von Deloitte angewandten, auf den S. 27 bis 33 des Anhangs der Bewertung 2 erläuterten Methode zur Bewertung der latenten Steueransprüche vor.

662    Was viertens die Rückstellungen wegen Rechtsrisiken angeht, verweist die Klägerin auf das Sachverständigengutachten, wonach die Bewertung 2 diese Rückstellungen ohne Rechtfertigung erhöht habe.

663    Dazu genügt die Feststellung, dass in dem Sachverständigengutachten lediglich das Ergebnis der von Deloitte vorgenommenen Bewertung der Rechtsrisiken mit der Bewertung im Prüfbericht von Banco Popular verglichen wird.

664    Diese Beurteilungen können die Anpassungen, die Deloitte auf der Grundlage ihrer eigenen Erfahrung und der Tendenzen in diesem Bereich, die zu den verschiedenen auf den S. 34 bis 38 des Anhangs der Bewertung 2 erläuterten Hypothesen geführt haben, vorgenommen hat, nicht in Frage stellen.

665    Ferner ist die Klägerin der Ansicht, dass die Bewertung 2 nicht die beträchtlichen Synergien berücksichtigt habe, die Banco Popular für Banco Santander geboten habe und die dadurch belegt würden, dass die Börsennotierung von Banco Santander am 7. Juni 2017 und an den beiden darauffolgenden Tagen erheblich gestiegen sei.

666    Hierzu genügt der Hinweis, dass die Bewertung 2 der Bestimmung des Veräußerungswerts von Banco Popular für potenzielle Erwerber dienen sollte. Deloitte konnte somit in der Bewertung 2 keine Synergien in Bezug auf einen Erwerber berücksichtigen, dessen Identität sie nicht kannte. Der Wert, der den Vermögenswerten und Verbindlichkeiten von Banco Popular in den Büchern von Banco Santander nach der Eingliederung beigemessen wurde, ist daher nicht relevant.

667    Somit hat die Klägerin keine offensichtlichen Beurteilungsfehler in der Bewertung 2 dargetan, so dass die fünfte Rüge zurückzuweisen ist.

668    Nach alledem sind der zweite Teil und der neunte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

10.    Zum zehnten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 14 der Verordnung Nr. 806/2014, die Sorgfaltspflicht und Art. 296 AEUV

669    Die Klägerin macht geltend, der SRB habe im Abwicklungskonzept gegen Art. 14 der Verordnung Nr. 806/2014, seine Sorgfaltspflicht und Art. 296 AEUV verstoßen, indem er die Herabschreibung der Anteile und die Unternehmensveräußerung vorgenommen habe, ohne geprüft zu haben, ob es andere Maßnahmen gegeben habe, die zu einer geringeren Wertvernichtung für die Anteilseigner geführt hätten.

670    Als Erstes macht die Klägerin geltend, aus der Begründung des Abwicklungskonzepts gehe nicht hervor, dass der SRB andere, die Anteilseigner weniger belastende Lösungen geprüft hätte, bevor er die Kapitalinstrumente von Banco Popular herabgeschrieben und das Unternehmen veräußert habe. Er habe nicht geprüft, ob sich im Einklang mit Art. 14 der Verordnung Nr. 806/2014 die Vernichtung von Werten für die Anteilseigner durch andere Lösungen hätte vermeiden lassen.

671    Dieses Vorbringen der Klägerin beruht auf einer unzutreffenden Auslegung des oben in Rn. 521 angeführten Art. 14 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014.

672    Nach dieser Bestimmung müssen die in Art. 14 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 genannten Abwicklungsziele möglichst mit einem Abwicklungsinstrument verfolgt werden, das zu einer geringstmöglichen Wertvernichtung führt. Wie es in dieser Bestimmung heißt, kann die Abwicklung jedoch nicht als unverhältnismäßig angesehen werden, wenn die durch das gewählte Abwicklungsinstrument ausgelöste Wertvernichtung zur Erreichung dieser Ziele und somit im öffentlichen Interesse erforderlich ist.

673    Wie zudem die Kommission ausführt, bezieht sich die Wertvernichtung im Sinne von Art. 14 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 nicht nur auf die Vermögensinteressen der Anteilseigner und der Inhaber von Kapitalinstrumenten des Unternehmens, sondern auch auf die seiner Einleger, seiner Beschäftigten und seiner übrigen Gläubiger.

674    Entgegen dem Vorbringen der Klägerin muss nach dieser Bestimmung nicht die Verhältnismäßigkeit der Abwicklungsmaßnahme gegenüber dem Eingriff in das Eigentumsrecht der Anteilseigner beurteilt werden.

675    In Art. 5.2 des Abwicklungskonzepts führte der SRB aus, dass das Instrument der Unternehmensveräußerung ein geeignetes, notwendiges und verhältnismäßiges Mittel zur Erreichung der in Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 genannten Abwicklungsziele sei, nämlich vor allem Sicherstellung der Kontinuität kritischer Funktionen und Wahrung der Finanzstabilität. In dem oben in Rn. 339 angeführten Art. 5.3 des Abwicklungskonzepts legte der SRB die Gründe dar, aus denen die anderen in der Verordnung Nr. 806/2014 vorgesehenen Abwicklungsinstrumente nicht geeignet seien und die Erreichung der Abwicklungsziele nicht im selben Umfang zuließen.

676    Damit hat der SRB erläutert, aus welchen Gründen die anderen Abwicklungsinstrumente wie etwa die Ausgliederung von Vermögenswerten, mit der sich nach Ansicht der Klägerin die Wertvernichtung für die Anteilseigner hätte vermeiden lassen, die Erreichung der Ziele des Art. 14 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 nicht erlaubt hätten.

677    Entgegen dem Vorbringen der Klägerin brauchte der SRB, da er begründet hatte, warum das Instrument der Unternehmensveräußerung zur Erreichung dieser Ziele erforderlich sei, nicht darzulegen, ob sich mit anderen Lösungen die Wertvernichtung im Sinne von Art. 14 Art. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 hätte vermeiden lassen.

678    Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass der SRB in Art. 4.5 des Abwicklungskonzepts zu dem Schluss gelangte, dass die Abwicklung auch zur Minimierung der Wertvernichtung beitrage, weil eine Liquidation von Banco Popular für die Gläubiger zu höheren Verlusten geführt hätte als die Abwicklung. In Art. 4.6 des Abwicklungskonzepts heißt es, dass die Nachteile und die Kosten der Annahme der Abwicklungsmaßnahme, in erster Linie die Verluste der Anteilseigner und der nachrangigen Gläubiger, durch die sich daraus ergebenden Vorteile ausgeglichen würden, nämlich die Aufrechterhaltung der kritischen Funktionen, die Begrenzung der negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Finanzstabilität sowie die Vermeidung möglicher Verluste für andere Gläubiger.

679    Daraus folgt, dass der SRB entgegen dem Vorbringen der Klägerin im Abwicklungskonzept die Wertvernichtung berücksichtigt hat, die das Instrument der Unternehmensveräußerung für die Anteilseigner von Banco Popular nach sich ziehen konnte.

680    Als Zweites macht die Klägerin geltend, der SRB habe nicht geprüft, ob das Instrument der Ausgliederung von Vermögenswerten in Verbindung mit einem Darlehen des SRF zur Lösung der Liquiditätsprobleme und zur Wiederherstellung des Vertrauens des Marktes geeignet gewesen wäre, und habe damit die Grenzen seines Ermessens überschritten. Dem oben in Rn. 483 erwähnten Sachverständigengutachten in der Anlage zur Klageschrift zufolge sei eine Ausgliederung von Vermögenswerten in Verbindung mit anderen Maßnahmen zur Liquiditätsbeschaffung grundsätzlich durchführbar gewesen und hätte es erlaubt, eine Art. 14 der Verordnung Nr. 806/2014 zuwiderlaufende Wertvernichtung für die Anteilseigner zu vermeiden.

681    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass dem oben in Rn. 339 erwähnten Art. 5.3 des Abwicklungskonzepts zufolge der SRB der Ansicht war, dass das Instrument der Ausgliederung von Vermögenswerten, ob in Verbindung mit dem Bail-in‑Instrument oder mit dem Instrument des Brückeninstituts, die Erreichung der Abwicklungsziele nicht im selben Umfang zulasse wie das Instrument der Unternehmensveräußerung.

682    Zudem trägt die Klägerin nichts zum Beweis dafür vor, dass die von ihr angeführte Lösung, d. h. eine Ausgliederung von Vermögenswerten in Verbindung mit einer Liquiditätshilfe, unter Berücksichtigung der Liquiditätssituation von Banco Popular und der Dringlichkeit, mit der das Abwicklungskonzept angenommen werden musste, tatsächlich in Betracht kam und dass sich mit dieser Lösung die langfristige Existenzfähigkeit von Banco Popular hätte wiederherstellen lassen.

683    So beschränkt sich die Klägerin in der Klageschrift auf einen Verweis auf den Teil des dieser als Anlage beigefügten Sachverständigengutachtens, der mit „Der Beschluss trägt alternativen Abwicklungsinstrumenten nicht hinreichend Rechnung“ überschrieben ist. Hierzu genügt indes die Feststellung, dass die Sachverständigen in diesem Gutachten, das am 16. September 2017 auf der Grundlage der im Juli 2017 veröffentlichten Fassung des Abwicklungskonzepts erstellt wurde, einräumen, dass ihre Analyse zahlreiche Lücken aufweise, weil die ihnen zur Verfügung stehende Fassung des Abwicklungskonzepts gekürzt gewesen und ihnen das Ausmaß der Liquiditätsprobleme von Banco Popular nicht bekannt sei. Sie weisen darauf hin, dass Banco Popular solvent sei, und stützen sich auf eine Reihe rein theoretischer Hypothesen zur Veräußerung bestimmter Vermögenswerte. Dagegen enthält dieses Gutachten keine Analyse, mit der nachgewiesen würde, dass eine gegenüber dem Instrument der Unternehmensveräußerung alternative Lösung angesichts der Verschlechterung der Liquiditätssituation von Banco Popular und der Dringlichkeit tatsächlich durchführbar war. Mit diesem Gutachten wird nicht bewiesen, dass diese Veräußerungen von Vermögenswerten unter den zum Zeitpunkt der Abwicklung bestehenden Umständen konkret durchführbar waren.

684    Wie der SRB darlegt, erläutert die Klägerin nicht hinreichend, inwieweit eine alternative Lösung im Vergleich zur Veräußerung von Vermögenswerten mittels des Instruments der Unternehmensveräußerung ebenso wirksam, rechtlich durchführbar und weniger kostspielig gewesen wäre. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Sachverständigen, die das Sachverständigengutachten vom 16. September 2017 erstellt haben, auch das oben in Rn. 484 erwähnte Gutachten in der Anlage zur Erwiderung verfasst haben, in dem sie eingeräumt haben, dass sie wegen fehlender Informationen nicht in der Lage gewesen seien, in ihrem ersten Gutachten eingehender zu erläutern, wie diese alternative Lösung funktionieren könne.

685    Zudem wird in dem Sachverständigengutachten in der Anlage zur Klageschrift nicht den Abwicklungszielen gemäß Art. 14 der Verordnung Nr. 806/2014 Rechnung getragen und somit nicht dargetan, dass die Anwendung eines anderen Abwicklungsinstruments wie etwa der Ausgliederung von Vermögenswerten es erlaubt hätte, diese Ziele ebenso wirksam zu erreichen, wie es mit dem Instrument der Unternehmensveräußerung möglich gewesen wäre.

686    Schließlich erfordert, wie die Kommission und der SRB ausführen, der Einsatz des Instruments der Ausgliederung von Vermögenswerten Zeit, die zum Zeitpunkt der Abwicklung nicht zur Verfügung stand.

687    Dazu macht die Klägerin in der Erwiderung geltend, der SRB hätte eine Ausgliederung von Vermögenswerten als Dringlichkeitsmaßnahme vornehmen können. Sie verweist dafür auf Abschnitt 8 des Sachverständigengutachtens in der Anlage zur Erwiderung. Es genügt jedoch der Hinweis, dass in diesem Sachverständigengutachten in der Anlage zur Erwiderung lediglich ausgeführt wird, dass die wesentlichen Teile einer solchen Maßnahme in erheblich kürzerer Zeit als in den von der Kommission genannten sechs bis neun Monaten durchgeführt werden könnten. Damit wird nicht nachgewiesen, dass das Instrument der Ausgliederung von Vermögenswerten in der dringlichen Situation von Banco Popular konkret durchführbar war.

688    Die Klägerin macht auch geltend, die Ausgliederung von Vermögenswerten hätte als Dringlichkeitsmaßnahme erfolgen können, wenn der Abwicklungsplan von 2016 ordnungsgemäß vorbereitet worden wäre.

689    Dieses Vorbringen ist, wie auch die Kommission geltend macht, unerheblich, da der Abwicklungsplan von 2016 nicht die Liquiditätskrise in Betracht ziehen konnte, der sich Banco Popular ab April 2017 gegenübersah.

690    Nach Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 806/2014 „[berücksichtigen und befolgen b]ei einem Beschluss über ein Abwicklungskonzept … der [SRB], der Rat und die Kommission den Abwicklungsplan nach Artikel 8, es sei denn, der [SRB] gelangt unter Berücksichtigung der Sachlage zu der Einschätzung, dass die Abwicklungsziele mit Maßnahmen, die im Abwicklungsplan nicht vorgesehen sind, besser zu erreichen sind“.

691    Im vorliegenden Fall erläuterte der SRB in den Erwägungsgründen 44 bis 46 des Abwicklungskonzepts, aus welchen Gründen das im Abwicklungsplan von 2016 vorgesehene Abwicklungsinstrument den zum Zeitpunkt der Abwicklung bestehenden Umständen nicht angemessen sei. Dem Abwicklungsplan von 2016 habe die Hypothese zugrunde gelegen, dass der Ausfall von Banco Popular mit einer Verschlechterung ihrer Kapitalsituation zusammenhängen werde. Da aber der Ausfall von Banco Popular eine Folge der Verschlechterung ihrer Liquiditätssituation sei, sei nicht gewährleistet, dass es das in diesem Plan vorgesehene Bail-in‑Instrument erlaubt hätte, der Liquiditätskrise von Banco Popular sofort und wirksam zu begegnen.

692    Daraus folgt, dass etwaige Schwächen des Abwicklungsplans von 2016 nicht zur Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse führen können und dass das darauf bezogene Vorbringen der Klägerin ins Leere geht. Insbesondere ist der von der Klägerin erwähnte Sonderbericht des Rechnungshofs Nr. 23/2017 „[SRB]: Erste Schritte auf dem anspruchsvollen Weg zur Bankenunion sind getan, es ist jedoch noch ein weiter Weg bis zum Ziel“ nicht relevant.

693    Als Drittes macht die Klägerin geltend, der SRB habe seine Sorgfaltspflicht und seine Pflicht zu ordnungsgemäßer Verwaltung dadurch verletzt, dass er nicht die durch Art. 76 der Verordnung Nr. 806/2014 gebotenen Lösungen geprüft habe, nämlich ein Darlehen des SRF, um die Liquiditätsprobleme von Banco Popular zu lösen.

694    Hierzu genügt die Feststellung, dass der SRB gemäß Art. 76 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 806/2014 innerhalb des Abwicklungskonzepts bei der Anwendung der Abwicklungsinstrumente den SRF nur insoweit heranziehen kann, als es für die wirksame Anwendung der Abwicklungsinstrumente u. a. für die Gewährung von Darlehen an das in Abwicklung befindliche Institut erforderlich ist. Daraus geht klar hervor, dass diese Möglichkeit nur im Rahmen einer Abwicklungsmaßnahme in Betracht kommt und keinesfalls eine dieser gegenüber alternative Maßnahme darstellt. Wie der SRB ausführt, kann der SRF nicht isoliert in Anspruch genommen werden, um die Liquiditätsprobleme eines Unternehmens zu lösen.

695    Als Viertes macht die Klägerin hilfsweise geltend, der SRB hätte auf andere Maßnahmen nach der Richtlinie 2014/59 zurückgreifen können. Der SRB habe dadurch seine Sorgfaltspflicht verletzt und sein Ermessen überschritten, dass er in Anbetracht dessen, dass die Lösung von Liquiditätsproblemen nicht Gegenstand der Verordnung Nr. 806/2014 sei, nicht die Möglichkeit geprüft habe, ein Ad-hoc-Abwicklungsinstrument zu entwickeln.

696    Dazu genügt es, mit dem SRB darauf hinzuweisen, dass dieser nur die in Art. 22 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 bezeichneten Abwicklungsinstrumente anwenden kann.

697    Daher ist der zehnte Klagegrund zurückzuweisen.

11.    Zum elften Klagegrund: Verstoß gegen Art. 20 Abs. 14 der Verordnung Nr. 806/2014 in Verbindung mit deren Art. 20 Abs. 11 und 15 sowie Verletzung wesentlicher Formvorschriften

698    Mit diesem neuen, in der Erwiderung vorgebrachten Klagegrund weist die Klägerin darauf hin, dass der SRB in seiner Antwort vom 30. Juli 2018 auf eine prozessleitende Maßnahme ausgeführt habe, dass er keine endgültige Ex-post-Bewertung vornehmen werde, und macht geltend, das Abwicklungskonzept verstoße gegen Art. 20 Abs. 11, 14 und 15 der Verordnung Nr. 806/2014. Es sei angenommen worden, ohne dass die nötigen Bestimmungen und Mechanismen existierten, um sicherzustellen, dass die in Art. 20 der Verordnung Nr. 806/2014 bezeichnete Bewertung auf Angaben gestützt sei, die so vollständig und aktuell wie möglich seien.

699    Die Klägerin macht geltend, dieser neue Klagegrund sei gemäß Art. 84 der Verfahrensordnung zulässig, weil er auf einen neuen, während des Verfahrens zutage getretenen Gesichtspunkt gestützt sei, und zwar die Angabe des SRB in seiner Antwort vom 30. Juli 2018 auf eine prozessleitende Maßnahme, dass keine endgültige Ex-post-Bewertung vorgenommen werde.

700    Die Kommission macht geltend, dieser neue Klagegrund sei unzulässig und jedenfalls unbegründet, weil sich die Klägerin auf einen zeitlich nach Annahme des Abwicklungskonzepts liegenden Gesichtspunkt stütze, der dessen Rechtmäßigkeit nicht berühren könne. Der SRB und Banco Santander führen ebenfalls aus, dass dieser Klagegrund auf eine nach der Annahme des Abwicklungskonzepts getroffene Entscheidung des SRB gestützt sei und dass dessen Rechtmäßigkeit dadurch nicht berührt sein könne.

701    Dazu genügt der Hinweis, dass es aus den oben in den Rn. 597 bis 600 dargelegten Gründen für die Gültigkeit der angefochtenen Beschlüsse unerheblich ist, ob eine endgültige Ex-post-Bewertung, die zeitlich offenkundig nach der Annahme des Abwicklungskonzepts liegt, vorgenommen wird oder nicht.

702    Ferner erläutert die Klägerin in ihrer Stellungnahme zum Streithilfeschriftsatz von Banco Santander, sie stütze diesen neuen Klagegrund nicht auf das Fehlen einer endgültigen Ex-post-Bewertung, sondern mache mit ihm geltend, dass das Abwicklungskonzept bereits bei seiner Annahme fehlerhaft gewesen sei, weil die in Art. 20 Abs. 14 der Verordnung Nr. 806/2014 vorgesehenen Garantien gefehlt hätten.

703    Dazu genügt die Feststellung, dass die Klägerin mit dieser Erläuterung die Gründe in Frage stellt, die sie für das Vorbringen dieses neuen Klagegrundes im Stadium der Erwiderung angeführt hat.

704    Der elfte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

12.    Zum zwölften Klagegrund: Verstoß gegen Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 in Verbindung mit deren Art. 20 Abs. 3 und 5

705    Mit diesem neuen, in der Erwiderung vorgebrachten Klagegrund macht die Klägerin im Anschluss an den Zugang zu den im Februar und Oktober 2018 veröffentlichten Fassungen der Bewertung 2 geltend, das Abwicklungskonzept, dessen integraler Bestandteil die Bewertung 2 sei, verstoße gegen Art. 20 Abs. 1 und 5 der Verordnung Nr. 806/2014.

706    Erstens führt die Klägerin aus, die Bewertung 2 habe nur ein einziges Abwicklungsinstrument, die Unternehmensveräußerung, vorgesehen, was Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 zuwiderlaufe, wonach eine vorläufige Bewertung vorzunehmen sei, bevor Abwicklungsmaßnahmen getroffen würden. Es laufe dieser Bestimmung zuwider, eine vorläufige Bewertung zu erstellen, nachdem die anzuwendende Abwicklungsmaßnahme gewählt worden sei. Zweitens verstoße das Abwicklungskonzept gegen Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014, weil die Bewertung 2 nicht von einer unabhängigen Person vorgenommen worden sei. Deloitte habe nach den Weisungen des SRB gearbeitet und habe sich keine eigene Meinung bilden können, weil der SRB ihr die Vorgabe gemacht habe, sich auf das Instrument der Unternehmensveräußerung zu konzentrieren, und einen Teil der vorläufigen Bewertung, nämlich die Bewertung 1, habe der SRB selbst vorgenommen. Drittens habe, da das Abwicklungsinstrument vorab gewählt worden sei, die Bewertung 2 das in Art. 20 Abs. 5 der Verordnung Nr. 806/2014 genannte Ziel nicht erreichen können, dem SRB eine fundierte Entscheidung darüber zu ermöglichen, welches Abwicklungsinstrument eingesetzt werden solle.

707    Die Kommission hält diesen Klagegrund für unzulässig.

708    Nach Art. 84 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist das Vorbringen neuer Klage- und Verteidigungsgründe im Lauf des Verfahrens unzulässig, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.

709    Es ist festzustellen, dass das gesamte Vorbringen der Klägerin im Rahmen dieses Klagegrundes der Sache nach darauf gestützt ist, dass bei der Durchführung der Bewertung 2 nur ein einziges Abwicklungsinstrument, nämlich das der Unternehmensveräußerung, in Betracht gezogen worden sei.

710    In dieser Hinsicht heißt es im 42. Erwägungsgrund des Abwicklungskonzepts in der Fassung in der Anlage zur Klageschrift:

„Wegen der Dringlichkeit der Sache nahm Deloitte eine vorläufige Bewertung gemäß Art. 20 Abs. 10 der Verordnung Nr. 806/2014 vor. Diese vorläufige Bewertung diente

c)      der fundierten Entscheidung über die zu übertragenden Anteile oder Eigentumstitel und dem Verständnis des SRB dafür, was unter kommerziellen Bedingungen für die Zwecke des Instruments der Unternehmensveräußerung zu verstehen ist.“

711    Demnach war die Information, dass Deloitte eine vorläufige Bewertung vorgenommen hatte, die der Beurteilung der Voraussetzungen für den Einsatz des Instruments der Unternehmensveräußerung diente, schon in dem Abwicklungskonzept enthalten, über das die Klägerin zum Zeitpunkt der Klageerhebung verfügte.

712    Die Klägerin führt keinen neuen Gesichtspunkt an, der ihr aufgrund ihres Zugangs zu einer weniger vertraulichen Fassung der Bewertung 2, wie sie im Februar und Oktober 2018 auf der Website des SRB veröffentlicht wurde, zur Kenntnis gelangt wäre und es rechtfertigen könnte, diesen Klagegrund erst in der Erwiderung vorzubringen. Die Klägerin kann sich somit für die Zulässigkeit dieses Klagegrundes nach Art. 84 der Verfahrensordnung nicht darauf stützen, dass sie erst während des Verfahrens Zugang zur Bewertung 2 hatte.

713    Daher ist der zwölfte Klagegrund als unzulässig zurückzuweisen.

714    Jedenfalls ist festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerin unbegründet ist.

715    Erstens geht entgegen dem Vorbringen der Klägerin aus dem oben in Rn. 15 wiedergegebenen Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 nicht hervor, dass eine Bewertung nicht unter Berücksichtigung eines bestimmten Abwicklungsinstruments vorgenommen werden kann. Die Klägerin macht daher zu Unrecht geltend, es laufe Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 zuwider, dass die Bewertung 2 nur das Instrument der Unternehmensveräußerung in Betracht gezogen habe.

716    Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass Art. 20 Abs. 5 der Verordnung Nr. 806/2014 die Zwecke der Bewertung nach Maßgabe des angewandten Abwicklungsinstruments definiert. Art. 20 Abs. 5 Buchst. f der Verordnung Nr. 806/2014 legt die Bewertungszwecke im Fall der Anwendung des Instruments der Unternehmensveräußerung fest, die sich von den Zwecken unterscheiden, die Art. 20 Abs. 5 Buchst. d und e dieser Verordnung für die Fälle der Anwendung des Bail-in‑Instruments bzw. des Instruments des Brückeninstituts oder des Instruments der Ausgliederung von Vermögenswerten nennt.

717    Zudem ist Art. 20 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 806/2014, wonach, falls die Voraussetzungen für eine Abwicklung erfüllt sind, die Bewertung der fundierten Entscheidung über die in Bezug auf ein Unternehmen zu treffenden angemessenen Abwicklungsmaßnahmen dient, dahin auszulegen, dass die Bewertung dem SRB die in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht fundierte Entscheidung über die Umsetzung des von ihm gewählten Abwicklungsinstruments ermöglichen soll.

718    Art. 20 Abs. 5 der Verordnung Nr. 806/2014 kann nicht dahin ausgelegt werden, dass er dem Bewerter eine Bewertung vorschreibt, die alle potenziell in Betracht kommenden Abwicklungsinstrumente berücksichtigt. Daher macht die Klägerin zu Unrecht geltend, nach dieser Bestimmung sei es nicht zulässig gewesen, die Bewertung 2 unter Berücksichtigung des Instruments der Unternehmensveräußerung vorzunehmen, das der SRB als das Instrument ansah, mit dem sich die Abwicklungsziele am besten erreichen ließen.

719    Was drittens das Vorbringen der Klägerin angeht, mit dem sie die Unabhängigkeit des Bewerters in Frage stellt, so ist es nicht Sache des Bewerters, selbst zu bestimmen, welches das am besten geeignete Abwicklungsinstrument wäre. Wie der SRB darlegt, ist es Sache der Abwicklungsbehörde, das der Lage des betreffenden Unternehmens am besten angepasste Instrument zu wählen.

720    Daher kann die Tatsache, dass sich nach Ansicht des SRB die Abwicklungsziele am besten mit dem Instrument der Unternehmensveräußerung erreichen ließen und dass dieser Deloitte mit einer Bewertung beauftragt hat, die den Zielen dieses Instruments entsprach, nicht als Beeinträchtigung der Unabhängigkeit von Deloitte angesehen werden. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nicht erläutert, inwieweit der Umstand, dass der SRB die Bewertung 1 selbst vorgenommen hat, die Unabhängigkeit von Deloitte bei der Bewertung 2 beeinträchtigt haben soll, da diese beiden Bewertungen unterschiedlichen Zwecken dienen.

13.    Zu den Anträgen auf prozessleitende Maßnahmen und Beweiserhebung

721    Die Klägerin hat den Erlass verschiedener prozessleitender Maßnahmen und eine Beweiserhebung beantragt.

722    Zum einen hat die Klägerin in der Klageschrift und in der Erwiderung sowie mit Schriftsatz vom 19. April 2021 beantragt, die Vorlage verschiedener Schriftstücke anzuordnen. Darüber hinaus hat sie mit Schriftsatz vom 17. Mai 2021 beantragt, dem Königreich Spanien schriftliche Fragen zu stellen.

723    Wie dargelegt, hat das Gericht mit seinem Beweisbeschluss vom 12. Mai 2021 gemäß Art. 91 Buchst. b, Art. 92 Abs. 3 und Art. 103 der Verfahrensordnung dem SRB die Vorlage bestimmter, oben in Rn. 95 bezeichneter Schriftstücke aufgegeben. Mit Beschluss vom 9. Juni 2021 hat das Gericht die vom SRB in ihrer vertraulichen Fassung vorgelegten Schriftstücke für nicht erheblich für die Entscheidung des Rechtsstreits befunden. Dagegen ist das Schreiben von Banco Popular an die EZB vom 6. Juni 2017 ohne seine Anlage den anderen Parteien übermittelt worden.

724    Zum anderen hat die Klägerin in der Klageschrift die Vernehmung mehrerer Zeugen beantragt.

725    Was die Anträge einer Partei auf prozessleitende Maßnahmen oder Beweiserhebung angeht, so hat allein das Gericht darüber zu befinden, ob die ihm in einer Rechtssache vorliegenden Informationen möglicherweise der Ergänzung bedürfen (vgl. Urteile vom 26. Januar 2017, Mamoli Robinetteria/Kommission, C‑619/13 P, EU:C:2017:50, Rn. 117 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 12. November 2020, Fleig/EAD, C‑446/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:918, Rn. 53).

726    Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es selbst dann, wenn ein in der Klageschrift enthaltener Antrag auf Vernehmung von Zeugen die Tatsachen genau bezeichnet, die Gegenstand der Vernehmung des oder der Zeugen sein sollen, und die ihre Vernehmung rechtfertigenden Gründe genau angibt, Sache des Gerichts, die Sachdienlichkeit des Antrags im Hinblick auf den Streitgegenstand und die Erforderlichkeit einer Vernehmung der benannten Zeugen zu beurteilen (vgl. Urteile vom 26. Januar 2017, Mamoli Robinetteria/Kommission, C‑619/13 P, EU:C:2017:50, Rn. 118 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 22. Oktober 2020, Silver Plastics und Johannes Reifenhäuser/Kommission, C‑702/19 P, EU:C:2020:857, Rn. 29).

727    Im vorliegenden Fall reichen der Akteninhalt und die von den Parteien in der Sitzung gegebenen Erläuterungen für die Entscheidung des Gerichts aus, da dieses auf der Grundlage der Anträge, der Klagegründe und des im Verfahren entwickelten Vorbringens sowie anhand der von den Parteien vorgelegten Schriftstücke sachdienlich entscheiden konnte.

728    Folglich sind die Anträge der Klägerin auf prozessleitende Maßnahmen und Beweiserhebung zurückzuweisen, und die Klage ist in vollem Umfang abzuweisen.

V.      Kosten

729    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr ihre eigenen Kosten sowie entsprechend den Anträgen der Kommission, des SRB und von Banco Santander deren Kosten aufzuerlegen.

730    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Das Königreich Spanien sowie das Parlament und der Rat tragen somit ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Aeris Invest Sàrl wird verurteilt, ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Europäischen Kommission, des Einheitlichen Abwicklungsausschusses (SRB) und der Banco Santander, SA zu tragen.

3.      Das Königreich Spanien, das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union tragen ihre eigenen Kosten.

Van der Woude

Jaeger

Kreuschitz

De Baere

 

      Steinfatt

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 1. Juni 2022.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis




*      Verfahrenssprache: Spanisch.