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Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs (Österreich) eingereicht am 23. Juli 2013 - ÖBB Personenverkehr AG gegen Gotthard Starjakob

(Rechtssache C-417/13)

Verfahrenssprache: Deutsch

Vorlegendes Gericht

Oberster Gerichtshof

Parteien des Ausgangsverfahrens

Beklagte und Revisionswerberin: ÖBB Personenverkehr AG

Kläger und Revisionsgegner: Gotthard Starjakob

Vorlagefragen

1. Ist Art. 21 der Grundrechtecharta in Verbindung mit Art 7 Abs. 1, Art. 16 und Art. 17 der Richtlinie 2000/78/EG1 dahin auszulegen, dass

    a) ein Arbeitnehmer, für den vom Arbeitgeber aufgrund einer gesetzlich normierten altersdiskriminierenden Anrechnung von Vordienstzeiten zunächst ein unrichtiger Vorrückungsstichtag festgesetzt wurde, in jedem Fall Anspruch auf Zahlung der Gehaltsdifferenz unter Zugrundelegung des diskriminierungsfreien Vorrückungsstichtags hat,

    b) oder aber dahin, dass der Mitgliedstaat die Möglichkeit hat, durch eine diskriminierungsfreie Anrechnung der Vordienstzeiten die Altersdiskriminierung auch ohne finanziellen Ausgleich (durch Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags bei gleichzeitiger Verlängerung des Vorrückungszeitraums) zu beseitigen, insbesondere wenn diese entgeltneutrale Lösung die Liquidität des Arbeitgebers aufrechterhalten sowie einen übermäßigen Neuberechnungsaufwand vermeiden soll?

2. Im Fall der Bejahung der Frage 1 lit. b):

    Kann der Gesetzgeber eine solche diskriminierungsfreie Anrechnung der Vordienstzeiten

    a) auch rückwirkend (hier mit kundgemachtem Gesetz vom 27. 12. 2011, BGBl I 2011/129, rückwirkend zum 1. 1. 2004) einführen oder

    b) gilt sie erst ab dem Zeitpunkt des Erlasses bzw. der Kundmachung der neuen Anrechnungs- und Vorrückungsvorschriften?

3. Im Fall der Bejahung der Frage 1 lit. b):

    Ist Art. 21 der Grundrechtecharta in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 und 2 sowie Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG dahin auszulegen, dass

    a) eine gesetzliche Regelung, die für Beschäftigungszeiten am Beginn der Karriere einen längeren Vorrückungszeitraum vorsieht und die Vorrückung in die nächste Gehaltsstufe daher erschwert, eine mittelbare Ungleichbehandlung aus Gründen des Alters darstellt,

    b) und im Fall der Bejahung dahin, dass eine solche Regelung mit Rücksicht auf die geringe Berufserfahrung am Beginn der Karriere angemessen und erforderlich ist?

4. Im Fall der Bejahung der Frage 1 lit. b):

    Ist Art. 7 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. l der Richtlinie 2000/78/EG dahin auszulegen, dass die Fortwirkung einer alten, altersdiskriminierenden Regelung allein aus dem Grund, um den Arbeitnehmer zu seinen Gunsten vor Einkommensnachteilen durch eine neue, diskriminierungsfreie Regelung zu schützen (Entgeltsicherungsklausel), aus Gründen der Wahrung des Besitzstandes und des Vertrauensschutzes zulässig bzw. gerechtfertigt ist?

5. Im Fall der Bejahung der Frage 1 lit. b) und der Bejahung der Frage 3 lit. b):

    a) Kann der Gesetzgeber zur Ermittlung der anrechenbaren Vordienstzeiten eine Mitwirkungspflicht (Mitwirkungsobliegenheit) des Dienstnehmers vorsehen und den Übertritt in das neue Anrechnungs- und Vorrückungssystem von der Erfüllung dieser Obliegenheit abhängig machen?

    b) Kann sich ein Arbeitnehmer, der die ihm zumutbare Mitwirkung an der Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags nach dem neuen, diskriminierungsfreien Anrechnungs- und Vorrückungssystems unterlässt und daher von der diskriminierungsfreien Regelung bewusst nicht Gebrauch macht und freiwillig im alten, altersdiskriminierenden Anrechnungs- und Vorrückungssystem bleibt, auf eine Altersdiskriminierung nach dem alten System berufen, oder stellt der Verbleib im alten, diskriminierenden System nur aus dem Grund, um Geldansprüche geltend machen zu können, einen Rechtsmissbrauch dar?

6. Im Fall der Bejahung der Frage 1 lit. a) oder der Bejahung der Fragen 1 lit. b) und 2 lit. b):

    Gebietet es der unionsrechtliche Grundsatz der Effizienz nach Art. 47 Abs. 1 der Grundrechtecharta und nach Art. 19 Abs. 1 EUV, dass die Verjährung von im Unionsrecht begründeten Ansprüchen nicht vor eindeutiger Klärung der Rechtslage durch Verkündung einer einschlägigen Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu laufen beginnt?

7. Im Fall der Bejahung der Frage 1 lit. a) oder der Bejahung der Fragen 1 lit. b) und 2 lit. b):

    Gebietet es der unionsrechtliche Grundsatz der Äquivalenz, eine im nationalen Recht vorgesehene Hemmung der Verjährung für die Geltendmachung von Ansprüchen nach einem neuen Anrechnungs- und Vorrückungssystem (§ 53a Abs. 5 des Bundesbahngesetzes) auf die Geltendmachung von Gehaltsdifferenzen auszudehnen, die aus einem altersdiskriminierenden alten System resultieren?

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1 Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, ABl. L 303, S. 16.