Language of document : ECLI:EU:T:2010:391

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

13. September 2010(*)

„Binnenschifffahrt – Kapazität der Gemeinschaftsflotten – Bedingung für die Inbetriebnahme neuer Schiffe (‚Alt-für-neu-Regelung‘) – Entscheidung der Kommission, mit der die Anwendung der für Spezialschiffe vorgesehenen Ausnahmeregelung verweigert wurde – Art. 4 Abs. 6 der Verordnung (EG) Nr. 718/1999“

In der Rechtssache T‑131/07

Paul Mohr & Sohn, Baggerei und Schiffahrt mit Sitz in Niederwalluf (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt F. von Waldstein,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch G. Braun und K. Simonsson als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung SG (2007) D/200972 der Kommission vom 28. Februar 2007, mit der abgelehnt wurde, die Ausnahmeregelung für Spezialschiffe nach Art. 4 Abs. 6 der Verordnung (EG) Nr. 718/1999 des Rates vom 29. März 1999 über kapazitätsbezogene Maßnahmen für die Binnenschifffahrtsflotten der Gemeinschaft zur Förderung des Binnenschiffsverkehrs (ABl. L 90, S. 1) auf das Schiff Niclas anzuwenden,

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. W. H. Meij (Berichterstatter) sowie der Richter V. Vadapalas und L. Truchot,

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. September 2009

folgendes

Urteil

 Rechtlicher Rahmen

1        Die Verordnung (EG) Nr. 718/1999 des Rates vom 29. März 1999 über kapazitätsbezogene Maßnahmen für die Binnenschifffahrtsflotten der Gemeinschaft zur Förderung des Binnenschiffsverkehrs (ABl. L 90, S. 1) bezweckt den Abbau des in allen Sektoren des Binnenschifffahrtsmarktes bestehenden Schiffsraumüberhangs. Hierfür sind eine koordinierte Abwrackaktion für Schiffe auf Gemeinschaftsebene sowie Begleitmaßnahmen vorgesehen. Mit der Verordnung Nr. 718/1999 setzt der Rat die seit dem Erlass der Verordnung (EWG) Nr. 1101/89 des Rates vom 27. April 1989 über die Strukturbereinigung in der Binnenschifffahrt (ABl. L 116, S. 25) unternommenen Anstrengungen fort.

2        Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 718/1999 unterliegen „[d]ie Binnenschiffe, die zwischen zwei oder mehreren Punkten Güterbeförderungen auf Binnenwasserstraßen der Mitgliedstaaten durchführen, … den kapazitätsbezogenen Maßnahmen für die Gemeinschaftsflotten nach Maßgabe dieser Verordnung“.

3        Die Verordnung Nr. 718/1999 gilt nach ihrem Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 „für Güterschiffe und Schubboote, die Beförderungen im gewerblichen Verkehr oder im Werkverkehr vornehmen, in einem Mitgliedstaat eingetragen sind oder in Ermangelung einer Eintragung von einem in einem Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen betrieben werden“. Art. 2 Abs. 2 der Verordnung Nr. 718/1999 enthält eine Liste von Schiffen und anderen Vorrichtungen, für die die Verordnung nicht gilt, wozu nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. f und g der Verordnung Nr. 718/1999 auch „Schiffe, die ausschließlich zur Lagerung von Waren dienen, d. h. Schiffe, die der Be- und anschließenden Entladung von Waren am gleichen Ort dienen“, und „Baggervorrichtungen wie Klappnachen und Schwimmbrücken sowie schwimmende Geräte von Bauunternehmen, sofern diese nicht zur Güterbeförderung im Sinne des Artikels 1 dienen“, gehören.

4        Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 718/1999 bestimmt im Wesentlichen, dass unter diese Verordnung fallende Schiffe, die neu gebaut wurden, nur dann in Betrieb genommen werden können, wenn der Eigentümer des Schiffes entweder ohne Abwrackprämie eine Schiffraumtonnage abwrackt oder an den Fonds, bei dem sein neues Schiff gemeldet ist, einen Sonderbeitrag entrichtet (im Folgenden: Alt-für-neu-Regelung).

5        Gemäß Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 718/1999 kann die Europäische Kommission nach Anhörung der Mitgliedstaaten und der Binnenschifffahrtsverbände auf Gemeinschaftsebene „Spezialschiffe“ vom Anwendungsbereich des Abs. 1 ausnehmen. Ferner heißt es in diesem Artikel: „Spezialschiffe müssen in technischer Hinsicht speziell für die Beförderung eines einzigen Gütertyps ausgelegt und für die Beförderung anderer Güter technisch ungeeignet sein; dieser Gütertyp kann nicht von Schiffen befördert werden, die nicht über besondere technische Ausrüstungen verfügen, und ihre Eigentümer müssen sich schriftlich dazu verpflichten, während der Geltungsdauer der ,Alt-für-neu-Regelung‘ mit ihren Schiffen keine anderen Güter zu befördern“.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

6        Die Klägerin, Paul Mohr & Sohn, Baggerei und Schiffahrt, ist eine Gesellschaft, die auf dem Gebiet der Sand- und Kiesbaggerei, der Nassbaggerung, des Flussbaus, des Umschlags und von Leichterungen aller Art tätig ist. Sie ist Eigentümerin des Schiffes Niclas, das sie seit Dezember 1999 betreibt.

7        Mit Schreiben vom 18. Oktober 2004 beantragte die Klägerin bei der Kommission, die Niclas als Spezialschiff im Sinne von Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 718/1999 vom Anwendungsbereich der „Alt-für-neu-Regelung“ auszunehmen (im Folgenden: Antrag auf Ausnahmegenehmigung).

8        Die Klägerin gab in ihrem Antrag auf Ausnahmegenehmigung an, dass sie die Niclas 1998 als Motorgüterschiff erworben, in der Folgezeit jedoch mit einem schweren Bordkran fest verbunden habe. Dieser Kran sei für die Zwecke des Schiffes, nämlich die Sand- und Kiesbaggerei sowie Leichterungsdienste bei wechselnden Wasserständen, Festfahrungen und Notfällen, wie etwa Havarien, erforderlich. Die Niclas besitze auch keine Rheinschiffszugehörigkeitsurkunde, sodass ihr die Güterbeförderung im Sinne der Verordnung Nr. 718/1999 verboten sei. Aufgrund des Kranaufbaus könne sie Nebenflüsse wie Main oder Mosel nicht befahren. Obwohl die Niclas theoretisch in der Lage sei, Güterbeförderungen im Sinne der Verordnung Nr. 718/1999 durchzuführen, erscheine es der Klägerin im Hinblick auf die Ziele dieser Verordnung nicht gerechtfertigt, auf diese theoretische Möglichkeit allein abzuheben, um den Sonderbeitrag nach der „Alt-für-neu-Regelung“ zu erheben. Die Klägerin sei bereit, der Kommission alle Auskünfte zu erteilen, die erforderlich seien, um die beantragte Ausnahmegenehmigung zu erhalten, und dafür erforderliche schriftliche Verpflichtungserklärungen abzugeben.

9        Mit Schreiben vom 8. März 2005 hörte die Kommission nach Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 718/1999 die aus Sachverständigen der beteiligten Mitgliedstaaten und der Binnenschifffahrtsverbände der Gemeinschaft bestehende „Sachverständigengruppe – Maßnahmen im Zusammenhang mit der Kapazität und der Förderung der Binnenschifffahrtsflotten der Gemeinschaft“ zu dem Antrag auf Ausnahmegenehmigung an.

10      Mit Schreiben vom 28. Februar 2007 teilte die Kommission der Klägerin ihre Entscheidung mit, die beantragte Ausnahmegenehmigung nicht zu erteilen (im Folgenden: angefochtene Entscheidung). Sie war im Wesentlichen der Ansicht, dass die Niclas nach den Angaben der Klägerin den Kriterien eines Spezialschiffs im Sinne von Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 718/1999 nicht genüge. Insbesondere sei die Niclas technisch in der Lage, Güter unterschiedlicher Art zu befördern, was dem Zweck des Schiffes entspreche, bei wechselnden Wasserständen, Festfahrungen oder Havarien Güter von anderen Güterschiffen zu übernehmen, weiterzubefördern und gegebenenfalls an anderer Stelle wieder zurück zu übertragen. Dass es sich dabei um Leichtergut handeln könne, reiche nicht aus, um darin einen „besonderen, homogenen Gütertyp“ im Sinne von Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 718/1999 zu sehen. Indem die Niclas Leichtertätigkeiten für andere Schiffe durchführe, stelle sie Laderaumkapazität zur Verfügung und trage auf diese Weise zur Erhöhung der Kapazität der Binnenschifffahrtsflotte bei.

 Verfahren und Anträge der Parteien

11      Mit Klageschrift, die am 24. April 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

12      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Sechste Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen und die Parteien nach Art. 64 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichts aufzufordern, vor der Sitzung schriftlich verschiedene Fragen zu beantworten und Unterlagen vorzulegen. Die Parteien sind diesen Aufforderungen mit Schreiben vom 5. und 31. August 2009 nachgekommen.

13      Die Parteien haben in der Sitzung vom 17. September 2009 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

14      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        die Kommission zu verpflichten, ihr eine Ausnahmegenehmigung gemäß Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 718/1999 zu erteilen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

15      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

16      In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ihren zweiten Antrag zurückgenommen, was im Sitzungsprotokoll vermerkt worden ist.

17      Da der Richter T. Tchipev nach Schließung der mündlichen Verhandlung an der weiteren Mitwirkung am Verfahren gehindert war, ist die Rechtssache dem Kammerpräsidenten A. W. H. Meij als Berichterstatter zugewiesen worden, und der Richter V. Vadapalas ist gemäß Art. 32 § 3 der Verfahrensordnung bestimmt worden, die Kammer zu ergänzen.

18      Mit Beschluss vom 5. Juli 2010 hat das Gericht (Sechste Kammer) in der neuen Besetzung die mündliche Verhandlung wiedereröffnet und den Parteien mitgeteilt, dass sie in einer neuerlichen Sitzung am 8. September 2010 gehört würden.

19      Mit Schreiben vom 8. und vom 9. Juli 2010 haben die Klägerin und die Kommission dem Gericht mitgeteilt, dass sie auf eine erneute Anhörung verzichteten.

20      Infolgedessen hat der Präsident der Sechsten Kammer beschlossen, die mündliche Verhandlung zu schließen.

 Rechtliche Würdigung

21      Zur Begründung ihrer Klage macht die Klägerin als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 718/1999 geltend, da die Kommission angenommen habe, dass die Niclas kein Spezialschiff im Sinne dieser Vorschrift sei und folglich nicht von der „Alt-für-neu-Regelung“ des Art. 4 Abs. 1 der Verordnung ausgenommen werden könne.

 Vorbringen der Parteien

22      Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die Niclas von der „Alt-für-neu-Regelung“ hätte ausgenommen werden müssen, da sie die Kriterien des Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 718/1999 erfülle.

23      Bei der Niclas handele es sich insbesondere unter Berücksichtigung ihrer Ausrüstung mit einem schweren Bordkran um ein Spezialschiff. Die Niclas führe Gütertransporte nur im Rahmen ihrer Leichtertätigkeit durch, zu der es unter außergewöhnlichen Umständen, bei wechselnden Wasserständen, Festfahrungen und Notfällen, wie Havarien, komme.

24      Die Niclas sei in technischer Hinsicht speziell für die Beförderung eines einzigen Gütertyps ausgelegt. Entgegen der von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung vertretenen Ansicht stelle Leichtergut nämlich einen einzigen Gütertyp im Sinne von Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 718/1999 dar. Es sei verfehlt, für die Zwecke dieser Bestimmung eine Typisierung von Gütern ausschließlich nach dem beförderten Material vorzunehmen. Die Bezugnahme in der genannten Bestimmung auf „einen einzigen Gütertyp“ sei im Gegenteil als Bezugnahme darauf zu verstehen, wie diese Güter auf dem Schiff behandelt würden, d. h. als Ladungsware, Lagerware oder Verklappungsgut.

25      Überdies habe sich die Klägerin, wie nach Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 718/1999 verlangt, der Kommission gegenüber ausdrücklich und unwiderruflich verpflichtet, die Niclas nur im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit als Bauunternehmen und zur Leichterung von Binnenschiffen zu verwenden.

26      Im Übrigen sei eine „Ausnahmeregelung“ in Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 718/1999 gerade deshalb geschaffen worden, weil die Ausnahmetatbestände des Art. 2 Abs. 2 dieser Verordnung nicht alle Tätigkeiten, die nur eine geringfügige Auswirkung auf die Erhöhung der Kapazitäten zur Güterbeförderung auf Binnengewässern hätten, wie die Leichterung, abschließend hätten vorsehen können. Insoweit unterscheide sich die Niclas nicht von Lagerschiffen oder Klappnachen und schwimmendem Gerät von Bauunternehmen, die nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. f und g von der Verordnung Nr. 718/1999 ausgenommen seien.

27      Abschließend zieht die Klägerin im Wesentlichen die Schlussfolgerung, dass die Verwendung von Schiffen wie der Niclas im besonderen Segment der Leichterdienste im Interesse der gewerblichen Binnenschifffahrt sei und nicht unter das Ziel der Verordnung Nr. 718/1999, strukturelle Kapazitäten zu verringern, falle. Mit dieser Art von Schiff könne der für den Sonderbeitragsbescheid erforderliche Betrag in Anbetracht des für diese Tätigkeiten sehr geringen Entgelts niemals erwirtschaftet werden.

28      Die Kommission tritt allen Argumenten der Klägerin entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

29      Zunächst ist zu bemerken, dass die Klägerin nicht bestreitet, dass die Niclas nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 718/1999 in deren Geltungsbereich fällt. In der mündlichen Verhandlung hat sie nämlich eingeräumt, dass die sich aus dieser Verordnung ergebenden Verpflichtungen grundsätzlich für die Niclas gälten, da sie neben anderen Funktionen als Güterschiff verwendet werde, mit dem Güter zum Zweck der Leichterung befördert würden. Die Kommission habe jedoch gegen Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 718/1999 verstoßen, indem sie die Niclas nicht als Spezialschiff im Sinne dieser Bestimmung angesehen habe und sie demnach nicht von der Zahlung des Beitrags nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 718/1999 befreit habe.

30      Die Kommission kann nach Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 718/1999 bestimmte Schiffe von der Geltung der „Alt-für-neu-Regelung“ ausnehmen und die Eigentümer bestimmter Schiffe von der Zahlung des in Art. 4 Abs. 1 vorgesehenen Sonderbeitrags befreien, wenn es sich um „Spezialschiffe“ handelt. Nach dieser Bestimmung müssen diese Schiffe „in technischer Hinsicht speziell für die Beförderung eines einzigen Gütertyps ausgelegt“ und „für die Beförderung anderer Güter technisch ungeeignet sein; dieser Gütertyp kann nicht von Schiffen befördert werden, die nicht über besondere technische Ausrüstungen verfügen, und ihre Eigentümer müssen sich schriftlich dazu verpflichten, während der Geltungsdauer der ,Alt-für-neu-Regelung‘ mit ihren Schiffen keine anderen Güter zu befördern“.

31      Angesichts des Ausnahmecharakters von Art. 2 Abs. 2 und Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 718/1999 im Verhältnis zu der mit dieser Verordnung eingeführten allgemeinen Regelung sind diese Bestimmungen nach der Rechtsprechung eng auszulegen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteile des Gerichts vom 1. Oktober 1998, Natural van Dam und Danser Container Line/Kommission, T‑155/97, Slg. 1998, II‑3921, Randnr. 31, und vom 8. Mai 2003, Josanne u. a./Kommission, T‑82/01, Slg. 2003, II‑2013, Randnrn. 33 und 49).

32      Außerdem muss derjenige, der gemäß der Verordnung Nr. 718/1999 einen Ausschluss beantragt hat, den Nachweis dafür erbringen, dass die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Ausnahme erfüllt sind (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteile des Gerichts vom 1. Februar 2000, Transpo Maastricht und Ooms/Kommission, T‑63/98, Slg. 2000, II‑135, Randnr. 62, und Josanne u. a./Kommission, Randnr. 33).

33      Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob die Kommission einen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie auf der Grundlage des Antrags auf Ausnahmegenehmigung und seiner Anlagen entschieden hat, dass die Klägerin im Verwaltungsverfahren nicht nachgewiesen habe, dass die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 718/1999 in Bezug auf die Niclas erfüllt seien.

34      Zu der ersten Voraussetzung, dass das fragliche Schiff in technischer Hinsicht speziell für die Beförderung eines einzigen Gütertyps ausgelegt sein muss, ist festzustellen, dass die Klägerin zu diesem Punkt keinen Fehler der Kommission nachweist. Wie nämlich aus dem Schiffsbrief der Niclas und der technischen Stellungnahme hervorgeht, handelt es sich um ein Motorfrachtschiff, das demnach jede Art von festen Gütern aufnehmen und befördern kann. Auch wenn die Niclas nach dem Kauf als Güterschiff mit einem Bordkran ausgerüstet wurde, ist entgegen dem Vorbringen der Klägerin festzustellen, dass dieses charakteristische Merkmal nicht die Art von Güter, die befördert werden können, beschränkt, sondern es ihr ermöglicht, eigenständig alle Arten von Fracht, sei es in loser Schüttung, in Containern oder als Stückgut, zu laden und zu befördern.

35      In diesem Zusammenhang macht die Klägerin geltend, dass die Fracht im Zuge einer Leichterung ungeachtet der Tatsache, dass sie verschiedene Materialien oder Stoffe umfassen könne, als „ein einziger Gütertyp“ im Sinne von Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 718/1999 anzusehen sei. Diesem Argument ist nicht zu folgen.

36      Auch wenn nämlich die Wendung „ein einziger Gütertyp“ in der Verordnung Nr. 718/1999 nicht definiert wird, sind bei der Auslegung einer Vorschrift des Rechts der Europäischen Union nach der Rechtsprechung u. a. der Zusammenhang, in dem sie steht, und der Zweck, der mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt wird, zu berücksichtigen (vgl. Urteile des Gerichtshofs vom 7. Juni 2005, VEMW u. a., C‑17/03, Slg. 2005, I‑4983, Randnr. 41, und vom 1. März 2007, Jan De Nul, C‑391/05, Slg. 2007, I‑1793, Randnr. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung). Was insbesondere die Verordnung Nr. 718/1999 betrifft, wird dieser Regelungszweck u. a in ihrem dritten Erwägungsgrund genannt, in dem es im Wesentlichen heißt: „Es ist notwendig, in allen Sektoren des Binnenschifffahrtsmarkts die Schaffung neuer Überkapazitäten wirksam einzudämmen. Die zu beschließenden Maßnahmen müssen daher allgemein ausgerichtet sein …“ (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil Natural van Dam und Danser Container Line/Kommission, Randnrn. 29 und 31).

37      Es ist jedoch festzustellen, dass durch die Leichtertätigkeiten, wie sie die Klägerin in ihren dem Gericht im Rahmen der prozessleitenden Maßnahmen erteilten Antworten beschrieben hat, der Binnenschifffahrtsflotte eine bestimmte Laderaumkapazität zur Verfügung gestellt werden kann, da sie die Aufgabe umfassen, die Beförderung von Gütern von einem Güterschiff zu übernehmen, wenn dieses seine Fahrt nicht mehr fortsetzen kann, und die Güter an einem anderen Ort wieder auf ein anderes Güterschiff zu laden oder auf eigene Rechnung zu befördern. Selbst wenn die Leichtertätigkeiten, wie die Klägerin vorträgt, auf außergewöhnliche Fälle der Havarie oder Festfahrung von Güterschiffen beschränkt sein sollten, erweist sich somit die von der Klägerin befürwortete Auslegung, wonach jede Fracht, die geleichtert wird, als „ein einziger Gütertyp“ anzusehen sei, als widersprüchlich und mit dem Regelungszweck der Verordnung Nr. 718/1999 unvereinbar, da im vorliegenden Fall die Kapazität der Niclas für die Zwecke der Beförderung von vermutlich jedem Gütertyp zur verfügbaren Beförderungskapazität hinzukommt.

38      Daher war die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu Recht der Ansicht, dass die Niclas in technischer Hinsicht nicht speziell für die Beförderung eines einzigen Gütertyps ausgelegt sei.

39      Zur zweiten Voraussetzung, dass das betreffende Schiff zur Beförderung anderer Güter technisch ungeeignet sein muss, ist festzustellen, dass die Kommission zutreffend zu dem Schluss gelangt ist, dass diese Voraussetzung im vorliegenden Fall nicht erfüllt sei. Denn sowohl der in Randnr. 34 des vorliegenden Urteils festgestellte Motorfrachtschiffcharakter der Niclas als auch der Umstand, dass sie – wie die Klägerin in der Klageschrift einräumt – für Umladungen und Leichterungen aller Art vorgesehen ist, zeigen, dass sie technisch in der Lage ist, eine große Vielfalt von Waren zu befördern. Außerdem können die Angaben, die die Klägerin auf die dahin gehenden Fragen des Gerichts gemacht hat, nicht den Nachweis erbringen, dass die Niclas zur „Beförderung anderer Güter“ ungeeignet ist.

40      Zur dritten Voraussetzung, dass die fraglichen Güter nicht von Schiffen befördert werden können, die nicht über besondere technische Ausrüstungen verfügen, macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass der auf der Niclas dauerhaft installierte Bordkran diese von anderen Frachtschiffen unterscheide, da sie ausschließlich dazu bestimmt sei, für Leichterungen verwendet zu werden. Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass weder diese dritte Voraussetzung noch die in Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 718/1999 vorgesehene Ausnahme es allgemein gestattet, diese Ausnahme auf Leichtertätigkeiten als solche zu erstrecken. Außerdem ist festzustellen, dass das Vorhandensein eines Krans nicht die Schlussfolgerung zulässt, dass Schiffe, die keinen Kran haben, nicht in der Lage sind, denselben Gütertyp zu befördern wie die Niclas. Bei der Ausübung ihrer Leichtertätigkeiten hat die Niclas nämlich Güter aufzunehmen und zu befördern, die zuvor von Schiffen befördert wurden, die über keine besondere Ausrüstung verfügen. Unter diesen Umständen stellt sie selbst bei der Durchführung von Leichtertätigkeiten eine Laderaumkapazität zur Verfügung, die derjenigen der anderen, gewöhnlichen Schiffe, die nicht mit dem Bordkran der Niclas ausgerüstet sind, ähnlich ist.

41      Angesichts dieser Erwägungen war die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zutreffend der Auffassung, dass die von der Niclas übernommenen und beförderten Güter auch von Güterschiffen hätten befördert werden können, die nicht über besondere technische Ausrüstungen verfügten.

42      Schließlich ist festzustellen, dass der Umstand, dass sich die Klägerin der Kommission gegenüber dazu verpflichtet haben mag, während der Geltungsdauer der „Alt-für-neu-Regelung“ keine Güter zu befördern und die Niclas nur im Rahmen ihrer Leichtertätigkeiten zu verwenden, im vorliegenden Fall irrelevant ist.

43      Aus alledem ergibt sich, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung fehlerfrei festgestellt hat, dass die Niclas, obwohl es sich bei ihr um ein Frachtschiff mit besonderer Ausstattung gehandelt habe, dennoch kein Spezialschiff im Sinne von Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 718/1999 sei und daher von der Zahlung des in Art. 4 Abs. 1 dieser Verordnung vorgesehenen Beitrags nicht befreit werden könne.

44      Dieses Ergebnis kann mit den anderen Argumenten der Klägerin nicht in Frage gestellt werden.

45      Was zunächst das Argument der Klägerin betrifft, Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 718/1999 müsse im Licht von Art. 2 Abs. 2 dieser Verordnung als offene Klausel ausgelegt werden, die es ermögliche, Schiffe, die nicht zum Auftreten von Überkapazitäten in der Binnenschifffahrt beitrügen, ebenfalls von der Anwendung der „Alt-für-neu-Regelung“ auszunehmen, genügt die Feststellung, dass aus Randnr. 37 des vorliegenden Urteils hervorgeht, dass die von der Niclas durchgeführten Leichtertätigkeiten im Gegenteil geeignet sind, die mit der in Rede stehenden Regelung verfolgten Ziele zu beeinträchtigen. Außerdem kann der von der Klägerin vorgeschlagenen Auslegung nicht gefolgt werden, da sowohl Art. 2 Abs. 2 als auch Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 718/1999 Ausnahmebestimmungen sind, die nach der in Randnr. 31 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung eng auszulegen sind.

46      Außerdem ist die Behauptung der Klägerin, dass die Leichterdienste einem besonderen Segment des Binnenschifffahrtsmarkts entsprächen, der nicht zur Erhöhung der auf diesem Markt bestehenden Überkapazität beitrage, zurückzuweisen. Es ist nämlich unerheblich, dass die Niclas in einem spezifischen Segment des Binnenschifffahrtsmarkts tätig ist, nämlich dem Markt der Leichtertätigkeiten, da mit ihr – wie in den Randnrn. 37 und 40 des vorliegenden Urteils ausgeführt – eine bestimmte Laderaumkapazität zur Verfügung gestellt und dadurch zu einer Erhöhung der Kapazität der Binnenschifffahrtsflotte beigetragen wird. Darüber hinaus ist unter Berücksichtigung des Ziels der Verordnung Nr. 718/1999 der gesamte Binnenschifffahrtsmarkt zu berücksichtigen, um zu beurteilten, ob die Inbetriebnahme eines neuen Schiffes zum bestehenden Kapazitätsüberhang in diesem Sektor beiträgt (vgl. in diesem Sinne Urteil Natural van Dam und Danser Container Line/Kommission, Randnr. 35).

47      Auch reicht der von der Klägerin geltend gemachte Umstand, dass der für den Sonderbeitragsbescheid erforderliche Betrag mit der Niclas in Anbetracht des mit ihren Tätigkeiten erzielten Entgelts nicht erwirtschaftet werden könne, nicht aus, um diese Schlussfolgerung zu widerlegen, da aus dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 718/1999 ausdrücklich hervorgeht, dass die Ausnahme nur für Schiffe gewährt werden kann, die technisch die in dieser Bestimmung vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllen.

48      Nach alledem hat die Klägerin folglich nicht bewiesen, dass die Kommission fehlerhaft davon ausgegangen war, dass die Niclas die in Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 718/1999 vorgesehenen Voraussetzungen für die Ausnahme von Spezialschiffen nicht erfülle, und daher vom Geltungsbereich der „Alt-für-neu-Regelung“ nicht ausgenommen werden könne. Infolgedessen ist der einzige von der Klägerin geltend gemachte Klagegrund zurückzuweisen und die Klage demnach abzuweisen.

 Kosten

49      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Paul Mohr & Sohn, Baggerei und Schiffahrt trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Europäischen Kommission.

Meij

Vadapalas

Truchot

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. September 2010.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.