Language of document : ECLI:EU:T:2012:244

URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

22. Mai 2012(*)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Gemeinschaftsbildmarke RT – Ältere nationale Wortmarke RTH – Relatives Eintragungshindernis – Verwechslungsgefahr – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑371/09

Retractable Technologies, Inc., mit Sitz in Little Elm, Texas (Vereinigte Staaten von Amerika), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin K. Dröge,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), zunächst vertreten durch C. Jenewein, dann durch G. Schneider und D. Walicka als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM:

Abbott Laboratories mit Sitz in Abbot Park, Illinois (Vereinigte Staaten von Amerika),

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 24. Juli 2009 (Sache R 1234/2008‑4) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen Abbott Laboratories und der Retractable Technologies, Inc.,

erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten O. Czúcz, der Richterin I. Labucka (Berichterstatterin) und des Richters D. Gratsias,

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund der am 24. September 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 20. Januar 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund der Zuweisung der Rechtssache an die Dritte Kammer und an eine neue Berichterstatterin,

auf die mündliche Verhandlung vom 7. Februar 2012

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 17. November 2004 meldete die Klägerin, die Retractable Technologies, Inc., nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das folgende Bildzeichen:

Image not found

3        Die Marke wurde für die Waren „chirurgische, ärztliche, zahn- und tierärztliche Instrumente und Apparate, künstliche Gliedmaßen, Augen und Zähne; orthopädische Artikel; chirurgisches Nahtmaterial“ in Klasse 10 im Sinne des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet.

4        Die Anmeldung der Gemeinschaftsmarke wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 27/2005 vom 4. Juli 2005 veröffentlicht.

5        Am 30. September 2005 erhob die andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer, Abbott Laboratories, nach Art. 42 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009) Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für die oben in Randnr. 3 genannten Waren.

6        Der Widerspruch beruhte auf der älteren spanischen Wortmarke RTH, die am 5. Dezember 1996 unter der Nr. 2030209 für die Waren „chirurgische, ärztliche, zahn- und tierärztliche Instrumente und Apparate, künstliche Gliedmaßen, Augen und Zähne; orthopädische Artikel; chirurgisches Nahtmaterial“ in Klasse 10 eingetragen worden war.

7        Als Widerspruchsgrund wurde der in Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009) genannte Grund geltend gemacht.

8        Am 12. April 2006 verlangte die Klägerin den Nachweis der Benutzung der älteren Marke, auf die der Widerspruch gestützt war. Die andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer reichte am 28. August 2006 diverse Unterlagen ein, nämlich Rechnungen, Preislisten, Prospekte ihrer Erzeugnisse und eine Erklärung von Herrn F. vom 31. Juli 2006. Sie erklärte, dass die Marke zur Kennzeichnung von Behältern für Sondennahrungsprodukte mit integrierter Schlaufe im Behälterboden zum Aufhängen an einem Infusionsständer benutzt werde.

9        Am 25. Juni 2008 gab die Widerspruchsabteilung dem Widerspruch für „ärztliche Instrumente und Apparate“ statt und wies ihn für die anderen Waren zurück. Sie war im Wesentlichen der Ansicht, dass die Benutzung der älteren Marke mit den von der anderen Beteiligten im Verfahren vor der Beschwerdekammer vorgelegten Nachweisen lediglich für „befüllte Nahrungsbehälter zur enteralen Verabreichung von medizinischer Nahrung“ belegt werde, die unter „ärztliche Instrumente und Apparate“ fielen. Folglich seien diese Waren identisch.

10      Am 25. August 2008 legte die Klägerin beim HABM nach den Art. 57 bis 62 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009) Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung ein. In der Beschwerde schränkte sie das von ihrer Anmeldung umfasste Warenverzeichnis auf „chirurgische, zahn- und tierärztliche Instrumente und Apparate, ärztliche Instrumente und Apparate (ausgenommen befüllte Nahrungsbehälter zur enteralen Verabreichung von medizinischer Nahrung), künstliche Gliedmaßen, Augen und Zähne; orthopädische Artikel; chirurgisches Nahtmaterial“ ein.

11      Mit Entscheidung vom 24. Juli 2009 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück und bestätigte die Entscheidung der Widerspruchsabteilung. Sie war im Wesentlichen der Ansicht, dass zwischen den fraglichen Marken trotz der im Stadium der Beschwerde vorgenommenen Einschränkung des Warenverzeichnisses der Anmeldung Verwechslungsgefahr bestehe, soweit es um die für die Anmeldemarke beanspruchten „ärztlichen Instrumente und Apparate“ und die von der älteren Marke erfassten Waren, deren Benutzung nachgewiesen worden sei, gehe. Insbesondere wiesen die einander gegenüberstehenden Marken eine durchschnittliche visuelle und phonetische Ähnlichkeit auf, da die zwischen den fraglichen Zeichen bestehenden Unterschiede die Übereinstimmungen dieser Zeichen nicht abschwächen könnten. Ein Vergleich in begrifflicher Hinsicht sei im vorliegenden Fall nicht möglich. Auch seien die mit den in Rede stehenden Marken beanspruchten Waren hochgradig ähnlich.

12      Am 14. September 2009 legte die Klägerin dem HABM folgende weitere Einschränkung des Warenverzeichnisses ihrer Anmeldung vor: „chirurgische, zahn- und tierärztliche Instrumente und Apparate, ärztliche Instrumente und Apparate (ausgenommen befüllte Nahrungsbehälter zur enteralen Verabreichung von medizinischer Nahrung sowie Behälter zur Verabreichung von Arzneimitteln); künstliche Gliedmaßen, Augen und Zähne, orthopädische Artikel; chirurgisches Nahtmaterial“ (im Folgenden: Antrag auf Einschränkung vom 14. September 2009).

 Anträge der Parteien

13      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

14      Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zum Gegenstand des Rechtsstreits

15      In Bezug auf den Antrag auf Einschränkung vom 14. September 2009 ist darauf hinzuweisen, dass sich eine Einschränkung des Verzeichnisses der von einer Gemeinschaftsmarkenanmeldung erfassten Waren im Sinne von Art. 43 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009, die nach dem Erlass der vor dem Gericht angefochtenen Entscheidung der Beschwerdekammer erfolgt, grundsätzlich nicht auf die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung auswirken kann; nur über diese Entscheidung wird vor dem Gericht gestritten (vgl. Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2008, Reber/HABM – Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli [Mozart], T‑304/06, Slg. 2008, II‑1927, Randnr. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

16      Wenn die Einschränkung des Verzeichnisses der von einer Gemeinschaftsmarkenanmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen die vollständige oder teilweise Änderung der Beschreibung dieser Waren oder Dienstleistungen zum Gegenstand hat, ist nicht auszuschließen, dass sich diese Änderung auf die Prüfung der fraglichen Marke auswirkt, die die Dienststellen des HABM im Lauf des Verwaltungsverfahrens durchführen. Die betreffende Änderung im Stadium der Klage vor dem Gericht zuzulassen, hieße unter diesen Umständen, den Streitgegenstand im laufenden Verfahren zu ändern, was nach Art. 135 § 4 der Verfahrensordnung des Gerichts unzulässig ist (vgl. Urteil Mozart, Randnr. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

17      In der mündlichen Verhandlung hat das HABM geltend gemacht, dass mit dem Antrag auf Einschränkung vom 14. September 2009 eine inhaltliche Änderung im Warenverzeichnis vorgenommen werde, da damit eine Ausnahme in dieses aufgenommen werde. Ein solcher Antrag sei nach Art. 135 § 4 der Verfahrensordnung nicht zulässig.

18      Es ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall der von der Klägerin gestellte Antrag auf Einschränkung vom 14. September 2009 tatsächlich nicht darauf abzielt, eine Kategorie der mit der angemeldeten Marke beanspruchten Waren aus dem Verzeichnis herauszunehmen, sondern darauf, die Beschreibung der Kategorie „ärztliche Instrumente und Apparate“ zu ändern, indem ergänzend präzisiert wird, dass Behälter zur Verabreichung von Arzneimitteln nicht zu den Waren in dieser Kategorie gehören. Wie oben dargelegt, liefe es aber auf eine unzulässige Änderung des Streitgegenstands hinaus, wenn man diesen Antrag vor dem Gericht zuließe. Demzufolge ist die vorliegende Klage zu prüfen, ohne dabei den von der Klägerin gestellten Antrag auf Einschränkung vom 14. September 2009 zu berücksichtigen.

 Zur Begründetheit

19      Die Klägerin macht als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 geltend.

20      Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, dass keine Verwechslungsgefahr zwischen den in Rede stehenden Marken bestehe. Die zwischen den Zeichen in bildlicher und klanglicher Hinsicht bestehenden Unterschiede entgingen dem Verbraucher nicht und hinterließen insbesondere deshalb, weil die einander gegenüberstehenden Marken kurze Zeichen seien, einen unterschiedlichen Gesamteindruck.

21      Das HABM tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

22      Nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 ist die angemeldete Marke auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke von der Eintragung ausgeschlossen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt. Dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird. Zu den älteren Marken gehören im Übrigen nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung Nr. 207/2009 die in einem Mitgliedstaat eingetragenen Marken mit einem früheren Anmeldetag als dem Tag der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke.

23      Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Verwechslungsgefahr dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren aus demselben Unternehmen oder aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Nach dieser Rechtsprechung ist das Vorliegen von Verwechslungsgefahr umfassend, gemäß der Wahrnehmung der in Rede stehenden Zeichen und Waren durch das maßgebliche Publikum und unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Wechselbeziehung zwischen der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren, zu beurteilen (vgl. Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Laboratorios RTB/HABM – Giorgio Beverly Hills [GIORGIO BEVERLY HILLS], T‑162/01, Slg. 2003, II‑2821, Randnrn. 30 bis 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24      Für die Anwendung von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 setzt eine Verwechslungsgefahr voraus, dass Identität oder Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Marken und zugleich Identität oder Ähnlichkeit zwischen den mit ihnen gekennzeichneten Waren besteht. Es handelt sich hierbei um kumulative Voraussetzungen (vgl. Urteil des Gerichts vom 22. Januar 2009, Commercy/HABM – easyGroup IP Licensing [easyHotel], T‑316/07, Slg. 2009, II‑43, Randnr. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25      Nach der Rechtsprechung ist bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr auf einen durchschnittlich informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der in Frage stehenden Art von Waren abzustellen. Es ist auch zu berücksichtigen, dass die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers je nach Art der fraglichen Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (vgl. Urteil des Gerichts vom 13. Februar 2007, Mundipharma/HABM – Altana Pharma [RESPICUR], T‑256/04, Slg. 2007, II‑449, Randnr. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Die vorliegende Klage ist im Licht dieser Grundsätze zu prüfen.

27      In Bezug auf das maßgebliche Publikum hat die Beschwerdekammer in Randnr. 20 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass sich die in Rede stehenden Waren sowohl an das allgemeine als auch an das medizinische Fachpublikum richteten. Sondennahrungsprodukte würden nicht nur von medizinisch ausgebildetem Krankenhauspersonal verabreicht, sondern auch – bei Patienten, die zu Hause gepflegt würden – von Angehörigen, die nach Anweisung des Pflegepersonals tätig würden. Wegen der Natur der Waren sei das maßgebliche Publikum überdurchschnittlich aufmerksam. Die Beschwerdekammer hat in Randnr. 21 der angefochtenen Entscheidung dargelegt, dass auf die Wahrnehmung durch das spanische Publikum abzustellen sei, da die ältere Marke in Spanien eingetragen sei.

28      Diese Feststellungen, die von der Klägerin im Übrigen nicht angegriffen werden, sind zu bestätigen.

 Zur Ähnlichkeit der Waren

29      Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betreffenden Waren alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen ihnen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie ihr Charakter als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren. Es können auch andere Faktoren wie beispielsweise die Vertriebswege der betreffenden Waren berücksichtigt werden (vgl. Urteil des Gerichts vom 11. Juli 2007, El Corte Inglés/HABM – Bolaños Sabri [PiraÑAM diseño original Juan Bolaños], T‑443/05, Slg. 2007, II‑2579, Randnr. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer in Randnr. 25 der angefochtenen Entscheidung den Standpunkt vertreten, dass die zu vergleichenden Waren, nämlich „befüllte Nahrungsbehälter zur enteralen Verabreichung von medizinischer Nahrung“ – für die die Benutzung der älteren Marke nachgewiesen sei – und „ärztliche Instrumente und Apparate“ – die mit der angemeldeten Marke beansprucht würden –, trotz der eingereichten Einschränkung ähnlich seien. Auch nachdem „befüllte Nahrungsbehälter zur enteralen Verabreichung von medizinischer Nahrung“ ausdrücklich von der Beschreibung der „ärztlichen Instrumente und Apparate“ ausgenommen wurden, umfassten diese, wie die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt hat, andere Waren, die den von der älteren Marke erfassten sehr ähnlich sind, insbesondere Behälter zur Verabreichung von Arzneimitteln.

31      Die Klägerin greift diese Schlussfolgerung der Beschwerdekammer nicht grundsätzlich an, meint aber, dass wegen ihres Antrags auf Einschränkung vom 14. September 2009 allenfalls eine geringe Warenähnlichkeit angenommen werden könne.

32      Dieses Argument der Klägerin geht ins Leere. Wie oben in Randnr. 18 festgestellt wurde, kann nämlich im vorliegenden Fall der Antrag auf Einschränkung vom 14. September 2009 nicht berücksichtigt werden. Folglich sind die von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren als hochgradig ähnlich anzusehen.

 Zur Ähnlichkeit der Zeichen

33      Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen in Bild, Klang oder Bedeutung ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den sie hervorrufen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke vom Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen wird. Dabei nimmt der Durchschnittsverbraucher eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juni 2007, HABM/Shaker, C‑334/05 P, Slg. 2007, I‑4529, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Was den bildlichen Vergleich betrifft, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass gegen eine Prüfung, ob zwischen einer Wortmarke und einer Bildmarke bildliche Ähnlichkeit besteht, nichts einzuwenden ist, da diese beiden Markenarten Gegenstand einer grafischen Gestaltung sind, die einen optischen Eindruck vermitteln kann (vgl. Urteil des Gerichts vom 4. Mai 2005, Chum/HABM – Star TV [STAR TV], T‑359/02, Slg. 2005, II‑1515, Randnr. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Bei dem bildlichen Vergleich der Zeichen ist die angemeldete Marke, die aus dem Wortbestandteil „RT“ und einer kreisförmigen Umrahmung zusammengesetzt ist, mit der älteren Marke, die aus dem Wortbestandteil „RTH“ besteht, zu vergleichen.

36      Die Klägerin meint, die Beschwerdekammer habe die Entscheidungspraxis des HABM zu Kurzzeichen nicht ausreichend berücksichtigt, wonach die Länge der jeweiligen Wörter einen wesentlichen Einfluss auf die Ähnlichkeit der entsprechenden Zeichen habe. Daraus folge, dass das Bestehen von Unterschieden, die nur einen Laut oder einen Buchstaben beträfen, jede Verwechslungsgefahr ausschließen könne. Die zwischen den Zeichen bestehenden Unterschiede könnten dem Verbraucher nicht entgehen.

37      Den beiden Zeichen sind die Buchstaben „R“ und „T“ gemeinsam, die in den fraglichen Marken in derselben Reihenfolge angeordnet sind, während die kreisförmige Einrahmung in dem angemeldeten Zeichen und der zusätzliche Buchstabe „H“ des älteren Zeichens den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck nicht wesentlich beeinflussen können. Wie das HABM zu Recht geltend macht, prägen nämlich die beiden identischen Buchstaben, der Umstand, dass sie aufeinander folgen, ihre Platzierung am Anfang des Zeichens und die Tatsache, dass sie den überwiegenden Teil jeder Marke darstellen, das unvollkommene Bild, das der Verbraucher im Gedächtnis behält, mehr als der am Ende des Zeichens ergänzte Buchstabe „H“ oder die kreisförmige Einrahmung, bei der es sich um ein banales Bildelement handelt. Daraus folgt, dass die Beschwerdekammer zu Recht angenommen hat, dass die Zeichen eine durchschnittliche Ähnlichkeit aufweisen.

38      Was den Vergleich der Zeichen in klanglicher Hinsicht betrifft, werden nur die Wortbestandteile, also die Buchstabenfolgen „R“ „T“ „H“ und „R“ „T“ ausgesprochen. Da das maßgebliche Publikum aus spanischen Verbrauchern besteht, ist auf die spanische Aussprache der Zeichen abzustellen. Das angemeldete Zeichen wird demnach „er re te“ ausgesprochen, das ältere Zeichen dagegen „er re te a tsche“.

39      Die Klägerin weist darauf hin, dass die ältere Marke, weil der darin enthaltene Buchstabe „H“ ausgesprochen werde, länger sei als das angemeldete Zeichen und dass deshalb zwischen beiden keine Ähnlichkeit bestehe.

40      Es ist indessen festzustellen, dass die Zeichen hinsichtlich der drei ersten der fünf Silben übereinstimmen. Folglich besteht, wie die Beschwerdekammer in Randnr. 23 der angefochtenen Entscheidung dargelegt hat, zwischen den Zeichen auch in klanglicher Hinsicht eine durchschnittliche Ähnlichkeit.

41      Was schließlich die begriffliche Ähnlichkeit der Zeichen betrifft, ist festzustellen, dass das maßgebliche Publikum keinem der beiden Zeichen eine besondere Bedeutung zuschreiben wird. Daher ist – wie die Beschwerdekammer ferner festgestellt hat, im Übrigen ohne dass die Klägerin dies gerügt hätte – im vorliegenden Fall ein Vergleich in begrifflicher Hinsicht nicht möglich.

 Zur Verwechslungsgefahr

42      Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (Urteil des Gerichtshofs vom 29. September 1998, Canon, C‑39/97, Slg. 1998, I‑5507, Randnr. 17, und Urteil des Gerichts vom 14. Dezember 2006, Mast-Jägermeister/HABM – Licorera Zacapaneca [VENADO mit Rahmen], T‑81/03, T‑82/03 und T‑103/03, Slg. 2006, II‑5409, Randnr. 74).

43      Im vorliegenden Fall sind die mit den einander gegenüberstehenden Marken beanspruchten Waren, wie oben in Randnr. 32 festgestellt, sehr ähnlich. Zwischen den Zeichen besteht eine Ähnlichkeit sowohl in bildlicher als auch in klanglicher Hinsicht, und ein Vergleich in begrifflicher Hinsicht ist nicht möglich. Daher ist festzustellen, dass das Bestehen einer Verwechslungsgefahr zwischen den in Rede stehenden Marken auch unter Berücksichtigung der überdurchschnittlichen Aufmerksamkeit des maßgeblichen Publikums nicht ausgeschlossen werden kann.

44      Schließlich ist zu den von der Klägerin angeführten früheren Entscheidungen des HABM darauf hinzuweisen, dass die von den Beschwerdekammern des HABM gemäß der Verordnung Nr. 207/2009 zu treffenden Entscheidungen über die Eintragung eines Zeichens als Gemeinschaftsmarke nach ständiger Rechtsprechung gebundene Entscheidungen und keine Ermessensentscheidungen sind. Die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen ist daher allein auf der Grundlage dieser Verordnung und nicht auf der Grundlage einer früheren Entscheidungspraxis zu beurteilen (Urteil des Gerichtshofs vom 26. April 2007, Alcon/HABM, C‑412/05 P, Slg. 2007, I‑3569, Randnr. 65, und Urteil des Gerichts vom 24. November 2005, Sadas/HABM – LTJ Diffusion [ARTHUR ET FELICIE], T‑346/04, Slg. 2005, II‑4891, Randnr. 71).

45      Nach alledem ist der einzige Klagegrund der Klägerin zurückzuweisen und damit die vorliegende Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

46      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

47      Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des HABM die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Retractable Technologies, Inc., trägt die Kosten.

Czúcz

Labucka

Gratsias

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 22. Mai 2012.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.