Language of document : ECLI:EU:T:2020:624

URTEIL DES GERICHTS (Achte erweiterte Kammer)

16. Dezember 2020(*)

„Außervertragliche Haftung – Umwelt – Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen – Einstufung von Pech, Kohlenteer, Hochtemperatur als Aquatisch Akut 1 (H400) und Aquatisch Chronisch 1 (H410) – Hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift, die dem Einzelnen Rechte verleiht“

In der Rechtssache T‑635/18,

Industrial Química del Nalón SA mit Sitz in Oviedo (Spanien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte K. Van Maldegem, M. Grunchard, S. Saez Moreno und P. Sellar,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch M. Wilderspin, R. Lindenthal und K. Talabér-Ritz als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Königreich Spanien, vertreten durch  L. Aguilera Ruiz als Bevollmächtigten,

und durch

Europäische Chemikalienagentur (ECHA), vertreten durch M. Heikkilä und W. Broere als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

betreffend eine Klage nach Art. 268 AEUV auf Ersatz des Schadens, der der Klägerin aufgrund des Erlasses der Verordnung (EU) Nr. 944/2013 der Kommission vom 2. Oktober 2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen zwecks Anpassung an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt (ABl. 2013, L 261, S. 5), mit der Pech, Kohlenteer, Hochtemperatur als Aquatisch Akut 1 (H400) und Aquatisch Chronisch 1 (H410) eingestuft wurde, entstanden sein soll,

erlässt

DAS GERICHT (Achte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Svenningsen, der Richter R. Barents und C. Mac Eochaidh, der Richterin T. Pynnä sowie des Richters J. Laitenberger (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

folgendes

Urteil

 Rechtlicher Rahmen

1        Die Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. 2008, L 353, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 286/2011 der Kommission vom 10. März 2011 (ABl. 2011, L 83, S. 1) geänderten Fassung hat nach ihrem Art. 1 „[zum] Zweck …, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sowie den freien Verkehr von … Stoffen [und] Gemischen … durch folgende Maßnahmen zu gewährleisten: a) Harmonisierung der Kriterien für die Einstufung von Stoffen und Gemischen sowie der Vorschriften für die Kennzeichnung und Verpackung gefährlicher Stoffe und Gemische“.

2        Die Erwägungsgründe 5 bis 8 der Verordnung Nr. 1272/2008 lauten wie folgt:

„(5)      Zur Vereinfachung des Welthandels und gleichzeitig zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt wurden über einen Zeitraum von 12 Jahren im Rahmen der Vereinten Nationen (VN) mit großer Sorgfalt harmonisierte Kriterien für Einstufung und Kennzeichnung entwickelt, die zum Global Harmonisierten System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien (Globally Harmonised System of Classification and Labelling of Chemicals) (nachstehend als ‚GHS‘ bezeichnet) geführt haben.

(6)      Diese Verordnung geht auf verschiedene Erklärungen zurück, in denen die Gemeinschaft ihre Absicht bekräftigt hat, zur weltweiten Harmonisierung der Kriterien für die Einstufung und Kennzeichnung beitragen zu wollen, und zwar nicht nur auf Ebene der VN, sondern auch durch die Aufnahme der international vereinbarten GHS-Kriterien in das Gemeinschaftsrecht.

(7)      Je mehr Länder in der ganzen Welt die GHS-Kriterien in ihr Rechtssystem übernehmen, desto größer ist der Nutzen für die Unternehmen. Die Gemeinschaft sollte in diesem Prozess eine Vorreiterrolle spielen, um andere Länder zu ermutigen, sich ihr anzuschließen, und so für die Industrie in der Gemeinschaft einen Wettbewerbsvorteil zu schaffen.

(8)      Daher ist es von wesentlicher Bedeutung, die Bestimmungen und die Kriterien für die Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen, Gemischen und bestimmten spezifischen Erzeugnissen innerhalb der Gemeinschaft zu harmonisieren und dabei die Einstufungskriterien und Kennzeichnungsvorschriften des GHS zu berücksichtigen, jedoch auch auf der 40-jährigen Erfahrung aufzubauen, die mit der Durchführung des bestehenden Chemikalienrechts der Gemeinschaft erworben wurde, sowie das Schutzniveau aufrechtzuerhalten, das durch das System zur Harmonisierung von Einstufung und Kennzeichnung, durch die gemeinschaftlichen Gefahrenklassen, die noch nicht Bestandteil des GHS sind, sowie durch die derzeitigen Kennzeichnungs- und Verpackungsvorschriften erreicht wurde.“

3        Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1272/2008 bestimmt:

„Ein Stoff oder ein Gemisch, der bzw. das den in Anhang I Teile 2 bis 5 dargelegten Kriterien für physikalische Gefahren, Gesundheitsgefahren oder Umweltgefahren entspricht, ist gefährlich und wird entsprechend den Gefahrenklassen jenes Anhangs eingestuft.“

4        Anhang I der Verordnung Nr. 1272/2008 beschreibt die Kriterien für die Einstufung von Stoffen und Gemischen in Gefahrenklassen.

5        Abschnitt 4.1.1.1 definiert den Begriff „aquatische Toxizität“:

„a)      Akute aquatische Toxizität: die intrinsische Eigenschaft eines Stoffes, einen Wasserorganismus bei kurzfristiger aquatischer Exposition zu schädigen.

g)      Chronische aquatische Toxizität: die intrinsische Eigenschaft eines Stoffes, im Verlauf von aquatischen Expositionen, die im Verhältnis zum Lebenszyklus des Organismus bestimmt werden, schädliche Wirkungen bei Wasserorganismen hervorzurufen.

…“

6        Was insbesondere die Einstufungskriterien für Gemische angeht, sieht Abschnitt 4.1.3 vor:

„4.1.3.1. Das System für die Einstufung von Gemischen umfasst sämtliche Einstufungskategorien, die für Stoffe verwendet werden, also die Kategorien Akut 1 und Chronisch 1 bis 4. Um alle verfügbaren Daten zur Einstufung eines Gemisches aufgrund seiner Gewässergefährdung zu nutzen, gilt gegebenenfalls Folgendes:

Als ‚relevante Bestandteile‘ eines Gemisches gelten jene, die als ‚Akut 1‘ oder ‚Chronisch 1‘ eingestuft sind und in Konzentrationen von mindestens 0,1 % (w/w) vorliegen, und solche, die als ‚Chronisch 2‘, ‚Chronisch 3‘ oder ‚Chronisch 4‘ eingestuft sind und in Konzentrationen von mindestens 1 % (w/w) vorliegen, sofern (wie bei hochtoxischen Bestandteilen der Fall, siehe Abschnitt 4.1.3.5.5.5) kein Anlass zu der Annahme besteht, dass ein in einer niedrigeren Konzentration enthaltener Bestandteil dennoch für die Einstufung des Gemisches aufgrund seiner Gefahren für die aquatische Umwelt relevant ist. Die Konzentration, die normalerweise für als ‚Akut 1‘ oder als ‚Chronisch 1‘ eingestufte Stoffe berücksichtigt wird, ist (0,1/M) %. (Siehe Abschnitt 4.1.3.5.5.5 zur Erläuterung des M-Faktors.)

4.1.3.2. Die Einstufung von Gefahren für die aquatische Umwelt ist ein mehrstufiger Prozess und von der Art der Information abhängig, die zu dem Gemisch selbst und seinen Bestandteilen verfügbar ist. Abbildung 4.1.2 zeigt die Schritte des Verfahrens.

Das Stufenkonzept beinhaltet folgende Elemente:

–        die Einstufung auf der Grundlage von Prüfergebnissen des Gemisches,

–        die Einstufung auf der Grundlage von Übertragungsgrundsätzen,

–        die ‚Summierung eingestufter Bestandteile‘ und/oder die Verwendung einer ‚Additivitätsformel‘.“

7        Anhang I Abschnitt 4.1.3.5.5 („Summierungsmethode“) der Verordnung Nr. 1272/2008 bestimmt:

„4.1.3.5.5.1.1. Im Falle der Einstufungskategorien Chronisch 1 bis Chronisch 3 unterscheiden sich die zugrunde liegenden Toxizitätskriterien von einer Kategorie zur nächsten um den Faktor 10. Stoffe mit einer Einstufung in einen hochtoxischen Bereich tragen somit zur Einstufung eines Gemisches in einen niedrigeren Bereich bei. Bei der Berechnung dieser Einstufungskategorien muss daher der Beitrag aller als Chronisch 1, 2 oder 3 eingestuften Stoffe betrachtet werden.

4.1.3.5.5.1.2. Enthält ein Gemisch Bestandteile, die als Akut 1 oder Chronisch 1 eingestuft wurden, muss die Tatsache berücksichtigt werden, dass derartige Bestandteile mit einer akuten Toxizität bei unter 1 mg/l und/oder einer chronischen Toxizität bei unter 0,1 mg/l (falls nicht schnell abbaubar) bzw. bei 0,01 mg/l (falls schnell abbaubar) auch in niedriger Konzentration zur Toxizität des Gemisches beitragen. Aktive Bestandteile in Pestiziden weisen häufig solch eine hohe aquatische Toxizität auf, dies gilt jedoch auch für andere Stoffe wie metallorganische Verbindungen. Unter diesen Umständen führt die Anwendung der normalen allgemeinen Konzentrationsgrenzwerte zu einer zu niedrigen Einstufung des Gemisches. Daher sind, wie in Abschnitt 4.1.3.5.5.5 beschrieben, Multiplikationsfaktoren anzuwenden, um hochtoxische Bestandteile entsprechend zu berücksichtigen.“

8        Was die Einstufung als Akut 1 betrifft, sieht Anhang I Abschnitt 4.1.3.5.5.3.1 der Verordnung Nr. 1272/2008 vor:

„Zunächst werden sämtliche als Akut 1 eingestuften Bestandteile betrachtet. Falls die Summe der Konzentrationen (in %) dieser Bestandteile, multipliziert mit ihrem jeweiligen M-Faktor, 25 % übersteigt, wird das gesamte Gemisch als Akut 1 eingestuft.“

9        In Bezug auf die Einstufung als Chronisch 1, 2, 3 und 4 bestimmt Anhang I Abschnitt 4.1.3.5.5.4.1 der Verordnung Nr. 1272/2008:

„Zunächst werden sämtliche als Chronisch 1 eingestuften Bestandteile betrachtet. Ist die Summe der Konzentrationen (in %) dieser Bestandteile, multipliziert mit ihrem jeweiligen M-Faktor[,] größer oder gleich 25 %, wird das gesamte Gemisch als Chronisch 1 eingestuft. Ergibt die Berechnung eine Einstufung des Gemisches als Chronisch 1, ist das Einstufungsverfahren abgeschlossen.“

10      Was Gemische mit hochtoxischen Bestandteilen angeht, sieht Abschnitt 4.1.3.5.5.5 dieses Anhangs vor:

„4.1.3.5.5.5.1. Als Akut 1 und Chronisch 1 eingestufte Bestandteile mit einer Toxizität bei unter 1 mg/l und/oder einer chronischen Toxizität bei unter 0,1 mg/l (falls nicht schnell abbaubar) bzw. bei unter 0,01 mg/l (falls schnell abbaubar) tragen selbst in geringer Konzentration zur Toxizität des Gemisches bei und erhalten in der Regel bei der Einstufung mit Hilfe der Summierungsmethode ein größeres Gewicht. Enthält ein Gemisch Bestandteile, die als Akut [1] oder Chronisch 1 eingestuft sind, gilt eines der nachstehenden Verfahren:

–        Das in den Abschnitten 4.1.3.5.5.3 und 4.1.3.5.5.4 beschriebene Stufenkonzept, das eine gewichtete Summe verwendet, die aus der Multiplikation der Konzentrationen der als Akut 1 und Chronisch 1 eingestuften Bestandteile mit einem Faktor resultiert, anstatt lediglich Prozentanteile zu addieren. Dies bedeutet, dass die Konzentration von ‚Akut 1‘ in der linken Spalte von Tabelle 4.1.1 und die Konzentration von ‚Chronisch 1‘ in der linken Spalte der Tabelle 4.1.2 mit dem entsprechenden Multiplikationsfaktor multipliziert werden. Die auf diese Bestandteile anzuwendenden Multiplikationsfaktoren werden anhand des Toxizitätswertes bestimmt, wie in nachstehender Tabelle 4.1.3 zusammenfassend dargestellt. Zur Einstufung eines Gemisches mit als Akut 1/Chronisch 1 eingestuften Bestandteilen muss daher die für die Einstufung zuständige Person den Wert des M-Faktors kennen, um die Summierungsmethode anwenden zu können.

…“

11      Tabelle 4.1.3 desselben Anhangs definiert die Multiplikationsfaktoren für hochtoxische Bestandteile von Gemischen anhand des Toxizitätswerts.

12      Was das Verwaltungsverfahren betrifft, bestimmt Art. 37 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1272/2008, der die Mitgliedstaaten dazu ermächtigt, eine harmonisierte Einstufung für einen Stoff vorzuschlagen:

„Eine zuständige Behörde kann der Agentur einen Vorschlag für eine harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen und gegebenenfalls für spezifische Konzentrationsgrenzwerte oder M‑Faktoren oder einen Vorschlag zu ihrer Überprüfung vorlegen.“

13      Nach Art. 37 Abs. 4 dieser Verordnung gibt der gemäß Art. 76 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. 2006, L 396, S. 1, Berichtigung ABl. 2007, L 136, S. 3) eingesetzte Ausschuss für Risikobeurteilung (Risk Assessment Committee, im Folgenden: RAC) der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) zu Vorschlägen „gemäß den Absätzen 1 oder 2 innerhalb von 18 Monaten nach Eingang des Vorschlags eine Stellungnahme ab und gibt den Beteiligten Gelegenheit, sich dazu zu äußern“, wobei die ECHA „diese Stellungnahme sowie etwaige Bemerkungen an die Kommission weiter[leitet]“.

14      Das Verfahren zur Annahme der vorgeschlagenen Einstufungen ist schließlich in Art. 37 Abs. 5 der genannten Verordnung in folgendem Wortlaut vorgesehen:

„Gelangt die Kommission zu der Auffassung, dass eine Harmonisierung der Einstufung und Kennzeichnung des betreffenden Stoffes angezeigt ist, unterbreitet sie unverzüglich einen Entwurf für eine Entscheidung über die Aufnahme dieses Stoffes zusammen mit den relevanten Einstufungs- und Kennzeichnungselementen in Anhang VI Teil 3 Tabelle 3.1 und gegebenenfalls den spezifischen Konzentrationsgrenzwerten oder M-Faktoren.

…“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

15      Die Klägerin, die Industrial Química del Nalón SA, stellt Pech, Kohlenteer, Hochtemperatur (im Folgenden: CTPHT) her. Ihre Tätigkeit konzentriert sich auf den Sektor der Kohlenstoffchemie und beruht auf der Destillation von Hochtemperaturkohlenteer, der als Nebenprodukt bei der Herstellung von Koks in Hochöfen verwendet wird, um Roheisen zu erzeugen. Die Klägerin übt ihre Tätigkeit im Bereich der Kohlenstoffchemie an ihrem Standort in Trubia (Spanien) innerhalb eines Komplexes autonomer Fabriken aus, die wie eine vollständig zusammenhängende Einheit arbeiten.

16      CTPHT ist nach seiner Beschreibung in den Tabellen 3.1 und 3.2 in Anhang VI der Verordnung Nr. 1272/2008 der Rückstand aus der Destillation von Hochtemperaturkohlenteer, ein schwarzer Feststoff mit einem ungefähren Erweichungspunkt von 30 bis 180 °C, der vorherrschend aus einem komplexen Gemisch von drei- oder mehrgliedrigen kondensierten ringaromatischen Kohlenwasserstoffen besteht. Dieser Stoff gehört zu den Stoffen mit unbekannter oder variabler Zusammensetzung, komplexen Reaktionsprodukten oder biologischen Materialien, da er nicht vollständig durch seine chemische Zusammensetzung identifiziert werden kann. CTPHT wird hauptsächlich für die Herstellung von Bindern für Elektroden für die Aluminium- sowie die Eisen- und Stahlindustrie verwendet.

17      Im September 2010 reichte das Königreich der Niederlande bei der ECHA gemäß Art. 37 der Verordnung Nr. 1272/2008 ein Dossier ein, in dem es vorschlug, CTPHT als Karzinogen 1A (H350), Erbgutverändernd 1B (H340), Fortpflanzungsgefährdend 1B (H360FD), Aquatisch Akut 1 (H400) und Aquatisch Chronisch 1 (H410) einzustufen.

18      Nach Eingang der Bemerkungen zu dem betroffenen Dossier bei einer öffentlichen Konsultation überwies die ECHA dieses Dossier an den RAC.

19      Am 21. November 2011 veröffentlichte der RAC eine Stellungnahme zu CTPHT, in der er den Vorschlag des Königreichs der Niederlande im Konsensverfahren bestätigte. Dieser Stellungnahme war ein Hintergrundpapier zur detaillierten Analyse des RAC (im Folgenden: Hintergrundpapier) und ein Dokument mit den Antworten des Königreichs der Niederlande auf die Bemerkungen beigefügt, die zu dem von diesem Mitgliedstaat erstellten Dossier vorgelegt worden waren.

20      In Bezug auf die Einstufung von CTPHT als gewässergefährdenden Stoff stellte der RAC in seiner Stellungnahme fest, dass diese Einstufung, wie vom Königreich der Niederlande in seinem der ECHA vorgelegten Dossier vorgeschlagen worden war, nicht auf Daten aus Studien gestützt werden könne, die dem WAF(„Water-Accomodated Fraction“)-Ansatz folgten. Zur Begründung wies der RAC zum einen darauf hin, dass diese Daten ohne Bestrahlung mit Ultraviolett(UV)- Licht erlangt worden seien, obwohl bestimmte Bestandteile von CTPHT – polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (im Folgenden: PAK) – phototoxisch seien, und zum anderen, dass die betreffenden Studien mit nur einer Charge durchgeführt worden seien. Wie vom Königreich der Niederlande in seinem der ECHA vorgelegten Dossier vorgeschlagen worden war, vertrat er daher die Ansicht, dass die Einstufung dieses Stoffes anhand eines anderen Einstufungsprinzips, das darin bestehe, CTPHT als Gemisch zu betrachten, vorzunehmen sei. Nach dieser Methode wurden die 16 PAK-Bestandteile, die von der Environmental Protection Agency (EPA, Umweltschutzagentur der Vereinigten Staaten) als prioritäre Stoffe definiert wurden und für die ausreichende Wirkungs- und Expositionsdaten zur Verfügung standen, getrennt nach ihren aquatischen Toxizitätseffekten analysiert. Durch die Anwendung der in Anhang I Abschnitt 4.1.3.5.5 der Verordnung Nr. 1272/2008 genannten Methode, bei der die Summe der Ergebnisse ermittelt werde, die durch die Zuordnung von Multiplikationsfaktoren (im Folgenden: M-Faktoren) zu den verschiedenen PAK entstünden, um die hochtoxischen Bestandteile von CTPHT stärker zu gewichten (im Folgenden: Summierungsmethode), zeige sich, so der RAC, dass CTPHT als „Aquatisch Akut 1 (H400)“ und „Aquatisch Chronisch 1 (H410)“ einzustufen sei.

21      Am 2. Oktober 2013 erließ die Europäische Kommission auf der Grundlage der Stellungnahme des RAC die Verordnung (EU) Nr. 944/2013 zur Änderung der Verordnung Nr. 1272/2008 zwecks Anpassung an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt (ABl. 2013, L 261, S. 5). Gemäß Art. 1 Abs. 2 Buchst. a Ziff. i und Buchst. b Ziff. i der Verordnung Nr. 944/2013 in Verbindung mit den Anhängen II und IV dieser Verordnung wurde CTPHT als Karzinogen 1A (H350), Erbgutverändernd 1B (H340), Fortpflanzungsgefährdend 1B (H360FD), Aquatisch Akut 1 (H400) und Aquatisch Chronisch 1 (H410) eingestuft. Gemäß Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 944/2013 galt diese Einstufung ab dem 1. April 2016. Nach dem fünften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 944/2013 wurde für CTPHT ein längerer Übergangszeitraum vorgesehen, bevor die harmonisierte Einstufung angewandt werden musste, damit die Unternehmen die Verpflichtungen erfüllen konnten, die sich aus der neuen harmonisierten Einstufung für Stoffe ergeben, die eingestuft sind als sehr giftig für Wasserorganismen, wodurch längerfristige Auswirkungen in Gewässern entstehen können, insbesondere diejenigen Verpflichtungen, die in Art. 3 und Anhang III der Richtlinie 2008/68/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über die Beförderung gefährlicher Güter im Binnenland (ABl. 2008, L 260, S. 13) genannt sind.

22      Mit Klageschrift, die am 20. Dezember 2013 bei der Kanzlei des Gerichts einging und unter dem Aktenzeichen T‑689/13 in das Register eingetragen wurde, erhob die Klägerin Klage auf teilweise Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 944/2013, soweit CTPHT darin als Aquatisch Akut 1 (H400) und Aquatisch Chronisch 1 (H410) eingestuft worden war.

23      Mit Urteil vom 7. Oktober 2015, Bilbaína de Alquitranes u. a./Kommission (T‑689/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:767), erklärte das Gericht die Verordnung Nr. 944/2013, soweit CTPHT darin als Aquatisch Akut 1 (H400) und Aquatisch Chronisch 1 (H410) eingestuft worden war, für nichtig.

24      Genauer gesagt entschied das Gericht in den Rn. 30 bis 34 des Urteils vom 7. Oktober 2015, Bilbaína de Alquitranes u. a./Kommission (T‑689/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:767), u. a. Folgendes:

„30      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, da sie, indem sie CTPHT auf der Grundlage seiner Bestandteile als Aquatisch Akut 1 (H400) und Aquatisch Chronisch 1 (H410) eingestuft hat, ihre Verpflichtung, alle relevanten Faktoren und Umstände einzubeziehen, um das Verhältnis, in dem die 16 PAK-Bestandteile in CTPHT vorhanden sind, und deren chemische Wirkungen angemessen zu berücksichtigen, nicht erfüllt hat.

31      Nach Punkt 7.6 des Hintergrundpapiers ist nämlich bei der Einstufung von CTPHT auf der Grundlage seiner Bestandteile angenommen worden, dass alle in CTPHT vorhandenen PAK in der Wasserphase löslich und somit für aquatische Organismen verfügbar seien. Es wird auch erwähnt, dass dies wahrscheinlich zu einer Überschätzung der Toxizität von CTPHT führe und dass, da die Zusammensetzung von WAF ungewiss sei, die sich daraus ergebende Toxizitätsschätzung als Worst-Case-Szenario betrachtet werden könne.

32      Weder die Kommission noch die ECHA konnten jedoch vor dem Gericht nachweisen, dass die Kommission mit der stofflichen Einstufung von CTPHT als ‚Aquatisch Akut 1 (H400)‘ und ‚Aquatisch Chronisch 1 (H410)‘ aufgrund der Annahme, dass alle in diesem Stoff vorhandenen PAK in der Wasserphase löslich und somit für aquatische Organismen verfügbar seien, die Tatsache berücksichtigt hat, dass nach Punkt 1.3 des Hintergrundpapiers mit der Bezeichnung ‚Physikalisch-chemische Eigenschaften‘ die Bestandteile von CTPHT nur beschränkt freigesetzt werden und dass dieser Stoff sehr stabil ist.

33      Erstens enthalten weder die Stellungnahme des RAC zu CTPHT noch das Hintergrundpapier irgendwelche Ausführungen, mit denen dargetan wird, dass im Rahmen der Annahme, dass alle in diesem Stoff enthaltenen PAK in der Wasserphase löslich und für aquatische Organismen verfügbar sind, die schwere Wasserlöslichkeit von CTPHT berücksichtigt worden ist …

34      Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass nach Punkt 1.3 des Hintergrundpapiers die Wasserlöslichkeit von CTPHT in Bezug auf eine Charge höchstens 0,0014 % betrug. Angesichts der schweren Wasserlöslichkeit von CTPHT hat die Kommission in keiner Weise dargetan, dass sie die fragliche Einstufung dieses Stoffes auf die Annahme stützen konnte, dass alle in CTPHT vorhandenen PAK in der Wasserphase löslich und für aquatische Organismen verfügbar seien. Tabelle 7.6.2 des Hintergrundpapiers ist zu entnehmen, dass die 16 PAK-Bestandteile von CTPHT 9,2 % dieses Stoffes ausmachen. Indem die Kommission davon ausging, dass alle diese PAK wasserlöslich seien, stützte sie somit die in Rede stehende Einstufung im Wesentlichen auf die Annahme, dass 9,2 % des CTPHT wasserlöslich sind. Wie sich jedoch aus Punkt 1.3 des Hintergrundpapiers ergibt, ist dieser Wert nicht realistisch, da die Höchstrate 0,0014 % beträgt.“

25      Mit Schriftsatz, der am 17. Dezember 2015 bei der Kanzlei des Gerichtshofs einging, legte die Kommission ein Rechtsmittel gegen das Urteil vom 7. Oktober 2015, Bilbaína de Alquitranes u. a./Kommission (T‑689/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:767), ein. Das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland und das Königreich der Niederlande wurden vom Präsidenten des Gerichtshofs als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen.

26      Am 24. März 2016 beantragte die Klägerin gemäß den Art. 278 und 279 AEUV, die Aussetzung des Vollzugs und der Wirkungen der Verordnung Nr. 944/2013 bis zur Entscheidung des Gerichtshofs über das Rechtsmittel der Kommission anzuordnen.

27      Mit Beschluss vom 7. Juli 2016, Kommission/Bilbaína de Alquitranes u. a. (C‑691/15 P-R, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:597), wurde der Antrag auf Aussetzung des Vollzugs und auf einstweilige Anordnungen aufgrund fehlender Dringlichkeit der beantragten Maßnahmen zurückgewiesen.

28      Mit Urteil vom 22. November 2017, Kommission/Bilbaína de Alquitranes u. a. (C‑691/15 P, EU:C:2017:882), wies der Gerichtshof das Rechtsmittel der Kommission zurück und folgte dabei den Schlussanträgen des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache Kommission/Bilbaína de Alquitranes u. a. (C‑691/15 P, EU:C:2017:646).

29      Genauer gesagt entschied der Gerichtshof in den Rn. 39, 41 bis 47 und 51 bis 55 u. a. Folgendes:

„39      Zwar sieht Anhang I Abschnitt 4.1.3.5.5 der Verordnung Nr. 1272/2008 keinen Rückgriff auf andere Kriterien als die in dieser Bestimmung ausdrücklich genannten vor. Es gibt aber auch keine Bestimmung, die es ausdrücklich verböte, andere Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die für die Einstufung eines [zu den Stoffen mit unbekannter oder variabler Zusammensetzung, komplexen Reaktionsprodukten oder biologischen Materialien gehörenden] Stoffes relevant sein können.

41      … die Verwendung der Wörter ‚gegebenenfalls‘ (‚where appropriate‘ in der englischen Sprachfassung dieses Abschnitts) und ‚alle verfügbaren Daten‘ [spricht] gegen eine Auslegung, nach der die Berücksichtigung anderer Informationen als der im Rahmen der Summierungsmethode ausdrücklich herangezogenen unter allen Umständen ausgeschlossen sein müsse.

42      Zudem geht aus den Erwägungsgründen 4 bis 8 der Verordnung Nr. 1272/2008 hervor, dass der Unionsgesetzgeber die Absicht hatte, ‚zur weltweiten Harmonisierung der Kriterien für die Einstufung und Kennzeichnung beitragen zu wollen, und zwar nicht nur auf Ebene der VN, sondern auch durch die Aufnahme der international vereinbarten GHS-Kriterien in das Gemeinschaftsrecht‘. Hierzu sind fast alle Bestimmungen des GHS in Anhang I der Verordnung exakt wiedergegeben worden.

43      … aus dem GHS, insbesondere aus Anhang 9 (‚Leitlinien über Gefahren für die aquatische Umwelt‘), [ergibt sich] schon dem Wortlaut nach, dass der für die Ermittlung der Einstufung der Gewässergefährdung von Stoffen angegebene methodische Ansatz insbesondere deswegen schwierig ist, weil ‚der Begriff des Stoffes ein breites Spektrum von Chemikalien umfasst, von denen viele nur mit großen Schwierigkeiten anhand eines auf starren Kriterien beruhenden Systems eingestuft werden können‘. So wird in diesem Dokument auf die ‚sogar für Experten komplexen Auslegungsprobleme‘ hingewiesen, die die Einstufung insbesondere ‚komplexer oder Mehr-Komponenten-Stoffe‘ aufwirft, deren ‚Bioabbaubarkeit, Bioakkumulation, Verteilungskoeffizient und Wasserlöslichkeit jeweils Auslegungsprobleme darstellen, da sich jeder Bestandteil des Gemischs möglicherweise anders verhält‘.

44      Die Verfasser dieses Dokuments wollten somit die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass die methodischen Kriterien des GHS für die Einstufung der Gewässergefährdung bei bestimmten Stoffen, die sich u. a. durch ihre Komplexität, Stabilität oder schwere Wasserlöslichkeit auszeichnen, an Grenzen stoßen.

45      Der Unionsgesetzgeber hat die Bestimmungen des GHS in Anhang I der Verordnung Nr. 1272/2008 übernommen, ohne die Absicht erkennen zu lassen, von diesem Ansatz abzuweichen. Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Unionsgesetzgeber mit der Übernahme des GHS in die Verordnung Nr. 1272/2008 diese methodischen Grenzen ignoriert hat.

46      Die strenge und automatische Anwendung der Summierungsmethode unter allen Umständen kann dazu führen, die Toxizität eines [zu den Stoffen mit unbekannter oder variabler Zusammensetzung, komplexen Reaktionsprodukten oder biologischen Materialien gehörenden] Stoffes mit wenigen bekannten Bestandteilen für die aquatische Umwelt unterzubewerten. Ein solches Ergebnis kann nicht als mit dem Zweck der Verordnung Nr. 1272/2008, nämlich dem Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit, vereinbar angesehen werden.

47      Daher ist die Kommission, wenn sie zur Ermittlung, ob ein [zu den Stoffen mit unbekannter oder variabler Zusammensetzung, komplexen Reaktionsprodukten oder biologischen Materialien gehörender] Stoff unter die Kategorien Aquatisch Akut 1 und Aquatisch Chronisch 1 fällt, die Summierungsmethode anwendet, nicht verpflichtet, ihre Beurteilung unter Ausschluss aller anderen Faktoren allein auf die in Anhang I Abschnitt 4.1.3.5.5 der Verordnung Nr. 1272/2008 ausdrücklich genannten Faktoren zu beschränken. Aufgrund ihrer Sorgfaltspflicht hat die Kommission sorgfältig und unparteiisch andere Faktoren zu prüfen, die zwar in den betreffenden Bestimmungen nicht ausdrücklich genannt, aber dennoch relevant sind.

51      Die Einstufungsmethode in Anhang I Abschnitt 4.1.3.5.5 der Verordnung Nr. 1272/2008 beruht auf der Annahme, dass die berücksichtigten Bestandteile zu 100 % löslich sind. Auf der Grundlage dieser Annahme impliziert die Summierungsmethode, dass es ein Konzentrationsniveau der Bestandteile gibt, unter dem die Schwelle von 25 % nicht erreicht werden kann, und besteht daher darin, die Konzentrationen der Bestandteile der Toxizitätskategorien Akut oder Chronisch zu summieren, wobei jede entsprechend ihres Toxizitätsprofils um den Faktor M gewichtet wird.

52      Dieser Methode ist jedoch immanent, dass sie in Konstellationen an Zuverlässigkeit verliert, in denen die gewichtete Summe der Bestandteile das den Schwellenwert von 25 % entsprechende Konzentrationsniveau in einem Verhältnis übersteigt, das niedriger ist als das Verhältnis zwischen dem festgestellten Löslichkeitsgrad des betreffenden Stoffes als Ganzem und dem hypothetischen Löslichkeitsgrad von 100 %. In solchen Konstellationen kann die Summierungsmethode nämlich in bestimmten Fällen zu einem Ergebnis führen, das, je nachdem, ob der hypothetische Löslichkeitsgrad der Bestandteile oder der Löslichkeitsgrad des Stoffes als Ganzem berücksichtigt wird, über oder unter dem regulatorischen Schwellenwert von 25 % liegt.

53      Aus Tabelle 7.6.2 in Anhang I des der Stellungnahme des RAC beigefügten Berichts geht unstreitig hervor, dass die Summierungsmethode zu einem Ergebnis von 14 521 % führt und dass dieses Ergebnis 581‑mal höher ist als das Minimalniveau, das für die Erreichung des Schwellenwerts von 25 % nach Gewichtung mit den M‑Faktoren erforderlich ist. Ebenfalls unbestritten ist, dass zudem nach Punkt 1.3 (‚Physikalisch-chemische Eigenschaften‘) dieses Dokuments die Höchstrate der Wasserlöslichkeit von CTPHT 0,0014 % beträgt, also eine rund 71 000‑mal niedrigere Rate als die hypothetische Löslichkeitsrate von 100 %, die für die berücksichtigten Bestandteile verwendet wird.

54      Daher hat das Gericht in Rn. 34 des [Urteils vom 7. Oktober 2015, Bilbaína de Alquitranes u. a./Kommission (T‑689/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:767)], ohne den Sachverhalt zu verfälschen oder rechtlich falsch einzuordnen, entschieden, dass die Kommission, indem sie ‚davon ausging, dass alle diese [Bestandteile] wasserlöslich seien, … somit die in Rede stehende Einstufung im Wesentlichen auf die Annahme [stützte], dass 9,2 % des CTPHT wasserlöslich sind. Wie sich jedoch aus Punkt 1.3 des [der Stellungnahme des RAC beigefügten] Hintergrundpapiers ergibt, ist dieser Wert nicht realistisch, da die Höchstrate 0,0014 % beträgt‘.

55      Da das Gericht in Rn. 32 des [Urteils vom 7. Oktober 2015, Bilbaína de Alquitranes u. a./Kommission (T‑689/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:767)], festgestellt hat, dass ‚[w]eder die Kommission noch die ECHA … nachweisen konnten, dass die Kommission … die Tatsache berücksichtigt hat, dass nach Punkt 1.3 des [der Stellungnahme des RAC beigefügten] Hintergrundpapiers mit der Bezeichnung ‚Physikalisch-chemische Eigenschaften‘ die Bestandteile von CTPHT nur beschränkt freigesetzt werden und dass dieser Stoff sehr stabil ist‘, hat es in Rn. 30 dieses Urteils rechtsfehlerfrei entschieden, dass ‚die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, da sie, indem sie CTPHT auf der Grundlage seiner Bestandteile als Aquatisch Akut 1 (H400) und Aquatisch Chronisch 1 (H410) eingestuft hatte, ihre Verpflichtung, alle relevanten Faktoren und Umstände einzubeziehen, um das Verhältnis, in dem die 16 … Bestandteile in CTPHT vorhanden sind, und deren chemische Wirkungen angemessen zu berücksichtigen, nicht erfüllt hat‘.“

30      Am 9. Juli 2018 veröffentlichte die Kommission eine Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. 2018, C 239, S. 3), in der festgestellt wurde, dass die Teilnichtigerklärung der Verordnung Nr. 944/2013 durch das Gericht nach Zurückweisung des Rechtsmittels aufrechterhalten werde und CTPHT „nicht länger als aquatisch akut 1 und aquatisch chronisch 1 eingestuft“ sei.

 Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

31      Mit Klageschrift, die am 23. Oktober 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Schadensersatzklage nach Art. 268 AEUV erhoben.

32      Mit Schriftsätzen, die am 11. Februar bzw. 7. März 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben das Königreich Spanien und die ECHA beantragt, als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden.

33      Mit gesonderten Schriftsätzen, die am 13. März, 5. April, 29. und 31. Mai sowie 21. August 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, hat die Klägerin gemäß Art. 144 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts die vertrauliche Behandlung bestimmter in den Anhängen der Klageschrift, in der Klagebeantwortung, in der Erwiderung und ihren Anhängen sowie in der Gegenerwiderung enthaltener Informationen gegenüber dem Königreich Spanien und der ECHA beantragt.

34      Die Klagebeantwortung ist am 14. März 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen.

35      Die Erwiderung ist am 17. Mai 2019 eingegangen.

36      Mit Beschlüssen des Präsidenten der Fünften Kammer des Gerichts vom 20. Juni 2019 sind das Königreich Spanien und die ECHA als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen worden.

37      Mit Schriftsätzen, die am 8. Juli und 30. August 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, ist das Königreich Spanien den Anträgen auf vertrauliche Behandlung entgegengetreten. Mit Schriftsätzen, die am 9. Juli und 5. September 2019 eingegangen sind, hat die ECHA bestätigt, keine Einwände gegen die Anträge auf vertrauliche Behandlung zu haben.

38      Die Gegenerwiderung ist am 24. Juli 2019 eingegangen.

39      Am 6. September 2019 haben das Königreich Spanien und die ECHA ihre jeweiligen Streithilfeschriftsätze eingereicht.

40      Infolge einer Änderung der Zusammensetzung der Kammern ist die Rechtssache einem neuen in der Achten Kammer tagenden Berichterstatter zugewiesen worden.

41      Mit Beschluss des Präsidenten der Achten Kammer des Gerichts vom 25. November 2019 sind die Anträge auf vertrauliche Behandlung in Bezug auf das Königreich Spanien zurückgewiesen worden.

42      Am 8. Januar 2020 hat die Klägerin gemäß Art. 69 Buchst. c der Verfahrensordnung beantragt, das Verfahren bis zur Abhaltung einer mündlichen Verhandlung in der Rechtssache T‑638/18, die sich vorrangig mit der Frage des Bestehens einer Haftung der Europäischen Union beschäftigt, und bis zum Erlass eines Urteils des Gerichts über diese Frage auszusetzen. Die Kommission hat einer Aussetzung des vorliegenden Verfahrens mit Schreiben vom 28. Januar 2020 zugestimmt.

43      Am 2. April 2020 hat die Achte Kammer beschlossen, das Verfahren nicht auszusetzen.

44      Am 20. April 2020 hat das Gericht auf Vorschlag der Achten Kammer gemäß Art. 28 seiner Verfahrensordnung beschlossen, die Rechtssache an einen erweiterten Spruchkörper zu verweisen.

45      Mit prozessleitender Maßnahme vom 22. April 2020 hat das Gericht an die Verfahrensbeteiligten Fragen zur schriftlichen Beantwortung gerichtet, auf die diese fristgerecht geantwortet haben.

46      Mit prozessleitender Maßnahme vom 15. Juni 2020 hat das Gericht die einzelnen Verfahrensbeteiligten aufgefordert, zu den Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichts vom 22. April 2020 Stellung zu nehmen. Die Verfahrensbeteiligten haben ihre jeweiligen Stellungnahmen fristgerecht abgegeben.

47      Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht (Achte erweiterte Kammer) beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen. Mit Schreiben vom 8. Juni 2020 haben die Hauptparteien jedoch im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass ihre Rechtsbeistände nicht persönlich an der mündlichen Verhandlung, deren Abhaltung am Sitz des Gerichts in Luxemburg (Luxemburg) vorgesehen war, teilnehmen könnten und dass sie für den Fall, dass ihre Teilnahme an dieser mündlichen Verhandlung per Videokonferenz materiell nicht möglich sei, darauf verzichteten, mündlich zu verhandeln. Unter diesen Umständen hat das Gericht (Achte erweiterte Kammer), das zudem der Ansicht war, aufgrund des Akteninhalts, insbesondere der Antworten der Verfahrensbeteiligten auf seine Fragen sowie ihrer jeweiligen Stellungnahmen zu diesen Antworten, ausreichend unterrichtet zu sein, gemäß Art. 108 Abs. 2 der Verfahrensordnung entschieden, das mündliche Verfahren zu schließen.

48      Die Klägerin beantragt,

–        festzustellen, dass die vorliegende Klage zulässig und begründet ist;

–        zu entscheiden, dass ihr für den durch die Kommission verursachten Schaden Ersatz zuzusprechen ist;

–        die Kommission zu verurteilen, ihr Schadensersatz für den als unmittelbare Folge der rechtswidrigen Einstufung erlittenen Schaden in Höhe von insgesamt 652 733 Euro oder in einer anderen von ihr im Laufe des Verfahrens begründeten oder vom Gericht bewerteten Höhe zu leisten;

–        hilfsweise, durch Zwischenurteil zu entscheiden, dass die Kommission verpflichtet ist, den entstandenen Schaden zu ersetzen, und den Parteien aufzugeben, dem Gericht innerhalb einer angemessenen Frist ab Verkündung des Urteils Zahlen bezüglich der Höhe der zwischen ihnen vereinbarten Entschädigung vorzulegen oder, falls eine solche Einigung nicht erzielt werden kann, den Parteien aufzugeben, dem Gericht innerhalb derselben Frist ihre durch detaillierte Zahlen belegten Anträge vorzulegen;

–        die Kommission zu verurteilen, ihr Ausgleichszinsen zum Verzugszinssatz ab dem Zeitpunkt der erlittenen Verluste (d. h. entweder ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der rechtswidrigen Einstufung oder ab dem Zeitpunkt des Schadenseintritts) zu zahlen;

–        die Kommission zu verurteilen, Verzugszinsen in Höhe von 8 % oder in Höhe eines anderen vom Gericht festzusetzenden angemessenen Zinssatzes auf den zu zahlenden Betrag für die Zeit von der Verkündung des Urteils des Gerichts bis zur tatsächlichen Zahlung zu entrichten;

–        der Kommission die gesamten Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

49      Die Kommission beantragt,

–        die Schadensersatzklage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen;

–        hilfsweise, für den Fall, dass das Gericht in Bezug auf die Haftung zugunsten der Klägerin erkennen sollte, den Parteien eine Frist von sechs Monaten einzuräumen, um sich auf die Höhe des Schadensersatzes zu verständigen.

50      Das Königreich Spanien beantragt,

–        die Schadensersatzklage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

51      Die ECHA beantragt,

–        die Schadensersatzklage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten des vorliegenden Verfahrens aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

52      Zur Stützung ihrer Schadensersatzklage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, die mit der Verordnung Nr. 944/2013 vorgenommene rechtswidrige Einstufung von CTPHT als Aquatisch Akut 1 (H400) und Aquatisch Chronisch 1 (H410) habe ihr einen materiellen Schaden verursacht, den sie auf 652 733 Euro veranschlage. Zum einen entspreche dieser Schaden den Kosten für die Anpassung der Verpackung sowie für die Transportmodalitäten, wie sie sich aus den UN-Mustervorschriften für die Beförderung gefährlicher Güter, nämlich dem Europäischen Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße, der Ordnung für die internationale Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter und dem Internationalen Code für die Beförderung gefährlicher Güter mit Seeschiffen, ergäben. Zum anderen macht die Klägerin darüber hinaus einen Schaden aufgrund der zusätzlichen Kosten geltend, die durch die in der Verordnung Nr. 944/2013 vorgesehene Einstufung im Hinblick auf die Aktualisierung der Sicherheitsdatenblätter gemäß der Verordnung Nr. 1907/2006 angefallen sind.

53      Die Kommission, unterstützt durch das Königreich Spanien und die ECHA, erwidert erstens, dass sie keinen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift begangen habe, die bezwecke, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, zweitens, dass die Klägerin das Vorliegen eines tatsächlichen und sicheren Schadens nicht bewiesen habe, und drittens, dass die Klägerin den Kausalzusammenhang zwischen der Rechtswidrigkeit und dem angeblich erlittenen Schaden nicht nachgewiesen habe.

54      Festzustellen ist, dass die außervertragliche Haftung der Union nach ständiger Rechtsprechung einen qualifizierten Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, das tatsächliche Bestehen des Schadens sowie einen Kausalzusammenhang zwischen dem Verstoß gegen die dem betreffenden Organ obliegende Verpflichtung und dem den geschädigten Personen entstandenen Schaden voraussetzt (vgl. Urteil vom 10. September 2019, HTTS/Rat, C‑123/18 P, EU:C:2019:694, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

55      Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung ist die Klage, sofern eine dieser drei Voraussetzungen nicht vorliegt, insgesamt abzuweisen, ohne dass die übrigen Voraussetzungen der genannten Haftung geprüft zu werden brauchen (vgl. Urteil vom 15. September 1994, KYDEP/Rat und Kommission, C‑146/91, EU:C:1994:329, Rn. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56      In Bezug auf die erste Voraussetzung trägt die Klägerin vor, die rechtswidrige Einstufung von CTPHT als Aquatisch Akut 1 (H400) und Aquatisch Chronisch 1 (H410), wie sie vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 22. November 2017, Kommission/Bilbaína de Alquitranes u. a. (C‑691/15 P, EU:C:2017:882), festgestellt worden sei, stelle einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift dar, die bezwecke, dem Einzelnen Rechte zu verleihen.

57      Für eine Beurteilung der Frage, ob die Kommission einen Rechtsverstoß begangen hat, der geeignet ist, die außervertragliche Haftung der Union auszulösen, ist zunächst zu prüfen, ob die Klägerin im vorliegenden Fall nachgewiesen hat, dass es eine verletzte Rechtsvorschrift gibt, die im Sinne der Rechtsprechung bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, und sodann, ob der Verstoß gegen diese Vorschrift im Sinne der Rechtsprechung hinreichend qualifiziert war.

 Art der Vorschrift, die von der Kommission beim Erlass der Verordnung Nr. 944/2013 verletzt worden ist

58      Nach ständiger Rechtsprechung bezweckt eine Rechtsnorm, einem Einzelnen Rechte zu verleihen, wenn eine Vorschrift verletzt wird, die für den Einzelnen Rechte begründet, die die nationalen Gerichte zu wahren haben, so dass sie unmittelbare Wirkung hat, die dem Einzelnen einen Vorteil verschafft, der als wohlerworbenes Recht einzustufen ist, die die Interessen Einzelner schützen soll oder die dem Einzelnen Rechte verleiht, deren Inhalt hinreichend bestimmt werden kann (vgl. Urteil vom 16. Oktober 2014, Evropaïki Dynamiki/Kommission, T‑297/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:888, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59      Die Klägerin vertritt die Ansicht, die von der Kommission verletzten Vorschriften befänden sich in Anhang I Abschnitt 4.1.3.5.5 der Verordnung Nr. 1272/2008, in dem es um die Summierungsmethode gehe, bzw. lägen in der Sorgfaltspflicht der Kommission begründet, die dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung inhärent sei. Eine Kombination dieser Vorschriften verleihe dem Einzelnen ein Recht, das es ihm ermögliche, die Interessen seines Einzelunternehmens zu schützen, da die Kommission gehalten sei, bei der Einstufung eines Stoffes mit gebührender Sorgfalt vorzugehen.

60      In Beantwortung einer Frage des Gerichts hat die Klägerin ausgeführt, die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1272/2008 seien ihrer Auffassung nach geeignet, die Interessen Einzelner zu schützen, soweit sie Verpflichtungen, denen Unternehmen wie die Klägerin nachkommen müssten, um ihr Recht in Anspruch nehmen zu können, erfasste chemische Stoffe und Gemische auf den Markt zu bringen, auferlegten oder verschärften. In diesem Zusammenhang verweist die Klägerin u. a. auf Art. 4 Abs. 10 dieser Verordnung, der bestimmt, dass „Stoffe und Gemische … erst dann in Verkehr gebracht [werden], wenn sie dieser Verordnung entsprechen“. Eine falsche Einstufung verletze das Recht der Klägerin, Stoffe und Gemische auf den Markt zu bringen, die letztendlich im Einklang mit der besagten Verordnung stünden.

61      Die Kommission, unterstützt durch das Königreich Spanien und die ECHA, macht demgegenüber geltend, die Bestimmungen von Anhang I der Verordnung Nr. 1272/2008 und insbesondere die in Abschnitt 4.1.3.5.5 des genannten Anhangs vorgesehene Summierungsmethode verliehen dem Einzelnen keine Rechte. Diese nach Ansicht der Kommission rein methodischen Bestimmungen aus dem GHS fassten technische und wissenschaftliche Kriterien für die Einstufung von Stoffen und Gemischen auf der Grundlage der inhärenten Stoffeigenschaften zusammen. Die Vorschriften über die Summierungsmethode in Anhang I der erwähnten Verordnung seien schlicht und ergreifend konzipiert worden, um die Gefährlichkeit im Zusammenhang mit der aquatischen Toxizität von Stoffen und Gemischen auf der Grundlage wissenschaftlicher Daten zu bestimmen, und erforderten keine Abwägung der Interessen Einzelner. Außerdem sähen sie keine Verfahrensregeln zum Schutz von Einzelinteressen vor. Daher sei weder die Stelle, die den ursprünglichen Einstufungsvorschlag vorlege, noch der RAC oder die Kommission zur Abwägung der Interessen Einzelner verpflichtet.

62      Insoweit ist festzustellen, dass die Kommission nach den Urteilen vom 22. November 2017, Kommission/Bilbaína de Alquitranes u. a. (C‑691/15 P, EU:C:2017:882), sowie vom 7. Oktober 2015, Bilbaína de Alquitranes u. a./Kommission (T‑689/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:767), einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie die in Anhang I Abschnitt 4.1.3.5.5 der Verordnung Nr. 1272/2008 genannte Summierungsmethode angewandt hat. So geht insbesondere aus Rn. 47 des Urteils vom 22. November 2017, Kommission/Bilbaína de Alquitranes u. a. (C‑691/15 P, EU:C:2017:882), hervor, dass „die Kommission, wenn sie zur Ermittlung, ob ein [zu den Stoffen mit unbekannter oder variabler Zusammensetzung, komplexen Reaktionsprodukten oder biologischen Materialien gehörender] Stoff unter die Kategorien Aquatisch Akut 1 und Aquatisch Chronisch 1 fällt, die Summierungsmethode anwendet, nicht verpflichtet [ist], ihre Beurteilung unter Ausschluss aller anderen Faktoren allein auf die in Anhang I Abschnitt 4.1.3.5.5 der Verordnung Nr. 1272/2008 ausdrücklich genannten Faktoren zu beschränken“. Nach Rn. 32 des Urteils vom 7. Oktober 2015, Bilbaína de Alquitranes u. a./Kommission (T‑689/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:767), konnten jedoch weder die Kommission noch die ECHA vor dem Gericht nachweisen, dass die Kommission die schwere Wasserlöslichkeit von CTPHT berücksichtigt hatte. Daher ist festzuhalten, dass die verletzte Vorschrift, wie das Gericht und später der Gerichtshof in ihren jeweiligen Urteilen bestätigt haben, in Anhang I Abschnitt 4.1.3.5.5 der erwähnten Verordnung zu finden ist und es sich dabei um die Summierungsmethode handelt.

63      Die in Anhang I Abschnitt 4.1.3.5.5 der Verordnung Nr. 1272/2008 genannte Summierungsmethode stellt eine Methode zur Einstufung von Gemischen dar, die für die aquatische Umwelt gefährlich sind. Als solche verleiht diese Methode dem Einzelnen keinerlei Recht im engeren Sinne. Wie die Klägerin im Wesentlichen vorträgt, könnten, wenn ein Gemisch nach den besagten Vorschriften als gewässergefährdend eingestuft wird, dadurch jedoch Verpflichtungen geschaffen oder verschärft werden, denen Unternehmen wie die Klägerin gegebenenfalls nachkommen müssen, um ein solches Gemisch auf den Markt bringen zu können.

64      Im vorliegenden Fall ist zu bemerken, dass die Verordnung Nr. 1272/2008 nach ihrem Art. 1 Abs. 1 nicht nur ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt, sondern auch den freien Verkehr von Stoffen gewährleisten soll.

65      Da die harmonisierte Einstufung von Stoffen und Gemischen für die Hersteller und Lieferanten chemischer Stoffe bestimmte Verpflichtungen auslöst, von denen ihre Teilhabe am freien Verkehr von chemischen Stoffen und Gemischen abhängt, berührt sie daher notwendigerweise die wirtschaftlichen Interessen dieser Unternehmen. Das geht u. a. aus den Erwägungsgründen 4 und 5 der Verordnung Nr. 944/2013 hervor, in denen es heißt, dass die Unternehmen eine gewisse Zeit benötigen, um die Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen an die neuen Einstufungen anzupassen und um vorhandene Bestände zu verkaufen.

66      Was insbesondere die spezifische Vorschrift angeht, die im vorliegenden Fall verletzt worden ist, nämlich die in Anhang I Abschnitt 4.1.3.5.5 der Verordnung Nr. 1272/2008 genannte Summierungsmethode, ist jedoch festzustellen, dass mit dieser lediglich ermöglicht werden soll, die Gefährlichkeit eines Gemischs im Zusammenhang mit der aquatischen Toxizität auf der Grundlage technischer und wissenschaftlicher Kriterien zu bestimmen und dabei u. a. die aquatische Toxizität seiner Bestandteile für die Zwecke der Einstufung eines solchen Gemischs zu berücksichtigen. Diese Bewertung der Gefährlichkeit im Zusammenhang mit der Toxizität schließt jede Erwägung aus, die nichts mit den inhärenten Eigenschaften des Stoffes zu tun hat. Insbesondere ist bei ihrer Anwendung keine Abwägung der Interessen des Einzelnen vorgesehen.

67      Daher hat die Summierungsmethode den Charakter einer methodischen Vorschrift, die mit einer Verfahrensvorschrift vergleichbar ist, deren alleiniger Zweck darin besteht, die Bewertung der Gefährlichkeit chemischer Gemische auf der Grundlage ihrer inhärenten Eigenschaften zu leiten, und nicht darin, den Schutz der Interessen des Einzelnen zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteile vom 13. September 2007, Common Market Fertilizers/Kommission, C‑443/05 P, EU:C:2007:511, Rn. 143 bis 145, und vom 29. April 2020, Tilly-Sabco/Kommission, T‑437/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:159, Rn. 52).

68      Diese Auslegung wird dadurch bestätigt, dass weder der Gerichtshof noch das Gericht in ihren Urteilen vom 22. November 2017, Kommission/Bilbaína de Alquitranes u. a. (C‑691/15 P, EU:C:2017:882), sowie vom 7. Oktober 2015, Bilbaína de Alquitranes u. a./Kommission (T‑689/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:767), die Auffassung vertreten haben, der offensichtliche Beurteilungsfehler rühre daher, dass die Kommission die Interessen der Hersteller und Lieferanten von CTPHT verkannt habe. Im Gegenteil: In diesen Urteilen ist das Vorliegen eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers festgestellt worden, soweit die Kommission bei der Anwendung der Summierungsmethode die schwere Löslichkeit des Gemischs als solchem und damit ein Element nicht berücksichtigt hat, das sich auf die aquatische Gefährlichkeit des Gemischs auswirken kann. Mit anderen Worten beschränkt sich der in den genannten Urteilen festgestellte Verstoß gegen die fragliche Vorschrift auf eine Verkennung ihrer technischen und wissenschaftlichen Tragweite.

69      Da die Vorschrift über die Summierungsmethode ihrer Art nach nicht darauf abzielt, die Interessen des Einzelnen zu schützen, kann die Klägerin zur Stützung ihres Schadensersatzantrags somit streng genommen keinen Verstoß gegen diese Vorschrift geltend machen.

70      Nach Ansicht des Gerichts schließt die oben in Rn. 58 angeführte Rechtsprechung jedoch nicht notwendigerweise aus, dass ein Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift, die streng genommen nicht bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, sondern vielmehr zur Auferlegung oder Verschärfung der Verpflichtungen führen könnte, die sich für den Einzelnen aus anderen Rechtsvorschriften der Union ergeben, als geeignet angesehen werden kann, die außervertragliche Haftung der Union auszulösen. Entsprechend den Feststellungen, die der Gerichtshof in Bezug auf die Voraussetzungen für die Geltendmachung von Vorschriften des Völkergewohnheitsrechts getroffen hat (Urteil vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a., C‑366/10, EU:C:2011:864, Rn. 107), ließe sich nämlich die Auffassung vertreten, dass das rechtswidrige Verhalten eines Unionsorgans, das sich auf die – aus Rechten und spiegelbildlichen Pflichten bestehende – Rechtsstellung einer natürlichen oder juristischen Person auswirkt, in bestimmten Fällen die Auslösung der außervertraglichen Haftung der Union rechtfertigen kann, unabhängig davon, ob es sich um eine Verletzung von Rechten oder um die Hinzufügung oder Verschärfung rechtswidriger Verpflichtungen handelt. Insoweit könnte es im Hinblick auf die Beeinträchtigung dieser Rechtsstellung unter den Umständen des vorliegenden Falls gleichgültig sein, ob das mutmaßlich rechtswidrige Verhalten der Verwaltung in einer Verletzung von Rechten bestanden oder zur Hinzufügung oder Verschärfung von Verpflichtungen nach dem Unionsrecht geführt hat. Auch wenn die Vorschrift über die Summierungsmethode dem Einzelnen als solche keine Rechte verleiht, würde sich im vorliegenden Fall gleichwohl immer noch die Frage stellen, ob die durch eine falsche Anwendung der Summierungsmethode ausgelösten Verpflichtungen geeignet sind, die Rechtsstellung der Klägerin derart zu beeinträchtigen, dass diese so angesehen werden kann, als habe sie letztendlich ein subjektives Recht auf die korrekte Anwendung der Summierungsmethode, oder ob die genannten Verpflichtungen im Gegenteil nur eine indirekte Folge der Anwendung der erwähnten Vorschrift sind, die ausschließlich die wirtschaftliche Situation der Klägerin beeinträchtigt.

71      Jedenfalls wäre die Antwort auf die Frage, ob eine Verletzung der Vorschrift über die Summierungsmethode, auf der die rechtswidrige Einstufung von CTPHT beruht, unter dem Gesichtspunkt der Hinzufügung oder Verschärfung von Verpflichtungen, die die Rechtsstellung der Klägerin beeinträchtigen, hier zur Stützung des vorliegenden Schadensersatzantrags geltend gemacht werden kann oder nicht, für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nur dann ausschlaggebend, falls dieser Verstoß hinreichend qualifiziert im Sinne der vorstehend angeführten Rechtsprechung wäre, was weiter unten geprüft werden soll.

72      Hinsichtlich der von der Klägerin in ihrer Erwiderung geltend gemachten Verletzung der dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung inhärenten Sorgfaltspflicht ist festzustellen, dass die Klägerin ihren Schadensersatzantrag in der Klageschrift formal nicht speziell und eigens auf eine solche Verletzung gestützt hatte. Auch ist nicht ersichtlich, dass dieses Vorbringen als Erweiterung eines bereits in der Klageschrift enthaltenen Arguments betrachtet werden könnte. Daher ist der Schadensersatzantrag, soweit er auf eine Verletzung der Sorgfaltspflicht gestützt wird, für unzulässig zu erklären, wie die Kommission in ihrer Stellungnahme zu den Antworten auf eine schriftliche Frage, die hierzu an die Klägerin gerichtet worden war, geltend gemacht hat.

 Schwere des behaupteten Verstoßes gegen die Vorschrift über die Summierungsmethode

73      Was die Voraussetzung angeht, wonach der Verstoß gegen die Rechtsvorschrift hinreichend qualifiziert sein muss, um die außervertragliche Haftung der Union auszulösen, macht die Klägerin geltend, der Wortlaut der Urteile vom 22. November 2017, Kommission/Bilbaína de Alquitranes u. a. (C‑691/15 P, EU:C:2017:882), sowie vom 7. Oktober 2015, Bilbaína de Alquitranes u. a./Kommission (T‑689/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:767), lasse keinen Raum für Zweifel daran, dass der offensichtliche Beurteilungsfehler der Kommission, nämlich die Verkennung des tatsächlichen Umfangs ihres Ermessens bei Vornahme der rechtswidrigen Einstufung von CTPHT, einen derartigen Verstoß darstelle.

74      Im Rahmen einer Schadensersatzklage müssten die Handlungen, Taten und Verhaltensweisen des betreffenden Unionsorgans vor Schadenseintritt Gegenstand einer eingehenden Prüfung sein. Die Handlungen, Taten und Verhaltensweisen ließen eindeutig darauf schließen, dass die Kommission geglaubt habe, bei der Anwendung der Summierungsmethode keinerlei Ermessensspielraum zu haben. Folglich sei im Rahmen einer Schadensersatzklage davon auszugehen, dass die verletzte Vorschrift eine Vorschrift sei, die keinerlei Ermessensspielraum belasse, so dass gemäß dem Urteil vom 4. Juli 2000, Bergaderm und Goupil/Kommission (C‑352/98 P, EU:C:2000:361), die bloße Rechtsverletzung ausreiche, um einen hinreichend qualifizierten Verstoß anzunehmen.

75      Auf der Grundlage des Urteils vom 14. Juli 1967, Kampffmeyer u. a./Kommission (5/66, 7/66, 13/66 bis 16/66 und 18/66 bis 24/66, nicht veröffentlicht, EU:C:1967:31), macht die Klägerin geltend, die Kommission habe, da sie ihr Ermessen nicht habe ausüben wollen und an diesem Weg festgehalten habe, bis ihr Rechtsmittel vor dem Gerichtshof zurückgewiesen worden sei, „das einschlägige materielle Recht missbräuchlich angewandt“, und auf dieses Kriterium komme es im Rahmen des vorliegenden Klageverfahrens an.

76      Die Klägerin ist im Übrigen der Ansicht, dass die fraglichen Rechtsvorschriften keine Mängel aufwiesen und sich die Kommission folglich weder auf einen unklaren Wortlaut berufen noch sich „entlasten [könne], indem sie die Haftung für den begangenen Fehler dem Europäischem Parlament und dem Rat zuschieb[e]“. Nebenbei bemerkt sei das Recht hinsichtlich der Frage, ob die Kommission bei der Prüfung der Einstufung von CTPHT über ein Ermessen verfüge oder nicht, immer völlig eindeutig gewesen. Die Klägerin stützt sich insoweit u. a. auf den Beschluss vom 22. Mai 2014, Bilbaína de Alquitranes u. a./ECHA (C‑287/13 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:599), sowie das Urteil vom 7. März 2013, Bilbaína de Alquitranes u. a./ECHA (T‑93/10, EU:T:2013:106), die, wenn auch im Kontext der Verordnung Nr. 1907/2006, bestätigten, dass die Kommission von den vorgeschriebenen Regeln abweichen könne, indem sie von ihrem Ermessen Gebrauch mache und bei strenger Anwendung dieser Regeln ungerechtfertigten Schlussfolgerungen nicht folge.

77      Die Klägerin hebt insbesondere den ihrer Ansicht nach irrealen Charakter der Ergebnisse der von der Kommission mittels der Summierungsmethode vorgenommenen Berechnung hervor, auf den auch der Gerichtshof in Rn. 53 des Urteils vom 22. November 2017, Kommission/Bilbaína de Alquitranes u. a. (C‑691/15 P, EU:C:2017:882), hingewiesen habe. Die Klägerinnen in der vorerwähnten Rechtssache hätten vor dem Erlass der Verordnung Nr. 944/2013 und während des schriftlichen Verfahrens im Rahmen der Rechtssache T‑689/13 bei der Kommission mehrmals die Absurdität dieser Ergebnisse beanstandet. Die Entscheidung der Kommission habe zur Folge gehabt, dass CTPHT als gewässergefährdender Stoff eingestuft worden sei, obwohl dieser Stoff, so die Klägerin, nicht wasserlöslich sei, sich im Gegenteil im Wasser verfestige und nach unten sinke. Eine solche Entscheidung „grenze … an Willkür“ im Sinne des Urteils vom 5. Dezember 1979, Amylum und Tunnel Refineries/Rat und Kommission (116/77 und 124/77, EU:C:1979:273), und könne nicht die Entscheidung einer durchschnittlich umsichtigen Verwaltung sein.

78      Schließlich hätten die Entscheidungen der Kommission, ein Rechtsmittel gegen das Urteil vom 7. Oktober 2015, Bilbaína de Alquitranes u. a./Kommission (T‑689/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:767), einzulegen und dem Antrag auf vorläufige Aussetzung zu widersprechen, dazu geführt, dass sich der von ihr begangene Fehler verschlimmere und andauere.

79      Die Kommission, unterstützt durch das Königreich Spanien und die ECHA, tritt diesem Vorbringen entgegen.

80      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Rechtsakts, so bedauerlich dieses rechtswidrige Verhalten auch sein mag, nach gefestigter Rechtsprechung als solche nicht für die Annahme genügt, dass diejenige Voraussetzung für eine Haftung der Union erfüllt ist, die die Rechtswidrigkeit des dem betreffenden Unionsorgan zur Last gelegten Verhaltens betrifft (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. November 2011, Sison/Rat, T‑341/07, EU:T:2011:687, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung). Nach der Rechtsprechung ist die Schadensersatzklage nämlich als selbständiger Rechtsbehelf mit eigener Funktion im System der Klagemöglichkeiten geschaffen und von Voraussetzungen abhängig gemacht worden, die ihrem besonderen Zweck angepasst sind (Urteil vom 17. Dezember 1981, Ludwigshafener Walzmühle Erling u. a./Rat und Kommission, 197/80 bis 200/80, 243/80, 245/80 und 247/80, EU:C:1981:311, Rn. 4). Die Haftungsklage soll nicht den Ersatz des durch jedwede Rechtswidrigkeit verursachten Schadens sicherstellen (Urteil vom 3. März 2010, Artegodan/Kommission, T‑429/05, EU:T:2010:60, Rn. 51).

81      Insoweit ist daran zu erinnern, dass mit dem Erfordernis eines hinreichend qualifizierten Verstoßes unabhängig von der Natur der beanstandeten rechtswidrigen Handlung verhindert werden soll, dass durch das Risiko, die von den betroffenen Unternehmen behaupteten Schäden tragen zu müssen, die Fähigkeit des fraglichen Organs eingeschränkt wird, seine Befugnisse im Rahmen seiner normativen oder seiner wirtschaftliche Entscheidungen einschließenden Tätigkeit wie auch in der Sphäre seiner Verwaltungszuständigkeit in vollem Umfang im Allgemeininteresse auszuüben, ohne dass dabei allerdings die Folgen offenkundiger und unentschuldbarer Pflichtverletzungen Dritten aufgebürdet werden (vgl. Urteil vom 3. März 2010, Artegodan/Kommission, T‑429/05, EU:T:2010:60, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

82      Die etwaige Nichtigerklärung eines Rechtsakts der Kommission, auf den die von einem Kläger geltend gemachten Schäden zurückzuführen sein sollen, stellt auch dann, wenn sie möglicherweise durch ein vor der Erhebung der Schadensersatzklage ergangenes Urteil des Gerichts erfolgt, keinen unwiderlegbaren Nachweis eines hinreichend qualifizierten Verstoßes dieses Organs dar, aufgrund dessen die Haftung der Union ipso iure festgestellt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Mai 2019, Export Development Bank of Iran/Rat, T‑553/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:308, Rn. 55).

83      Das entscheidende Kriterium für die Beurteilung der Frage, ob die Anforderung erfüllt ist, dass Dritten nicht die Folgen von Pflichtverletzungen aufgebürdet werden, die das betreffende Organ offenkundig und unentschuldbar begangen haben soll, besteht darin, dass dieses Organ die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat (vgl. hierzu Urteile vom 4. Juli 2000, Bergaderm und Goupil/Kommission, C‑352/98 P, EU:C:2000:361, Rn. 43, sowie vom 30. Mai 2017, Safa Nicu Sepahan/Rat, C‑45/15 P, EU:C:2017:402, Rn. 30). Dieser Begriff der offenkundigen und erheblichen Überschreitung ist nicht mit dem Konzept des offensichtlichen Beurteilungsfehlers gleichzusetzen, sondern davon zu unterscheiden. Ohne eine solche Unterscheidung könnte nämlich jeder offensichtliche Beurteilungsfehler und damit jeder Fehler der Unionsverwaltung in Fällen, in denen ihr ein Wertungsspielraum verliehen wird, die außervertragliche Haftung der Union auslösen. Wie erwähnt geht die vorstehend angeführte einschlägige Rechtsprechung jedoch nicht davon aus, dass jedwede Rechtswidrigkeit per se eine solche Haftung begründet. Entscheidend für die Feststellung, ob ein solcher Verstoß vorliegt, ist somit der Wertungsspielraum, der dem fraglichen Organ zur Verfügung stand. So ergibt sich aus den Rechtsprechungskriterien, dass eine bloße Verletzung des Unionsrechts in dem Fall, dass das betreffende Organ nur über einen erheblich verringerten oder gar auf null reduzierten Wertungsspielraum verfügt, für die Annahme eines hinreichend qualifizierten Verstoßes ausreichen kann (vgl. Urteil vom 23. November 2011, Sison/Rat, T‑341/07, EU:T:2011:687, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

84      Jedoch wird in dieser Rechtsprechung kein automatischer Zusammenhang zwischen dem mangelnden Ermessen des betreffenden Organs und der Qualifikation der Zuwiderhandlung als hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Unionsrecht hergestellt (vgl. Urteil vom 3. März 2010, Artegodan/Kommission, T‑429/05, EU:T:2010:60, Rn. 59).

85      Auch wenn nämlich der Umfang des Ermessens des betreffenden Organs bestimmenden Charakter hat, stellt er doch kein ausschließliches Kriterium dar. Vielmehr ist daneben u. a. der Komplexität der zu regelnden Sachverhalte und den Schwierigkeiten bei der Anwendung oder Auslegung der Vorschriften (vgl. Urteil vom 23. November 2011, Sison/Rat, T‑341/07, EU:T:2011:687, Rn. 36 und 37 sowie die dort angeführte Rechtsprechung) oder – ganz allgemein – dem Bereich, den Umständen und dem Kontext Rechnung zu tragen, in dem bzw. unter denen die verletzte Vorschrift für das betreffende Organ oder die betreffende Einrichtung der Union gilt (vgl. Urteil vom 4. April 2017, Bürgerbeauftragter/Staelen, C‑337/15 P, EU:C:2017:256, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

86      Daraus folgt, dass nur die Feststellung einer Unregelmäßigkeit, die eine durchschnittlich umsichtige und sorgfältige Verwaltung unter ähnlichen Umständen nicht begangen hätte, die Haftung der Union auslösen kann (vgl. Urteil vom 3. März 2010, Artegodan/Kommission, T‑429/05, EU:T:2010:60, Rn. 62).

87      In diesem Zusammenhang hat die Rechtsprechung außerdem klargestellt, dass die Verletzung einer Rechtspflicht nur dann als ein die außervertragliche Haftung der Union begründender hinreichend qualifizierter Verstoß angesehen werden kann, wenn dieses Verhalten in einem Rechtsakt Ausdruck findet, der offenkundig der Rechtsvorschrift widerspricht und die Interessen Dritter schwerwiegend beeinträchtigt und der mit den besonderen Zwängen, denen die Dienststelle im normalen Dienstbetrieb objektiv unterliegt, weder gerechtfertigt noch erklärt werden kann (Urteil vom 9. September 2008, MyTravel/Kommission, T‑212/03, EU:T:2008:315, Rn. 43).

88      Es ist daher Sache des Unionsrichters, zunächst zu prüfen, ob das betreffende Organ über einen Wertungsspielraum verfügt hat, und sodann die Komplexität der zu regelnden Sachverhalte, die Schwierigkeiten bei der Anwendung oder Auslegung der Vorschriften, das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift und die Frage zu berücksichtigen, ob der Rechtsfehler vorsätzlich begangen wurde oder unentschuldbar ist (vgl. Urteil vom 23. November 2011, Sison/Rat, T‑341/07, EU:T:2011:687, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

89      Anhand dieser Kriterien ist zu analysieren, ob die in den Urteilen vom 22. November 2017, Kommission/Bilbaína de Alquitranes u. a. (C‑691/15 P, EU:C:2017:882), sowie vom 7. Oktober 2015, Bilbaína de Alquitranes u. a./Kommission (T‑689/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:767), festgestellte Pflichtverletzung der Kommission einen hinreichend qualifizierten Verstoß im Sinne der vorerwähnten Rechtsprechung darstellt.

90      Hierfür sind die Erwägungen in Erinnerung zu rufen, die das Gericht und später den Gerichtshof zu der Feststellung veranlasst haben, dass die Kommission bei der Einstufung von CTPHT auf der Grundlage der Summierungsmethode einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat.

91      Was das Urteil vom 7. Oktober 2015, Bilbaína de Alquitranes u. a./Kommission (T‑689/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:767), angeht, ist festzuhalten, dass das Gericht, wie aus Rn. 24 dieses Urteils hervorgeht, von der Annahme ausgegangen ist, dass die Kommission bei der Einstufung von CTPHT über „ein weites Ermessen“ verfügt. In Rn. 30 desselben Urteils heißt es jedoch, dass „die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen [hat], da sie, indem sie CTPHT auf der Grundlage seiner Bestandteile als Aquatisch Akut 1 (H400) und Aquatisch Chronisch 1 (H410) eingestuft hat, ihre Verpflichtung, alle relevanten Faktoren und Umstände einzubeziehen, um das Verhältnis, in dem die 16 PAK-Bestandteile in CTPHT vorhanden sind, und deren chemische Wirkungen angemessen zu berücksichtigen, nicht erfüllt hat“. Nach Ansicht des Gerichts konnte die Kommission somit nicht nachweisen, dass sie die Tatsache berücksichtigt hat, dass die Bestandteile von CTPHT nur begrenzt freigesetzt werden und dieser Stoff sehr stabil und folglich schwer wasserlöslich ist. Darüber hinaus hat das Gericht den Umstand hervorgehoben, dass die Kommission, als sie davon ausgegangen ist, dass alle PAK von CTPHT wasserlöslich seien, die Einstufung von CTPHT auf die Annahme gestützt hat, dass 9,2 % des CTPHT wasserlöslich sind, obwohl sich aus dem Hintergrundpapier ergibt, dass dieser Wert nicht realistisch ist, da die  Höchstrate der Wasserlöslichkeit von CTPHT 0,0014 % beträgt. Zudem hat das Gericht auf die in Anhang I Abschnitt 4.1.1.1 der Verordnung Nr. 1272/2008 enthaltene Definition der akuten aquatischen Toxizität verwiesen, die nach Auffassung des Gerichts die Eigenschaften des Stoffes und nicht nur die Eigenschaften seiner Bestandteile umfasst. Außerdem hat sich das Gericht auf die in Rn. 29 seines Urteils vom 7. Oktober 2015, Bilbaína de Alquitranes u. a./Kommission (T‑689/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:767), angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofs gestützt, wonach nicht davon ausgegangen werden kann, dass ein Stoff bereits deshalb eine bestimmte Anzahl von Eigenschaften besitzt, weil er einen Bestandteil mit diesen Eigenschaften enthält.

92      In seinem Urteil vom 22. November 2017, Kommission/Bilbaína de Alquitranes u. a. (C‑691/15 P, EU:C:2017:882), hat der Gerichtshof die Schlussfolgerung des Gerichts, wonach die Kommission über ein weites Ermessen verfügt, damit sie die Einstufung eines Stoffes nach der Verordnung Nr. 1272/2008 sowie im Rahmen der Prüfung der zu diesem Zweck von ihr durchzuführenden wissenschaftlichen und technischen Beurteilungen vornehmen kann, nicht in Frage gestellt. Darüber hinaus hat das Gericht nach Auffassung des Gerichtshofs rechtsfehlerfrei entschieden, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe. Der Gerichtshof hat u. a. darauf verwiesen, dass die GHS-Kriterien mit Anhang I der Verordnung Nr. 1272/2008 durch die exakte Wiedergabe fast aller Bestimmungen des GHS in das Unionsrecht aufgenommen worden seien. In diesem Dokument werde auf die sogar für Experten komplexen Auslegungsprobleme hingewiesen, die die Einstufung, insbesondere die Einstufung „komplexer oder Mehr-Komponenten-Stoffe“ aufwerfe, deren „Wasserlöslichkeit … [ein] Auslegungsproble[m] darstell[t], da sich jeder Bestandteil des Gemischs möglicherweise anders verhält“ (Urteil vom 22. November 2017, Kommission/Bilbaína de Alquitranes u. a., C‑691/15 P, EU:C:2017:882, Rn. 43).

93      Daher wollten die Verfasser des GHS nach Auffassung des Gerichtshofs die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass die methodischen Kriterien für die Einstufung der Gewässergefährdung bei bestimmten Stoffen, die sich durch ihre Komplexität, Stabilität oder schwere Wasserlöslichkeit auszeichnen, an Grenzen stoßen. Auch habe der Unionsgesetzgeber mit der Übernahme des GHS in die Verordnung Nr. 1272/2008 diese methodischen Grenzen nicht ignoriert. Folglich war der Gerichtshof der Ansicht, dass die Kommission nicht verpflichtet sei, ihre Beurteilung unter Ausschluss aller anderen Faktoren allein auf die in Anhang I Abschnitt 4.1.3.5.5 der Verordnung Nr. 1272/2008 ausdrücklich genannten Faktoren zu beschränken.

94      In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof weiter festgestellt, dass der verfolgte Ansatz nach Abschnitt 4.1.3.1, mit dem die Einstufungskriterien für Gemische eingeführt werden, „[gegebenenfalls gilt], [u]m alle verfügbaren Daten zur Einstufung eines Gemisches aufgrund seiner Gewässergefährdung zu nutzen“, was gegen eine Auslegung spreche, nach der die Berücksichtigung anderer Informationen als der im Rahmen der Summierungsmethode ausdrücklich herangezogenen unter allen Umständen ausgeschlossen sein müsse. Zudem sei es der von der Kommission hier angewandten Summierungsmethode immanent, dass sie in bestimmten Konstellationen – wie im vorliegenden Fall, in dem die Summierungsmethode zu einem Ergebnis von 14 521 % führe, das 581-mal höher sei als das für die Erreichung des Schwellenwerts von 25 % nach Gewichtung mit den M-Faktoren erforderliche Minimalniveau – an Zuverlässigkeit verliere und die Höchstrate der Wasserlöslichkeit von CTPHT 0,0014 % betrage, also eine rund 71 000‑mal niedrigere Rate als die hypothetische Löslichkeitsrate von 100 %, die für die berücksichtigten Bestandteile verwendet werde.

95      Unter Berücksichtigung der – vom Gerichtshof bestätigten – Feststellung des Gerichts, dass die Kommission im vorliegenden Fall gegen eine Vorschrift verstoßen hat, die ihr ein Ermessen einräumt, ist das Argument der Klägerin zurückzuweisen, mit dem geltend gemacht wird, die Kommission habe die Ansicht vertreten, dass die Summierungsmethode eine strikte Vorschrift sei, die ihr keinerlei Ermessen belasse. Der Schaden, auf den sich die Klägerin gegebenenfalls berufen könnte, ergibt sich nämlich aus dem offensichtlichen Beurteilungsfehler, den die Kommission bei der Anwendung dieser Methode begangen hat. Bei der Feststellung der außervertraglichen Haftung der Behörde, die sie angewandt hat, kann dieselbe Methode nicht gleichzeitig so betrachtet werden, als belasse sie ein Ermessen, wenn es um das Kriterium der Pflichtverletzung geht, und kein Ermessen, wenn es um das Kriterium des hinreichend qualifizierten Verstoßes geht.

96      Aus der angeführten ständigen Rechtsprechung geht hervor, dass auch das Argument der Klägerin zurückzuweisen ist, wonach ein offensichtlicher Beurteilungsfehler in jedem Fall einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen eine Ermessensvorschrift darstelle. Wie oben in den Rn. 80 und 83 bemerkt worden ist, genügt die Rechtswidrigkeit einer Handlung der Kommission als solche nicht, um die außervertragliche Haftung der Union auszulösen, da die Schadensersatzklage ein selbständiger Verfahrensweg ist. Die Einstufung eines Beurteilungsfehlers als offensichtlich bezieht sich nämlich auf die Überschreitung des Ermessens und zielt somit darauf ab, zwischen Situationen, in denen diese Überschreitung einen Rechtsverstoß begründet, und solchen zu unterscheiden, die durch einfache Meinungsverschiedenheiten über die angemessene Ausübung dieses Ermessens gekennzeichnet sind. In einem Fall, in dem das fragliche Organ über ein weites Ermessen verfügt, kann die Ermittlung eines hinreichend qualifizierten Verstoßes daher erst nach Feststellung eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers erfolgen und zielt darauf ab, anhand der oben in Rn. 88 genannten Kriterien die schwersten und unentschuldbarsten Fehler zu identifizieren, die einer offenkundigen und erheblichen Überschreitung der dem Ermessen des betreffenden Organs gesetzten Grenzen gleichkommen.

97      Was erstens das Kriterium angeht, das sich auf das Maß an Klarheit und Präzision der verletzten Vorschrift, nämlich Anhang I Abschnitt 4.1.3.5.5 der Verordnung Nr. 1272/2008, bezieht, ist festzuhalten, dass die Summierungsmethode nach dem Wortlaut dieses Abschnitts den Charakter einer quasimechanischen Berechnung hat, gemäß der die Kommission überprüft, ob die Summe der Konzentrationen (in Prozent) der hochtoxischen Bestandteile des Gemischs, multipliziert mit ihren jeweiligen M-Faktoren, größer oder gleich 25 % ist. Falls dem so ist, „wird“ das Gemisch, im vorliegenden Fall CTPHT, als Akut oder Chronisch 1 „eingestuft“ (vgl. Anhang I Abschnitte 4.1.3.5.5.3.1 und 4.1.3.5.5.4.2 der Verordnung Nr. 1272/2008). Wie der Gerichtshof in Rn. 39 des Urteils vom 22. November 2017, Kommission/Bilbaína de Alquitranes u. a. (C‑691/15 P, EU:C:2017:882), festgestellt hat, sieht Anhang I Abschnitt 4.1.3.5.5 der erwähnten Verordnung keinen expliziten Rückgriff auf andere Kriterien als die in dieser Bestimmung ausdrücklich genannten vor.

98      In diesem Zusammenhang ist das Argument der Klägerin zurückzuweisen, wonach das Urteil vom 7. März 2013, Bilbaína de Alquitranes u. a./ECHA (T‑93/10, EU:T:2013:106), als Präzedenzfall angesehen werden könne, der Licht in den Ansatz der Summierungsmethode gebracht habe. Wie von der Kommission zutreffend bemerkt worden ist, haben weder das Gericht noch der Gerichtshof auf dieses Urteil Bezug genommen. Zudem ist festzustellen, dass sich das besagte Urteil nicht auf die Einstufung eines Gemischs wie des im vorliegenden Fall in Rede stehenden nach der Verordnung Nr. 1272/2008, sondern auf eine ganz andere Frage, nämlich die Ermittlung von CTPHT als besonders besorgniserregenden Stoff nach Art. 57 der Verordnung Nr. 1907/2006, bezog. Soweit das Gericht im Urteil vom 7. März 2013, Bilbaína de Alquitranes u. a./ECHA (T‑93/10, EU:T:2013:106), entschieden hat, dass die ECHA keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, indem sie davon ausging, dass CTPHT deshalb bestimmte Eigenschaften, in jenem Fall u. a. „persistente und bioakkumulierende“ Eigenschaften, besitze, weil seine Bestandteile diese Eigenschaften besäßen, hat das Gericht daher keine allgemeine Regel aufgestellt, wonach ein Organ, wenn Rechtsvorschriften Entscheidungskriterien enthalten, ohne die Berücksichtigung anderer Faktoren speziell und ausdrücklich zu verbieten, stets andere Faktoren berücksichtigen könnte oder sogar müsste. Selbst wenn unterstellt wird, dass mit diesem Urteil des Gerichts eine eindeutige Rechtsprechung zur aufgeworfenen Frage eingeführt worden ist, was nicht zutrifft, ist jedenfalls, wie auch die Kommission bemerkt hat, festzustellen, dass das erwähnte Urteil erst rechtskräftig geworden ist, nachdem der Gerichtshof das Rechtsmittel mit Beschluss vom 22. Mai 2014, Bilbaína de Alquitranes u. a./ECHA (C‑287/13 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:599), also nach Erlass der Verordnung Nr. 944/2013, zurückgewiesen hatte, was bedeutet, dass es bereits aus diesem Grund keinen Präzedenzfall darstellen konnte, den die Kommission beim Erlass der Verordnung Nr. 944/2013 hätte berücksichtigen können und müssen.

99      Daher kann Anhang I Abschnitt 4.1.3.5.5 der Verordnung Nr. 1272/2008 nicht so angesehen werden, als habe es sich bei ihm zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung Nr. 944/2013 um eine hinsichtlich des der Kommission bei der Anwendung der Summierungsmethode zur Verfügung stehenden Ermessens vollkommen klare Vorschrift gehandelt. Sein Wortlaut deutet nicht auf ein solches Ermessen hin und erwähnt vor allem nicht, dass die Löslichkeit eines Gemischs ein zu berücksichtigender Faktor ist. Das Gericht und insbesondere der Gerichtshof haben insoweit anerkannt, dass die Kommission über einen Ermessensspielraum verfügt, der sie hätte veranlassen müssen, andere Faktoren als die in Abschnitt 4.1.3.5.5 ausdrücklich genannten zu berücksichtigen und sich dabei auf Erwägungen zu stützen, die sich weder unmittelbar noch ausdrücklich aus dem Wortlaut dieses Abschnitts selbst ergeben. Insbesondere der Gerichtshof hat auf Erwägungen im Zusammenhang mit dem allgemeineren rechtlichen Kontext zurückgegriffen, nämlich u. a. auf die Tatsache, dass die Summierungsmethode die ermittelten methodischen Grenzen des GHS, das nach dem sechstem Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1272/2008 mit dieser in das Unionsrecht aufgenommen werden soll, nicht ignoriert. Wie der Gerichtshof in Rn. 43 des Urteils vom 22. November 2017, Kommission/Bilbaína de Alquitranes u. a. (C‑691/15 P, EU:C:2017:882), festgestellt hat, wird in diesem Dokument auf die Auslegungsprobleme im Zusammenhang mit der Einstufung komplexer oder Mehr-Komponenten-Stoffe wie CTPHT hingewiesen. Diese Auslegungsschwierigkeiten, die die Anwendung der Summierungsmethode erschweren und im Übrigen im besagten Urteil zum Ausdruck kommen, stehen einer Einstufung des Verhaltens der Kommission als offenkundig und in schwerwiegender Weise der verletzten Rechtsvorschrift widersprechend entgegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2008, MyTravel/Kommission, T‑212/03, EU:T:2008:315, Rn. 43). Auch wenn es zutrifft, dass dieses Verhalten nach den Urteilen vom 22. November 2017, Kommission/Bilbaína de Alquitranes u. a. (C‑691/15 P, EU:C:2017:882), sowie vom 7. Oktober 2015, Bilbaína de Alquitranes u. a./Kommission (T‑689/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:767), nicht rechtmäßig ist, lässt es sich mit dem Wortlaut des erwähnten Abschnitts 4.1.3.5.5 und den Auslegungsschwierigkeiten im Hinblick auf die Einstufung komplexer Stoffe zumindest erklären.

100    Was zweitens die Frage betrifft, ob der vom Gericht und später vom Gerichtshof festgestellte Fehler der Kommission vorsätzlichen oder unentschuldbaren Charakter hat, ist Folgendes festzustellen.

101    Zunächst sei darauf hingewiesen, dass weder das Gericht noch der Gerichtshof den Rückgriff auf die Summierungsmethode in Frage gestellt haben. Wie in Rn. 26 des Urteils vom 22. November 2017, Kommission/Bilbaína de Alquitranes u. a. (C‑691/15 P, EU:C:2017:882), festgestellt worden ist, hat die Kommission „bei der Anwendung der Summierungsmethode“ einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen.

102    Zudem ist festzustellen, dass die Kommission die Summierungsmethode unter strenger Befolgung des Wortlauts von Abschnitt 4.1.3.5.5 angewandt hat. Unter Heranziehung der jeweiligen M-Faktoren hat sie die Summe der Konzentrationen der hochtoxischen Bestandteile von CTPHT berechnet. Eine solche Anwendung der Summierungsmethode im Einklang mit dem Wortlaut von Abschnitt 4.1.3.5.5 deutet darauf hin, dass die Kommission im Rahmen ihrer Befugnisse handeln wollte, was in der Regel als umsichtiger Ansatz in einer durch eine besondere Komplexität auf wissenschaftlicher und technischer Ebene gekennzeichneten Situation betrachtet werden kann. Wie Generalanwalt Bobek in Nr. 75 seiner Schlussanträge in der Rechtssache Kommission/Bilbaína de Alquitranes u. a. (C‑691/15 P, EU:C:2017:646) ausgeführt hat, ist „diese Sichtweise grundsätzlich lobenswert“, obwohl sie sich im vorliegenden Fall als falsch erwiesen hat.

103    Zwar haben der Gerichtshof und das Gericht die genannte Sichtweise für offensichtlich fehlerhaft gehalten, es ginge aber über die in der vorerwähnten Rechtsprechung festgelegten Indikatoren für einen hinreichend qualifizierten Verstoß hinaus, wenn eine solche Sichtweise, die dem eher präskriptiven Wortlaut einer Rechtsvorschrift in einem durch eine hohe wissenschaftliche und technische Komplexität gekennzeichneten Bereich folgt und sich überdies in Rechtsvorschriften einfügt, deren Zweck es nach Art. 1 der Verordnung Nr. 1272/2008 ist, „ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sowie den freien Verkehr von … Stoffen [und] Gemischen … durch [Harmonisierung der Kriterien für die Einstufung von Stoffen und Gemischen sowie der Vorschriften für die Kennzeichnung und Verpackung gefährlicher Stoffe und Gemische] zu gewährleisten“, als unentschuldbar eingestuft würde. Insbesondere stellt eine solche Sichtweise keinen der Rechtsvorschrift offenkundig und in schwerwiegender Weise widersprechenden Rechtsakt dar, der mit den besonderen Zwängen, denen die Kommission im Rahmen der Ausübung ihrer Befugnisse auf dem Gebiet der Einstufung von Stoffen mit unbekannter Zusammensetzung objektiv unterliegt, weder gerechtfertigt noch erklärt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2008, MyTravel/Kommission, T‑212/03, EU:T:2008:315, Rn. 43).

104    Außerdem ist daran zu erinnern, dass die Kommission im vorliegenden Fall der Stellungnahme des RAC gefolgt ist, die wiederum das Ergebnis eines in der Verordnung Nr. 1272/2008 geregelten Verfahrens ist. Dieses Verfahren ist durch den vom Königreich der Niederlande gemäß Art. 37 Abs. 1 der erwähnten Verordnung unterbreiteten Einstufungsvorschlag eingeleitet worden. Der Vorschlag ist anschließend Gegenstand einer öffentlichen Konsultation gewesen, bevor der RAC, der sich seinerseits aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt, die fragliche Stellungnahme gemäß Art. 37 Abs. 4 derselben Verordnung im Konsensverfahren angenommen hat.

105    Die schwere Löslichkeit von CTPHT ist im Beitrag zur öffentlichen Konsultation des gemäß Anhang VI der Verordnung Nr. 1272/2008 erstellten Dossiers, das die Sektorgruppe für chemische Stoffe aus Steinkohle am 15. November 2010 vorgelegt hatte, erörtert worden. Zudem hat diese Gruppe in einem an das Sekretariat des RAC gerichteten Schreiben vom 27. Juni 2011 unter Verweis auf eine wissenschaftliche Publikation klargestellt, dass die maximale Wasserlöslichkeit von CTPHT 0,0004 % betrage. Daher ist festzustellen, dass die Stellungnahme des RAC in voller Kenntnis der schweren Löslichkeit von CTPHT abgegeben worden ist. So hat der RAC die schwere Löslichkeit von CTPHT auf S. 92 des Hintergrundpapiers angesprochen, da es dort heißt, dass für die Zwecke der Summierungsmethode die Wasserlöslichkeit aller PAK angenommen werde und diese Vermutung wahrscheinlich zu einer Überschätzung der Toxizität von CTPHT beitrage. Gleichzeitig hat der RAC in seiner Stellungnahme jedoch erläutert, dass eine solche Toxizität als schlimmster anzunehmender Fall (worst case) betrachtet werden könne, da die Zusammensetzung von CTPHT ungewiss sei und nicht ausgeschlossen werden könne, dass andere Bestandteile von CTPHT zur Toxizität von CTPHT als solchem beitrügen. Die Stellungnahme des RAC enthält somit eine Erklärung, die sich zumindest auf das Spannungsverhältnis zwischen der Vermutung, dass alle PAK wasserlöslich sind, einerseits und der schweren Wasserlöslichkeit von CTPHT andererseits bezieht.

106    Nach alledem ist im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen, dass jede durchschnittlich umsichtige und sorgfältige Verwaltung es vor dem Hintergrund des geltenden komplexen Rechtsrahmens für notwendig gehalten hätte, derart an der Plausibilität der Stellungnahme des RAC zu zweifeln, dass sie zugunsten der Berücksichtigung eines in der Verordnung Nr. 1272/2008 nicht ausdrücklich vorgesehenen Kriteriums von ihr hätte abweichen müssen. Der Umstand, dass CTPHT ein Stoff mit unbekannter und komplexer Zusammensetzung ist, stellte insoweit einen besonderen Zwang dar, dem sich die Kommission zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung Nr. 944/2013 ausgesetzt sah. Die Tatsache, dass eine Verwaltung vorsichtshalber der Stellungnahme einer Sachverständigengruppe wie dem RAC folgt, die überdies im Konsensverfahren angenommen worden war und auf der Feststellung der Gefahr einer Unterschätzung der Toxizität von CTPHT beruhte, da es auf S. 92 der Stellungnahme hieß, dass es sich in einer Situation, in der der Beitrag der anderen Bestandteile zur aquatischen Toxizität von CTPHT unbekannt sei, bei dieser Gefahr um den schlimmsten anzunehmenden Fall (worst case) handele, kann in einer solchen Situation der Ungewissheit hinsichtlich der genauen Zusammensetzung von CTPHT zumindest nicht als unentschuldbarer Fehler angesehen werden.

107    In diesem Zusammenhang sei erneut daran erinnert, dass es nach Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1272/2008 Zweck der Einstufung von Stoffen und Gemischen wie CTPHT ist, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt zu gewährleisten. Zudem kann über den Vorsorgegrundsatz, auf dem u. a. die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1907/2006 beruhen, bei der Einstufung von chemischen Stoffen und Gemischen, die einen Bereich darstellt, der eng mit dem Bereich verknüpft ist, auf den sich die Verordnung Nr. 1907/2006 bezieht, nicht hinweggegangen werden, obwohl er in der Verordnung Nr. 1272/2008 nicht ausdrücklich erwähnt wird. Der Vorsorgegrundsatz, der ein allgemeiner Rechtsgrundsatz des Unionsrechts ist, ermächtigt die zuständigen Behörden im Fall von Unsicherheiten, geeignete Maßnahmen zur Vermeidung bestimmter potenzieller Risiken für die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt zu ergreifen, ohne dass abgewartet werde müsste, dass das Bestehen und die Schwere dieser Risiken vollständig dargelegt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. April 2014, Acino/Kommission, C‑269/13 P, EU:C:2014:255, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

108    Unter den genannten rechtlichen Rahmenbedingungen überträgt die Verordnung Nr. 1272/2008 der Kommission die Zuständigkeit für die Einstufung chemischer Stoffe. Wie durch die vorliegende Rechtssache veranschaulicht wird, kann sich aus der Ausübung dieser Zuständigkeit die Notwendigkeit ergeben, Schlussfolgerungen zur Toxizität komplexer Stoffe zu ziehen. Die Ausübung der Zuständigkeit liefe jedoch tatsächlich Gefahr, zum Nachteil der vorstehend erwähnten Ziele beeinträchtigt zu werden, wenn eine Entscheidung über die Einstufung komplexer Stoffe geeignet wäre, die außervertragliche Haftung der Union auszulösen, ohne dass neben der Komplexität des geltenden Rechtsrahmens auch die wissenschaftliche Komplexität und die Unsicherheit, die sich daraus ergeben, als Faktoren gelten würden, die einen potenziellen Fehler entschuldigen könnten.

109    Jedenfalls stellt der von der Kommission begangene Fehler kein an Willkür grenzendes Verhalten im Sinne des Urteils vom 5. Dezember 1979, Amylum und Tunnel Refineries/Rat und Kommission (116/77 und 124/77, EU:C:1979:273), dar. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin lässt das hohe Ergebnis, zu dem die Anwendung der Summierungsmethode im vorliegenden Fall geführt hat, nicht den Schluss zu, dass die Kommission ein an Willkür grenzendes Verhalten an den Tag gelegt hätte. Zwar hat der Gerichtshof auf das Ergebnis von 14 521 % als Indikator für eine Konstellation verwiesen, in der die Summierungsmethode an Zuverlässigkeit verliere. Gleichwohl ist dieses auf den ersten Blick – insbesondere verglichen mit der für die Feststellung einer akuten und chronischen Toxizität der Kategorie 1 erforderlichen Schwelle von 25 % – auffällige Ergebnis von 14 521 % das mathematisch notwendige Ergebnis der Anwendung der Summierungsmethode, da einige Bestandteile von CTPHT einen sehr hohen M-Faktor aufweisen. Beispielsweise ist festzustellen, dass auf einige Bestandteile von CTPHT, wie im vorliegenden Fall auf Fluoranthen, ein M-Faktor von 10 000 angewandt worden ist. Folglich gibt es keinen Grund für die Annahme, dass das hohe Ergebnis einer solchen Berechnung per se die Unentschuldbarkeit des von der Kommission begangenen Fehlers belegt. Da die Kommission zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung Nr. 944/2013 vernünftigerweise glauben konnte, dass sie auf der Grundlage der Summierungsmethode und angesichts der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Einstufung von CTPHT, die durch das Ziel gekennzeichnet sind, ein hohes Schutzniveau für die Umwelt unter voller Wahrung des Vorsorgegrundsatzes zu gewährleisten, bei dieser Einstufung über kein Ermessen verfüge, erscheint die Tatsache, dass sie das Ergebnis von 14 521 % bei Vorliegen sehr hoher M-Faktoren wie hier nicht dazu bewegt hat, ihre Anwendung der Summierungsmethode in Frage zu stellen, vielmehr entschuldbar.

110    Die Kommission hat daher ein Verhalten an den Tag gelegt, das eher einem Verhalten, das von einer durchschnittlich umsichtigen und sorgfältigen Verwaltung erwartet werden könnte, als einem an Willkür grenzenden Verhalten einer Verwaltung gleicht. In einer vergleichbaren Situation wäre es ohne eine in der Verordnung Nr. 1272/2008 ausdrücklich vorgesehene Alternativmethode nämlich nicht völlig überraschend gewesen, dass eine Verwaltung die Ansicht vertreten kann, dass sie sich der Gefahr einer Nichtigerklärung aussetzen würde, wenn sie sich dazu entschließen würde, andere Faktoren als die in Anhang I der Verordnung Nr. 1272/2008, insbesondere in dessen Abschnitt 4.1.3.5.5, ausdrücklich vorgesehenen zu berücksichtigen.

111    Im Übrigen ist festzustellen, dass sich weder das Gericht noch der Gerichtshof zu der Frage geäußert haben, ob die Einstufung von CTPHT als Aquatisch Akut 1 (H400) und Aquatisch Chronisch 1 (H410) sachlich richtig oder falsch war. Wie auch Generalanwalt Bobek in Nr. 70 seiner Schlussanträge in der Rechtssache Kommission/Bilbaína de Alquitranes u. a. (C‑691/15 P, EU:C:2017:646) bemerkt hat, bezog sich der Rechtsstreit nicht auf die Richtigkeit der Einstufung von CTPHT, sondern ausschließlich auf die Frage, welche Faktoren bei der Anwendung der Summierungsmethode hätten berücksichtigt werden müssen. Es ist insbesondere nicht ausgeschlossen, dass die Kommission selbst dann zum gleichen Ergebnis betreffend die Einstufung von CTPHT als Aquatisch Akut 1 (H400) und Aquatisch Chronisch 1 (H410) gelangt wäre, wenn sie die schwere Wasserlöslichkeit von CTPHT berücksichtigt hätte.

112    Hierzu ist auch festzustellen, dass im Anschluss an das Urteil vom 22. November 2017, Kommission/Bilbaína de Alquitranes u. a. (C‑691/15 P, EU:C:2017:882), keine neue Einstufungsinitiative gestartet worden ist. Wie die Kommission in Beantwortung einer diesbezüglichen schriftlichen Frage des Gerichts erläutert hat, lässt sich das Fehlen einer neuen Einstufung einerseits u. a. damit erklären, dass CTPHT als weniger prioritär angesehen werden könnte, da es aufgrund seiner karzinogenen Eigenschaften, seiner persistenten, bioakkumulierbaren und toxischen Eigenschaften sowie seiner sehr persistenten und sehr bioakkumulierbaren Eigenschaften gemäß der Verordnung (EU) 2017/999 der Kommission vom 13. Juni 2017 zur Änderung von Anhang XIV der Verordnung Nr. 1907/2006 (ABl. 2017, L 150, S. 7) in diesen Anhang aufgenommen worden ist und seine Verwendung ab dem 4. Oktober 2020 daher folglich einem Genehmigungsverfahren unterzogen werden muss. Andererseits hat die Kommission als möglichen Grund die Tatsache angeführt, dass die Frage der korrekten Anwendung der Summierungsmethode auf einen schwer wasserlöslichen Stoff oder ein schwer wasserlösliches Gemisch im Anschluss an das genannte Urteil des Gerichtshofs offengeblieben ist.

113    Zwar steht der hypothetische Charakter der Frage, weshalb keine neue Einstufung erfolgt ist, einer abschließenden Beurteilung ihrer Relevanz für den vorliegenden Fall entgegen. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass die Tatsache, dass der vom Gericht und später vom Gerichtshof festgestellte Fehler der Kommission nicht durch eine neue Einstufung korrigiert worden ist, veranschaulichen kann, welche Schwierigkeiten mit der korrekten Anwendung der Summierungsmethode verbunden sind. Auch der Umstand, dass der von der Kommission begangene Fehler, wie im vorliegenden Fall möglicherweise zum Ausdruck kommt, nur schwer zu korrigieren ist, steht daher einer Einstufung dieses Fehlers als unentschuldbar entgegen.

114    Anders als die Klägerin vorzubringen scheint, kann schließlich die Tatsache, dass die Kommission ihre Verfahrensrechte ausgeübt hat, indem sie dem Antrag auf Aussetzung des Vollzugs entgegengetreten ist und ein Rechtsmittel gegen das Urteil vom 7. Oktober 2015, Bilbaína de Alquitranes u. a./Kommission (T‑689/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:767), eingelegt hat, keinen den begangenen Fehler verschlimmernden Faktor darstellen. Insoweit kann von jeder durchschnittlich umsichtigen und sorgfältigen Verwaltung in einer ähnlichen Situation vernünftigerweise erwartet werden, dass sie ein Rechtsmittel einlegt, um vom Gerichtshof eine Klärung hinsichtlich des Umfangs ihrer Verpflichtungen bei der Einstufung komplexer Stoffe zu erhalten. Im Übrigen ist zu bemerken, dass das Urteil vom 22. November 2017, Kommission/Bilbaína de Alquitranes u. a. (C‑691/15 P, EU:C:2017:882), eine Reihe von Auslegungselementen enthält, die die Analyse des Urteils vom 7. Oktober 2015, Bilbaína de Alquitranes u. a./Kommission (T‑689/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:767), zumindest ergänzen.

115    Im Licht des Vorstehenden stellt sich der von der Kommission begangene Fehler somit als entschuldbar dar. Angesichts des Mangels an Klarheit und der Schwierigkeiten bei der Auslegung der in Anhang I der Verordnung Nr. 1272/2008 befindlichen einschlägigen Bestimmungen hinsichtlich der Berücksichtigung anderer als der bei der Anwendung der Summierungsmethode ausdrücklich vorgesehenen Faktoren ist das Verhalten der Kommission nicht weit von dem Verhalten entfernt, das von einer durchschnittlich umsichtigen und sorgfältigen Verwaltung in einer ähnlichen Situation, nämlich einer durch eine wissenschaftliche Komplexität im Zusammenhang mit der Einstufung eines Stoffes mit unbekannter Zusammensetzung wie CTPHT gekennzeichneten Situation, mit dem Ziel, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt zu gewährleisten, vernünftigerweise erwartet werden könnte. Ein solches Verhalten ist nicht gleichbedeutend mit einer offenkundigen und erheblichen Überschreitung der dem Ermessen der Kommission gesetzten Grenzen. Daher stellt der begangene Fehler keinen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift dar, so dass die außervertragliche Haftung der Union jedenfalls im vorliegenden Fall nicht ausgelöst wird. Diese Feststellung gilt sowohl für den Verstoß gegen die Summierungsmethode als auch – darüber hinaus und aus den vorstehend dargelegten Gründen – für die geltend gemachte Verletzung der Sorgfaltspflicht.

116    Da die Klägerin das Vorliegen eines hinreichend qualifizierten Verstoßes gegen eine Rechtsvorschrift, die geeignet ist, die außervertragliche Haftung der Union auszulösen, nicht nachgewiesen hat, ist der Schadensersatzantrag als unbegründet zurückzuweisen, ohne dass es notwendig ist, auf die Frage des Verstoßes gegen eine Vorschrift, die dem Einzelnen Rechte verleiht, zurückzukommen oder die Voraussetzungen für das Bestehen eines tatsächlichen und sicheren Schadens sowie eines Kausalzusammenhangs zu prüfen.

117    Demnach ist der erste Antrag als jedenfalls unbegründet zurückzuweisen, so dass auch alle übrigen Anträge zurückzuweisen sind und letztendlich die Klage insgesamt abgewiesen werden muss.

 Kosten

118    Gemäß Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kommission aufzuerlegen.

119    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. f der Verfahrensordnung bezeichnet der Begriff „Organe“ die in Art. 13 Abs. 1 EUV genannten Organe der Union und die Einrichtungen oder sonstigen Stellen, die durch die Verträge oder einen zu deren Durchführung erlassenen Rechtsakt geschaffen worden sind und die in Verfahren vor dem Gericht Partei sein können. Nach Art. 100 der Verordnung Nr. 1907/2006 ist die ECHA eine Einrichtung der Union. Folglich tragen das Königreich Spanien und die ECHA ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Industrial Química del Nalón SA trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Europäischen Kommission.

3.      Das Königreich Spanien und die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) tragen ihre eigenen Kosten.

Svenningsen

Barents

Mac Eochaidh

Pynnä

 

      Laitenberger

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. Dezember 2020.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.