Language of document : ECLI:EU:T:2017:616

Vorläufige Fassung

BESCHLUSS DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

13. September 2017(*)

„Nichtigkeitsklage – EFRE – Kürzung einer finanziellen Beteiligung – Nichteinhaltung der Frist für den Erlass einer Entscheidung – Verletzung wesentlicher Formvorschriften – Offensichtlich begründete Klage“

In der Rechtssache T‑97/09

Bundesrepublik Deutschland, zunächst vertreten durch M. Lumma, C. Blaschke und T. Henze, dann durch T. Henze und J. Möller als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt C. von Donat,

Klägerin,

unterstützt durch

Königreich Spanien, zunächst vertreten durch Rechtsanwalt J. Rodríguez Cárcamo, dann durch A. Rubio González, Abogado del estado, und schließlich durch V. Ester Casas als Bevollmächtigte,

und durch

Königreich der Niederlande, zunächst vertreten durch C. Wissels und Y. de Vries, dann durch J. Langer und B. Koopman als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch B. Conte, A. Steiblytė und B.‑R. Killmann als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung der Entscheidung K(2008) 8465 endgültig der Kommission vom 19. Dezember 2008 über die Kürzung des Beitrags aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) für ein operationelles Programm in der Ziel-1-Region Land Sachsen in der Bundesrepublik Deutschland (1994-1999) gemäß der Entscheidung K(94) 1939/4 der Kommission vom 5. August 1994, der Entscheidung K(94) 2273/4 der Kommission vom 22. August 1994 und der Entscheidung K(94) 1425 der Kommission vom 6. September 1994

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten D. Gratsias, der Richterin I. Labucka (Berichterstatterin) und des Richters I. Ulloa Rubio,

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

 Rechtlicher Rahmen

1        Für die Programmplanungszeiträume 1989–1993 und 1994–1999 wurden die Regeln für Strukturfonds (insbesondere in Bezug auf Ziele, Programmierung, Zahlungen, Verwaltung, Kontrolle und Finanzkorrekturen) u. a. in der Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 des Rates vom 24. Juni 1988 über Aufgaben und Effizienz der Strukturfonds und über die Koordinierung ihrer Interventionen untereinander sowie mit denen der Europäischen Entwicklungsbank und der anderen vorhandenen Finanzinstrumente (ABl. 1988, L 185, S. 9), die u. a. durch die Verordnung (EWG) Nr. 2081/93 des Rates vom 20. Juli 1993 (ABl. 1993, L 193, S. 5) geändert wurde, sowie in der Verordnung (EWG) Nr. 4253/88 des Rates vom 19. Dezember 1988 zur Durchführung der Verordnung Nr. 2052/88 hinsichtlich der Koordinierung der Interventionen der verschiedenen Strukturfonds einerseits und zwischen diesen und den Interventionen der Europäischen Investitionsbank und der sonstigen vorhandenen Finanzinstrumente andererseits (ABl. 1988, L 374, S. 1) in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2082/93 des Rates vom 20. Juli 1993 (ABl. 1993, L 193, S. 20) geänderten Fassung niedergelegt.

2        Art. 24 der Verordnung Nr. 4253/88 bestimmt:

„(1)      Wird eine Aktion oder eine Maßnahme so ausgeführt, dass die gewährte finanzielle Beteiligung weder teilweise noch insgesamt gerechtfertigt erscheint, so nimmt die Kommission eine entsprechende Prüfung des Falls im Rahmen der Partnerschaft vor und fordert insbesondere den Mitgliedstaat oder die von ihm für die Durchführung der Aktion benannten Behörden auf, sich innerhalb einer bestimmten Frist dazu zu äußern.

(2)      Nach dieser Prüfung kann die Kommission die finanzielle Beteiligung an der betreffenden Aktion oder Maßnahme kürzen oder aussetzen, wenn durch die Prüfung bestätigt wird, dass eine Unregelmäßigkeit oder eine erhebliche Veränderung der Art oder der Durchführungsbedingungen der Aktion oder Maßnahme vorliegt und diese Veränderung der Kommission nicht zur Zustimmung unterbreitet wurde.

…“

3        Die Verordnungen Nrn. 2052/88 und 4253/88 wurden mit Wirkung vom 1. Januar 2000 durch die Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 mit allgemeinen Bestimmungen über die Strukturfonds (ABl. 1999, L 161, S. 1) ersetzt.

4        Art. 39 („Finanzkorrekturen“) Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1260/1999 sieht vor:

„(2)      Wenn die Kommission nach Abschluss der erforderlichen Überprüfungen feststellt, dass

a)      ein Mitgliedstaat seinen Verpflichtungen gemäß Absatz 1 nicht nachgekommen ist oder

b)      eine Intervention insgesamt oder zum Teil die Beteiligung der Fonds weder ganz noch teilweise rechtfertigt oder

c)      bei den Verwaltungs- und Kontrollsystemen beträchtliche Mängel vorliegen, die zu systematischen Unregelmäßigkeiten führen könnten,

so setzt die Kommission die ausstehenden Zwischenzahlungen aus und fordert den Mitgliedstaat unter Angabe ihrer Gründe auf, sich innerhalb einer bestimmten Frist zu äußern und gegebenenfalls alle erforderlichen Korrekturen vorzunehmen.

Erhebt der Mitgliedstaat Einwände gegen die Bemerkungen der Kommission, so wird er von der Kommission zu einer Anhörung eingeladen, bei der beide Seiten in Zusammenarbeit auf der Grundlage der Partnerschaft bemüht sind, zu einer Einigung über die Bemerkungen und die daraus zu ziehenden Schlüsse zu gelangen.

(3)      Kommt nach Ablauf des von der Kommission festgelegten Zeitraums keine Einigung zustande und hat der Mitgliedstaat bis dahin keine Korrekturen vorgenommen, so kann die Kommission unter Berücksichtigung etwaiger Bemerkungen des Mitgliedstaats innerhalb von drei Monaten beschließen,

a)      die Vorauszahlung gemäß Artikel 32 Absatz 2 zu kürzen oder

b)      die erforderlichen Finanzkorrekturen vorzunehmen und die Fondsbeteiligung für die betreffende Intervention ganz oder teilweise zu streichen.“

5        Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 448/2001 der Kommission vom 2. März 2001 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung Nr. 1260/1999 hinsichtlich des Verfahrens für die Vornahme von Finanzkorrekturen bei Strukturfondsinterventionen(ABl. 2001, L 64, S. 13) bestimmt:

„Wenn der Mitgliedstaat Einwendungen gegen die Bemerkungen der Kommission erhebt und eine Anhörung gemäß Artikel 39 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 stattfindet, läuft die Frist von drei Monaten, binnen der die Kommission einen Beschluss nach Artikel 39 Absatz 3 der vorgenannten Verordnung fasst, ab dem Tag der Anhörung.“

6        Gemäß Art. 52 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1260/1999 berührt diese Verordnung weder die Fortsetzung noch die Änderung, einschließlich der vollständigen oder teilweisen Aufhebung, einer Intervention, die vom Rat der Europäischen Union oder von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften auf der Grundlage der Verordnungen Nrn. 2052/88 und 4253/88 sowie jeder sonstigen für diese Intervention am 31. Dezember 1999 geltenden Rechtsvorschrift genehmigt worden ist.

7        Die Verordnung Nr. 1260/1999 wurde aufgehoben durch die Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates vom 11. Juli 2006 mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds (ABl. 2006, L 210, S. 25).

8        Art. 100 („Verfahren“) der Verordnung Nr. 1083/2006 lautet:

„(1)      Bevor die Kommission eine finanzielle Berichtigung beschließt, eröffnet sie das Verfahren, indem sie den Mitgliedstaat über ihre vorläufigen Schlussfolgerungen in Kenntnis setzt und ihn auffordert, sich binnen zwei Monaten zu äußern.

Wenn die Kommission eine extrapolierte oder pauschale finanzielle Berichtigung vorschlägt, erhält der Mitgliedstaat Gelegenheit, durch eine Prüfung der betreffenden Unterlagen nachzuweisen, dass der tatsächliche Umfang der Unregelmäßigkeit geringer war als von der Kommission veranschlagt. In Abstimmung mit der Kommission kann der Mitgliedstaat den Umfang dieser Prüfung auf einen angemessenen Anteil oder eine Stichprobe in den betreffenden Unterlagen begrenzen. Außer in hinreichend begründeten Fällen wird für diese Prüfung eine Frist von bis zu zwei weiteren Monaten ab dem Ende der in Unterabsatz 1 genannten Zweimonatsfrist eingeräumt.

(2)      Die Kommission berücksichtigt jedes Beweismaterial, das der Mitgliedstaat innerhalb der in Absatz 1 genannten Frist vorlegt.

(3)      Erhebt der Mitgliedstaat Einwände gegen die vorläufigen Schlussfolgerungen der Kommission, so wird er von der Kommission zu einer Anhörung eingeladen, bei der beide Seiten in partnerschaftlicher Zusammenarbeit bemüht sind, zu einer Einigung über die Feststellungen und die daraus zu ziehenden Schlüsse zu gelangen.

(4)      Im Falle einer Einigung kann der Mitgliedstaat die betreffenden Gemeinschaftsmittel gemäß Artikel 98 Absatz 2 Unterabsatz 2 wieder einsetzen.

(5)      Kommt keine Einigung zustande, so entscheidet die Kommission binnen sechs Monaten nach der Anhörung über die finanzielle Berichtigung, wobei sie alle Informationen und Bemerkungen berücksichtigt, die ihr im Zuge des Verfahrens übermittelt wurden. Findet keine Anhörung statt, so beginnt die Sechsmonatsfrist zwei Monate nach dem Datum des von der Kommission versandten Einladungsschreibens.“

9        Art. 105 („Übergangsvorschriften“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1083/2006 bestimmt:

„Diese Verordnung berührt weder die Fortsetzung noch die Änderung, einschließlich der vollständigen oder teilweisen Aufhebung, einer durch die Strukturfonds kofinanzierten Intervention oder eines durch den Kohäsionsfonds kofinanzierten Projekts, die von der Kommission auf der Grundlage der Verordnungen (EWG) Nr. 2052/88 …, (EWG) Nr. 4253/88 …, (EG) Nr. 1164/94 … und (EG) Nr. 1260/1999 sowie jeder sonstigen für diese Interventionen am 31. Dezember 2006 geltenden Rechtsvorschrift genehmigt worden sind und für die dementsprechend bis zu dem Abschluss [der] betreffenden Förderung oder Projekte die genannten Rechtsvorschriften gelten.“

10      Art. 108 („Inkrafttreten“) der Verordnung Nr. 1083/2006 sieht vor:

„Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Die Artikel 1 bis 16, 25 bis 28, 32 bis 40, 47 bis 49, 52 bis 54, 56, 58 bis 62, 69 bis 74, 103 bis 105 und 108 gelten ab dem Tag des Inkrafttretens dieser Verordnung nur für Programme für den Zeitraum 2007-2013. Die übrigen Vorschriften gelten ab dem 1. Januar 2007.“

11      Die Verordnung Nr. 1083/2006 wurde aufgehoben durch die Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds (ABl. 2013, L 347, S. 320, berichtigt in ABl. 2016, L 200, S. 140).

12      In Bezug auf finanzielle Berichtigungen bestimmt Art. 145 der Verordnung Nr. 1303/2013:

„(1)      Bevor die Kommission eine finanzielle Berichtigung beschließt, eröffnet sie das Verfahren, indem sie den Mitgliedstaat über ihre vorläufigen Schlussfolgerungen in Kenntnis setzt und ihn auffordert, sich binnen zwei Monaten zu äußern.

(2)      Wenn die Kommission eine extrapolierte oder pauschale finanzielle Berichtigung vorschlägt, erhält der Mitgliedstaat Gelegenheit, durch eine Prüfung der betreffenden Unterlagen nachzuweisen, dass der tatsächliche Umfang der Unregelmäßigkeit geringer war als von der Kommission veranschlagt. In Abstimmung mit der Kommission kann der Mitgliedstaat den Umfang dieser Prüfung auf einen angemessenen Anteil oder eine Stichprobe in den betreffenden Unterlagen begrenzen. Außer in hinreichend begründeten Fällen wird für diese Prüfung eine Frist von bis zu zwei weiteren Monaten ab dem Ende der in Absatz 1 genannten Zweimonatsfrist eingeräumt.

(3)      Die Kommission berücksichtigt sämtliches Beweismaterial, das der Mitgliedstaat ihr innerhalb der in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen vorlegt.

(4)      Erhebt der Mitgliedstaat Einwände gegen die vorläufigen Schlussfolgerungen der Kommission, so wird er von der Kommission zu einer Anhörung eingeladen, damit gewährleistet ist, dass der Kommission alle Informationen und Anmerkungen vorliegen, auf deren Grundlage sie Schlussfolgerungen bezüglich der Vornahme der finanziellen Berichtigung treffen kann.

(5)      Im Falle einer Einigung kann der Mitgliedstaat unbeschadet des Absatzes 7 dieses Artikels die betreffenden Fonds oder den [Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF)] gemäß Artikel 143 Absatz 3 wieder einsetzen.

(6)      Zur Vornahme der finanziellen Berichtigung erlässt die Kommission mittels Durchführungsrechtsakten einen Beschluss, und zwar binnen sechs Monaten nach dem Datum der Anhörung oder nach Eingang der zusätzlichen Informationen, falls der Mitgliedstaat sich während der Anhörung dazu bereit erklärt hatte, solche vorzulegen. Die Kommission berücksichtigt alle Informationen und Anmerkungen, die ihr im Zuge des Verfahrens übermittelt wurden. Findet keine Anhörung statt, so beginnt die Sechsmonatsfrist zwei Monate nach dem Datum des hierzu von der Kommission versandten Einladungsschreibens.

(7)      Deckt die Kommission in Wahrnehmung ihrer Zuständigkeiten nach Artikel 75 oder der Europäische Rechnungshof Unregelmäßigkeiten auf, die gravierende Mängel in der effektiven Funktionsweise der Verwaltungs- und Kontrollsysteme erkennen lassen, wird die sich daraus ergebende finanzielle Berichtigung durch eine entsprechende Kürzung der Unterstützung aus den Fonds oder dem EMFF für das operationelle Programm vorgenommen.

Der erste Unterabsatz gilt nicht im Falle eines gravierenden Mangels bei der wirksamen Funktionsweise eines Verwaltungs- und Kontrollsystems, der vor dem Datum der Aufdeckung durch die Kommission oder den Europäischen Rechnungshof:

a)      in der Zulässigkeitserklärung, dem jährlichen Kontrollbericht oder dem Bestätigungsvermerk, die der Kommission in Übereinstimmung mit Artikel 59 Absatz 5 der Haushaltsordnung vorgelegt wurden, oder in anderen der Kommission vorgelegten Prüfberichten der Prüfbehörden festgestellt wurde und gegen den angemessene Maßnahmen ergriffen wurden oder

b)      gegen den der Mitgliedstaat [geeignete] Abhilfemaßnahmen ergriffen hat.

Grundlage für die Bewertung der gravierenden Mängel bei der Funktionsweise der Verwaltungs- und Kontrollsysteme [ist] das geltende Recht zum Zeitpunkt der Vorlage der relevanten Verwaltungserklärungen, jährlichen Kontrollberichte und Bestätigungsvermerke.

Bei der Entscheidung über eine finanzielle Berichtigung hat die Kommission auf Folgendes zu achten:

a)      Sie wahrt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, indem sie Art und Schweregrad des gravierenden Mangels bei der Funktionsweise des Verwaltungs- und Kontrollsystems und seine finanziellen Auswirkungen auf den Haushalt der Union berücksichtigt.

b)      Für die Vornahme einer pauschalen oder extrapolierten Korrektur berücksichtigt sie weder mit Unregelmäßigkeiten behaftete Ausgaben, die bereits von dem Mitgliedstaat entdeckt worden sind und für die Anpassungen am Rechnungsabschluss gemäß Artikel 139 Absatz 10 vorgenommen wurden, noch Ausgaben, die einer laufenden Bewertung ihrer Recht- und Ordnungsmäßigkeit nach Artikel 137 Absatz 2 unterliegen.

c)      Sie berücksichtigt die von dem Mitgliedstaat an den Ausgaben vorgenommenen pauschalen oder extrapolierten Korrekturen aufgrund anderer gravierender Mängel, die der Mitgliedstaat bei der Bestimmung des Restrisikos für den Haushalt der Union entdeckt hat.

(8)      In den fondsspezifischen Regelungen für den EMFF können weitere Verfahrensregelungen für finanzielle Berichtigungen gemäß Artikel 144 Absatz 7 festgehalten werden.“

13      Art. 152 der Verordnung Nr. 1303/2013 lautet:

„(1)      Diese Verordnung berührt weder die Fortsetzung noch die Änderung, einschließlich der vollständigen oder teilweisen Einstellung, der Unterstützung, die von der Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 oder einer anderen Rechtsvorschrift, die am 31. Dezember 2013 für diese Unterstützung galt, genehmigt wurde. Jene Verordnung bzw. derartige andere Rechtsvorschriften finden daher bis zur Beendigung der Unterstützung oder der betreffenden Vorhaben nach dem 31. Dezember 2013 weiterhin Anwendung. Im Sinne dieses Absatzes umfasst ‚Unterstützung‘ operationelle Programme und Großprojekte.

(2)      Anträge auf Unterstützung, die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 gestellt oder genehmigt wurden, bleiben gültig.

(3)      Macht ein Mitgliedstaat von der Option nach Artikel 123 Absatz 3 Gebrauch, so kann er bei der Kommission beantragen, dass abweichend von Artikel 59 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 die Verwaltungsbehörde die Funktionen der Bescheinigungsbehörde für die entsprechenden operationellen Programme wahrnimmt, die auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 durchgeführt werden. Dem Antrag ist eine Bewertung durch die Prüfbehörde beizufügen. Gelangt die Kommission auf der Grundlage der Informationen, die ihr von der Prüfbehörde übermittelt wurden und die sich aus ihren eigenen Prüfungen ergeben, zu der Einschätzung, dass die Verwaltungs- und Kontrollsysteme dieser operationellen Programme wirksam funktionieren und dies nicht dadurch beeinträchtigt wird, dass die Verwaltungsbehörde die Funktionen der Bescheinigungsbehörde wahrnimmt, so unterrichtet sie den Mitgliedstaat binnen zwei Monaten nach Erhalt des Antrags über ihre Zustimmung.“

14      Art. 153 der Verordnung Nr. 1303/2013 sieht vor:

„(1)      Unbeschadet der Bestimmungen des Artikels 152 wird die Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 mit Wirkung vom 1. Januar 2014 aufgehoben.

(2)      Bezugnahmen auf die aufgehobene Verordnung gelten als Bezugnahmen auf die vorliegende Verordnung und sind gemäß der Entsprechungstabelle in Anhang XIV zu lesen.“

15      Art. 154 der Verordnung Nr. 1303/2013 bestimmt:

„Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Die Artikel 20 bis 24, Artikel 29 Absatz 3, Artikel 38 Absatz 1 Buchstabe a, Artikel 58, Artikel 60, Artikel 76 bis 92, Artikel 118, Artikel 120, Artikel 121 und Artikel 129 bis 147 gelten ab dem 1. Januar 2014.

Artikel 39 Absatz 2 Unterabsatz 7 zweiter Satz und Artikel 76 Absatz 5 gelten ab dem Datum, an dem die Änderung der Haushaltsordnung in Bezug auf die Aufhebung der Mittelbindungen in Kraft getreten ist.“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

16      Mit Entscheidungen vom 5. August, vom 22. August und vom 6. September 1994 genehmigte die Kommission verschiedene Programme für Interventionen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), des Europäischen Sozialfonds (ESF) und des Europäischen Fonds für Ausrichtung und Garantie in der Landwirtschaft (EAGFL) für die Ziel-1-Region Land Sachsen in der Bundesrepublik Deutschland (im Folgenden: Interventionen).

17      Am 5. August 1994 erließ die Kommission die Entscheidung K(94) 1939/4 über die Genehmigung des EFRE-dominierten operationellen Programms für die Ziel-1-Region Land Sachsen.

18      Diese Entscheidung sah eine Beteiligung der Strukturfonds von 2 081 244 000 Euro vor, davon 1 583 521 000 Euro aus dem EFRE. Die Entscheidung K(94) 1939/4 wurde u. a. durch die Entscheidung K(1999) 4923 vom 29. Dezember 1999 geändert, mit der die Beteiligung der Strukturfonds auf 2 169 919 000 Euro, davon 1 662 875 000 Euro aus dem EFRE, erhöht wurde.

19      Am 22. August 1994 erließ die Kommission die Entscheidung K(94) 2273/4, mit der das EAGFL-dominierte operationelle Programm für die Ziel-1-Region Land Sachsen genehmigt wurde.

20      Diese Entscheidung sah eine Beteiligung der Strukturfonds von 621 481 000 Euro vor, davon 100 701 000 Euro aus dem EFRE. Die Entscheidung K(94) 2273/4 wurde u. a. durch die Entscheidung K(1999) 4200 vom 7. Dezember 1999 geändert, mit der die Beteiligung der Strukturfonds auf 644 738 390 Euro, davon wieder 100 701 000 Euro aus dem EFRE, erhöht wurde.

21      Am 6. September 1994 erließ die Kommission die Entscheidung K(94) 1425, mit der das ESF‑dominierte operationelle Programm für die Ziel-1-Region Land Sachsen genehmigt wurde.

22      Diese Entscheidung sah eine Beteiligung der Strukturfonds von 659 812 000 Euro vor, davon 325 805 000 Euro aus dem EFRE. Die Entscheidung K(94) 1425 wurde u. a. durch die Entscheidung K(1999) 4285 vom 23. Dezember 1999 geändert, mit der die Beteiligung der Strukturfonds auf 657 716 000 Euro, davon 296 405 000 Euro aus dem EFRE, herabgesetzt wurde.

23      Mit Schreiben vom 22. Oktober, vom 12. November und vom 20. Dezember 2002 übermittelten die deutschen Behörden ihren Antrag auf endgültige Zahlung, dem eine endgültige Ausgabenerklärung beigefügt war.

24      Mit Schreiben vom 27. November 2002 übermittelten die deutschen Behörden auch den Vermerk gemäß Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 2064/97 der Kommission vom 15. Oktober 1997 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung Nr. 4253/88 hinsichtlich der Finanzkontrolle durch die Mitgliedstaaten bei von den Strukturfonds kofinanzierten Maßnahmen (ABl. 1997, L 290, S. 1) für die Interventionen.

25      In der Zeit von Mai bis November 2003 unternahm die Kommission im Rahmen ihrer Abschlussprüfung für die aus dem EFRE im Programmplanungszeitraum 1994–1999 kofinanzierten Programme mehrere Prüfbesuche.

26      Mit Schreiben vom 2. Dezember 2004 übermittelte die Kommission ihren Prüfbericht, der verschiedene Unregelmäßigkeiten aufzeigte.

27      Mit Schreiben vom 17. Februar 2005 nahmen die deutschen Behörden zu diesem Bericht Stellung und legten neue Informationen vor.

28      Mit Schreiben vom 26. Oktober 2005 übermittelte die Kommission ihre Schlussfolgerungen aus der Prüfung und kündigte die Einleitung des Verfahrens nach Art. 24 der Verordnung Nr. 4253/88 an.

29      Mit Schreiben vom 13. Januar 2006 erhoben die deutschen Behörden erneut Einspruch gegen die Anwendung pauschalierter und extrapolierter Finanzkorrekturen und legten weitere Informationen für die Rechtmäßigkeit der geförderten Ausgaben vor.

30      Mit Schreiben vom 13. und vom 26. Oktober 2006 übermittelte die Kommission ihre Schlussfolgerungen aus der gemäß Art. 24 der Verordnung Nr. 4253/88 durchgeführten Prüfung.

31      Im Anschluss an ein bilaterales Treffen, das am 10. November 2006 stattfand, übermittelten die deutschen Behörden mit Schreiben vom 13. Dezember 2006 und E‑Mail vom 31. August 2007 neue Bemerkungen und zusätzliche Nachweise.

32      Mit der Entscheidung K(2008) 8465 endgültig vom 19. Dezember 2008 über die Kürzung des Beitrags aus dem EFRE für ein operationelles Programm in der Ziel-1-Region Land Sachsen in der Bundesrepublik Deutschland (1994-1999) gemäß der Entscheidung K(94) 1939/4 der Kommission vom 5. August 1994, der Entscheidung K(94) 2273/4 der Kommission vom 22. August 1994 und der Entscheidung K(94) 1425 der Kommission vom 6. September 1994 kürzte die Kommission die finanzielle Beteiligung des EFRE an den Interventionen um 127 957 617,62 Euro, 22 290 833,65 Euro und 7 835 083,30 Euro (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

 Verfahren und Anträge der Parteien

33      Mit Klageschrift, die am 4. März 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Bundesrepublik Deutschland die vorliegende Klage erhoben.

34      Am 11. Mai 2010 hat die Kommission beantragt, die vorliegende Rechtssache mit den Rechtssachen T‑265/08, T‑270/08, T‑21/10, T‑104/10, T‑114/10 und T‑116/10, Deutschland/Kommission, zu verbinden bzw. das Verfahren auszusetzen, weil alle diese Rechtssachen eine Entscheidung beträfen, mit der sie im Rahmen des Abschlusses der letzten noch offenen Strukturfonds-Programme der Programmierungsperiode 1994–1999 finanzielle Berichtigungen vorgenommen habe.

35      Am 18. Mai 2010 hat die Bundesrepublik Deutschland beantragt, bestimmte Angaben in den Akten gegenüber dem Königreich Spanien vertraulich zu behandeln.

36      Mit am 23. April 2010 bzw. am 9. Juli 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Schriftsätzen haben das Königreich Spanien und das Königreich der Niederlande beantragt, im vorliegenden Verfahren als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Bundesrepublik Deutschland zugelassen zu werden. Mit Entscheidung vom 9. Juli 2010 hat der Präsident der Vierten Kammer des Gerichts zum einen das Königreich Spanien gemäß Art. 116 § 6 der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991 als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Bundesrepublik Deutschland zugelassen und zum anderen seine Entscheidung über den Antrag auf vertrauliche Behandlung im Hinblick auf die spätere Übermittlung des Sitzungsberichts vorbehalten.

37      Am 29. Juli 2010 hat die Bundesrepublik Deutschland beantragt, bestimmte Angaben in den Akten gegenüber dem Königreich der Niederlande vertraulich zu behandeln.

38      Mit Entscheidung vom 31. August 2010 hat der Präsident der Vierten Kammer des Gerichts zum einen das Königreich der Niederlande gemäß Art. 116 § 6 der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991 als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Bundesrepublik Deutschland zugelassen und zum anderen seine Entscheidung über den Antrag auf vertrauliche Behandlung im Hinblick auf die spätere Übermittlung des Sitzungsberichts vorbehalten.

39      Mit Beschluss vom 9. September 2010 hat der Präsident der Vierten Kammer des Gerichts entschieden, das Verfahren in der vorliegenden Rechtssache bis zum Ablauf der Fristen für die Einlegung von Rechtsmitteln gegen die Endentscheidungen des Gerichts in den Rechtssachen T‑265/08, Deutschland/Kommission, und T‑270/08, Deutschland/Kommission, oder bis zur Verkündung der Entscheidungen des Gerichtshofs über die gegen die Entscheidungen des Gerichts in den genannten Rechtssachen eingelegten Rechtsmittel auszusetzen.

40      Am 24. Juni 2015 hat der Gerichtshof das Urteil Deutschland/Kommission (C‑549/12 P und C‑54/13 P, EU:C:2015:412, im Folgenden: Rechtsmittelurteil) verkündet, mit dem er die in diesen Rechtssachen in Rede stehenden Finanzkorrekturentscheidungen in Bezug auf Finanzierungsprogramme aus der Zeit vor dem Jahr 2000 für nichtig erklärt hat, indem er von Amts wegen einen Verstoß der Kommission gegen die in Art. 100 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1083/2006 vorgesehene Sechsmonatsfrist festgestellt hat.

41      Mit dem Rechtsmittelurteil wurden ferner die Urteile vom 19. September 2012, Deutschland/Kommission (T‑265/08, EU:T:2012:434), und vom 21. November 2012, Deutschland/Kommission (T‑270/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:612), aufgehoben, soweit das Gericht die Klagen der Bundesrepublik Deutschland abgewiesen hatte.

42      Am 2. Juli 2015 hat das Gericht die Parteien aufgefordert, sich zu den Folgen zu äußern, die sich aus dem Rechtsmittelurteil für die vorliegende Rechtssache ergeben.

43      Am 14. bzw. am 16. Juli 2015 haben die Kommission und die Bundesrepublik Deutschland hierzu Stellung genommen.

44      Die Kommission hat das Gericht in ihrer Stellungnahme auf die Rechtsmittel hingewiesen, die gegen die Urteile vom 20. Januar 2015, Spanien/Kommission (T‑111/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:28), vom 20. Januar 2015, Spanien/Kommission (T‑109/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:29), und vom 15. Juli 2015, Portugal/Kommission (T‑314/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:493), eingelegt wurden, mit denen das Gericht die betreffenden Finanzkorrekturentscheidungen in Bezug auf Finanzierungsprogramme aus der Zeit vor dem Jahr 2000 wegen Verstoßes der Kommission gegen die in Art. 100 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1083/2006 vorgesehene Sechsmonatsfrist für nichtig erklärt hatte.

45      Am 16. Dezember 2015 hat das Gericht die Parteien aufgefordert, zu den Auswirkungen der von der Kommission gegen die Urteile vom 20. Januar 2015, Spanien/Kommission (T‑111/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:28), vom 20. Januar 2015, Spanien/Kommission (T‑109/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:29), und vom 15. Juli 2015, Portugal/Kommission (T‑314/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:493), eingelegten Rechtsmittel auf das vorliegende Verfahren im Hinblick auf eine eventuelle Aussetzung Stellung zu nehmen.

46      Mit Schreiben vom 5. Januar 2016 hat die Kommission erklärt, dass sie keine Einwände gegen eine Aussetzung des vorliegenden Verfahrens bis zur Verkündung der Entscheidungen des Gerichtshofs in den Rechtssachen C‑139/15 P und C‑140/15 P, Kommission/Spanien, und C‑495/15 P, Kommission/Portugal, erhebe.

47      Mit Schreiben vom 6. Januar 2016 hat die Bundesrepublik Deutschland dem Gericht mitgeteilt, dass sie gegen eine Aussetzung des vorliegenden Verfahrens sei, um es nicht weiter hinauszuzögern.

48      Mit Entscheidung vom 12. Januar 2016 hat der Präsident der Vierten Kammer des Gerichts entschieden, das Verfahren in der vorliegenden Rechtssache bis zur Verkündung der Entscheidungen des Gerichtshofs in den Rechtssachen C‑139/15 P und C‑140/15 P, Kommission/Spanien, und C‑495/15 P, Kommission/Portugal, auszusetzen.

49      Mit Urteilen vom 21. September 2016, Kommission/Spanien (C‑139/15 P, EU:C:2016:707), und vom 21. September 2016, Kommission/Spanien (C‑140/15 P, EU:C:2016:708), hat der Gerichtshof die gegen die Urteile vom 20. Januar 2015, Spanien/Kommission (T‑111/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:28), und vom 20. Januar 2015, Spanien/Kommission (T‑109/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:29), eingelegten Rechtsmittel zurückgewiesen.

50      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist die Berichterstatterin der Fünften Kammer zugeteilt worden, der deshalb die vorliegende Rechtssache zugewiesen worden ist.

51      Mit Schreiben vom 7. Oktober 2016 hat die Bundesrepublik Deutschland das Gericht gebeten, das Verfahren in der vorliegenden Rechtssache fortzusetzen.

52      Mit Schreiben vom 21. Oktober 2016 hat die Kommission dem Gericht mitgeteilt, dass sie keine Einwände gegen die Fortsetzung des vorliegenden Verfahrens habe.

53      Mit Beschluss vom 10. November 2016, Kommission/Portugal (C‑495/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:907), ist die Rechtssache C‑495/15 P nach der Rücknahme des Rechtsmittels durch die Kommission im Register des Gerichtshofs gestrichen worden.

54      Am 20. Dezember 2016 hat das Gericht die Parteien aufgefordert, zu den Auswirkungen der Urteile vom 21. September 2016, Kommission/Spanien (C‑139/15 P, EU:C:2016:707), und vom 21. September 2016, Kommission/Spanien (C‑140/15 P, EU:C:2016:708), auf die vorliegende Rechtssache Stellung zu nehmen.

55      Am 9. Januar 2017 haben die Bundesrepublik Deutschland und die Kommission ihre Stellungnahmen eingereicht.

56      Die Kommission hat die Auffassung vertreten, dass das Gericht über alle erforderlichen Angaben verfüge, um in der vorliegenden Rechtssache sein Urteil zu erlassen, während die Bundesrepublik Deutschland geltend gemacht hat, dass die angefochtene Entscheidung wegen der Nichtbeachtung der in Art. 100 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1083/2006 vorgesehenen Sechsmonatsfrist durch die Kommission für nichtig zu erklären sei.

57      Am 10. März 2017 hat das Gericht die Parteien aufgefordert, zu einer vom Gericht im Rahmen von Art. 132 seiner Verfahrensordnung von Amts wegen vorzunehmenden Berücksichtigung der geltend gemachten Verletzung wesentlicher Formvorschriften durch die Kommission Stellung zu nehmen.

58      Am 14. März 2017 hat die Kommission ihre Stellungnahme eingereicht und ausgeführt, dass das Gericht nach Art. 132 der Verfahrensordnung die Klage durch Beschluss für offensichtlich begründet erklären könne.

59      Am 23. März 2017 hat die Bundesrepublik Deutschland ihre Stellungnahme eingereicht und erneut geltend gemacht, dass die angefochtene Entscheidung wegen Verletzung wesentlicher Formvorschriften durch die Kommission für nichtig zu erklären sei.

60      Die Bundesrepublik Deutschland, unterstützt durch das Königreich Spanien und das Königreich der Niederlande, beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

61      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Bundesrepublik Deutschland die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

62      Hat der Gerichtshof oder das Gericht bereits über eine oder mehrere Rechtsfragen entschieden, die mit den durch die Klagegründe aufgeworfenen übereinstimmen, und stellt das Gericht fest, dass der Sachverhalt erwiesen ist, so kann es nach Art. 132 der Verfahrensordnung die Klage nach Abschluss des schriftlichen Verfahrens nach Anhörung der Parteien durch mit Gründen versehenen Beschluss, der einen Verweis auf die einschlägige Rechtsprechung enthält, für offensichtlich begründet erklären.

63      Vorliegend ist das Gericht der Ansicht, dass die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 132 der Verfahrensordnung erfüllt sind, und es beschließt, ohne Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden.

64      Zunächst macht die Bundesrepublik Deutschland zur Stützung ihrer Klage geltend, dass die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären sei, weil sie nach Ablauf der in Art. 100 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1083/2006 festgelegten gesetzlichen Frist von sechs Monaten erlassen worden sei.

65      Die Kommission ist der Auffassung, dass die Verordnung Nr. 1083/2006 nicht der maßgebende Rechtsrahmen für die Beurteilung der für Entscheidungen über finanzielle Berichtigungen für Programme vor dem Zeitraum 2007–2013 geltenden Verfahrensvorschriften sei.

66      Für die Beurteilung der Frage, ob im vorliegenden Fall die wesentlichen Formvorschriften beachtet worden seien, sei die Verordnung Nr. 4253/88 maßgebend, deren Art. 24 keinerlei Frist für den Erlass einer Entscheidung über eine finanzielle Berichtigung festlege.

67      Für den Fall, dass vorliegend die Verordnung Nr. 1083/2006 anwendbar sein sollte, macht die Kommission geltend, dass die in Art. 100 Abs. 5 dieser Verordnung festgelegten Fristen nur die Programme ab dem 1. Januar 2007 beträfen und nicht auf Programme vor diesem Zeitpunkt anwendbar seien.

68      Zudem ergebe sich aus Art. 105 der Verordnung Nr. 1083/2006, dass auf kofinanzierte Projekte, die in einem früheren Rechtsrahmen angenommen worden seien, bis zu ihrem Abschluss dieser Rechtsrahmen anwendbar bleibe.

69      Ferner bildeten verfahrensrechtliche und materiell-rechtliche Bestimmungen ein untrennbares Ganzes und könnten die in Art. 100 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1083/2006 festgelegten Fristen nicht rückwirkend angewandt werden.

70      Hierzu ist festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland den Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 100 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1083/2006 nicht in der Klageschrift, sondern in ihrer Stellungnahme zu den Auswirkungen des Rechtsmittelurteils auf die vorliegende Rechtssache geltend gemacht hat, so dass dieser Klagegrund als neuer Klagegrund anzusehen ist.

71      Unabhängig von der Frage der Zulässigkeit eines solchen neuen Klagegrundes ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung die Nichtbeachtung der Verfahrensvorschriften über den Erlass einer beschwerenden Maßnahme eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften darstellt, die vom Unionsrichter auch von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. Urteile vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑192/13 P, EU:C:2014:2156, Rn. 103 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑197/13 P, EU:C:2014:2157, Rn. 103 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72      Nach ständiger Rechtsprechung kann der Unionsrichter, außer in besonderen Fällen wie insbesondere denen, die in den Verfahrensordnungen der Unionsgerichte vorgesehen sind, seine Entscheidung nicht auf einen von Amts wegen geprüften Rechtsgrund stützen, sei er auch zwingenden Rechts, ohne die Parteien zuvor aufgefordert zu haben, sich dazu zu äußern (vgl. Rechtsmittelurteil, Rn. 93 und die dort angeführte Rechtsprechung).

73      In der vorliegenden Rechtssache hat das Gericht aber erstens, was die Frist für den Erlass einer Entscheidung über eine finanzielle Berichtigung betrifft, die Parteien nach der Verkündung des Rechtsmittelurteils, mit dem der Gerichtshof die dort in Rede stehenden Entscheidungen über finanzielle Berichtigungen in Bezug auf Finanzierungsprogramme aus der Zeit vor dem Jahr 2000 für nichtig erklärt hat, im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme befragt, indem es den Verstoß der Kommission gegen die in Art. 100 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1083/2006 vorgesehene Sechsmonatsfrist von Amts wegen geprüft hat.

74      Zweitens hat das Gericht nach den Urteilen vom 21. September 2016, Kommission/Spanien (C‑139/15 P, EU:C:2016:707), und vom 21. September 2016, Kommission/Spanien (C‑140/15 P, EU:C:2016:708), eine zweite prozessleitende Maßnahme erlassen.

75      Die Parteien hatten somit Gelegenheit, zur Anwendung der in Art. 100 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1083/2006 vorgesehenen Frist Stellung zu nehmen.

76      Weiter ist in Bezug auf die in der vorliegenden Rechtssache anwendbare Regelung darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 4253/88 mit Wirkung zum 1. Januar 2000 durch die Verordnung Nr. 1260/1999 aufgehoben wurde. Die letztgenannte Verordnung wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2007 durch die Verordnung Nr. 1083/2006 aufgehoben, die mit Wirkung zum 1. Januar 2014 durch die Verordnung Nr. 1303/2013 aufgehoben wurde.

77      Somit ist zunächst festzustellen, dass die Verordnung Nr. 1303/2013 in der vorliegenden Rechtssache nicht anwendbar ist, da die angefochtene Entscheidung im Jahr 2008 erlassen wurde.

78      Was sodann die Verordnung Nr. 1083/2006 betrifft, so sind zwar nach Art. 108 Abs. 2 dieser Verordnung verschiedene ihrer Bestimmungen auf Finanzierungsprogramme für den Zeitraum 2007–2013 anwendbar. Diese Vorschrift bestimmt aber auch, dass Art. 100 dieser Verordnung, der die Verfahrensfristen festlegt, ab dem 1. Januar 2007 gilt, ohne nähere Erläuterungen in Bezug auf den erfassten Finanzierungszeitraum zu geben.

79      Ferner ist Art. 100 der Verordnung Nr. 1083/2006 auch auf Programme vor dem Zeitraum 2007–2013 anwendbar, und zwar im Einklang mit dem Grundsatz, dass Verfahrensvorschriften unmittelbar nach ihrem Inkrafttreten anzuwenden sind (Urteile vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑192/13 P, EU:C:2014:2156, Rn. 98, vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑197/13 P, EU:C:2014:2157, Rn. 98, vom 22. Oktober 2014, Spanien/Kommission, C‑429/13 P, EU:C:2014:2310, Rn. 31, vom 4. Dezember 2014, Spanien/Kommission, C‑513/13 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2412, Rn. 48, und vom 24. Juni 2015, Spanien/Kommission, C‑263/13 P, EU:C:2015:415, Rn. 53; vgl. in diesem Sinne auch Rechtsmittelurteil, Rn. 84).

80      Diese Rechtsprechung wurde im Übrigen durch die Urteile vom 21. September 2016, Kommission/Spanien (C‑139/15 P, EU:C:2016:707, Rn. 89), und vom 21. September 2016, Kommission/Spanien (C‑140/15 P, EU:C:2016:708, Rn. 89), bestätigt, was die Kommission nicht bestreitet.

81      Im vorliegenden Fall dauerte das Verwaltungsverfahren, in dem die angefochtene Entscheidung über die Änderung der der Bundesrepublik Deutschland gewährten finanziellen Beteiligung für den Zeitraum 1994–1999 erlassen wurde, von 2003 bis 2008. Innerhalb dieses Zeitraums wurde am 1. Januar 2007 Art. 100 der Verordnung Nr. 1083/2006 anwendbar.

82      Allerdings geht aus den Akten des vorliegenden Verfahrens auch hervor, dass am 10. November 2006 in Brüssel (Belgien) eine Anhörung zwischen der Kommission und den Vertretern der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt wurde.

83      Zum Zeitpunkt der Anhörung unterlag das Verwaltungsverfahren daher den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1260/1999 (vgl. entsprechend Urteile vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑192/13 P, EU:C:2014:2156, Rn. 98, vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑197/13 P, EU:C:2014:2157, Rn. 98, und vom 22. Oktober 2014, Spanien/Kommission, C‑429/13 P, EU:C:2014:2310, Rn. 31).

84      Es ist nämlich festzustellen, dass aus Art. 56 der Verordnung Nr. 1260/1999 hervorgeht, dass Art. 39 Abs. 3 dieser Verordnung ab dem Inkrafttreten dieser Verordnung, d. h. ab dem dritten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften am 26. Juni 1999, anwendbar war, ohne dass nähere Angaben zum erfassten Finanzierungszeitraum gemacht würden.

85      Insoweit ergibt sich aus Art. 39 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1260/1999 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 448/2001, dass die Kommission eine Finanzkorrekturentscheidung innerhalb einer Frist von drei Monaten ab dem Tag der Anhörung der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland erlassen musste; diese Frist lief somit im vorliegenden Fall am 10. Februar 2007 ab.

86      Da aber diese Frist am Tag des Inkrafttretens von Art. 100 der Verordnung Nr. 1083/2006 nicht abgelaufen war, ist die Beachtung der wesentlichen Formvorschriften durch die Kommission beim Erlass der angefochtenen Entscheidung nach Maßgabe der in dieser Vorschrift bestimmten Sechsmonatsfrist zu prüfen und nicht nach Maßgabe der in Art. 39 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1260/1999 vorgesehenen Dreimonatsfrist.

87      Somit hatte die Kommission ab dem 1. Januar 2007 im Einklang mit dem Grundsatz, dass Verfahrensvorschriften unmittelbar nach ihrem Inkrafttreten anzuwenden sind, beim Erlass der angefochtenen Entscheidung die in Art. 100 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1083/2006 vorgesehene Sechsmonatsfrist zu beachten.

88      Gemäß dieser Bestimmung muss die Kommission, wenn der betreffende Mitgliedstaat Einwände gegen ihre vorläufigen Schlussfolgerungen erheben sollte, binnen sechs Monaten nach der Anhörung der Vertreter des Mitgliedstaats über die finanzielle Berichtigung entscheiden. Findet keine Anhörung statt, so beginnt die Sechsmonatsfrist zwei Monate nach dem Datum des von der Kommission versandten Einladungsschreibens.

89      Erhebt der Mitgliedstaat Einwände gegen die vorläufigen Schlussfolgerungen der Kommission, stellt somit die Versendung eines Einladungsschreibens zu einer Anhörung durch die Kommission oder die Durchführung einer Anhörung – je nachdem, welcher der Fälle gegeben ist – den Ausgangspunkt für die Berechnung der Frist dar.

90      Zum einen ergibt sich aber aus den Akten der vorliegenden Rechtssache, dass die Anhörung der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland am 10. November 2006 stattgefunden hat.

91      Zum anderen ist festzustellen, dass die angefochtene Entscheidung am 19. Dezember 2008 erlassen wurde, d. h. rund zwei Jahre nach der Anhörung vom 10. November 2006, was die Kommission nicht bestreitet.

92      Damit hat die Kommission die in Art. 100 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1083/2006 festgelegte Sechsmonatsfrist nicht beachtet.

93      Folglich ist die vorliegende Klage für offensichtlich begründet und die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären.

 Kosten

94      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, ist sie gemäß dem Antrag der Bundesrepublik Deutschland zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

95      Das Königreich Spanien und das Königreich der Niederlande tragen gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

beschlossen:

1.      Die Entscheidung K(2008) 8465 endgültig der Kommission vom 19. Dezember 2008 über die Kürzung des Beitrags aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung für ein operationelles Programm in der Ziel-1-Region Land Sachsen in der Bundesrepublik Deutschland (1994-1999) gemäß der Entscheidung K(94) 1939/4 der Kommission vom 5. August 1994, der Entscheidung K(94) 2273/4 der Kommission vom 22. August 1994 und der Entscheidung K(94) 1425 der Kommission vom 6. September 1994 wird für nichtig erklärt.

2.      Die Europäische Kommission trägt neben ihren eigenen Kosten die der Bundesrepublik Deutschland entstandenen Kosten.

3.      Das Königreich Spanien und das Königreich der Niederlande tragen ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 13. September 2017

Der Kanzler

 

      Der Präsident

E. Coulon

 

      D. Gratsias


*      Verfahrenssprache: Deutsch.