Language of document : ECLI:EU:T:2015:383

Rechtssache T‑655/11

FSL Holdings u. a.

gegen

Europäische Kommission

„Wettbewerb – Kartelle – Europäischer Markt für Bananen in Italien, Griechenland und Portugal – Koordinierung bei der Festsetzung von Preisen – Zulässigkeit von Beweisen – Verteidigungsrechte – Ermessensmissbrauch – Nachweis der Zuwiderhandlung – Festsetzung der Geldbuße“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Zweite Kammer) vom 16. Juni 2015

1.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Beschluss der Kommission, mit dem eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Zulässige Beweismittel – Rechtmäßigkeit der Übermittlung von Informationen, die von nationalen Behörden zusammengetragen wurden, an die Kommission – Beurteilung durch die nationalen Gerichte anhand des nationalen Rechts – Übermittlung, die nicht von einem nationalen Gericht für rechtswidrig erklärt worden ist – Berücksichtigung der so übermittelten Informationen durch die Kommission als Beweismaterial – Zulässigkeit

(Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 12 § 2)

2.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Nachprüfungsbefugnis der Kommission – Beschluss, mit dem eine Nachprüfung angeordnet wird – Begründungspflicht – Umfang – Verpflichtung zur Angabe von Gegenstand und Zweck der Nachprüfung

(Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 20 Abs. 4)

3.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Nachprüfungsbefugnisse der Kommission – Verwendung der bei einer Nachprüfung erlangten Informationen – Grenzen – Einleitung einer Untersuchung, um die Richtigkeit von Informationen zu prüfen, die anlässlich einer Nachprüfung nebenbei ans Licht gekommen sind – Zulässigkeit

(Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 20)

4.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Befugnisse der Kommission – Befugnis, ein Verfahren aufzuspalten – Aufspaltung, die der Einleitung eines neuen Untersuchungsverfahrens gleichkommt – Ermessen

(Art. 101 AEUV)

5.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Wahrung der Verteidigungsrechte – Möglichkeit für das betreffende Unternehmen, nur nach Versendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte die Verteidigungsrechte vollumfänglich geltend zu machen – Im Rahmen nationaler Untersuchungen erlangte handschriftliche Notizen im Besitz der Kommission – Verpflichtung, das betreffende Unternehmen in der dem Versand der Mitteilung der Beschwerdepunkte vorausgehenden Voruntersuchungsphase davon zu unterrichten – Nichtbestehen

(Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates)

6.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Ermäßigung der Geldbuße als Gegenleistung für eine Zusammenarbeit des beschuldigten Unternehmens – Gewährung eines bedingten Geldbußenerlasses vor Erlass des endgültigen Beschlusses der Kommission –Tragweite – Hinweis der Kommission auf den vorläufigen Charakter der mit dem bedingten Geldbußenerlass zuerkannten verfahrensrechtlichen Stellung – Rechtswidrige Ausübung von Druck – Nichtvorliegen

(Art. 101 AEUV; Mitteilung 2002/C 45/03 der Kommission, Ziff. 8 Buchst. a und b, 11 Buchst. a bis c, 15, 16, 18 und 19)

7.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Ermäßigung der Geldbuße als Gegenleistung für Zusammenarbeit – Vollständiger Geldbußenerlass – Voraussetzungen – Vollumfängliche, kontinuierliche und zügige Zusammenarbeit des betreffenden Unternehmens – Begriff

(Art. 101 AEUV; Mitteilung 2002/C 45/03 der Kommission, Ziff. 11 Buchst. a)

8.      Nichtigkeitsklage – Gründe –Ermessensmissbrauch – Begriff

(Art. 263 AEUV)

9.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Rechtlicher Rahmen – Leitlinien der Kommission – Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen als Gegenleistung für die Zusammenarbeit der beschuldigten Unternehmen – Selbstbeschränkung ihres Ermessens –Tragweite

(Art. 101 AEUV; Mitteilung 2002/C 45/03 der Kommission)

10.    Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Nachprüfungsbefugnisse der Kommission – Verwendung von bei einer Nachprüfung im Rahmen eines anderen Verfahrens erlangten Informationen – Zulässigkeit – Verpflichtung des Unternehmens, das einen vollständigen Geldbußenerlass beantragt zur vollumfängliche, kontinuierlichen und zügigen Zusammenarbeit – Umfang

(Art. 101 AEUV; Mitteilung 2002/C 45/03 der Kommission)

11.    Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Beschluss der Kommission, mit dem eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Heranziehung von Erklärungen anderer an der Zuwiderhandlung beteiligter Unternehmen als Beweismittel – Zulässigkeit – Beweiskraft freiwilliger Aussagen, die von den Hauptbeteiligten an einem Kartell im Hinblick auf eine Anwendung der Mitteilung über die Zusammenarbeit gemacht werden

(Art. 101 AEUV; Mitteilung 2002/C 45/03 der Kommission)

12.    Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Beschluss der Kommission, mit dem eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Art des Nachweises – Indizienbündel – Berücksichtigung von außerhalb des Zeitraums der Zuwiderhandlung nachgewiesenen Umständen – Zulässigkeit – Bei jedem einzelnen Indiz erforderlicher Grad der Beweiskraft

(Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 2)

13.    Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Beschluss der Kommission, mit dem eine im Abschluss einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung bestehende Zuwiderhandlung festgestellt wird – Beschluss, der auf schriftliche Nachweise gestützt ist – Beweispflichten der Unternehmen, die das Vorliegen der Zuwiderhandlung bestreiten

(Art. 101 AEUV)

14.    Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Beschluss der Kommission, mit dem eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Art des Nachweises – Nachweis durch Urkunden – Beurteilung der Beweiskraft eines Schriftstücks – Kriterien – Schriftstück, das in unmittelbarem Zusammenhang mit den Vorgängen oder von einem unmittelbaren Zeugen dieser Vorgänge erstellt wurde – Erhöhte Beweiskraft

(Art. 101 AEUV)

15.    Grundrechte – Unschuldsvermutung – Verfahren in Wettbewerbssachen – Anwendbarkeit – Folgen

(Art. 101 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 48 Abs. 1)

16.    Kartelle – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Vereinbarung mit dem Ziel der Wettbewerbsbeschränkung – Gleichzeitige Verfolgung zulässiger Zwecke – Keine Auswirkung

(Art. 101 AEUV)

17.    Kartelle – Abgestimmte Verhaltensweise – Begriff – Mit der Pflicht jedes Unternehmens, sein Marktverhalten selbständig zu bestimmen, unvereinbare Koordinierung und Zusammenarbeit – Weitergabe sensibler Informationen, die die Ungewissheit über das künftige Verhalten eines Wettbewerbers ausschließen – Öffentlich bekannte Informationen – Einbeziehung – Voraussetzungen

(Art. 101 AEUV)

18.    Kartelle – Vereinbarungen zwischen Unternehmen – Unternehmen, das sich an einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung beteiligt hat – Von den kartellinternen Vereinbarungen abweichendes Verhalten – Umstand, der es nicht unbedingt erlaubt, seine Beteiligung an der Vereinbarung auszuschließen

(Art. 101 AEUV)

19.    Wettbewerb – Unionsvorschriften – Zuwiderhandlungen – Zurechnung – Zurechenbarkeit des Verhaltens seiner Organe an ein Unternehmen – Voraussetzungen – Handlung einer zum Handeln für Rechnung des Unternehmens befugten Person

(Art. 101 AEUV)

20.    Kartelle – Abgestimmte Verhaltensweise – Begriff – Austausch von Informationen zwischen Wettbewerbern – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Beurteilung unter Berücksichtigung der Art der Zuwiderhandlung – Erörterung wichtiger Faktoren für die Entwicklung der Preise unter Wettbewerbern – Zuwiderhandlung aufgrund des Zwecks – Kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der abgestimmten Praktik und den Verbraucherpreisen – Unbeachtlich

(Art. 101 AEUV)

21.    Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Wahrung der Verteidigungsrechte – Akteneinsicht – Tragweite – Weigerung, ein Dokument zu übermitteln – Rechtfertigung

(Art. 101 AEUV)

22.    Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Anhörungen – Anhörung bestimmter Personen – Ermessen der Kommission – Grenze – Wahrung der Verteidigungsrechte

(Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 773/2004 der Kommission, Art. 10 Abs. 3 und 13)

23.    Kartelle – Komplexe Zuwiderhandlung, die Merkmale der Vereinbarung und der abgestimmten Verhaltensweise aufweist – Einheitliche Einordnung als „Vereinbarung und/oder abgestimmte Verhaltensweise“ – Zulässigkeit

(Art. 101 AEUV)

24.    Kartelle – Abgestimmte Verhaltensweise – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Beurteilungskriterien – Wettbewerbsfeindlichkeit – Hinreichende Feststellung – Unterscheidung zwischen bezweckten und bewirkten Zuwiderhandlungen – Kriterien für die Annahme einer Vereinbarung mit bezweckter Beschränkung

(Art. 101 AEUV)

25.    Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Beschluss der Kommission, mit dem eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Unterbliebene Feststellung einer Zuwiderhandlung in Bezug auf einen anderen Wirtschaftsteilnehmer, der sich in einer ähnlichen Lage befindet – Keine Auswirkung

(Art. 101 AEUV)

26.    Kartelle – Verbot – Zuwiderhandlungen – Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen, die eine einheitliche Zuwiderhandlung darstellen – Zurechnung der Verantwortung an ein Unternehmen aufgrund einer Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Ganzes – Voraussetzungen

(Art. 101 AEUV)

27.    Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Beschluss der Kommission, mit dem eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Beweislast der Kommission für die Zuwiderhandlung und ihre Dauer – Umfang der Beweislast – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Fehlen von Beweisen für bestimmte Zeiten des gesamten betreffenden Zeitraums – Unterbrechung der Beteiligung des Unternehmens an der Zuwiderhandlung – Wiederholte Zuwiderhandlung – Auswirkungen auf die Festsetzung der Geldbuße

(Art. 101 AEUV)

28.    Wettbewerb – Geldbußen – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen – Berechnungsmethode, die verschiedene Spielräume berücksichtigt – Ermessen der Kommission – Grenzen – Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes – Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße – Gerichtliche Nachprüfung – Umfang

(Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23, Abs. 2 und 3; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Ziff. 9, 12, 13 und 19 bis 23)

29.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – In den Leitlinien der Kommission festgelegte Berechnungsmethode – Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlung – Beurteilung anhand der Art der Zuwiderhandlung – Wirkung einer wettbewerbswidrigen Praxis – Kein ausschlaggebendes Kriterium

(Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2 und 3; Mitteilung der Kommission 2006/C 210/02, Ziff. 19 bis 24)

30.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlung – Mildernde Umstände – Verpflichtung der Kommission, sich an ihre frühere Entscheidungspraxis zu halten – Fehlen

(Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23, Abs. 2 und 3; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Ziff. 29)

31.    Wettbewerb – Geldbußen – Beurteilung anhand des individuellen Verhaltens des Unternehmens – Auswirkung des Fehlens einer Sanktion gegen einen anderen Wirtschaftsteilnehmer – Fehlen

(Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2 und 3)

1.      Infolgedessen sind nach dem Unionsrecht Beweise, die unter völliger Nichtbeachtung des für ihre Feststellung vorgesehenen Verfahrens, mit dem die Grundrechte der Beteiligten geschützt werden sollen, erlangt worden sind, unzulässig. Die Einhaltung dieses Verfahrens ist daher als wesentliche Formvorschrift im Sinne von Art. 263 Abs. 2 AEUV zu betrachten. Nach ständiger Rechtsprechung zieht die Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift unabhängig davon Folgen nach sich, ob diese Verletzung demjenigen, der sie rügt, einen Schaden verursacht hat.

Was insbesondere das Verwaltungsverfahren in Wettbewerbssachen anbelangt, entspricht das in Art. 12 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 aufgestellte Verbot der Verwendung der von der Kommission und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten in Anwendung ihrer Untersuchungsbefugnisse gesammelten Informationen als Beweismittel zu anderen als den Zwecken, zu denen sie erlangt worden sind, einem besonderen Bedürfnis, nämlich der Notwendigkeit, die mit der Sammlung von Informationen durch die Kommission und die nationalen Wettbewerbsbehörden im Rahmen ihrer Aufgaben verbundenen Verfahrensgarantien zu gewährleisten und gleichzeitig einen Informationsaustausch zwischen diesen Behörden zu ermöglichen. Von diesem Verbot kann jedoch nicht automatisch ein allgemeines Verbot für die Kommission hergeleitet werden, Informationen, die eine andere nationale Behörde im Rahmen der Ausübung ihrer Aufgaben gewonnen hat, als Beweismittel zu verwenden.

In diesem Rahmen ist die Weitergabe nach nationalem Strafrecht erlangter Erkenntnisse durch einen nationalen Staatsanwalt oder nationale Wettbewerbsbehörden an die Kommission eine Frage, die dem nationalen Recht unterliegt. Außerdem ist es nicht Sache des Unionsrichters, eine Maßnahme einer nationalen Behörde anhand des nationalen Rechts auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu prüfen. Da die Weitergabe der fraglichen Schriftstücke nicht von einem italienischen Gericht für rechtswidrig erklärt wurde, ist nicht davon auszugehen, dass es sich bei ihnen um unzulässige Beweise handelt, die aus den Akten zu entfernen sind.

(vgl. Rn. 44-46, 78, 80)

2.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 48-53)

3.      Im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens in Wettbewerbssachen dürfen zwar die von der Kommission im Zuge der Nachprüfungen erlangten Kenntnisse zu keinen anderen als den im Prüfungsauftrag oder in der Nachprüfungsentscheidung angegebenen Zwecken verwertet werden, doch kann daraus nicht geschlossen werden, dass es der Kommission verwehrt wäre, ein Untersuchungsverfahren einzuleiten, um Informationen, die sie bei einer früheren Nachprüfung zufällig erlangt hat, auf ihre Richtigkeit zu überprüfen oder zu vervollständigen, wenn diese Informationen einen Hinweis auf Verhaltensweisen liefern, die gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrags verstoßen. Im Rahmen einer solchen neuen Untersuchung darf die Kommission neue Kopien der in der ersten Untersuchung erlangten Schriftstücke anfordern und sodann als Beweismittel in der von der zweiten Untersuchung betroffenen Sache verwenden, ohne dass die Verteidigungsrechte der betroffenen Unternehmen dadurch beeinträchtigt würden.

Daher ist der Umstand, dass von einem Unternehmen verlangt wird, erneut Schriftstücke vorzulegen, die es bereits in einer ersten Untersuchung vorgelegt hat, nicht unrechtmäßig, sondern eine unerlässliche Voraussetzung für die Verwendung dieser Schriftstücke im Rahmen einer zweiten Untersuchung.

(vgl. Rn. 54, 55, 69, 104, 157)

4.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 56, 57, 148)

5.      Im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens in Wettbewerbssachen werden die Verteidigungsrechte gerade durch die Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte und die Akteneinsicht gewährleistet, die es dem Adressaten dieser Mitteilung ermöglicht, von den Beweismitteln Kenntnis zu erlangen, die sich in den Akten der Kommission befinden.

Durch die Mitteilung der Beschwerdepunkte wird das betreffende Unternehmen nämlich über alle wesentlichen Gesichtspunkte informiert, auf die sich die Kommission in diesem Verfahrensstadium stützt. Folglich kann das betreffende Unternehmen die Verteidigungsrechte erst nach Übersendung dieser Mitteilung umfassend geltend machen.

Durch die Erstreckung dieser Rechte auf den Zeitraum vor Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte würde nämlich die Effizienz der von der Kommission geführten Untersuchung beeinträchtigt, da das Unternehmen schon in der ersten Ermittlungsphase der Kommission erfahren würde, welche Informationen der Kommission bekannt sind und welche damit noch vor ihr verborgen werden können.

Daher ist die Kommission nicht verpflichtet, das betroffene Unternehmen vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte von der Weiterleitung von Schriftstücken durch eine nationale Behörde zu benachrichtigen.

(vgl. Rn. 94-97)

6.      Im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens in Wettbewerbssachen setzt die Gewährung eines bedingten Geldbußenerlasses voraus, dass dem Unternehmen, das die Voraussetzungen von Rn. 8 der Mitteilung über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen erfüllt, im Verwaltungsverfahren eine besondere verfahrensrechtliche Stellung zuerkannt wird, die bestimmte Rechtswirkungen entfaltet. Der bedingte Erlass der Geldbuße kann jedoch nicht mit dem endgültigen Erlass der Geldbuße, der erst am Ende des Verwaltungsverfahrens gewährt wird, gleichgestellt werden.

Erst in einer dritten Phase am Ende des Verwaltungsverfahrens, wenn die Kommission ihren endgültigen Beschluss erlässt, gewährt sie dem Unternehmen, das einen bedingten Geldbußenerlass erhalten hat, in diesem Beschluss gegebenenfalls den eigentlichen Erlass der Geldbuße. Genau zu diesem Zeitpunkt entfaltet die verfahrensrechtliche Stellung, die sich aus dem bedingten Erlass der Geldbuße ergibt, keine Wirkung mehr.

Aus der Systematik der Mitteilung über die Zusammenarbeit ergibt sich daher, dass ein Unternehmen, das einen Erlass der Geldbuße beantragt, vor dem endgültigen Beschluss keinen eigentlichen Geldbußenerlass erhält, sondern dass ihm lediglich eine verfahrensrechtliche Stellung zuerkannt wird, die am Ende des Verwaltungsverfahrens zu einem Erlass der Geldbuße führen kann, wenn die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Folglich ist die Kommission nicht verpflichtet, bereits in der Phase der Mitteilung der Beschwerdepunkte abschließend zu einem Antrag auf Geldbußenerlass Stellung zu beziehen.

In Anbetracht der Verpflichtungen eines Unternehmens aus seiner verfahrensrechtlichen Stellung als Antragsteller auf Geldbußenerlass kann nicht angenommen werden, dass der bloße Umstand, dass die Kommission das Unternehmen an diese Stellung erinnert, die Ausübung eines rechtswidrigen Drucks darstellt.

(vgl. Rn. 116, 119, 120, 146, 154)

7.      Die Gewährung eines vollständigen Erlasses der Geldbuße stellt eine Ausnahme vom Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit des Unternehmens für einen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln dar, die damit gerechtfertigt wird, dass die Aufdeckung, Untersuchung und Bekämpfung sowie die Abschreckung von Praktiken, die zu den schwersten Wettbewerbsverstößen zählen, gefördert werden sollen. Unter diesen Bedingungen ist es daher folgerichtig, dass ein Unternehmen, das einen Antrag auf Erlass der Geldbuße stellt, als Gegenleistung für die Gewährung eines vollständigen Erlasses der Geldbuße für sein rechtswidriges Verhalten mit der Kommission bei deren Untersuchung nach dem Wortlaut der Mitteilung über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen „in vollem Umfang kontinuierlich und zügig“ zusammenarbeiten muss.

Da die Zusammenarbeit „in vollem Umfang“ zu erfolgen hat, muss ein Unternehmen, das einen Geldbußenerlass beantragt, mit der Kommission vollständig, uneingeschränkt und ohne Vorbehalte zusammenarbeiten, damit ihm der Erlass gewährt werden kann. Der Umstand, dass die Zusammenarbeit „kontinuierlich“ und „zügig“ erfolgen muss, setzt voraus, dass diese Zusammenarbeit während des gesamten Verwaltungsverfahrens und im Prinzip sofort zu erfolgen hat.

Zudem kann eine niedrigere Festsetzung der Geldbuße aufgrund der Mitteilung über Zusammenarbeit nur gerechtfertigt sein, wenn die gelieferten Informationen und allgemeiner das Verhalten des betreffenden Unternehmens insoweit als Zeichen einer echten Zusammenarbeit des Unternehmens angesehen werden können.

Wie sich bereits aus dem Begriff „Zusammenarbeit“ ergibt, kann eine niedrigere Festsetzung auf der Grundlage der Mitteilung über die Zusammenarbeit nur gewährt werden, wenn das Verhalten des betreffenden Unternehmens von einem solchen Geist der Zusammenarbeit zeugt.

Diese Überlegung gilt erst recht für die Zusammenarbeit, die für die Gewährung eines vollständigen Erlasses der Geldbuße erforderlich ist, da der Erlass der Geldbuße eine noch günstigere Behandlung darstellt als eine bloße Ermäßigung der Geldbuße. Eine Zusammenarbeit, die „in vollem Umfang kontinuierlich und zügig“ zu erfolgen hat, damit sie einen vollständigen Erlass der Geldbuße rechtfertigt, muss daher ernsthaft und umfassend sein und von einem echten Geist der Zusammenarbeit zeugen.

(vgl. Rn. 122-126)

8.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 139)

9.      Im Wettbewerbsrecht regelt die Mitteilung über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen allgemein und abstrakt das Verfahren, das sich die Kommission zur Anwendung ihres Kronzeugenprogramms auferlegt hat, und schafft damit Rechtssicherheit für die Unternehmen.

Auch wenn diese Mitteilung über die Zusammenarbeit nicht als Rechtsnorm qualifiziert werden kann, die die Verwaltung auf jeden Fall zu beachten hat, stellt sie doch eine Verhaltensnorm dar, die einen Hinweis auf die zu befolgende Verwaltungspraxis enthält und von der die Verwaltung im Einzelfall nicht ohne Angabe von Gründen abweichen kann, die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar sind.

Die Kommission hat dadurch, dass sie derartige Verhaltensnormen erlassen und durch ihre Veröffentlichung angekündigt hat, sie von nun an auf die von ihnen erfassten Fälle anzuwenden, die Ausübung ihres eigenen Ermessens beschränkt und kann nicht von diesen Normen abweichen, ohne dass dies gegebenenfalls wegen eines Verstoßes gegen allgemeine Rechtsgrundsätze wie diejenigen der Gleichbehandlung oder des Vertrauensschutzes geahndet würde.

(vgl. Rn. 141-143)

10.    Im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens in Wettbewerbssachen lässt sich mit dem Umstand, dass sich die Kommission zum Beweis für die Zuwiderhandlung nicht auf den ursprünglichen Antrag auf Kronzeugenregelung eines Unternehmens stützt, der sich auf eine bestimmte Sache bezogen hat, nicht dartun, dass die Kommission im Laufe eines späteren Verfahrens ihre Befugnisse missbraucht hätte, um das Unternehmen zur Bestätigung des Sachverhalts einer anderen Sache zu drängen. Die Mitwirkungspflicht eines Unternehmens, das den vollständigen Geldbußenerlass beantragt, umfasst nämlich die Verpflichtung, während des gesamten Verfahrens in vollem Umfang kontinuierlich und zügig zusammenzuarbeiten, was auch Nachforschungen und Erklärungen zu Tatsachen beinhalten kann, die nicht in der ursprünglichen Erklärung auf Fragen der Kommission enthalten sind, da die Beantwortung von Fragen ein wichtiger Teil der Zusammenarbeitspflicht der Antragsteller auf Geldbußenerlass ist.

Außerdem, da die Kommission berechtigt ist, Verfahren aus objektiven Gründen abzutrennen oder auch zu verbinden, wenn nichts geltend gemacht wird, was die Gründe entkräften könnte, die sie für ihre Entscheidung, dass der Sachverhalt zweier unterschiedlicher Verfahren als zwei offenkundig unterschiedliche Zuwiderhandlungen zu behandeln seien, anführt, ist es nicht zu beanstanden, dass die Kommission davon ausgeht, dass jeder Bewerber um Geldbußenerlass an den beiden unterschiedlichen Untersuchungen zusammenarbeiten muss, die sich aus ein und demselben Antrag auf Geldbußenerlass ergeben können, und auch dann weiter zusammenarbeiten muss, wenn er den endgültigen Geldbußenerlass für die Zuwiderhandlung oder Zuwiderhandlungen, die von einer der Untersuchungen erfasst werden, erhalten hat.

Da sich die Kommission auf Anhaltspunkte einer Sache als Ausgangspunkt für Untersuchungen in einer anderen Sache stützen kann und die Pflicht des Antragstellers auf Geldbußenerlass zur Zusammenarbeit während des ganzen Verfahrens besteht und verlangt, auf neue Umstände zu reagieren, ist es im Übrigen eindeutig nicht rechtswidrig, wenn sich die Kommission auf ein Schriftstück stützt, das sich in den Akten einer anderen Sache befindet, um dem Antragsteller auf Geldbußenerlass eine Frage zu stellen.

(vgl. Rn. 147-149, 165)

11.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 151-153, 182, 338-343, 356, 380, 381, 386, 495)

12.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 175-179, 203, 217, 375)

13.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 180, 181, 261-263)

14.    Im Unionsrecht gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung, und das alleinige Kriterium für die Beurteilung der frei vorgelegten Beweismittel ist ihre Glaubhaftigkeit, die von ihrer Herkunft, den Umständen ihrer Entstehung, ihrem Adressaten und davon abhängt, ob ihr Inhalt vernünftig und glaubhaft ist. Auch ist ausgeführt worden, dass große Bedeutung insbesondere dem Umstand zukommt, dass ein Schriftstück in unmittelbarem Zusammenhang mit den Vorgängen oder von einem unmittelbaren Zeugen dieser Vorgänge erstellt wurde.

(vgl. Rn. 182, 183, 197, 222, 229, 344)

15.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 184, 185)

16.    Im Wettbewerbsrecht kann bei einer Vereinbarung auch dann ein wettbewerbsbeschränkender Zweck angenommen werden, wenn sie nicht ausschließlich auf eine Beschränkung des Wettbewerbs abzielt, sondern auch andere, zulässige Zwecke verfolgt, sofern nicht dargetan wird, dass die Kontakte zwischen den Unternehmen nur diesen zulässigen Zwecken gedient haben.

(vgl. Rn. 220, 230, 306)

17.    Im Wettbewerbsrecht wird der Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern nicht dadurch zulässig, dass diese Informationen oder einzelne von ihnen öffentlich bekannt sind, da jeder Unternehmer selbständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Binnenmarkt zu verfolgen gedenkt. Dieses Postulat der Selbständigkeit nimmt den Unternehmen zwar nicht das Recht, sich mit wachem Sinne an das festgestellte oder erwartete Verhalten ihrer Wettbewerber anzupassen, es steht jedoch streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen solchen Unternehmen entgegen, die bezweckt oder bewirkt, das Marktverhalten eines gegenwärtigen oder potenziellen Wettbewerbers zu beeinflussen oder einen solchen Wettbewerber über das Marktverhalten ins Bild zu setzen, das man selbst an den Tag zu legen entschlossen ist oder in Erwägung zieht.

In dieser Hinsicht stellt der Standpunkt eines Wettbewerbers zu dieser oder jener für die Angebots- und Nachfragebedingungen wichtigen Information, die auch anders als durch Besprechungen mit den betroffenen Unternehmen erlangt werden kann, und ihrer Auswirkung auf die Marktentwicklung nicht per definitionem eine öffentlich zugängliche Information dar.

Außerdem kann die regelmäßige und häufige Zusammenführung von Informationen über die künftigen Listenpreise zu einer künstlichen Erhöhung der Transparenz auf einem Markt führen, auf dem der Wettbewerb durch einen spezifischen Regelungskontext und einen Informationsaustausch zwischen den Wettbewerbern bereits geschwächt ist.

Überdies, auch wenn die Preisinformationen den Kunden vor ihrer Mitteilung an die Wettbewerber bekannt sind und somit dem Markt entnommen werden können, bedeutet dies nicht, dass die Preise zum Zeitpunkt der Zusendung der Preistabellen an die Wettbewerber bereits offenkundige objektive Marktgegebenheiten sind. Durch die direkte Zusendung können die Wettbewerber diese Informationen leichter, schneller und direkter als über den Markt erhalten. Außerdem erlaubt diese vorherige Zusendung die Schaffung eines Klimas der wechselseitigen Gewissheit über ihre künftigen Preispolitiken.

Schließlich zeigt schon der bloße Umstand, dass Informationen über Wettbewerber erlangt werden, die ein unabhängiger Wirtschaftsteilnehmer als Betriebsgeheimnisse hütet, eine wettbewerbsfeindliche Einstellung.

(vgl. Rn. 282, 320-324)

18.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 302)

19.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 303, 304)

20.    Der Austausch von Informationen zwischen Wettbewerbern kann gegen die Wettbewerbsregeln verstoßen, wenn er den Grad der Ungewissheit über das fragliche Marktgeschehen verringert oder beseitigt und dadurch zu einer Beschränkung des Wettbewerbs zwischen den Unternehmen führt. Die Festsetzung eines Preises, sei es auch nur eines Richtpreises, beeinträchtigt nämlich den Wettbewerb dadurch, dass er sämtlichen Kartellmitgliedern die Möglichkeit gibt, mit hinreichender Sicherheit vorauszusehen, welche Preispolitik ihre Konkurrenten verfolgen werden. Allgemein bedeuten derartige Kartelle einen unmittelbaren Eingriff in die wesentlichen Wettbewerbsparameter auf dem betreffenden Markt.

Was insbesondere den Bananenmarkt anbelangt, führt die Erwähnung sehr wichtiger Faktoren für die Bestimmung des Angebotsumfangs im Verhältnis zur Nachfrage, wie der Wetterbedingungen sowohl in den Anbauländern als auch in den Ländern, in die das Obst zum Verzehr verbracht wird, die Größe der Lagerbestände in den Häfen und in den Reifereien, die Verkaufssituation auf Einzelhandelsebene und auf der Ebene der Reifereien sowie die Existenz von Förderkampagnen, in bilateralen Gesprächen unter umsichtigen Wirtschaftsteilnehmern notwendigerweise zu einer Teilnahme an den Informationen über den Markt und seine Preisentwicklung.

Selbst wenn unterstellt wird, dass die nachfolgend in Rechnung gestellten tatsächlichen Preise nicht den von den Beteiligten ausgetauschten Preisabsichten entsprechen, nimmt dies dem Austausch nicht den wettbewerbswidrigen Charakter. Zudem ist Art. 101 AEUV, wie auch die übrigen Wettbewerbsregeln des Vertrags, nicht nur dazu bestimmt, die unmittelbaren Interessen einzelner Wettbewerber oder Verbraucher zu schützen, sondern die Struktur des Marktes und damit den Wettbewerb als solchen.

Insbesondere steht der Umstand, dass eine abgestimmte Verhaltensweise keinen unmittelbaren Einfluss auf das Preisniveau hatte, nicht der Feststellung entgegen, dass sie den Wettbewerb zwischen den betroffenen Unternehmen beschränkt hat. Denn die auf einem Markt tatsächlich angewandten Preise können durch externe, von den Kartellmitgliedern nicht kontrollierbare Faktoren beeinflusst werden, wie z. B. die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung, die Entwicklung der Nachfrage in dem spezifischen Sektor oder die Verhandlungsposition der Abnehmer.

(vgl. Rn. 328-330, 388, 391, 456, 457, 536, 537)

21.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 400-403)

22.    Im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens in Wettbewerbssachen gehört zu den Garantien, die die Unionsrechtsordnung in Verwaltungsverfahren gewährt, insbesondere die Verpflichtung des zuständigen Organs, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen.

Dabei verlangt der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht, dass die Kommission von den Betroffenen benannte Zeugen anhört, wenn sie den Sachverhalt für hinreichend geklärt hält. Denn Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel [101 AEUV] und [102 AEUV] sieht vor, dass Unternehmen, gegen die ein Verfahren nach der Verordnung Nr. 1/2003 geführt wird, der Kommission die Anhörung von Personen vorschlagen können, die die in ihren Ausführungen vorgetragenen Tatsachen bestätigen können. Für einen solchen Fall ergibt sich aus Art. 13 dieser Verordnung, dass die Kommission einen angemessenen Ermessensspielraum bei der Entscheidung darüber hat, ob eine Anhörung der Personen, deren Aussage für die Ermittlung des Sachverhalts wichtig sein kann, möglicherweise von Interesse ist.

(vgl. Rn. 405, 406)

23.    Im Wettbewerbsrecht zeigt der Vergleich zwischen den Begriffen der Vereinbarung und der abgestimmten Verhaltensweise, dass beide in subjektiver Hinsicht Formen der Kollusion erfassen, die in ihrer Art übereinstimmen, und dass sie sich nur in ihrer Intensität und ihren Ausdrucksformen unterscheiden. Somit umfassen die Tatbestände der Vereinbarung und der abgestimmten Verhaltensweise teilweise unterschiedliche Merkmale, sind aber untereinander nicht unvereinbar. Die Kommission ist daher nicht verpflichtet, die festgestellten Handlungen jeweils als Vereinbarung oder aber als abgestimmte Verhaltensweise zu subsumieren, sondern durfte zu Recht einige dieser Handlungen als „Vereinbarungen“ und andere als „abgestimmte Verhaltensweisen“ einstufen.

Dass in die in Rede stehende Zuwiderhandlung nur zwei Unternehmen, darunter ein kleines, verwickelt waren und sie weniger als neun Monate gedauert hat, ändert nichts daran, dass die Kommission nicht verpflichtet ist, jede der festgestellten Verhaltensweisen als Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise einzustufen, sondern völlig zu Recht einige dieser Verhaltensweisen als „Vereinbarungen“ und andere als „abgestimmte Verhaltensweisen“ qualifizieren kann. In dieser Hinsicht kann, sofern die Kommission das Vorhandensein von Kontakten zwischen den Beteiligten rechtlich hinreichend dartut, nicht verlangt werden, dass sie genau jeden einzelnen Zeitpunkt bestimmt, zu dem sich die Beteiligten abgestimmt haben.

(vgl. Rn. 418, 419, 453)

24.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 421-431, 469, 471, 472)

25.    Im Wettbewerbsrecht kann die Feststellung einer Zuwiderhandlung gegenüber Unternehmen nicht deshalb außer Betracht gelassen werden, weil andere Unternehmen nicht verfolgt worden sind. Denn der Umstand, dass gegenüber einem Wirtschaftsteilnehmer, der sich in einer ähnlichen Lage befindet wie ein beschuldigtes Unternehmen, keine Feststellung eines Verstoßes seitens der Kommission erfolgt ist, kann es nicht erlauben, den zulasten der beschuldigten Unternehmen festgestellten Verstoß außer Betracht zu lassen, sofern dieser ordnungsgemäß nachgewiesen ist.

(vgl. Rn. 461)

26.    Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV kann sich nicht nur aus einer isolierten Handlung, sondern auch aus einer Reihe von Handlungen oder einem fortgesetzten Verhalten ergeben. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass ein oder mehrere Teile dieser Reihe von Handlungen oder dieses fortgesetzten Verhaltens auch für sich genommen und isoliert betrachtet einen Verstoß gegen die genannte Vorschrift darstellen könnten. Fügen sich die verschiedenen Handlungen wie im vorliegenden Fall wegen ihres identischen Zwecks der Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts in einen Gesamtplan ein, so ist die Kommission berechtigt, die Verantwortung für diese Handlungen anhand der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Ganzes aufzuerlegen.

Insoweit erfasst der Begriff der einheitlichen Zuwiderhandlung eine Situation, in der mehrere Unternehmen an einer Zuwiderhandlung, die aus einem fortgesetzten Verhalten bestand, mit dem ein einziges wirtschaftliches Ziel verfolgt wurde, nämlich die Verfälschung des Wettbewerbs, oder aber an einzelnen Zuwiderhandlungen beteiligt waren, die miteinander durch eine Übereinstimmung des Zwecks (ein und dieselbe Zielsetzung sämtlicher Bestandteile) und der Personen (Übereinstimmung der beteiligten Unternehmen, die sich der Beteiligung am gemeinsamen Zweck bewusst waren) verbunden waren.

Zudem kann sich der Begriff der einheitlichen Zuwiderhandlung auf die rechtliche Einstufung eines wettbewerbswidrigen Verhaltens beziehen, das in Vereinbarungen, aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen und Beschlüssen von Unternehmensvereinigungen besteht.

(vgl. Rn. 478-480, 491)

27.    In Kartellsachen ermöglicht es der Begriff des Gesamtplans der Kommission, zu vermuten, dass die Begehung einer Zuwiderhandlung nicht unterbrochen wurde, auch wenn sie für einen bestimmten Zeitraum keine Beweise für die Beteiligung des betreffenden Unternehmens an der Zuwiderhandlung hat, sofern es vor und nach diesem Zeitraum an der Zuwiderhandlung beteiligt war und keine Beweise oder Indizien dafür vorliegen, dass die Zuwiderhandlung in seinem Fall unterbrochen war. In einem solchen Fall kann die Kommission eine Geldbuße für die gesamte Zeit der Zuwiderhandlung verhängen, einschließlich der Zeit, für die sie über keinen Beweis für die Beteiligung des betreffenden Unternehmens verfügt.

Dabei müssen zwar die Beweise in ihrer Gesamtheit beurteilt werden, um prüfen zu können, ob die Kommission ihrer Beweislast nachgekommen ist, um das Vorliegen der Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachzuweisen, doch dient die Prüfung im Hinblick auf die Feststellung von deren fortgesetztem Charakter nicht der Analyse, ob das Bündel von Beweisen insgesamt vernünftigerweise die Annahme erlaubt, dass sich die Zuwiderhandlung während des gesamten von diesen Beweisen betroffenen Zeitraums ununterbrochen fortgesetzt hat, sondern der Prüfung, ob die Kommission Beweismaterial beigebracht hat, das sich auf Fakten bezieht, die zeitlich so nahe beieinander liegen, dass vernünftigerweise der Schluss gezogen werden kann, dass die Zuwiderhandlung zwischen zwei konkreten Zeitpunkten ohne Unterbrechung erfolgt ist.

Kann dagegen aufgrund einer Beurteilung des Zeitraums, der zwischen zwei Ausdrucksformen einer Zuwiderhandlung liegt, im Zusammenhang der Funktionsweise des fraglichen Kartells davon ausgegangen werden, dass die Beteiligung eines Unternehmens an der Zuwiderhandlung unterbrochen worden ist, und das Unternehmen vor und nach der Unterbrechung an der Zuwiderhandlung beteiligt war, kann diese Zuwiderhandlung als wiederholt eingestuft werden, wenn – wie bei der fortgesetzten Zuwiderhandlung – ein einheitliches, von dem Unternehmen vor und nach der Unterbrechung verfolgtes Ziel vorliegt. Ein solches einheitliches Ziel kann aus der Identität der Ziele der in Rede stehenden Praktiken, der betroffenen Waren, der an der Kollusion beteiligten Unternehmen, der wesentlichen Modalitäten ihrer Durchführung, der natürlichen Personen, die für die Unternehmen tätig wurden, und des räumlichen Anwendungsbereichs dieser Praktiken hergeleitet werden kann. Es handelt sich dann um eine einheitliche und wiederholte Zuwiderhandlung, wobei die Kommission für die gesamte Dauer der Zuwiderhandlung eine Geldbuße verhängen kann, nicht aber für den Zeitraum, in dem die Zuwiderhandlung unterbrochen war.

(vgl. Rn. 481-484, 494, 496)

28.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 502-511)

29.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 508, 525, 528-532, 538, 539)

30.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 548, 549, 552, 553)

31.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 556-558)