Language of document : ECLI:EU:T:2023:833

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

9. März 2023(*)

[Text berichtigt mit Beschluss vom 27. April 2023]

„Rechtsmittel – Wettbewerb – Kartelle – Beschluss der Europäischen Kommission, mit dem eine Nachprüfung angeordnet wird – Rechtsbehelfe gegen den Ablauf der Nachprüfung – Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf – Verordnung (EG) Nr. 1/2003 – Art. 19 – Verordnung (EG) Nr. 773/2004 – Art. 3 – Aufzeichnung der Befragungen, die die Kommission im Rahmen ihrer Ermittlungen durchführt – Beginn der Untersuchung durch die Kommission“

In der Rechtssache C‑682/20 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 15. Dezember 2020,

Les Mousquetaires SAS mit Sitz in Paris (Frankreich),

ITM Entreprises SAS mit Sitz in Paris,

[berichtigt mit Beschluss vom 27. April 2023] vertreten durch N. Jalabert-Doury und K. Mebarek, Avocats,

Rechtsmittelführerinnen,

andere Parteien des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch P. Berghe, A. Cleenewerck de Crayencour, A. Dawes und I. V. Rogalski als Bevollmächtigte,

Beklagte im ersten Rechtszug,

Rat der Europäischen Union, vertreten durch A.‑L. Meyer und O. Segnana als Bevollmächtigte,

Streithelfer im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs L. Bay Larsen in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Ersten Kammer, der Richter P. G. Xuereb (Berichterstatter) und A. Kumin sowie der Richterin I. Ziemele,

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: V. Giacobbo, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. Februar 2022,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Juli 2022

folgendes

Urteil

1        Mit ihrem Rechtsmittel beantragen die Les Mousquetaires SAS und die ITM Entreprises SAS (im Folgenden: Intermarché) die teilweise Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 5. Oktober 2020, Les Mousquetaires und ITM Entreprises/Kommission (T‑255/17, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2020:460), mit dem das Gericht ihre Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2017) 1057 final der Kommission vom 9. Februar 2017, mit dem Intermarché sowie allen unmittelbar oder mittelbar von ihr kontrollierten Gesellschaften aufgegeben wird, eine Nachprüfung gemäß Art. 20 Abs. 1 und 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates zu dulden (Sache AT.40466 – Tute 1) (im Folgenden: erster streitiger Beschluss), sowie des Beschlusses C(2017) 1361 final der Kommission vom 21. Februar 2017, mit dem Les Mousquetaires sowie allen unmittelbar oder mittelbar von ihr kontrollierten Gesellschaften aufgegeben wird, eine Nachprüfung gemäß Art. 20 Abs. 1 und 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates zu dulden (Sache AT.40466 – Tute 1) (im Folgenden: zweiter streitiger Beschluss und zusammen mit dem ersten streitigen Beschluss: streitige Beschlüsse), teilweise abgewiesen hat.

 Rechtlicher Rahmen

 Verordnung (EG) Nr. 1/2003

2        Im 25. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) heißt es:

„Da es zunehmend schwieriger wird, Verstöße gegen die Wettbewerbsregeln aufzudecken, ist es für einen wirksamen Schutz des Wettbewerbs notwendig, die Ermittlungsbefugnisse der [Europäischen] Kommission zu ergänzen. Die Kommission sollte insbesondere alle Personen, die eventuell über sachdienliche Informationen verfügen, befragen und deren Aussagen zu Protokoll nehmen können. Ferner sollten die von der Kommission beauftragten Bediensteten im Zuge einer Nachprüfung für die hierfür erforderliche Zeit eine Versiegelung vornehmen dürfen. Die Dauer der Versiegelung sollte in der Regel 72 Stunden nicht überschreiten. Die von der Kommission beauftragten Bediensteten sollten außerdem alle Auskünfte im Zusammenhang mit Gegenstand und Ziel der Nachprüfung einholen dürfen.“

3        In Kapitel V („Ermittlungsbefugnisse“) dieser Verordnung ist Art. 17 („Untersuchung einzelner Wirtschaftszweige und einzelner Arten von Vereinbarungen“) enthalten, dessen Abs. 1 bestimmt:

„Lassen die Entwicklung des Handels zwischen Mitgliedstaaten, Preisstarrheiten oder andere Umstände vermuten, dass der Wettbewerb im Gemeinsamen Markt möglicherweise eingeschränkt oder verfälscht ist, so kann die Kommission die Untersuchung eines bestimmten Wirtschaftszweigs oder – Sektor übergreifend – einer bestimmten Art von Vereinbarungen durchführen. Im Rahmen dieser Untersuchung kann die Kommission von den betreffenden Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen die Auskünfte verlangen, die zur Durchsetzung von Artikel [101] und [102 AEUV] notwendig sind, und die dazu notwendigen Nachprüfungen vornehmen.“

4        Art. 19 („Befugnis zur Befragung“) dieser Verordnung sieht vor:

„(1)      Zur Erfüllung der ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben kann die Kommission alle natürlichen und juristischen Personen befragen, die der Befragung zum Zweck der Einholung von Information, die sich auf den Gegenstand einer Untersuchung bezieht, zustimmen.

(2)      Findet eine Befragung nach Absatz 1 in den Räumen eines Unternehmens statt, so informiert die Kommission die Wettbewerbsbehörde des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Befragung erfolgt. Auf Verlangen der Wettbewerbsbehörde dieses Mitgliedstaats können deren Bedienstete die Bediensteten der Kommission und die anderen von der Kommission ermächtigten Begleitpersonen bei der Durchführung der Befragung unterstützen.“

5        Art. 20 („Nachprüfungsbefugnisse der Kommission“) dieser Verordnung bestimmt:

„(1)      Die Kommission kann zur Erfüllung der ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben bei Unternehmen und Unternehmensvereinigungen alle erforderlichen Nachprüfungen vornehmen.

(2)      Die mit den Nachprüfungen beauftragten Bediensteten der Kommission und die anderen von ihr ermächtigten Begleitpersonen sind befugt,

a)      alle Räumlichkeiten, Grundstücke und Transportmittel von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen zu betreten;

b)      die Bücher und sonstigen Geschäftsunterlagen, unabhängig davon, in welcher Form sie vorliegen, zu prüfen;

c)      Kopien oder Auszüge gleich welcher Art aus diesen Büchern und Unterlagen anzufertigen oder zu erlangen;

d)      betriebliche Räumlichkeiten und Bücher oder Unterlagen jeder Art für die Dauer und in dem Ausmaß zu versiegeln, wie es für die Nachprüfung erforderlich ist;

e)      von allen Vertretern oder Mitgliedern der Belegschaft des Unternehmens oder der Unternehmensvereinigung Erläuterungen zu Tatsachen oder Unterlagen zu verlangen, die mit Gegenstand und Zweck der Nachprüfung in Zusammenhang stehen, und ihre Antworten zu Protokoll zu nehmen.

(3)      Die mit Nachprüfungen beauftragten Bediensteten der Kommission und die anderen von ihr ermächtigten Begleitpersonen üben ihre Befugnisse unter Vorlage eines schriftlichen Auftrags aus, in dem der Gegenstand und der Zweck der Nachprüfung bezeichnet sind und auf die in Artikel 23 vorgesehenen Sanktionen für den Fall hingewiesen wird, dass die angeforderten Bücher oder sonstigen Geschäftsunterlagen nicht vollständig vorgelegt werden oder die Antworten auf die nach Maßgabe von Absatz 2 des vorliegenden Artikels gestellten Fragen unrichtig oder irreführend sind. Die Kommission unterrichtet die Wettbewerbsbehörde des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Nachprüfung vorgenommen werden soll, über die Nachprüfung rechtzeitig vor deren Beginn.

(4)      Die Unternehmen und Unternehmensvereinigungen sind verpflichtet, die Nachprüfungen zu dulden, die die Kommission durch Entscheidung angeordnet hat. Die Entscheidung bezeichnet den Gegenstand und den Zweck der Nachprüfung, bestimmt den Zeitpunkt des Beginns der Nachprüfung und weist auf die in Artikel 23 und Artikel 24 vorgesehenen Sanktionen sowie auf das Recht hin, vor dem Gerichtshof Klage gegen die Entscheidung zu erheben. Die Kommission erlässt diese Entscheidungen nach Anhörung der Wettbewerbsbehörde des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Nachprüfung vorgenommen werden soll.

(5)      Die Bediensteten der Wettbewerbsbehörde des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Nachprüfung vorgenommen werden soll, oder von dieser Behörde entsprechend ermächtigte oder benannte Personen unterstützen auf Ersuchen dieser Behörde oder der Kommission die Bediensteten der Kommission und die anderen von ihr ermächtigten Begleitpersonen aktiv. Sie verfügen hierzu über die in Absatz 2 genannten Befugnisse.

(6)      Stellen die beauftragten Bediensteten der Kommission und die anderen von ihr ermächtigten Begleitpersonen fest, dass sich ein Unternehmen einer nach Maßgabe dieses Artikels angeordneten Nachprüfung widersetzt, so gewährt der betreffende Mitgliedstaat die erforderliche Unterstützung, gegebenenfalls unter Einsatz von Polizeikräften oder einer entsprechenden vollziehenden Behörde, damit die Bediensteten der Kommission ihren Nachprüfungsauftrag erfüllen können.

(7)      Setzt die Unterstützung nach Absatz 6 nach einzelstaatlichem Recht eine Genehmigung eines Gerichts voraus, so ist diese zu beantragen. Die Genehmigung kann auch vorsorglich beantragt werden.

(8)      Wird die in Absatz 7 genannte Genehmigung beantragt, so prüft das einzelstaatliche Gericht die Echtheit der Entscheidung der Kommission sowie, ob die beantragten Zwangsmaßnahmen nicht willkürlich und, gemessen am Gegenstand der Nachprüfung, nicht unverhältnismäßig sind. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Zwangsmaßnahmen kann das einzelstaatliche Gericht von der Kommission unmittelbar oder über die Wettbewerbsbehörde des betreffenden Mitgliedstaats ausführliche Erläuterungen anfordern, und zwar insbesondere zu den Gründen, die die Kommission veranlasst haben, das Unternehmen einer Zuwiderhandlung gegen Artikel [101] oder [102 AEUV] zu verdächtigen, sowie zur Schwere der behaupteten Zuwiderhandlung und zur Art der Beteiligung des betreffenden Unternehmens. Das einzelstaatliche Gericht darf jedoch weder die Notwendigkeit der Nachprüfung in Frage stellen noch die Übermittlung der in den Akten der Kommission enthaltenen Informationen verlangen. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Kommissionsentscheidung ist dem Gerichtshof vorbehalten.“

6        Art. 23 („Geldbußen“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 sieht vor:

„Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen bis zu einem Höchstbetrag von 1 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes festsetzen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig

c)      bei Nachprüfungen nach Artikel 20 die angeforderten Bücher oder sonstigen Geschäftsunterlagen nicht vollständig vorlegen oder in einer Entscheidung nach Artikel 20 Absatz 4 angeordnete Nachprüfungen nicht dulden;

d)      in Beantwortung einer nach Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe e) gestellten Frage

–        eine unrichtige oder irreführende Antwort erteilen oder

–        eine von einem Mitglied der Belegschaft erteilte unrichtige, unvollständige oder irreführende Antwort nicht innerhalb einer von der Kommission gesetzten Frist berichtigen oder

–        in Bezug auf Tatsachen, die mit dem Gegenstand und dem Zweck einer durch Entscheidung nach Artikel 20 Absatz 4 angeordneten Nachprüfung in Zusammenhang stehen, keine vollständige Antwort erteilen oder eine vollständige Antwort verweigern;

e)      die von Bediensteten der Kommission oder anderen von ihr ermächtigten Begleitpersonen nach Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe d) angebrachten Siegel erbrochen haben.“

 Verordnung (EG) Nr. 773/2004

7        Art. 2 („Einleitung eines Verfahrens“) Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 der Kommission vom 7. April 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel [101] und [102 AEUV] durch die Kommission (ABl. 2004, L 123, S. 18) sieht vor:

„Die Kommission kann von ihren Ermittlungsbefugnissen gemäß Kapitel V der Verordnung [Nr. 1/2003] Gebrauch machen, bevor sie ein Verfahren einleitet.“

8        In Kapitel III („Ermittlungen der Kommission“) der Verordnung Nr. 773/2004 ist Art. 3 („Befugnis zur Befragung“) enthalten, der bestimmt:

„(1)      Befragt die Kommission eine Person mit deren Zustimmung nach Maßgabe von Artikel 19 der Verordnung [Nr. 1/2003], teilt sie ihr zu Beginn der Befragung die Rechtsgrundlage sowie den Zweck der Befragung mit und verweist auf den freiwilligen Charakter der Befragung. Sie teilt dem Befragten ferner ihre Absicht mit, die Befragung aufzuzeichnen.

(2)      Die Befragung kann auf jedem Wege einschließlich per Telefon oder elektronisch erfolgen.

(3)      Die Kommission kann die Aussagen des Befragten auf einen beliebigen Träger aufzeichnen. Dem Befragten wird eine Kopie der Aufzeichnung zur Genehmigung überlassen. Die Kommission setzt erforderlichenfalls eine Frist, innerhalb deren der Befragte seine Aussage berichtigen kann.“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitige Entscheidungen

9        Die in den Rn. 2 bis 11 des angefochtenen Urteils dargestellte Vorgeschichte des Rechtsstreits lässt sich für die Zwecke des vorliegenden Verfahrens wie folgt zusammenfassen.

10      Les Mousquetaires ist die Holdinggesellschaft der Gruppe Les Mousquetaires, die im Lebensmittel- und Nicht-Lebensmittel-Vertriebssektor in Frankreich und in Belgien tätig ist. Intermarché ist ihre Tochtergesellschaft.

11      Nachdem die Kommission Auskünfte über den Informationsaustausch zwischen Intermarché und konkurrierenden Unternehmen, insbesondere Casino, erhalten hatte, ordnete sie mit dem ersten streitigen Beschluss eine Nachprüfung in den Räumen von Intermarché und ihren Tochtergesellschaften an.

12      Der verfügende Teil dieses Beschlusses bestimmt:

„Artikel 1

… Intermarché … sowie alle von ihr unmittelbar oder mittelbar kontrollierten Gesellschaften sind verpflichtet, eine Nachprüfung betreffend ihre etwaige Beteiligung an gegen Artikel 101 [AEUV] verstoßenden abgestimmten Verhaltensweisen auf den Beschaffungsmärkten für Produkte des täglichen Bedarfs, auf dem Markt für den Verkauf von Dienstleistungen an Hersteller von Markenprodukten und auf den Märkten für den Verkauf von Produkten des täglichen Bedarfs an Verbraucher zu dulden. Diese aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen bestehen in

a)      dem Informationsaustausch seit 2015 zwischen Unternehmen und/oder Unternehmensvereinigungen, insbesondere AgeCore und/oder ihren Mitgliedern, insbesondere Intermarché, und der [International Casino Dia Corporation (ICDC)] … und/oder ihren Mitgliedern, insbesondere Casino, über von ihnen erhaltene Rabatte auf den Beschaffungsmärkten für Produkte des täglichen Bedarfs in den Bereichen Lebensmittel, Hygieneartikel und Reinigungsmittel, und die Preise auf dem Markt für den Verkauf von Dienstleistungen an Hersteller von Markenprodukten in den Bereichen Lebensmittel, Hygieneartikel und Reinigungsmittel in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union, insbesondere in Frankreich, und

b)      dem Informationsaustausch mindestens seit 2016 zwischen Casino und Intermarché über ihre künftigen Geschäftsstrategien, insbesondere über das Sortiment, die Entwicklung von Geschäften, den E‑Commerce und die Werbepolitik auf den Beschaffungsmärkten für Produkte des täglichen Bedarfs und auf den Märkten für den Verkauf von Produkten des täglichen Bedarfs an Verbraucher in Frankreich.

Diese Nachprüfung kann in jedem beliebigen Geschäftslokal des Unternehmens stattfinden …

Intermarché ermächtigt die Beamten und sonstigen Personen, die von der Kommission mit der Durchführung einer Nachprüfung beauftragt wurden, und die Beamten und sonstigen Personen, die von der Wettbewerbsbehörde des betreffenden Mitgliedstaats zu ihrer Unterstützung beauftragt wurden oder vom Mitgliedstaat für diesen Zweck ernannt wurden, sich während der normalen Bürozeiten Zugang zu allen ihren Geschäftsräumen und Transportmitteln zu verschaffen. Das Unternehmen duldet die Nachprüfung der Bücher und jeglicher sonstiger Geschäftsunterlagen, unabhängig davon, in welcher Form sie vorliegen, wenn die Beamten und sonstigen beauftragten Personen dies verlangen, und es gestattet ihnen, diese Bücher und Unterlagen vor Ort zu prüfen und von ihnen Kopien oder Auszüge gleich welcher Art anzufertigen oder zu erhalten. Es gestattet das Anbringen von Amtssiegeln in allen Geschäftsräumen und auf allen Büchern oder Dokumenten während der Dauer der Nachprüfung und soweit dies für die Zwecke der Nachprüfung erforderlich ist. Das Unternehmen gibt unverzüglich vor Ort mündliche Erläuterungen zum Gegenstand und zum Zweck der Nachprüfung, wenn die Beamten oder Personen dies verlangen, und es ermächtigt alle Vertreter und Mitglieder der Belegschaft, solche Erläuterungen zu geben. Es gestattet die Aufzeichnung dieser Erläuterungen in beliebiger Form.

Artikel 2

Die Nachprüfung kann am 20. Februar 2017 oder kurz danach beginnen.

Artikel 3

Dieser Beschluss ist an Intermarché … sowie alle von ihr unmittelbar oder mittelbar kontrollierten Gesellschaften gerichtet.

Dieser Beschluss wird dem Unternehmen, an das er gerichtet ist, gemäß Artikel 297 Absatz 2 [AEUV] unmittelbar vor der Nachprüfung bekannt gegeben.“

13      Nachdem die französische Wettbewerbsbehörde von dieser Nachprüfung durch die Kommission unterrichtet worden war, beantragte sie bei dem Juge des libertés et de la détention (für die Anordnung der Untersuchungshaft zuständiger Richter) des Tribunal de grande instance Evry (Großinstanzgericht Evry, Frankreich) die Genehmigung von Durchsuchungen und Beschlagnahmen in den Geschäftsräumen der Rechtsmittelführerinnen. Mit Beschluss vom 17. Februar 2017 genehmigte dieser Richter die vorsorglich beantragten Durchsuchungen und Beschlagnahmen. Da keine der bei der Nachprüfung getroffenen Maßnahmen die Ausübung der „Vollzugsbefugnisse“ im Sinne von Art. 20 Abs. 6 bis 8 der Verordnung Nr. 1/2003 erforderte, wurden diese Beschlüsse den Rechtsmittelführerinnen nicht zugestellt.

14      Die Nachprüfung begann am 20. Februar 2017, als die Inspektoren der Kommission in Begleitung von Vertretern der französischen Wettbewerbsbehörde die Geschäftsräume von Intermarché aufsuchten.

15      Nachdem Zweifel aufgekommen waren, ob eine der von der Nachprüfung betroffenen Personen in einem Beschäftigungsverhältnis zu Intermarché stand, erließ die Kommission den zweiten streitigen Beschluss, mit dem sie aus denselben Gründen wie im ersten streitigen Beschluss eine Nachprüfung in den Geschäftsräumen der Holdinggesellschaft, Les Mousquetaires, und ihrer Tochtergesellschaften anordnete.

16      Im Rahmen dieser Nachprüfung suchte die Kommission u. a. die Büros auf, beschlagnahmte Computerausrüstung (Laptops, Mobiltelefone, Tablets, Speichergeräte), kopierte die darin enthaltenen Informationen und befragte mehrere Personen.

17      Mit Schreiben vom 24. Februar 2017 teilten die Rechtsmittelführerinnen der Kommission Vorbehalte gegen die streitigen Beschlüsse und den Ablauf der durch sie angeordneten Nachprüfungen mit und beanstandeten insbesondere, dass Dokumente kopiert worden seien, die das Privatleben ihrer Mitarbeiter betroffen hätten. Mit Schreiben vom 13. April 2017 forderten die Rechtsmittelführerinnen die Kommission auf, einige dieser Dokumente zurückzugeben.

 Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

18      Mit Klageschrift, die am 28. April 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, erhoben die Rechtsmittelführerinnen nach Art. 263 AEUV Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Beschlüsse. Zur Stützung ihrer Klage führten sie im Wesentlichen fünf Klagegründe an. Der erste war auf eine Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 gestützt, der zweite auf das Fehlen einer ordnungsgemäßen Zustellung der streitigen Beschlüsse, der dritte darauf, dass den Rechtsmittelführerinnen das Recht genommen worden sei, sich gegen die Nachprüfung zu verteidigen, der vierte auf eine Verletzung der Begründungspflicht und der fünfte auf eine Verletzung des Rechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung.

19      Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen forderte das Gericht die Kommission auf, die Indizien für mutmaßliche Zuwiderhandlungen vorzulegen, über die sie zum Zeitpunkt der streitigen Beschlüsse verfügte.

20      Die Kommission legte daraufhin u. a. Zusammenfassungen von Befragungen vor, die sie in den Jahren 2016 und 2017 bei 13 Lieferanten der betreffenden Produkte des täglichen Bedarfs durchgeführt hatte, die regelmäßig Vereinbarungen mit Casino und Intermarché trafen (Anlagen Q.1 bis Q.13 der Antwort der Kommission vom 10. Januar 2019) (im Folgenden: Befragungen der Lieferanten).

21      Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht Art. 1 Buchst. b eines jeden der beiden streitigen Beschlüsse für nichtig erklärt, da es der Ansicht war, dass die Kommission nicht über hinreichend ernsthafte Indizien verfügt habe, die den Verdacht einer Zuwiderhandlung in Form eines Informationsaustauschs zwischen Casino und Intermarché über ihre künftigen Geschäftsstrategien begründen könnten, und die Klage im Übrigen abgewiesen.

 Anträge der Parteien

22      Mit ihrem Rechtsmittel beantragen die Rechtsmittelführerinnen,

–        Nr. 2 des Tenors des angefochtenen Urteils aufzuheben,

–        ihren im ersten Rechtszug gestellten Anträgen stattzugeben und die streitigen Beschlüsse für nichtig zu erklären sowie

–        der Kommission die gesamten Kosten des Verfahrens einschließlich des Verfahrens vor dem Gericht aufzuerlegen.

23      Die Kommission beantragt,

–        das Rechtsmittel zurückzuweisen und

–        den Rechtsmittelführerinnen die Kosten aufzuerlegen.

24      Der Rat der Europäischen Union beantragt,

–        den ersten Rechtsmittelgrund zurückzuweisen und

–        den Rechtsmittelführerinnen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

 Zum Rechtsmittel

25      Die Rechtsmittelführerinnen stützen ihr Rechtsmittel auf fünf Gründe. Mit dem ersten Rechtsmittelgrund werden Rechtsfehler und eine unzureichende Begründung des Gerichts im Rahmen seiner Prüfung der Effektivität der Rechtsbehelfe bezüglich des Ablaufs der Nachprüfung gerügt. Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund wird ein Verstoß gegen die Art. 6 und 8 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, unterzeichnet in Rom am 4. November 1950 (im Folgenden: EMRK), Art. 296 AEUV und Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 geltend gemacht, weil das Gericht die Pflicht zur Begründung und zur Begrenzung der Nachprüfungsbeschlüsse verletzt habe. Mit dem dritten Rechtsmittelgrund werden ein Rechtsfehler und ein Verstoß gegen die Verordnung Nr. 1/2003 gerügt, weil das Gericht eine Verfahrensphase „vor Erlass von Maßnahmen, die den Vorwurf beinhalten, eine Zuwiderhandlung begangen zu haben“, als nicht der Verordnung unterliegend eingestuft habe. Mit dem vierten Rechtsmittelgrund wird ein Verstoß gegen die Art. 6 und 8 EMRK und Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 geltend gemacht, weil das Gericht mit formalen und wesentlichen Mängeln behaftete Gesichtspunkte als „hinreichend ernsthafte Indizien“ eingestuft habe. Mit dem fünften Rechtsmittelgrund schließlich wird ein Begründungsmangel beanstandet, der sich aus der fehlenden Prüfung der Beweiskraft dieser Indizien und einer fehlerhaften Einstufung als „Indiz“ ergebe.

 Erster Rechtsmittelgrund: Rechtsfehler und fehlende Begründung des angefochtenen Urteils im Rahmen der Prüfung der Wirksamkeit der Rechtsbehelfe in Bezug auf den Ablauf der Nachprüfungen

 Vorbringen der Parteien

26      Die Rechtsmittelführerinnen beanstanden die Rn. 83 bis 112 des angefochtenen Urteils, in denen das Gericht die Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 zurückgewiesen hat, die sich darauf stützt, dass es an einem wirksamen Rechtsbehelf fehle, mit dem der Ablauf der Nachprüfungen beanstandet werden könne.

27      Mit dem ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, dass das Gericht seine Begründungspflicht im Rahmen der Prüfung der Wirksamkeit der Rechtsbehelfe in Bezug auf den Ablauf der Nachprüfungen verletzt habe.

28      Mit dem zweiten Teil des ersten Klagegrundes machen die Rechtsmittelführerinnen eine Verletzung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf geltend. Sie weisen darauf hin, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in seinem Urteil vom 2. Oktober 2014, Delta Pekárny a.s./Tschechische Republik (CE:ECHR:2014:1002JUD000009711), entschieden habe, dass die Vereinbarkeit eines Eingriffs, wie er durch eine Nachprüfung verursacht werde, mit der EMRK u. a. einen wirksamen Rechtsbehelf voraussetze, mit dem nicht nur die Rechtmäßigkeit der Genehmigung, sondern auch die Umstände des Ablaufs einer von dem Unternehmen zu duldenden Nachprüfung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht beanstandet werden könnten.

29      Mit der ersten Rüge des zweiten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes beanstanden die Rechtsmittelführerinnen die Gründe, aus denen das Gericht in den Rn. 83 und 87 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass die Rechtsprechung des EGMR es zulasse, die Einhaltung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Maßnahmen im Rahmen einer Nachprüfung nicht anhand einer individuellen Analyse, sondern anhand einer Gesamtanalyse dieser Rechtsbehelfe zu überprüfen.

30      In dieser Hinsicht gehe aus § 42 des Urteils des EGMR vom 21. Dezember 2010, Société Canal Plus u. a./Frankreich (CE:ECHR:2010:1221JUD002940808), hervor, dass sowohl der Rechtsbehelf zur Anfechtung der Rechtmäßigkeit der Genehmigung einer Nachprüfung als auch der Rechtsbehelf zur Beanstandung der im Rahmen dieser Nachprüfung getroffenen Maßnahmen wirksam sein müssten.

31      Folglich habe das Gericht in den Rn. 83 und 99 bis 111 des angefochtenen Urteils einen Rechtsfehler begangen, indem es diese Rechtsbehelfe zusammen geprüft und die Ansicht vertreten habe, dass die Mängel eines bestimmten Rechtsbehelfs durch die Vorzüge eines anderen ausgeglichen werden könnten.

32      Nach Ansicht der Rechtsmittelführerinnen hätte das Gericht, wenn es diese Rechtsbehelfe getrennt geprüft hätte, drei der sechs von ihm als wirksam angesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten ausschließen müssen, nämlich die Klage gegen die Entscheidung, mit der das Verfahren zur Anwendung von Art. 101 AEUV abgeschlossen werde, die Klage gegen den Nachprüfungsbeschluss und schließlich die Klage aus außervertraglicher Haftung. Alle anderen Rechtsschutzmöglichkeiten seien nur partiell und erlaubten nicht einmal dann, wenn sie alle zusammen wahrgenommen würden, in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zu prüfen, ob sämtliche Umstände des Ablaufs der Nachprüfung Art. 8 EMRK genügten.

33      Mit der zweiten Rüge des zweiten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, dass das Gericht durch die Feststellung, dass partielle Rechtsbehelfe wirksam seien, dem Rechtsuchenden die Last auferlege, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme all dieser Rechtsschutzmöglichkeiten zu schaffen.

34      Sowohl der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz als auch die nachträgliche Datenschutzklage und die Klage auf der Grundlage der auf das Urteil vom 17. September 2007, Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission (T‑125/03 und T‑253/03, EU:T:2007:287), zurückgehenden Rechtsprechung zum Schutz der Kommunikation zwischen Mandant und Anwalt setzten nämlich voraus, dass es dem Unternehmen dadurch, dass es sich von der laufenden Nachprüfung abwende, gelinge, einen ausdrücklichen oder stillschweigenden Beschluss der Kommission herbeizuführen, der das Recht auf Wahrung der Vertraulichkeit der Korrespondenz zwischen Anwälten und Mandanten oder gegebenenfalls das Recht auf Achtung des Privatlebens missachte. Diese Rechtsschutzmöglichkeiten beruhten zudem auf der Bereitschaft der Kommission zur Versiegelung der Daten bis zur Entscheidung des Gerichts. Ein vorläufiger Rechtsschutz während der Nachprüfung setze zudem voraus, dass sich das Unternehmen von der laufenden Nachprüfung abwende, an der es aktiv mitzuwirken verpflichtet sei.

35      Was die Klage gegen einen Beschluss der Kommission zur Ahndung einer Behinderung der Nachprüfung betreffe, setze das Bestehen dieses Rechtsbehelfs voraus, dass sich das Unternehmen einer so schwerwiegenden Behinderung schuldig mache, dass eine Sanktion gegen es verhängt werde. Ein solches Erfordernis verstoße jedoch gegen Art. 52 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

36      Mit der dritten Rüge des zweiten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, dass das Gericht in den Rn. 94 und 96 des angefochtenen Urteils einen Rechtsfehler begangen habe, als es zwei Rechtsschutzmöglichkeiten in Betracht gezogen habe, von denen bis heute noch nie Gebrauch gemacht worden sei, nämlich einerseits einen auf die Aussetzung der Nachprüfung gerichteten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz und andererseits eine den Schutz der persönlichen Daten der Leiter und der Beschäftigten betreffende nachträgliche Klage. Hypothetische Rechtsbehelfe könnten nämlich nicht als wirksame Rechtsbehelfe eingestuft werden.

37      Die Kommission und der Rat halten das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen für unbegründet. Der Rat ist außerdem der Ansicht, dass die auf einen Begründungsmangel gestützte Rüge unzulässig sei, weil die Rechtsmittelführerinnen weder die beanstandeten Passagen des angefochtenen Urteils mit der erforderlichen Genauigkeit angegeben noch eine fundierte rechtliche Argumentation zur Unterstützung dieser Rüge vorgebracht hätten.

 Würdigung durch den Gerichtshof

38      Mit dem ersten Teil ihres ersten Rechtsmittelgrundes machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, dass das Gericht seine Begründungspflicht im Rahmen der Analyse der Wirksamkeit der Rechtsbehelfe in Bezug auf den Ablauf der Nachprüfungen verletzt habe.

39      Was die vom Rat bestrittene Zulässigkeit dieses Teils angeht, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass eine fehlende oder unzureichende Begründung nach ständiger Rechtsprechung eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften im Sinne von Art. 263 AEUV darstellt und ein Gesichtspunkt zwingenden Rechts ist, den der Unionsrichter von Amts wegen prüfen kann und muss (Urteile vom 2. Dezember 2009, Kommission/Irland u. a., C‑89/08 P, EU:C:2009:742, Rn. 34, und vom 28. Januar 2016, Quimitécnica.com und de Mello/Kommission, C‑415/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:58, Rn. 57). Daraus folgt, dass das Vorbringen des Rates zur Unzulässigkeit des ersten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen ist.

40      Zur Begründetheit dieses Teils ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs aus der Begründung eines Urteils die Überlegungen des Gerichts klar und eindeutig hervorgehen müssen, so dass die Betroffenen die Gründe für die Entscheidung des Gerichts erkennen können und der Gerichtshof seine Kontrollfunktion ausüben kann (Urteil vom 25. März 2021, Deutsche Telekom/Kommission, C‑152/19 P, EU:C:2021:238, Rn. 98 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Im vorliegenden Fall hat das Gericht in den Rn. 78 bis 82 des angefochtenen Urteils zunächst darauf hingewiesen, dass das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf in Art. 47 der Charta sowie in den Art. 6 und 13 der EMRK verankert ist. Nach dem Hinweis darauf, dass die EMRK, solange die Union ihr nicht beigetreten sei, kein formell in die Unionsrechtsordnung übernommenes Rechtsinstrument darstelle, so dass die Rechtmäßigkeitskontrolle allein anhand der durch die Charta garantierten Grundrechte vorzunehmen sei, hat das Gericht ausgeführt, dass sich sowohl aus Art. 52 der Charta als auch aus den Erläuterungen zu diesem Artikel ergebe, dass die Bestimmungen der EMRK und die Rechtsprechung des EGMR zu diesen Bestimmungen bei der Auslegung und Anwendung der Bestimmungen der Charta in einem bestimmten Fall zu berücksichtigen seien.

42      Insoweit hat es festgestellt, dass nach der Rechtsprechung des EGMR die Einhaltung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf in Bezug auf Hausdurchsuchungen anhand der folgenden vier Voraussetzungen zu prüfen sei: Erstens müsse eine effektive gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, solche Hausdurchsuchungen durchzuführen, oder der im Rahmen solcher Hausdurchsuchungen getroffenen Maßnahmen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gegeben sein, zweitens müssten es der oder die zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe im Fall der Feststellung einer Rechtswidrigkeit ermöglichen, entweder vollendete Tatsachen zu verhindern oder, wenn diese bereits eingetreten sind, den Betroffenen eine angemessene Wiedergutmachung zu gewähren, drittens müsse die Zugänglichkeit des betreffenden Rechtsbehelfs sicher sein, und viertens müsse die gerichtliche Kontrolle innerhalb einer angemessenen Frist erfolgen.

43      Sodann hat das Gericht in Rn. 83 des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen, dass aus dieser Rechtsprechung auch hervorgehe, dass der Ablauf einer Nachprüfungsmaßnahme Gegenstand einer effektiven gerichtlichen Kontrolle sein müsse und dass die Kontrolle unter den besonderen Umständen der in Rede stehenden Rechtssache effektiv sein müsse, was die Berücksichtigung sämtlicher einem überprüften Unternehmen zur Verfügung stehender Rechtsschutzmöglichkeiten und somit eine umfassende Analyse dieser Rechtsschutzmöglichkeiten impliziere. In den Rn. 86 und 87 des angefochtenen Urteils hat das Gericht ausgeführt, dass es, da die Prüfung der Wahrung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf auf einer umfassenden Analyse der Rechtsschutzmöglichkeiten beruhen müsse, die zur Kontrolle der im Rahmen einer Nachprüfung getroffenen Maßnahmen führen könnten, unerheblich sei, dass jede dieser Rechtsschutzmöglichkeiten für sich genommen nicht die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf erfülle.

44      In diesem Zusammenhang hat das Gericht in den Rn. 88 und 89 des angefochtenen Urteils weiter ausgeführt, dass es neben der Möglichkeit, Anträge an den Anhörungsbeauftragten der Kommission zu richten, sechs Rechtsschutzmöglichkeiten gebe, mit denen Einwände gegen eine Nachprüfungsmaßnahme vor dem Unionsrichter geltend gemacht werden könnten, nämlich die Klage gegen den Nachprüfungsbeschluss, die Klage gegen eine Entscheidung der Kommission, mit der eine Behinderung der Nachprüfung auf der Grundlage von Art. 23 Abs. 1 Buchst. c bis e der Verordnung Nr. 1/2003 geahndet werde, die Klage gegen jede Handlung, die die Voraussetzungen der Rechtsprechung für die mit Klage anfechtbare Handlung erfülle, die die Kommission nach dem Nachprüfungsbeschluss und im Rahmen des Ablaufs der Nachprüfungsmaßnahmen annehme, wie etwa eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf Schutz von Dokumenten wegen Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant abgelehnt werde, die Klage gegen die endgültige Entscheidung, mit der das nach Art. 101 AEUV eingeleitete Verfahren abgeschlossen werde, den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz und die Klage aus außervertraglicher Haftung.

45      In den Rn. 90 bis 98 des angefochtenen Urteils hat das Gericht erläutert, weshalb es der Ansicht war, dass diese Rechtsbehelfe es ermöglichten, Einwände gegen den Ablauf der Nachprüfungen vor den Unionsrichter zu bringen.

46      Schließlich hat das Gericht am Ende einer in den Rn. 100 bis 110 des angefochtenen Urteils vorgenommenen Analyse festgestellt, dass davon ausgegangen werden könne, dass das System zur Kontrolle des Ablaufs der Nachprüfungen, das aus allen in Rn. 44 des vorliegenden Urteils aufgezählten Rechtsschutzmöglichkeiten bestehe, die vier Voraussetzungen erfülle, die sich aus der Rechtsprechung des EGMR ergäben.

47      Folglich hat das Gericht in Rn. 111 des angefochtenen Urteils die auf einen Verstoß gegen das Recht auf einen effektiven Rechtsbehelf gestützte Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 zurückgewiesen.

48      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Gründe, aus denen das Gericht das Argument des Fehlens eines wirksamen Rechtsbehelfs in Bezug auf die Umstände des Ablaufs der Nachprüfungen zurückgewiesen hat, entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen klar und unmissverständlich aus den Rn. 78 bis 111 des angefochtenen Urteils hervorgehen, die in den Rn. 41 bis 47 des vorliegenden Urteils zusammengefasst sind. Diese Gründe haben die Beschwerdeführerinnen in die Lage versetzt, die Rechtfertigungen des angefochtenen Urteils zu erkennen, wie dies im Übrigen aus dem Inhalt ihres Rechtsmittels hervorgeht, und dem Gerichtshof die Ausübung seiner gerichtlichen Kontrolle ermöglicht.

49      Daher ist der auf einen Begründungsmangel gestützte erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

50      Mit dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes machen die Rechtsmittelführerinnen eine Verletzung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf geltend.

51      Zur ersten Rüge, mit der geltend gemacht wird, das Gericht hätte eine individuelle Analyse der verschiedenen Rechtsbehelfe vornehmen müssen, um zu prüfen, ob das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gegen die im Rahmen einer Nachprüfung ergriffenen Maßnahmen gewährleistet sei, ist darauf hinzuweisen, dass das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf in Art. 47 der Charta verankert ist.

52      Zudem ist darauf hinzuweisen, dass Art. 52 Abs. 3 der Charta klarstellt, dass in der Charta enthaltene Rechte, die den durch die EMRK garantierten Rechten entsprechen, die gleiche Bedeutung und Tragweite haben, wie sie ihnen in der EMRK verliehen werden (Urteil vom 19. November 2019, A. K. u. a. [Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts], C‑585/18, C‑624/18 und C‑625/18, EU:C:2019:982, Rn. 116).

53      Wie aus den Erläuterungen zu Art. 47 der Charta, die gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 EUV und Art. 52 Abs. 7 der Charta bei deren Auslegung zu berücksichtigen sind, hervorgeht, entsprechen die Abs. 1 und 2 von Art. 47 der Charta Art. 13 bzw. Art. 6 Abs. 1 der EMRK (Urteil vom 19. November 2019, A. K. u. a. [Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts], C‑585/18, C‑624/18 und C‑625/18, EU:C:2019:982, Rn. 117). Nach der Rechtsprechung des EGMR stellt Art. 6 Abs. 1 EMRK im Verhältnis zu Art. 13 EMRK eine lex specialis dar, wobei die Anforderungen des Letzteren in den strengeren Anforderungen des Ersteren enthalten sind (EGMR, 15. März 2022, Grzęda/Polen, CE:ECHR:2022:0315JUD004357218, § 352 und die dort angeführte Rechtsprechung).

54      Der Gerichtshof hat ferner entschieden, dass er darauf achten muss, dass seine Auslegung von Art. 47 Abs. 1 der Charta ein Schutzniveau gewährleistet, das das in Art. 13 EMRK in seiner Auslegung durch den EGMR garantierte Schutzniveau nicht verletzt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. September 2018, Belastingdienst/Toeslagen [Aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels], C‑175/17, EU:C:2018:776, Rn. 35).

55      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sich aus der Rechtsprechung des EGMR ergibt, dass der durch Art. 13 EMRK gewährte Schutz nicht so weit geht, dass eine bestimmte Form der Klage verlangt wird (EGMR, 20. März 2008, Boudaïeva u. a./Russland, CE:ECHR:2008:0320JUD001533902, § 190), und dass selbst dann, wenn keiner der vom innerstaatlichen Recht gebotenen Rechtsbehelfe für sich genommen die Anforderungen von Art. 13 EMRK erfüllt, die Gesamtheit dieser Rechtsschutzmöglichkeiten ihnen genügen kann (EGMR, 10. Juli 2020, Mugemangango/Belgien, CE:ECHR:2020:0710JUD000031015, § 131 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56      Darüber hinaus ist im Fall einer Verletzung des in Art. 8 EMRK verankerten Rechts auf Achtung der Wohnung ein Rechtsbehelf wirksam im Sinne von Art. 13 EMRK, wenn der Rechtsbehelfsführer Zugang zu einem Verfahren hat, das es ihm ermöglicht, die Ordnungsmäßigkeit der durchgeführten Durchsuchungen und Beschlagnahmen in Frage zu stellen und, wenn diese rechtswidrig angeordnet oder vollstreckt worden sind, eine angemessene Wiedergutmachung zu erwirken (EGMR, 19. Januar 2017, Posevini/Bulgarien, CE:ECHR:2017:0119JUD006363814, § 84).

57      Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 oder Art. 8 EMRK, dass bei Hausdurchsuchungen das Fehlen einer zuvor durch einen Richter erteilten Genehmigung der Nachprüfung, die den Ablauf dieser Nachprüfung hätte eingrenzen oder kontrollieren können, durch eine nachträgliche gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit und Notwendigkeit einer solchen Ermittlungsmaßnahme ausgeglichen werden kann, sofern diese Kontrolle unter den besonderen Umständen der jeweiligen Rechtssache wirksam ist. Dies bedeutet, dass die betroffenen Personen eine wirksame gerichtliche Kontrolle der streitigen Maßnahme und ihres Ablaufs in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erwirken können. Wenn eine für rechtswidrig befundene Handlung bereits stattgefunden hat, müssen der oder die verfügbaren Rechtsbehelfe dem Betroffenen eine angemessene Wiedergutmachung verschaffen können (EGMR, 2. Oktober 2014, Delta Pekárny a.s./Tschechische Republik, CE:ECHR:2014:1002JUD000009711, §§ 86 und 87 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

58      Da die nachträgliche gerichtliche Kontrolle der Nachprüfung unter bestimmten Voraussetzungen das Fehlen einer vorherigen gerichtlichen Kontrolle ausgleichen kann und „der oder die verfügbaren Rechtsbehelfe“ eine angemessene Wiedergutmachung ermöglichen müssen, ist somit davon auszugehen, dass grundsätzlich die Gesamtheit aller verfügbaren Rechtsbehelfe zu berücksichtigen ist, um festzustellen, ob die Anforderungen von Art. 47 der Charta erfüllt sind.

59      Da die Rechtsmittelführerinnen zudem mit einer Einrede die Rechtswidrigkeit von Art. 20 der Verordnung Nr. 1/2003 geltend gemacht hatten, war das Gericht, wie der Generalanwalt in Nr. 51 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, bei der Entscheidung über diese Einrede verpflichtet, eine allgemeine Würdigung des Systems der gerichtlichen Kontrolle der im Rahmen der Nachprüfungen ergriffenen Maßnahmen vorzunehmen, die über die besonderen Umstände der in Rede stehenden Rechtssache hinausgeht.

60      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Rechtsmittelführerinnen zu Unrecht geltend machen, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es eine Gesamtwürdigung aller Rechtsbehelfe vorgenommen habe, die zur Anfechtung des Ablaufs der Nachprüfungen zur Verfügung stünden.

61      Zu dem Argument der Rechtsmittelführerinnen, das Gericht hätte die Nachteile einer Klage gegen die im Rahmen einer Nachprüfung getroffenen Maßnahmen nicht gegen die Vorteile einer Klage auf Anfechtung der Rechtmäßigkeit der Nachprüfungsentscheidung abwägen dürfen, genügt es, im Einklang mit den Ausführungen des Generalanwalts in den Nrn. 46 und 47 seiner Schlussanträge festzustellen, dass dieses Argument auf einem falschen Verständnis des angefochtenen Urteils beruht. Aus den Rn. 90 bis 98 des angefochtenen Urteils geht nämlich hervor, dass das Gericht geprüft hat, inwieweit die verschiedenen den Rechtsmittelführerinnen zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten, einschließlich der Klage gegen den Nachprüfungsbeschluss, es ermöglichten, ein Gericht mit Rügen bezüglich der Ordnungsmäßigkeit des Ablaufs der Nachprüfung zu befassen, und somit auch mit der Frage, inwieweit dieser Ablauf trotz des Fehlens einer einzigen, einheitlichen Rechtsschutzmöglichkeit Gegenstand einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle sein konnte, die im Einklang mit der in den Rn. 55 bis 57 dieses Urteils angeführten Rechtsprechung steht.

62      Was schließlich das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen betrifft, dass das Gericht, wenn es die verschiedenen Rechtsbehelfe getrennt geprüft hätte, zum einen drei der sechs von ihm als wirksam angesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten hätte ausschließen müssen, nämlich die Klage gegen die Entscheidung, mit der das Verfahren nach Art. 101 AEUV abgeschlossen werde, die Klage gegen den Nachprüfungsbeschluss und schließlich die Klage aus außervertraglicher Haftung, und zum anderen alle weiteren Rechtsbehelfe als nur partiell hätte ansehen müssen, genügt der Hinweis, dass dieses Vorbringen zurückzuweisen ist, weil es auf der falschen Prämisse beruht, dass das Gericht keine Gesamtwürdigung aller zur Beanstandung der Durchführung der Nachprüfungen verfügbaren Rechtsbehelfe vornehmen dürfe.

63      Die erste Rüge des zweiten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes ist daher zurückzuweisen.

64      Hinsichtlich der zweiten und der dritten Rüge, dass das Gericht mit der Feststellung, dass partielle und nicht eindeutig verfügbare Rechtsbehelfe wirksam seien, dem Rechtsuchenden die Last auferlege, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme dieser ohnehin nicht mit Sicherheit bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten zu schaffen, genügt es, zum einen festzustellen, dass die in Rn. 57 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung des EGMR nicht verlangt, dass sämtliche Rügen, mit denen die von der Behörde auf der Grundlage der die Durchsuchung anordnenden Entscheidung getroffenen Maßnahmen beanstandet werden, im Rahmen ein und desselben Rechtsbehelfs erhoben werden können, und zum anderen, dass das Fehlen einer gefestigten gerichtlichen Praxis, wie der Generalstaatsanwalt in Nr. 66 seiner Schlussanträge im Wesentlichen festgestellt hat, nicht entscheidend sein kann, um die Wirksamkeit eines Rechtsbehelfs zu verneinen.

65      Daraus folgt, dass diese Rügen nicht begründet sind.

66      Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass der erste Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen ist.

 Dritter Rechtsmittelgrund: Rechtsfehler in Bezug auf die formale Ordnungsmäßigkeit der die Nachprüfung rechtfertigenden Indizien

 Vorbringen der Parteien

67      Mit dem dritten Rechtsmittelgrund werfen die Rechtsmittelführerinnen dem Gericht im Wesentlichen vor, einen Rechtsfehler begangen und gegen die Verordnung Nr. 1/2003 verstoßen zu haben, indem es zum einen in Rn. 193 des angefochtenen Urteils entschieden habe, dass die Kommission nicht verpflichtet sei, die Vorschriften über ihre Untersuchungsbefugnisse – insbesondere die sich aus Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 in Verbindung mit Art. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 ergebende Verpflichtung zur Aufzeichnung der Gespräche – zu beachten, solange noch keine Untersuchung förmlich eingeleitet worden sei, und indem es sich zum anderen in Rn. 206 des angefochtenen Urteils geweigert habe, die aus den Gesprächen mit den Lieferanten hervorgegangenen Indizien als formfehlerhaft zurückzuweisen.

68      Sie machen geltend, dass das Gericht in den Rn. 189, 192, 193, 196 und 198 des angefochtenen Urteils zu Unrecht festgestellt habe, dass bei der Beurteilung der Frage, ob die der Kommission zur Verfügung stehenden Indizien hinreichend ernsthaft seien, der Umstand zu berücksichtigen sei, dass die Nachprüfungsentscheidung in die Phase der Voruntersuchung falle, noch bevor eine Untersuchung im Sinne von Kapitel V der Verordnung Nr. 1/2003 förmlich eingeleitet worden sei, was es somit rechtfertige, dass die Kommission bestimmte zwingende Vorschriften dieser Verordnung nicht zu beachten brauche, darunter diejenigen, die sich auf die Verpflichtung zur Aufzeichnung der Gespräche bezögen, aus denen diese Indizien hervorgegangen seien. Sie beanstanden die vom Gericht auf diese Weise vorgenommene Unterscheidung zwischen Maßnahmen nach der formellen Einleitung einer Untersuchung, die unter die Verordnung Nr. 1/2003 fielen, und Maßnahmen vor dieser Einleitung, die nicht unter diese Verordnung fielen.

69      Mit dem ersten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, dass diese Unterscheidung auf einem falschen Verständnis der in Rn. 194 des angefochtenen Urteils angeführten Rechtsprechung beruhe. Diese Rechtsprechung unterscheide nämlich zwischen der Untersuchungsphase vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte und dem weiteren Verlauf des Verwaltungsverfahrens. Außerdem definiere diese Rechtsprechung nicht den Beginn der Untersuchung, sondern den Beginn des Zeitraums, der für die Frage der angemessenen Dauer des Verfahrens zu berücksichtigen sei.

70      Mit dem zweiten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen habe, als es in Rn. 193 des angefochtenen Urteils entschieden habe, dass die Verordnung Nr. 1/2003 vor dem Erlass einer ersten Nachprüfungsentscheidung nicht anwendbar sei.

71      Aus dem 25. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003 und aus Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 gehe nämlich hervor, dass die Verordnung Nr. 1/2003 für alle Handlungen gelte, die die Kommission zur Durchführung der Art. 101 und 102 AEUV nach Aufdeckung der Praktiken erlasse. Sie weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die letztgenannte Verordnung sowohl für sektorbezogene Untersuchungen als auch für Kronzeugenerklärungen gelte, ohne dass diese mit dem Erlass von Maßnahmen einhergingen, die den Vorwurf einer Zuwiderhandlung beinhalteten. Würden Untersuchungshandlungen, die vor dem Erlass eines Nachprüfungsbeschlusses durchgeführt werden, von der Anwendung der Verordnung Nr. 1/2003 ausgenommen, bestünde die Gefahr, dass die Unternehmen und Dritte ihrer Verfahrensrechte sowie ihres Rechts auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen einen solchen Beschluss beraubt würden.

72      Mit dem dritten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes beanstanden die Rechtsmittelführerinnen die vom Gericht in Rn. 193 des angefochtenen Urteils getroffene Unterscheidung zwischen den Beweisen für eine Zuwiderhandlung und den Indizien, die einen Nachprüfungsbeschluss begründen, wobei Indizien nicht demselben Förmlichkeitsgrad unterlägen wie Beweise. Nach Ansicht der Rechtsmittelführerinnen müssen Indizien und Beweise denselben Förmlichkeiten und denselben Verfahrensregeln unterliegen, durch die die Authentizität, die Redlichkeit und die Glaubwürdigkeit des Beweises gewährleistet werden sollen.

73      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

74      Sie weist zunächst darauf hin, dass sich die Einleitung der Untersuchung sowohl von der Anlegung einer Akte als auch von der Einleitung eines Verfahrens im Sinne von Art. 2 der Verordnung Nr. 773/2004 unterscheide. Die Einleitung der Untersuchung finde statt, sobald die Kommission erstmals von ihren Ermittlungsbefugnissen Gebrauch mache und Maßnahmen ergreife, die den Vorwurf der Begehung einer Zuwiderhandlung beinhalteten und erhebliche Auswirkungen auf die Situation der unter Verdacht stehenden Entitäten hätten. Die Anlegung der Akte sei eine interne Handlung der Geschäftsstelle der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission, wenn sie ein Aktenzeichen vergebe, und solle lediglich die Aufbewahrung von Unterlagen ermöglichen. Die Einleitung des Verfahrens entspreche dem Zeitpunkt, zu dem die Kommission nach Art. 2 der Verordnung Nr. 773/2004 beschließe, ein Verfahren zum Erlass eines Beschlusses gemäß Kapitel III der Verordnung Nr. 1/2003 einzuleiten.

75      Dies vorausgeschickt, macht die Kommission als Erstes geltend, dass sie vor der Einleitung einer Untersuchung nicht verpflichtet sei, die Förmlichkeiten der Verordnungen Nr. 1/2003 und Nr. 773/2004 einzuhalten.

76      Erstens bestreitet die Kommission, dass sich eine solche Verpflichtung aus der Rechtsprechung ergebe, und macht geltend, dass das Gericht die in Rn. 194 des angefochtenen Urteils angeführte Rechtsprechung nicht verfälscht habe. Auf den Umstand, dass diese Rechtsprechung die Beurteilung der angemessenen Verfahrensdauer betreffe, komme es in dieser Hinsicht nicht an.

77      Zweitens ist die Kommission der Ansicht, dass aus den Verordnungen Nr. 1/2003 und Nr. 773/2004 nicht hervorgehe, dass sie bereits vor Einleitung einer Untersuchung verpflichtet sei, die Formerfordernisse dieser Verordnungen einzuhalten.

78      Darüber hinaus beruhe das auf Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 gestützte Argument der Rechtsmittelführerinnen auf einer Verwechslung zwischen der Einleitung der Untersuchung und der Einleitung des Verfahrens, die jedoch zu unterschiedlichen Zeitpunkten stattfänden und unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich zögen.

79      Zudem gingen die Bezugnahmen der Rechtsmittelführerinnen auf den 25. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003 sowie auf die sektorbezogenen Untersuchungen oder die Kronzeugenerklärungen fehl.

80      Drittens könnten die Rechtsmittelführerinnen nicht geltend machen, dass ihr Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf, mit dem die Rechtmäßigkeit der Nachprüfungsbeschlüsse in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht überprüft werden könne, beeinträchtigt werde, wenn es der Kommission gestattet wäre, die Formerfordernisse der Verordnungen Nr. 1/2003 und Nr. 773/2004 vor der Einleitung der Untersuchung unbeachtet zu lassen. Zum einen werde diese Behauptung durch die im vorliegenden Fall vom Gericht vorgenommene Kontrolle der Indizien widerlegt, die zur teilweisen Nichtigerklärung der streitigen Beschlüsse geführt habe. Zum anderen hätte das Gericht selbst dann, wenn eine mündliche Aussage nicht aufgezeichnet worden sei, gemäß Art. 94 seiner Verfahrensordnung die Möglichkeit, Zeugen zu vernehmen.

81      Die Anwendung der in den Verordnungen Nr. 1/2003 und Nr. 773/2004 vorgesehenen Förmlichkeit vor der Einleitung der Untersuchung beeinträchtige die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts durch die Kommission, indem sie diese daran hindere, in mündlicher Form erhaltene Indizien zu sammeln und zu verwenden. Wäre die Kommission daran gehindert, Indizien in mündlicher Form zu sammeln, würde dies den Zeitpunkt der Nachprüfung verzögern und dadurch die Wirksamkeit der Untersuchungen der Kommission beeinträchtigen.

82      Als Zweites macht die Kommission zunächst geltend, da der Zweck der Nachprüfung darin bestehe, die Erkenntnisse zu sammeln, die erforderlich seien, um das Vorliegen und das Ausmaß der vermuteten Zuwiderhandlung anhand der in ihrem Besitz befindlichen Indizien zu überprüfen, müssten Indizien zwangsläufig einem geringeren Förmlichkeitsgrad unterliegen als Beweise, so dass sie insbesondere nicht verpflichtet sei, solche Indizien nach Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 und Art. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 aufzuzeichnen.

83      Sodann macht dieses Organ geltend, dass es, wenn Indizien einem geringeren Grad an Förmlichkeit unterworfen würden als Beweise, möglich sei, das für den Erlass von Nachprüfungsbeschlüssen maßgebende Beschleunigungsgebot und die Wirksamkeit der Ermittlungen der Kommission einerseits und die Wahrung der Verteidigungsrechte der betroffenen Unternehmen andererseits miteinander in Einklang zu bringen.

84      Schließlich sei die Authentizität eines Beweises keine notwendige Voraussetzung für seine Glaubhaftigkeit. Der Gerichtshof habe nämlich in den Rn. 65 bis 69 des Urteils vom 26. September 2018, Infineon Technologies/Kommission (C‑99/17 P, EU:C:2018:773), darauf hingewiesen, dass im Unionsrecht der Grundsatz der freien Beweiswürdigung gelte, aus dem folge, dass das alleinige Kriterium für die Beurteilung der Beweiskraft ordnungsgemäß vorgelegter Beweise deren Glaubhaftigkeit sei. Folglich sei der Beweiswert eines Beweises einer Gesamtwürdigung zu unterziehen, so dass bloße, nicht substantiierte Zweifel an der Authentizität eines Beweises nicht genügten, um dessen Glaubhaftigkeit zu beeinträchtigen. Diese Grundsätze müssten erst recht für Indizien gelten, deren Beweiswert definitionsgemäß geringer sei.

 Würdigung durch den Gerichtshof

85      Mit dem dritten Rechtsmittelgrund in seinen drei Teilen werfen die Rechtsmittelführerinnen dem Gericht im Wesentlichen vor, in Rn. 193 des angefochtenen Urteils einen Rechtsfehler begangen zu haben, indem es festgestellt habe, dass die Kommission die Verpflichtung zur Aufzeichnung der Befragungen nach Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 in Verbindung mit Art. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 nicht zu beachten brauche, solange sie eine Untersuchung noch nicht formell eingeleitet und von ihren Ermittlungsbefugnissen, die ihr insbesondere durch die Art. 18 bis 20 der Verordnung Nr. 1/2003 übertragen worden seien, noch keinen Gebrauch gemacht habe.

86      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts nicht nur deren Wortlaut zu berücksichtigen ist, sondern auch der Zusammenhang, in dem sie steht, sowie die Zwecke und Ziele, die mit dem Rechtsakt, zu dem sie gehört, verfolgt werden (Urteil vom 1. August 2022, HOLD Alapkezelő, C‑352/20, EU:C:2022:606, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

87      Als Erstes ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 selbst, dass diese Bestimmung auf jedes Gespräch anwendbar sein soll, das die Einholung von Informationen zum Gegenstand einer Untersuchung bezweckt (Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 84).

88      Art. 3 der Verordnung Nr. 773/2004, der Befragungen auf der Grundlage von Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 der Einhaltung bestimmter Formalien unterwirft, enthält keine Klarstellung zum Anwendungsbereich der letztgenannten Bestimmung.

89      Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof entschieden hat, dass für die Kommission nach Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 und Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 eine Pflicht besteht, jede Befragung, die sie nach Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 durchführt, um Informationen einzuholen, die sich auf den Gegenstand ihrer Untersuchung beziehen, in der von ihr gewählten Form aufzuzeichnen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 90 und 91).

90      Es ist daher klarzustellen, dass nach dem Gegenstand der von der Kommission geführten Gespräche zu unterscheiden ist, weil nur diejenigen Gespräche, die auf die Einholung von Informationen über den Gegenstand einer Untersuchung der Kommission gerichtet sind, in den Anwendungsbereich von Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 fallen und damit der Aufzeichnungspflicht unterliegen.

91      Dies vorausgeschickt, lässt sich dem Wortlaut von Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 oder Art. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass die Anwendung dieser Aufzeichnungspflicht davon abhängt, ob das von der Kommission geführte Gespräch vor der formellen Einleitung einer Untersuchung stattgefunden hat, um Indizien für eine Zuwiderhandlung einzuholen, oder danach, um Beweise für eine Zuwiderhandlung einzuholen.

92      Diese Bestimmungen sehen nämlich keineswegs vor, dass die Anwendung der Aufzeichnungspflicht davon abhängt, ob die Informationen, die Gegenstand der Aufzeichnung sind, als Indizien oder als Beweise eingestuft werden können. Vielmehr ist aufgrund des allgemeinen Charakters des Begriffs „Information“ in Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 davon auszugehen, dass diese Bestimmung unterschiedslos für jede dieser Kategorien gilt.

93      Zwar dürfen die Begriffe „Indizien“ und „Beweise“ nicht verwechselt werden, weil ein Indiz seiner Natur nach und im Unterschied zu einem Beweis nicht ausreichen kann, um eine bestimmte Tatsache zu beweisen.

94      Gleichwohl hängt die Einstufung als Indiz oder als Beweis nicht von einem bestimmten Abschnitt des Verfahrens ab, sondern vom Beweiswert der betreffenden Informationen, wobei auch hinreichend ernsthafte und übereinstimmende Indizien, die zusammen ein „Bündel“ bilden, eine Zuwiderhandlung beweisen und in der auf der Grundlage von Art. 101 AEUV erlassenen Endentscheidung der Kommission verwendet werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2010, Knauf Gips/Kommission, C‑407/08 P, EU:C:2010:389, Rn. 47).

95      Daher kann die Pflicht zur Aufzeichnung der Befragungen, wie der Generalanwalt in Nr. 141 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, nicht von der Einstufung der erlangten Informationen als Indizien oder Beweise abhängen, weil die Kommission den Beweiswert dieser Informationen erst nach Durchführung dieser Befragungen im Verlauf der folgenden Verfahrensabschnitte beurteilen kann.

96      Zudem sehen Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 und Art. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 auch nicht vor, dass die Anwendung der Aufzeichnungspflicht von dem Stadium des Verfahrens abhängt, in dem die Befragungen durchgeführt werden. Zwar sieht Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 vor, dass es sich bei den auf diese Bestimmung gestützten Befragungen um solche handelt, die zum Zweck der Einholung von Informationen geführt werden, die sich auf den Gegenstand einer Untersuchung beziehen, was eine bereits laufende Untersuchung voraussetzt. Dagegen geht aus dieser Bestimmung nicht hervor, dass diese Befragungen nach der formellen Einleitung einer Untersuchung stattfinden müssen, die nach der Definition des Gerichts in Rn. 193 des angefochtenen Urteils zu dem Zeitpunkt stattfindet, zu dem die Kommission eine Maßnahme erlässt, die mit dem Vorwurf verbunden ist, eine Zuwiderhandlung begangen zu haben.

97      Als Zweites ist zum Kontext von Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 zum einen festzustellen, dass dieser Artikel zu Kapitel V dieser Verordnung gehört, das die Ermittlungsbefugnisse der Kommission betrifft. Die Anwendung der Bestimmungen dieses Kapitels ist jedoch nicht notwendigerweise davon abhängig, dass dieses Organ eine Maßnahme erlässt, die mit dem Vorwurf verbunden ist, eine Zuwiderhandlung begangen zu haben.

98      So kann die Kommission nach Art. 17 dieser Verordnung sektorbezogene Untersuchungen durchführen, die nicht voraussetzen, dass zuvor Maßnahmen dieser Art gegen Unternehmen ergriffen werden.

99      Zum anderen ist festzustellen, dass Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 773/2004, wonach „[d]ie Kommission … von ihren Ermittlungsbefugnissen gemäß Kapitel V der Verordnung … Nr. 1/2003 Gebrauch machen [kann], bevor sie ein Verfahren einleitet“, die Auslegung stützt, dass die in diesem Kapitel aufgeführten Bestimmungen über die Ermittlungsbefugnisse der Kommission – einschließlich Art. 19 – entgegen dem, was sich aus Rn. 193 des angefochtenen Urteils ergibt, Anwendung finden können, bevor eine Untersuchung formell eingeleitet wurde.

100    Zwar trifft es zu, dass der Gerichtshof in den Rechtssachen, in denen die in Rn. 194 des angefochtenen Urteils angeführten Urteile vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission (C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, EU:C:2002:582, Rn. 182), und vom 21. September 2006, Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission (C‑105/04 P, EU:C:2006:592, Rn. 38), ergangen sind, als Beginn der von der Kommission im Bereich des Wettbewerbs durchgeführten Voruntersuchung den Zeitpunkt bestimmt hat, zu dem dieses Organ in Ausübung der ihm vom Unionsgesetzgeber übertragenen Befugnisse Maßnahmen trifft, die mit dem Vorwurf verbunden sind, eine Zuwiderhandlung begangen zu haben, und erhebliche Auswirkungen auf die Situation der unter Verdacht stehenden Unternehmen haben.

101    Die diesen Urteilen zugrunde liegenden Rechtssachen betrafen jedoch die Bestimmung des Beginns des Verwaltungsverfahrens, um zu überprüfen, ob die Kommission den Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer beachtet hatte. Hierzu war es erforderlich, zu prüfen, ob dieses Organ ab dem Zeitpunkt, zu dem es das Unternehmen, das einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht der Union verdächtig ist, über das Bestehen einer Untersuchung informiert hat, sorgfältig gehandelt hat.

102    Dagegen kann dieser Zeitpunkt nicht herangezogen werden, um zu bestimmen, ab wann die Kommission die Verpflichtung zur Aufzeichnung der Befragungen nach Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 in Verbindung mit Art. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 zu beachten hat. Wie der Generalanwalt in Nr. 150 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, kann ein Unternehmen nämlich von den Erklärungen Dritter, die bei solchen Befragungen eingeholt werden, betroffen sein, ohne davon Kenntnis zu haben. Daher liefe die Heranziehung dieses Zeitpunkts darauf hinaus, die Anwendung der Aufzeichnungspflicht und der damit verbundenen Verfahrensgarantien, die in diesen Bestimmungen zugunsten der befragten Dritten und des verdächtigten Unternehmens vorgesehen sind, aufzuschieben, bis die Kommission eine Maßnahme erlässt, mit der sie dieses Unternehmen darüber informiert, dass es unter Verdacht steht. Aufgrund dieses Aufschubs wären Befragungen Dritter, die vor einer solchen Maßnahme durchgeführt werden, vom Anwendungsbereich der Verpflichtung zur Aufzeichnung der Befragungen und der für sie geltenden Verfahrensgarantien ausgenommen.

103    Als Drittes schließlich geht in Bezug auf den Zweck der Verordnung Nr. 1/2003 aus dem 25. Erwägungsgrund dieser Verordnung hervor, dass die Aufdeckung von Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln zunehmend schwieriger wird und dass Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 die Ermittlungsbefugnisse der Kommission dadurch ergänzen soll, dass sie es dieser insbesondere ermöglicht, alle Personen, die eventuell über sachdienliche Informationen verfügen, zu befragen und deren Aussagen zu Protokoll zu nehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 85). Der Ausdruck „Verstöße … aufdecken“ in diesem Erwägungsgrund stützt jedoch die Auslegung, dass auch die Gespräche, die die Kommission in einem vorläufigen Stadium durchführt, um Indizien einzuholen, die sich auf den Gegenstand einer Untersuchung beziehen, unter Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 fallen.

104    Darüber hinaus ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Kommission gemäß Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 die Möglichkeit hat, die Befragungen auf einen beliebigen Träger aufzuzeichnen. Die Kommission kann daher nicht mit Erfolg geltend machen, durch eine Aufzeichnungspflicht daran gehindert zu werden, Indizien einzuholen und zu verwenden, wenn diese nur in mündlicher Form vorlägen, was die Effizienz der Untersuchungen durch eine Verzögerung des Zeitpunkts der Nachprüfung gefährde. Ebenso wenig kann die Kommission geltend machen, dass eine solche Verpflichtung abschreckende Wirkung habe, da sie die Möglichkeit hat, die Identität der befragten Personen zu schützen.

105    Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen hat, indem es in Rn. 193 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass Gespräche, in deren Verlauf Indizien eingeholt worden seien, die später als Grundlage für einen Nachprüfungsbeschluss gegen ein Unternehmen gedient hätten, vom Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1/2003 mit der Begründung auszuschließen seien, dass damit noch keine Untersuchung im Sinne von Kapitel V dieser Verordnung eingeleitet worden sei, weil die Kommission zu diesem Zeitpunkt keine Maßnahme getroffen habe, die gegenüber diesem Unternehmen den Vorwurf beinhalte, eine Zuwiderhandlung begangen zu haben. Um festzustellen, ob diese Gespräche in diesen Anwendungsbereich fielen, hätte das Gericht unter Berücksichtigung des Inhalts und des Kontexts dieser Gespräche prüfen müssen, ob sie darauf abzielten, Informationen einzuholen, die sich auf den Gegenstand einer Untersuchung bezogen.

106    Im vorliegenden Fall ging das Gericht, wie sich aus den Rn. 205 und 206 des angefochtenen Urteils ergibt, davon aus, dass die aus den Befragungen der Lieferanten hervorgegangenen Indizien insbesondere deshalb nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden könnten, sie seien wegen Nichtbeachtung der Aufzeichnungspflicht nach Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 und Art. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 mit einem Formfehler behaftet, weil diese Gespräche vor der Einleitung einer Untersuchung nach der Verordnung Nr. 1/2003 stattgefunden hätten und gegenüber den Rechtsmittelführerinnen und erst recht gegenüber den Lieferanten keinen Vorwurf enthielten, eine Zuwiderhandlung begangen zu haben.

107    Wie der Generalanwalt in Nr. 155 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, genügt insoweit der Hinweis, dass die Kommission, wenn sie Befragungen durchführt, deren Gegenstand im Voraus festgelegt ist und als deren Ziel offen die Erlangung von Informationen über das Geschehen auf einem bestimmten Markt und das Verhalten der betreffenden Marktteilnehmer genannt wird, um etwaige wettbewerbswidrige Verhaltensweisen aufzudecken oder ihren Verdacht hinsichtlich solcher Verhaltensweisen zu bestärken, ihre Befugnis zur Einholung von Erklärungen gemäß Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 ausübt.

108    Folglich fielen die Gespräche mit den Lieferanten in den Anwendungsbereich von Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003, und die Kommission war gemäß Art. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 zur Aufzeichnung dieser Erklärungen verpflichtet.

109    Daraus folgt, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen hat, indem es in Rn. 206 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass die in Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 und Art. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 vorgesehene Aufzeichnungspflicht nicht für die Gespräche mit den Lieferanten gelte und dass die aus diesen Gesprächen hervorgegangenen Indizien nicht mit einem Formfehler behaftet seien.

110    Nach alledem sind die drei Teile des dritten Rechtsmittelgrundes begründet, so dass dem Rechtsmittel stattzugeben und Nr. 2 des Tenors des angefochtenen Urteils aufzuheben ist, ohne dass über die übrigen Rechtsmittelgründe entschieden zu werden braucht. Folglich ist auch Nr. 3 des Tenors des angefochtenen Urteils, die sich auf die Kosten bezieht, aufzuheben.

 Zur Klage vor dem Gericht

111    Gemäß Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann der Gerichtshof im Fall der Aufhebung der Entscheidung des Gerichts den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist.

112    Dies trifft im vorliegenden Fall zu.

113    Daher ist die von den Rechtsmittelführerinnen vor dem Gericht im Rahmen ihres auf eine Verletzung des Rechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung gestützten Klagegrundes erhobene Rüge zu prüfen, mit der im Wesentlichen geltend gemacht wird, dass die aus Gesprächen mit den Lieferanten hervorgegangen Indizien unberücksichtigt bleiben müssten, weil die Kommission Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 und Art. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 nicht beachtet habe.

114    Zur Stützung dieser Rüge machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, dass die Zusammenfassungen der Befragungen der Lieferanten keine mit diesen Bestimmungen im Einklang stehenden Aufzeichnungen gewesen seien, weil sie einseitig von der Kommission erstellt worden seien und es sich nicht um vollständige Aufzeichnungen dieser Gespräche gehandelt habe.

115    Die Kommission erwidert, sie sei ihrer Aufzeichnungspflicht nachgekommen, indem sie umfassende Zusammenfassungen erstellt habe, die den Inhalt der Erklärungen der Lieferanten getreu wiedergäben, und diese unter einem amtlichen Aktenzeichen zu den Akten genommen habe. Solche Zusammenfassungen seien eine der Formen der Aufzeichnung, die die Kommission nach Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 verwenden könne, ebenso wie Tonaufzeichnungen, audiovisuelle Aufzeichnungen oder wortgetreue Mitschriften.

116    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 773/2004, der klarstellt, dass „[d]ie Kommission … die Aussagen des Befragten auf einen beliebigen Träger aufzeichnen [kann]“, bedeutet, dass die Kommission, wenn sie sich mit der Zustimmung des Befragten dafür entscheidet, eine Befragung auf der Grundlage von Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 vorzunehmen, verpflichtet ist, die Befragung in vollem Umfang aufzuzeichnen, unbeschadet der ihr überlassenen Wahl der Form dieser Aufzeichnung (Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 90).

117    Ferner geht aus Art. 3 Abs. 3 Sätze 2 und 3 der Verordnung Nr. 773/2004 hervor, dass die Kommission dem Befragten eine Kopie der Aufzeichnung zur Genehmigung überlassen muss und erforderlichenfalls eine Frist setzt, innerhalb deren der Befragte seine Aussage berichtigen kann.

118    Im vorliegenden Fall hat die Kommission nicht behauptet, geschweige denn bewiesen, dass sie die von ihr verfassten Zusammenfassungen den Lieferanten zur Genehmigung vorgelegt hat.

119    Die der Kommission durch Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 auferlegte Verpflichtung, dem Befragten eine Kopie der Aufzeichnung zur Genehmigung zu überlassen, soll jedoch insbesondere die Authentizität der Erklärungen des Befragten sicherstellen, indem sie gewährleistet, dass diese Erklärungen tatsächlich dem Befragten zuzuordnen sind und dass ihr Inhalt diese Erklärungen wahrheitsgemäß und vollständig wiedergibt und nicht deren Auslegung durch die Kommission.

120    Daher ist ein Indiz, das aus einer von der Kommission eingeholten Erklärung abgeleitet wird, ohne dass dieses in Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 aufgestellte Erfordernis beachtet wird, als unzulässig anzusehen und folglich zurückzuweisen.

121    Somit erfüllen diese Zusammenfassungen, die rein interner Natur sind, nicht die Anforderungen von Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 773/2004, der für Gespräche gilt, die in den Anwendungsbereich von Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 fallen.

122    Diese Feststellung kann durch die Rn. 65 bis 69 des Urteils vom 26. September 2018, Infineon Technologies/Kommission (C‑99/17 P, EU:C:2018:773), nicht entkräftet werden.

123    Der Gerichtshof hat zwar entschieden, dass im Unionsrecht der Grundsatz der freien Beweiswürdigung gilt, aus dem folgt, dass für die Beurteilung des Beweiswerts von ordnungsgemäß vorgelegten Beweisen allein deren Glaubhaftigkeit maßgeblich ist und dass der Beweiswert eines Beweises einer Gesamtwürdigung zu unterziehen ist, so dass bloße, nicht substantiierte Zweifel an der Authentizität eines Beweises nicht genügen, um dessen Glaubhaftigkeit zu beeinträchtigen (Urteil vom 26. September 2018, Infineon Technologies/Kommission, C‑99/17 P, EU:C:2018:773, Rn. 65 bis 69).

124    In der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, handelte es sich jedoch bei dem Beweis, dessen Authentizität in Frage gestellt wurde, um eine interne E-Mail eines Unternehmens und nicht um die Aufzeichnung einer von der Kommission unter Verstoß gegen Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 eingeholten Erklärung.

125    Somit kann sich die Kommission nicht auf den Grundsatz der freien Beweiswürdigung berufen, um sich den Formvorschriften für die Aufzeichnung von Erklärungen, die sie nach Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 einholt, zu entziehen. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Feststellung einer Unregelmäßigkeit bei der Erhebung von Indizien im Hinblick auf Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 dazu führt, dass es der Kommission nicht möglich ist, diese Indizien im weiteren Verlauf des Verfahrens zu verwenden (vgl. entsprechend Urteil vom 18. Juni 2015, Deutsche Bahn u. a./Kommission, C‑583/13 P, EU:C:2015:404, Rn. 45 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

126    Da im vorliegenden Fall, wie der Generalanwalt in Nr. 208 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die aus den Befragungen der Lieferanten hervorgegangenen Informationen den wesentlichen Teil der den streitigen Beschlüssen zugrunde liegenden Indizien darstellen und aufgrund der Nichteinhaltung der Aufzeichnungspflicht nach Art. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 mit einem Formfehler behaftet sind, ist daraus zu schließen, dass die Kommission zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Beschlüsse nicht über hinreichend ernsthafte Anhaltspunkte verfügte, die sie hätte verwenden dürfen und die die in Art. 1 Buchst. a dieser Beschlüsse aufgestellten Vermutungen hätten rechtfertigen können. Nach alledem sind diese Beschlüsse insgesamt für nichtig zu erklären.

 Kosten

127    Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er selbst den Rechtsstreit endgültig entscheidet.

128    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Rechtsmittelführerinnen beantragt haben, der Kommission die Kosten aufzuerlegen, und diese unterlegen ist, sind ihr neben ihren eigenen Kosten die den Rechtsmittelführerinnen im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels entstandenen Kosten aufzuerlegen. Da die streitigen Entscheidungen für nichtig erklärt werden, trägt die Kommission außerdem die gesamten Kosten, die den Rechtsmittelführerinnen im Rahmen des ersten Rechtszugs entstanden sind.

129    Nach Art. 184 Abs. 4 der Verfahrensordnung können einer erstinstanzlichen Streithilfepartei, wenn sie das Rechtsmittel nicht selbst eingelegt hat, im Rechtsmittelverfahren Kosten nur dann auferlegt werden, wenn sie am schriftlichen oder mündlichen Verfahren vor dem Gerichtshof teilgenommen hat. Nimmt eine solche Partei am Verfahren teil, so kann der Gerichtshof ihr ihre eigenen Kosten auferlegen. Da der Rat als Streithelfer im ersten Rechtszug am schriftlichen und am mündlichen Verfahren vor dem Gerichtshof teilgenommen hat, sind ihm seine eigenen durch das Rechtsmittelverfahren und das Verfahren im ersten Rechtszug entstandenen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Nr. 2 des Tenors des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 5. Oktober 2020, Les Mousquetaires und ITM Entreprises/Kommission (T255/17, EU:T:2020:460), wird aufgehoben, soweit damit die Klage der Rechtsmittelführerinnen gegen den Beschluss C(2017) 1057 final der Kommission vom 9. Februar 2017, mit der Intermarché sowie allen unmittelbar oder mittelbar von ihr kontrollierten Gesellschaften aufgegeben wird, eine Nachprüfung gemäß Art. 20 Abs. 1 und 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates zu dulden (Sache AT.40466 – Tute 1), sowie gegen den Beschluss C(2017) 1361 final der Kommission vom 21. Februar 2017, mit dem Les Mousquetaires und allen unmittelbar oder mittelbar von ihr kontrollierten Gesellschaften aufgegeben wird, eine Nachprüfung gemäß Art. 20 Abs. 1 und 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates zu dulden (Sache AT.40466 – Tute 1), im Übrigen abgewiesen worden ist.

2.      Nr. 3 des Tenors des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 5. Oktober 2020, Les Mousquetaires und ITM Entreprises/Kommission (T255/17, EU:T:2020:460), wird aufgehoben, soweit damit über die Kosten entschieden worden ist.

3.      Der Beschluss C(2017) 1057 final der Kommission vom 9. Februar 2017, mit dem Intermarché sowie allen unmittelbar oder mittelbar von ihr kontrollierten Gesellschaften aufgegeben wird, eine Nachprüfung gemäß Art. 20 Abs. 1 und 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates zu dulden (Sache AT.40466 – Tute 1), und der Beschluss C(2017) 1361 final der Kommission vom 21. Februar 2017, mit dem Les Mousquetaires sowie allen unmittelbar oder mittelbar von ihr kontrollierten Gesellschaften aufgegeben wird, eine Nachprüfung gemäß Art. 20 Abs. 1 und 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates zu dulden (Sache AT.40466 – Tute 1), werden für nichtig erklärt.

4.      Die Europäische Kommission trägt neben ihren eigenen Kosten die der Les Mousquetaires SAS und der ITM Entreprises SAS durch das Verfahren im ersten Rechtszug und das Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten.

5.      Der Rat der Europäischen Union trägt seine eigenen durch das Verfahren im ersten Rechtszug und das Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Französisch.