Language of document : ECLI:EU:C:2024:18

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MACIEJ SZPUNAR

vom 11. Januar 2024(1)

Rechtssachen C662/22 bis C667/22

Airbnb Ireland UC (C662/22),

Expedia Inc. (C663/22),

Google Ireland Limited (C664/22),

Amazon Services Europe Sàrl (C665/22 und C667/22),

Eg Vacation Rentals Ireland Limited (C666/22)

gegen

Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale amministrativo regionale per il Lazio [Regionales Verwaltungsgericht Latium, Italien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verordnung (EU) 2019/1150 – Richtlinie 2000/31/EG – Art. 3 – Technische Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft – Nationale Regelung, wonach die Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten und Online-Suchmaschinen sich in ein Register der Anbieter von Kommunikationsdiensten eintragen lassen und einen finanziellen Beitrag zahlen müssen“






Inhaltsverzeichnis


I. Einleitung

II. Rechtlicher Rahmen

A. Unionsrecht

1. Verordnung 2019/1150

2. Richtlinie 2015/1535

3. Richtlinie 2000/31

4. Richtlinie 2006/123

B. Italienisches Recht

1. Gesetz Nr. 249/1997 und dessen Änderungen durch das Gesetz Nr. 178/2020 sowie Beschluss Nr. 666/2008 und dessen Änderungen durch den Beschluss Nr. 200/2021

2. Beschluss Nr. 14/2021 des Präsidenten der AGCOM

3. Beschluss Nr. 397/2013 und dessen Änderungen durch den Beschluss Nr. 161/2021

III. Sachverhalt der Ausgangsrechtsstreitigkeiten und Vorlagefragen

A. Verbundene Rechtssachen C662/22 und C667/22

B. Verbundene Rechtssachen C664/22 und C666/22

C. Rechtssache C663/22

D. Rechtssache C665/22

IV. Verfahren vor dem Gerichtshof

V. Würdigung

A. Zur Zulässigkeit

1. Rechtssache C663/22

2. Rechtssache C665/22

B. Zur Verordnung 2019/1150

1. Durchführung einer Verordnung

2. Verordnung 2019/1150 und deren Zielsetzung

3. Erhebung von Informationen und Durchführung der Verordnung 2019/1150

4. Prüfung

5. Ergänzende Bemerkungen

C. Zum freien Dienstleistungsverkehr im Hinblick auf Art. 56 AEUV sowie auf die Richtlinien 2000/31 und 2006/123

1. Zur Richtlinie 2000/31

a) Vorbemerkungen zu den Vorlagefragen, die sich auf den freien Dienstleistungsverkehr beziehen

b) Anforderungen, die in den koordinierten Bereich fallen

1) Darstellung des Problems

2) Allgemeine Bemerkungen zum Umfang des koordinierten Bereichs

3) Prüfung

c) Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs

1) Unanwendbarkeit der Rechtsprechung zu Art. 56 AEUV

2) Beschränkung des freien Verkehrs von Diensten der Informationsgesellschaft im Licht der Rechtsprechung

3) Rechtsprechung zum freien Dienstleistungsverkehr

d) Materielle Voraussetzungen gemäß Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31

1) Art der abweichenden Maßnahmen

2) Zielsetzung der fraglichen nationalen Maßnahmen

3) Maßnahme, die einen bestimmten Dienst betrifft, der eines der in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/31 genannten Ziele tatsächlich beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht

4) Verhältnismäßigkeit

e) Vorläufiges Ergebnis

2. Zur Richtlinie 2006/123

3. Zu Art. 56 AEUV

4. Zu den Auswirkungen der Verordnung 2019/1150

5. Ergebnis

D. Zu den in den Richtlinien 2000/31 und 2015/1535 vorgesehenen Pflichten zur vorherigen Mitteilung nationaler Maßnahmen

1. Vorbemerkungen zur Relevanz der Vorlagefragen

2. Darstellung des Problems

3. Mitteilungspflicht nach der Richtlinie 2000/31

4. Mitteilungspflicht nach der Richtlinie 2015/1535

VI. Ergebnis


I.      Einleitung

1.        Die Vorlagefragen in den Rechtssachen, die Gegenstand der vorliegenden Schlussanträge sind, betreffen die Auslegung der Verordnung (EU) 2019/1150(2) sowie der Richtlinien 2000/31/EG(3), 2006/123/EG(4) und (EU) 2015/1535(5). Diese Fragen haben ihren Ursprung darin, dass sich Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten und Online-Suchmaschinen (im Folgenden: Anbieter von Onlinediensten) gegen die von der Italienischen Republik erlassene Regelung wenden, die sie insbesondere zur Eintragung in ein Register und zur Übermittlung von Informationen über ihre Organisation und ihre wirtschaftliche Lage verpflichtet.

2.        Diese Fragen geben dem Gerichtshof die Gelegenheit, sich erstmals zur Auslegung der Verordnung 2019/1150 und zum Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten bei deren Durchführung zu äußern.

3.        Außerdem ermöglichen sie es dem Gerichtshof, zu klären, ob das Unionsrecht einer nationalen Regelung entgegensteht, mit der ein Mitgliedstaat die fraglichen Verpflichtungen auf Dienstleister anwendet, die ihre Dienste in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihrer Niederlassung anbieten. Ich weise schon hier darauf hin – auch wenn ich meinen späteren Ausführungen damit vorgreife –, dass Art. 3 der Richtlinie 2000/31 einen Mechanismus vorsieht, der einer Anwendung dieser Verpflichtungen auf solche Anbieter entgegensteht.

4.        Zwar könnte man argumentieren, dass der in Art. 3 der Richtlinie 2000/31 festgelegte Mechanismus den in der Union ansässigen Anbietern von Diensten der Informationsgesellschaft einen besonders weitreichenden Schutz gegen Maßnahmen gewährt, die von einem anderen Mitgliedstaat als dem ihrer Niederlassung getroffen werden. Meines Erachtens verfolgte der Unionsgesetzgeber beim Erlass dieser Richtlinie, die ein Produkt ihrer Zeit ist, jedoch die Absicht, eine grundlegende Regelung speziell zum Schutz des freien Verkehrs der Dienste der Informationsgesellschaft innerhalb der Union einzuführen.

5.        Im Hinblick darauf sollten mit der Richtlinie 2000/31 die im Vertrag vorgesehenen Lösungen an die mit der Entwicklung des Internets verbundenen Herausforderungen angepasst werden. Zugleich diente diese Richtlinie als Ausgangspunkt für die Entwicklung des Unionsrechts im Bereich der Onlinedienste(6). Bei Bedarf kann der Gesetzgeber – oder muss sogar – eingreifen und harmonisierte Lösungen einführen, die der sozioökonomischen Realität Rechnung tragen(7). Solche Eingriffe hat es im Lauf der Jahre gegeben(8), wofür der Digital Services Act(9) ein gutes Beispiel aus der jüngeren Zeit ist.

6.        Im Übrigen könnte der Umstand, dass die Anbieter von Onlinediensten aufgrund der fraglichen Verpflichtungen Informationen wirtschaftlicher Art erteilen müssen, darauf hindeuten, dass diese Informationen hilfreich bei der Kontrolle wären, ob diese Anbieter ihren steuerlichen Verpflichtungen nachkommen. Der in Art. 3 der Richtlinie 2000/31 festgelegte Mechanismus findet aber im Bereich der Besteuerung keine Anwendung(10). In unionsrechtlicher Hinsicht wäre die Zulässigkeit der vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommenen Maßnahmen anhand von Art. 56 AEUV zu prüfen(11). Weder das vorlegende Gericht noch die italienische Regierung macht jedoch geltend, die fraglichen Verpflichtungen seien notwendig, um die Erfüllung von Steuerpflichten sicherzustellen.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

1.      Verordnung 2019/1150

7.        Art. 15 („Durchsetzung“) der Verordnung 2019/1150 lautet:

„(1)      Jeder Mitgliedstaat sorgt für eine angemessene und wirksame Durchsetzung dieser Verordnung.

(2)      Die Mitgliedstaaten erlassen Vorschriften über die Maßnahmen, die bei Verstößen gegen diese Verordnung anwendbar sind, und stellen deren Umsetzung sicher. Die Maßnahmen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.“

8.        Art. 16 („Überwachung“) dieser Verordnung sieht vor:

„Die [Europäische] Kommission überwacht sorgfältig und in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten die Auswirkungen dieser Verordnung auf die Beziehungen zwischen Online-Vermittlungsdiensten und ihren gewerblichen Nutzern einerseits und Online-Suchmaschinen und Nutzern mit Unternehmenswebsite andererseits. Zu diesem Zweck sammelt die Kommission, auch durch Durchführung einschlägiger Studien, relevante Informationen, mit deren Hilfe die Entwicklung dieser Beziehungen überwacht werden kann. Die Mitgliedstaaten unterstützen die Kommission, indem sie auf Anfrage alle einschlägigen gesammelten Informationen, auch zu konkreten Fällen, übermitteln. Die Kommission kann für die Zwecke dieses Artikels und des Artikels 18 Informationen von Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten einholen.“

2.      Richtlinie 2015/1535

9.        Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2015/1535 bestimmt:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck:

b)      ‚Dienst‘ eine Dienstleistung der Informationsgesellschaft, d. h. jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung.

e)      ‚Vorschrift betreffend Dienste‘ eine allgemein gehaltene Vorschrift über den Zugang zu den Aktivitäten der unter Buchstabe b genannten Dienste und über deren Betreibung, insbesondere Bestimmungen über den Erbringer von Diensten, die Dienste und den Empfänger von Diensten, unter Ausschluss von Regelungen, die nicht speziell auf die unter dieser Nummer definierten Dienste abzielen.

f)      ‚technische Vorschrift‘ technische Spezifikationen oder sonstige Vorschriften oder Vorschriften betreffend Dienste, einschließlich der einschlägigen Verwaltungsvorschriften, deren Beachtung rechtlich oder de facto für das Inverkehrbringen, die Erbringung des Dienstes, die Niederlassung eines Erbringers von Diensten oder die Verwendung in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist, sowie – vorbehaltlich der in Artikel 7 genannten Bestimmungen – die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, mit denen Herstellung, Einfuhr, Inverkehrbringen oder Verwendung eines Erzeugnisses oder Erbringung oder Nutzung eines Dienstes oder die Niederlassung als Erbringer von Diensten verboten werden.

…“

10.      Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:

„Vorbehaltlich des Artikels 7 übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission unverzüglich jeden Entwurf einer technischen Vorschrift, sofern es sich nicht um eine vollständige Übertragung einer internationalen oder europäischen Norm handelt; in diesem Fall reicht die Mitteilung aus, um welche Norm es sich handelt. Sie unterrichten die Kommission gleichzeitig in einer Mitteilung über die Gründe, die die Festlegung einer derartigen technischen Vorschrift erforderlich machen, es sei denn, die Gründe gehen bereits aus dem Entwurf hervor.“

11.      Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Die Artikel 5 und 6 gelten nicht für Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten oder für freiwillige Vereinbarungen, durch die die Mitgliedstaaten

a)      den verbindlichen Rechtsakten der Union, mit denen technische Spezifikationen oder Vorschriften betreffend Dienste in Kraft gesetzt werden, nachkommen;

…“

3.      Richtlinie 2000/31

12.      In Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 wird der Begriff „Dienste der Informationsgesellschaft“ durch Verweis auf Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2015/1535 definiert(12).

13.      In Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 2000/31 wird „koordinierter Bereich“ definiert als „die für die Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft und die Dienste der Informationsgesellschaft in den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten festgelegten Anforderungen, ungeachtet der Frage, ob sie allgemeiner Art oder speziell für sie bestimmt sind“.

14.      Art. 3 („Binnenmarkt“) dieser Richtlinie enthält die folgende Regelung:

„(1)      Jeder Mitgliedstaat trägt dafür Sorge, dass die Dienste der Informationsgesellschaft, die von einem in seinem Hoheitsgebiet niedergelassenen Diensteanbieter erbracht werden, den in diesem Mitgliedstaat geltenden innerstaatlichen Vorschriften entsprechen, die in den koordinierten Bereich fallen.

(2)      Die Mitgliedstaaten dürfen den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat nicht aus Gründen einschränken, die in den koordinierten Bereich fallen.

(3)      Die Absätze 1 und 2 finden keine Anwendung auf die im Anhang genannten Bereiche.

(4)      Die Mitgliedstaaten können Maßnahmen ergreifen, die im Hinblick auf einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft von Absatz 2 abweichen, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

a)      Die Maßnahmen

i)      sind aus einem der folgenden Gründe erforderlich:

–        Schutz der öffentlichen Ordnung, insbesondere Verhütung, Ermittlung, Aufklärung und Verfolgung von Straftaten, einschließlich des Jugendschutzes und der Bekämpfung der Hetze aus Gründen der Rasse, des Geschlechts, des Glaubens oder der Nationalität, sowie von Verletzungen der Menschenwürde einzelner Personen,

ii)      betreffen einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft, der die unter Ziffer i) genannten Schutzziele beeinträchtigt oder eine ernsthafte und schwerwiegende Gefahr einer Beeinträchtigung dieser Ziele darstellt;

iii)      stehen in einem angemessenen Verhältnis zu diesen Schutzzielen.

b)      Der Mitgliedstaat hat vor Ergreifen der betreffenden Maßnahmen unbeschadet etwaiger Gerichtsverfahren, einschließlich Vorverfahren und Schritten im Rahmen einer strafrechtlichen Ermittlung,

–        den in Absatz 1 genannten Mitgliedstaat aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, und dieser hat dem nicht Folge geleistet oder die von ihm getroffenen Maßnahmen sind unzulänglich;

–        die Kommission und den in Absatz 1 genannten Mitgliedstaat über seine Absicht, derartige Maßnahmen zu ergreifen, unterrichtet.

(5)      Die Mitgliedstaaten können in dringlichen Fällen von den in Absatz 4 Buchstabe b) genannten Bedingungen abweichen. In diesem Fall müssen die Maßnahmen so bald wie möglich und unter Angabe der Gründe, aus denen der Mitgliedstaat der Auffassung ist, dass es sich um einen dringlichen Fall handelt, der Kommission und dem in Absatz 1 genannten Mitgliedstaat mitgeteilt werden.

(6)      Unbeschadet der Möglichkeit des Mitgliedstaats, die betreffenden Maßnahmen durchzuführen, muss die Kommission innerhalb kürzest möglicher Zeit prüfen, ob die mitgeteilten Maßnahmen mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind; gelangt sie zu dem Schluss, dass die Maßnahme nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, so fordert sie den betreffenden Mitgliedstaat auf, davon Abstand zu nehmen, die geplanten Maßnahmen zu ergreifen, bzw. bereits ergriffene Maßnahmen unverzüglich einzustellen.“

4.      Richtlinie 2006/123

15.      Art. 16 („Dienstleistungsfreiheit“) der Richtlinie 2006/123 sieht vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten achten das Recht der Dienstleistungserbringer, Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen ihrer Niederlassung zu erbringen.

Die Mitgliedstaaten dürfen die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit in ihrem Hoheitsgebiet nicht von Anforderungen abhängig machen, die gegen folgende Grundsätze verstoßen:

a)      Nicht-Diskriminierung: die Anforderung darf weder eine direkte noch eine indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder – bei juristischen Personen – aufgrund des Mitgliedstaats, in dem sie niedergelassen sind, darstellen;

b)      Erforderlichkeit: die Anforderung muss aus Gründen der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Gesundheit oder des Schutzes der Umwelt gerechtfertigt sein;

c)      Verhältnismäßigkeit: die Anforderung muss zur Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels geeignet sein und darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

(2)      Die Mitgliedstaaten dürfen die Dienstleistungsfreiheit eines in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringers nicht einschränken, indem sie diesen einer der folgenden Anforderungen unterwerfen:

b)      der Pflicht, bei ihren zuständigen Behörden eine Genehmigung einzuholen; dies gilt auch für die Verpflichtung zur Eintragung in ein Register …

…“

B.      Italienisches Recht

16.      In der italienischen Rechtsordnung wurden die Maßnahmen zur Durchführung der Verordnung 2019/1150 – d. h. insbesondere die Beschlüsse Nrn. 14/2021(13) und 200/2021(14) sowie vermutlich der Beschluss Nr. 161/2021(15) – auf der Grundlage von Art. 1 Abs. 515 bis 517 der Legge n. 178 – Bilancio di previsione dello Stato per l’anno finanziario 2021 e bilancio pluriennale per il triennio 2021-2023 (Gesetz Nr. 178 vom 30. Dezember 2020 – Haushaltsplan des Staates für das Haushaltsjahr 2021 und mehrjähriger Haushaltsplan für den Dreijahreszeitraum 2021–2023)(16) (im Folgenden: Gesetz Nr. 178/2020) mit Änderungen der Legge n. 249 – Istituzione dell’Autorità per le garanzie nelle comunicazioni e norme sui sistemi delle telecomunicazioni e radiotelevisivo (Gesetz Nr. 249 vom 31. Juli 1997 – Einrichtung der Regulierungsbehörde für das Kommunikationswesen und Vorschriften über Telekommunikations- sowie Rundfunk- und Fernsehsysteme)(17) (im Folgenden: Gesetz Nr. 249/1997), aufgrund dessen die AGCOM errichtet worden war, erlassen.

1.      Gesetz Nr. 249/1997 und dessen Änderungen durch das Gesetz Nr. 178/2020 sowie Beschluss Nr. 666/2008 und dessen Änderungen durch den Beschluss Nr. 200/2021(18)

17.      Art. 1 Abs. 6 des Gesetzes Nr. 249/1997 wurde durch Art. 1 Abs. 515 des Gesetzes Nr. 178/2020 folgendermaßen geändert:

„Um die Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten insbesondere durch den Erlass von Leitlinien, die Förderung von Verhaltenskodizes und die Sammlung relevanter Informationen zu fördern, wird Art.l 1 des Gesetzes [Nr. 249/1997] wie folgt geändert:

a)      In Abs. 6

2)      Buchst. c) … wird folgender [Text] eingefügt:

‚14bis)      [Der Verwaltungsrat der AGCOM] sorgt für eine angemessene und wirksame Durchsetzung der Verordnung [2019/1150], insbesondere durch die Annahme von Leitlinien, die Förderung von Verhaltenskodizes und die Sammlung relevanter Informationen‘;

…“

18.      Mit dem Gesetz Nr. 178/2020 wurden den Anbietern von Onlinediensten, die ihre Dienste in Italien anbieten, bestimmte Pflichten auferlegt, auch wenn sie nicht im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats niedergelassen sind: Sie müssen sich u. a. erstens in das Registro degli operatori di comunicazione (Register der Anbieter von Kommunikationsdiensten, im Folgenden: ROC) eintragen lassen und haben zweitens einen jährlichen Beitrag an die AGCOM zu entrichten.

19.      So erließ die AGCOM, was erstens die Pflicht zur Eintragung in das ROC betrifft, am 26. November 2008 die Delibera n. 666/08/CONS, Regolamento per l’organizzazione e la tenuta del [ROC] (Beschluss Nr. 666/08/CONS, Regelung über die Organisation und die Führung des [ROC])(19) (im Folgenden: Beschluss Nr. 666/2008). In Art. 2 von Anhang A des Beschlusses Nr. 666/2008 sind die Kategorien von Einrichtungen aufgeführt, die sich in das ROC eintragen lassen müssen.

20.      Am 17. Juni 2021 erließ die AGCOM den Beschluss Nr. 200/2021. Mit diesem Beschluss änderte die AGCOM Anhang A des Beschlusses Nr. 666/2008 und nahm die Anbieter von Onlinediensten im Sinne der Verordnung 2019/1150, die – auch wenn sie in Italien weder niedergelassen noch ansässig sind – solche Dienste dort niedergelassenen oder ansässigen gewerblichen Nutzern erbringen oder anbieten, in die Liste der Kategorien der Einrichtungen auf, die sich in das ROC eintragen lassen müssen. Die AGCOM änderte auch Anhang B des Beschlusses Nr. 666/2008 und verpflichtete die Anbieter von Onlinediensten außerdem, bei der Einreichung ihres Antrags auf Eintragung in das ROC Erklärungen über ihre Gesellschaftsstruktur und die ausgeübte Tätigkeit abzugeben sowie die nachfolgenden Jahresberichte einzureichen.

21.      Nach dem Beschluss Nr. 666/2008 ist die Eintragung in das ROC mit bestimmten Verfahrens- und Meldepflichten verbunden. So müssen die Anbieter von Onlinediensten u. a. verschiedene Informationen über ihre Gesellschaftsstruktur einholen und der AGCOM übermitteln, der AGCOM innerhalb strikter Fristen (30 Tage) jede Änderung der Kontroll- und Eigentumsverhältnisse und jede Übertragung von mindestens 10 % ihrer Anteile (bzw. 2 % bei börsennotierten Unternehmen) mitteilen(20), der AGCOM jährliche Mitteilungen vorlegen und ihr jederzeit Änderungen der mitgeteilten Informationen melden(21). Ferner stellt das vorlegende Gericht fest, dass es nach seinen Erkenntnissen den im ROC eingetragenen Gesellschaften untersagt sei, „unmittelbar oder über andere von ihnen kontrollierte oder mit ihnen verbundene Einrichtungen … Einnahmen zu erzielen, die 20 % der im integrierten Kommunikationssystem insgesamt erzielten Einnahmen übersteigen“(22).

22.      Anbieter von Onlinediensten, die diesen Verpflichtungen nicht nachkommen, können mit Sanktionen belegt werden, die das vorlegende Gericht als „bedeutend“ bezeichnet. Wenngleich dieses Gericht keine detaillierten Angaben hierzu macht, ist zu beachten, dass in einem solchen Fall die in Art. 1 Abs. 29 bis 32 des Gesetzes Nr. 249/1997 vorgesehenen Sanktionen zur Anwendung kommen(23). Diese Sanktionen umfassen Geldbußen und gegebenenfalls das vorübergehende Verbot der Tätigkeit des Dienstleisters in Italien oder sogar strafrechtliche Sanktionen. Die AGCOM kann auch anordnen, dass ein Dienstleister von Amts wegen in das ROC eingetragen wird.

23.      Was zweitens die Pflicht zur Zahlung eines jährlichen Beitrags an die AGCOM betrifft, so sieht Art. 1 Abs. 517 des Gesetzes Nr. 178/2020 vor, dass „zur Deckung des Gesamtbetrags der Verwaltungskosten, die durch die Ausübung der der [AGCOM] gesetzlich übertragenen Regulierungs‑, Aufsichts‑, Streitbeilegungs- und Sanktionsaufgaben in den in Absatz 515 genannten Bereichen entstehen“, in Art. 1 der Legge n. 266 – Disposizioni per la formazione del bilancio annuale e pluriennale dello Stato (legge finanziaria 2006) (Gesetz Nr. 266 vom 23. Dezember 2005 über die Aufstellung des staatlichen Jahres- und Mehrjahreshaushalts) (Haushaltsgesetz 2006)(24) (im Folgenden: Gesetz Nr. 266/2005) folgender Absatz eingefügt wird: „66bis. Bei der erstmaligen Anwendung für das Jahr 2021 wird die Höhe des Beitrags der Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten und von Online-Suchmaschinen im Sinne des Art. 1 Abs. 6 Buchst. a Nr. 5 des Gesetzes Nr. 249/1997 auf 1,5 Promille der im Inland erzielten Einnahmen festgesetzt, die – auch wenn sie in den Bilanzen von im Ausland ansässigen Gesellschaften verbucht sind – sich nach dem Herstellungswert in der Bilanz des vorangegangenen Geschäftsjahres bemessen, oder – bei Körperschaften, die nicht zur Erstellung einer solchen Bilanz verpflichtet sind – nach dem entsprechenden Posten sonstiger Buchungen, die den Gesamtwert der Produktion belegen. Für die folgenden Jahre können etwaige Änderungen der Höhe und der Zahlungsweise des Beitrags von der [AGCOM] nach Abs. 65 beschlossen werden, und zwar bis zu einer Obergrenze von 2 Promille der nach dem vorstehenden Satz bewerteten Einnahmen.“

2.      Beschluss Nr. 14/2021 des Präsidenten der AGCOM

24.      Mit dem Beschluss Nr. 14/2021(25) wurden die Höhe und die Zahlungsweise des in Art. 1 Abs. 66bis des Gesetzes Nr. 266/2005 vorgesehenen und von den Anbietern von Onlinediensten zu entrichtenden Beitrags festgelegt.

3.      Beschluss Nr. 397/2013 und dessen Änderungen durch den Beschluss Nr. 161/2021

25.      Am 25. Juni 2013 erließ die AGCOM die Delibera n. 397/13/CONS, Informativa economica di sistema (Beschluss Nr. 397/13/CONS, Erklärung über wirtschaftliche Daten für das System) (im Folgenden: Beschluss Nr. 397/2013). In Art. 2 Abs. 1 dieses Beschlusses sind die Kategorien von Personen aufgeführt, die bei der AGCOM ein Dokument mit der Bezeichnung „Informativa economica di sistema“ (Erklärung über wirtschaftliche Daten für das System) (im Folgenden: IES) übermitteln müssen.

26.      Mit dem Beschluss Nr. 161/2021(26) dehnte die AGCOM die Pflicht zur Übermittlung der IES auf Anbieter von Onlinediensten aus, wenn diese ihre Geschäftstätigkeit in Italien ausüben, und begründete dies mit der Notwendigkeit, „jedes Jahr einschlägige Informationen zu erheben und Maßnahmen zu ergreifen, um eine angemessene und wirksame Durchsetzung der [Verordnung 2019/1150] zu gewährleisten“, sowie mit der „Wahrnehmung der Aufgaben, die der [AGCOM] durch das [Gesetz Nr. 178/2020] zugewiesen wurden“.

27.      Gemäß diesem Beschluss ist die IES eine „jährliche Erklärung, die die Anbieter von Kommunikationsdiensten vorlegen müssen und die sich auf persönliche und wirtschaftliche Angaben zu der von den betreffenden Einrichtungen ausgeübten Geschäftstätigkeit bezieht, wodurch Informationen erfasst werden sollen, die für die Einhaltung bestimmter gesetzlicher Verpflichtungen erforderlich sind – wie etwa Valorisation des Integrierten Kommunikationssystems (IKS) und Kontrolle der Konzentrationsschwellen im Rahmen des IKS, Marktanalysen und Analysen möglicher marktbeherrschender oder jedenfalls für den Pluralismus schädlicher Stellungen, Jahresbericht und Umfragen –, sowie eine Aktualisierung der Statistiken über die Anbieter von Kommunikationsdiensten ermöglicht werden soll“.

28.      In der Praxis sind die Anbieter von Onlinediensten nach diesem Beschluss verpflichtet, wichtige und präzise Informationen über ihre wirtschaftliche Lage zu übermitteln. So müssen z. B. Einrichtungen, die Vermittlungsdienste auf einer Online-Verkaufsplattform anbieten, die Gesamteinnahmen aus dieser Website, die Abonnementsgebühren und die Fixkosten (Registrierung, Mitgliedschaft, Subskription usw.) für die Nutzung der Online-Verkaufsplattform durch in Italien ansässige Nutzer, die Verbrauchern Waren und Dienstleistungen anbieten, sowie die festen und variablen Provisionen für die über diese Plattform getätigten Verkäufe (oder den Nettoanteil an den Verkäufen) angeben.

29.      Wird die IES nicht eingereicht oder werden unrichtige Daten übermittelt, so führt dies zur Anwendung der in Art. 1 Abs. 29 und 30 des Gesetzes Nr. 249/1997 vorgesehenen Sanktionen.

III. Sachverhalt der Ausgangsrechtsstreitigkeiten und Vorlagefragen

A.      Verbundene Rechtssachen C662/22 und C667/22

30.      Airbnb Ireland UC (im Folgenden: Airbnb) mit Sitz in Irland betreibt das gleichnamige Internetportal für Immobilienvermittlung. Dieses Portal ermöglicht es, Vermieter, die über Unterkünfte verfügen, mit Personen, die eine Unterkunft suchen, zusammenzuführen, wobei die Zahlung für die Zurverfügungstellung der Unterkunft vor Beginn des Mietverhältnisses vom Kunden eingezogen und nach Beginn des Mietverhältnisses an den Vermieter weitergeleitet wird, sofern der Mieter keine Einwände erhoben hat.

31.      Amazon Services Europe Sàrl (im Folgenden: Amazon) mit Sitz in Luxemburg betreibt eine Onlineplattform, die Drittanbieter und Verbraucher zusammenführen soll, damit zwischen ihnen Geschäfte über den Verkauf von Waren getätigt werden können.

32.      Die aus dem Gesetz Nr. 178/2020 und den Beschlüssen Nrn. 200/2021 und 14/2021 resultierenden Änderungen des nationalen Rechts führten dazu, dass Airbnb und Amazon als Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten verpflichtet sind, sich in das ROC eintragen zu lassen und der AGCOM somit eine Reihe von Informationen zu übermitteln sowie einen finanziellen Beitrag zu zahlen.

33.      Airbnb und Amazon haben beim Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium, Italien) jeweils Klage u. a. auf Nichtigerklärung der Beschlüsse Nrn. 200/2021 und 14/2021 erhoben. Sie machen geltend, das Gesetz Nr. 178/2020 und diese Beschlüsse verstießen gegen die Verordnung 2019/1150 sowie gegen die Richtlinien 2000/31, 2006/123 und 2015/1535.

34.      Hierzu merkt das vorlegende Gericht erstens an, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 15 der Verordnung 2019/1150 für deren „angemessene“ und „wirksame“ Durchsetzung zu sorgen hätten. Außerdem erließen die Mitgliedstaaten Vorschriften über die Maßnahmen, die bei Verstößen gegen diese Verordnung anwendbar seien, und stellten deren Umsetzung sicher. Die Maßnahmen müssten wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Zudem überwache die Kommission nach Art. 16 dieser Verordnung sorgfältig deren Auswirkungen und sammle, auch mittels einschlägiger Studien, relevante Informationen, mit deren Hilfe die Entwicklung der Beziehungen zwischen Online-Vermittlungsdiensten und ihren gewerblichen Nutzern einerseits und Online-Suchmaschinen und Nutzern mit Unternehmenswebsite andererseits überwacht werden könne.

35.      Obwohl die Pflicht zur Eintragung in das ROC nach Ansicht des nationalen Gesetzgebers eine Durchführung der Verordnung 2019/1150 darstelle, ziele diese Pflicht darauf ab, die AGCOM hauptsächlich über die Eigentumsverhältnisse und die Verwaltungsorganisation der ihr unterliegenden Einrichtungen zu informieren, ohne irgendeinen Hinweis darauf zu geben, ob die in der Verordnung 2019/1150 vorgesehenen Verpflichtungen eingehalten würden oder ob die Beziehungen zu den gewerblichen Nutzern transparent und fair seien. Damit führe der nationale Gesetzgeber eine Kontrolle ein, die sich grundlegend von der für die Durchführung dieser Verordnung vorgesehenen Kontrolle unterscheide, ihr zuwiderlaufe und dem verfolgten Ziel nicht angemessen sei, denn diese Kontrolle beziehe sich nicht darauf, ob die Anbieter von Onlinediensten die in dieser Verordnung vorgesehenen Verpflichtungen zur Gewährleistung von Transparenz und Fairness bei den Vertragsbeziehungen mit gewerblichen Nutzern tatsächlich einhielten, sondern auf subjektive, für diese Anbieter charakteristische Elemente.

36.      Das vorlegende Gericht erklärt zweitens zum einen, dass die Vorschriften über die Eintragung in das ROC speziell eine allgemeine Anforderung für die Erbringung von Diensten der Informationsgesellschaft einführten, so dass sie aufgrund der Verpflichtungen nach der Richtlinie 2015/1535 der Kommission hätten mitgeteilt werden müssen. Zum anderen schließt das vorlegende Gericht in Anbetracht dessen, dass die fraglichen nationalen Maßnahmen geeignet erschienen, den freien Dienstleistungsverkehr eines in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Anbieters von Diensten der Informationsgesellschaft zu beschränken, nicht aus, dass die Kommission aufgrund der Verpflichtung aus Art. 3 Abs. 4 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 2000/31 von diesen Maßnahmen hätte unterrichtet werden müssen.

37.      Drittens verweist das vorlegende Gericht auf den Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV, wie er in den Richtlinien 2000/31 und 2006/123 ausgestaltet sei, und meint, die Pflicht zur Eintragung in das ROC könne eine ungerechtfertigte Beschränkung des freien Verkehrs von Diensten der Informationsgesellschaft darstellen.

38.      Konkret führt das vorlegende Gericht aus, dass unter Berücksichtigung der in der Richtlinie 2000/31 für die Dienste der Informationsgesellschaft vorgesehenen Lösungen die im Gesetz Nr. 178/2020 und im Beschluss Nr. 200/2021 vorgesehene Pflicht zur Eintragung in das ROC sowie die Pflicht zur Zahlung eines finanziellen Beitrags geeignet erschienen, den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft zu beschränken, sofern sie von einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen vorgeschrieben würden, in dem der Dienstleister niedergelassen sei.

39.      Im Übrigen führt das vorlegende Gericht ebenfalls im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit aus, die Richtlinie 2006/123 sehe im Wesentlichen vor, dass die Mitgliedstaaten die Dienstleistungsfreiheit eines in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleisters nicht einschränken dürften. Unter Bezugnahme auf das Urteil Schnitzer(27) merkt es an, dass die Auferlegung der Pflichten zur Eintragung in das ROC und zur Zahlung eines finanziellen Beitrags gegen diesen Grundsatz verstoßen könne, da diese Pflichten finanzielle und administrative Belastungen mit sich brächten, die geeignet seien, das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes zu beeinträchtigen und die Erbringung von Dienstleistungen im Aufnahmemitgliedstaat zu verzögern, zu erschweren oder zu verteuern.

40.      Unter diesen Umständen hat das Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium) mit Beschlüssen vom 10. Oktober 2022, die bei der Kanzlei des Gerichthofs am 19. bzw. 21. Oktober 2022 eingegangen sind, beschlossen, die Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Steht die Verordnung 2019/1150 einer nationalen Vorschrift entgegen, die zur Förderung von Fairness und Transparenz zugunsten gewerblicher Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten u. a. durch Erlass von Leitlinien, Förderung von Verhaltenskodizes und Erhebung relevanter Informationen Anbieter von Onlinediensten dazu verpflichtet, sich in ein Register eintragen zu lassen, was dazu führt, dass sie relevante Informationen über die eigene Organisation zu übermitteln und einen finanziellen Beitrag zu entrichten haben und bei Nichteinhaltung Sanktionen ausgesetzt sind?

2.      Verlangt die Richtlinie 2015/1535 von den Mitgliedstaaten, der Kommission Maßnahmen mitzuteilen, mit denen Anbieter von Onlinediensten dazu verpflichtet werden, sich in ein Register eintragen zu lassen, was dazu führt, dass sie relevante Informationen über die eigene Organisation zu übermitteln und einen finanziellen Beitrag zu entrichten haben und bei Nichteinhaltung Sanktionen ausgesetzt sind? Falls ja, kann sich eine Privatperson unter Berufung auf diese Richtlinie dem widersetzen, dass ihr gegenüber Maßnahmen angewendet werden, die der Kommission nicht mitgeteilt wurden?

3.      Steht Art. 3 der Richtlinie 2000/31 dem entgegen, dass nationale Behörden Bestimmungen erlassen, die zur Förderung von Fairness und Transparenz zugunsten gewerblicher Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten u. a. durch Erlass von Leitlinien, Förderung von Verhaltenskodizes und Erhebung relevanter Informationen für in anderen europäischen Ländern niedergelassene Marktteilnehmer zusätzliche administrative und finanzielle Belastungen wie die Eintragung in ein Register vorsehen, was dazu führt, dass sie relevante Informationen über die eigene Organisation zu übermitteln und einen finanziellen Beitrag zu entrichten haben und bei Nichteinhaltung Sanktionen ausgesetzt sind?

4.      Steht der in Art. 56 AEUV und Art. 16 der Richtlinie 2006/123 niedergelegte Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs dem entgegen, dass nationale Behörden Bestimmungen erlassen, die zur Förderung von Fairness und Transparenz zugunsten gewerblicher Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten u. a. durch Erlass von Leitlinien, Förderung von Verhaltenskodizes und Erhebung relevanter Informationen für in anderen europäischen Ländern niedergelassene Marktteilnehmer zusätzliche administrative und finanzielle Belastungen wie die Eintragung in ein Register vorsehen, was dazu führt, dass sie relevante Informationen über die eigene Organisation zu übermitteln und einen finanziellen Beitrag zu entrichten haben und bei Nichteinhaltung Sanktionen ausgesetzt sind?

5.      Verlangt Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 von den Mitgliedstaaten, der Kommission Maßnahmen mitzuteilen, mit denen Anbieter von Onlinediensten dazu verpflichtet werden, sich in ein Register eintragen zu lassen, was dazu führt, dass sie relevante Informationen über die eigene Organisation zu übermitteln und einen finanziellen Beitrag zu entrichten haben und bei Nichteinhaltung Sanktionen ausgesetzt sind? Falls ja, kann sich eine Privatperson unter Berufung auf diese Richtlinie dem widersetzen, dass ihr gegenüber Maßnahmen angewendet werden, die der Kommission nicht mitgeteilt wurden?

B.      Verbundene Rechtssachen C664/22 und C666/22

41.      Google Ireland Limited (im Folgenden: Google) mit Sitz in Irland bietet Online-Werbedienstleistungen an und betreibt die gleichnamige Suchmaschine im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum (EWR).

42.      Mit Beschluss vom 25. Juni 2019 trug die AGCOM Google von Amts wegen in das ROC ein, da es sich bei diesem Unternehmen um einen Wirtschaftsteilnehmer handle, der die Tätigkeit des Werbemanagements im Internet ausübe und trotz seines Sitzes im Ausland Einnahmen in Italien erziele.

43.      Infolge dieser Eintragung gab die AGCOM mit Beschluss vom 9. November 2020 Google auf, für das Jahr 2020 einen finanziellen Beitrag zu ihren Betriebskosten zu leisten.

44.      Google focht diese Beschlüsse der AGCOM vor dem Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium) an.

45.      Nach den Änderungen des nationalen Rechts durch das Gesetz Nr. 178/2020 und den Beschluss Nr. 200/2021, die vom italienischen Gesetzgeber und der AGCOM insbesondere zur Durchsetzung der Verordnung 2019/1150 erlassen worden waren, hat Google seine Klageanträge geändert und auch die Nichtigerklärung des letzteren Beschlusses beantragt, soweit darin die Pflicht zur Eintragung in das ROC auf Anbieter von Onlinediensten erstreckt wurde.

46.      Eg Vacation Rentals Ireland Limited (im Folgenden: EGVR) mit Sitz in Irland betreibt und nutzt eine Onlineplattform sowie verschiedene über diese Plattform verfügbare Tools und Funktionen, die Immobilieneigentümern und ‑verwaltern die Veröffentlichung von Immobilienanzeigen sowie Reisenden die Auswahl dieser Immobilien und eine Kontaktaufnahme mit den betreffenden Eigentümern und Verwaltern zum Zweck der Anmietung der Immobilien ermöglichen.

47.      Aufgrund der in Nr. 45 der vorliegenden Schlussanträge erwähnten Änderungen des nationalen Rechts war EGVR verpflichtet, sich im ROC eintragen zu lassen und der AGCOM somit eine Reihe von Informationen zu übermitteln sowie einen finanziellen Beitrag zu zahlen. EGVR hat beim Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium) Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses Nr. 200/2021 erhoben.

48.      Google und EGVR haben vor dem vorlegenden Gericht geltend gemacht, das Gesetz Nr. 178/2020 und der Beschluss Nr. 200/2021 verstießen insoweit gegen den Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit, die Verordnung 2019/1150 und mehrere Richtlinien, als ihnen darin die fraglichen Verpflichtungen auferlegt würden.

49.      Hierzu merkt das vorlegende Gericht unter Berufung auf die Richtlinien 2000/31 und 2006/123 sowie aus den in den Nrn. 37 bis 39 der vorliegenden Schlussanträge bereits dargelegten Gründen erstens an, dass der freie Dienstleistungsverkehr, den diese Richtlinien gewährleisten sollten, durch die in den Ausgangsverfahren fraglichen Verpflichtungen möglicherweise beeinträchtigt werde.

50.      Zweitens möchte das vorlegende Gericht in Anbetracht dessen, dass die Vorschriften über die Eintragung in das ROC seiner Ansicht nach eine allgemeine Anforderung für die Erbringung von Diensten der Informationsgesellschaft einführten und aus den in Nr. 36 der vorliegenden Schlussanträge bereits dargelegten Gründen geeignet erschienen, den freien Dienstleistungsverkehr eines in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Anbieters von Diensten der Informationsgesellschaft zu beschränken, wissen, ob die mit den Richtlinien 2000/31 und 2015/1535 auferlegten Meldepflichten für die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Maßnahmen gelten.

51.      Drittens führt das vorlegende Gericht unter Darlegung derselben Argumentation wie in Nr. 35 der vorliegenden Schlussanträge aus, dass die Verordnung 2019/1150 ein Regelwerk einführe, um ein faires, vorhersehbares, tragfähiges und vertrauenswürdiges Online-Geschäftsumfeld im Binnenmarkt zu gewährleisten. Nach Art. 15 dieser Verordnung sorge jeder Mitgliedstaat für eine angemessene und wirksame Durchsetzung dieser Verordnung und treffe Maßnahmen, die bei Verstößen gegen diese Verordnung anzuwenden seien, wobei diese Maßnahmen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssten. Dem nationalen Gesetzgeber zufolge seien die den Klägerinnen der Ausgangsverfahren auferlegten Verpflichtungen im Hinblick auf den Auftrag der AGCOM gerechtfertigt, der darin bestehe, die für die Wahrnehmung ihrer institutionellen Aufgaben als relevant erachteten rechnungsmäßigen und nicht rechnungsmäßigen Daten zu ermitteln und von den Akteuren des ihrer Aufsicht unterliegenden Marktsektors zu erheben. Für das vorlegende Gericht stellt sich die Frage, ob diese Zielsetzung die Eintragung in das ROC und die damit verbundenen Pflichten und Verbote rechtfertigt und ob die den Klägerinnen der Ausgangsverfahren auferlegten Pflichten und Verbote mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sind.

52.      Unter diesen Umständen hat das Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium) mit Beschlüssen vom 10. Oktober 2022, die bei der Kanzlei des Gerichtshofs am 21. Oktober 2022 eingegangen sind, beschlossen, die Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Steht das Unionsrecht der Anwendung nationaler Bestimmungen wie den in Art. 1 Abs. 515, 516 und 517 des Gesetzes Nr. 178/2020 enthaltenen entgegen, die für in einem anderen europäischen Land niedergelassene, aber in Italien tätige Marktteilnehmer zusätzliche administrative und finanzielle Belastungen wie die Eintragung in ein besonderes Register und die Erhebung eines finanziellen Beitrags vorsehen? Insbesondere, verstößt diese nationale Bestimmung gegen Art. 3 der Richtlinie 2000/31, nach der ein Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats unterliegt, in dem der Anbieter niedergelassen ist?

2.      Steht das Unionsrecht der Anwendung nationaler Bestimmungen wie den in Art. 1 Abs. 515, 516 und 517 des Gesetzes Nr. 178/2020 enthaltenen entgegen, die für in einem anderen europäischen Land niedergelassene Marktteilnehmer zusätzliche administrative und finanzielle Belastungen vorsehen? Insbesondere, stehen der in Art. 56 AEUV niedergelegte Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs sowie die sich aus den Richtlinien 2006/123 und 2000/31 ableitbaren entsprechenden Grundsätze einer nationalen Maßnahme entgegen, die für in Italien tätige, aber dort nicht niedergelassene Vermittler die Eintragung in ein Register vorsieht, die zusätzliche Belastungen gegenüber den für die Ausübung derselben Tätigkeit in ihrem Herkunftsland vorgesehenen mit sich bringt?

3.      War der italienische Staat durch das Unionsrecht und insbesondere die Richtlinie 2015/1535 dazu verpflichtet, der Kommission die Einführung der für Anbieter von Onlinediensten vorgesehenen Pflicht zur Eintragung im ROC mitzuteilen? Insbesondere, ist Art. 3 Abs. 4 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 2000/31 dahin auszulegen, dass sich eine in einem anderen Mitgliedstaat als Italien ansässige Privatperson dem widersetzen kann, dass ihr gegenüber die vom italienischen Gesetzgeber (in Art. 1 Abs. 515, 516 und 517 des Gesetzes Nr. 178/2020) erlassenen Maßnahmen angewendet werden, die den freien Verkehr eines Dienstes der Informationsgesellschaft beschränken können, wenn diese Maßnahmen nicht in Einklang mit dieser Bestimmung gemeldet worden sind?

4.      Stehen die Verordnung 2019/1150 und insbesondere ihr Art. 15 sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einer Regelung eines Mitgliedstaats oder einer von einer unabhängigen nationalen Behörde erlassenen Maßnahme entgegen, mit der in einem Mitgliedstaat tätige Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten verpflichtet werden, sich in das ROC eintragen zu lassen, woraus sich eine Reihe formeller und verfahrensrechtlicher Pflichten, Beitragspflichten und Verbote der Erzielung von Gewinnen über einen bestimmten Betrag hinaus ergeben?

C.      Rechtssache C663/22

53.      Expedia Inc. ist ein Unternehmen mit Sitz in Seattle (Vereinigte Staaten von Amerika), das IT-Plattformen betreibt, über die Onlinedienste zur Buchung von Unterkünften und Reisen angeboten werden.

54.      Mit dem Beschluss Nr. 161/2021 erstreckte die AGCOM die Pflicht zur Übermittlung der IES auf Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten – wozu laut dem Vorabentscheidungsersuchen Expedia eindeutig gehört –, wenn sie im italienischen Hoheitsgebiet tätig sind.

55.      Diesen Beschluss erließ die AGCOM ausdrücklich in Ausübung der ihr in Art. 1 Abs. 6 Buchst. c Nr. 14bis des Gesetzes Nr. 249/1997 übertragenen Aufgabe, die darin besteht, eine angemessene und wirksame Durchsetzung der Verordnung 2019/1150 namentlich durch die jährliche Erhebung einschlägiger Informationen zu gewährleisten.

56.      Expedia hat beim Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium) Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses Nr. 161/2021 erhoben. Sie hat geltend gemacht, die Verordnung 2019/1150 sehe nicht ihre Durchführung durch den Beschluss Nr. 161/2021 vor. Da diese Verordnung eine auf dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beruhende Harmonisierungsmaßnahme einführe, erlaube sie keine Verschärfung der Verfahrensanforderungen für die Wirtschaftsteilnehmer, unabhängig davon, ob diese in der Union niedergelassen seien oder nicht.

57.      Das vorlegende Gericht bezweifelt, dass die in der nationalen Regelung vorgesehene Pflicht zur Übermittlung der IES mit der Verordnung 2019/1150 vereinbar ist.

58.      Unter Verweis auf die Art. 15 und 16 der Verordnung 2019/1150 stellt das vorlegende Gericht fest, dass die IES – die auf Anbieter von Onlinediensten speziell zu dem Zweck erstreckt worden sei, jedes Jahr relevante Informationen zu sammeln und Maßnahmen zu ergreifen, um eine ordnungsgemäße und wirksame Durchsetzung dieser Verordnung zu gewährleisten – die Übermittlung von Informationen beinhalte, die sich hauptsächlich auf die Einnahmen dieser Anbieter bezögen. Diese Informationen enthielten jedoch keinen Hinweis darauf, ob die in der Verordnung vorgesehenen Verpflichtungen eingehalten würden oder ob die Beziehungen zwischen Dienstleistern und gewerblichen Nutzern transparent und fair seien. Das nationale Recht führe somit offenbar eine Kontrolle ein, die sich grundlegend von der für die Durchführung dieser Verordnung vorgesehenen Kontrolle unterscheide, ihr zuwiderlaufe und dem verfolgten Ziel nicht angemessen sei, denn diese Kontrolle beziehe sich nicht darauf, ob diese Anbieter die in der Verordnung 2019/1150 vorgesehenen Verpflichtungen zur Gewährleistung von Transparenz und Fairness bei den Vertragsbeziehungen mit gewerblichen Nutzern tatsächlich einhielten, sondern auf ihre wirtschaftliche Lage.

59.      Unter diesen Umständen hat das Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium) mit Beschluss vom 10. Oktober 2022, der bei der Kanzlei des Gerichthofs am 19. Oktober 2022 eingegangen ist, beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Stehen die Verordnung 2019/1150 und insbesondere ihr Art. 15 sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einer Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats oder einer von einer unabhängigen nationalen Behörde erlassenen Maßnahme – wie den im Begründungsteil dargelegten – entgegen, wonach ausländische Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten zur Abgabe einer Erklärung verpflichtet sind, die Informationen enthält, die den Zielen dieser Verordnung fremd sind?

2.      Können jedenfalls die Informationen, die mit der Übermittlung der IES verlangt werden, als für eine angemessene und wirksame Durchsetzung der Verordnung 2019/1150 relevant und zweckdienlich angesehen werden?

D.      Rechtssache C665/22

60.      Amazon betreibt eine Onlineplattform, die Drittanbieter und Verbraucher zusammenführen soll, um zwischen ihnen den Abschluss von Geschäften über den Verkauf von Waren zu ermöglichen.

61.      Die Änderungen des nationalen Rechts, die sich aus dem Gesetz Nr. 178/2020 und dem Beschluss Nr. 161/2021 ergeben, die der italienische Gesetzgeber bzw. die AGCOM erlassen hat, um insbesondere die Beachtung der Verordnung 2019/1150 sicherzustellen, hatten zur Folge, dass Amazon als Anbieterin von Online-Vermittlungsdiensten verpflichtet ist, der AGCOM die IES zu übermitteln.

62.      Amazon hat beim Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium) Klage erhoben, mit der sie u. a. die Nichtigerklärung des Beschlusses Nr. 161/2021 beantragt hat. Vor dem vorlegenden Gericht hat Amazon geltend gemacht, der Beschluss Nr. 161/2021 verstoße gegen den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs, die Verordnung 2019/1150 und mehrere Richtlinien, soweit er sie dazu verpflichte, der AGCOM die IES zu übermitteln.

63.      Die Klägerinnen in den Rechtssachen C‑663/22 und C‑665/22 beantragen die Nichtigerklärung des Beschlusses Nr. 161/2021. Im Gegensatz zur Klägerin in der ersten Rechtssache hat die Klägerin in der zweiten Rechtssache ihren Sitz in einem Mitgliedstaat und macht geltend, dieser Beschluss verstoße nicht nur gegen die Verordnung 2019/1150, sondern auch gegen den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs sowie gegen mehrere Richtlinien.

64.      Erstens äußert das vorlegende Gericht insoweit hinsichtlich der Verordnung 2019/1150 und ihrer Auslegung ähnliche Zweifel wie in der Rechtssache C‑663/22(28).

65.      Zweitens ist das vorlegende Gericht in Bezug auf den Grundsatz des freien Verkehrs von Diensten der Informationsgesellschaft der Ansicht, die im Beschluss Nr. 161/2021 vorgesehene Pflicht, der AGCOM die IES zu übermitteln, könne im Licht der Richtlinie 2000/31 eine diesem Grundsatz zuwiderlaufende Beschränkung darstellen. Die in Art. 3 Abs. 4 dieser Richtlinie genannten Voraussetzungen, unter denen ein Mitgliedstaat Beschränkungen auch im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einführen dürfe, seien offenbar nicht erfüllt. Selbst wenn also die Übermittlung der IES an die AGCOM zur Durchführung der Verordnung 2019/1150 und damit mittelbar zum Schutz der Verbraucher vorgesehen worden sein sollte, sei das Ersuchen um Informationen über die Einnahmen völlig unverhältnismäßig im Hinblick auf das verfolgte Ziel, da diese Informationen weder die Durchführung dieser Verordnung noch die Einhaltung der darin vorgesehenen Verpflichtungen beträfen.

66.      Was diesen Grundsatz anbelange, so sehe – unabhängig davon, ob die Richtlinie 2000/31 anwendbar sei – Art. 16 Abs. 1 der allgemeineren Richtlinie 2006/123 vor, dass die Mitgliedstaaten das Recht der Dienstleistungserbringer achteten, Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen ihrer Niederlassung zu erbringen, und die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit in ihrem Hoheitsgebiet nicht von Anforderungen abhängig machen dürften, welche gegen die in dieser Bestimmung festgelegten Grundsätze verstoßen.

67.      Drittens vertritt das vorlegende Gericht zum einen die Ansicht, dass angesichts der in der Richtlinie 2015/1535 vorgesehenen Pflichten der Mitgliedstaaten die Vorschriften über die Übermittlung der IES eine allgemeine Anforderung für die Erbringung von Diensten der Informationsgesellschaft einführten, so dass die Kommission davon hätte unterrichtet werden müssen. Der Beschluss Nr. 161/2021 solle in erster Linie Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere Online-Vermittlungsdienste und Online-Suchmaschinen, regulieren. Zum anderen weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die Kommission und der Mitgliedstaat, in dem das Unternehmen seinen Sitz habe, nach Art. 3 Abs. 4 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 2000/31 von der Absicht, Maßnahmen zu ergreifen, die eine Beschränkung des freien Verkehrs von Diensten der Informationsgesellschaft darstellten, unterrichtet werden müssten.

68.      Unter diesen Umständen hat das Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium) mit Beschluss vom 10. Oktober 2022, der bei der Kanzlei des Gerichthofs am 21. Oktober 2022 eingegangen ist, beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Steht die Verordnung 2019/1150 einer nationalen Vorschrift entgegen, die zu dem ausdrücklichen Ziel, eine angemessene und wirksame Durchsetzung dieser Verordnung u. a. durch Erhebung relevanter Informationen zu gewährleisten, Anbieter von Onlinediensten dazu verpflichtet, regelmäßig relevante Informationen über ihre eigenen Einnahmen zu übermitteln?

2.      Können auf der Grundlage der Verordnung 2019/1150 die in der IES vorgesehenen Informationen, die in erster Linie die erzielten Einnahmen betreffen, als für das mit dieser Verordnung verfolgte Ziel relevant und zweckdienlich angesehen werden?

3.      Verlangt die Richtlinie 2015/1535 von den Mitgliedstaaten, der Kommission Maßnahmen mitzuteilen, mit denen Anbietern von Onlinediensten die Pflicht, eine Erklärung abzugeben, die relevante Informationen über ihre eigenen Einnahmen enthält, auferlegt wird und deren Nichteinhaltung zur Verhängung finanzieller Sanktionen führt? Falls ja, kann sich eine Privatperson unter Berufung auf diese Richtlinie dem widersetzen, dass ihr gegenüber Maßnahmen angewendet werden, die der Kommission nicht mitgeteilt wurden?

4.      Steht Art. 3 der Richtlinie 2000/31 dem entgegen, dass nationale Behörden Bestimmungen erlassen, die mit dem erklärten Ziel, die Durchsetzung der Verordnung 2019/1150 zu gewährleisten, für Marktteilnehmer, die in einem anderen europäischen Land niedergelassen, aber in Italien tätig sind, zusätzliche administrative und finanzielle Belastungen wie die Übermittlung einer Erklärung, die relevante Informationen über ihre eigenen Einnahmen enthält, vorsehen und deren Nichteinhaltung zur Verhängung finanzieller Sanktionen führt?

5.      Steht der in Art. 56 AEUV, in Art. 16 der Richtlinie 2006/123 und in der Richtlinie 2000/31 niedergelegte Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs dem entgegen, dass nationale Behörden Bestimmungen erlassen, die mit dem erklärten Ziel, die Durchsetzung der Verordnung 2019/1150 zu gewährleisten, für in einem anderen europäischen Land niedergelassene Marktteilnehmer administrative und finanzielle Belastungen wie die Übermittlung einer Erklärung, die relevante Informationen über ihre eigenen Einnahmen enthält, vorsehen und deren Nichteinhaltung zur Verhängung finanzieller Sanktionen führt?

6.      Verlangt Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 von den Mitgliedstaaten, der Kommission Maßnahmen mitzuteilen, mit denen Anbietern von Onlinediensten die Pflicht zur Abgabe einer Erklärung, die relevante Informationen über ihre eigenen Einnahmen enthält, auferlegt wird und deren Nichteinhaltung zur Verhängung finanzieller Sanktionen führt? Falls ja, kann sich eine Privatperson unter Berufung auf die Richtlinie dem widersetzen, dass ihr gegenüber Maßnahmen angewendet werden, die der Kommission nicht mitgeteilt wurden?

IV.    Verfahren vor dem Gerichtshof

69.      Die Klägerinnen der Ausgangsverfahren, die italienische, die tschechische und die irische Regierung sowie die Kommission haben in allen Rechtssachen schriftliche Erklärungen eingereicht. Eine mündliche Verhandlung hat in diesen Rechtssachen nicht stattgefunden.

70.      Mit Beschlüssen vom 7. Dezember 2022 hat der Präsident des Gerichtshofs jeweils die Rechtssachen C‑662/22 und C‑667/22 sowie die Rechtssachen C‑664/22 und C‑666/22 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren sowie zu gemeinsamem Endurteil verbunden. In den Rechtssachen C‑663/22 und C‑665/22 ist kein Verbindungsbeschluss ergangen.

71.      Entsprechend dem Wunsch des Gerichtshofs und in Anbetracht der zwischen diesen Rechtssachen bestehenden Gemeinsamkeiten erschien es angebracht, hierzu gemeinsame Schlussanträge zu stellen.

V.      Würdigung

72.      Die vorliegenden Rechtssachen haben ihren Ursprung in den Anträgen der Klägerinnen der Ausgangsverfahren auf Nichtigerklärung nationaler Maßnahmen, mit denen ihnen bestimmte Verpflichtungen auferlegt werden. Im Wesentlichen betreffen die Verpflichtungen, die Gegenstand der verbundenen Rechtssachen C‑662/22 und C‑667/22 sowie der verbundenen Rechtssachen C‑664/22 und C‑666/22 sind, die Eintragung in das ROC, die zur Folge hat, dass der AGCOM wichtige Informationen über die Organisation der betreffenden Dienstleister zu übermitteln sind(29) und ein jährlicher Beitrag zu zahlen ist, während sich die Verpflichtungen, um die es in den Rechtssachen C‑663/22 und C‑665/22 geht, auf die Mitteilung der IES beziehen. Diese Verpflichtungen werden durch eine nationale Regelung auferlegt, die zumindest teilweise für alle diese Rechtssachen relevant ist(30).

73.      Im Übrigen lassen sich die meisten der dem Gerichtshof in diesen Rechtssachen zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen im Kern auf drei miteinander verbundene Fragen zurückführen.

74.      Die erste Frage geht dahin, ob die Verordnung 2019/1150 nationalen Maßnahmen entgegensteht, mit denen der Gesetzgeber eines Mitgliedstaats mit dem erklärten Ziel, die Durchsetzung dieser Verordnung zu gewährleisten, den Anbietern von Onlinediensten bestimmte Verpflichtungen auferlegt (Teil B).

75.      Die zweite Frage lautet, ob im Hinblick auf den in Art. 56 AEUV verankerten Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs sowie auf die Richtlinien 2000/31 und 2006/123 die in all diesen Rechtssachen fraglichen Verpflichtungen einem Anbieter von Onlinediensten auferlegt werden können, dessen Niederlassung sich in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen befindet, der diese Verpflichtungen vorgesehen hat (Teil C).

76.      Bei der dritten Frage geht es darum, ob die Kommission gemäß den Vorgaben der Richtlinien 2000/31 und 2015/1535 über nationale Maßnahmen zur Einführung der fraglichen Verpflichtungen hätte unterrichtet werden müssen (Teil D).

77.      Ich weise darauf hin, dass das Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C‑663/22 nur die erste dieser drei Fragen betrifft. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens in dieser Rechtssache hat nämlich keine Niederlassung in einem Mitgliedstaat, und ich neige zu der Annahme, dass die Fragen des vorlegenden Gerichts aus diesem Grund nur die Verordnung 2019/1150 betreffen. Die den freien Dienstleistungsverkehr betreffenden Mechanismen des Art. 56 AEUV sowie der Richtlinien 2000/31 und 2006/123 gelten nämlich nicht für Dienstleister, die in einem Drittstaat außerhalb der Union ansässig sind(31). Das vorlegende Gericht stellt auch keine Frage zur Richtlinie 2015/1535.

78.      Vor einer Erörterung dieser drei Fragen ist zunächst die Zulässigkeit der Vorlagefragen in den Rechtssachen C‑663/22 und C‑665/22 zu prüfen (Teil A).

A.      Zur Zulässigkeit

1.      Rechtssache C663/22

79.      Die italienische Regierung bezweifelt die Zulässigkeit der Vorlagefragen in der Rechtssache C‑663/22. Die beiden Vorlagefragen seien nämlich insofern widersprüchlich, als das vorlegende Gericht ohne nähere Begründung einerseits behaupte, dass die Pflicht zur Übermittlung der IES an die AGCOM keinen Zusammenhang mit der Durchführung der Verordnung 2019/1150 aufweise, andererseits aber den Gerichtshof ersuche, Relevanz und Zweckdienlichkeit der in der IES zu erteilenden Informationen im Hinblick auf die Zielsetzung dieser Verordnung zu prüfen, was die Vornahme von Tatsachenbeurteilungen beinhalten würde, für die nicht der Gerichtshof, sondern das vorlegende Gericht zuständig sei.

80.      Insoweit verstehe ich erstens den Standpunkt der italienischen Regierung so, dass sich der von ihr aufgezeigte Widerspruch daraus ergeben soll, dass das vorlegende Gericht zum einen ausführt, die in einer IES enthaltenen Informationen seien „den Zielen der Verordnung 2019/1150 fremd“ (erste Vorlagefrage), und zum anderen wissen möchte, ob diese Informationen für eine „angemessene und wirksame“ Durchsetzung dieser Verordnung relevant und zweckdienlich sein könnten (zweite Vorlagefrage), was der Gerichtshof auf der Grundlage eigener Tatsachenbeurteilungen feststellen müsste.

81.      Zwar könnte man die zweite Vorlagefrage dahin verstehen, dass das vorlegende Gericht mit ihr wissen möchte, ob der Beschluss Nr. 161/2021 unabhängig von der Beantwortung der ersten Frage in den Zuständigkeitsbereich der AGCOM fällt. In der Begründung des Vorabentscheidungsersuchens führt das vorlegende Gericht nämlich aus, das Gesetz Nr. 178/2020 weise der AGCOM ausschließlich die Aufgabe zu, für eine angemessene und wirksame Durchsetzung der Verordnung 2019/1150 zu sorgen. Die gleiche Terminologie findet sich aber auch in dem in der ersten Frage angeführten Art. 15 Abs. 1 dieser Verordnung, wonach jeder Mitgliedstaat für eine angemessene und wirksame Durchsetzung dieser Verordnung sorgt. Selbst wenn der fragliche Widerspruch wirklich bestehen sollte, ließe sich argumentieren, dass er auf die Zweifel des vorlegenden Gerichts an der korrekten Auslegung dieser Verordnung zurückzuführen ist.

82.      Ich schlage daher vor, beide Vorlagefragen gemeinsam unter dem unionsrechtlich allein relevanten Gesichtspunkt, nämlich dem der Verordnung 2019/1150, zu analysieren und dabei zu prüfen, ob diese Verordnung Maßnahmen entgegensteht, wie sie sich aus dem Gesetz Nr. 178/2020 ergeben. In diesem Fall ist der von der italienischen Regierung angeführte Widerspruch nicht gegeben und kann jedenfalls nicht dazu führen, dass die Vorlagefragen unzulässig wären.

83.      Soweit die italienische Regierung zweitens vorträgt, die Formulierung der Vorlagefragen veranlasse den Gerichtshof zu Tatsachenbeurteilungen, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof zwar Vorschriften des innerstaatlichen Rechts eines Mitgliedstaats nicht auslegen darf, dem vorlegenden Gericht jedoch die erforderlichen Hinweise auf die Bestimmungen des Unionsrechts geben kann, die diesen Vorschriften möglicherweise entgegenstehen.

2.      Rechtssache C665/22

84.      Die italienische Regierung hält die zweite Vorlagefrage in der Rechtssache C‑665/22 für unzulässig, weil das vorlegende Gericht damit den Gerichtshof auffordere, sich dazu zu äußern, welchen Nutzen die in Rede stehenden Verpflichtungen für die korrekte Anwendung der Verordnung 2019/1150 hätten. Diese Art der Auslegung falle jedoch, weil sie Tatsachenfeststellungen erfordere, in die Zuständigkeit des nationalen Gerichts, das in keiner Weise erläutere, warum das Ersuchen um Informationen als irrelevant und zwecklos anzusehen sei.

85.      Insoweit ist zwar zu beachten, dass der Gerichtshof Vorschriften des innerstaatlichen Rechts eines Mitgliedstaats nicht auslegen kann. Wie in Nr. 83 der vorliegenden Schlussanträge erwähnt, kann er dem vorlegenden Gericht aber die erforderlichen Hinweise auf die Bestimmungen des Unionsrechts geben, die diesen Vorschriften möglicherweise entgegenstehen.

86.      Die Vorlagefragen in der Rechtssache C‑663/22 und die zweite Vorlagefrage in der Rechtssache C‑665/22 sind somit zulässig.

B.      Zur Verordnung 2019/1150

87.      Mehrere der Fragen, die das vorlegende Gericht in den vorliegenden Rechtssachen gestellt hat, betreffen die Verordnung 2019/1150(32).

88.      Obwohl sie nicht wortgleich formuliert sind und nicht dieselben nationalen Maßnahmen betreffen, geht es bei den entsprechenden Fragen im Kern darum, ob die Verordnung 2019/1150 nationalen Maßnahmen entgegensteht, die mit dem erklärten Ziel erlassen wurden, die Durchsetzung dieser Verordnung zu gewährleisten.

89.      Konkret wurden die in den verbundenen Rechtssachen C‑662/22 und C‑667/22 sowie in den verbundenen Rechtssachen C‑664/22 und C‑666/22 fraglichen Verpflichtungen – nämlich die Pflicht zur Eintragung in das ROC und zur Zahlung eines jährlichen Beitrags an die AGCOM – auf Anbieter von Onlinediensten erstreckt, weil die Verordnung 2019/1150 durchzuführen um „Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten“ zu fördern(33). Auch die in den Rechtssachen C‑663/22 und C‑665/22 fragliche Verpflichtung – nämlich die Pflicht zur Übermittlung der IES an die AGCOM (die italienischen Behörden) – wurde den Anbietern von Onlinediensten mit dem erklärten Ziel auferlegt, die Durchführung der Verordnung 2019/1150 zu gewährleisten(34).

90.      In Anbetracht der anderen Fragen, die dem Gerichtshof in den vorliegenden Rechtssachen unterbreitet wurden, darf man sich zwar vor allem fragen, ob die Vorschriften zur Durchsetzung der Verordnung 2019/1150 Vorrang vor den Mechanismen haben, die in den Richtlinien 2000/31 und 2006/123 für den freien Dienstleistungsverkehr sowie in der ersteren Richtlinie und der Richtlinie 2015/1535 für die darin vorgesehenen Mitteilungspflichten festgelegt wurden. Denn diese drei Richtlinien können einen Mitgliedstaat daran hindern, seine eigenen Rechtsvorschriften auf Dienstleister anzuwenden, die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sind. Wenn also zum einen die in den Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Maßnahmen in den Anwendungsbereich einer der drei Richtlinien fallen und diese einen Mitgliedstaat daran hindern, diese Maßnahmen einem in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleister aufzuerlegen, und wenn zum anderen diese Richtlinien keine Ausnahme für die Verordnung 2019/1150 und die zu deren Durchsetzung erlassenen nationalen Maßnahmen vorsehen, spielt es keine Rolle, ob die in den Ausgangsverfahren fraglichen Verpflichtungen auf Maßnahmen zur Durchsetzung dieser Verordnung beruhen.

91.      Die Richtlinien 2000/31 und 2006/123 scheinen jedoch auf die Rechtssache C‑663/22 keine Anwendung zu finden(35), weshalb das vorlegende Gericht bei seiner Entscheidung im Ausgangsverfahren in dieser Rechtssache nur die Verordnung 2019/1150 anzuwenden hat. Diese Verordnung gilt nämlich auch für in einem Drittstaat ansässige Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten, sofern deren gewerbliche Nutzer in der Union niedergelassen sind und ihre Waren oder Dienstleistungen Verbrauchern anbieten, die sich in der Union befinden(36).

92.      Daher stellt sich erstens in allen Rechtssachen außer der Rechtssache C‑663/22 vor allem die Frage, ob die unionsrechtlichen Instrumente zum freien Dienstleistungsverkehr, wie etwa die Richtlinie 2000/31, oder diejenigen zur Mitteilungspflicht, wie etwa die Richtlinie 2015/1535, einen Mitgliedstaat daran hindern, einem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleister Verpflichtungen, wie sie Gegenstand der Ausgangsverfahren sind, aufzuerlegen. Wenn ja, wäre zweitens zu prüfen, ob diese Richtlinien eine unterschiedliche Behandlung von Maßnahmen zur Durchsetzung der Verordnung 2019/1150 vorsehen. Sollte die letztere Frage zu verneinen sein, würde sich die Überlegung erübrigen, ob die Verpflichtungen, um die es in allen Rechtssachen geht, auf Maßnahmen zur Durchsetzung dieser Verordnung beruhen. Ich werde diese Fragen in dem Abschnitt der vorliegenden Schlussanträge zum freien Dienstleistungsverkehr (Teil C) bzw. zu den Mitteilungspflichten (Teil D) prüfen.

93.      In der Rechtssache C‑663/22 geht es darum, ob die Verordnung 2019/1150 und insbesondere deren Art. 15 und 16 dahin auszulegen sind, dass sie den Erlass einer nationalen Regelung rechtfertigen, die Anbietern von Onlinediensten die Verpflichtung auferlegt, regelmäßig eine Erklärung mit Informationen über ihre wirtschaftliche Lage abzugeben, und Sanktionen für den Fall vorsieht, dass sie diese Erklärung nicht abgeben. Der vorliegende erste Abschnitt dieser Schlussanträge (Teil B) betrifft diese Frage.

1.      Durchführung einer Verordnung

94.      Eine Verordnung ist in all ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat, so dass sie grundsätzlich keine Durchführungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten benötigt. Allerdings kann es vorkommen, dass manche Bestimmungen einer Verordnung zu ihrer Durchführung des Erlasses derartiger Maßnahmen bedürfen(37). Ein Mitgliedstaat kann also innerstaatliche Maßnahmen zur Durchführung einer Verordnung erlassen, auch wenn die Verordnung ihn dazu nicht ausdrücklich ermächtigt(38).

95.      Dabei ist unter Bezugnahme auf die einschlägigen Bestimmungen der fraglichen Verordnung, die im Licht der Verordnungsziele auszulegen sind, festzustellen, ob diese Bestimmungen es den Mitgliedstaaten verbieten, gebieten oder gestatten, bestimmte Durchführungsmaßnahmen zu erlassen, und, insbesondere im letztgenannten Fall, ob sich die betreffende Maßnahme in den Rahmen des den einzelnen Mitgliedstaaten eingeräumten Ermessens einfügt(39).

96.      Die Mitgliedstaaten dürfen nicht im Wege von Durchführungsmaßnahmen die unmittelbare Anwendbarkeit einer Verordnung vereiteln, deren Natur als Unionsrechtsakt verbergen oder die Grenzen ihrer Bestimmungen überschreiten(40). Wenn der Vollzug einer Verordnung den nationalen Behörden obliegt, ist der Rückgriff auf nationale Vorschriften nur in dem zur ordnungsgemäßen Anwendung dieser Verordnung erforderlichen Umfang möglich, soweit dies weder die Tragweite noch die Wirksamkeit der Verordnung beeinträchtigt(41).

97.      Bei einer solchen Durchführung sind die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, die Wahrung der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts, wie etwa des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, zu gewährleisten(42). Dieser Grundsatz, den insbesondere die gesetz- und verordnungsgebenden Stellen der Mitgliedstaaten bei der Anwendung des Unionsrechts befolgen müssen, verlangt, dass die aufgrund einer Bestimmung angewandten Mittel geeignet sind, das angestrebte Ziel zu erreichen, und nicht über das zu dessen Erreichung Erforderliche hinausgehen.

98.      Unter Berücksichtigung all dessen ist in einem ersten Schritt zu prüfen, welches Ziel mit der Verordnung 2019/1150 verfolgt wird, und zu ermitteln, welche Bestimmungen für deren Durchführung seitens der Mitgliedstaaten relevant sind. Auf dieser Grundlage sind in einem zweiten Schritt dem vorlegenden Gericht genauere Hinweise zu geben, anhand deren es prüfen kann, ob die Maßnahmen, mit denen der nationale Gesetzgeber die fraglichen Verpflichtungen auferlegt hat, tatsächlich Maßnahmen zur Durchführung dieser Verordnung darstellen und geeignet sowie erforderlich sind, das angestrebte Ziel zu erreichen.

2.      Verordnung 2019/1150 und deren Zielsetzung

99.      Mit der Verordnung 2019/1150 soll durch die Einrichtung eines fairen, vorhersehbaren, tragfähigen und vertrauenswürdigen Online-Geschäftsumfelds im Binnenmarkt zum reibungslosen Funktionieren dieses Marktes beigetragen werden(43). Hierzu legt diese Verordnung Vorschriften für die Beziehungen zwischen Anbietern von Onlinediensten einerseits und gewerblichen Nutzern dieser Dienste sowie Nutzern mit Unternehmenswebsite im Hinblick auf Suchmaschinen andererseits fest, damit diese Dienste transparent und fair erbracht werden und solche gewerblichen Nutzer ihnen vertrauen können(44).

100. Konkret sieht die Verordnung 2019/1150 Verpflichtungen vor, die auf den Inhalt und die Änderung allgemeiner Geschäftsbedingungen (Art. 3), auf die Einschränkung, Aussetzung und Beendigung eines Dienstes (Art. 4), auf die Transparenz des Rankings (Art. 5), auf Nebenwaren und ‑dienstleistungen (Art. 6), auf eine differenzierte Behandlung (Art. 7), auf missbräuchliche besondere Vertragsbestimmungen (Art. 8), auf den Datenzugang (Art. 9) sowie auf Beschwerden und Mediation (Art. 11 bis 14) ausgerichtet sind.

101. Die meisten dieser Verpflichtungen betreffen Anbieter von Vermittlungsdiensten. Für Anbieter von Online-Suchmaschinen gelten nur die Bestimmungen der Verordnung 2019/1150 über das Ranking (Art. 5), eine differenzierte Behandlung (Art. 7) und die Klageeinreichung vor Gericht wegen Nichterfüllung der Anforderungen dieser Verordnung (Art. 14).

102. Nach den Angaben in den Vorabentscheidungsersuchen dürfte nur die Klägerin des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C‑664/22, d. h. Google, in die Kategorie der Anbieter von Online-Suchmaschinen fallen. Davon abgesehen scheint das vorlegende Gericht der in der Verordnung 2019/1150 getroffenen Unterscheidung zwischen Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten und Anbietern von Online-Suchmaschinen keine besondere Bedeutung beizumessen. Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass die betreffende nationale Regelung diesen beiden Kategorien von Anbietern offenbar dieselben oder zumindest ähnliche Verpflichtungen auferlegt. Noch wichtiger ist im Kontext der vorliegenden Rechtssachen, dass die durch die Wechselwirkungen zwischen dieser nationalen Regelung und dem Unionsrecht aufgeworfenen Rechtsfragen jedenfalls identisch sind.

103. Was die Bestimmungen der Verordnung 2019/1150 angeht, die für deren Durchführung durch die Mitgliedstaaten relevant sind, so weist das vorlegende Gericht den Gerichtshof zutreffend auf die Art. 15 und 16 dieser Verordnung hin.

104. Als Erstes sieht Art. 16 der Verordnung 2019/1150 mit der Überschrift „Überwachung“ (auf Französisch: „Contrôle“, auf Englisch: „Monitoring“, auf Italienisch: „Monitoraggio“ und auf Polnisch: „Monitorowanie“) in Verbindung mit deren Art. 18 eine Rollenverteilung zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten bei der Überwachung der Auswirkungen dieser Verordnung und deren Überprüfung vor.

105. Die Kommission ist mit Überwachungs- und Überprüfungsaufgaben betraut: Sie überwacht sorgfältig und in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten die Auswirkungen der Verordnung 2019/1150 auf die Beziehungen zwischen Online-Vermittlungsdiensten und ihren gewerblichen Nutzern einerseits und Online-Suchmaschinen und Nutzern mit Unternehmenswebsite andererseits(45). Außerdem sollte die Kommission diese Verordnung regelmäßig bewerten und ihre Auswirkungen auf die Online-Plattformwirtschaft genau überwachen(46).

106. Konkret sammelt die Kommission relevante Informationen, mit deren Hilfe die Entwicklung dieser Beziehungen überwacht werden kann(47). Sie kann derartige Informationen sowie solche, die für eine Überprüfung der Verordnung 2019/1150 erforderlich sind, von Anbietern von Onlinediensten einholen(48).

107. Die Rolle der Mitgliedstaaten besteht darin, „die Kommission [bei deren Überwachungsaufgaben zu unterstützen], indem sie auf Anfrage alle einschlägigen gesammelten Informationen, auch zu konkreten Fällen, übermitteln“(49). Die so umrissene Rolle der Mitgliedstaaten knüpft an Satz 2 des 47. Erwägungsgrundes der Verordnung 2019/1150 an, dem zufolge „[d]ie Mitgliedstaaten … der Kommission auf Anfrage alle einschlägigen Informationen übermitteln [sollten], über die sie in diesem Zusammenhang verfügen“. Eine ähnliche Formulierung findet sich in Art. 18 Abs. 3 dieser Verordnung, wonach die Mitgliedstaaten alle „ihnen vorliegenden“ einschlägigen Informationen der Kommission übermitteln, die sie für ihre Überprüfungstätigkeit benötigt.

108. Als Zweites sieht Art. 15 der Verordnung 2019/1150 mit der Überschrift „Durchsetzung“ (auf Französisch: „Contrôle de l’application“, auf Englisch: „Enforcement“, auf Italienisch: „Applicazione“ und auf Polnisch: „Egzekwowanie“) in Verbindung mit dem 46. Erwägungsgrund dieser Verordnung(50) vor, dass die Mitgliedstaaten für eine angemessene und wirksame Durchsetzung dieser Verordnung zu sorgen haben (Abs. 1) und Vorschriften über (wirksame, verhältnismäßige und abschreckende) Maßnahmen erlassen, die bei Verstößen gegen diese Verordnung anwendbar sind, sowie deren Umsetzung sicherstellen (Abs. 2). Somit ist die Kommission hauptsächlich mit der Aufgabe betraut, die Verordnung 2019/1150 zu überwachen und zu überprüfen, während es Aufgabe der Mitgliedstaaten ist, für eine angemessene und wirksame Durchsetzung dieser Verordnung zu sorgen.

109. Dabei haben die Mitgliedstaaten zum einen „die Möglichkeit …, bereits bestehende Behörden, einschließlich Gerichten, mit der Durchsetzung [der Verordnung 2019/1150] zu betrauen“, und sind zum anderen nicht verpflichtet, „eine Durchsetzung von Amts wegen vorzusehen oder Geldbußen festzusetzen“(51).

110. Unbeschadet des gewerblichen Nutzern und Nutzern mit Unternehmenswebsite zustehenden Rechts, vor den zuständigen nationalen Gerichten entsprechend dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaats Klage zu erheben, um eine Nichteinhaltung der in der Verordnung 2019/1150 festgelegten Bestimmungen zu unterbinden(52), sollten Organisationen und Verbände, die gewerbliche Nutzer oder Nutzer mit Unternehmenswebsite vertreten, sowie gegebenenfalls bestimmte in den Mitgliedstaaten eingerichtete öffentliche Stellen(53), um eine wirksame Durchsetzung dieser Verordnung zu gewährleisten, nationale Gerichte nach dem jeweiligen nationalen Recht anrufen können, um Verstöße gegen die Bestimmungen der Verordnung beenden oder untersagen zu lassen(54). Die Mitgliedstaaten haben Informationen über diese Einrichtungen zu erheben und der Kommission zu übermitteln(55).

111. Um die Wirksamkeit der eingeführten Mechanismen zu erhöhen, können die Mitgliedstaaten die zuständigen öffentlichen Stellen oder Behörden mit der Einrichtung von Registern rechtswidriger Handlungen betrauen, die Gegenstand von Unterlassungsverfügungen seitens nationaler Gerichte waren(56).

112. Folglich nimmt die Verordnung 2019/1150 nicht kategorisch den Mechanismus vorweg, mit dem ihre Durchführung seitens der Mitgliedstaaten sichergestellt werden soll: Letztere können sich für den Mechanismus einer privaten Durchsetzung (private enforcement)(57) entscheiden und diesen durch den auf behördlichen Maßnahmen beruhenden Mechanismus (public enforcement) ergänzen.

3.      Erhebung von Informationen und Durchführung der Verordnung 2019/1150

113. Ein Mitgliedstaat darf mit dem erklärten Ziel, die Durchführung eines Unionsrechtsakts wie der Verordnung 2019/1150 zu gewährleisten, nur Informationen erheben, die seine Verpflichtungen aus dieser Verordnung und deren Ziele betreffen. Wie sich aus den Nrn. 96 und 97 der vorliegenden Schlussanträge ergibt, müssen die Maßnahmen zur Durchführung einer Verordnung, deren Vollzug den nationalen Behörden eines Mitgliedstaats obliegt, nämlich für die Erreichung des mit der Unionsregelung verfolgten Ziels geeignet (angemessen) und erforderlich sein (d. h. sie dürfen nicht über das hierfür Erforderliche hinausgehen).

114. In den Art. 16 und 18 der Verordnung 2019/1150 ist davon die Rede, dass den Mitgliedstaaten bestimmte für die Überwachung der Auswirkungen dieser Verordnung und deren Überprüfung relevante Informationen „vorliegen“ können. Ein Mitgliedstaat darf jedoch nicht willkürlich ausgewählte Informationen mit der Begründung sammeln, dass die Kommission sie in Ausübung ihrer Überwachungs- und Überprüfungsaufgabe eventuell später anfordern könnte. Denn wenn ein Mitgliedstaat unter einem solchen Vorwand Informationen erheben dürfte, könnte er die in der vorstehenden Nummer genannten Anforderungen umgehen. Die Mitgliedstaaten sind nach dieser Verordnung auch nicht verpflichtet, aktiv Informationen zu erheben, die die Kommission zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen könnte. Solche Informationen werden ihr nur „auf Anfrage“ übermittelt. Im Übrigen kann die Kommission Informationen von Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten einholen.

115. Demgegenüber können einem Mitgliedstaat bestimmte Informationen vorliegen, die er bei der Wahrnehmung seiner Pflicht zur Durchführung der Verordnung 2019/1150 erhoben hat.

116. Hat sich ein Mitgliedstaat zur Erfüllung seiner Verpflichtung aus Art. 15 der Verordnung 2019/1150 nämlich auch für behördliche Maßnahmen zur Durchführung dieser Verordnung entschieden, muss er in der Lage sein, der mit dieser Aufgabe betrauten Behörde Informationen zu verschaffen, aufgrund deren sie Verletzungen der den Anbietern von Onlinediensten durch diese Verordnung auferlegten Verpflichtungen verhindern oder ahnden, zumindest aber ermitteln und gegebenenfalls registrieren kann.

117. Entsprechend dieser Logik sollte es jedem Mitgliedstaat in Anbetracht dessen, dass er einen Mechanismus für eine angemessene und wirksame Durchsetzung der Verordnung 2019/1150 (durch den privaten oder auch den öffentlichen Bereich) vorsehen und den bestehenden Mechanismus in Anbetracht der Marktentwicklung gegebenenfalls ändern oder anpassen muss, freistehen, die hierfür erforderlichen Informationen von den in seinem Hoheitsgebiet tätigen Wirtschaftsteilnehmern zu erheben.

118. Zur Veranschaulichung sei darauf hingewiesen, dass sich in den beiden in den Nrn. 116 und 117 der vorliegenden Schlussanträge erwähnten Fällen solche Informationen beispielsweise auf die Bedingungen, unter denen die Wirtschaftsteilnehmer ihre Dienstleistungen erbringen (relevant für die Ermittlung und gegebenenfalls die Verfolgung von Verstößen gegen die Verordnung 2019/1150 und die Beurteilung der mit diesen Verstößen verbundenen Gefahr), sowie auf die Größe des Marktes und die Zahl der dort tätigen Wirtschaftsteilnehmer (insbesondere zur Ermittlung der für die Anwendung des Mechanismus zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Ressourcen) beziehen können. Im Übrigen wäre es mit Hilfe einer systematischen Erhebung solcher Informationen möglich, bestimmte Trends zu beobachten sowie zum einen darüber zu entscheiden, wie bestehende Mechanismen im nationalen Recht geändert werden müssten, um die Wirksamkeit der Verordnung 2019/1150 zu gewährleisten, und zum anderen die Kommission bei ihren Überwachungs- und Überprüfungsaufgaben zu unterstützen.

4.      Prüfung

119. Im vorliegenden Fall beziehen sich die Informationen, die die Anbieter von Onlinediensten in der IES angeben müssen, im Wesentlichen auf ihre wirtschaftliche Situation.

120. Dazu führt die italienische Regierung in der Rechtssache C‑663/22 erstens aus, die in der IES enthaltenen Informationen seien „für die Aufgabe der aktiven [und] präventiven Überwachung im Hinblick auf mögliche Wettbewerbsverzerrungen zweifellos nützlich, die ohne eine vollständige und gezielte Kenntnis aller in der Branche tätigen Einrichtungen nicht wahrgenommen werden kann“. Zweitens dienten diese Informationen dazu, den Gesamtwert des italienischen Marktes zu erfassen, das Gewicht jedes einzelnen Wirtschaftsteilnehmers auf diesem Markt zu bestimmen und dessen wirtschaftliche Dynamik zu verstehen sowie die Richtigkeit und die Vollständigkeit der übermittelten Daten zu überprüfen(58).

121. Hierzu möchte ich erstens anmerken, dass ein Mitgliedstaat – wie schon in Nr. 118 der vorliegenden Schlussanträge erwähnt – ein Interesse daran haben kann, die Größe des Marktes für Onlinedienste zu bestimmen. Der Wert des Marktes und die Bedeutung der Marktteilnehmer sind jedoch keine Daten, die sich leicht auswerten lassen, um aussagekräftige Informationen zur Erreichung des mit der Verordnung 2019/1150 verfolgten Ziels, nämlich der Einrichtung eines fairen, vorhersehbaren, tragfähigen und vertrauenswürdigen Online-Geschäftsumfelds im Binnenmarkt, zu erhalten. Jedenfalls scheint die von der italienischen Regierung erwähnte Aufdeckung etwaiger „Wettbewerbsverzerrungen“ nicht zum Ziel dieser Verordnung zu gehören. Denn Letztere gilt unbeschadet der Rechtsvorschriften der Union für den Bereich des Wettbewerbs(59).

122. Zweitens sind die Informationen, die Anbieter von Onlinediensten aufgrund der Verordnung 2019/1150 erteilen müssen, eher für die Nutzer von Belang, insbesondere was die Bedingungen der erbrachten Dienstleistung betrifft. Dagegen sind diese Anbieter in keiner Weise dazu verpflichtet, die Nutzer über ihre wirtschaftliche Lage aufzuklären, so dass sich aus Sicht dieser Verordnung die Frage der Richtigkeit solcher Informationen nicht stellt.

123. Drittens muss ich gestehen, dass ich nur schwer einen Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Lage eines Anbieters von Onlinediensten und den Modalitäten, nach denen seine Dienste gewerblichen Nutzern gegenüber erbracht werden, zu erkennen vermag. Falls es einen solchen Zusammenhang gibt, kann er nur mittelbarer Natur sein. Denn zum einen ist die italienische Regierung selbst der Ansicht, der Zweck der Verordnung 2019/1150 bestehe darin, die gewerblichen Nutzern von Plattformen in der Union vorgegebenen Vertragsbedingungen zu eruieren und zu bewerten, ob sie fair seien. Zum anderen bleibt unklar, wie sich aus Angaben zur wirtschaftlichen Lage eines Anbieters von Onlinediensten relevante Informationen für eine angemessene und wirksame Durchführung dieser Verordnung herleiten lassen.

124. Deshalb kann meines Erachtens – ohne dass es einer Erörterung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bedarf – die Verordnung 2019/1150 nicht dahin ausgelegt werden, dass sie den Erlass der in der Rechtssache C‑663/22 fraglichen nationalen Maßnahmen rechtfertigt. Letztere stellen keine Maßnahmen zur Durchführung dieser Verordnung dar. Denn wie aus den Vorlagefragen in dieser Rechtssache hervorgeht, hat das Ziel dieser Maßnahmen nichts mit dem Ziel der Verordnung 2019/1150 zu tun, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie die Grenzen einhalten, innerhalb deren ein Mitgliedstaat Maßnahmen zur Durchführung dieser Verordnung erlassen darf.

125. Ich schlage daher vor, die in Nr. 93 der vorliegenden Schlussanträge umformulierten Vorlagefragen in der Rechtssache C‑663/22 dergestalt zu beantworten, dass die Verordnung 2019/1150 und insbesondere deren Art. 15 und 16 dahin auszulegen sind, dass sie den Erlass einer nationalen Regelung nicht rechtfertigen, die Anbietern von Onlinediensten die Pflicht auferlegt, regelmäßig eine Erklärung mit Informationen über ihre wirtschaftliche Lage vorzulegen, und Sanktionen für den Fall vorsieht, dass diese Pflicht nicht eingehalten wird. Da eine solche Regelung nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt, steht Letztere ihr nicht entgegen.

5.      Ergänzende Bemerkungen

126. Die von mir soeben vorgeschlagene Antwort bedeutet nicht, dass die Verordnung 2019/1150 den betreffenden nationalen Maßnahmen entgegenstünde. Es wird jedoch Sache des vorlegenden Gerichts sein, die Konsequenzen daraus zu ziehen, dass die AGCOM zum einen durch das Gesetz Nr. 178/2020 damit betraut wurde, „für eine angemessene und wirksame Durchsetzung [dieser] Verordnung, insbesondere durch die … Sammlung relevanter Informationen, [zu sorgen]“, und zum anderen ausweislich der Präambel des Beschlusses Nr. 161/2021 auf dieser Basis die Pflicht, ihr die IES zu übermitteln, auf Anbieter von Onlinediensten erstreckt hat.

127. Sollte das vorlegende Gericht unter Berücksichtigung der Hinweise, die der Gerichtshof in dem anstehenden Urteil geben wird, jedoch zu dem Schluss gelangen, dass ein Zusammenhang zwischen dem mit der Verordnung 2019/1150 verfolgten Ziel und den fraglichen nationalen Maßnahmen besteht, wird es zu prüfen haben, ob diese Maßnahmen geeignet und erforderlich sind.

128. Ich für meinen Teil denke nicht, dass dies der Fall ist. Ausgehend von den Überlegungen in den Nrn. 121 bis 123 der vorliegenden Schlussanträge darf bezweifelt werden, dass die Informationen, die Anbieter von Onlinediensten über ihre finanzielle Lage erteilen müssen, geeignet sind, um das Ziel dieser Verordnung zu erreichen. Auf jeden Fall könnte dieses Ziel mit Hilfe anderer Informationen erreicht werden, deren Erhebung für die Marktteilnehmer weniger einschneidend wäre.

C.      Zum freien Dienstleistungsverkehr im Hinblick auf Art. 56 AEUV sowie auf die Richtlinien 2000/31 und 2006/123

129. Bei mehreren der Vorlagefragen geht es darum, ob der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs den in den Ausgangsverfahren fraglichen Verpflichtungen entgegensteht. Diese Vorlagefragen betreffen Art. 56 AEUV(60) und die Richtlinien 2000/31 und 2006/123(61).

130. Gegenstand der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verpflichtungen ist zum einen die Eintragung in das ROC, die die Übermittlung wichtiger Informationen über die Organisation des Dienstleisters und die Zahlung eines finanziellen Beitrags sowie die Verhängung von Sanktionen bei Nichteinhaltung nach sich zieht, und zum anderen die Übermittlung der IES, wobei die Verletzung dieser Pflicht zur Verhängung finanzieller Sanktionen führt.

131. Mit Blick auf die im Unionsrecht zur Gewährleistung des freien Dienstleistungsverkehrs vorgesehenen Mechanismen sind diese Verpflichtungen aber separat zu analysieren(62). Im vorliegenden Fall sind also zu prüfen: die Pflicht zur Eintragung in das ROC, die Pflicht zur Übermittlung von Informationen über die Organisation des Anbieters von Onlinediensten, die Pflicht zur Übermittlung von Informationen über dessen wirtschaftliche Lage in Form der IES und die Pflicht zur Zahlung eines finanziellen Beitrags.

132. Vorab stellt sich die Frage, ob die betreffenden nationalen Maßnahmen im Licht der Richtlinie 2000/31, im Licht der Richtlinie 2006/123 oder im Licht beider Richtlinien zu beurteilen sind. Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst zu klären, ob die fraglichen nationalen Maßnahmen in den jeweiligen Anwendungsbereich dieser Richtlinien fallen.

1.      Zur Richtlinie 2000/31

a)      Vorbemerkungen zu den Vorlagefragen, die sich auf den freien Dienstleistungsverkehr beziehen

133. Der Begriff „Dienste der Informationsgesellschaft“ ist ein zentraler Begriff der Richtlinie 2000/31, wird in ihr jedoch nicht definiert. Diese Richtlinie verweist vielmehr auf die in der Richtlinie 2015/1535 enthaltene Definition.

134. Insoweit ist die Einstufung der von den Klägerinnen der Ausgangsverfahren erbrachten Dienstleistungen als „Dienste der Informationsgesellschaft“ nach den Angaben des vorlegenden Gerichts offensichtlich(63) oder scheint in den die Richtlinie 2000/31 betreffenden Rechtssachen zumindest nicht in Abrede gestellt zu werden(64). Da das vorlegende Gericht keine näheren Einzelheiten mitteilt, anhand deren diese Einstufung überprüft werden könnte, und da sie angesichts der von jenem Gericht angegebenen allgemeinen Beschreibung der Dienstleistungen gerechtfertigt erscheint(65), gehe ich davon aus, dass die Dienstleistungen der Klägerinnen der Ausgangsverfahren unter den Begriff „Dienste der Informationsgesellschaft“ fallen.

135. Ein weiterer zentraler Begriff der Richtlinie 2000/31 ist derjenige des „koordinierten Bereichs“. Dieser betrifft allgemeine Anforderungen in Bezug auf die Aufnahme und die Ausübung der Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft wie auch Anforderungen, die speziell für die Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft oder für derartige Dienste als solche bestimmt sind(66).

136. Ein Anbieter solcher Dienste unterliegt den in den koordinierten Bereich fallenden Anforderungen des Mitgliedstaats, in dem er niedergelassen ist (Herkunftsmitgliedstaat)(67). Ein anderer Mitgliedstaat, in dem dieser Dienstleister tätig ist (Bestimmungsmitgliedstaat), darf den freien Verkehr dieser Dienstleistungen grundsätzlich nicht „aus Gründen …, die in den koordinierten Bereich fallen“, einschränken(68). Der in Art. 3 der Richtlinie 2000/31 festgelegte Mechanismus führt daher den Grundsatz des Herkunftsmitgliedstaats und die unter den Mitgliedstaaten gegenseitige Anerkennung der Voraussetzungen für die Aufnahme (und Ausübung) der Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft ein(69).

137. Ein Bestimmungsmitgliedstaat kann ausnahmsweise von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2000/31 durch Maßnahmen abweichen, die er „im Hinblick auf einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft“ ergreift, sofern sie die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 4 Buchst. a und b dieser Richtlinie erfüllen.

138. Unter diesen Umständen ist anzunehmen, dass das vorlegende Gericht mit seinen Fragen zum freien Dienstleistungsverkehr in den verbundenen Rechtssachen C‑662/22 und C‑667/22, den verbundenen Rechtssachen C‑664/22 und C‑666/22 sowie der Rechtssache C‑665/22 wissen möchte, ob Art. 3 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 2000/31 dahin auszulegen ist, dass er nationalen Maßnahmen generell-abstrakter Art entgegensteht, mit denen ein Mitgliedstaat dem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft a) eine Pflicht zur Eintragung in ein Register, b) eine Pflicht zur Übermittlung wichtiger Informationen über seine Organisation, c) eine Pflicht zur Übermittlung wichtiger Informationen über seine wirtschaftliche Lage und d) eine Pflicht zur Zahlung eines finanziellen Beitrags auferlegt sowie die Verhängung von Sanktionen für den Fall der Nichteinhaltung dieser Verpflichtungen vorsieht. Bejahendenfalls – und unter Berücksichtigung der Klarstellung zur Verordnung 2019/1150 in Nr. 92 der vorliegenden Schlussanträge – möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Umstand, dass diese nationalen Maßnahmen mit dem erklärten Ziel erlassen wurden, die Durchführung der Verordnung 2019/1150 zu gewährleisten, das Ergebnis der Anwendung des in Art. 3 dieser Richtlinie festgelegten Mechanismus beeinflussen kann.

139. Zur Beantwortung dieser Fragen ist in einem ersten Schritt zunächst zu prüfen, ob die in den Ausgangsverfahren fraglichen Verpflichtungen Anforderungen festlegen, die im Sinne der Richtlinie 2000/31 in den koordinierten Bereich fallen, sodann, ob die Auferlegung dieser Verpflichtungen eine Abweichung vom freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft darstellt, und schließlich, ob die zur Auferlegung dieser Verpflichtungen getroffenen Maßnahmen die Voraussetzungen nach Art. 3 Abs. 4 Buchst. a und b dieser Richtlinie erfüllen. In einem zweiten Schritt ist zu untersuchen, wie sich die Verordnung 2019/1150 auf das Ergebnis der die Richtlinie 2000/31 betreffenden Prüfung auswirkt.

b)      Anforderungen, die in den koordinierten Bereich fallen

1)      Darstellung des Problems

140. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts handelt es sich bei den in den Ausgangsverfahren fraglichen Verpflichtungen um Anforderungen, die im Sinne der Richtlinie 2000/31 in den koordinierten Bereich fallen.

141. Dagegen vertritt die italienische Regierung die Ansicht, dass die Verpflichtungen zur Eintragung in das ROC und zur Übermittlung der IES auf eine bloße Informationspflicht hinausliefen. Sie hinderten einen Anbieter von Onlinediensten nicht an einer ordnungsgemäßen Ausübung seiner Tätigkeit. Die Klägerinnen der Ausgangsverfahren in den Rechtssachen C‑662/22 und C‑665/22 gingen ihrer Tätigkeit weiterhin nach, obwohl sie nicht im ROC eingetragen seien.

142. Insoweit steht fest, dass die Nichteinhaltung der betreffenden Verpflichtungen bedeutende Sanktionen nach sich zieht. Ferner scheint es, dass die AGCOM das vorübergehende Verbot der Tätigkeiten eines Anbieters von Onlinediensten anordnen und, was die Eintragung in das ROC betrifft, diese von Amts wegen vornehmen kann(70). Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, die Richtigkeit dieser Annahmen zu überprüfen. Hingegen ist es Sache des Gerichtshofs, dem vorlegenden Gericht Hinweise zu geben, anhand deren es feststellen kann, ob diese Verpflichtungen in den koordinierten Bereich fallen.

2)      Allgemeine Bemerkungen zum Umfang des koordinierten Bereichs

143. Der in Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 2000/31 definierte Begriff „koordinierter Bereich“ umfasst die Anforderungen, die ein Anbieter von Onlinediensten erfüllen muss und die „die Aufnahme der Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft“ oder „die Ausübung [einer solchen] Tätigkeit“ betreffen (im Folgenden: Aufnahmeanforderungen bzw. Ausübungsanforderungen).

144. Unter dem Aspekt des in Art. 3 der Richtlinie 2000/31 festgelegten Mechanismus hat die Unterscheidung zwischen Aufnahme- und Ausübungsanforderungen keine praktische Bedeutung. Gleichwohl halte ich es für angebracht, auf diese Zweiteilung einzugehen, um dem vorlegenden Gericht Aufschluss über den Umfang des koordinierten Bereichs zu geben.

145. In dieser Hinsicht darf erstens nicht übersehen werden, dass die Aufnahme- und die Ausübungsanforderungen praktisch ausnahmslos vom Herkunftsmitgliedstaat aufgestellt werden.

146. Denn entsprechend der Logik des in Art. 3 der Richtlinie 2000/31 festgelegten Mechanismus kann der Dienstleister durch Erfüllung der vom Herkunftsmitgliedstaat in den koordinierten Bereich fallenden Anforderungen sowohl auf dem Markt dieses Mitgliedstaats als auch auf dem Markt jedes anderen Mitgliedstaats tätig werden. Der Herkunftsmitgliedstaat trägt dafür Sorge, dass die Dienste der Informationsgesellschaft, die von einem in seinem Hoheitsgebiet niedergelassenen Diensteanbieter erbracht werden, den dort geltenden innerstaatlichen Vorschriften entsprechen, die in den koordinierten Bereich fallen(71). Diese am Herkunftsort durchgeführte Kontrolle muss einen wirksamen Schutz der dem Allgemeininteresse dienenden Ziele gewährleisten, und zwar nicht nur für die Nutzer im Herkunftsmitgliedstaat, sondern für alle Nutzer in der Union(72).

147. Folglich trägt jeder Mitgliedstaat eine besondere Verantwortung für die Festlegung der Anforderungen, die in den koordinierten Bereich fallen. Diese Anforderungen müssen so gestaltet sein, dass sie nicht nur den Interessen, die im Herkunftsmitgliedstaat auf dem Spiel stehen, sondern auch den Interessen in jedem anderen Mitgliedstaat Rechnung tragen. Anderenfalls könnte der Herkunftsmitgliedstaat in einem Bestimmungsmitgliedstaat die in Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 vorgesehene Reaktion auslösen. Der koordinierte Bereich muss daher so weit gefasst sein, dass am Herkunftsort die Rechtmäßigkeit und eine wirksame Kontrolle der Aktivitäten der Informationsgesellschaft nicht nur im Interesse des Herkunftsmitgliedstaats, sondern auch im Interesse sämtlicher Mitgliedstaaten gewährleistet sind(73).

148. Zweitens wird in Art. 2 Buchst. h Ziff. i der Richtlinie 2000/31 klargestellt, dass die Aufnahmeanforderungen u. a. „Anforderungen betreffend Qualifikationen, Genehmigung oder Anmeldung“ umfassen, während die Ausübungsanforderungen u. a. „Anforderungen betreffend das Verhalten des Diensteanbieters, Anforderungen betreffend Qualität oder Inhalt des Dienstes, einschließlich der auf Werbung und Verträge anwendbaren Anforderungen, sowie Anforderungen betreffend die Verantwortlichkeit des Diensteanbieters“ umfassen. Der so definierte koordinierte Bereich gilt jedoch „nur [für] Anforderungen betreffend Online-Tätigkeiten“(74), nicht aber für Anforderungen betreffend die Waren als solche, betreffend die Lieferung von Waren und betreffend Dienste, die nicht auf elektronischem Wege erbracht werden(75).

149. Daraus folgt, dass für den koordinierten Bereich nur die „Online-Komponente“ relevant ist. Daher muss dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Tätigkeit, für die die Anforderungen dieses Bereichs gelten, ihrer Art nach nicht territorial ist.

150. Onlinedienste sind kaum für das Konzept der Territorialität geeignet: Ein in einem Mitgliedstaat ansässiger Anbieter kann dauerhaft und kontinuierlich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats tätig sein, ohne sich dort niederzulassen oder sich gar dorthin zu begeben.

151. Wie ich in einem anderen Kontext anmerken konnte(76), hat das Internet, wie auch in vielen anderen Bereichen, in der „realen“ Welt bestehende Kategorien stark verändert. Während der Vertrag die dauerhafte Ausübung einer Tätigkeit in einem Mitgliedstaat nämlich an eine feste Niederlassung in diesem Staat und die vorübergehende Ausübung einer Tätigkeit an das Fehlen einer solchen Niederlassung knüpft, macht es das Internet möglich, eine Tätigkeit in einem Mitgliedstaat auch ohne eine dortige feste Niederlassung dauerhaft auszuüben.

152. Wollte man in einem solchen Fall nach der Logik der Niederlassungsfreiheit verfahren, würde dies zu dem absurden Ergebnis führen, dass ein Dienstleister, der nicht im Bestimmungsmitgliedstaat seiner Dienstleistung niedergelassen ist, dennoch als dort niedergelassen erachtet würde und die Rechtsvorschriften dieses Staates nicht nur hinsichtlich seiner eigentlichen Tätigkeit, sondern auch in Bezug auf die Gründung und den Betrieb seines Unternehmens beachten müsste. Dies wird noch widersinniger, wenn man bedenkt, dass die über das Internet ausgeübten Tätigkeiten oft für mehrere oder sogar alle Mitgliedstaaten bestimmt sind.

153. Durch die Vereinigung der einschlägigen Vorschriften unter der Überschrift „Binnenmarkt“(77) nimmt die Richtlinie 2000/31 zur Unterscheidung zwischen der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit nicht offen Stellung. Gleichwohl lässt sich unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Kontrolle am Herkunftsort und der in den Nrn. 149 bis 152 der vorliegenden Schlussanträge dargelegten Gründe nicht annehmen, dass der in Art. 3 der Richtlinie 2000/31 festgelegte Mechanismus auf dem Gedanken beruht, dass ein Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft die von jedem Mitgliedstaat, in dem er tätig ist, festgelegten Voraussetzungen für das Tätigwerden auf dem Markt erfüllen muss. Da dieser Mechanismus eine solche Situation verhindern soll, muss der koordinierte Bereich vielmehr auch die Voraussetzungen umfassen, die für die Rechtmäßigkeit der auf einem Markt ausgeübten Tätigkeit gelten.

154. Drittens müssen in den Umfang des koordinierten Bereichs auch die Voraussetzungen einbezogen werden, die für die Rechtmäßigkeit der Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft maßgeblich sind. Da eine solche Tätigkeit ihrer Art nach nicht territorial ist, kann die Kundschaft in einem Mitgliedstaat nämlich oft auf die eine oder andere Weise de facto angesprochen werden, ohne die Grenzen des Konzepts der Territorialität zu überschreiten. Allein deshalb, weil ein Dienstleister seiner Tätigkeit im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats nachgehen kann, ohne eine der genannten Anforderungen zu erfüllen, darf diese Anforderung nicht aus dem koordinierten Bereich ausgeklammert werden.

155. Daher lassen sich ungeachtet dessen, dass der koordinierte Bereich sowohl die Aufnahme- als auch die Ausübungsanforderungen umfasst und die Richtlinie 2000/31 keine rechtlichen Folgen an diese Zweiteilung knüpft, diese beiden Anforderungen gleichwohl unterscheiden. Denn zum einen soll mit Ausübungsanforderungen wie „Anforderungen betreffend das Verhalten des Diensteanbieters, Anforderungen betreffend Qualität oder Inhalt des Dienstes … sowie Anforderungen betreffend die Verantwortlichkeit des Diensteanbieters“(78) aufgezeigt werden, wie ein Dienst der Informationsgesellschaft rechtmäßig gegenüber der Öffentlichkeit, den Verbrauchern und anderen Wirtschaftsteilnehmern zu erbringen ist. Sie stellen also Modalitäten der Erbringung eines solchen Dienstes unter horizontalen Aspekten dar. Zum anderen geht es bei den Aufnahmeanforderungen um die Voraussetzungen, die der Dienstleister vor allem gegenüber einem Mitgliedstaat und dessen Behörden erfüllen muss, um einen Dienst der Informationsgesellschaft im Herkunftsmitgliedstaat und darüber hinaus auch auf dem Markt jedes anderen Mitgliedstaats rechtmäßig aufnehmen und erbringen zu können.

156. Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen ist zu beurteilen, ob die in den Ausgangsverfahren fraglichen Verpflichtungen in den koordinierten Bereich fallen.

3)      Prüfung

157. Was erstens die Pflicht zur Eintragung in das ROC betrifft, deren Verletzung bedeutende Sanktionen nach sich zieht und die der Bestimmungsmitgliedstaat von Amts wegen vornehmen kann, so stellt sie eine Anforderung dar, die in den koordinierten Bereich fällt.

158. Denn der Umstand, dass ein Dienstleister de facto die Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft aufnehmen und fortsetzen kann, ohne der Pflicht zur Eintragung in das ROC nachzukommen, bedeutet entgegen dem Vorbringen der italienischen Regierung nicht, dass diese Anforderung nicht die Aufnahme dieser Tätigkeit im Sinne von Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 2000/31 beträfe. Im Übrigen reicht es grundsätzlich nicht aus, dass die Eintragung in ein Register bei Aufnahme der Tätigkeit erfolgt: Sie muss während der gesamten Dauer der Tätigkeit fortbestehen, damit diese rechtmäßig ist.

159. Was zweitens die Pflicht zur Übermittlung von Informationen über die Organisation und die wirtschaftliche Lage des Unternehmens betrifft, so sind diese Informationen der italienischen Regierung zufolge nützlich und sogar notwendig, damit die AGCOM ihre Regulierungs‑, Aufsichts‑, Streitbeilegungs- und Sanktionsaufgabe wahrnehmen kann. Eine solche Aufgabe erfolgt gemäß dem Grundsatz, wonach die Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft am Herkunftsort kontrolliert wird, durch den Herkunftsmitgliedstaat im Interesse aller Mitgliedstaaten. Die Pflicht zur Übermittlung von Informationen, die diese Kontrolle ermöglichen, muss daher in den koordinierten Bereich fallen.

160. Drittens soll der finanzielle Beitrag nach den Angaben der italienischen Regierung den Gesamtbetrag der Verwaltungskosten decken, die in Italien durch die Ausübung der der AGCOM übertragenen Regulierungs‑, Aufsichts‑, Streitbeilegungs- und Sanktionsaufgaben entstehen. Seine Höhe wird entsprechend den in diesem Mitgliedstaat erzielten Einnahmen festgelegt.

161. Die Pflicht zur Zahlung eines solchen Beitrags stellt ebenfalls eine Anforderung dar, die in den koordinierten Bereich fällt. Denn sie ist eine Voraussetzung dafür, dass der dauerhafte Zugang eines Dienstleisters zum Markt eines Mitgliedstaats rechtmäßig ist. Außerdem sollte dieser Beitrag gemäß dem Grundsatz der Kontrolle der Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft am Herkunftsort von der Stelle erhoben werden, die nach diesem Grundsatz den Dienstleister im Interesse des Mitgliedstaats seiner Niederlassung und aller anderen Mitgliedstaaten zu kontrollieren hat.

162. In Anbetracht der von mir vorgeschlagenen Auslegung der Richtlinie 2000/31 stellen die in den Ausgangsverfahren fraglichen Verpflichtungen Anforderungen dar, die im Sinne dieser Richtlinie in den koordinierten Bereich fallen.

c)      Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs

163. Es stellt sich ferner die Frage, ob die Auferlegung der in den Ausgangsverfahren fraglichen Verpflichtungen gegenüber einem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft den freien Verkehr solcher Dienste beschränkt und daher von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2000/31 abweicht. Um diese Frage zu beantworten, ist festzustellen, in welcher Situation eine Maßnahme eines Bestimmungsmitgliedstaats den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft beschränkt. Im vorliegenden Fall ist auch zu klären, ob die Rechtsprechung zu Art. 56 AEUV im Rahmen des in dieser Richtlinie festgelegten Mechanismus Anwendung findet.

1)      Unanwendbarkeit der Rechtsprechung zu Art. 56 AEUV

164. Die Parteien verweisen in ihren Erklärungen auf die Rechtsprechung zu Art. 56 AEUV, wonach nationale Vorschriften keine Beschränkung im Sinne dieses Artikels darstellen, die für alle im Inland tätigen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die nicht die Regelung der Bedingungen für die Erbringung der Dienstleistungen der betreffenden Unternehmen bezwecken und deren beschränkende Wirkungen, die sie für den freien Dienstleistungsverkehr haben könnten, zu ungewiss und zu mittelbar sind, als dass die in ihnen aufgestellte Verpflichtung als geeignet angesehen werden könnte, diese Freiheit zu behindern(79).

165. Meines Erachtens ist diese Rechtsprechung aber im Rahmen des in Art. 3 der Richtlinie 2000/31 festgelegten Mechanismus nicht anwendbar.

166. Denn zum einen können Ausübungsanforderungen, die in den koordinierten Bereich fallen, von dieser Rechtsprechung nicht erfasst werden, da sie schlechthin „die Regelung der Bedingungen für die Erbringung der Dienstleistungen der betreffenden Unternehmen bezwecken“.

167. Zum anderen – und noch wichtiger – darf bei allen in den koordinierten Bereich fallenden Anforderungen, einschließlich der Aufnahmeanforderungen, nicht außer Acht gelassen werden, dass der Unionsgesetzgeber im Wege einer Richtlinie die Modalitäten für die Ausübung einer Grundfreiheit des Binnenmarkts konkretisieren und noch günstigere Bedingungen für das reibungslose Funktionieren dieses Marktes festlegen kann, als sie im Primärrecht vorgesehen sind.

168. Dies trifft auf den in Art. 3 der Richtlinie 2000/31 festgelegten Mechanismus zu, der auf dem Gedanken der Kontrolle am Herkunftsort beruht, den Grundsatz des Herkunftsmitgliedstaats und die gegenseitige Anerkennung der Aufnahme- und Ausübungsvoraussetzungen zwischen den Mitgliedstaaten einführt(80). Die Auferlegung strengerer als der im Herkunftsmitgliedstaat geltenden Anforderungen steht im Widerspruch zu diesem Grundsatz. Diese Auslegung findet ihren Ausdruck in der zu diesem Mechanismus ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs.

2)      Beschränkung des freien Verkehrs von Diensten der Informationsgesellschaft im Licht der Rechtsprechung

169. Im Urteil eDate Advertising u. a.(81) hat der Gerichtshof ausgeführt, dass der in Art. 3 der Richtlinie 2000/31 festgelegte Mechanismus den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft zwischen den Mitgliedstaaten dadurch gewährleistet, dass diese Dienste der Rechtsordnung des Sitzmitgliedstaats ihrer Anbieter unterworfen werden. Diese Anbieter dürfen also keinen strengeren Anforderungen unterliegen, als sie das in ihrem jeweiligen Herkunftsmitgliedstaat geltende Sachrecht vorsieht(82).

170. In der Rechtssache, in der das Urteil Airbnb Ireland ergangen ist(83), nahm das vorlegende Gericht an, die fraglichen nationalen Maßnahmen, die den Besitz eines Gewerbeausweises vorschrieben, beschränkten den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft. Diese Annahme hat der Gerichtshof ausdrücklich bestätigt(84). So hat der Gerichtshof festgestellt, dass eine Verpflichtung zum Besitz eines Gewerbeausweises, die u. a. für in anderen Mitgliedstaaten als dem Bestimmungsmitgliedstaat ansässige Dienstleister gilt, die Erbringung von Dienstleistungen in dem letztgenannten Mitgliedstaat erschwert(85). Meines Erachtens wollte der Gerichtshof mit diesen Ausführungen im Anschluss an das Urteil eDate Advertising u. a.(86) deutlich machen, dass die Dienstleistungen im Bestimmungsmitgliedstaat aufgrund dieser Verpflichtung schwerer zu erbringen sind als im Herkunftsmitgliedstaat aufgrund der dort geltenden nationalen Vorschriften, die in den koordinierten Bereich fallen.

171. Im Urteil A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln)(87) hat der Gerichtshof zu vier vom Bestimmungsmitgliedstaat eingeführten Anforderungen im Wesentlichen befunden, dass ein Verbot, das geeignet ist, die Möglichkeit eines Anbieters von Diensten der Informationsgesellschaft zu beschränken, sich bei seinen potenziellen Kunden im Bestimmungsmitgliedstaat bekannt zu machen oder deren Aufmerksamkeit zu wecken und seine Dienstleistung des Online-Verkaufs attraktiver zu machen, eine Beschränkung des freien Verkehrs von Diensten der Informationsgesellschaft enthält.

172. Obwohl sich diese Formulierung von derjenigen unterscheidet, die der Gerichtshof in den Urteilen eDate Advertising u. a.(88) und Airbnb Ireland(89) verwendet hat, beruht das Urteil A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln)(90) auf derselben Logik, die auch diesen beiden Urteilen zugrunde liegt. Es stand nämlich fest, dass der betroffene Dienstleister seine Tätigkeit im Einklang mit den im Herkunftsmitgliedstaat geltenden und in den koordinierten Bereich fallenden Anforderungen ausübte(91). Daher verstieß eine Anforderung, die strengere Vorgaben für das Verhalten des Dienstleisters machte, zwangsläufig gegen Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2000/31. Bei der Prüfung, ob die fraglichen nationalen Maßnahmen den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft im Sinne von Art. 3 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 2000/31 beschränkten, griff der Gerichtshof auch nicht auf seine Rechtsprechung zu Art. 56 AEUV zurück(92).

173. Aus diesen drei Urteilen schließe ich: Wird die Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats Anforderungen unterworfen, die in den koordinierten Bereich fallen und die über die im Herkunftsmitgliedstaat geltenden Anforderungen hinausgehen, so beschränkt dies den freien Verkehr dieses Dienstes und kann daher nur aufgrund einer Maßnahme erfolgen, die im Einklang mit Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 steht.

174. Im Übrigen dürfte für die These, wonach die in Nr. 164 der vorliegenden Schlussanträge erwähnte Rechtsprechung zu Art. 56 AEUV im Rahmen des in Art. 3 der Richtlinie 2000/31 festgelegten Mechanismus nicht anwendbar ist, auch die Rechtsprechung zu dieser Bestimmung des Primärrechts sprechen, in deren Rahmen der Gerichtshof den Umstand berücksichtigt hat, dass ein bestimmtes Erfordernis bereits im Herkunftsmitgliedstaat überprüft worden war.

3)      Rechtsprechung zum freien Dienstleistungsverkehr

175. Zunächst hatte die Kommission in einem Vertragsverletzungsverfahren geltend gemacht(93), eine Pflicht zur Eintragung in ein Register und die schweren Sanktionen für den Fall ihrer Nichteinhaltung machten die Eintragung in dieses Register zu einer wesentlichen Voraussetzung für die Ausübung von Tätigkeiten im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, der diese Pflicht vorgesehen habe. Unter Hinweis darauf, dass die fragliche Verpflichtung gegebenenfalls auch für einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleister galt, der nach dessen Recht möglicherweise bereits Formerfordernisse erfüllte, die den aufgrund dieser Verpflichtung erforderlichen entsprachen, hat der Gerichtshof festgestellt, dass diese Verpflichtung gegen Art. 56 AEUV verstieß(94).

176. Sodann hat der Gerichtshof in einer Vorabentscheidungssache zu Art. 56 AEUV und einer Richtlinie, die im Wesentlichen ein System der gegenseitigen Anerkennung der im Herkunftsland erworbenen Berufserfahrung vorsah, bereits entschieden, dass das durch das Aufnahmeland eingerichtete Verfahren zur Erteilung der Erlaubnis die Ausübung des Rechts einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Person, ihre Dienstleistungen im Hoheitsgebiet des erstgenannten Staates zu erbringen, weder verzögern noch erschweren darf, nachdem die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Tätigkeiten bereits geprüft worden sind und festgestellt worden ist, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann eine etwa erforderliche Eintragung in die Handwerksrolle des Aufnahmemitgliedstaats nur noch automatisch erfolgen; sie kann weder eine Voraussetzung für die Erbringung der Dienstleistung sein noch Verwaltungskosten für den betroffenen Leistenden verursachen noch die obligatorische Zahlung von Beiträgen an die Handwerkskammer nach sich ziehen(95).

177. Schließlich hat der Gerichtshof entschieden, dass eine Regelung eines Mitgliedstaats, die einem auf seinem Hoheitsgebiet tätigen Unternehmen die Verpflichtung auferlegt, Meldungen „verdächtiger“ Transaktionen und „angeforderte“ Auskünfte unmittelbar an eine Behörde des Aufnahmemitgliedstaats zu übermitteln, eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt, indem sie für die im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs durchgeführten Tätigkeiten Schwierigkeiten und zusätzliche Kosten verursacht, zu den bereits in dem Mitgliedstaat, in dem sich das betreffende Institut befindet, durchgeführten Kontrollen hinzukommen kann und auf diese Weise dieses Institut davon abschreckt, diese Tätigkeiten auszuführen(96).

178. Zusammenfassend lässt sich angesichts der Überlegungen in Nr. 173 der vorliegenden Schlussanträge feststellen, dass die Auferlegung der in den Ausgangsverfahren fraglichen Verpflichtungen gegenüber einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft den freien Verkehr solcher Dienste beschränkt und daher nur aufgrund von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 vorgenommen werden darf.

d)      Materielle Voraussetzungen gemäß Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31

179. Maßnahmen, die vom Grundsatz des freien Verkehrs von Diensten der Informationsgesellschaft abweichen, müssen sowohl die materiellen als auch die formellen Voraussetzungen der Richtlinie 2000/31 erfüllen. Diese Voraussetzungen sind kumulativ(97).

180. Da die formellen Voraussetzungen die Meldepflicht betreffen, werde ich sie zusammen mit der Meldepflicht nach der Richtlinie 2015/1535 im letzten Teil meiner Schlussanträge prüfen und mich hier nur auf die materiellen Voraussetzungen konzentrieren. Bevor ich sie prüfe, möchte ich aber etwas zur Art der abweichenden Maßnahmen anmerken.

1)      Art der abweichenden Maßnahmen

181. In einem anderen Zusammenhang habe ich mich bereits für die Auslegung ausgesprochen, dass generell-abstrakte Vorschriften nicht als „Maßnahmen“ im Sinne von Art. 3 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 qualifiziert werden können. Ich verweise daher auf meine Prüfung in den betreffenden Schlussanträgen(98), in denen ich im Kern die Ansicht vertreten habe, dass die von dieser Bestimmung erfassten Maßnahmen hinreichend gezielt sein müssen. Die Hauptargumente dieser Prüfung hat sich der Gerichtshof im Urteil Google Ireland u. a.(99) zu eigen gemacht, dem zufolge diese Bestimmung dahin auszulegen ist, dass generell-abstrakte Maßnahmen, die sich auf eine allgemein umschriebene Kategorie bestimmter Dienste der Informationsgesellschaft beziehen und unterschiedslos für alle Anbieter dieser Kategorie von Diensten gelten, nicht unter den Begriff „Maßnahmen … betreffen[d] einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne dieser Bestimmung fallen.

182. Im vorliegenden Fall gelten die Maßnahmen, mit denen der nationale Gesetzgeber die in den Ausgangsverfahren fraglichen Verpflichtungen auferlegt, für jeden Anbieter von Onlinediensten, wobei sie nicht einmal auf einen bestimmten Sektor oder auf den Herkunftsmitgliedstaat dieser Dienste abzielen. Folglich fallen diese Maßnahmen nicht unter Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31, und der nationale Gesetzgeber kann mit ihnen nicht von dem in Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie genannten Grundsatz abweichen.

183. Daher erübrigt sich die Prüfung, ob die fraglichen nationalen Maßnahmen die materiellen Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 erfüllen. Gleichwohl werde ich meine Prüfung der Vollständigkeit halber fortsetzen, um den Bedenken des vorlegenden Gerichts und dem Vorbringen der Parteien umfassend Rechnung zu tragen.

184. Zur Erinnerung: Gemäß Art. 3 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 muss die betreffende einschränkende Maßnahme zum Schutz der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Gesundheit, der öffentlichen Sicherheit oder der Verbraucher erforderlich sein, einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft betreffen, der diese Schutzziele tatsächlich beeinträchtigt oder eine ernsthafte und schwerwiegende Gefahr einer Beeinträchtigung dieser Ziele darstellt, und in einem angemessenen Verhältnis zu Letzteren stehen. Ich werde diese Voraussetzungen in dieser Reihenfolge prüfen.

2)      Zielsetzung der fraglichen nationalen Maßnahmen

185. Laut dem vorlegenden Gericht wurden die fraglichen nationalen Maßnahmen mit dem erklärten Ziel erlassen, die Durchführung der Verordnung 2019/1150 zu gewährleisten. Die italienische Regierung ist ebenfalls dieser Ansicht und fügt hinzu, die aus diesen Maßnahmen resultierenden Verpflichtungen sollten der Ermittlung und Regelung von Wettbewerbsverzerrungen dienen(100).

186. Mit der Verordnung 2019/1150 wird, wie erinnerlich, das Ziel verfolgt, durch die Einrichtung eines fairen, vorhersehbaren, tragfähigen und vertrauenswürdigen Online-Geschäftsumfelds im Binnenmarkt zum reibungslosen Funktionieren dieses Marktes beizutragen. Selbst wenn die fraglichen nationalen Maßnahmen der Verwirklichung dieses Ziels dienen sollten, kann ich schwerlich die Gründe für die Annahme erkennen, dass mit ihnen eines der in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/31 genannten Ziele verfolgt werden könnte.

187. In der Tat lassen sich die den Schutz der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Gesundheit und der öffentlichen Sicherheit betreffenden Ziele ohne Weiteres ausschließen. Zu erwägen wäre allenfalls, ob diese nationalen Maßnahmen nicht dem Ziel des Verbraucherschutzes dienen.

188. Der Verbraucherschutz umfasst jedoch nicht den Schutz von Unternehmen, und die Verordnung 2019/1150 regelt nur die Beziehungen zwischen Anbietern von Onlinediensten und gewerblichen Nutzern.

189. Zwar berücksichtigt die Verordnung 2019/1150 bei der Bestimmung ihres Anwendungsbereichs den Standort der Verbraucher, an die sich die gewerblichen Nutzer mit ihren Aktivitäten richten(101). In ihrem dritten Erwägungsgrund wird auch anerkannt, dass ein Zusammenhang zwischen „Transparenz und Vertrauen in die Online-Plattformwirtschaft in den Beziehungen zwischen den Unternehmen“ und der Stärkung des Vertrauens der Verbraucher in die Online-Plattformwirtschaft besteht.

190. Dieser Zusammenhang ist jedoch ausweislich dieses Erwägungsgrundes nur indirekter Art. Was noch wichtiger ist: Die Verordnung 2019/1150 bestätigt, dass „[m]it den direkten Auswirkungen, die die Entwicklung der Online-Plattformwirtschaft auf die Verbraucher hat, … sich hingegen andere Rechtsvorschriften der Union [befassen], vor allem der Besitzstand für Verbraucherschutz“(102).

191. Folglich scheint mit den in den Ausgangsverfahren fraglichen Verpflichtungen keines der in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/31 genannten Ziele verfolgt zu werden.

3)      Maßnahme, die einen bestimmten Dienst betrifft, der eines der in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/31 genannten Ziele tatsächlich beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht

192. Weder das vorlegende Gericht noch die italienische Regierung äußern sich zu der in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a Ziff. ii der Richtlinie 2000/31 vorgesehenen materiellen Voraussetzung.

193. Der Gerichtshof verfügt daher über keine Informationen, auf deren Grundlage er den Normgehalt dieser Bestimmung sinnvoll klären könnte. Jedenfalls darf dann, wenn es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass ein in Rede stehender Dienst tatsächlich eines der Ziele gemäß Art. 3 Abs. 4 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/31 beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht, ein Bestimmungsmitgliedstaat nicht vom Grundsatz des freien Verkehrs von Diensten der Informationsgesellschaft abweichen.

4)      Verhältnismäßigkeit

194. Wie meine Prüfung ergibt, genügen die fraglichen nationalen Maßnahmen nicht den Anforderungen des Art. 3 Abs. 4 Buchst. a Ziff. i und ii der Richtlinie 2000/31. Daher erübrigt es sich, auf die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahmen einzugehen. Ich werde jedoch der Vollständigkeit halber die in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a Ziff. iii dieser Richtlinie vorgesehene Voraussetzung der Verhältnismäßigkeit kurz prüfen.

195. Nach Art. 3 Abs. 4 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 2000/31 muss eine abweichende Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis zu dem in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a Ziff. i genannten jeweiligen Ziel stehen. Eine solche Maßnahme muss außerdem gemäß Art. 3 Abs. 4 Buchst. a Ziff. i für die Erreichung des betreffenden Ziels „erforderlich“ sein.

196. Dementsprechend hat der Gerichtshof klargestellt, dass sich diese beiden Voraussetzungen weitgehend mit denen decken, die für jede Beschränkung der durch die Art. 34 und 56 AEUV garantierten Grundfreiheiten gelten, weshalb bei der Beurteilung der Unionsrechtmäßigkeit der in Rede stehenden innerstaatlichen Regelung die zu diesen Vorschriften des AEU‑Vertrags ergangene Rechtsprechung zu berücksichtigen ist(103).

197. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die von den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist, wobei zu beachten ist, dass dann, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist, und die verursachten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen dürfen.

198. In dieser Hinsicht geht aus der Verordnung 2019/1150 hervor, dass zwischen dem Ziel dieser Verordnung und dem Verbraucherschutz nur ein indirekter Zusammenhang besteht und dass sich „[m]it den direkten Auswirkungen, die die Entwicklung der Online-Plattformwirtschaft auf die Verbraucher hat, … andere Rechtsvorschriften der Union [befassen]“(104). Der Unionsgesetzgeber ist somit selbst der Ansicht, dass die Bestimmungen dieser Verordnung nicht geeignet sind, das Ziel des Verbraucherschutzes zu erreichen. Das muss auch für Maßnahmen zur Durchführung dieser Verordnung gelten.

e)      Vorläufiges Ergebnis

199. Zum Abschluss meiner Prüfung der Richtlinie 2000/31 stelle ich fest, dass die in den Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Maßnahmen keine abweichenden Maßnahmen im Sinne von Art. 3 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 darstellen(105) und jedenfalls nicht die dort vorgesehenen materiellen Voraussetzungen erfüllen. Diese nationalen Maßnahmen dürfen daher nicht auf Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft angewendet werden, die in anderen Mitgliedstaaten als demjenigen niedergelassen sind, der sie ergriffen hat.

200. Es bleibt jedoch noch zu prüfen, ob dieses Ergebnis nicht durch die Richtlinie 2006/123 oder, falls sich die fraglichen Verpflichtungen aus Maßnahmen zur Durchführung der Verordnung 2019/1150 ergeben sollten, durch diese Verordnung in Frage gestellt wird.

2.      Zur Richtlinie 2006/123

201. Das vorlegende Gericht verweist in mehreren seiner Vorlagefragen auf die Richtlinie 2006/123(106).

202. Wie aus den Vorabentscheidungsersuchen hervorgeht, betreffen all diese Fragen Art. 16 dieser Richtlinie. Nach dieser Bestimmung achten die Mitgliedstaaten das Recht der Dienstleistungserbringer, Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen ihrer Niederlassung zu erbringen. Die Richtlinie legt auch fest, unter welchen Voraussetzungen ein Mitgliedstaat von der Dienstleistungsfreiheit abweichen kann. Diese Voraussetzungen unterscheiden sich von denjenigen, die Art. 3 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 2000/31 vorsieht.

203. Meine Prüfung hat ergeben, dass die letztgenannte Bestimmung dem entgegensteht, dass die in den Ausgangsverfahren fraglichen Verpflichtungen einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleister auferlegt werden. Das wirft die Frage auf, ob die Richtlinie 2006/123 am Ergebnis der Anwendung des in Art. 3 der Richtlinie 2000/31 festgelegten Mechanismus etwas ändern kann.

204. Insoweit sieht Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123 vor, dass die Bestimmungen von Rechtsakten, die spezifische Aspekte der Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit in bestimmten Bereichen regeln, Vorrang vor den ihnen widersprechenden Bestimmungen dieser Richtlinie haben. Der in Art. 3 der Richtlinie 2000/31 festgelegte Mechanismus betrifft nur die Dienste der Informationsgesellschaft und ihren freien Verkehr in der Union. Die letztere Bestimmung regelt somit sowohl die Aufnahme als auch die Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit in einem bestimmten Bereich. Sie stellt daher eine lex specialis gegenüber Art. 16 der Richtlinie 2006/123 dar und geht diesem vor(107).

205. Ergänzend könnte man sich zwar – ebenso wie die Parteien – fragen, ob im vorliegenden Fall ein „Widerspruch“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123 vorliegt. Diese Richtlinie kann aber keinesfalls das Ergebnis der Anwendung des in Art. 3 der Richtlinie 2000/31 festgelegten Mechanismus in Frage stellen oder bewirken, dass die aus den fraglichen nationalen Maßnahmen resultierenden Verpflichtungen einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleister auferlegt werden.

206. Falls ein „Widerspruch“ vorliegen sollte, müsste Art. 16 der Richtlinie 2006/123 nämlich hinter Art. 3 der Richtlinie 2000/31 zurücktreten. Falls kein „Widerspruch“ vorliegen und eine parallele Anwendung beider Bestimmungen möglich sein sollte, könnte die Erstere nichts daran ändern, dass die fraglichen nationalen Maßnahmen die materiellen Voraussetzungen der Letzteren nicht erfüllen.

207. Es erübrigt sich daher, die Vorlagefragen zu beantworten, die sich auf die Richtlinie 2006/123 beziehen.

3.      Zu Art. 56 AEUV

208. Wie in Nr. 129 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, betreffen die Vorlagefragen zum freien Dienstleistungsverkehr sowohl die Richtlinien 2000/31 und 2006/123 als auch Art. 56 AEUV.

209. Um die Ausgangsverfahren unter unionsrechtlichen Aspekten entscheiden zu können, wird jedoch eine Auslegung allein dieser Richtlinien ausreichen. Nationale Maßnahmen in einem Bereich, der auf Unionsebene abschließend harmonisiert wurde, sind nämlich nicht im Licht des Primärrechts, sondern im Licht der betreffenden Harmonisierungsregelung zu beurteilen(108). Da diese Richtlinien die primärrechtlichen Grundsätze für das Funktionieren des Binnenmarkts konkretisieren, ist nicht auf das Primärrecht zurückzugreifen. Daher bedarf es für die Entscheidung der Ausgangsverfahren keiner Antwort auf die Fragen zu Art. 56 AEUV.

4.      Zu den Auswirkungen der Verordnung 2019/1150

210. Zu klären bleibt noch, ob Maßnahmen zur Durchführung der Verordnung 2019/1150 im Rahmen des in Art. 3 der Richtlinie 2000/31 festgelegten Mechanismus unterschiedlich zu behandeln sind. Die Prüfung dieser Frage ist aus zwei Gründen von Interesse.

211. Zum einen stellen, wie ich bereits im ersten Teil der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt habe, die nationalen Maßnahmen, um die es in der Rechtssache C‑663/22 und darüber hinaus in der Rechtssache C‑665/22 geht, keine Maßnahmen zur Durchführung der Verordnung dar(109). Für den Fall, dass der Gerichtshof meine Überlegungen in der Rechtssache C‑665/22, die einen in einem Mitgliedstaat ansässigen Dienstleister betrifft, nicht teilen sollte, müsste das vorlegende Gericht jedoch prüfen, ob die Unanwendbarkeit dieser Maßnahmen auf einen solchen Dienstleister nicht dadurch in Frage gestellt wird, dass es sich um Maßnahmen zur Durchführung dieser Verordnung handelt.

212. Zum anderen kann sich die Antwort auf diese Frage für das vorlegende Gericht in anderen in den vorliegenden Schlussanträgen behandelten Rechtssachen als sachdienlich erweisen, soweit sie die Pflicht zur Eintragung in das ROC und zur Zahlung eines finanziellen Beitrags betreffen.

213. Hierzu heißt es in Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2000/31, dass diese das auf die Dienste der Informationsgesellschaft anwendbare Unionsrecht ergänzt und dabei das Schutzniveau insbesondere für die öffentliche Gesundheit und den Verbraucherschutz, wie es sich aus Unionsrechtsakten und einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zu deren Umsetzung ergibt, unberührt lässt, „soweit die Freiheit, Dienste der Informationsgesellschaft anzubieten, dadurch nicht eingeschränkt wird“. Ferner geht aus Art. 1 Abs. 5 der Verordnung 2019/1150 hervor, dass diese unbeschadet der Rechtsvorschriften der Union, insbesondere für den Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs, gilt.

214. Es ist offensichtlich, dass die Richtlinie 2000/31 für den letzteren Bereich gilt. Eine Maßnahme zur Durchführung der Verordnung 2019/1150 hat daher keinen Vorrang vor dem in Art. 3 dieser Richtlinie festgelegten Mechanismus. Daher kann der Umstand, dass nationale Maßnahmen mit dem erklärten Ziel erlassen wurden, die Durchführung der Verordnung 2019/1150 zu gewährleisten, nichts daran ändern, dass sie infolge dieses Mechanismus keine Anwendung finden.

5.      Ergebnis

215. Infolgedessen ist auf die in Nr. 138 der vorliegenden Schlussanträge umformulierten Vorlagefragen in den verbundenen Rechtssachen C‑662/22 und C‑667/22, den verbundenen Rechtssachen C‑664/22 und C‑666/22 sowie der Rechtssache C‑665/22 zu antworten, dass Art. 3 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 2000/31 dahin auszulegen ist, dass er nationalen Maßnahmen generell-abstrakter Art entgegensteht, mit denen ein Mitgliedstaat dem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft a) eine Pflicht zur Eintragung in ein Register, b) eine Pflicht zur Übermittlung wichtiger Informationen über seine Organisation, c) eine Pflicht zur Übermittlung wichtiger Informationen über seine wirtschaftliche Lage und d) eine Pflicht zur Zahlung eines finanziellen Beitrags auferlegt sowie die Verhängung von Sanktionen für den Fall der Nichteinhaltung dieser Verpflichtungen vorsieht. Der Umstand, dass diese nationalen Maßnahmen mit dem erklärten Ziel erlassen wurden, die Durchführung der Verordnung 2019/1150 zu gewährleisten, ändert nichts daran, dass sie für einen solchen Anbieter nicht gelten.

D.      Zu den in den Richtlinien 2000/31 und 2015/1535 vorgesehenen Pflichten zur vorherigen Mitteilung nationaler Maßnahmen

1.      Vorbemerkungen zur Relevanz der Vorlagefragen

216. Mehrere Vorlagefragen in den vorliegenden Rechtssachen, in denen es um in ihrem jeweiligen Herkunftsmitgliedstaat ansässige Dienstleister geht, betreffen die in den Richtlinien 2000/31 und 2015/1535 vorgesehenen Pflichten zur vorherigen Mitteilung(110).

217. Aus pragmatischer Sicht wäre eine Prüfung dieser Fragen überflüssig, wenn der Gerichtshof meine Auffassung zur Auslegung der Richtlinie 2000/31 teilen würde.

218. Die fraglichen nationalen Maßnahmen erlegen nämlich offenbar Anforderungen auf, die im Sinne der Richtlinie 2000/31 in den koordinierten Bereich fallen, und beschränken den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft. Nach dieser Richtlinie können sie daher nicht für Dienstleister gelten, die in anderen Mitgliedstaaten als demjenigen, der diese Maßnahmen erlassen hat, niedergelassen sind.

219. Im Übrigen können die in den Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Maßnahmen wegen ihrer generell-abstrakten Art nicht unter Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 fallen(111). Auf jeden Fall ist diese Erwägung ohne Belang für die in Nr. 217 der vorliegenden Schlussanträge getroffene Feststellung. Ein Mitgliedstaat kann den in Art. 3 dieser Richtlinie vorgesehenen Mechanismus nicht umgehen und durch eine generell-abstrakte Maßnahme Anforderungen auferlegen, die in den koordinierten Bereich fallen.

220. Der Vollständigkeit halber und für den Fall, dass der Gerichtshof meine Auffassung zur Richtlinie 2000/31 nicht teilen sollte, werde ich jedoch im Folgenden die in dieser Richtlinie und in der Richtlinie 2015/1535 vorgesehenen Mitteilungspflichten erörtern.

2.      Darstellung des Problems

221. Hält ein Mitgliedstaat die in den Richtlinien 2000/31 und 2015/1535 vorgesehenen Mitteilungspflichten nicht ein, führt dies dazu, dass die betreffenden Maßnahmen dem Einzelnen nicht entgegengehalten werden können(112).

222. Zwar führt die Nichteinhaltung der in der Richtlinie 2000/31 vorgesehenen Mitteilungspflicht dazu, dass die nationale Maßnahme einem Dienstleister mit einer Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat als dem Herkunftsmitgliedstaat nicht entgegengehalten werden kann, während die Nichteinhaltung der in der Richtlinie 2015/1535 vorgesehenen Mitteilungspflicht dazu führt, dass diese Maßnahme einem Dienstleister mit einer Niederlassung in jedem beliebigen Mitgliedstaat nicht entgegengehalten werden kann. Sämtliche Rechtssachen, in denen das vorlegende Gericht eine Frage zur Mitteilungspflicht stellt (mit Ausnahme der Rechtssache C‑663/22), betreffen jedoch Dienstleister, die in anderen Mitgliedstaaten als Italien niedergelassen sind.

223. Es deutet nichts darauf hin, dass die in den Ausgangsverfahren fraglichen Verpflichtungen gemäß der Richtlinie 2000/31 oder der Richtlinie 2015/1535 mitgeteilt worden wären.

224. Die italienische Regierung macht im Wesentlichen jedoch erstens geltend, die fraglichen nationalen Maßnahmen seien keine nach der Richtlinie 2015/1535 mitteilungspflichtigen technischen Vorschriften. Dem möchte ich hinzufügen, dass dieses Vorbringen im Rahmen der vorliegenden Rechtssachen eine neue Frage nach der Abgrenzung der jeweiligen Reichweite der in den Richtlinien 2000/31 und 2015/1535 vorgesehenen Mitteilungspflichten aufwirft.

225. Zweitens vertritt die italienische Regierung die Ansicht, die fraglichen nationalen Maßnahmen seien deshalb nicht mitteilungspflichtig, weil sie Maßnahmen zur Durchführung der Verordnung 2019/1150 darstellten.

226. Daher sind diese beiden Argumente zu prüfen, die den Umfang der in der Richtlinie 2000/31 wie auch in der Richtlinie 2015/1535 vorgesehenen Mitteilungspflicht bzw. die möglichen Auswirkungen der Verordnung 2019/1150 auf die Existenz dieser Pflicht betreffen.

3.      Mitteilungspflicht nach der Richtlinie 2000/31

227. Gemäß Art. 3 Abs. 4 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 2000/31 muss der betreffende Mitgliedstaat vor Ergreifen der in Rede stehenden beschränkenden Maßnahmen unbeschadet etwaiger Gerichtsverfahren, einschließlich Vorverfahren und Schritten im Rahmen einer strafrechtlichen Ermittlung, die Kommission und den Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der betroffene Diensteanbieter niedergelassen ist, über seine Absicht, solche Maßnahmen zu ergreifen, unterrichtet haben.

228. Der Umfang der in Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 vorgesehenen Mitteilungspflicht wird zum einen durch den Anwendungsbereich dieser Richtlinie sowie durch ihren zentralen Begriff des koordinierten Bereichs und zum anderen durch die Art der Maßnahmen bestimmt, mit denen ein Mitgliedstaat vom Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit für Dienste der Informationsgesellschaft abweichen kann.

229. Der koordinierte Bereich im Sinne der Richtlinie 2000/31 umfasst nämlich Anforderungen allgemeiner Art und solche, die speziell für die Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft oder für derartige Dienste bestimmt sind (Art. 2 Buchst. h). Ein Bestimmungsmitgliedstaat darf, vorbehaltlich der Ausnahmen gemäß Art. 3 Abs. 4 dieser Richtlinie, den freien Verkehr dieser Dienste nicht aus Gründen einschränken, die in den koordinierten Bereich fallen (Art. 3 Abs. 2). Die in Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie vorgesehene Mitteilungspflicht gilt daher nur für Maßnahmen, die in den koordinierten Bereich fallen und den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft beschränken.

230. Im Übrigen wird der Umfang der Mitteilungspflicht durch die Art der Maßnahmen bestimmt, mit denen ein Mitgliedstaat vom Grundsatz des freien Verkehrs von aus einem Mitgliedstaat herrührenden Diensten der Informationsgesellschaft abweichen darf. Aus den vorliegenden Schlussanträgen geht hervor, dass generell-abstrakte Maßnahmen, die sich auf eine allgemein umschriebene Kategorie bestimmter Dienste der Informationsgesellschaft beziehen und unterschiedslos für alle Anbieter dieser Kategorie von Diensten gelten, nicht als „Maßnahmen“ im Sinne von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 qualifiziert werden können(113). Solche Maßnahmen unterliegen daher, wie aus dem Urteil Google Ireland u. a. hervorgeht(114), nicht der in Art. 3 Abs. 4 Buchst. b zweiter Gedankenstrich dieser Richtlinie vorgesehenen Mitteilungspflicht. Die hier fraglichen nationalen Maßnahmen weisen eine solche generell-abstrakte Art auf und gelten offenbar unterschiedslos für alle Anbieter bestimmter Kategorien von Diensten.

231. Folglich brauchte die Italienische Republik die betreffenden nationalen Maßnahmen generell-abstrakter Art nicht nach Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 mitzuteilen. Was aber noch wichtiger ist: Diese Maßnahmen können keinesfalls auf Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft angewandt werden, die in anderen Mitgliedstaaten als demjenigen, der sie erlassen hat, niedergelassen sind(115). Selbst wenn die fraglichen nationalen Maßnahmen zur Durchführung der Verordnung 2019/1150 erlassen worden sein sollten, könnte dies an ihrer Unanwendbarkeit nichts ändern(116).

232. Ich könnte meine Erörterungen hiermit abschließen. Da sich das vorlegende Gericht mit seinen Vorlagefragen aber auch auf die Richtlinie 2015/1535 bezieht, werde ich noch prüfen, ob die fraglichen nationalen Maßnahmen nach dieser Richtlinie hätten mitgeteilt werden müssen. Allerdings lässt die Antwort auf diese Frage die Feststellung unberührt, dass diese nationalen Maßnahmen einem Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft mit einer Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen, der sie erlassen hat, nicht entgegengehalten werden können.

4.      Mitteilungspflicht nach der Richtlinie 2015/1535

233. Die Mitteilungspflicht ist in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2015/1535 geregelt, der im Wesentlichen vorsieht, dass ein Mitgliedstaat der Kommission jeden Entwurf einer technischen Vorschrift unverzüglich übermitteln muss.

234. Der Begriff der technischen Vorschrift steht somit im Mittelpunkt der Richtlinie 2015/1535 und bestimmt den Umfang der durch diese Richtlinie auferlegten Mitteilungspflicht. Die Definition dieses Begriffs findet sich in Art. 1 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie. Nach dieser Definition kann eine nationale Regelung, die einen Dienst der Informationsgesellschaft berührt, nur als „technische Vorschrift“ eingestuft werden, wenn sie nicht nur als „Vorschrift betreffend Dienste“ gemäß der Definition in Art. 1 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2015/1535 zu qualifizieren ist, sondern auch rechtlich oder de facto u. a. für die Erbringung des betreffenden Dienstes oder seine Verwendung in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist(117).

235. Vorschriften betreffend Dienste sind nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2015/1535 allgemein gehaltene Vorschriften über den Zugang zu den Aktivitäten der Dienste der Informationsgesellschaft und deren Betreibung, „insbesondere Bestimmungen über den Erbringer von Diensten, die Dienste und den Empfänger von Diensten, unter Ausschluss von Regelungen, die nicht speziell auf [solche] Dienste abzielen“(118).

236. Die in den Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Maßnahmen zielen ausdrücklich auf Online-Vermittlungsdienste und Online-Suchmaschinen ab. Solche Dienste sind schlechthin Dienste der Informationsgesellschaft(119).

237. Zwar beschränken sich die fraglichen nationalen Maßnahmen darauf, bereits bestehende Verpflichtungen auf diese beiden Kategorien von Dienstleistern auszudehnen. Es braucht aber nicht geklärt zu werden, ob die betreffenden Verpflichtungen bereits vor den durch diese Maßnahmen eingeführten Änderungen für Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft galten. Denn die Definition des Begriffs „Vorschrift betreffend Dienste“ verlangt nicht, dass eine nationale Maßnahme ausschließlich auf Dienste der Informationsgesellschaft abzielt. Es reicht aus, dass die fragliche Maßnahme, wenn auch nur in einigen punktuellen Bestimmungen, ausdrücklich und gezielt einen solchen Dienst erfasst(120). Wie in Nr. 236 der vorliegenden Schlussanträge dargelegt, ist dies hier der Fall.

238. Die fraglichen nationalen Maßnahmen sind also „Vorschriften betreffend Dienste“ im Sinne der Richtlinie 2015/1535. Im Übrigen steht fest, dass sie verbindlich und daher als „technische Vorschriften“ zu betrachten sind. Daher hätten sie nach dieser Richtlinie mitgeteilt werden müssen. Da dies nicht geschehen ist, kann sich ein Einzelner darauf berufen, dass diese Vorschriften ihm nicht entgegengehalten werden können.

239. Schließlich bleibt noch zu klären, ob die fraglichen nationalen Maßnahmen für den Fall, dass sie Maßnahmen zur Durchführung der Verordnung 2019/1150 darstellen sollten, gleichwohl einem Einzelnen entgegengehalten werden könnten.

240. Zwar gilt die Mitteilungspflicht nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2015/1535 nicht für „Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten oder für freiwillige Vereinbarungen, durch die die Mitgliedstaaten … den verbindlichen Rechtsakten der Union, mit denen … Vorschriften betreffend Dienste in Kraft gesetzt werden, nachkommen“.

241. Unter die Ausnahme in Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2015/1535 fallen nationale Vorschriften, bei denen angenommen werden kann, dass sie erlassen wurden, um einem verbindlichen Rechtsakt des Unionsrechts zu genügen(121). Räumt ein Unionsrechtsakt den Mitgliedstaaten jedoch einen großen Handlungsspielraum ein, können die nationalen Durchführungsmaßnahmen nicht als nationale Vorschriften, die einem solchen verbindlichen Rechtsakt nachkommen, qualifiziert werden(122).

242. Die einzige Bestimmung der Verordnung 2019/1150, die genauere Angaben zum Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten enthält, ist Art. 15. Danach muss jeder Mitgliedstaat für eine angemessene und wirksame Durchsetzung dieser Verordnung sorgen und Vorschriften über (wirksame, verhältnismäßige und abschreckende) Maßnahmen bei Verstößen gegen sie erlassen sowie deren Umsetzung sicherstellen. Dagegen enthält keine Bestimmung dieser Verordnung einen Hinweis auf den Handlungsspielraum, der den Mitgliedstaaten bei der Erhebung von für die Durchführung der Verordnung relevanten Informationen zusteht.

243. Es ist daher festzustellen, dass die fraglichen nationalen Maßnahmen nicht unter die Ausnahme in Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2015/1535 fallen. Sie hätten also gemäß dieser Richtlinie mitgeteilt werden müssen. Da dies nicht geschehen ist, kann sich ein Einzelner darauf berufen, dass sie ihm nicht entgegengehalten werden können.

VI.    Ergebnis

244. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium, Italien) wie folgt zu beantworten:

1.      In der Rechtssache C‑663/22:

Die Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten und insbesondere deren Art. 15 und 16

sind dahin auszulegen, dass

sie den Erlass einer nationalen Regelung nicht rechtfertigen, die Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten und Online-Suchmaschinen die Pflicht auferlegt, regelmäßig eine Erklärung mit Informationen über ihre wirtschaftliche Lage vorzulegen, und Sanktionen für den Fall vorsieht, dass diese Pflicht nicht eingehalten wird.

Da eine solche Regelung nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt, steht Letztere ihr nicht entgegen.

2.      In den verbundenen Rechtssachen C‑662/22 und C‑667/22, in den verbundenen Rechtssachen C‑664/22 und C‑666/22 sowie in der Rechtssache C‑665/22:

Art. 3 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“)

ist dahin auszulegen, dass

er nationalen Maßnahmen generell-abstrakter Art entgegensteht, mit denen ein Mitgliedstaat dem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft a) eine Pflicht zur Eintragung in ein Register, b) eine Pflicht zur Übermittlung wichtiger Informationen über seine Organisation, c) eine Pflicht zur Übermittlung wichtiger Informationen über seine wirtschaftliche Lage und d) eine Pflicht zur Zahlung eines finanziellen Beitrags auferlegt sowie die Verhängung von Sanktionen für den Fall der Nichteinhaltung dieser Verpflichtungen vorsieht.

Der Umstand, dass diese nationalen Maßnahmen mit dem erklärten Ziel erlassen wurden, die Durchführung der Verordnung 2019/1150 zu gewährleisten, ändert nichts daran, dass sie für einen solchen Anbieter nicht gelten.


1      Originalsprache: Französisch.


2      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten (ABl. 2019, L 186, S. 57).


3      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) (ABl. 2000, L 178, S. 1).


4      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. 2006, L 376, S. 36).


5      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. 2015, L 241, S. 1).


6      Vgl. 21. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/31, wonach diese „[e]ine künftige gemeinschaftliche Harmonisierung auf dem Gebiet der Dienste der Informationsgesellschaft und künftige Rechtsvorschriften, die auf einzelstaatlicher Ebene in Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht erlassen werden, … unberührt“ lässt.


7      Selbstverständlich verliert der Gerichtshof, insbesondere bei der Auslegung des Vertrags, auch die wirtschaftliche und soziale Realität nicht aus dem Blick (vgl. meine Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen X und Visser [C‑360/15 und C‑31/16, EU:C:2017:397, Nrn. 1 bis 5]). In einem harmonisierten Bereich ist es jedoch schwieriger, diese Realität im Einzelfall zu berücksichtigen, weshalb ein Eingreifen des Unionsgesetzgebers umso dringlicher erscheint.


8      Vgl. zur Veranschaulichung Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates (ABl. 2011, L 335, S. 1, berichtigt in ABl. 2012, L 18, S. 7) und Verordnung (EU) 2021/784 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2021 zur Bekämpfung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte (ABl. 2021, L 172, S. 79).


9      Verordnung (EU) 2022/2065 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG (Gesetz über digitale Dienste) (ABl. 2022, L 277, S. 1).


10      Vgl. Art. 1 Abs. 5 Buchst. a der Richtlinie 2000/31.


11      Vgl. Urteil vom 22. Dezember 2022, Airbnb Ireland und Airbnb Payments UK (C‑83/21, EU:C:2022:1018, Rn. 38).


12      In seiner vor Inkrafttreten der Richtlinie 2015/1535 geltenden Fassung definierte Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 „Dienste der Informationsgesellschaft“ als „Dienste im Sinne von Artikel 1 Nummer 2 der Richtlinie 98/34/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. 1998, L 204, S. 37)] in der Fassung der Richtlinie 98/48/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 (ABl. 1998, L 217, S. 18) (im Folgenden: Richtlinie 98/34)]“. Seit Inkrafttreten der Richtlinie 2015/1535 ist dieser Verweis als solcher auf Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2015/1535 zu verstehen.


13      Provvedimento presidenziale n. 14/21/PRES, recante „Misura e modalità di versamento del contributo dovuto all’[Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni (AGCOM)] per l’anno 2021 dai soggetti che operano nel settore dei servizi di intermediazione online e dei motori di ricerca online“ (Präsidialbeschluss Nr. 14/21/PRES über die „Höhe und Zahlungsweise des Beitrags, den im Bereich der Online-Vermittlungsdienste und Online-Suchmaschinen tätige Personen für das Jahr 2021 an die [Regulierungsbehörde für das Kommunikationswesen (AGCOM)] zu entrichten haben“) vom 5. November 2021 (GURI Nr. 304 vom 23. Dezember 2021) (im Folgenden: Beschluss Nr. 14/2021), von der AGCOM mit Delibera n. 368/21/CONS (Beschluss Nr. 368/21/CONS) genehmigt.


14      Delibera n. 200/21/CONS – Modifiche alla delibera n. 666/08/CONS recante „regolamento per la tenuta del [ROC]“ a seguito dell’entrata in vigore della legge 30 dicembre 2020, n. 178, recante Bilancio di previsione dello Stato per l’anno finanziario 2021 e bilancio pluriennale per il triennio 2021-2023 (Beschluss Nr. 200/21/CONS zur Änderung des Beschlusses Nr. 666/08 nach Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 178/2020) (im Folgenden: Beschluss Nr. 200/2021).


15      Delibera n. 161/21/CONS. Modifiche alla delibera n. 397/13 (Beschluss Nr. 161/21/CONS zur Änderung des Beschlusses Nr. 397/13) (im Folgenden: Beschluss Nr. 161/2021).


16      Supplemento ordinario zur GURI Nr. 322 vom 30. Dezember 2020.


17      Supplemento ordinario zur GURI Nr. 169 vom 25. August 1997.


18      Dieser Teil des rechtlichen Rahmens ist für die verbundenen Rechtssachen C‑662/22 und C‑667/22, die verbundenen Rechtssachen C‑664/22 und C‑666/22 sowie, sofern das Gesetz Nr. 178/2020 betroffen ist, die Rechtssachen C‑663/22 und C‑665/22 relevant.


19      GURI Nr. 25 vom 31. Januar 2009.


20      Vgl. Art. 8 und 9 von Anhang A des Beschlusses Nr. 666/2008.


21      Vgl. Anhang B sowie Art. 10 und 11 von Anhang A des Beschlusses Nr. 666/2008.


22      Zur Relevanz dieses Verbots für die vorliegenden Schlussfolgerungen siehe Fn. 29.


23      Vgl. Anhang A des Beschlusses Nr. 666/2008, insbesondere dessen Art. 8 Abs. 5 und Art. 9 Abs. 7.


24      Supplemento ordinario zur GURI Nr. 211 vom 29. Dezember 2005.


25      Dieser Teil des rechtlichen Rahmens ist für die verbundenen Rechtssachen C‑662/22 und C‑667/22 relevant.


26      Dieser Teil des rechtlichen Rahmens ist für die Rechtssachen C‑663/22 und C‑665/22 relevant.


27      Urteil vom 11. Dezember 2003 (C‑215/01, EU:C:2003:662).


28      Siehe Nr. 58 der vorliegenden Schlussanträge.


29      Das vorlegende Gericht stellt ausweislich seiner jeweils vierten Frage in den verbundenen Rechtssachen C‑664/22 und C‑666/22 fest, dass es den im ROC eingetragenen Gesellschaften untersagt sei, über einen bestimmten Betrag hinaus Gewinne zu erzielen (siehe Nr. 21 der vorliegenden Schlussanträge). Die italienische Regierung widerspricht dieser Feststellung. Die Kommission merkt an, auf dieses Verbot habe sich EGVR im Ausgangsverfahren berufen. Sie weist ebenso wie die italienische Regierung darauf hin, dass das nationale Recht ein solches Verbot nicht mehr vorsehe. Da zum einen das vorlegende Gericht nicht darlegt, warum es dieses Verbot für mit dem Unionsrecht unvereinbar hält, und in den verbundenen Rechtssachen C‑662/22 und C‑667/22 die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs nicht darauf lenkt und zum anderen für eine sachdienliche Antwort auf die Vorlagefragen des vorlegenden Gerichts eine Berücksichtigung des Verbots nicht erforderlich ist, werde ich mich jedenfalls auf den Umstand konzentrieren, dass die Eintragung in das ROC die Übermittlung wichtiger Informationen über die Organisation der betreffenden Dienstleister impliziert.


30      Insoweit halte ich es für irrelevant, dass das vorlegende Gericht im Rahmen der Vorlagefragen in den verbundenen Rechtssachen C‑664/22 und C‑666/22 auf Art. 1 Abs. 516 des Gesetzes Nr. 178/2020 verweist. Diese Bestimmung, deren Wortlaut in den Vorabentscheidungsersuchen nicht einmal wiedergegeben wird, scheint für die Fragen des vorlegenden Gerichts ohne Bedeutung zu sein. Sie lautet: „Die vorstehenden Bestimmungen lassen Art. 27 Abs. 1bis des Verbrauchergesetzbuchs … unberührt.“ Dieser Artikel des Verbrauchergesetzbuchs betrifft die Befugnis, gegen unlautere Geschäftspraktiken vorzugehen.


31      Vgl. in diesem Sinne zur Richtlinie 2000/31 und zu Art. 56 AEUV Urteil vom 27. April 2023, Viagogo (C‑70/22, EU:C:2023:350, Rn. 25 bis 31 und 33). Zur Richtlinie 2006/123 vgl. deren Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Satz 3 des 36. Erwägungsgrundes, wonach „der Begriff des Dienstleistungserbringers nicht den Fall der Zweigniederlassung einer Gesellschaft aus einem Drittstaat in einem Mitgliedstaat erfassen [sollte], denn die Niederlassungsfreiheit und der freie Dienstleistungsverkehr finden gemäß Artikel [56 AEUV] nur auf Gesellschaften Anwendung, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates gegründet wurden und ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung in der [Union] haben“.


32      Nämlich die jeweils erste Vorlagefrage in den verbundenen Rechtssachen C‑662/22 und C‑667/22, die jeweils vierte Vorlagefrage in den verbundenen Rechtssachen C‑664/22 und C‑666/22, die beiden Vorlagefragen in der Rechtssache C‑663/22 sowie die erste und zweite Vorlagefrage in der Rechtssache C‑665/22.


33      Vgl. Formulierung der jeweils ersten, dritten und vierten Vorlagefrage in den verbundenen Rechtssachen C‑662/22 und C‑667/22.


34      Vgl. Formulierung der ersten, der vierten und der fünften Vorlagefrage in der Rechtssache C‑665/22. Demgemäß wurde der Beschluss Nr. 161/2021, um den es in den Rechtssachen C‑663/22 und C‑665/22 geht und mit dem die Pflicht zur Übermittlung der IES auf Anbieter von Onlinediensten erstreckt wurde, zu dem Zweck erlassen, „jedes Jahr einschlägige Informationen zu erheben und Maßnahmen zu ergreifen, um eine angemessene und wirksame Durchsetzung der [Verordnung 2019/1150]“ sowie die „Ausübung der Aufgaben, die der [AGCOM] durch das [Gesetz Nr. 178/2020] zugewiesen wurden“, zu gewährleisten. Siehe Nr. 55 der vorliegenden Schlussanträge.


35      Siehe Nr. 77 der vorliegenden Schlussanträge.


36      Vgl. Art. 1 Abs. 2 und neunter Erwägungsgrund der Verordnung 2019/1150.


37      Vgl. Urteil vom 15. Juni 2021, Facebook Ireland u. a. (C‑645/19, EU:C:2021:483, Rn. 109 und 110).


38      Vgl. Urteil vom 12. April 2018, Kommission/Dänemark (C‑541/16, EU:C:2018:251, Rn. 31 bis 33).


39      Vgl. Urteil vom 22. Januar 2020, Ursa Major Services (C‑814/18, EU:C:2020:27, Rn. 35).


40      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. November 2021, Finanzamt Österreich (Familienleistungen für Entwicklungshelfer) (C‑372/20, EU:C:2021:962, Rn. 48).


41      Vgl. Urteil vom 14. Oktober 1999, Adidas (C‑223/98, EU:C:1999:500, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).


42      Vgl. Urteil vom 12. April 2018, Kommission/Dänemark (C‑541/16, EU:C:2018:251, Rn. 49 und 50). Vgl. in diesem Sinne auch Beschluss vom 16. Januar 2014, Dél-Zempléni Nektár Leader Nonprofit (C‑24/13, EU:C:2014:40, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).


43      Vgl. sechster Erwägungsgrund der Verordnung 2019/1150.


44      Vgl. Art. 1 Abs. 1 sowie Erwägungsgründe 7 und 51 der Verordnung 2019/1150.


45      Vgl. Art. 16 Satz 1 der Verordnung 2019/1150.


46      Vgl. Art. 18 Abs. 1 der Verordnung 2019/1150.


47      Vgl. Art. 16 Satz 2 der Verordnung 2019/1150.


48      Vgl. Art. 16 Satz 4 der Verordnung 2019/1150.


49      Vgl. Art. 16 Satz 3 der Verordnung 2019/1150.


50      Im 46. Erwägungsgrund der Verordnung 2019/1150 heißt es: „Die Mitgliedstaaten sollten verpflichtet werden, für eine angemessene und wirksame Durchsetzung dieser Verordnung zu sorgen. Es bestehen bereits verschiedene Durchsetzungssysteme in den Mitgliedstaaten, und sie sollten nicht verpflichtet werden, neue nationale Durchsetzungsstellen einzurichten. Die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit haben, bereits bestehende Behörden, einschließlich Gerichten, mit der Durchsetzung dieser Verordnung zu betrauen. Die Mitgliedstaaten sollten mit dieser Verordnung nicht verpflichtet werden, eine Durchsetzung von Amts wegen vorzusehen oder Geldbußen festzusetzen.“


51      Vgl. 46. Erwägungsgrund Satz 3 und 4 der Verordnung 2019/1150.


52      Vgl. Art. 14 Abs. 9 der Verordnung 2019/1150.


53      Vgl. Art. 14 Abs. 5 der Verordnung 2019/1150.


54      Vgl. Art. 14 Abs. 1 in Verbindung mit dem 45. Erwägungsgrund der Verordnung 2019/1150.


55      Vgl. 45. Erwägungsgrund Satz 1 und 2 der Verordnung 2019/1150.


56      Art. 14 Abs. 2 der Verordnung 2019/1150 lautet: „Die Kommission ermutigt die Mitgliedstaaten, bewährte Verfahren und Informationen mit anderen Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Registern rechtswidriger Handlungen, die Gegenstand von Unterlassungsverfügungen seitens nationaler Gerichte waren, auszutauschen, sofern solche Register von den einschlägigen öffentlichen Stellen oder Behörden eingerichtet wurden.“


57      Vgl. in diesem Sinne Franck, J.‑U., „Individual Private Rights of Action under the Platform-to-Business Regulation“, European Business Law Review, 2023, Bd. 34, Nr. 4, S. 528.


58      Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass in anderen Rechtssachen, die Gegenstand der vorliegenden Schlussanträge sind, eine ähnliche Argumentation auch zur Pflicht der Anbieter von Onlinediensten vorgebracht wird, sich in ein Register eintragen zu lassen, was bedeutet, dass sie wichtige Informationen über ihre Organisation übermitteln müssen.


59      Vgl. Art. 1 Abs. 5 der Verordnung 2019/1150.


60      Art. 56 AEUV ist Gegenstand der jeweils vierten Vorlagefrage in den verbundenen Rechtssachen C‑662/22 und C‑667/22, der jeweils zweiten Vorlagefrage in den verbundenen Rechtssachen C‑664/22 und C‑666/22 sowie der fünften Vorlagefrage in der Rechtssache C‑665/22.


61      Zwar wird in der jeweils vierten Vorlagefrage in den verbundenen Rechtssachen C‑662/22 und C‑667/22 nur auf Art. 56 AEUV und Art. 16 der Richtlinie 2006/123 verwiesen, nicht aber auf die Richtlinie 2000/31. Letztere ist jedoch Gegenstand einiger Vorlagefragen in diesen Rechtssachen.


62      Dies entspricht der Vorgehensweise des Gerichtshofs im Zusammenhang mit Art. 56 AEUV (vgl. Urteil vom 22. Dezember 2022, Airbnb Ireland und Airbnb Payments UK [C‑83/21, EU:C:2022:1018, Rn. 41]) und Art. 3 der Richtlinie 2000/31 (vgl. Urteil vom 1. Oktober 2020, A [Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln] [C‑649/18, EU:C:2020:764, Rn. 46]).


63      Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts ist dies in den Rechtssachen C‑665/22 und C‑666/22 der Fall.


64      Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts ist dies in den verbundenen Rechtssachen C‑662/22 und C‑667/22 sowie in der Rechtssache C‑664/22 der Fall.


65      Vgl. in Bezug auf Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten z. B. Urteil vom 27. April 2022, Airbnb Ireland (C‑674/20, EU:C:2022:303, Rn. 31), und in Bezug auf die von gewerblichen Betreibern von Suchmaschinen im Internet erbrachten Dienstleistungen Urteil vom 12. September 2019, VG Media (C‑299/17, EU:C:2019:716, Rn. 30).


66      Vgl. Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 2000/31.


67      Vgl. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31.


68      Vgl. Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2000/31.


69      Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache LEA (C‑10/22, EU:C:2023:437, Nr. 49).


70      Dies hat die AGCOM in der Rechtssache C‑664/22 getan. Siehe Nr. 42 der vorliegenden Schlussanträge.


71      Vgl. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31.


72      Vgl. 22. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/31.


73      Vgl. in diesem Sinne auch Crabit, E., „La directive sur le commerce électronique: le projet ‚Méditerranée‘“, Revue du droit de l’Union européenne, 2000, Nr. 4, S. 767.


74      Vgl. 21. Erwägungsgrund Satz 2 der Richtlinie 2000/31.


75      Vgl. Art. 2 Buchst. h Ziff. ii der Richtlinie 2000/31.


76      Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache LEA (C‑10/22, EU:C:2023:437, Nrn. 61, 63 und 64).


77      Überschrift von Art. 3 der Richtlinie 2000/31. Diese Mehrdeutigkeit kommt in deren Rechtsgrundlage, die sowohl auf die Niederlassungsfreiheit als auch auf den freien Dienstleistungsverkehr abstellt, sowie in deren Erwägungsgründen 1, 5 und 6 zum Ausdruck.


78      Vgl. Art. 2 Buchst. h Ziff. i zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 2000/31.


79      Vgl. zuletzt Urteil vom 27. Oktober 2022, Instituto do Cinema e do Audiovisual (C‑411/21, EU:C:2022:836, Rn. 29), betreffend eine Abgabe zur Finanzierung der Förderung und der Verbreitung von Filmen und sonstigen audiovisuellen Werken. Vgl. auch zu den Verpflichtungen hinsichtlich des vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/31 ausgenommenen Steuerbereichs Urteile vom 27. April 2022, Airbnb Ireland (C‑674/20, EU:C:2022:303, Rn. 42), und vom 22. Dezember 2022, Airbnb Ireland und Airbnb Payments UK (C‑83/21, EU:C:2022:1018, Rn. 45).


80      Siehe Nr. 136 der vorliegenden Schlussanträge.


81      Urteil vom 25. Oktober 2011 (C‑509/09 und C‑161/10, EU:C:2011:685, Rn. 66). Vgl. auch Urteil vom 15. März 2012, G (C‑292/10, EU:C:2012:142, Rn. 70).


82      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 2011, eDate Advertising u. a. (C‑509/09 und C‑161/10, EU:C:2011:685, Rn. 66 und 67).


83      Urteil vom 19. Dezember 2019 (C‑390/18, EU:C:2019:1112, Rn. 71).


84      Urteil vom 19. Dezember 2019, Airbnb Ireland (C‑390/18, EU:C:2019:1112, Rn. 81).


85      Urteil vom 19. Dezember 2019, Airbnb Ireland (C‑390/18, EU:C:2019:1112, Rn. 82).


86      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 2011 (C‑509/09 und C‑161/10, EU:C:2011:685, Rn. 66).


87      Urteil vom 1. Oktober 2020 (C‑649/18, EU:C:2020:764, Rn. 61 und 62).


88      Urteil vom 25. Oktober 2011 (C‑509/09 und C‑161/10, EU:C:2011:685).


89      Urteil vom 19. Dezember 2019 (C‑390/18, EU:C:2019:1112, Rn. 71).


90      Urteil vom 1. Oktober 2020 (C‑649/18, EU:C:2020:764).


91      Vgl. Rn. 7 des Vorabentscheidungsersuchens in dieser Rechtssache: „Es ist [un]streitig, dass die Gesellschaft … rechtlich dazu befugt ist, in den Niederlanden, wo sie ordnungsgemäß niedergelassen ist, Arzneimittel an die Öffentlichkeit zu verkaufen.“


92      Vgl. in diesem Sinne auch meine Schlussanträge in der Rechtssache Google Ireland u. a. (C‑376/22, EU:C:2023:467, Nr. 55).


93      Vgl. Urteil vom 9. März 2000, Kommission/Italien (C‑358/98, EU:C:2000:114, Rn. 11).


94      Vgl. Urteil vom 9. März 2000, Kommission/Italien (C‑358/98, EU:C:2000:114, Rn. 13 und 14).


95      Vgl. Urteil vom 11. Dezember 2003, Schnitzer (C‑215/01, EU:C:2003:662, Rn. 36 und 37).


96      Vgl. Urteil vom 25. April 2013, Jyske Bank Gibraltar (C‑212/11, EU:C:2013:270, Rn. 59).


97      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Dezember 2019, Airbnb Ireland (C‑390/18, EU:C:2019:1112, Rn. 83 und 99).


98      Vgl. meine Schlussanträge in den Rechtssachen Airbnb Ireland (C‑390/18, EU:C:2019:336, Nrn. 134 und 135), LEA (C‑10/22, EU:C:2023:437, Nr. 51) und Google Ireland u. a. (C‑376/22, EU:C:2023:467, Nr. 54).


99      Urteil vom 9. November 2023 (C‑376/22, EU:C:2023:835, Rn. 60).


100      Siehe Nr. 120 der vorliegenden Schlussanträge.


101      Vgl. Art. 1 Abs. 2 und neunter Erwägungsgrund der Verordnung 2019/1150.


102      Vgl. dritter Erwägungsgrund der Verordnung 2019/1150.


103      Vgl. Urteil vom 1. Oktober 2020, A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln) (C‑649/18, EU:C:2020:764, Rn. 64).


104      Siehe Nr. 190 der vorliegenden Schlussanträge.


105      Siehe Nrn. 181 und 182 der vorliegenden Schlussanträge.


106      Die Richtlinie 2006/123 ist Gegenstand der jeweils vierten Vorlagefrage in den verbundenen Rechtssachen C‑662/22 und C‑667/22, der jeweils zweiten Vorlagefrage in den verbundenen Rechtssachen C‑664/22 und C‑666/22 sowie der fünften Vorlagefrage in der Rechtssache C‑665/22.


107      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Dezember 2019, Airbnb Ireland (C‑390/18, EU:C:2019:1112, Rn. 40 bis 42). Vgl. auch meine Schlussanträge in der Rechtssache Star Taxi App (C‑62/19, EU:C:2020:692, Nr. 90).


108      Vgl. zur Richtlinie 2000/31 Urteil vom 1. Oktober 2020, A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln) (C‑649/18, EU:C:2020:764, Rn. 34), und zur Richtlinie 2006/123 Urteil vom 16. Juni 2015, Rina Services u. a. (C‑593/13, EU:C:2015:399, Rn. 23 ff.).


109      Siehe Nr. 125 der vorliegenden Schlussanträge.


110      Diese Verpflichtungen sind Gegenstand der jeweils zweiten und fünften Vorlagefrage in den verbundenen Rechtssachen C‑662/22 und C‑667/22, der jeweils dritten Vorlagefrage in den verbundenen Rechtssachen C‑664/22 und C‑666/22 sowie der dritten und der sechsten Vorlagefrage in der Rechtssache C‑665/22.


111      Siehe Nrn. 181 und 182 der vorliegenden Schlussanträge.


112      Vgl. zu den Richtlinien 2000/31 und 2015/1535 Urteile vom 19. Dezember 2019, Airbnb Ireland (C‑390/18, EU:C:2019:1112, Rn. 100), und vom 3. Dezember 2020, Star Taxi App (C‑62/19, EU:C:2020:980, Rn. 57).


113      Siehe Nrn. 181 und 182 der vorliegenden Schlussanträge.


114      Urteil vom 9. November 2023 (C‑376/22, EU:C:2023:835, Rn. 37).


115      Siehe Nr. 219 der vorliegenden Schlussanträge.


116      Siehe Nr. 214 der vorliegenden Schlussanträge.


117      Vgl. Urteil vom 3. Dezember 2020, Star Taxi App (C‑62/19, EU:C:2020:980, Rn. 61).


118      Art. 1 Abs. 1 Buchst. e Unterabs. 2 der Richtlinie 2015/1535 enthält insoweit zwei weitere Klarstellungen. So gilt zum einen eine Vorschrift als speziell auf Dienste der Informationsgesellschaft abzielend, wenn sie nach ihrer Begründung und ihrem Wortlaut insgesamt oder in Form einzelner Bestimmungen ausdrücklich und gezielt auf die Regelung dieser Dienste abstellt. Zum anderen ist eine Vorschrift nicht als speziell auf die Dienste der Informationsgesellschaft abzielend zu betrachten, wenn sie sich lediglich indirekt oder im Sinne eines Nebeneffekts auf diese Dienste auswirkt.


119      Siehe Nr. 134 der vorliegenden Schlussanträge.


120      Insoweit hat der Gerichtshof in dem zur Vorgängerrichtlinie der Richtlinie 2015/1535, nämlich der Richtlinie 98/34, ergangenen Urteil vom 20. Dezember 2017, Falbert u. a. (C‑255/16, EU:C:2017:983, Rn. 35 und 36), entschieden, dass eine nationale Vorschrift, die eine bestehende Vorschrift ausdrücklich und gezielt auf Dienstleistungen der Informationsgesellschaft ausdehnen soll, als „Vorschrift betreffend Dienste“ im Sinne dieser Richtlinie einzustufen ist.


121      Vgl. in diesem Sinne zu Art. 10 Abs. 1 erster Gedankenstrich der Richtlinie 98/34, der eine ähnliche Ausnahme vorsah, Urteil vom 8. September 2005, Kommission/Portugal (C‑500/03, EU:C:2005:515, Rn. 33).


122      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. September 2000, Unilever (C‑443/98, EU:C:2000:496, Rn. 29).