Language of document : ECLI:EU:T:2023:234

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

3. Mai 2023(*)

„Unionsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Unionswortmarke Financery – Ältere Unionswortmarke financify – Relatives Eintragungshindernis – Verwechslungsgefahr – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001“

In der Rechtssache T‑7/22,

FFI Female Financial Invest GmbH mit Sitz in Düsseldorf (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt M. Gramsch,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch T. Klee und E. Nicolás Gómez als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte am Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

MLP Finanzberatung SE mit Sitz in Wiesloch (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt G. Hodapp,

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin M. J. Costeira, des Richters U. Öberg (Berichterstatter) und der Richterin E. Tichy-Fisslberger,

Kanzler: R. Ūkelytė, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 12. Januar 2023

folgendes

Urteil

1        Die Klägerin, die FFI Female Financial Invest GmbH, beantragt mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV die Aufhebung der Entscheidung der Fünften Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 21. Oktober 2021 (Sache R 1820/2020-5) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Am 26. März 2019 meldete die Klägerin beim EUIPO das Wortzeichen Financery als Unionsmarke an.

3        Die Marke wurde für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 35, 36, 41 und 42 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 9: „Anwendungssoftware; Web-Anwendungssoftware; Computersoftware; Computersoftware in Bezug auf Finanzgeschäfte; Computersoftware zur Datenverarbeitung; Computersoftware zur Verwendung als Programmierschnittstelle [API]; Herunterladbare elektronische Publikationen in Form von Magazinen; Elektronische Publikationen [herunterladbar]; Interaktive Datenbanken; Elektronische Datenbanken; Elektronische Magazine“;

–        Klasse 35: „Bereitstellen eines Online-Marktplatzes für Käufer und Verkäufer von Waren und Dienstleistungen; Präsentation von Waren und Dienstleistungen; Karrierenetworking-Dienste; Dienstleistungen in Bezug auf Unternehmens-Networking; Bereitstellen von Online-Vergleichen von Finanzdienstleistungen; Durchführung von statistischen Unternehmensstudien; Marktforschung und Erstellen von Marktanalysen; Geschäftliche Marktanalysen; Geschäftsführung; Sammeln und Systematisieren von Geschäftsdaten; Unternehmensanalyseservice; Werbe- und Marketingberatung; Werbung für Finanzdienstleistungen; Werbung; Online-Werbung; Werbung für Geldanlagen; Vermittlung und Vermietung von Werbeflächen im Internet; Produktion von Videoaufnahmen für Werbezwecke; Marketing; Affiliate-Marketing; Digitales Marketing; Karriereberatungsdienste [ausgenommen Erziehung, Ausbildung und Unterrichtsberatung]; Beratung bei der Karriereplanung; Stellenvermittlung; Computergestützte Datenbankverwaltung“;

–        Klasse 36: „Bereitstellung von finanziellen Informationen über eine Web-Site; Analyse von Kapitalanlagen; Anlagevermittlung; Automatisierte Vermittlung von Wertpapieren; Computergestützte Finanzdatengeschäfte; Computergestützte Wertpapiervermittlung; Vermitteln von Finanzanlagen in Wertpapieren; Vermitteln von Finanzdienstleistungen; Vermittlung von Finanztransaktionen; Vermittlung von Kapitalanlagen; Automatisierte Dokumentation von Finanztransaktionen; Beratung über Kapitalanlagen; Beratung über Kapitalanlagen für die Altersvorsorge; Beratung in Bezug auf Kapitalanlagen; Beratung über die persönliche Finanzplanung; Beratung über Finanzplanung; Dienstleistungen der Beratung im Bereich Kapitalanlagen; Dienstleistungen der Kapitalanlagenvermittlung; Dienstleistungen der Vermittlung von Investmentfonds; Entwicklung von Investmentportfolios als Finanzdienstleistungen; Erteilen von Auskünften über Wertpapiere; Erteilen von Preisauskünften über offene Investmentfonds; Finanzdienstleistungen; Finanzdienstleistungen für Privatpersonen; Finanzdienstleistungen betreffend Kapitalanlagen; Finanzdienstleistungen in Bezug auf Aktien; Finanzdienstleistungen in Bezug auf Spareinlagen; Finanzdienstleistungen in Bezug auf Kapitalanlagen; Finanzdienstleistungen in Bezug auf Wertpapiere; Finanzgeschäfte; Finanzplanung für Privatpersonen; Finanzplanung und Anlageberatung; Unabhängige Beratung in Bezug auf Finanzplanung; Dienstleistungen der Finanzplanung; Finanzplanungsdienste für Privatpersonen; Finanzwesen; Investmentgeschäfte; Kapitalanlageberatung; Kapitalanlageberatungsdienste; Kapitalanlagegeschäfte über elektronische Medien; Verwaltung von Programmen zur persönlichen Vermögensbildung [Finanzdienstleistungen]; Vermögensverwaltungsdienstleistungen für Privatkunden“;

–        Klasse 41: „Elektronische Veröffentlichung von Online-Büchern und -Magazinen; Veröffentlichung von elektronischen Büchern und Magazinen im Internet; Bereitstellen elektronischer Publikationen [nicht herunterladbar]; Online Bereitstellen von elektronischen, nicht herunterladbaren Publikationen; Veröffentlichung von Web-Magazinen; Veröffentlichung von Magazinen; Karriere- und Berufsberatung; Ausbildung im Bereich Finanzwesen; Ausbildung und Weiterbildung; Beratungs- und Informationsdienste zur Vorbereitung, Durchführung und Organisation von Workshops [Ausbildung]; Berufsberatung und ‑coaching [Aus- und Weiterbildungsberatung]; Coaching in Bezug auf Finanzen; Organisation und Durchführung von Vorträgen; Organisation von Kursen und Seminaren; Unterricht im Bereich Finanzwesen; Veranstaltung von Unterrichtskursen im Bereich des Finanzwesens; Veranstaltung und Durchführung von Workshops; Organisation und Veranstaltung von Konferenzen; Weiterbildung im Bereich Finanzwesen; Bildungsberatung; Verfassen und Herausgabe von Texten [ausgenommen Werbetexte]; Herausgabe von Texten und Bildern, auch in elektronischer Form, ausgenommen für Werbezwecke; Bereitstellung von nicht herunterladbaren Online-Videos; Aufzeichnung von Videoaufnahmen; Audio- und Videoproduktion sowie Fotografieren; Produktion von Audio- und Videoaufzeichnungen; Bereitstellung von elektronischen Publikationen; Online-Publikation von elektronischen Büchern und Zeitschriften“;

–        Klasse 42: „Bereitstellung der zeitweiligen Nutzung von nicht herunterladbarer Software zur Analyse von Finanzdaten und Berichtserstellung; Entwicklung und Prüfung von Rechenmethoden, Algorithmen und Software; Digital-Asset-Management; Elektronische Datenspeicherung und ‑sicherung“.

4        Am 25. Juni 2019 erhob die Streithelferin, die MLP Finanzberatung SE, Widerspruch gegen die Eintragung der Anmeldemarke für die oben in Rn. 3 angeführten Waren und Dienstleistungen.

5        Der Widerspruch war auf die ältere Wortmarke financify gestützt, die u. a. folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 35, 36, 38, 41, 42 und 45 erfasst:

–        Klasse 9: „Datenverarbeitungsgeräte und daraus zusammengesetzte Datenverarbeitungsanlagen, nämlich Datei-Eingabegeräte, Dateiausgabe‑, Dateiübertragungs- und Dateispeichergeräte ausschließlich für den Bereich der nicht nach dem Kreditwesengesetz (KWG) regulierten Maklerdienstleistungen; Prozessrechenanlagen; Datenverarbeitungsprogramme auf Datenträgern und in Datenspeichern, nämlich Computersoftware ausschließlich für den Bereich der nicht nach dem Kreditwesengesetz (KWG) regulierten Maklerdienstleistungen“;

–        Klasse 16: „Druckereierzeugnisse, insbesondere Zeitschriften, Testmagazine, Bücher, Broschüren und Verbraucherinformationen; Schreibwaren; Büroartikel, ausgenommen Büromöbel; Lehr- und Unterrichtsmittel, ausgenommen Apparate“;

–        Klasse 35: „Betriebswirtschaftliche Beratungen; Organisatorische und betriebswirtschaftliche Beratung bei der Vorbereitung und Durchführung von Unternehmensbewertungen; Erstellung von betriebswirtschaftlichen Gutachten; Erstellung von Geschäftsgutachten; Erstellung von Gutachten; Erstellung von vergleichenden Statistiken zu Versicherungs- und anderen Finanzdienstleistungsprodukten; Strategieentwicklung in betriebswirtschaftlicher Hinsicht, Prüfung des Informations- und Berichtswesens in betriebswirtschaftlicher Hinsicht; betriebswirtschaftliche Beratung bezüglich des Risikomanagements; Erarbeitung von Businessplänen in betriebswirtschaftlicher Hinsicht; Werbung; Geschäftsführung für Dritte; Unternehmensverwaltung; Durchführung von kommerziellen Untersuchungen, nämlich Marktforschung; Durchführung von Meinungsforschungen und Umfragen; Veröffentlichung von Meinungsforschungen und Umfragen; Auswertung von Meinungsforschungen und Umfragen; Durchführung von wissenschaftlich basierten Warentests und Dienstleistungsuntersuchungen, nicht für wissenschaftliche Zwecke; Auswertung von Warentests und Dienstleistungsuntersuchungen durch mathematische Anwendung von Bewertungs- und Gewichtungsrastern; Auswertung von Warentests und Dienstleistungsuntersuchungen durch statistische Analyse von Datenbeständen zum Zweck der Verbraucherberatung und ‑aufklärung“;

–        Klasse 36: „Versicherungswesen; Finanzwesen nämlich nicht nach dem Kreditwesengesetz (KWG) regulierte Maklerdienstleistungen; Versicherungsberatung; Erteilung von Auskünften in Versicherungsangelegenheiten, Finanzanalyse, Lebensversicherung, Unfallversicherung; nicht nach dem Kreditwesengesetz (KWG) regulierte Beratung in Sachen Sparen, Geldanlagen und Investitionsberatung; finanzielle Beratung beim Immobilienerwerb, Erstellen von Immobilienvermögenskonzepten für Dritte“;

–        Klasse 38: „Bereitstellen von Portalen im Internet; Bereitstellen des Zugriffs auf Informationen im Internet; Bereitstellen des Zugriffs auf Computerprogramme in Datennetzen; Bereitstellung von Online-Foren für die Kommunikation zu allgemein interessierenden Themen; Bereitstellung von Online-Gesprächsforen und elektronischen Mailboxen; Bereitstellung eines Online-Netzdienstes zur Ermöglichung der Übertragung von persönlichen Daten und zum Austausch von persönlichen Identitätsdaten mit und zwischen mehreren Websites; Bereitstellung des Zugriffs auf Computerdatenbanken im Bereich soziale Netze; elektronischer Austausch von Nachrichten mittels Chatlines, Chatrooms, Internetforen und Community-Anwendungen; Bereitstellung des Zugriffs auf Informationen aus durchsuchbaren Verzeichnissen und Datenbanken in Computer- und Kommunikationsnetzen mit Informationen, einschließlich Texten, elektronische[n] Dokumenten, Datenbanken, Grafiken und audiovisuellen Informationen; Telekommunikation mittels Plattformen und Portalen im Internet; Vermietung der Zugriffszeit auf Datenbanken; alle vorgenannten Dienstleistungen ausschließlich für den Bereich der nicht nach dem Kreditwesengesetz (KWG) regulierten Maklerdienstleistungen“;

–        Klasse 41: „Erziehung und Unterricht, Demonstrationsunterricht; Veranstaltung und Leitung von Seminaren, Kolloquien; Veranstaltung und Leitung von Konferenzen, Symposien und Kongressen; Herausgabe von Texten, ausgenommen Werbetexte; Berufsberatung; alle vorgenannten Dienstleistungen ausschließlich für den Bereich der nicht nach dem Kreditwesengesetz (KWG) regulierten Maklerdienstleistungen“;

–        Klasse 42: „Design von Computersoftware im Bereich Finanzdienstleistungen; Dienstleistungen eines EDV-Programmierers im Bereich Finanzdienstleistung; Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung im Bereich Finanzdienstleistung; Installation und Wartung von Computersoftware im Bereich Finanzdienstleistung; Entwicklungs- und Recherchendienste bezüglich neuer Produkte; Konvertieren von Computerprogrammen und Daten, ausgenommen physische Veränderungen; Nachforschungen und Recherchen im Finanzdienstleistungssektor für Wissenschaft und Forschung; Computersoftwareberatung; EDV-Beratung; wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerleistungen; industrielle Analyse und Forschungsdienstleistungen; Durchführung von wissenschaftlich basierten Warentests und Dienstleistungsuntersuchungen (für wissenschaftliche Zwecke); Durchführung von Qualitätsuntersuchungen; Bereitstellen von Plattformen im Internet; alle vorgenannten Dienstleistungen ausschließlich für den Bereich der nicht nach dem Kreditwesengesetz (KWG) regulierten Maklerdienstleistungen“;

–        Klasse 45: „Lizensierung von Software ausschließlich für den Bereich der nicht nach dem Kreditwesengesetz (KWG) regulierten Maklerdienstleistungen; Rechtsberatung und ‑vertretung; Vermittlung von Bekanntschaften und Partnervermittlung“.

6        Die Streithelferin begründete ihren Widerspruch gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) damit, dass eine Verwechslungsgefahr zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen bestehe.

7        Am 12. August 2020 wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch zurück. Sie war im Wesentlichen der Ansicht, dass bei den einander gegenüberstehenden Zeichen, obwohl sie im gemeinsamen Bestandteil „financ“ bildlich, klanglich und begrifflich übereinstimmten, keine Verwechslungsgefahr bestehe, da diesem Bestandteil für die fraglichen Waren und Dienstleistungen eine sehr geringe und für bestimmte Dienstleistungen gar keine Kennzeichnungskraft zukomme, so dass die Unterschiede zwischen den Zeichen stärker hervorträten als die geringfügigen Ähnlichkeiten.

8        Am 10. September 2020 legte die Streithelferin gegen diese Entscheidung der Widerspruchsabteilung beim EUIPO eine Beschwerde ein.

9        Die Beschwerdekammer hob mit der angefochtenen Entscheidung die Entscheidung der Widerspruchsabteilung teilweise auf und gab dem Widerspruch für die von der Anmeldemarke erfassten Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 35, 36, 41 und 42 statt, mit Ausnahme der in Klasse 41 enthaltenen Dienstleistungen „Aufzeichnung von Videoaufnahmen; Audio- und Videoproduktion sowie Fotografieren; Produktion von Audio- und Videoaufzeichnungen“, die den von der älteren Marke erfassten Waren und Dienstleistungen nicht ähnlich seien.

 Anträge der Parteien

10      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

11      Das EUIPO und die Streithelferin beantragen,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

12      Die Klägerin stützt ihre Klage auf einen einzigen Klagegrund, mit dem sie einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 geltend macht, der darin bestehe, dass die fraglichen Waren und Dienstleistungen unterschiedlich seien oder allenfalls einige von ihnen einen geringen Grad der Ähnlichkeit aufwiesen und die bildliche, klangliche und begriffliche Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen allenfalls schwach sei. Angesichts der sehr schwachen Kennzeichnungskraft der älteren Marke habe die Beschwerdekammer daher zu Unrecht eine Verwechslungsgefahr für diejenigen der fraglichen Waren und Dienstleistungen festgestellt, die sie als identisch oder hochgradig ähnlich angesehen habe.

13      Gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 ist die angemeldete Marke auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke von der Eintragung ausgeschlossen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit einer älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt. Dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

14      Eine Verwechslungsgefahr liegt dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Die Verwechslungsgefahr ist umfassend gemäß der Wahrnehmung der fraglichen Zeichen und Waren oder Dienstleistungen durch die maßgeblichen Verkehrskreise und unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls, der Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren und insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu beurteilen (vgl. Urteil vom 9. Juli 2003, Laboratorios RTB/HABM – Giorgio Beverly Hills [GIORGIO BEVERLY HILLS], T‑162/01, EU:T:2003:199, Rn. 30 bis 33 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

15      Für die Anwendung von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 2017/1001 setzt eine Verwechslungsgefahr voraus, dass eine Identität oder Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen und eine Identität oder Ähnlichkeit zwischen den mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen besteht. Es handelt sich hierbei um kumulative Voraussetzungen.

16      Im Licht dieser Erwägungen ist zu beurteilen, ob die Beschwerdekammer zu Recht vorliegend eine Verwechslungsgefahr gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 festgestellt hat.

 Zu den maßgeblichen Verkehrskreisen und zum relevanten Gebiet

17      Die Beschwerdekammer hat festgestellt, dass das relevante Gebiet das der Europäischen Union sei und sich die maßgeblichen Verkehrskreise aus dem breiten Publikum und aus Fachpublikum mit einem durchschnittlichen bis erhöhten Aufmerksamkeitsgrad zusammensetzten.

18      Die Klägerin beanstandet diese Definitionen nicht.

19      Insoweit ist zum einen, wenn sich der Schutz der älteren Marke auf die gesamte Union erstreckt, die Wahrnehmung der einander gegenüberstehenden Zeichen durch den Verbraucher der fraglichen Waren und Dienstleistungen in diesem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Dezember 2006, Mast-Jägermeister/HABM – Licorera Zacapaneca [VENADO mit Rahmen u. a.], T‑81/03, T‑82/03 und T‑103/03, EU:T:2006:397, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zum anderen ist bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der in Rede stehenden Art von Waren abzustellen. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers je nach Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (Urteil vom 22. Juni 1999, Lloyd Schuhfabrik Meyer, C‑342/97, EU:C:1999:323, Rn. 26).

20      Zum einen ist die Feststellung der Beschwerdekammer, dass die maßgeblichen Verkehrskreise aus den Verbrauchern der Waren und Dienstleistungen bestünden, die im Unionsgebiet mit den einander gegenüberstehenden Zeichen gekennzeichnet seien, fehlerfrei, da es sich bei der älteren Marke um eine Unionsmarke handelt.

21      Zum anderen ist zur Zusammensetzung der maßgeblichen Verkehrskreise festzustellen, dass sich die fraglichen Waren und Dienstleistungen sowohl an ein breites Publikum als auch an ein Fachpublikum richten können. Die Beschwerdekammer hat daher fehlerfrei festgestellt, dass sich die maßgeblichen Verkehrskreise sowohl aus dem breiten Publikum als auch aus Fachpublikum zusammensetzen, deren Aufmerksamkeitsgrad von mittel bis hoch variiert.

 Zum Vergleich der fraglichen Waren und Dienstleistungen

22      Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betreffenden Waren oder Dienstleistungen alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis kennzeichnen, in dem diese Waren oder Dienstleistungen zueinander stehen. Dazu gehören insbesondere deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenschaft als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. Es können auch andere Faktoren berücksichtigt werden, wie z. B. die Vertriebswege der betreffenden Waren (vgl. Urteile vom 20. September 2017, The Tea Board/EUIPO, C‑673/15 P bis C‑676/15 P, EU:C:2017:702, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 11. November 2020, EUIPO/John Mills, C‑809/18 P, EU:C:2020:902, Rn. 100 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Vorliegend hat die Beschwerdekammer im Wesentlichen festgestellt, dass alle von der Anmeldemarke erfassten Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 35, 36 und 41 mit den von der älteren Marke erfassten Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 35, 36, 38, 41 und 42 identisch, hochgradig ähnlich oder ähnlich seien. Dagegen war sie der Ansicht, dass die von der Anmeldemarke erfassten Dienstleistungen der Klasse 41 „Aufzeichnung von Videoaufnahmen; Audio- und Videoproduktion sowie Fotografieren; Produktion von Audio- und Videoaufzeichnungen“ den von der älteren Marke erfassten Waren und Dienstleistungen nicht ähnlich seien.

24      Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Beschwerdekammer habe einen Beurteilungsfehler begangen, indem sie die Waren und Dienstleistungen nicht so berücksichtigt habe, wie sie unter den einander gegenüberstehenden Zeichen tatsächlich angeboten und konkret benutzt würden. Aus der Rechtsprechung des Gerichts und insbesondere aus dem Urteil vom 30. Juni 2021, Zoom/EUIPO – Facetec [ZOOM] (T‑204/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:391), gehe nämlich hervor, dass im Bereich von Software die Anerkennung der Ähnlichkeit in allen Fällen, in denen sich konkurrierende Rechte auf Computerprogramme oder Software bezögen, den Umfang des Schutzes, den der Gesetzgeber dem Inhaber einer Marke gewähre, überschreiten würde. Soweit die Bestimmung der fraglichen Waren und Dienstleistungen mit einem gewissen Grad an Genauigkeit konkretisiert sei, trage sie dazu bei, sie über ihre gemeinsame Natur als Software hinaus zu unterscheiden, und müsse daher die Grundlage für die Untersuchung der Ähnlichkeit bilden.

25      Vorliegend habe jedoch die Beschwerdekammer die Beschränkung der älteren Marke auf „Maklerdienste“ der Klassen 9, 36, 38 und 42 nicht berücksichtigt. Des Weiteren sei für die von der älteren Marke erfassten Dienstleistungen der Klasse 36 eine Beratung durch einen persönlichen Kontakt erforderlich, während die von der Anmeldemarke erfassten Dienstleistungen derselben Klasse eine automatisierte Ausführung ohne menschliche Beteiligung voraussetzten. Diese Dienstleistungen würden auch von verschiedenen Unternehmen erbracht.

26      Die fraglichen Waren und Dienstleistungen wiesen daher nur einen geringen Ähnlichkeitsgrad auf oder seien sogar unterschiedlich.

27      Ferner weise die angefochtene Entscheidung einen Begründungsmangel auf, da die Beschwerdekammer nicht alle von der Anmeldemarke erfassten Waren und Dienstleistungen geprüft und ihre Schlussfolgerung hinsichtlich des hohen Ähnlichkeitsgrads oder der Identität dieser Waren und Dienstleistungen nicht ausreichend begründet habe, insbesondere im Hinblick auf diejenigen Dienstleistungen der Klasse 36, die sie nicht geprüft habe.

28      Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

29      Einleitend ist festzustellen, dass die Parteien die Feststellung der Beschwerdekammer nicht beanstanden, wonach die von der Anmeldemarke erfassten Dienstleistungen der Klasse 41 „Aufzeichnung von Videoaufnahmen; Audio- und Videoproduktion sowie Fotografieren; Produktion von Audio- und Videoaufzeichnungen“ den von der älteren Marke erfassten Waren und Dienstleistungen nicht ähnlich seien.

30      Um die Ähnlichkeit der fraglichen Waren und Dienstleistungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 zu beurteilen, ist die von den einander gegenüberstehenden Marken geschützte Gruppe von Waren oder Dienstleistungen und nicht die tatsächlich unter diesen Marken vertriebene Ware oder Dienstleistung zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juni 2010, Kureha/HABM – Sanofi-Aventis [KREMEZIN], T‑487/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2010:237, Rn. 71).

31      Zwar hat das Gericht bereits entschieden, dass Software aus Programmen besteht, die die Funktionsweise einer Maschine, insbesondere von Computern, steuern und es ihr ermöglichen, eine gewünschte Abfolge von Operationen auszuführen. Daraus folgt, dass ein Programm in Bezug auf die Operationen, die es ausführt, und somit in Bezug auf seine Funktion verstanden wird. Der Verbraucher wird sich somit hauptsächlich von der spezifischen Funktion dieser Ware und nicht von ihrer Art leiten lassen (Urteil vom 30. Juni 2021, ZOOM, T‑204/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:391, Rn. 51).

32      Zudem funktioniert in der heutigen hochtechnisierten Gesellschaft fast kein elektronisches oder digitales Gerät mehr ohne den Einsatz von Computern in der einen oder anderen Form, so dass es eine Vielzahl von Software oder Programmen mit völlig unterschiedlichen Funktionen gibt. Die Anerkennung der Ähnlichkeit in allen Fällen, in denen sich konkurrierende Rechte auf Computerprogramme oder Software beziehen, würde den Umfang des Schutzes, den der Gesetzgeber dem Inhaber einer Marke gewährt, eindeutig überschreiten. Eine solche Auffassung würde dazu führen, dass die Eintragung einer Unionsmarke, die Software oder Programme bezeichnet, die spätere Eintragung jedes anderen konkurrierenden Rechts, das diese Art von Software oder Programmen bezeichnet, praktisch ausschließen könnte (vgl. Urteil vom 30. Juni 2021, ZOOM, T‑204/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:391, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      In dieser Rechtssache hat das Gericht zwar festgestellt, dass angesichts der Umstände des Einzelfalls das Kriterium der Funktion und damit der Zweckbestimmung unter den zu berücksichtigenden maßgeblichen Faktoren äußerst wichtig ist, um den Grad der Ähnlichkeit zwischen den fraglichen Programmen und der fraglichen Software, um die es geht, sachgerecht zu beurteilen. Zuvor hat er jedoch ausgeführt, dass jede der Beschreibungen der fraglichen Waren auf besondere und unterschiedliche Zweckbestimmungen verweise (Urteil vom 30. Juni 2021, ZOOM, T‑204/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:391, Rn. 54 und 57).

34      Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist dies hier jedoch nicht der Fall.

35      Denn obwohl die Zweckbestimmung der von der älteren Marke erfassten Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 36, 38, 41, 42 und 45 mit einem gewissen Grad an Genauigkeit spezifiziert ist, nämlich, dass sie ausschließlich auf den Bereich der nicht nach dem Kreditwesengesetz regulierten Maklerdienstleistungen beschränkt sind, ist dies bei den von der Anmeldemarke erfassten Waren und Dienstleistungen nicht der Fall.

36      Die besonderen Verwendungen der von der Anmeldemarke erfassten Waren und Dienstleistungen können daher im Laufe der Zeit und je nach dem Willen des Anmelders variieren, so dass die Prüfung der Ähnlichkeit der fraglichen Waren und Dienstleistungen in Bezug auf diese auf der Grundlage des Wortlauts des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses, wie er in der Anmeldung enthalten ist, erfolgen muss. In Anbetracht ihres weiten Wortlauts und mangels weiterer Klarstellungen in diesem Wortlaut bezüglich ihrer Verwendung können sie jedoch Waren und Dienstleistungen umfassen, die im Bereich der von der älteren Marke erfassten Maklerdienstleistungen erbracht werden. Maklerdienstleistungen sind im Übrigen auch in der Liste der von der Anmeldemarke erfassten Waren der Klasse 36 enthalten.

37      Ebenso geht entgegen dem Vorbringen der Klägerin aus dem Wortlaut der von der älteren Marke erfassten Beratungsdienstleistungen im Versicherungs- und Finanzbereich der Klasse 36 keineswegs hervor, dass diese ausschließlich durch einen persönlichen Kundenkontakt oder von bestimmten Unternehmen erbracht würden, die sich von denjenigen unterscheiden, die die von der Anmeldemarke erfassten Dienstleistungen anbieten können.

38      Daher kann das Vorbringen der Klägerin, das auf die konkrete Verwendung der von den fraglichen Zeichen erfassten Waren und Dienstleistungen gestützt ist, unter den Umständen des vorliegenden Falls keinen Erfolg haben.

39      Gemäß Art. 94 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung 2017/1001 sind die Entscheidungen des EUIPO mit Gründen zu versehen.

40      Vorliegend ergibt sich entgegen dem Vorbringen der Klägerin aus den Rn. 16 bis 34 der angefochtenen Entscheidung, dass die Beschwerdekammer sämtliche fraglichen Waren und Dienstleistungen geprüft und die Gründe dargelegt hat, aus denen sie sie als identisch, hochgradig ähnlich oder ähnlich angesehen hat.

41      Die Beschwerdekammer hat nämlich zwischen den von der Anmeldemarke erfassten Dienstleistungen der Klasse 36, die sie als mit den von der älteren Marke erfassten Dienstleistungen der Klasse 36 identisch ansah, und den „übrigen angemeldeten Finanzdienste[n]“ unterschieden, die sie für hochgradig ähnlich zu den von der älteren Marke erfassten Waren angesehen hat. Der bloße Umstand, dass die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung nicht auf eine bestimmte Ware oder Dienstleistung Bezug genommen hat, reicht nicht aus, um zu belegen, dass sie diese bei ihrer Gesamtprüfung des Widerspruchs nicht berücksichtigt hätte.

42      Aus dem Inhalt der angefochtenen Entscheidung geht auch hervor, dass die Beschwerdekammer deswegen festgestellt hat, dass die fraglichen Waren und Dienstleistungen identisch, hochgradig ähnlich oder ähnlich seien, weil sie sich überschnitten und überlappten, weil ein ergänzendes Verhältnis zwischen ihnen bestehe oder auch weil sie sich an dieselben Verkehrskreise richteten oder von den gleichen Unternehmen angeboten würden. Selbst wenn die Begründung der angefochtenen Entscheidung knapp erscheinen mag, ist sie dennoch klar und eindeutig.

43      Das Vorbringen der Klägerin, dass nicht alle von der Anmeldemarke erfassten Waren und Dienstleistungen geprüft worden seien und die Begründung unzureichend sei, ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

44      Folglich hat die Beschwerdekammer bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der fraglichen Waren und Dienstleistungen keinen Rechtsfehler begangen.

 Zum Vergleich der einander gegenüberstehenden Zeichen

45      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das Bestehen einer Verwechslungsgefahr beim Publikum unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen, zu denen insbesondere der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen sowie der betreffenden gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie das Ausmaß der Bekanntheit und der Grad der der älteren Marke innewohnenden oder von ihr durch Benutzung erworbenen Unterscheidungskraft gehören. Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen in Bild, Klang oder Bedeutung ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Zeichen hervorrufen, wobei insbesondere ihre kennzeichnungskräftigen und dominierenden Bestandteile zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marken auf den Durchschnittsverbraucher dieser Waren oder Dienstleistungen wirken. Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke dabei regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (vgl. Urteil vom 4. März 2020, EUIPO/Equivalenza Manufactory, C‑328/18 P, EU:C:2020:156, Rn. 57 und 58 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

46      Insbesondere hat der Gerichtshof entschieden, dass die Beurteilung der Ähnlichkeit zweier Marken nicht bedeutet, dass nur ein Bestandteil einer Marke zu berücksichtigen und mit einer anderen Marke zu vergleichen wäre, sondern die fraglichen Marken sind jeweils als Ganzes miteinander zu vergleichen (vgl. Urteil vom 8. Mai 2014, Bimbo/HABM, C‑591/12 P, EU:C:2014:305, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47      Unter Umständen können zwar ein oder mehrere Bestandteile einer Marke für den durch die Marke oder den Neologismus im Gedächtnis der maßgeblichen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein, so dass es, wenn alle anderen Markenbestandteile zu vernachlässigen sind, für die Beurteilung der Ähnlichkeit allein auf den dominierenden Bestandteil ankommen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2012, United States Polo Association/HABM, C‑327/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:550, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung). Aus dieser Rechtsprechung zu Ausnahmefällen kann jedoch nicht hergeleitet werden, dass es für die Beurteilung, ob Verwechslungsgefahr besteht, nur auf den kennzeichnungskräftigen Bestandteil einer aus einem beschreibenden Bestandteil und einem kennzeichnungskräftigen Bestandteil zusammengesetzten Marke ankommt (vgl. Beschluss vom 30. Januar 2014, Industrias Alen/The Clorox Company, C‑422/12 P, EU:C:2014:57, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Im Licht dieser Grundsätze ist unter Berücksichtigung des Vorbringens der Parteien zu prüfen, ob die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen in der angefochtenen Entscheidung zutreffend beurteilt worden ist.

49      Vorliegend besteht die Anmeldemarke aus dem Wortbestandteil „financery“ und die ältere Marke aus dem Wortbestandteil „financify“.

 Zu den kennzeichnungskräftigen und dominierenden Bestandteilen der einander gegenüberstehenden Zeichen

50      Aus der angefochtenen Entscheidung geht nicht hervor, dass sich die Beschwerdekammer ausdrücklich dazu geäußert hätte, ob die einander gegenüberstehenden Zeichen dominierende Bestandteile aufweisen. Sie hat jedoch festgestellt, dass der Bestandteil am Wortanfang „financ“, der den Zeichen gemeinsam sei, von der Mehrheit der maßgeblichen Verkehrskreise als Hinweis auf „finance; financial“ verstanden werde, da dieser Begriff in fast allen Unionssprachen sehr ähnlich sei. Er sei daher für die fraglichen Finanzdienste und ‑produkte kennzeichnungsschwach. Was ferner diejenigen der fraglichen Waren und Dienstleistungen angehe, die mit Finanzen nicht unmittelbar zusammenhingen, weise dieser Wortbestandteil keinen unmittelbaren Sinngehalt auf.

51      Die Klägerin beanstandet nicht die Analyse der Beschwerdekammer, wonach der Bestandteil am Wortanfang „financ“, der den Zeichen gemeinsam sei, von den maßgeblichen Verkehrskreisen im Wesentlichen als Hinweis auf die Worte „finance“ oder „financial“ verstanden werde. Sie macht aber im Wesentlichen geltend, dass er für die fraglichen Finanzdienste und ‑produkte nicht kennzeichnungskräftig bzw. kennzeichnungsschwach sei und für die übrigen Waren und Dienstleistungen keine besondere Bedeutung habe.

52      Es ist festzustellen, dass die mehr oder weniger hohe Kennzeichnungskraft der Bestandteile, aus denen die einander gegenüberstehenden Zeichen zusammengesetzt sind, einer der Faktoren ist, die im Rahmen der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit maßgeblich sind. Die beschreibenden, nicht unterscheidungskräftigen oder schwach unterscheidungskräftigen Bestandteile einer Marke haben nämlich im Allgemeinen ein geringeres Gewicht bei der Prüfung der Ähnlichkeit zwischen den Zeichen als die Bestandteile mit einer größeren Unterscheidungskraft, die auch den von dieser Marke hervorgerufenen Gesamteindruck eher dominieren können (vgl. Urteil vom 12. Juni 2019, Hansson, C‑705/17, EU:C:2019:481, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

53      Hierzu ist festzustellen, dass, wie die Beschwerdekammer in Rn. 52 der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt hat, der Wortbestandteil „financ“ der einander gegenüberstehenden Zeichen auf den Begriff „finance“ verweist, der zum Grundwortschatz der englischen Sprache gehört und in fast allen Unionssprachen sehr ähnlich geschrieben wird. Dieser Begriff kann von den maßgeblichen Verkehrskreisen leicht verstanden werden, was die Klägerin im Übrigen nicht bestreitet.

54      In Anbetracht der fraglichen Waren und Dienstleistungen, bei denen es sich u. a. um Software mit einem Bezug zu Finanzgeschäften, um Finanzdienstleistungen für Geldanlagen oder im Bereich der nicht nach dem Kreditwesengesetz regulierten Maklerdienstleistungen handelt, ist das Gericht der Ansicht, dass die maßgeblichen Verkehrskreise den Bestandteil „financ“ der einander gegenüberstehenden Zeichen so wahrnehmen werden, dass er die Art und die Merkmale der fraglichen Waren und Dienstleistungen beschreibt, d. h. dass sie den Bereich der Finanzen betreffen. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdekammer in Rn. 54 der angefochtenen Entscheidung ist dieser Bestandteil daher für die fraglichen Waren und Dienstleistungen beschreibend, die zum Bereich der Finanzen gehören. Er hat hingegen keinen konkreten Bezug zu den fraglichen Waren und Dienstleistungen, die nicht unmittelbar mit dem Finanzwesen in Verbindung stehen, und ist für diese Waren und Dienstleistungen als durchschnittlich kennzeichnungskräftig anzusehen.

55      Zu den Nachsilben „ery“ der Anmeldemarke und „ify“ der älteren Marke stellt das Gericht, wie die Beschwerdekammer im Wesentlichen in Rn. 59 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, fest, dass sie in der englischen Sprache üblich sind, in keinem Zusammenhang mit fraglichen Waren und Dienstleistungen stehen und insoweit keine genaue Bedeutung haben.

56      Im Allgemeinen wird das Publikum einen beschreibenden Bestandteil einer Wortmarke nicht als unterscheidungskräftiges und dominantes Merkmal des Gesamteindrucks dieser Marke ansehen (vgl. Urteil vom 8. Mai 2019, Stirlinx Arkadiusz Kamusiński/EUIPO – Heinrich Bauer Verlag [Brave Paper], T‑37/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:300, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

57      Jedoch ist die individuelle Beurteilung jedes Zeichens, um den sich aus ihm ergebenden Gesamteindruck zu bestimmen, nach Maßgabe der besonderen Umstände des konkreten Falles vorzunehmen und nicht anhand allgemeiner Vermutungen (vgl. Urteil vom 12. Juni 2019, Hansson, C‑705/17, EU:C:2019:481, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58      Es trifft nämlich auch zu, dass der Umstand, dass ein Bestandteil nicht kennzeichnungskräftig oder kennzeichnungsschwach ist, nicht ausschließt, dass er von den maßgeblichen Verkehrskreisen berücksichtigt werden kann. So ist nicht auszuschließen, dass ein solcher Bestandteil u. a. aufgrund seiner Stellung im Zeichen oder seiner Größe in der Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise eine selbständige Stellung innerhalb des von der betreffenden Marke hervorgerufenen Gesamteindrucks einnimmt. Ebenso ist ein Bestandteil einer Marke trotz seiner schwachen Kennzeichnungskraft oder seines beschreibenden Charakters geeignet, insbesondere aufgrund seiner Länge und seiner Stellung die Aufmerksamkeit der maßgeblichen Verkehrskreise auf sich zu ziehen (vgl. Urteil vom 13. Juni 2006, Inex/HABM – Wiseman [Darstellung einer Kuhhaut], T‑153/03, EU:T:2006:157, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59      Zwar sind in jedem Einzelfall die Bestandteile eines Zeichens und ihr jeweiliges Gewicht in der Wahrnehmung der Verkehrskreise zu prüfen, um je nach den besonderen Umständen des Einzelfalls den von den in Rede stehenden Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck, der dem Verbraucher im Gedächtnis bleibt, zu bestimmen. Doch es kann nicht von vornherein und generell davon ausgegangen werden, dass die beschreibenden Bestandteile einander gegenüberstehender Zeichen von der Beurteilung ihrer Ähnlichkeit auszuschließen sind (vgl. Urteil vom 12. Juni 2019, Hansson, C‑705/17, EU:C:2019:481, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

60      Dies ist vorliegend beim gemeinsamen Bestandteil „financ“ der Fall, der sechs der neun Buchstaben darstellt, aus denen sich die einander gegenüberstehenden Zeichen zusammensetzen, und somit in einem nicht zu vernachlässigenden Maß zum Gesamteindruck beiträgt, den diese Zeichen hervorrufen. Die Nachsilben „ery“ und „ify“ sind ihrerseits für die Merkmale der Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, nicht beschreibend, verfügen in den Neologismen „financery“ und „financify“ über eine gewisse Unterscheidungskraft und sind im Gesamteindruck nicht zu vernachlässigen.

61      Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen ist zu prüfen, ob der Beschwerdekammer beim Vergleich der gegenüberstehenden Zeichen in Bild, Klang und Bedeutung Beurteilungsfehler unterlaufen sind.

 Zum bildlichen, klanglichen und begrifflichen Vergleich

–       Zur bildlichen Ähnlichkeit

62      Die Beschwerdekammer hat zunächst festgestellt, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen aus neun Buchstaben bestünden, wobei die ersten sechs Buchstaben und das abschließende „y“ identisch seien. Sodann hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass die einzigen Unterschiede darin bestünden, dass in der Anmeldemarke die Buchstabengruppen „er“ und in der älteren Marke die Buchstabengruppe „if“ enthalten sei, so dass insgesamt eine durchschnittliche bildliche Ähnlichkeit zwischen diesen Zeichen bestehe.

63      Die Klägerin macht geltend, die Beschwerdekammer habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass der gemeinsame Zeichenanfang „financ“ sehr kennzeichnungsschwach bzw. nicht kennzeichnungskräftig sei, so dass ihm im Rahmen des Vergleichs dieser Zeichen eine untergeordnete Bedeutung zukomme und diese daher allenfalls einen geringen Grad an bildlicher Ähnlichkeit aufwiesen.

64      Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

65      Das Gericht stellt fest, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen jeweils aus neun Buchstaben bestehen. Die Zeichen stimmen im Bestandteil „financ“, der aus den ersten sechs Buchstaben „f“, „i“, „n“, „a“, „n“ und „c“ besteht, sowie dem neunten und letzten Buchstaben, nämlich „y“, überein, und sie unterscheiden sich in den Buchstaben „e“ und „r“ in der Anmeldemarke sowie „i“ und „f“ in der älteren Marke.

66      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass allein aus der Existenz der gemeinsamen Buchstaben nicht auf die schriftbildliche Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen geschlossen werden kann (vgl. Urteil vom 20. September 2018, Kwizda Holding/EUIPO – Dermapharm [UROAKUT], T‑266/17, EU:T:2018:569, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

67      Vorliegend können zwei unterschiedliche Buchstaben in den einander gegenüberstehenden Zeichen zwar bis zu einem gewissem Grad dazu führen, dass die maßgeblichen Verkehrskreise die einander gegenüberstehenden Zeichen unterscheiden, doch vermögen diese Bestandteile nicht die Ähnlichkeiten auszugleichen, die sich aus der Kombination der ersten sechs Buchstaben, die in derselben Reihenfolge angeordnet sind, und dem letzten Buchstaben sowie der identischen Länge dieser Zeichen ergeben.

68      Wie oben aus Rn. 54 hervorgeht, ist der gemeinsame Anfangsbestandteil „financ“ der Zeichen für Waren und Dienstleistungen im Finanzbereich beschreibend und für die anderen durchschnittlich kennzeichnend, so dass er bei der Prüfung der Ähnlichkeit dieser Zeichen zwar weniger Gewicht haben mag, angesichts seiner Größe und seiner Stellung in den Zeichen jedoch nicht als vernachlässigbar angesehen werden kann.

69      Somit hat die Beschwerdekammer aufgrund dessen, dass die Zeichen zum einen im Bestandteil „financ“ sowie im Endbuchstaben „y“ übereinstimmen und zum anderen sich dadurch unterscheiden, dass die Anmeldemarke die Buchstabengruppe „er“ und die ältere Marke die Buchstabengruppe „if“ enthält, fehlerfrei die durchschnittliche bildliche Ähnlichkeit dieser Zeichen festgestellt.

–       Zur klanglichen Ähnlichkeit

70      Die Beschwerdekammer hat im Wesentlichen ausgeführt, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen aus vier Silben bestünden, von denen die ersten beiden identisch ausgesprochen würden und die letzten beiden je nach Sprachregion teils mehr, teils weniger ähnlich seien. Sie folgerte daraus, dass die Zeichen insgesamt eine durchschnittliche klangliche Ähnlichkeit aufwiesen.

71      Nach Ansicht der Klägerin hat die Beschwerdekammer weder nachgewiesen, dass die Aussprache der Nachsilben „ery“ in der Anmeldemarke und „ify“ in der älteren Marke in den verschiedenen Sprachen der maßgeblichen Verkehrskreise ähnlich sei, noch, dass die Betonung auf dem gemeinsamen Anfangsbestandteil „financ“ liege. Die Verkehrskreise neigten vielmehr angesichts ihres hohen Aufmerksamkeitsgrads und der weiten Verbreitung der englischen Sprache dazu, die nicht beschreibenden Endteile der einander gegenüberstehenden Zeichen richtig auszusprechen. Diese wiesen daher allenfalls einen sehr geringen Grad an klanglicher Ähnlichkeit auf.

72      Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

73      Die ersten beiden Silben „fi“ und „nan“ der Anmeldemarke werden genauso wie die Silben „fi“ und „nan“ der älteren Marke ausgesprochen, während die dritten Silben „ce“ der Anmeldemarke und „ci“ der älteren Marke ähnlich ausgesprochen werden. Demgegenüber werden die Silben „ry“ der Anmeldemarke und „fy“ der älteren Marke unterschiedlich ausgesprochen.

74      Insbesondere in Anbetracht des Unterschieds zwischen den Zeichen, der durch die Nachsilben „ery“ und „ify“ verursacht wird, deren Kennzeichnungskraft durchschnittlich ist, während der Bestandteil „financ“ für Waren und Dienstleistungen im Finanzbereich beschreibend ist und für andere eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft hat, hat die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt, dass der Grad der klanglichen Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen durchschnittlich ist.

–       Zur begrifflichen Ähnlichkeit

75      Die Beschwerdekammer hat im Wesentlichen festgestellt, dass ein Großteil der maßgeblichen Verkehrskreise die Wörter „financery“ und „financify“ der einander gegenüberstehenden Zeichen mit den Wörtern „finance“ und „financial“ des englischen Wortschatzes in Verbindung bringen und verstehen werde, dass es sich um erfundene englische Fantasiebegriffe handelt. Auch wenn der gemeinsame Bestandteil „financ“ zumindest in Bezug Finanzdienste und ‑produkte nur kennzeichnungsschwach sei, könne er nicht ignoriert werden, so dass sich die Zeichen begrifflich zu einem mittleren Grad ähnlich seien.

76      Die Klägerin bringt vor, dass die Beschwerdekammer ihre Beurteilung der Ähnlichkeit nur auf den Anfangsbestandteil der Zeichen gestützt habe, um eine durchschnittliche Ähnlichkeit festzustellen. Dieser sei jedoch kennzeichnungsschwach bzw. sogar beschreibend. Zudem würden die maßgeblichen Verkehrskreise gemäß dem englischsprachigen Sprachgebrauch die Nachsilbe „ery“ der Anmeldemarke als Anspielung auf einen Ort verstehen, was bei der älteren Marke nicht der Fall sei. Die Zeichen wiesen daher allenfalls einen geringen Grad an begrifflicher Ähnlichkeit auf.

77      Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

78      Die einander gegenüberstehenden Zeichen weisen einen gemeinsamen Bezug zu Finanzen auf, der sich aus dem gemeinsamen Bestandteil „financ“ ergibt, der, wie oben aus Rn. 54 hervorgeht, für Waren und Dienstleistungen im Finanzbereich beschreibend und für andere durchschnittlich kennzeichnungskräftig ist. Die maßgeblichen Verkehrskreise, deren Aufmerksamkeitsgrad von durchschnittlich bis hoch reicht, werden ihm zumindest für die genannten Waren und Dienstleistungen, die eine Berührung mit Finanzen aufweisen, nur ein geringeres Gewicht beimessen.

79      Was den Bestandteil „ery“ der Anmeldemarke und „ify“ der älteren Marke betrifft, so werden sie von den maßgeblichen Verkehrskreisen als Nachsilben wahrgenommen werden, die im Englischen gemeinhin verwendet werden und den Neologismen „financery“ sowie „financify“ der einander gegenüberstehenden Zeichen eine leicht unterschiedliche begriffliche Bedeutung verleihen können, deren gemeinsame Begrifflichkeit jedoch darin besteht, auf Gewinne oder finanziellen Erfolg hinzuweisen.

80      In ihrer Gesamtheit können die Wörter „financify“ und „financery“ daher als Neologismen aus dem englischen Sprachraum aufgefasst werden, die beide auf den Finanzbereich verweisen, so dass zumindest ein geringer Grad an begrifflicher Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen besteht.

 Zur Verwechslungsgefahr

81      Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (Urteil vom 29. September 1998, Canon, C‑39/97, EU:C:1998:442, Rn. 17).

82      Außerdem hängt, wie aus dem elften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 2017/1001 hervorgeht, das Vorliegen von Verwechslungsgefahr von einer Vielzahl von Umständen ab, insbesondere vom Bekanntheitsgrad der Marke auf dem betreffenden Markt.

83      Zu diesen Faktoren zählt auch die Unterscheidungskraft der älteren Marke, die deren Schutzumfang bestimmt. Der Gerichtshof hat nämlich bereits ausgeführt, dass die Verwechslungsgefahr umso größer ist, je größer die Unterscheidungskraft dieser Marke ist. Ebenso schließt der Umstand, dass eine Marke eine schwache Unterscheidungskraft aufweist, eine Verwechslungsgefahr nicht aus, insbesondere wenn zwischen den Zeichen und den erfassten Waren oder Dienstleistungen Ähnlichkeit besteht (Urteile vom 29. September 1998, Canon, C‑39/97, EU:C:1998:442, Rn. 18, und vom 12. Juni 2019, Hansson, C‑705/17, EU:C:2019:481, Rn. 42 und 44).

84      Nach der oben in Rn. 45 dargelegten Rechtsprechung ist bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Ähnlichkeit der fraglichen Zeichen in Bild, Klang oder Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Zeichen hervorrufen. Eine solche umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr beinhaltet, alle festgestellten Ähnlichkeits- und Unterschiedlichkeitselemente in gleicher Weise wie alle anderen relevanten Gesichtspunkte, wie etwa den Aufmerksamkeitsgrad der maßgeblichen Verkehrskreise oder den Grad der Unterscheidungskraft der älteren Marke, zu berücksichtigen.

85      Vorliegend hat die Beschwerdekammer festgestellt, dass trotz der geringen Kennzeichnungskraft des gemeinsamen Bestandteils „financ“ der einander gegenüberstehenden Zeichen eine Verwechslungsgefahr für die fraglichen Waren und Dienstleistungen bestehe. Sie stützte diese Schlussfolgerung auf die durchschnittliche bildliche, klangliche und begriffliche Ähnlichkeit der Zeichen sowie darauf, dass die fraglichen Waren und Dienstleistungen identisch, ähnlich oder hochgradig ähnlich seien.

86      Die Klägerin macht geltend, dass die bildliche, klangliche und begriffliche Ähnlichkeit der Zeichen ausschließlich auf dem Anfangsbestandteil beruhe, dem keine Kennzeichnungskraft zukomme. Die Zeichen seien jedoch in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht nicht ähnlich, da die unterschiedlichen Bestandteile „ery“ und „ify“ der Zeichen kennzeichnungskräftig seien. Die fraglichen Waren und Dienstleistungen seien zudem zumindest teilweise völlig unterschiedlich und im Übrigen allenfalls geringfügig ähnlich. Zwischen diesen Zeichen bestehe daher keine Verwechslungsgefahr.

87      Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

88      Zunächst ist das Gericht, wie aus der oben vorgenommenen Analyse hervorgeht, der Ansicht, dass der Anfangsbestandteil des Wortelements der einander gegenüberstehenden Zeichen, obwohl er beschreibend oder durchschnittlich kennzeichnungskräftig ist, vorliegend dazu beiträgt, die Zeichen in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht einander anzunähern. Die fraglichen Waren und Dienstleistungen sind im Übrigen identisch, ähnlich oder sogar hochgradig ähnlich. Außerdem ist unstreitig, dass die maßgeblichen Verkehrskreise einen durchschnittlichen bis erhöhten Aufmerksamkeitsgrad an den Tag legen.

89      Sodann ist zur Unterscheidungskraft der älteren Marke festzustellen, dass sie nur aus dem Wortbestandteil „financify“ besteht, der von den maßgeblichen Verkehrskreisen unmittelbar als Ausdruck verstanden wird, der sich auf den Finanzbereich bezieht, so dass er für die fraglichen Waren und Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit dem Finanzwesen stehen, eine schwache originäre Unterscheidungskraft besitzt. Die ältere Marke hat hingegen für Waren und Dienstleistungen, die nicht unmittelbar das Finanzwesen betreffen, keine besondere Bedeutung, so dass sie in Bezug auf diese Waren und Dienstleistungen eine durchschnittliche originäre Kennzeichnungskraft besitzt.

90      Des Weiteren wurde die ältere Marke nach einer Prüfung der absoluten Schutzhindernisse eingetragen, so dass für das vorliegende Verfahren davon auszugehen ist, dass sie – einschließlich für Finanzdienste und ‑produkte – ein Mindestmaß an originärer Unterscheidungskraft besitzt (Urteil vom 24. Mai 2012, Formula One Licensing/HABM, C‑196/11 P, EU:C:2012:314, Rn. 47)

91      Schließlich hat die Klägerin vorgetragen, die Ausführungen der Beschwerdekammer zum Aufmerksamkeitsgrad der maßgeblichen Verkehrskreise im Rahmen der Beurteilung der Verwechslungsgefahr für die fraglichen Waren und Dienstleistungen seien fehlerhaft. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Tatsache, dass die in Rede stehenden Verkehrskreise möglicherweise der Frage mehr Beachtung beimessen, um welchen Hersteller oder Anbieter es sich im Fall der Waren oder Dienstleistungen, die sie erwerben möchten, genau handelt, nicht bedeutet, dass sie die Marke, der sie gegenüberstehen, bis ins letzte Detail untersuchen oder minutiös mit einer anderen Marke vergleichen. Denn selbst für ein Publikum, das einen hohen Aufmerksamkeitsgrad an den Tag legt, trifft es zu, dass sich den Angehörigen des maßgeblichen Publikums nur selten die Möglichkeit bietet, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, und sie sich vielmehr auf das unvollkommene Bild verlassen müssen, das sie im Gedächtnis behalten haben (vgl. Urteile vom 21. November 2013, Equinix [Germany]/HABM – Acotel [ancotel.], T‑443/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:605, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 13. März 2018, Kiosked/EUIPO – VRT [K], T‑824/16, EU:T:2018:133, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).

92      In der vorliegenden Rechtssache hat die Beschwerdekammer jedoch unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen bis erhöhten Aufmerksamkeitsgrads der maßgeblichen Verkehrskreise und unter Berücksichtigung aller anderen Faktoren, die für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr und ihrer Wechselbeziehung maßgeblich sind, das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr festgestellt.

93      Das Gericht stellt fest, dass die Beschwerdekammer in Anbetracht der Identität oder der Ähnlichkeit der fraglichen Waren und Dienstleistungen sowie des durchschnittlichen Grades der bildlichen und klanglichen Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen und ihrer zumindest geringen begrifflichen Ähnlichkeit fehlerfrei zu dieser Schlussfolgerung gelangt ist.

94      Nach alledem ist die Beschwerdekammer fehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Verwechslungsgefahr nicht auf der Grundlage des Gesamteindrucks der einander gegenüberstehenden Zeichen ausgeschlossen werden konnte.

95      Folglich ist die Klage abzuweisen, ohne dass die Frage der Zulässigkeit der Anlagen A.13 und A.14 der Klageschrift, die das EUIPO im mündlichen Verfahren aufgeworfen hat, entschieden werden muss.

 Kosten

96      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

97      Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des EUIPO und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die FFI Female Financial Invest GmbH trägt die Kosten.

Costeira

Öberg

Tichy-Fisslberger

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 3. Mai 2023.

Der geschäftsführende Kanzler

 

Der Präsident

T. Henze

 

S. Papasavvas


*      Verfahrenssprache: Deutsch.