Language of document : ECLI:EU:T:2013:339

URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

3. Juli 2013(*)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung einer Gemeinschaftsbildmarke LIBERTE brunes – Ältere Gemeinschaftswort- und ‑bildmarke La LIBERTAD – Relatives Eintragungshindernis – Verwechslungsgefahr – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑78/12

GRE Grand River Enterprises Deutschland GmbH mit Sitz in Kloster Lehnin (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen I. Memmler und S. Schulz,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch G. Schneider und D. Walicka als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Verfahrensbeteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM und Streithelferin vor dem Gericht:

Villiger Söhne GmbH mit Sitz in Waldshut‑Tiengen (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen B. Pikolin und H. McKenzie,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des HABM vom 1. Dezember 2011 (Sache R 2109/2010‑1) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der Villiger Söhne GmbH und der GRE Grand River Enterprises Deutschland GmbH

erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten O. Czúcz, der Richterin I. Labucka (Berichterstatterin) und des Richters D. Gratsias,

Kanzler: C. Heeren, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 17. Februar 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 13. Juni 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des HABM,

aufgrund der am 5. Juni 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

auf die mündliche Verhandlung vom 9. April 2013

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 13. November 2007 meldete die Klägerin, die GRE Grand River Enterprises Deutschland GmbH, nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Dabei handelte es sich um folgendes Bildzeichen:

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3        Für die Anmeldung wurden u. a. folgende Waren in Klasse 34 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in geänderter und revidierter Fassung beansprucht: „Rohtabak, verarbeiteter Tabak und Tabakprodukte, soweit in Klasse 34 enthalten, insbesondere Zigarren, Zigaretten, Zigarillos, Feinschnitttabak, Pfeifentabak, Kautabak, Schnupftabak, Tabakersatzstoffe (nicht für medizinische Zwecke); Raucherartikel, insbesondere Tabakdosen, Zigarettenetuis, Zigarettenspitzen, Aschenbecher (sämtliche vorgenannten Waren nicht aus Edelmetall oder damit plattiert), Zigarettenpapier, Zigarettenhülsen, Zigarettenfilter, Tabakpfeifen, Taschenapparate zum Selbstdrehen von Zigaretten, Feuerzeuge, soweit in Klasse 34 enthalten; Streichhölzer“.

4        Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 15/2008 vom 14. April 2008 veröffentlicht.

5        Am 11. Juli 2008 erhob die Streithelferin, die Villiger Söhne GmbH, gemäß Art. 42 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009) Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für die oben in Randnr. 3 genannten Waren.

6        Der Widerspruch wurde auf die am 9. April 2001 eingetragene Gemeinschaftswortmarke La LIBERTAD (Nr. 1456664) sowie die am 9. Juli 2003 eingetragene und nachstehend wiedergegebene Gemeinschaftsbildmarke Nr. 2433126 gestützt, die folgende Waren der Klassen 14 und 34 umfassen:

–        Klasse 14: „Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit in Klasse 14 enthalten, insbesondere Aschenbecher, Zigarren- und Zigarettenetuis, Zigarren- und Zigarettenspitzen“;

–        Klasse 34: „Tabakwaren; Zigarettenpapier, Zigarettenhülsen mit und ohne Filter, Zigarettenfilter; Raucherartikel, nämlich Aschenbecher (nicht aus Edelmetallen, deren Legierungen oder damit plattiert), Feuerzeuge, Zigarettendreh- und stopfmaschinen; Streichhölzer“.

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7        Als Widerspruchsgrund wurde das Eintragungshindernis gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 geltend gemacht.

8        Die Klägerin verlangte von der Streithelferin den Nachweis der Benutzung der älteren Marken, auf die der Widerspruch gestützt wurde. Die Streithelferin reichte als Nachweis der Benutzung der älteren Marken verschiedene Unterlagen ein.

9        Mit Entscheidung vom 30. August 2010 gab die Widerspruchsabteilung des HABM dem Widerspruch insgesamt statt.

10      Am 27. Oktober 2010 legte die Klägerin nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 beim HABM Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung ein.

11      Mit Entscheidung vom 1. Dezember 2011 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Erste Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück. Aus verfahrensökonomischen Gründen prüfte sie den Widerspruch, soweit er auf die ältere Gemeinschaftsbildmarke gestützt war, für die, da sie zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Anmeldemarke noch keine fünf Jahre eingetragen war, keine Anforderungen im Hinblick auf die Benutzung galten. Die Beschwerdekammer vertrat im Ergebnis die Ansicht, es bestehe Verwechslungsgefahr zwischen den einander gegenüberstehenden Marken. Im Einzelnen nahm sie an, dass die von den fraglichen Marken erfassten Waren identisch seien. In Bezug auf die einander gegenüberstehenden Zeichen vertrat sie die Ansicht, dass die Wortbestandteile „LIBERTE“ und „LIBERTAD“ die unterscheidungskräftigsten und am stärksten dominierenden Bestandteile darstellten. Die Zeichen wiesen daher ihrer Ansicht nach eine durchschnittliche Ähnlichkeit auf bildlicher Ebene und eine hohe Ähnlichkeit auf klanglicher Ebene auf. Es bestehe auch eine begriffliche Identität der Zeichen für diejenigen Verbraucher, die deren Aussagegehalt verstünden. Angesichts der Methode des Vertriebs der von den Marken erfassten Waren sei sowohl die visuelle als auch die phonetische Ähnlichkeit der Zeichen für die Bejahung einer Verwechslungsgefahr entscheidend.

 Anträge der Verfahrensbeteiligten

12      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

13      Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

14      Die Streithelferin beantragt,

–        die Klage abzuweisen und die angefochtene Entscheidung zu bestätigen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

15      Die Klägerin stützt ihre Klage auf einen einzigen Klagegrund, mit dem sie einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 geltend macht.

16      Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, dass keine Verwechslungsgefahr zwischen den einander gegenüberstehenden Marken bestehe. Sie beanstandet insbesondere die Beurteilung der Beschwerdekammer in Bezug auf die Ähnlichkeit der Zeichen sowie die Kennzeichnungskraft der älteren Marke.

17      Das HABM und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

18      Nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 ist die angemeldete Marke auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke von der Eintragung ausgeschlossen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit einer älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt. Dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

19      Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Verwechslungsgefahr dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Nach dieser Rechtsprechung ist das Vorliegen von Verwechslungsgefahr umfassend, gemäß der Wahrnehmung der Zeichen und der betroffenen Waren oder Dienstleistungen durch die maßgeblichen Verkehrskreise und unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Wechselbeziehung zwischen der Ähnlichkeit der Zeichen und der der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen, zu beurteilen (vgl. Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Laboratorios RTB/HABM – Giorgio Beverly Hills [GIORGIO BEVERLY HILLS], T‑162/01, Slg. 2003, II‑2821, Randnrn. 30 bis 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20      Für die Anwendung von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 setzt eine Verwechslungsgefahr voraus, dass Identität oder Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Marken und zugleich Identität oder Ähnlichkeit zwischen den mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen besteht. Es handelt sich hierbei um kumulative Voraussetzungen (vgl. Urteil des Gerichts vom 22. Januar 2009, Commercy/HABM – easyGroup IP Licensing [easyHotel], T‑316/07, Slg. 2009, II‑43, Randnr. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

21      Nach der Rechtsprechung ist bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr auf einen normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der in Frage stehenden Art von Waren abzustellen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers je nach Art der fraglichen Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (vgl. Urteil des Gerichts vom 13. Februar 2007, Mundipharma/HABM – Altana Pharma [RESPICUR], T‑256/04, Slg. 2007, II‑449, Randnr. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Die vorliegende Klage ist im Licht dieser Grundsätze zu prüfen.

23      Was die maßgeblichen Verkehrskreise angeht, bestehen diese, wie die Beschwerdekammer in den Randnrn. 19 und 20 der angefochtenen Entscheidung feststellte, aus den Verbrauchern von Tabak, Tabakprodukten sowie darauf bezogenen Waren der Klasse 34 der Europäischen Union. Wie die Beschwerdekammer zutreffend ausführte, bringen diese Verbraucher wegen ihrer starken Markentreue einen hohen Grad an Aufmerksamkeit auf. Diese Feststellung wird auch von der Klägerin bestätigt.

 Zum Vergleich der Waren

24      Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betreffenden Waren oder Dienstleistungen alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen diesen Waren und Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. Es können auch andere Faktoren wie die Vertriebswege der betreffenden Waren berücksichtigt werden (vgl. Urteil des Gerichts vom 11. Juli 2007, El Corte Inglés/HABM – Bolaños Sabri [PiraÑAM diseño original Juan Bolaños], T‑443/05, Slg. 2007, II‑2579, Randnr. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25      Im vorliegenden Fall sind die von den betreffenden Marken erfassten Waren der Klasse 34 identisch, wie die Beschwerdekammer zutreffend feststellte. Es handelt sich um Tabakprodukte und deren Zubehör, die offensichtlich identisch sind. Die Klägerin tritt dieser Feststellung im Übrigen nicht entgegen.

 Zum Vergleich der Zeichen

26      Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken in Bild, Klang oder Bedeutung ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher dieser Waren oder Dienstleistungen wirkt. Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juni 2007, HABM/Shaker, C‑334/05 P, Slg. 2007, I‑4529, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27      Die Beurteilung der Ähnlichkeit zweier Marken darf sich nicht darauf beschränken, dass nur ein Bestandteil einer zusammengesetzten Marke berücksichtigt und mit einer anderen Marke verglichen wird. Vielmehr sind die betreffenden Marken jeweils als Ganzes miteinander zu vergleichen, was nicht ausschließt, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer zusammengesetzten Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der maßgeblichen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein könnten (vgl. Urteil HABM/Shaker, Randnr. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung). Für die Beurteilung der Ähnlichkeit kann es nur dann allein auf den dominierenden Bestandteil ankommen, wenn alle anderen Markenbestandteile zu vernachlässigen sind (Urteile des Gerichtshofs HABM/Shaker, Randnr. 42, und vom 20. September 2007, Nestlé/HABM, C‑193/06 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 42). Das könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn schon dieser Bestandteil allein geeignet ist, das Bild dieser Marke, das die maßgeblichen Verkehrskreise im Gedächtnis behalten, so zu prägen, dass alle übrigen Bestandteile der Marke in dem durch diese hervorgerufenen Gesamteindruck zu vernachlässigen sind (Urteil Nestlé/HABM, Randnr. 43).

28      In Übereinstimmung mit der Beschwerdekammer ist im vorliegenden Fall das angemeldete Zeichen mit dem älteren Bildzeichen zu vergleichen. Das angemeldete Zeichen besteht aus einem dunkelblauen Rechteck, in dessen Mitte das in hellblauen Großbuchstaben geschriebene Wortelement „LIBERTE“ platziert ist. Unter diesem Element befinden sich in deutlich kleinerer Schrift das Wortelement „brunes“ sowie ein aus einer Reihe von fünf unterschiedlich großen Rechtecken in Blau, Rot und Weiß bestehendes Bildelement.

29      Das ältere Zeichen besteht aus vier Streifen in verschiedenen Farben: hellbraun, schwarz und rot. In der Mitte des Zeichens ist auf weißem Grund das Wortelement „La LIBERTAD“ platziert, über dem sich ein aus zwei goldfarbenen Buchstaben „L“ gebildetes Viereck befindet. Der Buchstabe „L“ des Elements „La“ ist leicht stilisiert und rot geschrieben.

30      Die Beschwerdekammer vertrat in Randnr. 26 der angefochtenen Entscheidung die Auffassung, die in den beiden Zeichen enthaltenen Bildelemente hätten eine geringe Unterscheidungskraft und würden von den Verbrauchern eher als Dekoration angesehen. Ferner sind die Wortelemente „brunes“ und „La“ nach Ansicht der Beschwerdekammer zweitrangig. Daher stellten die Begriffe „LIBERTE“ und „LIBERTAD“ die unterscheidungskräftigsten und am stärksten dominierenden Bestandteile in den beiden Zeichen dar. Nach Auffassung der Beschwerdekammer ist jedes dieser Elemente jeweils allein schon geeignet, das Gesamtbild des Zeichens zu prägen.

31      Das Gericht ist der Ansicht, dass die in den einander gegenüberstehenden Zeichen enthaltenen Bildelemente zweitrangig sind und nur eine geringe Unterscheidungskraft haben. Was die Wortelemente angeht, sind die Begriffe „LIBERTE“ und „LIBERTAD“ offensichtlich stärker dominierend als die Zusatzelemente, d. h. „brunes“ und „La“. Ferner ist in Übereinstimmung mit der Beschwerdekammer festzustellen, dass das Wort „brunes“ im Französischen eine Tabakart bezeichnet und damit für die erfassten Waren beschreibend ist. Bei „La“ handelt es sich um einen Artikel in den vom Lateinischen stammenden Sprachen. Die Beschwerdekammer nahm daher im vorliegenden Fall zutreffend an, dass die Hauptwortelemente geeignet seien, den Gesamteindruck der Zeichen zu prägen.

32      Was den bildlichen Aspekt betrifft, vertrat die Beschwerdekammer in Randnr. 32 der angefochtenen Entscheidung die Auffassung, dass die Zeichen eine durchschnittliche Ähnlichkeit aufwiesen. Die dominierenden Wortelemente stimmten in ihren ersten sechs Buchstaben überein. Was die anderen Elemente, d. h. die Bildelemente und die untergeordneten Wortelemente, „brunes“ und „La“, angehe, spielten sie bei dem bildlichen Vergleich keine ausschlaggebende Rolle.

33      Die Klägerin ist der Ansicht, die Zeichen seien wegen der unterschiedlichen Farbgebung und der unterschiedlichen Bildelemente sowie aufgrund des Schriftbilds der Wortelemente unähnlich. Außerdem sei im älteren Zeichen der Buchstabe „L“ des Artikels „La“ rot und werde wie ein Bildelement noch mehrfach wiederholt.

34      Auch wenn es zutrifft, dass die Bildelemente und insbesondere die in den beiden Zeichen verwendeten Farben unterschiedlich sind, werden die Zeichen doch durch die Wortelemente „LIBERTE“ und „LIBERTAD“ dominiert, so dass die Bildelemente für die maßgeblichen Verkehrskreise, auch wenn sie einen hohen Grad an Aufmerksamkeit aufbringen, eindeutig als dekorativ erscheinen werden und nicht als geeignet, sich dem Gedächtnis einzuprägen. Das Gleiche gilt für das Schriftbild, das nur wenig vom Standardschriftbild abweicht, und auch wenn die Wortelemente im Fall des älteren Zeichens fett gedruckt sind, bleiben sie sehr ähnlich. Schließlich ist der im älteren Zeichen verwendete Buchstabe „L“ insbesondere deshalb nicht zwangsläufig als solcher erkennbar, weil er im fraglichen Zeichen mehrfach als Bildelement verwendet wird. Daraus folgt, dass die verschiedenen Bild- und Wortelemente die durch die nahezu vollständige Identität der dominierenden Elemente „LIBERTE“ und „LIBERTAD“ hervorgerufene visuelle Ähnlichkeit der Zeichen nicht ausgleichen können. Die Beschwerdekammer erachtete die Zeichen daher zutreffend als visuell ähnlich.

35      Was den klanglichen Aspekt betrifft, nahm die Beschwerdekammer an, die Zeichen wiesen eine hohe Ähnlichkeit auf. In Randnr. 34 der angefochtenen Entscheidung führte sie aus, dass sich die beiden dominierenden Wörter nur in ihren letzten Buchstaben unterschieden und der Verbraucher die untergeordneten Elemente der beiden Marken, nämlich „brunes“ und „La“, wahrscheinlich nicht aussprechen werde.

36      Die Klägerin macht geltend, in klanglicher Hinsicht liege nur eine geringe Zeichenähnlichkeit vor, da die beiden Zeichen in ihrer Gesamtheit ausgesprochen würden.

37      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nur die Wortbestandteile der Zeichen ausgesprochen werden können. Die Elemente, die im angemeldeten Zeichen ausgesprochen werden können, sind also „LIBERTE brunes“, während es sich im älteren Zeichen um „La LIBERTAD“ handelt. Wie die Beschwerdekammer feststellte, bezeichnet das Wort „brunes“ jedoch eine Tabakart und hat deshalb für die erfassten Waren eine geringe Unterscheidungskraft. Daher ist es möglich, dass es nicht ausgesprochen wird. Was den Artikel „La“ betrifft, kann es sein, dass ihn ein Teil der maßgeblichen Verkehrskreise nicht ausspricht. Die übrigen Verbraucher, die mit den vom Lateinischen stammenden Sprachen wenig vertraut sind, könnten ihn wegen des roten, stilisierten Buchstabens „L“ nicht erkennen. Schließlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass Verbraucher, die die vom Lateinischen stammenden Sprachen beherrschen und sich in einer dieser Sprachen mündlich an einen Verkäufer wenden, auch einen Artikel wie „La“ hinzufügen, wenn sie das angemeldete Zeichen aussprechen.

38      Überdies hat das Gericht bereits entschieden, dass es wahrscheinlich ist, dass bei einem Gespräch zwischen dem Verbraucher und einem Verkäufer der fraglichen Waren oder bei einer Empfehlung einer dieser Waren durch einen anderen Verbraucher die betreffenden Zeichen meistens nicht in ihrer Gesamtheit ausgesprochen werden, sondern lediglich der dominierende Teil ausgesprochen werden wird (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 30. November 2011, SE-Blusen Stenau/HABM – Sport Eybl & Sports Experts [SE© SPORTS EQUIPMENT], T‑477/10, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 55).

39      Die Zeichen weisen somit eine erhöhte klangliche Ähnlichkeit auf, da die sechs Buchstaben „Libert“ in ihrem dominierenden Bestandteil identisch sind.

40      Was den begrifflichen Aspekt angeht, weisen die Wörter „LIBERTE“ und „LIBERTAD“ nach Ansicht der Beschwerdekammer für einen Teil der Verbraucher, der diese Wörter im Sinne von Freiheit verstehen kann, eine begriffliche Identität auf.

41      Die Klägerin vertritt die Auffassung, es bleibe allenfalls eine gewisse begriffliche Ähnlichkeit der Zeichen. Sie weist darauf hin, dass die begriffliche Ähnlichkeit zweier Wörter in verschiedenen Sprachen nach der Entscheidungspraxis des HABM nicht ausreiche, um Verwechslungsgefahr zu begründen. Darüber hinaus tendiere der Konsument von Tabakprodukten nicht dazu, die diese Waren bezeichnenden Marken zu übersetzen.

42      Hierzu ist festzustellen, dass die beiden dominierenden Bestandteile im Französischen und im Spanischen dieselbe Bedeutung haben, nämlich „Freiheit“. Zwar tendiert der maßgebliche Verbraucher, wie die Klägerin ausführt, nicht dazu, Marken zu übersetzen. Doch wird für die Verbraucher, die zumindest Grundkenntnisse in Französisch und zugleich in Spanisch haben, eine hochgradige begriffliche Ähnlichkeit bestehen, da die Wörter „LIBERTE“ und „LIBERTAD“ die gleiche Bedeutung haben. Außerdem ist zu beachten, dass die Bedeutungsgleichheit angesichts der hochgradig ähnlichen Begriffe, die auch in den übrigen vom Lateinischen stammenden Sprachen dieselbe Bedeutung haben, jedenfalls für einen wesentlichen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise leicht erkennbar sein wird. Was die untergeordneten Elemente „brunes“ und „La“ angeht, hat, wie bereits festgestellt worden ist, das erste nur geringe Unterscheidungskraft, während das zweite im Spanischen sowie in anderen vom Lateinischen stammenden Sprachen ein weiblicher Artikel ist und sich daher auf die begriffliche Aussage des älteren Zeichens nicht auswirken kann. Darüber hinaus ist „La“ auch der den Begriff „Freiheit“ im Französischen sowie im Spanischen in der Regel begleitende Artikel.

43      Im Übrigen ist in Randnr. 51 des Urteils des Gerichts vom 9. März 2005, Osotspa/HABM – Distribution & Marketing (Hai) (T‑33/03, Slg. 2005, II‑763), festgestellt worden, dass eine begriffliche Ähnlichkeit der dort fraglichen Zeichen bestand, die die Wortelemente „shark“ und „Hai“ enthielten, welche im Englischen und im Deutschen sowie im Finnischen Hai bedeuten, wobei jedoch diese begriffliche Ähnlichkeit eine vorherige Übersetzung voraussetzte.

44      Außerdem ist, wie von der Beschwerdekammer in Randnr. 38 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, die visuelle und die phonetische Ähnlichkeit der Zeichen wegen der Methode des Vertriebs der erfassten Waren bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr von entscheidender Bedeutung.

45      Folglich besteht für einen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise auf begrifflicher Ebene Zeichenidentität.

 Zur Verwechslungsgefahr

46      Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert eine Wechselbeziehung der in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (Urteil des Gerichtshofs vom 29. September 1998, Canon, C‑39/97, Slg. 1998, I‑5507, Randnr. 17, und Urteil des Gerichts vom 14. Dezember 2006, Mast-Jägermeister/HABM – Licorera Zacapaneca [VENADO mit Rahmen u. a.], T‑81/03, T‑82/03 und T‑103/03, Slg. 2006, II‑5409, Randnr. 74).

47      In Randnr. 40 der angefochtenen Entscheidung konstatierte die Beschwerdekammer, dass eine Verwechslungsgefahr zwischen den betreffenden Marken bestehe.

48      Im vorliegenden Fall sind, wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, die von den beiden Marken erfassten Waren identisch. Die Zeichen weisen eine Ähnlichkeit auf bildlicher Ebene, eine hohe Ähnlichkeit auf klanglicher Ebene sowie für diejenigen Verbraucher, die die Bedeutung ihrer Wortbestandteile verstehen, eine begriffliche Identität auf. Die Beschwerdekammer nahm deshalb zutreffend eine Verwechslungsgefahr an.

49      Die Klägerin trägt vor, dem Begriff „LIBERTAD“ komme für die betreffenden Waren nur eine geringe Kennzeichnungskraft zu. Sie macht insbesondere geltend, die Kennzeichnungskraft der älteren Marke sei durch andere von Dritten für Waren in Klasse 34 eingetragene Marken, die ebenfalls den Wortbestandteil „Libert“ oder „Liber“ enthielten, geschwächt. Zusätzlich sei das Wort „LIBERTAD“ ein Begriff der spanischen Alltagssprache, der leicht erkannt werden könne.

50      Hierzu ist festzustellen, dass das Bestehen anderer, angeblich der älteren Marke ähnlicher Marken als solches kein Nachweis für eine geringe Kennzeichnungskraft der älteren Marke sein kann. Wie das HABM vorgetragen hat, stellt die Existenz der Marke im Gemeinschaftsmarkenregister keinen Nachweis für ihre Marktpräsenz dar, die eine unerlässliche Voraussetzung für die Beurteilung der Kennzeichnungskraft dieser Marke ist.

51      Zu dem Vorbringen, das Wort „LIBERTAD“ sei ein Begriff der spanischen Alltagssprache und weise daher eine geringe Kennzeichnungskraft auf, ist festzustellen, dass die geringe Kennzeichnungskraft einer Marke in Bezug auf die von dieser Marke erfassten Waren zu beurteilen ist. Im vorliegenden Fall ist der Begriff „LIBERTE“ für die betreffenden Waren nicht beschreibend und steht mit diesen in keinem unmittelbaren Zusammenhang, wie die Beschwerdekammer ebenfalls in Randnr. 28 der angefochtenen Entscheidung konstatierte. Folglich ist dieses Vorbringen nicht begründet.

52      Jedenfalls steht die Anerkennung einer nur geringen Kennzeichnungskraft der älteren Marke nicht der Feststellung entgegen, dass im vorliegenden Fall Verwechslungsgefahr besteht. Zwar ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen, doch stellt sie nur einen der bei dieser Beurteilung zu berücksichtigenden Faktoren dar. Auch im Fall einer älteren Marke mit nur geringer Kennzeichnungskraft kann deshalb insbesondere wegen einer Ähnlichkeit der Zeichen und der Waren Verwechslungsgefahr bestehen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2007, Xentral/HABM – Pages jaunes [PAGESJAUNES.COM], T‑134/06, Slg. 2007, II‑5213, Randnr. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).

53      Nach alledem ist der einzige Klagegrund zurückzuweisen und damit die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

54      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

55      Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß den Anträgen des HABM und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die GRE Grand River Enterprises Deutschland GmbH trägt die Kosten.

Czúcz

Labucka

Gratsias

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 3. Juli 2013.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.