Language of document : ECLI:EU:T:2013:111

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

7. März 2013(*)

„Nichtigkeitsklage – Petitionsrecht – Petition an das Europäische Parlament – Für zulässig erklärte Petition – Entscheidung, mit der das Petitionsverfahren abgeschlossen wird – Nicht anfechtbare Handlung – Unzulässigkeit“

In der Rechtssache T‑186/11

Peter Schönberger, wohnhaft in Luxemburg (Luxemburg), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt O. Mader,

Kläger,

gegen

Europäisches Parlament, vertreten durch E. Waldherr und U. Rösslein als Bevollmächtigte,

Beklagter,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung des Petitionsausschusses des Europäischen Parlaments vom 25. Januar 2011, mit der die Prüfung der vom Kläger am 2. Oktober 2010 eingereichten, für zulässig erklärten Petition (Petition Nr. 1188/2010) abgeschlossen wurde,

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger sowie der Richter S. Soldevila Fragoso (Berichterstatter) und G. Berardis,

Kanzler: K. Andová, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2012

folgendes

Urteil

 Sachverhalt

1        Peter Schönberger, der Kläger, ist deutscher Staatsbürger und seit 2007 Beamter des Rechnungshofs der Europäischen Union. Bis Ende 2006 war er Beamter des Europäischen Parlaments. Im Rahmen des Beförderungsverfahrens 2005 entschied der Generalsekretär des Parlaments, nur zwei Verdienstpunkte an den Kläger zu vergeben. Da dieser der Ansicht war, dass ihm ein dritter Verdienstpunkt zustehe, legte er eine Beschwerde nach Art. 90 Abs. 2 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften ein, die der Generalsekretär am 23. Oktober 2008 zurückwies. Der Kläger, der der Auffassung war, dass diese Entscheidung vom Präsidenten des Parlaments zu treffen sei, legte am 15. November 2008 eine Beschwerde beim Europäischen Bürgerbeauftragten ein, die unter dem Aktenzeichen Nr. 3289/2008/BEH eingetragen wurde. Mit Entscheidung vom 13. Juli 2010 stellte der Bürgerbeauftragte einen Missstand in der Verwaltungstätigkeit des Parlaments fest.

2        Am 2. Oktober 2010 richtete der Kläger gemäß Art. 227 AEUV eine Petition an das Parlament, in der er die Entscheidung des Bürgerbeauftragten zitierte und darum ersuchte, dass dessen Empfehlungen Folge geleistet werde.

3        Mit Schreiben vom 25. Januar 2011 teilte die Vorsitzende des Petitionsausschusses des Parlaments (im Folgenden: Petitionsausschuss) dem Kläger die Entscheidung dieses Ausschusses (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) mit, wonach seine Petition im Einklang mit der Geschäftsordnung des Parlaments für zulässig erklärt worden sei, soweit ihr Gegenstand den Tätigkeitsbereich der Union betreffe. Weiter heißt es in dem Schreiben, dass der Petitionsausschuss die Bemerkungen des Klägers zur Kenntnis genommen habe, dass das Petitionsverfahren abgeschlossen sei und dass ihr Inhalt zur weiteren Behandlung an den für Personalfragen zuständigen Generaldirektor des Parlaments überwiesen werde.

 Verfahren und Anträge der Parteien

4        Mit Klageschrift, die am 26. März 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.

5        Mit gesondertem Schriftsatz, der am 1. Juni 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat das Parlament gemäß Art. 114 der Verfahrensordnung des Gerichts eine Einrede der Unzulässigkeit wegen Verstoßes gegen Art. 263 AEUV erhoben.

6        Am 9. Juli 2011 hat der Kläger zu dieser Unzulässigkeitseinrede Stellung genommen.

7        Mit Beschluss des Gerichts (Sechste Kammer) vom 20. September 2011 ist die Entscheidung über die Einrede der Unzulässigkeit dem Endurteil vorbehalten worden.

8        Der Kläger beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        dem Parlament die Kosten aufzuerlegen.

9        Das Parlament beantragt,

–        die Klage als unzulässig abzuweisen;

–        hilfsweise die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

10      Das Gericht (Sechste Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

11      Da der Präsident der Sechsten Kammer an der Mitwirkung am Verfahren verhindert war, hat der Präsident des Gerichts sich selbst dazu bestimmt, ihn zu ersetzen.

12      In der Sitzung vom 14. November 2012 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

 Rechtliche Würdigung

13      Das Parlament trägt im Wesentlichen vor, dass die Entscheidung, mit der die Petition für zulässig erklärt und das Petitionsverfahren durch die Überweisung der Petition an den für Personalfragen zuständigen Generaldirektor des Parlaments zur Prüfung ihrer Begründetheit abgeschlossen worden sei, in seinem freien Ermessen liege und nicht mit einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV anfechtbar sei, da sie sich nicht nachteilig auf die Interessen des Klägers auswirken könne.

14      Der Kläger macht geltend, seine Klage sei zulässig, da die Entscheidung des Petitionsausschusses, eine für zulässig erklärte Petition inhaltlich nicht zu prüfen, ebenso wie eine Entscheidung dieses Ausschusses, eine Petition für unzulässig zu erklären, gerichtlich überprüfbar sein müsse, um das in Art. 227 AEUV und Art. 44 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. 2010, C 83, S. 389) vorgesehene Petitionsgrundrecht der Bürger zu schützen. Außerdem verstoße die Berufung des Parlaments auf sein „freies Ermessen“, um die Petition inhaltlich nicht zu prüfen, gegen die ihm nach Art. 202 seiner Geschäftsordnung obliegende Pflicht.

15      Nach ständiger Rechtsprechung können nur Handlungen mit verbindlichen Rechtswirkungen, die geeignet sind, die Interessen der klagenden Partei dadurch zu beeinträchtigen, dass sie ihre Rechtsstellung in eindeutiger Weise verändern, Gegenstand einer Nichtigkeitsklage im Sinne von Art. 263 AEUV sein (Urteil des Gerichtshofs vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, Slg. 1981, 2639, Randnr. 9, und Urteil des Gerichts vom 16. Juli 1998, Regione Toscana/Kommission, T‑81/97, Slg. 1998, II‑2889, Randnr. 21).

16      Nach der Rechtsprechung kann eine Entscheidung, mit der der Petitionsausschuss eine Petition für unzulässig erklärt und ohne weitere Bearbeitung ablegt, das Grundrecht der Bürger auf Einreichung einer Petition, wie es in Art. 227 AEUV und Art. 44 der Charta der Grundrechte verankert ist, in seinem Wesen beeinträchtigen und stellt daher eine Entscheidung dar, die mit einer Nichtigkeitsklage angefochten werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. September 2011, Tegebauer/Parlament, T‑308/07, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 21).

17      Ein Bürger, der eine Petition eingereicht hat, muss in die Lage versetzt werden, die Gründe zu verstehen, aus denen das Parlament diese als unzulässig ansieht und ohne weitere Bearbeitung ablegt. Es ist Aufgabe des mit einer Petition befassten Parlaments, diese zu würdigen, darüber hinaus aber auch, seine ablehnende Entscheidung unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die tatsächliche Ausübung des im Vertrag verankerten Rechts zu begründen. Dies ergibt sich bereits aus der Natur dieses Rechts, das es den Bürgern ermöglicht, sich ausdrücklich und unmittelbar an das Parlament zu wenden, und das auf diese Weise dazu beiträgt, die Tätigkeit der Organe zu legitimieren (Urteil Tegebauer/Parlament, Randnr. 29).

18      Im vorliegenden Fall hat das Parlament dadurch, dass es die Petition des Klägers in der angefochtenen Entscheidung als zulässig angesehen hat, dessen in Art. 227 AEUV verankertes Recht auf Einreichung einer Petition, nicht eingeschränkt.

19      Dagegen unterliegen die Folgerungen, die das Parlament aus einer für zulässig erklärten Petition ableitet, nicht der Kontrolle durch den Unionsrichter, da das Parlament insoweit über ein unbeschränktes Ermessen verfügt, das politischer Natur ist (Urteil Tegebauer/Parlament, Randnr. 21).

20      Wie das Parlament zutreffend geltend macht, kann der Petitionsausschuss keine Entscheidungen erlassen, die andere Organe der Union oder des Parlaments binden. Die Handlungsmöglichkeiten, über die er verfügt, sind politischer Natur und haben keine zwingenden Wirkungen. Das Petitionsverfahren garantiert dem Petenten nicht, dass seiner Petition stattgegeben wird.

21      Es gibt nämlich keine Rechtsvorschrift, die das Parlament verpflichtet, nach der Einreichung einer für zulässig erklärten Petition eine bestimmte, für den Petenten vorteilhafte Maßnahme zu treffen, die seine rechtliche Situation verändert. Aus den Bestimmungen des Art. 202 der Geschäftsordnung des Parlaments, der die Prüfung von Petitionen betrifft, ergibt sich, dass der Petitionsausschuss über die weitere Behandlung von für zulässig erklärten Petitionen entscheidet. Nach Art. 202 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Parlaments kann dieses gegebenenfalls einen Initiativbericht oder einen kurzen Entschließungsantrag vorbereiten. Nach Art. 202 Abs. 7 der Geschäftsordnung kann es auch eine Stellungnahme oder eine Empfehlung abgeben, die der Präsident des Parlaments der Europäischen Kommission, dem Rat der Europäischen Union oder der betroffenen nationalen Behörde übermittelt.

22      Derartige Initiativberichte, Entschließungsanträge, Stellungnahmen oder Empfehlungen stellen jedoch ihrer Form und Natur nach keine Handlungen dar, die Rechtswirkungen entfalten können. Sie begründen nämlich keinerlei Verpflichtungen für ihre Empfänger.

23      Daher vermag die angefochtene Entscheidung, mit der über die weitere Behandlung einer für zulässig erklärten Petition entschieden wird, nicht, die Rechtsstellung des Klägers in eindeutiger Weise zu verändern und seine Interessen zu beeinträchtigen, da das Petitionsverfahren es nicht ermöglicht, rechtlich verbindlich über den Inhalt der Petition zu entscheiden. Folglich stellt sie keine Entscheidung dar, die im Sinne der oben in Randnr. 15 angeführten Rechtsprechung mit einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV angefochten werden kann.

24      Daraus folgt, dass die vorliegende Klage für unzulässig zu erklären ist, ohne dass über die anderen Klagegründe und Argumente, die die Parteien im Verfahren geltend gemacht haben, entschieden zu werden braucht.

 Kosten

25      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Kläger mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm entsprechend dem Antrag des Parlaments seine eigenen Kosten und die Kosten des Parlaments aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2.      Herr Peter Schönberger trägt seine eigenen Kosten und die Kosten des Europäischen Parlaments.

Jaeger

Soldevila Fragoso

Berardis

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. März 2013.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.