Language of document : ECLI:EU:T:2011:494

Rechtssache T‑461/08

Evropaïki Dynamiki – Proigmena Systimata Tilepikoinonion Pliroforikis kai Tilematikis AE

gegen

Europäische Investitionsbank (EIB)

„Öffentliche Dienstleistungsaufträge – Ausschreibungsverfahren – Dienstleistung für die Unterstützung bei Wartung, Support und Entwicklung eines Datenverarbeitungssystems – Ablehnung des Angebots eines Bieters – Vergabe des Auftrags an einen anderen Bieter – Nichtigkeitsklage – Zulässigkeit – Zuständigkeit – Begründungspflicht – Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf – Transparenz – Verhältnismäßigkeit – Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung – Auswahl- und Zuschlagskriterien – Schadensersatzklage – Zulässigkeit – Entgangener Gewinn“

Leitsätze des Urteils

1.      Nichtigkeitsklage – Anfechtbare Handlungen – Handlungen mit verbindlichen Rechtswirkungen – Handlungen der Europäischen Investitionsbank

(Art. 225 Abs. 1 EG, 230 EG und 237 Buchst. b und c EG)

2.      Schadensersatzklage – Selbständigkeit gegenüber der Nichtigkeitsklage – Grenzen – Antrag auf Ersatz des von der Europäischen Investitionsbank als öffentlichem Auftraggeber verursachten Schadens

(Art. 225 Abs. 1 EG, 235 EG und 288 Abs. 2 EG)

3.      Nichtigkeitsklage – Zulässigkeitsvoraussetzungen – Rechtsschutzinteresse – Gerichtliche Prüfung von Amts wegen – Entsprechende Anwendung auf Klagen, die einen akzessorischen Schadensersatzantrag enthalten

(Art. 230 EG; Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 113)

4.      Nichtigkeitsklage – Rechtsschutzinteresse – Klage gegen eine vollzogene Entscheidung

(Art. 230 EG und 233 EG)

5.      Öffentliche Aufträge der Europäischen Gemeinschaften – Ausschreibungsverfahren – Anfechtung der Rechtmäßigkeit von Verdingungsunterlagen

(Art. 230 Abs. 4 EG)

6.      Europäische Investitionsbank – Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge, die die Bank auf eigene Rechnung vergibt – Anwendbare Vorschriften

(Art. 28 EG, 43 EG und 49 EG; Charta der Grundrechte der Europäischen Union; Verordnung Nr. 1605/2002 des Rates, Art. 88 Abs. 1; Richtlinie 2004/18 des Europäischen Parlaments und des Rates)

7.      Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang

(Art. 230 Abs. 5 EG und 253 EG)

8.      Öffentliche Aufträge der Europäischen Gemeinschaften – Ausschreibungsverfahren – Recht der Bieter auf einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz – Umfang

(Art. 225 Abs. 1 EG, 242 EG, 243 EG und 253 EG)

9.      Öffentliche Aufträge der Europäischen Gemeinschaften – Ausschreibungsverfahren – Recht der Bieter auf einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz – Recht, gegen die Entscheidung, durch die der Auftrag an einen anderen Bieter vergeben wird, einen Rechtsbehelf einzulegen

10.    Europäische Investitionsbank – Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge, die die Bank auf eigene Rechnung vergibt – Erteilung des Zuschlags – Vergabe an das wirtschaftlich günstigste Angebot – Kriterien – Wahl durch den öffentlichen Auftraggeber – Grenzen

11.    Nichtigkeitsklage – Gründe – Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Transparenz – Ausschreibungsverfahren

12.    Außervertragliche Haftung – Voraussetzungen – Kausalzusammenhang – Schaden, der sich im Rahmen eines Vergabeverfahrens für einen Bieter aus dem Verlust eines Auftrags ergibt – Kein Beweis des Zusammenhangs zwischen diesem Schaden und der rechtswidrigen Entscheidung über die Erteilung des Zuschlags für diesen Auftrag an einen anderen Bieter

(Art. 266 AEUV und 340 Abs. 2 AEUV)

1.      Die Art. 225 Abs. 1 EG und 230 EG sind im Interesse einer vollständigen Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Gemeinschaftshandlungen so auszulegen, dass sie nicht die Zuständigkeit des Gerichts, über eine Klage auf Nichtigerklärung einer unter die Führung der laufenden Geschäfte der Europäischen Investitionsbank fallenden Handlung des Direktoriums zu befinden, ausschließen, die endgültige Rechtswirkungen gegenüber einem Dritten entfaltet.

Auch wenn die Bank kein Organ der Gemeinschaft ist, stellt sie eine durch den Vertrag errichtete und mit Rechtspersönlichkeit ausgestattete Gemeinschaftseinrichtung dar und unterliegt aus diesem Grund der Kontrolle durch den Gerichtshof, insbesondere nach Maßgabe von Art. 237 Buchst. b EG. Die formell innerhalb der Bank von anderen Organen als den in Art. 237 Buchst. b und c EG genannten, d. h. von anderen Organen als dem Rat der Gouverneure und dem Verwaltungsrat, angenommenen Entscheidungen müssen also der gerichtlichen Kontrolle unterliegen können, wenn sie endgültig sind und Rechtswirkungen gegenüber Dritten erzeugen.

(vgl. Randnrn. 46, 50, 52)

2.      In dem durch den Vertrag eingeführten Rechtsschutzsystem stellt die Schadensersatzklage zwar einen selbständigen Rechtsbehelf gegenüber der Nichtigkeitsklage dar, gleichwohl sind jedoch im Verfahrensabschnitt der Beurteilung der Zulässigkeit der Rechtsbehelfe die „unmittelbare Verbindung“ oder das „Ergänzungsverhältnis“ zwischen der Nichtigkeitsklage und der Schadensersatzklage, wenn diese Verbindung oder diese Ergänzung besteht, sowie die Akzessorietät der Schadensersatzklage zur Nichtigkeitsklage zu berücksichtigen, um zu vermeiden, dass der Ausgang der Schadensersatzklage künstlich vom Ausgang der Nichtigkeitsklage losgelöst wird, gegenüber der sie jedoch bloß eine Ergänzung oder einen Zusatz darstellt.

Soll der Schaden, den die Europäische Investitionsbank einem Kläger verursacht haben soll, auf Ausübung von Tätigkeiten der Bank zurückzuführen sein, die Teil der Verwaltung der Gemeinschaft sind und die zur Tätigkeit dieser Verwaltung als öffentlicher Auftraggeber gehören, und ergibt sich dieser Schaden daher nicht aus der Ausübung der Tätigkeiten der Bank im Finanzsektor, ist das Gericht gemäß den Art. 225 Abs. 1 EG, 235 EG und 288 Abs. 2 EG dafür zuständig, auch über ein gegen die Bank geltend gemachte Schadensersatzbegehren zu befinden, wenn ein solcher Antrag Akzessorietät gegenüber einem Antrag auf Nichtigerklärung einer Handlung der Bank aufweist, die endgültige Wirkungen gegenüber Dritten entfaltet, der als solcher zulässig ist.

(vgl. Randnrn. 55-58)

3.      Da das Rechtsschutzinteresse zu den unverzichtbaren Prozessvoraussetzungen gehört, hat das Gericht von Amts wegen zu prüfen, ob die Kläger ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung haben. Diese Lösung ist entsprechend auf Nichtigkeitsanträge zu übertragen, die im Rahmen einer Klage gestellt werden, die einen akzessorischen Schadensersatzantrag enthält.

(vgl. Randnr. 62)

4.      Auch wenn im Rahmen eines Vergabeverfahrens eine Vergabeentscheidung zugunsten anderer Bewerber vollständig durchgeführt sein sollte, behält der Bieter doch ein Interesse an der Aufhebung dieser Entscheidung, sei es, um eine angemessene Berichtigung seiner Situation durch den öffentlichen Auftraggeber zu erreichen, sei es, um den öffentlichen Auftraggeber zu veranlassen, die Ausschreibungsverfahren für die Zukunft in geeigneter Weise zu ändern, falls festgestellt werden sollte, dass sie bestimmten rechtlichen Anforderungen nicht genügen.

Der Umstand, dass der Vertrag zur Durchführung eines öffentlichen Auftrags vor der Verkündung des Urteils in einem Verfahren, das ein abgelehnter Bieter gegen die Auftragsvergabe angestrengt hat, unterzeichnet und sogar durchgeführt worden ist und der öffentliche Auftraggeber vertraglich an den Zuschlagsempfänger gebunden ist, steht der gemäß Art. 233 EG für den Fall, dass das Hauptsacheverfahren erfolgreich ist, bestehenden Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers nicht entgegen, die erforderlichen Maßnahmen zu erlassen, um einen angemessenen Schutz der Interessen des abgelehnten Bieters sicherzustellen.

Wenn die Entscheidung über die Vergabe eines öffentlichen Auftrags aufgrund der Klage eines abgelehnten Bieters aufgehoben wird, der öffentliche Auftraggeber aber das Ausschreibungsverfahren für den fraglichen Auftrag nicht mehr wiederaufnehmen kann, können die Interessen dieses Bieters z. B. durch einen Ausgleich in Geld sichergestellt werden, der dem Verlust der Möglichkeit, den Zuschlag für den Auftrag zu erhalten, oder, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Bieter den Zuschlag hätte erhalten müssen, dem entgangenen Gewinn entspricht. Dem Verlust der Möglichkeit, den Zuschlag für einen öffentlichen Auftrag zu erhalten, den ein abgelehnter Bieter für diesen Auftrag aufgrund einer rechtswidrigen Entscheidung erleidet, kann ein wirtschaftlicher Wert zukommen.

(vgl. Randnrn. 64-66)

5.      Ausschreibungsunterlagen wie die Verdingungsunterlagen können nicht als eine Rechtshandlung betrachtet werden, die jeden Bieter individuell betrifft. Wie alle Ausschreibungsunterlagen, die der öffentliche Auftraggeber herausgibt, gelten die Verdingungsunterlagen für objektiv bestimmte Situationen, und sie erzeugen Rechtswirkungen gegenüber allgemein und abstrakt umschriebenen Personengruppen. Somit haben die Verdingungsunterlagen allgemeinen Charakter, und ihre individuelle Übermittlung an die Unternehmen, die von dem öffentlichen Auftraggeber vorausgewählt wurden, ermöglicht keine Individualisierung der einzelnen Bieter gegenüber allen anderen Personen im Sinne von Art. 230 Abs. 4 EG. Daher können die Verdingungsunterlagen nicht Gegenstand einer Klage gemäß dieser Bestimmung sein. Folglich ist die Entscheidung, mit der das Angebot eines Bieters abgelehnt wird, die erste Rechtshandlung, die angefochten werden kann, und damit die erste Rechtshandlung, die es diesem Bieter erlaubt, inzident die Rechtmäßigkeit der bei der vergleichenden Bewertung der Angebote verwendeten Formel in Abrede zu stellen, die der öffentliche Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen aufgestellt hat.

(vgl. Randnrn. 73-74)

6.      Ein Ausschreibungsverfahren der Europäischen Investitionsbank, das aus den Eigenmitteln der Bank finanziert wird, unterliegt weder den Bestimmungen von Teil 2 Titel IV der Verordnung Nr. 1605/2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften in der geänderten Fassung noch den Bestimmungen von Teil 2 Titel III der Verordnung Nr. 2342/2002 mit Durchführungsbestimmungen zur Haushaltsordnung in der geänderten Fassung. Diese Bestimmungen gelten nur für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften und, wie sich aus Art. 88 Abs. 1 der Haushaltsordnung ergibt, sind öffentliche Aufträge, die dieser unterliegen, nur solche Verträge, die ganz oder teilweise aus dem Gesamthaushalt finanziert werden.

Die Ausschreibungsverfahren der Bank müssen jedoch den Grundregeln des Vertrags und den allgemeinen Rechtsgrundsätzen sowie den Zielen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, vor allem in Bezug auf den freien Warenverkehr (Art. 28 EG), die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EG), die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG), das Diskriminierungsverbot und die Gleichbehandlung, die Transparenz und die Verhältnismäßigkeit, entsprechen.

Auch wenn die Richtlinien zur Vergabe öffentlicher Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge nur Aufträge regeln, die von den Auftraggebern der Mitgliedstaaten vergeben werden und auf die von der Gemeinschaftsverwaltung vergebenen öffentlichen Aufträge nicht unmittelbar anwendbar sind, können die im Zusammenhang mit diesen Richtlinien erlassenen oder entwickelten Regeln oder Grundsätze dieser Verwaltung entgegengehalten werden, wenn sich darin nur die Grundregeln des Vertrags und der allgemeinen Rechtsgrundsätze niederschlagen, die unmittelbar für die Gemeinschaftsverwaltung gelten. In einer Rechtsgemeinschaft ist die einheitliche Anwendung des Rechts ein Grunderfordernis, und jede Rechtsperson unterliegt dem Gebot rechtmäßigen Handelns. Im Übrigen können die im Rahmen dieser Richtlinien erlassenen oder entwickelten Regeln oder Grundsätze der Gemeinschaftsverwaltung entgegengehalten werden, wenn diese bei der Ausübung ihrer funktionellen und institutionellen Autonomie und in den Grenzen der ihr durch den Vertrag zugewiesenen Aufgaben eine Handlung angenommen hat, die für die Regelung der öffentlichen Aufträge, die sie auf eigene Rechnung vergibt, ausdrücklich auf bestimmte Regeln oder bestimmte Grundsätze verweist, die in den Richtlinien niedergelegt sind und durch die diese Regeln und diese Grundsätze gemäß dem Grundsatz patere legem quam ipse fecisti angewandt werden.

Im Übrigen ergibt sich aus dem Leitfaden für die Vergabe von Dienstleistungs-, Liefer- und Bauaufträgen, die die Europäische Investitionsbank auf eigene Rechnung vergibt, dass, wenngleich die Richtlinie 2004/18 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge als solche auf die Bank nicht anwendbar ist, sie sich doch als Ausgangspunkt für die Entwicklung von Verfahren für die Bank eignet. Der Leitfaden legt Regeln von allgemeiner Tragweite fest, die Rechtsfolgen für Personen zeitigen, vor allem denjenigen, die bei einem öffentlichen Gemeinschaftsauftrag mitbieten wollen, der ganz oder teilweise aus Eigenmitteln der Bank finanziert wird und die Bank zudem rechtlich bindet, wenn diese beschließt, den öffentlichen Auftrag für ihre eigene Rechnung zu vergeben. Wenn die Bank sich bei ihrer Tätigkeit des Kapitalmarkts sowie ihrer eigenen Mittel bedient, vor allem wenn sie einen öffentlichen Auftrag für eigene Rechnung vergibt, unterliegt sie folglich sowohl den grundlegenden Vorschriften des Vertrags, den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und den Zielen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union als auch den Bestimmungen des Leitfadens, wie sie im Licht der Grundsätze zur Durchführung dieser Bestimmungen und gegebenenfalls der Bestimmungen der Richtlinie 2004/18, auf die diese Bestimmungen verweisen, ausgelegt werden.

(vgl. Randnrn. 87-90, 92-93)

7.      Wenn die Gemeinschaftsverwaltung über ein weites Ermessen verfügt, kommt der Beachtung der Garantien, die die Gemeinschaftsrechtsordnung in den Verwaltungsverfahren gewährt, eine umso größere Bedeutung zu. Zu diesen Garantien gehört insbesondere die Verpflichtung der Verwaltung, ihre Entscheidungen hinreichend zu begründen.

Aus dem Leitfaden für die Vergabe von Dienstleistungs-, Liefer- und Bauaufträgen, die die Europäische Investitionsbank auf eigene Rechnung vergibt, geht jedoch hervor, dass auf Wunsch der Beteiligten die Bank innerhalb von fünfzehn Tagen nach Eingang des schriftlichen Antrags Bieter, die zulässige Angebote abgegeben haben, über die Merkmale und relativen Vorteile des ausgewählten Angebots informieren sowie den Namen des erfolgreichen Bieters bzw. der Parteien der Rahmenvereinbarung bekannt geben wird.

Diese Vorgehensweise entspricht dem Zweck der Begründungspflicht gemäß Art. 253 EG. Die betroffenen Bieter werden dadurch, dass sie im Rahmen der Ausschreibungsverfahren nur auf ausdrücklichen Antrag eine begründete Entscheidung erhalten, nicht darin beschränkt, ihre Rechte vor dem Gericht geltend zu machen. Die in Art. 230 Abs. 5 EG vorgesehene Klagefrist beginnt erst zum Zeitpunkt der Mitteilung der mit Gründen versehenen Entscheidung, vorausgesetzt, der Bieter hat seinen Antrag auf eine solche Entscheidung binnen angemessener Frist nach Kenntnisnahme von der Ablehnung seines Angebots gestellt.

Angesichts des weiten Ermessensspielraums, über den der öffentliche Auftraggeber verfügt, muss er jedoch den abgelehnten Bietern, die dies beantragen, eine hinreichende Begründung liefern, was voraussetzt, dass er sorgfältig darauf achtet, dass in der mitgeteilten Begründung sämtliche Gesichtspunkte wiedergegeben sind, auf die er seine Entscheidung gestützt hat.

Dabei kann ein Schreiben, in dem die Bank dem abgelehnten Bieter den Namen des ausgewählten Bieters, die relativen Gewichtungen der Zuschlagskriterien und die Verteilung der zugeteilten Punkte mitteilt, zwar einen Erklärungsansatz darstellen, aber hinsichtlich des Erfordernisses, dass aus der Begründung die Beweggründe des Autors der Handlung deutlich hervorgehen müssen, nicht als ausreichend angesehen werden. Folglich weist eine solche Ablehnung des Angebots des Bieters einen Begründungsmangel auf und verstößt somit gegen den Leitfaden und ganz allgemein die Begründungspflicht gemäß Art. 253 EG.

(vgl. Randnrn. 100, 106-108, 112, 114, 116)

8.      In Ausschreibungsverfahren müssen die Bieter gegen die Willkür des öffentlichen Auftraggebers geschützt werden, indem ihnen garantiert wird, dass gegen deren rechtswidrige Entscheidungen ein effektiver und möglichst schneller Rechtsbehelf möglich ist.

Zunächst setzt ein vollständiger Rechtsschutz der Bieter gegen die Willkür des öffentlichen Auftraggebers die Verpflichtung voraus, sämtliche Bieter vor Abschluss des Vertrags von der Zuschlagsentscheidung zu unterrichten, damit sie einen Rechtsbehelf mit dem Ziel der Nichtigerklärung dieser Entscheidung einlegen können, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Sodann verlangt dieser vollständige Rechtsschutz, dass der abgelehnte Bieter rechtzeitig die Gültigkeit der Zuschlagserteilung prüfen kann; dies setzt voraus, dass zwischen dem Zeitpunkt, zu dem die abgelehnten Bieter von der Zuschlagsentscheidung unterrichtet worden sind, und der Unterzeichnung des Vertrags eine angemessene Frist liegt, so dass sie insbesondere einen Antrag auf einstweilige Anordnung gemäß Art. 242 EG in Verbindung mit Art. 243 EG sowie Art. 225 Abs. 1 EG einreichen können, damit der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter den Vollzug der Ablehnung des Angebots des abgelehnten Bieters aussetzen kann, bis das für die Entscheidung in der Sache zuständige Gericht über die Klage auf Nichtigerklärung dieser Entscheidung befindet. Das Recht auf einen umfassenden und effektiven gerichtlichen Rechtsschutz verlangt nämlich, dass den Betroffenen vorläufiger Schutz gewährt werden kann, wenn er für die volle Wirksamkeit der Entscheidung in der Sache erforderlich ist; sonst wäre der von den zuständigen Gerichten gewährte Rechtsschutz lückenhaft. Damit das Erfordernis eines effektiven Rechtsschutzes gewahrt ist, muss der öffentliche Auftraggeber schließlich die ihm obliegende Begründungspflicht beachten, indem er jedem abgelehnten Bieter auf dessen Antrag eine hinreichende Begründung liefert, damit dieser unter den bestmöglichen Voraussetzungen von diesem Recht Gebrauch machen kann und ihm die Möglichkeit eingeräumt wird, in Kenntnis aller Umstände zu entscheiden, ob es für ihn von Nutzen ist, das zuständige Gericht anzurufen.

(vgl. Randnrn. 119-122)

9.      Im Rahmen der Ausschreibung eines öffentlichen Auftrags müssen das Recht eines abgelehnten Bieters auf einen wirksamen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung, durch die der Auftrag an einen anderen Bieter vergeben wird, sowie die dem öffentlichen Auftraggeber obliegende entsprechende Verpflichtung, ihm auf Antrag die Gründe seiner Entscheidung mitzuteilen, als wesentliche Formvorschriften betrachtet werden, da sie den Zweck haben, mit der Zuschlagsentscheidung zu gewährleisten, dass eine wirksame Kontrolle der Unparteilichkeit des dieser Entscheidung zugrunde liegenden Ausschreibungsverfahrens ausgeübt werden kann. Die Nichtbeachtung dieser wesentlichen Formvorschriften durch den öffentlichen Auftraggeber muss die Nichtigerklärung der fraglichen Entscheidung zur Folge haben.

(vgl. Randnrn. 130-131)

10.    Die der Europäischen Investitionsbank eingeräumte Möglichkeit, die Zuschlagskriterien, auf deren Grundlage sie den ausgeschriebenen Auftrag für eigene Rechnung vergeben will, frei zu wählen, ermöglicht ihr, die Art, den Gegenstand und die Besonderheiten des jeweiligen Auftrags zu berücksichtigen.

Jedoch sind die Bestimmungen über den Ablauf des Ausschreibungsverfahrens zu berücksichtigen, die in dem Leitfaden für die Vergabe von Dienstleistungs-, Liefer- und Bauaufträgen, die die Europäische Investitionsbank auf eigene Rechnung vergibt, enthalten sind, und die sicherstellen sollen, dass die der Bank bei der Auswahl der Zuschlagskriterien eingeräumte Möglichkeit in der Phase der Bewertung der Angebote zur Vergabe des Auftrags unter Beachtung der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Transparenz ausgeübt wird. Die Regelungen sollen nämlich zum einen allen durchschnittlich fachkundigen Bietern bei Anwendung der üblichen Sorgfalt ermöglichen, die Zuschlagskriterien in gleicher Weise auszulegen und damit bei der Abfassung ihrer Gebote über die gleichen Chancen zu verfügen und zum anderen die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sicherstellen.

Zwar sind die Kriterien, die die öffentlichen Auftraggeber beim Zuschlag für das wirtschaftlich günstigste Angebot berücksichtigen können, in diesem Leitfaden nicht abschließend aufgezählt, so dass dieser dem öffentlichen Auftraggeber die Wahl der Kriterien für die Zuschlagserteilung lässt, die ihm am besten geeignet erscheinen, jedoch kommen nur Kriterien in Betracht, die der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots dienen. Als Zuschlagskriterien ausgeschlossen sind daher Kriterien, die nicht der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots dienen, sondern die im Wesentlichen mit der Beurteilung der technischen Eignung der Bieter für die Ausführung des betreffenden Auftrags zusammenhängen. die zur Phase der Auswahl der Bieter gehören und die nicht zur vergleichenden Bewertung der Angebote herangezogen werden dürfen.

Wenn das Angebot eines Bieters, der nicht von dem Ausschreibungsverfahren ausgeschlossen worden ist und die in der Bekanntmachung des Auftrags oder den Verdingungsunterlagen genannten Auswahlkriterien erfüllt, aus der Sicht des Auftraggebers nicht als das im Hinblick auf die in der Bekanntmachung des Auftrags oder den Verdingungsunterlagen genannten Kriterien wirtschaftlich günstigste Angebot erscheint, muss es vom Auftraggeber zurückgewiesen werden, da dieser das Gesamtkonzept des Auftrags nicht ändern darf, indem er eine der wesentlichen Vergabebedingungen ändert. Wäre der Auftraggeber nämlich berechtigt, im Ausschreibungsverfahren die Ausschreibungsbedingungen, wie die relative Gewichtung der Zuschlagskriterien, selbst nach Belieben zu ändern, obwohl eine entsprechende ausdrückliche Ermächtigung in den einschlägigen Bestimmungen fehlt, würden die Bestimmungen für die Auftragsvergabe, wie sie ursprünglich festgelegt wurden, verzerrt. Zudem würde eine solche Praxis unweigerlich die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung der Bieter verletzen, da die einheitliche Anwendung der Ausschreibungsbedingungen und die Objektivität des Verfahrens nicht mehr gewährleistet wären.

(vgl. Randnrn. 137-138, 141-142, 160)

11.    Wenn dem Gericht im Rahmen eines Verfahrens wegen Nichtigerklärung einer Zuschlagsentscheidung der Europäischen Investitionsbank nichts vorliegt, anhand dessen es mit Sicherheit schließen oder ausschließen könnte, dass die Änderungen des Angebots des ausgewählten Bieters und der relativen Gewichtungen der fachlichen Kriterien und des finanziellen Kriteriums vor Annahme der angefochtenen Entscheidung die vergleichende Bewertung der Angebote zum Nachteil der abgelehnten Bieter in der Weise verfälschen konnten, dass das Ergebnis des Ausschreibungsverfahrens davon betroffen worden ist, muss diese Ungewissheit zu Lasten der Bank als öffentlicher Auftraggeber gehen.

(vgl. Randnr. 181)

12.    Ist im Rahmen einer Schadensersatzklage das Vorliegen eines Kausalzusammenhangs zwischen der Annahme der rechtswidrigen Entscheidung durch den öffentlichen Auftraggeber, mit der ein Bieter eines Ausschreibungsverfahrens für einen öffentlichen Auftrag zurückgewiesen wird, und dem vom Kläger geltend gemachten Schaden, zu dem der Verlust des Auftrags selbst führt, nicht festzustellen, kann der Kläger nicht mit Erfolg den Ersatz des Schadens beantragen, der sich daraus ergibt, dass er den Vertrag mit dem öffentlichen Auftraggeber nicht geschlossen und erst recht den Auftrag nicht ausgeführt hat.

Dies hat keine Auswirkung auf die Entschädigung, die dem Kläger gemäß Art. 266 AEUV als angemessene Berichtigung seiner Situation im Anschluss an die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung zustehen könnte.

(vgl. Randnrn. 212, 214)