Language of document : ECLI:EU:C:2012:607

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

YVES BOT

vom 4. Oktober 2012(1)

Rechtssache C‑212/11

Jyske Bank Gibraltar Ltd

gegen

Administración del Estado

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Supremo [Spanien])

„Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung – Richtlinie 2005/60/EG – Pflicht der Kreditinstitute zur Meldung verdächtiger Finanztransaktionen – Im freien Dienstleistungsverkehr tätige Institute – Bestimmung der zur Sammlung von Informationen zuständigen nationalen zentralen Meldestelle – Auslegung von Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2005/60 – Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs – Zwingender Grund des Allgemeininteresses – Eignung der nationalen Vorschriften zur Erreichung der angestrebten Ziele – Verhältnismäßigkeit“





1.        Muss ein Kreditinstitut die für die Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung erforderlichen Informationen der zentralen Meldestelle des Mitgliedstaats, in dem es seine Dienstleistungen erbringt, oder der des Mitgliedstaats, in dem sich sein Gesellschaftssitz befindet, mitteilen?

2.        Mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen wird der Gerichtshof gebeten, zu bestimmen, welche zentrale Meldestelle für die Sammlung, die Prüfung und die anschließende Übermittlung von Informationen über verdächtige Finanztransaktionen an die mit der Verfolgung und Ahndung der Finanzkriminalität betrauten nationalen Behörden (im Folgenden: die zuständigen nationalen Behörden) zuständig ist. Diese Frage ist von großer Bedeutung, da es darum geht, eine wirksame und kohärente Umsetzung nicht nur der von der Richtlinie 2005/60/EG(2) bezweckten Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, sondern auch der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten beim Austausch von Meldungen im Rahmen des Beschlusses 2000/642/JI(3) sicherzustellen. Das Ziel ist klar: Es geht darum, zu verhindern, dass Geldwäscher aus der Freiheit des Dienstleistungsverkehrs Vorteile ziehen, um ihren kriminellen Tätigkeiten zulasten der Integrität des Finanzsystems der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten leichter nachgehen zu können.

3.        Diese Frage stellt sich im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Servicio Ejecutivo de la Comisión de Prevención del Blanqueo de Capitales e Infracciones Monetarias (im Folgenden: Servicio Ejecutivo)(4), der spanischen zentralen Meldestelle, und der Jyske Bank Gibraltar Ltd(5), einem Kreditinstitut, das in Spanien im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs tätig ist und dessen Gesellschaftssitz sich in Gibraltar befindet. Jyske wurde vom spanischen Ministerrat zu einem Bußgeld in Höhe von 1 700 000 Euro verurteilt, da sie die Erteilung der vom Servicio Ejecutivo zu bestimmten verdächtigen Finanztransaktionen verlangten Auskünfte verweigert hatte. Vor den nationalen Behörden vertrat Jyske die Auffassung, dass eine derartige Auskunftspflicht nach Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2005/60 nur gegenüber der zentralen Meldestelle des Staates bestehe, in dem sie ihren Sitz habe, hier Gibraltar.

4.        Im vorliegenden Verfahren fragt das Tribunal Supremo (Spanien), vor dem Jyske das ihr auferlegte Bußgeld anficht, den Gerichtshof, ob seine nationalen Rechtsvorschriften unionsrechtskonform seien, da diese Kreditinstitute, die ihre Tätigkeiten im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs im Inland ausübten, verpflichteten, die für die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität erforderlichen Informationen direkt an die zentrale Meldestelle zu übermitteln.

5.        In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich den Standpunkt vertreten, dass Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2005/60 dahin auszulegen ist, dass er derartigen Rechtsvorschriften nicht entgegensteht. Ich werde meine Beurteilung nicht nur auf den Wortlaut dieser Bestimmung, sondern auch auf die Systematik dieser Richtlinie und die vom Unionsgesetzgeber verfolgten Ziele stützen.

6.        Für den Fall, dass der Gerichtshof diese Auslegung nicht teilt, werde ich hilfsweise darlegen, dass ein Mitgliedstaat nach Art. 5 der genannten Richtlinie strengere Vorschriften zur Verhinderung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung erlassen kann, vorausgesetzt, sie sind mit dem Unionsrecht vereinbar. Dazu werde ich ausführen, dass diese Rechtsvorschriften eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellen, und untersuchen, in welchem Umfang diese gerechtfertigt sein kann.

7.        Ich werde darlegen, dass Art. 56 AEUV den genannten Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, wenn sie die folgenden, vom vorlegenden Gericht zu prüfenden Bedingungen erfüllen, nämlich dass die nationalen Rechtsvorschriften durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein müssen, dass sie geeignet sein müssen, die Erreichung der mit ihnen verfolgten Ziele zu gewährleisten, dass sie nicht über das hinausgehen dürfen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist, und dass sie in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden müssen. Zu den einzelnen Voraussetzungen werde ich nähere Ausführungen machen.

I –    Rechtlicher Rahmen

A –    Unionsrecht

1.      Die Richtlinie 2005/60

8.        Die Richtlinie 2005/60 hat die Richtlinie 91/308/EWG aufgehoben(6). Sie bezweckt die Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zweck der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, indem sie den Mitgliedstaaten vorschreibt, zum einen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu untersagen und zum anderen den Kreditinstituten insbesondere Sorgfaltspflichten gegenüber ihren Kunden sowie Pflichten zur Meldung verdächtiger Transaktionen aufzuerlegen. Diese Maßnahmen stellen Mindestanforderungen dar, die für alle Mitgliedstaaten gelten, und lassen ihnen nach Art. 5 der Richtlinie 2005/60 einen Handlungsspielraum zur Einführung oder Beibehaltung strengerer Regeln in ihrem innerstaatlichen Recht.

9.        Die Art und der Umfang der Meldepflichten sind in Kapitel III der Richtlinie 2005/60 festgelegt.

10.      Nach Art. 20 dieser Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten den Kreditinstituten vorschreiben, dass diese jeder Tätigkeit besondere Aufmerksamkeit widmen, die ihres Erachtens aufgrund ihrer Art mit Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung zusammenhängen könnten, insbesondere komplexe, unübliche oder unüblich große Transaktionen.

11.      Nach Art. 21 der genannten Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten eine zentrale Meldestelle einrichten, deren Aufgabe es ist, Informationen, die verdächtige Finanztransaktionen betreffen, zu sammeln, sie zu analysieren und an die zuständigen nationalen Behörden weiterzugeben.

12.      Der hier auszulegende Art. 22 der Richtlinie 2005/60 bestimmt Folgendes:

„1. Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass die dieser Richtlinie unterliegenden Institute und Personen sowie gegebenenfalls deren leitendes Personal und deren Angestellte in vollem Umfang zusammenarbeiten, indem sie

b)      der zentralen Meldestelle auf Verlangen umgehend alle erforderlichen Auskünfte im Einklang mit den Verfahren erteilen, die in den anzuwendenden Rechtsvorschriften festgelegt sind.

2. Die in Absatz 1 genannten Informationen werden der zentralen Meldestelle des Mitgliedstaats übermittelt, in dessen Hoheitsgebiet sich das Institut oder die Person, von dem bzw. der diese Informationen stammen, befindet. …“

13.      Schließlich können die Mitgliedstaaten aufgrund von Art. 39 Abs. 2 dieser Richtlinie bei Verstößen gegen die aufgrund dieser Richtlinie erlassenen nationalen Vorschriften verwaltungsrechtliche Sanktionen gegen Kreditinstitute verhängen. Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

2.            Der Beschluss 2000/642

14.      Der Beschluss 2000/642 regelt Vereinbarungen zwischen den zentralen Meldestellen beim Austausch von Informationen, mit dem Ziel einer engen und wirksamen Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Beteiligten(7). Dieser Beschluss gilt für Gibraltar, wobei das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland eine für dieses Gebiet zuständige zentrale Meldestelle benennen kann(8).

15.      In Art. 1 dieses Beschlusses heißt es:

„1.   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zentralen Meldestellen, die zur Entgegennahme von Finanzinformationen zum Zwecke der Bekämpfung der Geldwäsche eingerichtet oder benannt werden, bei der Zusammenstellung, Analyse und Prüfung einschlägiger Informationen innerhalb der zentralen Meldestellen über alle Tatsachen, die ein Indiz für eine Geldwäsche sein könnten, entsprechend ihren nationalen Befugnissen zusammenarbeiten.

2.      Für die Zwecke des Absatzes 1 sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass die zentralen Meldestellen unaufgefordert oder auf Ersuchen und entweder gemäß diesem Beschluss oder gemäß bereits geschlossenen oder künftigen Vereinbarungen alle verfügbaren Informationen austauschen, die für die zentralen Meldestellen bei der Verarbeitung oder Analyse von Informationen oder bei Ermittlungen, die Finanztransaktionen im Zusammenhang mit Geldwäsche und die beteiligten natürlichen oder juristischen Personen betreffen, von Belang sein können.

…“

16.      Art. 4 des genannten Beschlusses lautet:

„1.   Jedem gemäß diesem Beschluss gestellten Ersuchen wird eine kurze Beschreibung des Sachverhalts beigefügt, der der ersuchenden zentralen Meldestelle bekannt ist. Die zentrale Meldestelle hat in dem Ersuchen genau anzugeben, wie die erbetenen Informationen verwendet werden sollen.

2.      Wurde ein Ersuchen gemäß diesem Beschluss gestellt, so stellt die ersuchte zentrale Meldestelle alle einschlägigen Informationen, einschließlich der verfügbaren Finanzinformationen und der erbetenen Daten der Ermittlungsbehörden, zur Verfügung, ohne dass ein förmliches Ersuchen gemäß den geltenden Übereinkommen oder Abkommen zwischen Mitgliedstaaten gestellt werden muss.

3.      Eine zentrale Meldestelle ist nicht verpflichtet, Informationen weiterzugeben, wenn dies laufende strafrechtliche Ermittlungen im ersuchten Mitgliedstaat stören könnte, oder in Ausnahmefällen, wenn die Weitergabe der Informationen eindeutig in einem Missverhältnis zu den legitimen Interessen einer natürlichen oder juristischen Person oder des betreffenden Mitgliedstaats stünde oder in anderer Weise nicht mit den Grundprinzipien innerstaatlichen Rechts vereinbar wäre. Eine solche Ablehnung ist der ersuchenden zentralen Meldestelle angemessen zu erläutern.“

B –    Nationales Recht

17.      Die Richtlinie 91/308 wurde durch das Gesetz 19/1993 vom 28. Dezember 1993 über bestimmte Maßnahmen zur Verhinderung der Geldwäsche (Ley 19/1993 sobre determinadas medidas de prevención de blanqueo de capitales)(9) in der im Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung (im Folgenden: Gesetz 19/1993) in spanisches Recht umgesetzt.

18.      Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes 19/1993 sieht vor:

„Den Verpflichtungen nach diesem Gesetz unterliegen:

a)      Kreditinstitute …

Unter diese Aufzählung fallen ebenfalls ausländische Personen oder Einrichtungen, die über eine Zweigstelle oder ohne feste Niederlassung im Wege des Dienstleistungsverkehrs[(10)] in Spanien dieselben Tätigkeiten ausüben wie die zuvor genannten Personen oder Institute.

Die fraglichen Personen unterliegen den Verpflichtungen nach dem vorliegenden Gesetz auch in Bezug auf Transaktionen, die über Agenturen oder andere für sie als Vermittler tätige natürliche oder juristische Personen durchgeführt werden.“

19.      Nach Art. 3 Abs. 4 des Gesetzes 19/1993 müssen diese Personen oder Einrichtungen mit dem Servicio Ejecutivo zusammenarbeiten und ihm hierzu von sich aus jeden Sachverhalt und jede Transaktion mitteilen, bei dem oder der ein Hinweis oder die Gewissheit besteht, dass er oder sie mit dem Waschen von Geld, das aus den in Art. 1 dieses Gesetzes genannten Tätigkeiten stammt, im Zusammenhang steht (Buchst. a), und dem Servicio Ejecutivo die Informationen zur Verfügung stellen, die dieser im Rahmen seiner Zuständigkeit anfordert (Buchst. b).

20.      Die Verletzung dieser Verpflichtungen stellt einen sehr schwerwiegenden Verstoß dar, der ausdrücklich in Art. 5 Abs. 3 Buchst. b und d des Gesetzes 19/1993 genannt ist.

21.      Schließlich arbeiten nach Art. 16 Abs. 3 Unterabs. 1 dieses Gesetzes der Servicio Ejecutivo und gegebenenfalls das Generalsekretariat der Kommission für die Verhinderung der Geldwäsche und Finanzdelikte mit den Behörden anderer Mitgliedstaaten mit entsprechenden Befugnissen zusammen und wirken dabei insbesondere auf die Zusammenarbeit mit den Behörden der Staaten hin, deren Hoheitsgewalt sich auf an das Königreich Spanien angrenzende Gebiete erstreckt.

22.      Das Gesetz 19/1993 wurde durch das Gesetz 10/2010 vom 28. April 2010 zur Verhinderung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung (Ley de prevención del blanqueo de capitales y de la financiación del terrorismo)(11) aufgehoben. Dieses Gesetz dient der Umsetzung der Richtlinie 2005/60. Nach Art. 48 Abs. 3 dieses Gesetzes ist der Servicio Ejecutivo verpflichtet, mit den entsprechenden ausländischen Behörden zusammenzuarbeiten. Es ist vorgesehen, dass der Austausch von Informationen nach den Grundsätzen der Egmont-Gruppe und insbesondere des Beschlusses 2000/642 erfolgt.

23.      Des Weiteren ist anzumerken, dass nach Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 2 Buchst. c des Real Decreto 925/1995 vom 9. Juni 1995 zur Durchführung des Gesetzes 19/1993(12) die Verpflichtung besteht, dem Servicio Ejecutivo Bewegungen von oder auf Konten aus oder in Steuerparadiese mitzuteilen.

24.      Art. 7 Abs. 2 Buchst. b des Real Decreto 925/1995 in der durch das Real Decreto 54/2005 geänderten Fassung bestimmt:

„Die Verpflichteten teilen dem Servicio Ejecutivo monatlich mit:

b)      unabhängig vom Aufenthaltsort der beteiligten Personen Transaktionen mit oder von natürlichen oder juristischen Personen mit Sitz in Gebieten oder Ländern, die durch Rechtsverordnung des Ministeriums für Wirtschaft und Finanzen festgelegt wurden, sowie Transaktionen, die Geldtransfers von oder nach diesen Gebieten und Ländern beinhalten, sofern der Betrag der Transaktionen 30 000 Euro oder ihren Gegenwert in ausländischer Währung übersteigt.“

25.      Die als Steuerparadies und unkooperativ angesehenen Gebiete waren vorab durch das Real Decreto 1080/1991 vom 5. Juli 1991 und die Verordnung ECO/2652/2002 vom 24. Oktober 2002 betreffend die Umsetzung der Pflicht zur Meldung von Transaktionen mit Bezug zu bestimmten Ländern an den Servicio Ejecutivo der Kommission für die Verhinderung der Geldwäsche und Finanzdelikte festgelegt worden(13). Gibraltar ist in dieser Liste aufgeführt.

26.      Laut dem Tribunal Supremo verpflichtet Art. 5 des Crime (Money Laundering and Proceeds) Act 2007 (Gesetz von 2007 über Kriminalität [Geldwäsche und Erträge]), der die Richtlinie 2005/60 in das Recht von Gibraltar umgesetzt hat, zur Wahrung des Bankgeheimnisses.

II – Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

27.      Jyske ist eine Tochtergesellschaft der in Dänemark niedergelassenen Jyske Bank(14). Es handelt sich bei ihr um ein in Gibraltar ansässiges Kreditinstitut, das seine Tätigkeiten in Spanien im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs ausübt. Jyske unterliegt der Aufsicht der Financial Services Commission (Gibraltar).

28.      Am 30. Januar 2007 teilte der Servicio Ejecutivo Jyske mit, da Jyske keinen Vertreter bei ihm benannt habe, würden ihre Organisationsstruktur und ihre Verfahrensweisen im Hinblick auf ihre Tätigkeit in Spanien im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs überprüft. Hierbei forderte der Servicio Ejecutivo Jyske auf, bis zum 1. März 2007 Unterlagen und Informationen über die Identität ihrer Kunden beizubringen.

29.      Dieses Ersuchen erging im Anschluss an einen Bericht des Servicio Ejecutivo vom 24. Januar 2007, wonach Jyske in Spanien im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit eine beträchtliche Tätigkeit entfaltete, insbesondere bei Hypothekarkrediten zum Erwerb von Immobilien in Spanien. Dieser Bericht wies darauf hin, dass „das Institut bei der Entfaltung dieser Tätigkeit in Spanien in zweifacher Hinsicht unterstützt wird, nämlich durch die spanische Zweigniederlassung seiner Muttergesellschaft und insbesondere durch zwei Anwaltskanzleien in Marbella [Spanien]. Nach öffentlich zugänglichen Informationen war gegen den Inhaber einer der beiden Kanzleien wegen des Verdachts der Geldwäsche ein Strafverfahren eingeleitet worden und sein Name erscheint, ebenso wie der Name der anderen oben angeführten Anwaltskanzlei, bei vielen Transaktionen, die dem Servicio Ejecutivo von anderen Personen, die der Mitteilungspflicht betreffend Hinweise auf Geldwäsche unterliegen, angezeigt wurden.“ Nach alledem war der Servicio Ejecutivo der Auffassung, dass die sehr große Gefahr bestehe, dass Jyske im Zuge ihrer Tätigkeiten in Spanien im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs zur Geldwäsche benutzt werde. Die dazu verwendete Konstruktion habe darin bestanden, in Gibraltar „Gesellschaftsstrukturen [zu schaffen], die letztlich darauf abzielten, zu verhindern, dass die Identität des wahren Eigentümers der in Spanien, im Wesentlichen an der Costa del Sol, erworbenen Immobilien sowie … die Herkunft der für diesen Erwerb verwendeten Mittel bekannt werden“.

30.      Am 23. Februar 2007 richtete Jyske ein Schreiben an den Servicio Ejecutivo, in der sie ihm mitteilte, dass sie bei ihrer Aufsichtsbehörde, der Financial Services Commission, ein Gutachten zu der Frage beantragt habe, ob sie berechtigt sei, diese Auskünfte zu erteilen, ohne die Rechtsvorschriften von Gibraltar betreffend das Bankgeheimnis und den Schutz personenbezogener Daten zu verletzen. Am 14. März 2007 wies die Financial Services Commission den Servicio Ejecutivo darauf hin, dass das passende Verfahren zur Erlangung der genannten Auskünfte die Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden sei. Der Servicio Ejecutivo erwiderte darauf mit Schreiben vom 2. April 2007, dass Jyske aufgrund ihrer Tätigkeiten in Spanien Pflichten unterliege.

31.      Am 12. Juni 2007 übermittelte Jyske dem Servicio Ejecutivo einen Teil der verlangten Informationen. Sie weigerte sich jedoch unter Berufung auf die in Gibraltar geltenden Bestimmungen betreffend das Bankgeheimnis, Angaben über die Identität ihrer Kunden zu machen. Den Informationen waren weder Kopien der von Jyske seit 1. Januar 2004 verfassten Berichte über die besondere Untersuchung komplexer oder unüblicher Transaktionen sowie über Transaktionen ohne offensichtlichen wirtschaftlichen oder erkennbaren rechtmäßigen Zweck, auf die Art. 20 der Richtlinie 2005/60 ausdrücklich abzielt, noch Kopien der von Jyske seit dem 1. Januar 2004 im Zuge ihrer Tätigkeit im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs in Spanien durchgeführten verdächtigen Transaktionen beigefügt.

32.      Folglich leitete das Generalsekretariat der Kommission für die Verhinderung der Geldwäsche und Finanzdelikte am 25. Oktober 2007 Ermittlungen gegen Jyske ein. Es warf Jyske insbesondere vor, gegen die Bestimmungen des Gesetzes 19/1993 zu verstoßen.

33.      Nach Durchführung der Ermittlungen entschied der spanische Ministerrat am 17. April 2009, dass Jyske einen sehr schwerwiegenden Verstoß gegen die Auskunftspflichten nach dem Gesetz 19/1993 begangen habe. Folglich sprach er gegen Jyske zwei öffentliche Verwarnungen aus und setzte zwei Geldbußen in Höhe von insgesamt 1 700 000 Euro fest.

34.      Am 30. April 2009 legte Jyske gegen diesen Beschluss Widerspruch ein, den der Ministerrat am 23. Oktober 2009 zurückwies. Jyske erhob daher eine Verwaltungsklage beim Tribunal Supremo. Sie ist der Ansicht, dass sie nach der Richtlinie 2005/60 nur gegenüber den Behörden von Gibraltar auskunftspflichtig sei und die spanischen Rechtsvorschriften nicht im Einklang mit dieser Richtlinie stünden, da sie diese Verpflichtung auf Kreditinstitute ausdehnten, die in Spanien im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs tätig seien.

35.      Unter diesen Umständen hat das Tribunal Supremo beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Kann ein Mitgliedstaat in Anwendung von Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2005/60/EG verlangen, dass die Informationen, die von Kreditinstituten, die in seinem Gebiet ohne feste Niederlassung tätig sind, übermittelt werden müssen, zwingend und unmittelbar seinen für die Verhinderung der Geldwäsche zuständigen Behörden mitgeteilt werden, oder ist das Auskunftsersuchen an die zentrale Meldestelle des Mitgliedstaats zu richten, in dessen Gebiet sich das ersuchte Kreditinstitut befindet?

III – Würdigung

A –    Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

36.      Die spanische Regierung bezweifelt die Zulässigkeit der Vorlagefrage, da sie sie für hypothetisch hält. Die Mitgliedstaaten seien nämlich verpflichtet gewesen, die Richtlinie 2005/60 bis spätestens 15. Dezember 2007 in nationales Recht umzusetzen. Die Auskunftsersuchen des Servicio Ejecutivo an Jyske stammten jedoch vom 30. Januar und 12. Juni 2007.

37.      Meines Erachtens kann die Vorlagefrage nicht für unzulässig erklärt werden.

38.      Die Richtlinie 2005/60 trat nach ihrem Art. 46 im Dezember 2005 in Kraft. Die Mitgliedstaaten waren nach Art. 45 Abs. 1 Unterabs. 1 verpflichtet, sie bis spätestens 15. Dezember 2007 in ihr innerstaatliches Recht umzusetzen, was bekanntlich der Stichtag war. Der Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits reicht zwar tatsächlich bis zum 30. Januar 2007 zurück, der Gegenstand des Rechtsstreits betrifft jedoch die Rechtmäßigkeit des am 17. April 2009 vom spanischen Ministerrat erlassenen Beschlusses, mit dem Jyske für einen Verstoß gegen ihre Verpflichtungen in Bezug auf die Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung verantwortlich gemacht und verurteilt wurde. Der in Rede stehende Rechtsstreit entstand daher deutlich nach dem Zeitpunkt, zu dem die spanische Regierung die Richtlinie 2005/60 in ihr innerstaatliches Recht umgesetzt haben musste. Die Frage des vorlegenden Gerichts ist daher zulässig.

39.      Außerdem ist nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ausschließlich das nationale Gericht zuständig, sowohl die Notwendigkeit eines Vorabentscheidungsersuchens zu beurteilen als auch die Relevanz der Fragen, die es dem Gerichtshof stellt(15).

B –    Zur Sache

40.      Nach Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2005/60 müssen die Mitgliedstaaten den Kreditinstituten vorschreiben, ihrer zentralen Meldestelle umgehend die Auskünfte zu erteilen, die dieser zur Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung nützlich erscheinen.

41.      Nach Art. 22 Abs. 2 dieser Richtlinie, der hier auszulegen ist, müssen diese Informationen „der zentralen Meldestelle des Mitgliedstaats übermittelt [werden], in dessen Hoheitsgebiet sich das Institut oder die Person, von dem bzw. der diese Informationen stammen, befindet“.

42.      Mit seiner Frage will das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob nach Art. 22 Abs. 2 der genannten Richtlinie ein Mitgliedstaat ein Kreditinstitut verpflichten kann, die für die Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung erforderlichen Informationen unmittelbar an die zentrale Meldestelle dieses Staates zu übermitteln, wenn das Institut seine Tätigkeit im Inland im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs ausübt.

43.      Mit anderen Worten: Muss ein solches Institut diese Informationen an die zentrale Meldestelle des Mitgliedstaats übermitteln, in dem es seine Leistungen erbringt, oder an die zentrale Meldestelle des Mitgliedstaats, in dem es seinen Sitz hat?

44.      Diese Frage stellt sich deshalb, weil Jyske seinen Gesellschaftssitz in Gibraltar hat und über keine Zweigniederlassung in Spanien verfügt. Laut den Angaben der spanischen Regierung und dem Jahresbericht der Financial Services Commission(16) ist Jyske ein Kreditinstitut, dessen Tätigkeiten in seinem Herkunftsstaat zugelassen wurden. Diese Zulassung beruht meines Erachtens auf der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute(17), die mittlerweile durch die Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006(18) ersetzt wurde. Diese Richtlinien führen einen „Europapass“ ein, der auf dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung der Zulassung durch den Herkunftsmitgliedstaat beruht. Dieser „Pass“ ermöglicht es einem Kreditinstitut, Tätigkeiten, für die es zugelassen wurde, in sämtlichen Mitgliedstaaten entweder über die Errichtung einer Zweigniederlassung oder im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs auszuüben. Was den Ausgangsrechtsstreit betrifft, hatte sich Jyske dafür entschieden, seine Finanzdienstleistungen im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs zu erbringen(19).

45.      Vor diesem Hintergrund und aus den Gründen, die ich im Folgenden darlegen werde, bin ich der Ansicht, dass ein Mitgliedstaat Kreditinstitute, die ihre Finanzdienstleistungen im Inland nicht über die Errichtung einer Zweigniederlassung, sondern im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs erbringen, verpflichten kann, verdächtige Finanztransaktionen der nationalen zentralen Meldestelle zu melden. Meines Erachtens ist diese Auslegung von Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2005/60 angesichts ihrer Systematik und der vom Unionsgesetzgeber verfolgten Ziele geboten und steht mit dem Wortlaut dieser Vorschrift im Einklang.

1.            Zur Auslegung von Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2005/60

46.      In Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2005/60 bestimmt der Unionsgesetzgeber die für die Sammlung, Analyse und Weitergabe von Informationen über verdächtige Finanztransaktionen an die zuständigen nationalen Behörden verantwortliche zentrale Meldestelle. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift ist die zuständige Meldestelle die Meldestelle des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet „sich das Institut oder die Person, von dem bzw. der diese Informationen stammen, befindet“.

47.      Für die Auslegung dieses Wortlauts sind zunächst die Systematik und die Ziele der Richtlinie 2005/60 zu prüfen.

a)      Systematik und Ziele der Richtlinie 2005/60

48.      Zum besseren Verständnis der Systematik, in die sich die hier vom Gerichtshof auszulegende Bestimmung einfügt, und um die vom Unionsgesetzgeber verfolgten Ziele zu erfassen, ist bei der Prüfung der Richtlinie ihre Entstehungsgeschichte zu berücksichtigen.

49.      Die Bekämpfung der Finanzkriminalität in der Union umfasst nämlich drei Bereiche.

50.      Der erste Bereich betrifft die Strafbarkeit von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten.

51.      Dieser Bereich wurde anlässlich des Europäischen Rates von Tampere behandelt, der alle Mitgliedstaaten aufforderte, sich auf eine gemeinsame Definition der Straftaten der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, auf ihre Tatbestandsmerkmale und auf ihre Ahndung in den innerstaatlichen Rechtsordnungen zu einigen.

52.      Diese Straftaten sind heute in zahlreichen internationalen und europäischen Vorschriften definiert, darunter dem Übereinkommen des Europarats über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten. Auch der Unionsgesetzgeber definiert diese Straftaten in Art. 1 der Richtlinie 2005/60 und verlangt von den Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung in ihrem Hoheitsgebiet verboten werden.

53.      Was die Tatbestandsmerkmale dieser Straftaten und die angedrohten Strafen anbelangt, ist auf den Rahmenbeschluss 2001/500/JI des Rates vom 26. Juni 2001 über Geldwäsche sowie Ermittlung, Einfrieren, Beschlagnahme und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten zu verweisen(20). Der Rahmenbeschluss 2001/500 legt in Bezug auf die Bestrafung dieser Taten eine für alle Mitgliedstaaten geltende Untergrenze fest, indem er diesen in seinem Art. 2 vorschreibt, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, damit diese Straftaten mit Freiheitsstrafen von mindestens vier Jahren geahndet werden.

54.      Es gibt also mittlerweile in der Union eine gemeinsame Definition der Straftaten der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung sowie Mindestanforderungen betreffend ihre Tatbestandsmerkmale und ihre Ahndung in den nationalen Rechtsordnungen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Ermittlung und Verfolgung in Bezug auf diese Finanzstraftaten weiterhin in die ausschließliche Zuständigkeit des Mitgliedstaats fallen, in dessen Gebiet die strafbaren Finanztransaktionen durchgeführt werden.

55.      Der zweite Bereich betrifft die Verhinderung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung.

56.      Dieser Bereich beruht auf der hier in Rede stehenden Richtlinie 2005/60, die hinsichtlich der Überwachung der von den Kreditinstituten durchgeführten Finanztransaktionen und der Aufdeckung von Finanzstraftaten gemeinsame Regeln für die Mitgliedstaaten festlegt. Ziel ist es, Gefahren entgegenzuwirken, die die Integrität und das ordnungsgemäße Funktionieren des Finanzsystems beeinträchtigen können und dadurch entstehen, dass Mittel aus kriminellen Quellen in dieses System eingeführt werden und sauberes Geld für terroristische Zwecke verwendet wird.

57.      Wie aus ihrem Titel hervorgeht, führt die Richtlinie 2005/60 also ein Präventivsystem ein, das auf nationaler Ebene umgesetzt wird. Dieses beruht auf einem risikobasierten Ansatz. Die Mitgliedstaaten sollen daher die Risiken der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung erkennen, bewerten und verstehen, so dass diese abnehmen, und gegebenenfalls aus Straftaten stammende Erträge einfrieren, beschlagnahmen und einziehen. Dazu müssen die Mitgliedstaaten den unter diese Richtlinie fallenden Instituten und Personen zwei Verpflichtungen auferlegen.

58.      Die erste Verpflichtung, die in Kapitel II der Richtlinie 2005/60 genannt wird, ist eine Sorgfaltspflicht gegenüber den Kunden. Die Richtlinie schreibt also den Kreditinstituten vor, je nach der von ihnen vorgenommenen Risikobeurteilung mehr oder weniger verstärkte Sorgfaltsmaßnahmen zu ergreifen, insbesondere in Abhängigkeit von der Art des Kunden und der Geschäftsbeziehung. Diese Maßnahmen bestehen in der Feststellung der Identität des Kunden sowie des Gegenstands und der Art der Geschäftsbeziehung, in der Aufbewahrung von Belegen und Unterlagen oder auch im Verbot anonymer Konten oder fingierter Sparbücher.

59.      Die zweite ist eine Meldepflicht für verdächtige Finanztransaktionen, deren Art und Umfang in Kapitel III der Richtlinie 2005/60 genannt werden. Daher müssen die Mitgliedstaaten den Kreditinstituten nach Art. 20 dieser Richtlinie vorschreiben, Finanztransaktionen ganz besondere Aufmerksamkeit zu widmen, die ihres Erachtens mit einer kriminellen Tätigkeit zusammenhängen könnten, insbesondere solchen, die komplex, unüblich, ohne offensichtlichen wirtschaftlichen oder erkennbaren rechtmäßigen Zweck oder unüblich groß sind. Nach Art. 22 der Richtlinie sind die Kreditinstitute in diesem Fall verpflichtet, unverzüglich die vom Mitgliedstaat speziell für diesen Zweck eingerichtete zentrale Meldestelle zu unterrichten. Ich erinnere daran, dass der Ausgangsrechtsstreit wegen eines Verstoßes gegen diese Verpflichtung entstanden ist.

60.      Um die Einhaltung dieser Verpflichtungen sicherzustellen, erkennt der Unionsgesetzgeber den zuständigen nationalen Behörden verstärkte Aufsichts- und Kontrollbefugnisse nach den Art. 36 und 37 der Richtlinie 2005/60 zu. So können diese Behörden von den Kreditinstituten alle sachdienlichen Auskünfte betreffend die Einhaltung der sie treffenden Verpflichtungen verlangen und insbesondere Kontrollen und Nachprüfungen vor Ort durchführen. Ferner werden diese Befugnisse durch die Pflicht der Mitgliedstaaten ergänzt, Sanktionen für den Fall des Verstoßes gegen die genannten Verpflichtungen vorzusehen, die nach Art. 39 Abs. 1 dieser Richtlinie nicht nur wirksam und verhältnismäßig, sondern auch abschreckend sein müssen.

61.      Alle diese Maßnahmen, seien es nun Verpflichtungen der Kreditinstitute oder Kontroll- und Sanktionsbefugnisse der nationalen zuständigen Behörden, stellen somit Abschreckungsmaßnahmen dar, die, ihre wirksame Umsetzung durch alle Mitgliedstaaten vorausgesetzt, es ermöglichen müssen, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung effizient zu bekämpfen und die Stabilität und Integrität des Finanzsystems zu gewährleisten.

62.      Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der Unionsgesetzgeber bisher nur eine Mindestharmonisierung vorgenommen hat. Nach Art. 5 der Richtlinie 2005/60 stellt er es den Mitgliedstaaten frei, wesentlich strengere Vorschriften zur Ortung und Verhinderung der mit der Finanzkriminalität zusammenhängenden Risiken zu erlassen oder beizubehalten.

63.      Der dritte Bereich schließlich betrifft die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch innerhalb der Union.

64.      Zu dem für den Ausgangsrechtsstreit maßgeblichen Zeitpunkt beruhe dieser Bereich auf dem Beschluss 2000/642 sowie auf Art. 38 der Richtlinie 2005/60.

65.      Der Beschluss 2000/642 zielt darauf ab, den Informationsaustausch zwischen den nationalen zentralen Meldestellen zu verstärken, die im Rahmen der Richtlinie 91/308 im Hinblick auf eine enge und direkte Zusammenarbeit zwischen den zuständigen nationalen Behörden geschaffen wurden. Dieser Beschluss legt gemeinsame Bestimmungen der Mitgliedstaaten betreffend die Befugnisse ihrer zentralen Meldestellen, den Inhalt von Auskunftsersuchen sowie den Umfang des Informationsaustauschs fest.

66.      Den Mitgliedstaaten bleibt jedoch bei der Umsetzung dieses Mechanismus der Zusammenarbeit ein großer Beurteilungsspielraum. Zum einen sieht Art. 1 des genannten Beschlusses ausdrücklich vor, dass die zentralen Meldestellen entsprechend ihren nationalen Befugnissen zusammenarbeiten. Allerdings haben sich die Mitgliedstaaten einen großen Freiraum bei der Festlegung des rechtlichen Status ihrer zentralen Meldestellen bewahrt, die entweder der Verwaltung oder der Justiz zugeordnet oder sogar in Form einer Polizeibehörde eingerichtet werden können. Jede dieser zentralen Meldestellen unterliegt daher Organisations-, Verfahrens- und Zuständigkeitsbestimmungen, die je nach Mitgliedstaat stark voneinander abweichen. Zum anderen können die Mitgliedstaaten nach den Art. 4 und 5 des Beschlusses 2000/642 den Umfang des Informationsaustauschs und die Verwendung dieser Informationen gewissen Einschränkungen unterwerfen. Die zentralen Meldestellen können daher die Übermittlung bestimmter Informationen verweigern, wenn diese im Zusammenhang mit laufenden strafrechtlichen Ermittlungen im betreffenden Mitgliedstaat stehen, ihre Weitergabe nicht mit den „Grundprinzipien innerstaatlichen Rechts“ vereinbar wäre oder wenn die Gefahr bestünde, dass die „Interessen des Mitgliedstaats“ oder einer natürlichen oder juristischen Person beeinträchtigt würden. Es ist leicht vorstellbar, dass diese Einschränkungen angesichts der Auslegung der genannten Bestimmungen und vor allem der Vielfalt der nationalen Regelungen zur Regulierung und Überwachung der Märkte oder auch zum Schutz des Berufsgeheimnisses sowie personenbezogener Daten den Mechanismus der Zusammenarbeit stören oder sogar lähmen können. Der vorliegende Rechtsstreit macht dies sehr deutlich.

67.      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass der Beschluss 2000/642 weder einen Mechanismus zur Überwachung der Tätigkeit der Mitgliedstaaten, noch einen Zwangsmechanismus im Fall der Untätigkeit einer nationalen zentralen Meldestelle vorsieht. Somit zielen die vom Unionsgesetzgeber mit diesem Beschluss eingeführten Bestimmungen zwar auf eine Harmonisierung der grundlegenden Elemente der Zusammenarbeit zwischen den zentralen Meldestellen ab, diese bleiben jedoch minimal und lassen den Mitgliedstaaten in Bezug auf den Umfang ihrer Zusammenarbeit einen weiten Handlungsspielraum.

68.      Dieser Mechanismus wurde durch die Richtlinie 2005/60 nicht verstärkt, obwohl sie mehr als fünf Jahre später erlassen wurde. Der Unionsgesetzgeber erwähnt zwar im 40. Erwägungsgrund dieser Richtlinie die durch den Beschluss 2000/642 geschaffene Zusammenarbeit, jedoch nur, um die in diesem Beschluss vorgesehene Koordinierung zwischen den zentralen Meldestellen weitestmöglich zu fördern.

69.      Der Unionsgesetzgeber beabsichtigte zwar durch die Einbeziehung der Europäischen Kommission in dieses System in Art. 38 der Richtlinie 2005/60, über den Rahmen einer bloßen zwischenstaatlichen Zusammenarbeit hinauszugehen. Dieser Versuch blieb aber zaghaft und die Rolle dieses Organs relativ unbedeutend. Nach dieser Bestimmung leistet nämlich „[d]ie Kommission … die erforderliche Unterstützung, um die Koordinierung, einschließlich des Informationsaustauschs zwischen den zentralen Meldestellen innerhalb der Gemeinschaft, zu erleichtern“. Die genannte Bestimmung stellt den einzigen Artikel eines einzigen Abschnitts mit der Überschrift „Zusammenarbeit“ dar, und dieser Artikel enthält sonst keinen Hinweis, wie sich in der Praxis die erwähnte Unterstützung konkret gestalten soll. Nach dem 40. Erwägungsgrund dieser Richtlinie soll diese Hilfe jedoch insbesondere in einer finanziellen Unterstützung bestehen. Der Unionsgesetzgeber erkennt der Kommission also weder eine Entscheidungsbefugnis noch eine Zwangsbefugnis gegenüber den Mitgliedstaaten und ihren zentralen Meldestellen zu, die jedoch manchmal unerlässlich wären, um eine wirksame Zusammenarbeit zu gewährleisten.

70.      Man muss daher daraus schließen, dass zu dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt die vom Unionsgesetzgeber geschaffene Zusammenarbeit betreffend den Informationsaustausch im Bereich der Finanzkriminalität nur in ersten Ansätzen existierte und weitgehend vom guten Willen der Mitgliedstaaten abhängig war.

71.      Dieses System hat die Grenzen aufgezeigt, die der Unionsgesetzgeber heute im Rahmen der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010(21) durch die Einrichtung einer europäischen Aufsichtsbehörde, der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde, zu überwinden beabsichtigt. Die Verordnung Nr. 1093/2010 ist allerdings wegen des Zeitpunkts ihres Inkrafttretens auf den gegenständlichen Rechtsstreit nicht anwendbar. Dennoch lohnt es sich, die mit ihr verfolgten Ziele hervorzuheben, um die Grenzen der unter der Richtlinie 2005/60 eingeführten Zusammenarbeit besser zu verstehen und die Befugnisse zu erfassen, die zu dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt den nationalen zentralen Meldestellen übertragen werden mussten.

72.      Die Verordnung Nr. 1093/2010 soll nach ihrem Art. 1 ein Europäisches System der Finanzaufsicht einführen, dessen Ziel es insbesondere ist, die Integrität der Finanzmärkte und die Wirksamkeit der Zusammenarbeit der nationalen Aufsichtsbehörden sicherzustellen, und deckt somit den Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/60 ab. In den Erwägungsgründen 8 und 9 dieser Verordnung weist der Unionsgesetzgeber auf Folgendes hin:

„(8)      Die Union hat die Grenzen dessen erreicht, was im Rahmen der gegenwärtig bestehenden Ausschüsse der Europäischen Aufsichtsbehörden geschehen kann. Die Union darf sich nicht damit abfinden, dass es keinen Mechanismus gibt, der sicherstellt, dass die nationalen Aufsichtsbehörden bei Aufsichtsentscheidungen für grenzübergreifend tätige Finanzinstitute zur bestmöglichen Lösung gelangen, dass Zusammenarbeit und Informationsaustausch zwischen den nationalen Aufsehern unzureichend sind, dass ein gemeinsames Vorgehen der nationalen Behörden komplizierte Vereinbarungen erfordert, um den sehr unterschiedlichen Regulierungs- und Aufsichtsanforderungen Rechnung zu tragen, dass die nationalen Lösungen in den meisten Fällen die einzig vertretbare Antwort auf Probleme auf Unionsebene sind[(22)] und dass ein und derselbe Rechtstext unterschiedlich ausgelegt wird. Das Europäische System der Finanzaufsicht (im Folgenden ‚ESFS‘) sollte so konzipiert sein, dass es diese Mängel überwindet und ein System schafft, das dem Ziel eines stabilen und einheitlichen Finanzmarkts der Union für Finanzdienstleistungen entspricht und die nationalen Aufsichtsbehörden innerhalb eines starken Netzwerks der Union verbindet.

(9)      Beim ESFS sollte es sich um ein integriertes Netz nationaler Aufsichtsbehörden und Aufsichtsbehörden der Union handeln, in dem die laufende Beaufsichtigung auf nationaler Ebene verbleibt[(23)]. …“

73.      Der Unionsgesetzgeber hat somit im Rahmen des ESFS eine Europäische Bankenaufsichtsbehörde geschaffen, der nicht nur die Rolle eines Impulsgebers und Koordinators in Bezug auf den Informationsaustausch, sondern auch eine Aufsichts- und Zwangsbefugnis in Bezug auf das Vorgehen der nationalen Aufsichtsbehörden und die Tätigkeit der Kreditinstitute zukommt. Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde muss somit gewährleisten, dass die zentralen Meldestellen ihre Aufsichts- und Zusammenarbeitspflichten nach der Richtlinie 2005/60 und nach dem Beschluss 2000/642(24) erfüllen, und hat Differenzen unter ihnen zu Verfahrensfragen oder bei fehlender Zusammenarbeit verbindlich zu schlichten(25).

74.      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2006/48, die übergreifende Regeln für die Tätigkeit der Kreditinstitute in der Union festlegt, auch einen Informationsaustausch zwischen dem Herkunftsmitgliedstaat und dem Aufnahmemitgliedstaat vorsieht. Dieser Informationsaustausch beschränkt sich jedoch auf die Bankenaufsicht über ein Finanzinstitut(26).

75.      Nach alledem bin ich der Ansicht, dass das Königreich Spanien berechtigt ist, Kreditinstituten, die im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs im Inland tätig sind, eine Meldepflicht aufzuerlegen.

76.      Erstens habe ich festgestellt, dass bei der Strafbarkeit der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung weiterhin weitgehend ein zwischenstaatlicher Ansatz verfolgt wird. Es existieren zwar eine gemeinsame Definition dieser Straftaten in der Union sowie Mindestanforderungen hinsichtlich ihrer Tatbestandsmerkmale und ihrer Ahndung in den nationalen Rechtsordnungen, für ihre Ermittlung und Verfolgung ist jedoch weiterhin ausschließlich der Mitgliedstaat zuständig, in dessen Gebiet die strafbaren Finanztransaktionen durchgeführt werden. Folglich scheint es mir legitim und kohärent, dass der betreffende Mitgliedstaat von allen Kreditinstituten, die im Inland ihre Leistungen anbieten, die Auskünfte verlangen kann, die er für seine Untersuchung als sachdienlich ansieht.

77.      Ferner habe ich darauf hingewiesen, dass das System zur Überwachung und Aufdeckung verdächtiger Finanztransaktionen nach der Richtlinie 2005/60 nur auf nationaler Ebene eingerichtet ist.

78.      Dieses System beruht in erster Linie auf Sorgfalts- und Meldepflichten, deren Umsetzung allein Sache der Mitgliedstaaten ist, in deren Gebiet sich die Kreditinstitute befinden; die Mitgliedstaaten haben dabei einen risikobasierten Ansatz zu verfolgen. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen wird dadurch gewährleistet, dass den zuständigen nationalen Behörden verstärkte Aufsichts- und Ermittlungsbefugnisse, die ihnen insbesondere ermöglichen, bei den Kreditinstituten Nachprüfungen vor Ort durchzuführen, und Sanktionsbefugnisse zuerkannt werden(27).

79.      Sodann beruht das genannte System auf der Einrichtung zentraler nationaler Meldestellen, deren Rechtsstatus vom Mitgliedstaat bestimmt wird. Bis zum Erlass der Verordnung Nr. 1093/2010 unterlag ihre Tätigkeit keiner Überwachung und keiner Kontrolle auf Unionsebene, da sie noch nicht Teil eines integrierten europäischen Netzes waren.

80.      Um nun die Wirksamkeit eines solchen Überwachungs- und Aufdeckungssystems, auf dem die Richtlinie 2005/60 beruht, zu gewährleisten, scheint es mir unerlässlich, dass die zentralen Meldestellen die notwendigen Informationen für die Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung von allen Kreditinstituten erlangen können, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, unabhängig davon, ob diese über eine Zweigniederlassung oder im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit tätig werden.

81.      Zunächst ist die zentrale Meldestelle des Aufnahmemitgliedstaats mit dem innerstaatlichen Markt besser vertraut als die zentrale Meldestelle des Herkunftsmitgliedstaats und kennt die Risiken im Zusammenhang mit Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung im Inland besser als andere. Sie wird über alle Tatsachen, die mit Finanzkriminalität im Inland in Verbindung stehen können, nicht nur durch die Institute und Personen, die in der Richtlinie 2005/60 genannt sind, sondern auch durch alle nationalen Behörden informiert, die mit der Verfolgung und Ahndung von Finanzkriminalität betraut sind, unabhängig davon, ob es sich um Verwaltungs-, Justiz- oder Strafverfolgungsbehörden oder um Aufsichtsorgane handelt, die die Aktien- und Finanzderivatmärkte zu überwachen haben(28). Da die zentrale Meldestelle des Aufnahmemitgliedstaats somit unmittelbar die Informationen erhält, die auf atypische Finanztransaktionen hinweisen, sie diese analysiert und gegebenenfalls weitere Nachforschungen anordnen kann, sammelt die zentrale Meldestelle des Aufnahmemitgliedstaats alle Hinweise im Zusammenhang mit verdächtigen Finanztransaktionen und kann unverzüglich das Einfrieren, die Beschlagnahme oder die Einziehung von Vermögen veranlassen, das einen Ertrag aus einer Straftat darstellen könnte.

82.      Für die Wirksamkeit des risikobasierten Ansatzes ist es sodann erforderlich, dass das Risiko nicht nur durch die zentrale Meldestelle beurteilt wird, die die Risiken auf dem innerstaatlichen Markt am besten einschätzen kann, sondern auch durch die, die es dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet die verdächtige Finanztransaktion durchgeführt wird, erlaubt, schnell zu reagieren, indem er die Aussetzung der Transaktion gemäß Art. 24 der Richtlinie 2005/60 verlangt. Es darf nämlich nicht vergessen werden, dass in der Verwaltung langsamer gehandelt wird als im Finanzwesen.

83.      Schließlich scheint mir nur diese Auslegung die praktische Wirksamkeit der den zuständigen nationalen Behörden nach Art. 37 der Richtlinie 2005/60 zuerkannten verstärkten Aufsichts- und Ermittlungsbefugnisse sowie der Sanktionen zu gewährleisten, die diese Behörden gegen die Kreditinstitute verhängen können, die gegen ihre Sorgfalts- und Meldepflichten nach Art. 39 dieser Richtlinie verstoßen.

84.      Zweitens wäre die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 2005/60 gefährdet, wenn je nach dem Vertriebskanal, den ein Kreditinstitut für seine Finanzdienstleistungen wählt, also je nachdem, ob es über den traditionellen Kanal einer Zweigniederlassung – die bekanntlich nichts anderes als ein Betriebssitz ohne Rechtspersönlichkeit ist – tätig wird oder vielmehr beschließt, seine Dienste im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs zu erbringen, unterschiedliche Verfahrensvorschriften eingeführt würden.

85.      Es muss nämlich verhindert werden, dass sich ein Kreditinstitut für den freien Dienstleistungsverkehr entscheidet, um sich der strengeren Aufsicht durch den Aufnahmemitgliedstaat zu entziehen, und seinen Gesellschaftssitz oder seine Zweigniederlassung in einem Mitgliedstaat errichtet, in dem die Aufsicht möglicherweise weniger streng ist. Räumte man in einem solchen Fall der Behörde des Herkunftsmitgliedstaats eine Vorrangstellung ein, bestünde nicht nur die Gefahr, die Bekämpfung der Finanzkriminalität schwer zu beeinträchtigen, sondern letztlich würde auch die Entwicklung eines Finanzierungsverkehrs ermöglicht, der die Destabilisierung der Mitgliedstaaten selbst zum Ziel hat, wie der gegenständliche Fall zu zeigen scheint.

86.      Außerdem führt eine Differenzierung nach dem Vertriebskanal der Finanzdienstleistungen zu einer Ungleichbehandlung, die meines Erachtens künstlich und nicht gerechtfertigt ist. Kreditinstitute, die ihre Finanzdienstleistungen über eine Zweigniederlassung, und solche, die sie im freien Dienstleistungsverkehr anbieten, werden nämlich nicht nur auf demselben geografischen Markt tätig, sondern auch auf demselben Produktmarkt, da die Palette der angebotenen Dienstleistungen heute im einen wie im anderen Fall angesichts der neuen technologischen Mittel gleich groß sein kann. Dennoch wären bei vergleichbarer Leistung Erstere verpflichtet, verdächtige Finanztransaktionen der zentralen Meldestelle des Mitgliedstaats zu melden, in dem sie über eine Zweigniederlassung verfügen, während Letztere davon befreit wären. Eine solche Situation würde offensichtlich die Wirksamkeit der im Rahmen der Richtlinie 2005/60 geschaffenen Aufsicht beeinträchtigen, und Geldwäscher könnten daraus Vorteile ziehen, um ihren kriminellen Aktivitäten leichter nachgehen zu können.

87.      Folglich scheint es mir klar, dass ein Kreditinstitut, das seine Tätigkeit im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs im Gebiet eines Mitgliedstaats ausübt, einem genauso wirksamen System der Aufsicht unterliegen muss wie ein Kreditinstitut, das in diesem Hoheitsgebiet über eine Zweigniederlassung tätig wird, so dass gewährleistet ist, dass alle unter den gleichen Bedingungen die geltenden Verpflichtungen einhalten.

88.      Drittens bin ich der Ansicht, dass die Bestimmungen des Beschlusses 2000/642 und der Richtlinie 2005/60 nicht ausreichend sind, um eine verstärkte Zusammenarbeit zu gewährleisten, die geeignet ist, die Bekämpfung der Finanzkriminalität in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens wirksam zu fördern. Wenn nämlich das betreffende Kreditinstitut nicht von sich aus die erforderlichen Informationen zur Verfügung stellt und die zentrale Meldestelle des Herkunftsmitgliedstaats sie mangels Hinweisen oder Kenntnis der Risiken auf dem Markt, auf dem das Kreditinstitut seine Leistungen erbringt, nicht verlangt, gibt es keine Maßnahme, mit der diese Behörde gezwungen werden kann, dem Kreditinstitut die Bekanntgabe der erwähnten Informationen vorzuschreiben und sie der zentralen Meldestelle des Aufnahmemitgliedstaats mitzuteilen.

89.      Wie dargelegt, beruhten zu dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch mehr auf dem guten Willen der Mitgliedstaaten als auf einem integrierten Netz nationaler und europäischer Aufsichtsbehörden, deren Tätigkeit überwacht und deren Versäumnisse gerügt werden, wie es heute im neuen Europäischen System der Finanzaufsicht geschieht.

90.      Viertens bin ich nicht der Ansicht, dass die Bestimmungen der Richtlinien über die Aufnahme und die Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, nämlich die Richtlinien 2000/12 und 2006/48 sowie die Richtlinie 2004/39 über Märkte für Finanzinstrumente, jeweils in der im Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung, unter Umständen wie den vorliegenden, die Zuständigkeit der zentralen Meldestelle des Herkunftsmitgliedstaats begründen können. Die Grundsätze des Vertrauens und der gegenseitigen Anerkennung, auf denen diese Verordnungen beruhen, erstrecken sich nämlich ausschließlich auf die Zulassung des Kreditinstituts und die Bankenaufsicht über dieses Institut. Dies wird durch die Tatsache belegt, dass nach Art. 31 der Richtlinie 2006/48 der Aufnahmemitgliedstaat trotz der Zulassung durch den Herkunftsmitgliedstaat alle geeigneten Maßnahmen gegenüber dem Kreditinstitut ergreifen kann, um Unregelmäßigkeiten zu verhindern oder zu ahnden, die dieses im Inland unter Verstoß gegen die gesetzlichen Bestimmungen begeht, die der Aufnahmemitgliedstaat aus Gründen des Allgemeininteresses – die Bekämpfung der Finanzkriminalität ist eindeutig ein solcher Grund – erlassen hat.

91.      Angesichts der Systematik, in die sich diese Bestimmung einfügt, und der Ziele, die der Unionsgesetzgeber verfolgt, bin ich daher der Ansicht, dass Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2005/60 dahin auszulegen ist, dass von ihm nicht nur Kreditinstitute erfasst sind, die ihre finanziellen Tätigkeiten über einen Gesellschaftssitz oder eine Zweigniederlassung entfalten, sondern auch Kreditinstitute, die ihre finanziellen Tätigkeiten im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs ausüben.

92.      Der Wortlaut dieser Vorschrift ist in diesem Sinne auszulegen.

b)      Der Wortlaut von Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2005/60

93.      Nach dem Wortlaut von Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2005/60 ist die zentrale Meldestelle desjenigen Mitgliedstaats zuständig, „in dessen Hoheitsgebiet sich das Institut oder die Person, von dem bzw. der diese Informationen stammen, befindet“.

94.      Der erste Fall bezieht sich offensichtlich auf die Situation, in der das Kreditinstitut über einen Sitz oder eine Zweigniederlassung im Mitgliedstaat verfügt. In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen bin ich dennoch der Ansicht, dass der vom Unionsgesetzgeber verwendete Ausdruck auch den Fall abdecken kann, dass das Kreditinstitut am innerstaatlichen Markt teilnimmt, indem es seine Finanzdienstleistungen anders als über einen Betriebssitz anbietet, d. h., indem es seine Tätigkeiten im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs ausübt.

95.      Der zweite Fall ist äußerst vage und weit formuliert. Er betrifft zweifellos die in Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 der Richtlinie 2005/60 genannten Personen, zu denen auch Dienstleister gehören, die denselben Meldepflichten unterliegen wie Finanzinstitute. Außerdem spricht nichts dagegen, dass damit auch der Fall abgedeckt ist, dass ein Finanz- oder Wertpapierdienstleister im Inland über Vertreter tätig wird.

96.      Der vom Unionsgesetzgeber verwendete Wortlaut steht daher einer Auslegung von Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2005/60 dahin, dass die für die Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung erforderlichen Informationen an die zentrale Meldestelle des Mitgliedstaats zu übermitteln sind, in dessen Gebiet das Kreditinstitut seine Dienstleistungen erbringt, nicht entgegen. Ich bin im Gegenteil der Ansicht, dass diese Auslegung angesichts der Ziele, die der Unionsgesetzgeber im Rahmen dieser Rechtsvorschriften und ihrer Systematik verfolgt, geboten ist.

97.      Nach alledem bin ich folglich der Ansicht, dass Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2005/60 dahin auszulegen ist, dass er den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, die die Kreditinstitute verpflichten, die für die Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung erforderlichen Informationen unmittelbar an die zentrale Meldestelle dieses Staates zu übermitteln, wenn diese Institute ihre Tätigkeiten im Inland im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs ausüben.

98.      Eine solche Auslegung ermöglicht es meines Erachtens, die Befugnisse, über die die Mitgliedstaaten im Bereich der Aufdeckung, der Überwachung und der Ahndung von Finanzkriminalität in ihrem Gebiet verfügen, zu wahren. Ebenso schließt sie den Informationsaustausch zwischen dem Aufnahmemitgliedstaat und dem Herkunftsmitgliedstaat offensichtlich nicht aus, im Gegenteil, können Letzterem doch äußerst nützliche Informationen zur Verfügung stehen, da sich in seinem Gebiet der Gesellschaftssitz des betreffenden Instituts befindet.

99.      Für den Fall, dass der Gerichtshof meine Auslegung dieser Bestimmung nicht teilen sollte, weise ich darauf hin, dass nach Art. 5 der Richtlinie 2005/60 ein Mitgliedstaat auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet strengere nationale Bestimmungen zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung erlassen kann. Innerstaatliche Rechtsvorschriften wie die im Ausgangsverfahren fraglichen, die die in Art. 20 ff. der Richtlinie 2005/60 genannte Meldepflicht verstärken, fallen unbestreitbar unter Art. 5 der Richtlinie.

100. Der Gerichtshof muss sich dennoch vergewissern, dass solche Rechtsvorschriften mit dem Unionsrecht vereinbar sind, insbesondere mit der in Art. 56 AEUV verankerten Dienstleistungsfreiheit. Wie ich nämlich ausgeführt habe, ist Jyske in Gibraltar niedergelassen und erbringt ihre Finanzdienstleistungen in Spanien im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs. Folglich muss die Vereinbarkeit der fraglichen Rechtsvorschriften mit der genannten Bestimmung geprüft werden.

101. Da es sich hier um hilfsweise Ausführungen handelt, beschränke ich mich auf die folgenden Bemerkungen.

2.      Zur Vereinbarkeit der fraglichen innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit der Dienstleistungsfreiheit

102. Ich weise zunächst darauf hin, dass Art. 56 AEUV nach ständiger Rechtsprechung nicht nur die Beseitigung jeder Diskriminierung eines in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleistenden aufgrund seiner Staatsangehörigkeit, sondern auch die Aufhebung aller Beschränkungen verlangt, selbst wenn sie unterschiedslos für inländische Dienstleistende wie für solche aus anderen Staaten gelten, sofern sie geeignet sind, die Tätigkeiten des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und dort rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen(29).

a)            Das Vorliegen einer Beschränkung

103. Es ist unbestreitbar und außerdem unstreitig, dass die fraglichen Rechtsvorschriften eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellen.

104. Nach diesen Rechtsvorschriften muss nämlich ein Dienstleistender, der in einem anderen Mitgliedstaat als dem Königreich Spanien niedergelassen ist, von sich aus oder auf Verlangen die zentrale Meldestelle umgehend über alle laufenden oder bereits abgeschlossenen Finanztransaktionen informieren, die mit Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung zusammenhängen könnten. Es liegt daher auf der Hand, dass solche Rechtsvorschriften geeignet sind, die Tätigkeiten des betreffenden Kreditinstituts zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, insbesondere dann, wenn eine zügige Erbringung dieser Dienstleistungen geboten ist. Die Meldepflicht kann nämlich die Durchführung der betreffenden Transaktionen verzögern oder sogar verhindern und kann zusätzliche Kosten verursachen. Außerdem ist diese Verpflichtung geeignet, den Datenschutz zu beeinträchtigen und Geschäftsgeheimnisse sowie andere vertrauliche Informationen, über die das Kreditinstitut verfügt, zu gefährden. Dies alles zeigt, wenn dies überhaupt noch nötig ist, dass die betreffenden nationalen Rechtsvorschriften geeignet sind, den freien Finanzdienstleistungsverkehr zu beeinträchtigen.

105. Dennoch steht eine solche Beschränkung im Einklang mit Art. 56 AEUV, wenn sie die nachstehenden Bedingungen erfüllt, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen sein wird, nämlich dass diese Rechtsvorschriften durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein müssen, dass sie geeignet sein müssen, die Erreichung der mit ihnen verfolgten Ziele zu gewährleisten, dass sie verhältnismäßig sein müssen und dass sie schließlich in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden müssen(30). Hierzu möchte ich einige Hinweise zu der Frage geben, ob diese Voraussetzungen im Ausgangsverfahren erfüllt sind.

b)            Die Rechtfertigung der Beschränkung

106. Im vorliegenden Verfahren müssen die in Frage stehenden Rechtsvorschriften den nationalen Behörden ermöglichen, zu überprüfen, ob die Kreditinstitute, die ihre Dienstleistungen im Inland erbringen, keine Finanztransaktionen durchführen, die andere Zwecke als die haben, für die die Institute in ihrem Herkunftsstaat zugelassen wurden, und in Verbindung mit Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung stehen. Die durch die nationalen Rechtsvorschriften eingeführte Meldepflicht muss es ermöglichen, eine Forderung des Unionsrechts umzusetzen, nämlich die Bekämpfung der Finanzkriminalität und die Wahrung der Integrität des Finanzsystems durch das Verhindern verdächtiger Finanztransaktionen.

107. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das Ziel der Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung ein zwingender Grund des Allgemeininteresses und kann somit im gegenständlichen Fall eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen(31).

c)            Die Eignung der fraglichen Rechtsvorschriften zur Erreichung der verfolgten Ziele

108. Eine nationale Regelung ist nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs nur dann geeignet, die Verwirklichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen(32). Bei dieser Prüfung ist der Kontext, in dem die Regelung erlassen wurde, zu berücksichtigen. Ich bin der Ansicht, dass die in Rede stehende Regelung die oben genannten Voraussetzungen erfüllt.

109. Nach dieser Regelung kann nämlich der Mitgliedstaat die Gesamtheit der im Inland von den Kreditinstituten durchgeführten Finanztransaktionen überwachen, und zwar unabhängig davon, zu welcher Form der Dienstleistungserbringung – über die Errichtung eines Gesellschaftssitzes oder einer Zweigniederlassung oder im Wege des freien Dienstleistungsverkehrs – sich diese entschlossen haben. So unterliegen alle Institute ähnlichen Verpflichtungen, was mir völlig kohärent erscheint, wenn sie ihre Tätigkeiten auf dem gleichen Markt ausüben und ähnliche Finanzdienstleistungen anbieten, die, in mehr oder weniger großem Umfang, für die Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung verwendet werden können. Außerdem kann nach der genannten Regelung der Mitgliedstaat wegen der gestärkten Aufsichts- und Weisungsbefugnisse, die ihm nach der Richtlinie 2005/60 zur Verfügung stehen, die Durchführung der genannten Transaktionen aussetzen. Schließlich ermöglicht diese Regelung dem Mitgliedstaat, da er in seinem Gebiet für die Strafbarkeit, die Verfolgung und die Ahndung von Finanzdelikten ausschließlich zuständig ist, bei vernünftigen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit einer Finanztransaktion die Übermittlung von Informationen zu verlangen, die er für sachdienlich hält, um seiner Aufgabe nachzukommen, und gegebenenfalls gegen die Verantwortlichen vorzugehen und diese zu bestrafen.

110. Diese Umstände zeigen somit meines Erachtens, dass mit den in Rede stehenden Rechtsvorschriften die Finanzkriminalität auf wirksame und kohärente Art bekämpft werden kann.

d)            Die Verhältnismäßigkeit der in Rede stehenden Rechtsvorschriften

111. Es ist nunmehr zu prüfen, ob die mit der fraglichen spanischen Regelung verfolgten Ziele offenkundig durch eine die Dienstleistungsfreiheit weniger einschränkende Maßnahme erreicht werden können. Ich bin nicht überzeugt, dass das zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der Fall war.

112. Zum einen fügen sich diese Rechtsvorschriften in den Rahmen einer präventiven Kontrolle ein, die eine rasche Übermittlung von Informationen verlangt, die vor der Durchführung einer verdächtigen Finanztransaktion stattfindet und die gegebenenfalls Hand in Hand mit einer extrem schnellen Reaktion der zuständigen nationalen Behörden gehen muss, sobald die Zweifel bestätigt werden. Folglich kann ein solches Ziel nur verwirklicht werden, wenn der Aufnahmemitgliedstaat durch die Zusammenarbeit zwischen den zentralen Meldestellen seine Aufgabe wirklich erfüllen und vor der Durchführung der verdächtigen Finanztransaktion einschreiten kann. Zu dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt war jedoch der Informationsaustausch zwischen diesen Meldestellen, wie der Unionsgesetzgeber anerkannt hat, ungenügend und u. a. durch einen Mangel an Vertrauen und eine inkohärente Anwendung des Unionsrechts lahmgelegt(33).

113. Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass die in Rede stehenden Rechtsvorschriften sich nur auf Informationen über verdächtige Finanztransaktionen beziehen, die die zentrale Meldestelle für die Erfüllung ihrer Aufgabe als sachdienlich ansieht, und nicht auf Angaben über die Gesamtheit der von den Kreditinstituten durchgeführten Finanztransaktionen. Es handelt sich folglich um eine ganz gezielte Anforderung. Außerdem bin ich nicht überzeugt, dass die Anerkennung einer ausschließlichen Befugnis der zentralen Meldestelle des Herkunftsmitgliedstaats zur Einholung der genannten Informationen genauso wirksam ist, da diese Meldestelle meiner Ansicht nach nicht am besten geeignet ist, die wichtigsten Informationen zu bestimmen, die im Gebiet des Aufnahmemitgliedstaats durchgeführte Finanztransaktionen betreffen.

114. In Anbetracht des Fehlens eines wirksamen Mechanismus, der eine vollständige Zusammenarbeit der zentralen Meldestellen gewährleistet, sowie der negativen Folgen, die diese Schwäche für die Wirksamkeit der Bekämpfung der Finanzkriminalität und die Integrität des europäischen und innerstaatlichen Finanzsystems mit sich bringen könnte, bin ich folglich der Ansicht, dass ein Mitgliedstaat zu Recht davon ausgehen durfte, dass seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 2005/60 besser durch nationale Rechtsvorschriften wie die im Ausgangsverfahren maßgeblichen abgesichert waren.

e)            Nichtdiskriminierende Anwendung

115. Nach den vorliegenden Informationen scheinen die in Rede stehenden Rechtsvorschriften nicht diskriminierend zu sein. Diese Rechtsvorschriften scheinen nämlich die Kreditinstitute unterschiedslos und unabhängig davon zu treffen, ob sie im Inland oder in einem anderen Mitgliedstaat ihren Sitz haben, da sie die Gesamtheit der Kreditinstitute und alle Personen und ausländischen Einrichtungen erfassen, die in Spanien Tätigkeiten über Zweigniederlassungen oder im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs ausüben. Das vorlegende Gericht wird jedoch zu prüfen haben, ob die genannten Rechtsvorschriften auch in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden.

116. Nach alledem bin ich für den Fall, dass der Gerichtshof meine Auslegung von Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2005/60 nicht teilt, der Ansicht, dass Art. 56 AEUV dahin auszulegen ist, dass er den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, die Kreditinstitute, die ihre Tätigkeiten im Inland im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs ausüben, verpflichten, die für die Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung erforderlichen Informationen unmittelbar der zentralen Meldestelle dieses Staates zu übermitteln, wenn diese Rechtsvorschriften durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind, wenn sie geeignet sind, die Erreichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, wenn sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist, und wenn sie in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden.

117. Es ist Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung der nachstehenden Erwägungen zu prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind.

–        In Anbetracht der Risiken für die Integrität des Finanzmarkts, die die Finanzkriminalität mit sich bringt, kann ein Mitgliedstaat Kreditinstitute, die ihre Dienstleistungen im Inland erbringen, rechtmäßig verpflichten, dass sie zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung Informationen über verdächtige Finanztransaktionen übermitteln.

–        Eine solche Regelung ist geeignet, dieses Ziel zu verwirklichen, wenn sie dem Mitgliedstaat ermöglicht, verdächtige Finanztransaktionen, die Kreditinstitute, die ihre Dienstleistungen im Inland erbringen, durchführen, zu überwachen und wirksam auszusetzen sowie gegebenenfalls gegen die Verantwortlichen vorzugehen und diese zu bestrafen.

–        Diese Verpflichtung der Kreditinstitute, die ihre Tätigkeiten im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs erbringen, kann in angemessenem Verhältnis zur Verfolgung dieses Ziels stehen, wenn wie zu dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt ein wirksamer Mechanismus fehlt, der eine vollständige Zusammenarbeit der zentralen Meldestellen gewährleistet.

–        Eine derartige Regelung ist als solche nicht diskriminierend.

IV – Ergebnis

118. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, dem Tribunal Supremo wie folgt zu antworten:

1.      Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2005/60 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung in der Fassung der Richtlinie 2008/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2008 ist dahin auszulegen, dass er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, die die Kreditinstitute verpflichten, die für die Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung erforderlichen Informationen unmittelbar an die zentrale Meldestelle dieses Staates zu übermitteln, wenn diese Institute ihre Tätigkeiten im Inland im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs ausüben.

2.a      Art. 56 AEUV ist jedenfalls dahin auszulegen, dass er solchen Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, wenn diese durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind, wenn sie geeignet sind, die Erreichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, wenn sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist, und wenn sie in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden.

2.b      Es ist Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung der nachstehenden Erwägungen zu prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind.

–        In Anbetracht der Risiken für die Integrität des Finanzmarkts, die die Finanzkriminalität mit sich bringt, kann ein Mitgliedstaat Kreditinstituten, die ihre Dienstleistungen im Inland erbringen, rechtmäßig vorschreiben, dass sie zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung Informationen über verdächtige Finanztransaktionen übermitteln.

–        Eine solche Regelung ist geeignet, dieses Ziel zu verwirklichen, wenn sie dem Mitgliedstaat ermöglicht, verdächtige Finanztransaktionen, die Kreditinstitute, die ihre Dienstleistungen im Inland erbringen, durchführen, zu überwachen und wirksam auszusetzen sowie gegebenenfalls gegen die Verantwortlichen vorzugehen und diese zu bestrafen.

–        Diese Verpflichtung der Kreditinstitute, die ihre Tätigkeiten im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs erbringen, kann in angemessenem Verhältnis zur Verfolgung dieses Ziels stehen, wenn wie zu dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt ein wirksamer Mechanismus fehlt, der eine vollständige Zusammenarbeit der zentralen Meldestellen gewährleistet.

–        Eine derartige Regelung ist als solche nicht diskriminierend.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung (ABl. L 309, S. 15) in der durch die Richtlinie 2008/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2008 (ABl. L 76, S. 46) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2005/60). Die Richtlinie 2005/60 wurde zuletzt durch die Richtlinie 2010/78/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 (ABl. L 331, S. 120) geändert, die jedoch auf das gegenständliche Verfahren nicht anwendbar ist.


3 –      Beschluss des Rates vom 17. Oktober 2000 über Vereinbarungen für eine Zusammenarbeit zwischen den zentralen Meldestellen der Mitgliedstaaten beim Austausch von Informationen (ABl. L 271, S. 4).


4 – Durchführungsstelle der Kommission für die Verhinderung der Geldwäsche und Finanzdelikte.


5 – Im Folgenden: Jyske.


6 –      Richtlinie des Rates vom 10. Juni 1991 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche (ABl. L 166, S. 77).


7 –      Siehe Erwägungsgründe 3 und 4 dieses Beschlusses.


8 –      Art. 10 des Beschlusses 2000/642.


9 –      BOE Nr. 311 vom 29. Dezember 1993, S. 37327.


10 –      Hervorhebung nur hier.


11 –      BOE Nr. 103 vom 29. April 2010, S. 37458.


12 –      BOE Nr. 160 vom 6. Juli 1995, S. 20521. Dieses Dekret wurde durch das Real Decreto Nr. 54/2005 vom 21. Januar 2005 (BOE Nr. 19 vom 22. Januar 2005, S. 2573) geändert.


13 –      BOE Nr. 260 vom 30. Oktober 2002, S. 38033.


14 – Die Gruppe Jyske Bank besteht insbesondere aus der in Dänemark niedergelassenen Muttergesellschaft und fünf Tochtergesellschaften mit Sitz in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Gibraltar und der Schweiz (siehe die Informationen auf der Internetseite der Gruppe unter http//www.jyskebank.dk).


15 –      Vgl. u. a. Beschluss vom 15. April 2011, Debiasi (C‑613/10, Randnr. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).


16 – Vgl. Jahresbericht 2002 der Financial Services Commission (Gibraltar), abrufbar auf der Internetseite http://www.fsc.gi.


17 –      ABl. L 126, S. 1.


18 –      ABl. L 177, S. 1. Vgl. ebenso die Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates (ABl. L 145, S. 1) in der zuletzt durch die Richtlinie 2010/78/EU geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2004/39). Nach dieser Richtlinie können Wertpapierfirmen, Banken und Börsen ihre Dienstleistungen über die Grenzen hinweg auf der Basis der Zulassung durch die zuständige Behörde im Ursprungsmitgliedstaat erbringen.


19 – Gemäß Art. 299 Abs. 4 EG findet der Vertrag auf Gibraltar – das ein europäisches Hoheitsgebiet ist, dessen auswärtige Beziehungen das Vereinigte Königreich wahrnimmt – Anwendung, vorbehaltlich der in der Akte über die Beitrittsbedingungen für das Königreich Dänemark, Irland und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland und die Anpassungen der Verträge (ABl. 1972, L 73, S. 14) vorgesehenen Ausnahmen. Die Vertragsbestimmungen über die Dienstleistungsfreiheit sowie die Sekundärrechtsakte, die die Herstellung der Dienstleistungsfreiheit sicherstellen sollen, finden daher auf das Gebiet von Gibraltar Anwendung. Ein Wirtschaftsteilnehmer wie Jyske, der in Gibraltar seinen Sitz hat, kann sich daher auf die genannten Regeln berufen.


20 –      ABl. L 182, S. 1.


21 –      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission (ABl. L 331, S. 12).


22 –      Hervorhebung nur hier.


23 –      Ebenso.


24 – Vgl. Erwägungsgründe 27 und 28 sowie Art. 17 der Verordnung Nr. 1093/2010.


25 – Vgl. 32. Erwägungsgrund und Art. 19 dieser Verordnung.


26 – Vgl. insbesondere Titel V Kapitel I Abschnitt I und II dieser Richtlinie.


27 –      Vgl. die Art. 37 und 39 dieser Richtlinie.


28 –      Vgl. Art. 25 dieser Richtlinie.


29 –      Vgl. insbesondere Urteil vom 19. Januar 2006, Kommission/Deutschland (C‑244/04, Slg. 2006, I‑885, Randnr. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).


30 –      Vgl. Urteil vom 19. Juli 2012, Garkalns (C‑470/11, Randnrn. 35 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).


31 –      Urteil des Gerichtshofs vom 30. Juni 2011, Zeturf (C‑212/08, Slg. 2011, I‑5633, Randnrn. 45 f.).


32 –      Ebd. (Randnr. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).


33 –      Vgl. insbesondere den ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1093/2010.