Language of document : ECLI:EU:C:2023:669

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

14. September 2023(*)

„Rechtsmittel – Staatliche Beihilfen – Art. 107 Abs. 1 AEUV – Verkauf von Dosengetränken an Personen mit Wohnsitz im Königreich Dänemark – Verkauf ohne Pfand unter der Bedingung des Exports der gekauften Getränke – Nichtverhängung einer Geldbuße – Begriff ‚staatliche Beihilfe‘ – Begriff ‚staatliche Mittel‘ – Beschluss, mit dem erklärt wird, dass keine Beihilfe vorliegt – Nichtigkeitsklage“

In den verbundenen Rechtssachen C‑508/21 P und C‑509/21 P

betreffend zwei Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 18. August 2021,

Europäische Kommission, vertreten durch T. Maxian Rusche und B. Stromsky als Bevollmächtigte,

Rechtsmittelführerin (C‑508/21 P)

Beklagte im ersten Rechtszug (C‑509/21 P),

Interessengemeinschaft der Grenzhändler (IGG) mit Sitz in Flensburg (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwälte M. Bauer und F. von Hammerstein,

Rechtsmittelführerin (C‑509/21 P)

Streithelferin im ersten Rechtszug (C‑508/21 P),

andere Parteien des Verfahrens:

Dansk Erhverv mit Sitz in Kopenhagen (Dänemark), vertreten zunächst durch T. Mygind und H. Peytz, Advokaten, dann durch H. Peytz, Advokat,

Klägerin im ersten Rechtszug (C‑508/21 P und C‑509/21 P),

Danmarks Naturfredningsforening mit Sitz in Kopenhagen,

Bundesrepublik Deutschland,

Streithelferinnen im ersten Rechtszug (C‑508/21 P und C‑509/21 P),

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter D. Gratsias, M. Ilešič, I. Jarukaitis und Z. Csehi (Berichterstatter),

Generalanwalt: A. M. Collins,

Kanzler: M. Longar, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 2022,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. März 2023

folgendes

Urteil

1        Mit ihren jeweiligen Rechtsmitteln beantragen die Europäische Kommission und die Interessengemeinschaft der Grenzhändler (IGG), eine Vereinigung, die die Interessen von Händlern an der Nordgrenze der Bundesrepublik Deutschland vertritt, die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 9. Juni 2021, Dansk Erhverv/Kommission (T‑47/19, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2021:331), mit dem dieses den Beschluss C(2018) 6315 final der Kommission vom 4. Oktober 2018 über die staatliche Beihilfe SA.44865 (2016/FC) – Deutschland – Mutmaßliche staatliche Beihilfe an grenznahe norddeutsche Getränkehändler (im Folgenden: streitiger Beschluss) für nichtig erklärt hatte.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Richtlinie 94/62/EG

2        Art. 7 („Rücknahme‑, Sammel- und Verwertungssysteme“) der Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 1994 über Verpackungen und Verpackungsabfälle (ABl. 1994, L 365, S. 10) in der durch die Richtlinie 2015/720/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2015 (ABl. 2015, L 115, S. 11) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 94/62) bestimmt in Abs. 1:

„Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen zur Einrichtung von Systemen für

a)      die Rücknahme und/oder Sammlung von gebrauchten Verpackungen und/oder Verpackungsabfällen beim Verbraucher oder jedem anderen Endabnehmer bzw. aus dem Abfallaufkommen mit dem Ziel einer bestmöglichen Entsorgung;

b)      die Wiederverwendung oder Verwertung – einschließlich der stofflichen Verwertung – der gesammelten Verpackungen und/oder Verpackungsabfälle,

um die Zielvorgaben dieser Richtlinie zu erfüllen.

An diesen Systemen können sich alle Marktteilnehmer der betreffenden Wirtschaftszweige und die zuständigen Behörden beteiligen. Sie gelten auch für Importprodukte, die dabei keine Benachteiligung erfahren, auch nicht bei den Modalitäten und etwaigen Gebühren für den Zugang zu den Systemen, die so beschaffen sein müssen, dass gemäß dem [AEU‑]Vertrag keine Handelshemmnisse oder Wettbewerbsverzerrungen entstehen.“

 Richtlinie 2008/98/EG

3        Die Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (ABl. 2008, L 312, S. 3) definiert in ihrem Art. 3 Nr. 1 den Begriff „Abfall“ als „jeden Stoff oder Gegenstand, dessen sich sein Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss“.

 Deutsches Recht

4        Mit der Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen (Verpackungsverordnung) vom 21. August 1998 (BGBl. 1998 I S. 2379, im Folgenden: VerpackV) in der auf den Rechtsstreit anwendbaren Fassung wird die Richtlinie 94/62 in deutsches Recht umgesetzt.

5        Gemäß § 2 Abs. 1 VerpackV gilt diese für alle im Geltungsbereich des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsgesetz – KrWG) vom 24. Februar 2012 (BGBl. 2012 I S. 212, im Folgenden: KrWG) in Verkehr gebrachten Verpackungen.

6        Mit § 9 Abs. 1 VerpackV wird ein Pfandsystem für bestimmte Einweggetränkeverpackungen (im Folgenden: Pfandsystem) eingeführt. In dieser Bestimmung heißt es:

„Vertreiber, die Getränke in Einweggetränkeverpackungen mit einem Füllvolumen von 0,1 Liter bis 3 Liter in Verkehr bringen, sind verpflichtet, von ihrem Abnehmer ein Pfand in Höhe von mindestens 0,25 Euro einschließlich Umsatzsteuer je Verpackung zu erheben. Satz 1 gilt nicht für Verpackungen, die nicht im Geltungsbereich der Verordnung an Endverbraucher abgegeben werden. Das Pfand ist von jedem weiteren Vertreiber auf allen Handelsstufen bis zur Abgabe an den Endverbraucher zu erheben. … Das Pfand ist bei Rücknahme der Verpackungen zu erstatten. Ohne eine Rücknahme der Verpackungen darf das Pfand nicht erstattet werden. …“

7        Aus § 15 Abs. 1 Nr. 14 VerpackV ergibt sich, dass die Nichterhebung des Pfands unter Verstoß gegen die Bestimmungen in § 9 Abs. 1 VerpackV eine Ordnungswidrigkeit darstellt.

8        § 69 Abs. 3 KrWG sieht vor, dass eine solche Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu 100 000 Euro geahndet werden kann.

9        Das Pfandsystem trat am 1. Januar 2003 in Kraft.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

10      Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist in den Rn. 1 bis 27 des angefochtenen Urteils dargestellt. Sie lassen sich für die Zwecke des vorliegenden Verfahrens wie folgt zusammenfassen.

11      Am 14. März 2016 reichte Dansk Erhverv, ein Berufsverband, der die Interessen dänischer Unternehmen vertritt, bei der Kommission eine Beschwerde ein, die sich auf einen Verstoß gegen die in den Art. 107 und 108 AEUV vorgesehenen unionsrechtlichen Vorschriften über staatliche Beihilfen stützte.

12      Im Rahmen dieser Beschwerde machte Dansk Erhverv geltend, die Bundesrepublik Deutschland gewähre einer Gruppe von norddeutschen Einzelhandelsunternehmen (im Folgenden: Grenzhändler), die ihr Warenangebot ausschließlich auf in Nachbarländern, u. a. in Dänemark, wohnhafte Verbraucher ausgerichtet hätten, eine rechtswidrige und mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe in Form einer Befreiung von der allgemeinen Pflicht zur Erhebung des deutschen Pfands auf Einweggetränkeverpackungen nach § 9 Abs. 1 VerpackV.

13      Dansk Erhverv machte insbesondere geltend, dass diese Grenzhändler mit Billigung der Behörden der beiden betroffenen Bundesländer, und zwar von Schleswig-Holstein und von Mecklenburg-Vorpommern (Deutschland), an dänische und schwedische Verbraucher Getränke in Einwegverpackungen verkauften, ohne darauf Pfand, nämlich 0,25 Euro einschließlich Mehrwertsteuer, zu erheben. Diese Behörden verhängten nämlich keine Geldbußen wegen Nichterhebung des Pfands gegen die Grenzhändler. Dansk Erhverv verwies zudem darauf, dass die Befreiung von der Pfanderhebung auch eine Befreiung von der auf den Pfandbetrag entfallenden Mehrwertsteuer einschließe.

14      Da das Preisniveau für Bier und andere Getränke in Nachbarländern wie Dänemark u. a. aufgrund unterschiedlicher Großhandelspreise sowie Mehrwert- und Verbrauchsteuern höher als in Deutschland ist, hat sich ein hoch spezialisierter Grenzhandel entwickelt, bei dem Einzelhändler in den beiden betreffenden Bundesländern ihr Geschäft u. a. auf dänische Grenzgänger ausrichteten. Bier, Mineralwasser und Erfrischungsgetränke werden in diesen Verkaufsstellen ausnahmslos in großen Gebinden, sogenannten „Trays“, z. B. 24 Getränkedosen mit Folien-Umverpackung, verkauft. Derzeit sind rund 20 Unternehmen mit insgesamt etwa 60 Ladengeschäften in diesem Grenzhandel tätig. Diese Grenzhändler beschäftigen ungefähr 3 000 Personen und hatten die IGG, eine Interessengemeinschaft zur Wahrnehmung ihrer Interessen und Rechtsmittelführerin in der Rechtssache C‑509/21 P, gegründet.

15      Wie sich aus Rn. 155 des angefochtenen Urteils ergibt, steht fest, dass die zuständigen ausführenden Behörden der beiden betreffenden Bundesländer (im Folgenden: zuständige deutsche Landesbehörden) auf den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts (Deutschland) vom 7. Juli 2003 (12 B 30/03) und dessen Bestätigung durch den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts (Deutschland) vom 23. Juli 2003 (4 MB 58/03, 12 B 30/03) (im Folgenden: Beschlüsse der deutschen Gerichte von 2003) hin entschieden hatten, keine neuen belastenden Verwaltungsakte gegenüber den Grenzhändlern zu erlassen, die das Pfand nicht erheben.

16      Die Behörden hatten die Auffassung vertreten, dass die Verpflichtung zur Erhebung des Pfands auf Geschäfte im Grenzgebiet nicht anwendbar sei, wenn die Getränke ausschließlich an u. a. in Dänemark ansässige Kunden verkauft würden und wenn diese sich schriftlich durch Unterzeichnung einer Exporterklärung verpflichteten, diese Getränke außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets zu verzehren und deren Verpackungen zu entsorgen.

17      Am 4. Oktober 2018 erließ die Kommission nach Abschluss des in Art. 108 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Vorprüfungsverfahrens den streitigen Beschluss. Darin beschränkte sie sich auf die Prüfung des in Art. 107 Abs. 1 AEUV enthaltenen Tatbestandsmerkmals der Inanspruchnahme staatlicher Mittel. Dafür prüfte sie nacheinander die drei Maßnahmen, die aus ihrer Sicht einen aus staatlichen Mitteln finanzierten Vorteil darstellen könnten (im Folgenden: streitige Maßnahmen), und zwar die Nichterhebung des Pfands selbst, die Nichterhebung der Mehrwertsteuer auf den Pfandbetrag und den Verzicht auf die Verhängung von Geldbußen gegen die Unternehmen, die das Pfand nicht erheben.

18      Erstens führte die Kommission zur Nichterhebung des Pfands in den Erwägungsgründen 32 und 33 des streitigen Beschlusses aus, diese Maßnahme sei keine staatliche Beihilfe, da das System nicht aus staatlichen Mitteln finanziert werde.

19      Zweitens verwies sie in den Erwägungsgründen 41 und 42 des streitigen Beschlusses darauf, dass die Nichterhebung der auf das Pfand entfallenden Mehrwertsteuer die normale Folge der Anwendung der allgemeinen Mehrwertsteuervorschriften sei, und folgerte daraus, dass diese Nichterhebung ihrem Zweck und ihrer allgemeinen Systematik nach nicht die Schaffung eines Vorteils anstrebe, der eine zusätzliche Belastung für den Staat darstellen würde. Die Maßnahme stelle damit auch keine staatliche Beihilfe dar.

20      Drittens führte die Kommission zur Nichtverhängung einer Geldbuße gegen die Unternehmen, die das Pfandsystem nicht anwendeten, in den Erwägungsgründen 45 und 47 des streitigen Beschlusses aus, dass die Befreiung von der Pflicht zur Zahlung einer Geldbuße nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs grundsätzlich einen aus staatlichen Mitteln gewährten Vorteil darstellen könne. Für die Feststellung, ob das Tatbestandsmerkmal der Inanspruchnahme staatlicher Mittel erfüllt sei, müssten jedoch grundsätzlich die Fälle, in denen der Staat die Möglichkeit vorgesehen habe, der Zahlung einer andernfalls fälligen Geldbuße zu entgehen, von denen unterschieden werden, in denen er keine Sanktion verhänge, weil er ein bestimmtes Verhalten ausdrücklich erlaubt habe.

21      In den Erwägungsgründen 48 und 49 des streitigen Beschlusses ergänzte die Kommission, dass, soweit die nationalen Behörden begründete und ernste Zweifel hinsichtlich des Anwendungsbereichs und der Auslegung einer nationalen Vorschrift über eine Verpflichtung hätten, die Nichtverhängung einer Geldbuße nicht zwangsläufig auf eine Entscheidung dieser Behörden zurückzuführen sei, fällige Geldbußen nicht zu erheben, sondern Folge von Auslegungsschwierigkeiten sei, die jedem Rechtssystem innewohnten. Folglich sollte nach Ansicht der Kommission auch unterschieden werden zwischen einer Situation, in der sich die Behörden im Rahmen der normalen Ausübung ihrer hoheitlichen Befugnisse Schwierigkeiten bei der Auslegung einer anwendbaren Norm gegenübersähen, und Fällen, in denen sie beschlössen, eigentlich fällige Geldbußen nicht zu erheben, oder es Unternehmen ermöglichten, der Zahlung von Geldbußen zu entgehen.

22      Im 50. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses gab die Kommission sodann die Auffassung der zuständigen deutschen Behörden wieder, dass die Grenzhändler von Rechts wegen gar nicht erst verpflichtet seien, das Pfand zu erheben, so dass die Nichterhebung des Pfands keinen Rechtsverstoß darstelle und die Nichtverhängung einer Geldbuße eine bloße Folge des Fehlens eines Verstoßes sei.

23      Im 69. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses gelangte die Kommission dennoch zu dem Schluss, dass sich für die zuständigen deutschen Landesbehörden im Rahmen der normalen Ausübung ihrer hoheitlichen Befugnisse begründete und ernste Zweifel hinsichtlich des Anwendungsbereichs und der Auslegung der Pfanderhebungspflicht ergeben hätten und dass die Nichtverhängung einer Geldbuße folglich keinen aus staatlichen Mitteln gewährten Vorteil darstelle.

24      Hierzu führte die Kommission im 51. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses aus, dass die VerpackV nach dem Wortlaut ihres § 9 Abs. 1 offenbar so auszulegen sei, dass Grenzhändler das Pfand erheben müssten, da sie für das „deutsche Staatsgebiet“ gelte und diese Händler „die Getränke … in Verkehr bringen“.

25      In den Erwägungsgründen 52 und 53 des streitigen Beschlusses ging sie jedoch davon aus, dass das Fehlen einer solchen Pfanderhebungspflicht für Grenzhändler, die Dosengetränke ausschließlich an „ausländische Verbraucher“ verkauften, die sich verpflichteten, sie auszuführen und außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets zu verzehren, mit dem Ziel der VerpackV, die Rückgabe von Einweggetränkeverpackungen in Deutschland zu fördern, im Einklang stehe.

26      Zur Erreichung dieses Ziels hielten es die zuständigen deutschen Landesbehörden nicht für erforderlich, die Erhebung des Pfands auf Dosengetränke zu verlangen, die im Ausland verzehrt und nicht nach Deutschland zurückgebracht würden. Aus ihrer Sicht befänden sich die Grenzhändler in der gleichen Lage wie Exporteure von Dosengetränken, die verpackte Waren verkauften, die nicht dazu bestimmt seien, nach Deutschland zurückgeführt zu werden, und deren Verpackung außerhalb Deutschlands, fern von den an das deutsche System angeschlossenen Recyclinganlagen, entsorgt würden. Die Verpackungsverordnung erlege solchen Exporteuren keine Pfanderhebungspflicht auf.

27      In den Erwägungsgründen 56 bis 60 des streitigen Beschlusses führte die Kommission aus, dass die Rechtsauffassung der zuständigen deutschen Landesbehörden einerseits durch ein 2005 von einem Rechtsprofessor im Auftrag der Grenzhändler erstelltes Gutachten gestützt werde. Andererseits werde sie von einem anderen, 2005 im Auftrag der deutschen Bundesregierung erstellten Gutachten entkräftet.

28      Im 61. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses ergänzte die Kommission, dass die in Rn. 15 des vorliegenden Urteils angeführten Beschlüsse der deutschen Gerichte von 2003 eher die Rechtsauffassung der zuständigen deutschen Landesbehörden bestätigten.

29      Im 67. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses verwies die Kommission auch darauf, dass die Mitgliedstaaten, da die Ausnahme des „Exports“ durch Verbraucher in der Richtlinie 94/62 nicht geregelt werde, eigenständig entscheiden könnten, ob sie ein Pfand erhöben oder nicht, sofern sie das Diskriminierungsverbot beachteten.

30      Auf Grundlage dieser Gesichtspunkte führte die Kommission in der Ansicht, es könne davon ausgegangen werden, wenn ein Verbraucher in Deutschland ein Dosengetränk kaufe, um es in einen anderen Mitgliedstaat mitzunehmen, dass die leere Getränkedose nicht nach Deutschland zurückgebracht werde, sondern im Abfallsystem eines anderen Mitgliedstaats lande, im 65. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses aus, es erscheine vernünftig, von der Pfanderhebungspflicht abzusehen, wenn die Verbraucher eine Exporterklärung unterzeichneten. Im 68. Erwägungsgrund des Beschlusses wies die Kommission darauf hin, dass die von den zuständigen deutschen Landesbehörden vorgenommene Auslegung als angemessener Mittelweg erscheine, um dem mit der Richtlinie 94/62 verfolgten Ziel des Umweltschutzes und dem freien Warenverkehr gerecht zu werden.

31      Unter diesen Umständen kam die Kommission in den Erwägungsgründen 69 bis 71 des streitigen Beschlusses zu dem Ergebnis, dass die Nichtverhängung einer Geldbuße, selbst wenn sich herausstellen sollte, dass die Grenzhändler das Pfand nach der VerpackV hätten erheben sollen, keinen aus staatlichen Mitteln gewährten Vorteil darstellte, da sich für die zuständigen deutschen Landesbehörden im Rahmen der normalen Ausübung ihrer hoheitlichen Befugnisse begründete und ernste Zweifel hinsichtlich des Anwendungsbereichs und der Auslegung der Pfanderhebungspflicht ergeben hätten, so dass diese Maßnahme nicht als „staatliche Beihilfe“ angesehen werden könne.

 Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

32      Am 23. Januar 2019 erhob Dansk Erhverv beim Gericht eine Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses.

33      Dansk Erhverv stützte seine Klage auf einen einzigen Klagegrund, mit dem er geltend machte, die Kommission habe dadurch, dass sie trotz ernsthafter Schwierigkeiten hinsichtlich der Prüfung der Maßnahmen nicht das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV eingeleitet habe, die ihm als Beteiligten nach dieser Bestimmung zustehenden Verfahrensrechte verletzt. Der Klagegrund gliederte sich in drei Teile. Mit dem ersten Teil rügte Dansk Erhverv, die Kommission habe die Vereinbarkeit der Befreiung von der Pfandpflicht mit Art. 4 Abs. 3 EUV, der Richtlinie 94/62, dem „Verursacherprinzip“ und verschiedenen Bestimmungen des deutschen Rechts nicht hinreichend geprüft. Mit dem zweiten Teil machte er geltend, die Kommission habe die Nichterhebung der Mehrwertsteuer, die eine aus staatlichen Mitteln gewährte Maßnahme sei, nicht hinreichend geprüft. Mit dem dritten Teil beanstandete Dansk Erhverv schließlich, die Kommission habe die Maßnahme, die im Verzicht auf die Verhängung einer Geldbuße bestehe und ebenfalls aus staatlichen Mitteln gewährt werde, nicht hinreichend geprüft.

34      Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht den streitigen Beschluss für nichtig erklärt.

35      In den Rn. 57 bis 75 des angefochtenen Urteils hat das Gericht den ersten Teil des einzigen Klagegrundes mit der Feststellung als ins Leere gehend zurückgewiesen, der Umstand, dass eine nationale Maßnahme gegen andere als die beihilferechtlichen Bestimmungen des Unionsrechts oder gar gegen Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats verstoße, könne als solcher nicht angeführt werden, um darzutun, dass diese Maßnahme eine staatliche Beihilfe sei.

36      Das Gericht hat auch den zweiten Teil des einzigen Klagegrundes u. a. mit der Erwägung in den Rn. 96 und 97 des angefochtenen Urteils zurückgewiesen, die Kommission habe zu Recht, gestützt auf das Urteil vom 17. März 1993, Sloman Neptun (C‑72/91 und C‑73/91, EU:C:1993:97), darauf schließen dürfen, dass das Tatbestandsmerkmal der Inanspruchnahme staatlicher Mittel hinsichtlich der Nichtvereinnahmung der auf das Pfand entfallenden Mehrwertsteuer nicht erfüllt sei, da diese Nichtvereinnahmung nur eine mittelbare, der Nichterhebung des Pfands immanente Folge der Befreiung von der Pfanderhebungspflicht sei und nicht die Feststellung erlaube, dass mit der streitigen Maßnahme bestimmten Unternehmen ein Vorteil aus staatlichen Mitteln verschafft werden sollte.

37      Den dritten Teil des einzigen Klagegrundes hat das Gericht hingegen mit der Begründung für durchgreifend erachtet, dass der streitige Beschluss fehlerhaft sei und es weitere Indizien dafür gegeben habe, dass die Kommission bei der Prüfung der streitigen Maßnahme, also dem Verzicht auf die Verhängung von Geldbußen gegen die Unternehmen, die das Pfand nicht erheben, auf ernsthafte Schwierigkeiten gestoßen sei.

38      Insoweit ist das Gericht zunächst in Rn. 137 des angefochtenen Urteils davon ausgegangen, die Kommission habe rechtsfehlerfrei befunden, dass sie für ihre Schlussfolgerung, dass in Bezug auf eine in der Nichtverhängung einer Geldbuße durch eine Behörde bestehende Maßnahme keine Inanspruchnahme staatlicher Mittel gegeben sei, in einer Situation wie der in Rede stehenden ein neues Kriterium habe heranziehen müssen, das daraus abgeleitet werde, dass sich die nationalen Behörden im Rahmen der normalen Ausübung ihrer hoheitlichen Befugnisse Schwierigkeiten bei der Auslegung der anwendbaren Rechtsvorschrift gegenübersehen.

39      Danach hat das Gericht allerdings u. a. in den Rn. 157 und 163 des angefochtenen Urteils angenommen, dass die Kommission das in der vorstehenden Randnummer genannte Kriterium fehlerhaft angewendet habe. Insoweit hat es zum einen entschieden, dass die Kommission rechtsfehlerhaft zu dem Schluss gelangt sei, dass das Tatbestandsmerkmal der Inanspruchnahme staatlicher Mittel nicht erfüllt gewesen sei, ohne zu prüfen, ob die von ihr angeführten Auslegungsschwierigkeiten temporär und Teil der schrittweisen Klärung der Rechtsvorschriften gewesen seien. Zum anderen hat das Gericht festgestellt, dass die Kommission zu Unrecht der Ansicht gewesen sei, sie könne im vorliegenden Fall das Kriterium des Bestehens von Schwierigkeiten bei der Auslegung der anwendbaren Rechtsvorschrift anwenden, obwohl die zuständigen deutschen Landesbehörden ihre Praxis der Nichtverhängung einer Geldbuße gegen die Grenzhändler, wenn diese das Pfand nicht erheben, nicht mit dem Bestehen solcher Schwierigkeiten gerechtfertigt hätten.

40      Schließlich ist das Gericht in den Rn. 169 bis 235 des angefochtenen Urteils davon ausgegangen, dass ein Bündel von Indizien für das Bestehen ernsthafter Schwierigkeiten vorgelegen habe, die Zweifel an der von den zuständigen deutschen Landesbehörden vertretenen Auslegung der VerpackV zugelassen hätten. Hierzu hat es in Rn. 203 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass diese Indizien zumindest den Schluss auf das Fehlen einer vollständigen Prüfung des der Kommission unterbreiteten Falls durch diese erlaubten, was als solches ein Indiz für das Bestehen ernsthafter Schwierigkeiten sei.

 Anträge der Parteien vor dem Gerichtshof

 Rechtssache C508/21 P

41      Die Kommission beantragt mit ihrem Rechtsmittel,

–        den Tenor des angefochtenen Urteils aufzuheben,

–        über die Rechtssache T‑47/19, Dansk Erhverv/Kommission, zu entscheiden und Abschnitt 3.3. des streitigen Beschlusses für nichtig zu erklären,

–        Dansk Erhverv die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen und

–        allen Parteien und Streithelfern ihre eigenen Kosten für das Verfahren im ersten Rechtszug aufzuerlegen.

42      Dansk Erhverv beantragt,

–        das Rechtsmittel unter Ersetzung bestimmter Begründungserwägungen des angefochtenen Urteils zurückzuweisen oder jedenfalls das Rechtsmittel zurückzuweisen,

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen, die Dansk Erhverv durch das Rechtsmittelverfahren und das Verfahren im ersten Rechtszug entstanden sind, sowie

–        hilfsweise und in jedem Fall, der Kommission drei Viertel der Kosten aufzuerlegen, die Dansk Erhverv im Verfahren im ersten Rechtszug entstanden sind.

43      Die IGG beantragt,

–        dem Antrag auf Aufhebung des Tenors des angefochtenen Urteils stattzugeben,

–        dem Antrag stattzugeben, Dansk Erhverv die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen, und

–        das Rechtsmittel im Übrigen zurückzuweisen.

 Rechtssache C509/21 P

44      Die IGG beantragt mit ihrem Rechtsmittel,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben,

–        die Klage abzuweisen und

–        Dansk Erhverv die Kosten aufzuerlegen.

45      Dansk Erhverv beantragt,

–        das Rechtsmittel unter Ersetzung bestimmter Begründungserwägungen des angefochtenen Urteils zurückzuweisen,

–        jedenfalls das Rechtsmittel zurückzuweisen und

–        der IGG die Kosten aufzuerlegen.

 Verfahren vor dem Gerichtshof

46      Am 24. August 2021 hat der Präsident des Gerichtshofs die Parteien aufgefordert, zu einer etwaigen Verbindung der Rechtssachen C‑508/21 P und C‑509/21 P für das weitere Verfahren Stellung zu nehmen.

47      Mit Schreiben vom 25. und 27. August 2021 hat die Kommission dem Gerichtshof mitgeteilt, dass sie keine Einwände gegen eine Verbindung der Rechtssachen habe. Mit Schreiben vom 27. August 2021 hat Dansk Erhverv dem Gerichtshof mitgeteilt, dass eine Verbindung der Rechtssachen in diesem Stadium des Verfahrens nicht angezeigt sei.

48      Mit Entscheidung vom 9. November 2021 hat der Präsident des Gerichtshofs eine Verbindung der Rechtssachen in diesem Stadium des Verfahrens abgelehnt.

49      Mit Entscheidung vom 18. Oktober 2022 hat der Gerichtshof die Rechtssachen C‑508/21 P und C‑509/21 P zu gemeinsamem mündlichen Verfahren verbunden.

 Zu den Rechtsmitteln

50      Da die vorliegenden Rechtssachen miteinander in Verbindung stehen, sind sie gemäß Art. 54 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu gemeinsamem Urteil zu verbinden.

 Zum Rechtsmittel in der Rechtssache C509/21 P

51      Die IGG stützt ihr Rechtsmittel in der Rechtssache C‑509/21 P, das an erster Stelle zu prüfen ist, auf sechs Gründe.

52      Mit dem ersten Rechtsmittelgrund wird gerügt, das Gericht habe Art. 107 Abs. 1 AEUV dadurch rechtsfehlerhaft angewendet, dass es den Begriff „hinreichend enger Zusammenhang“ zwischen einem Vorteil und dem Staatshaushalt bei der Würdigung des Kriteriums der „staatlichen Mittel“ fehlerhaft ausgelegt habe. Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund, der sich in zwei Teile gliedert, wird ein Rechtsfehler geltend gemacht, den das Gericht mit der fehlerhaften Anwendung dieser Bestimmung begangen habe, da es für die Beurteilung des Kriteriums der „staatlichen Mittel“ durch die Kommission im Fall von Schwierigkeiten bei der Auslegung der anwendbaren Rechtsvorschrift eine unzutreffende Regel zugrunde gelegt habe. Mit dem dritten Rechtsmittelgrund wird gerügt, das Gericht habe für die Beurteilung des Kriteriums der „staatlichen Mittel“ durch die Kommission rechtsfehlerhaft eine Regel angewendet, die über das neue, aus dem Bestehen von Schwierigkeiten bei der Auslegung der anwendbaren Rechtsvorschrift abgeleitete Kriterium hinausgehe. Der vierte, in sieben Teile gegliederte Rechtsmittelgrund wird auf einen Rechtsfehler gestützt, den das Gericht mit der Feststellung begangen habe, dass die von der Kommission im streitigen Beschluss durchgeführte Prüfung in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft gewesen sei und es weitere Indizien dafür gegeben habe, dass „ernsthafte Schwierigkeiten“ bei der Feststellung bestanden hätten, ob staatliche Mittel eingesetzt worden seien. Mit dem fünften Rechtsmittelgrund wird gerügt, das Gericht habe den zusätzlichen Vortrag der IGG zur Stützung der Schlussfolgerung, dass die Kommission mit keinen „ernsthaften Schwierigkeiten“ konfrontiert gewesen sei, rechtsfehlerhaft zurückgewiesen. Mit dem sechsten Rechtsmittelgrund wird geltend gemacht, das Gericht habe mit der Nichtigerklärung des gesamten Beschlusses einschließlich des auf die Nichterhebung der auf das Pfand entfallenden Mehrwertsteuer bezogenen Teils einen Rechtsfehler begangen.

53      Zunächst sind der erste Rechtsmittelgrund, der zweite Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes und der dritte Rechtsmittelgrund zu prüfen.

 Vorbringen der Parteien

54      Im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes wirft die IGG dem Gericht vor, dadurch einen Rechtsfehler begangen zu haben, dass es, u. a. in den Rn. 140 bis 146 des angefochtenen Urteils, den Begriff „hinreichend enger Zusammenhang“ zwischen einem Vorteil und dem Staatshaushalt bei der Würdigung des Kriteriums der staatlichen Mittel fehlerhaft ausgelegt habe. Ein hinreichend enger Zusammenhang zwischen der Nichtverhängung einer Geldbuße und dem Staatshaushalt könne nur festgestellt werden, wenn die Verhängung einer Geldbuße rechtlich möglich sei.

55      Die zuständigen deutschen Landesbehörden hätten aber, wie das Gericht in Rn. 155 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, auf die Beschlüsse der deutschen Gerichte von 2003 hin entschieden, gegenüber den Grenzhändlern, die das Pfand nicht erheben, keine belastenden Verwaltungsakte zu erlassen, soweit die Käufer eine Exporterklärung unterzeichneten. Damit ergebe sich aus den eigenen Schlussfolgerungen des Gerichts, dass die Verhängung von Geldbußen unter diesen Umständen rechtlich unmöglich sei und daher logischerweise keine Möglichkeit für einen hinreichend engen Zusammenhang zwischen einem Vorteil und dem Staatshaushalt bestehe.

56      Hierzu führt die IGG aus, dass, wie das Gericht in den Rn. 140 bis 142 des angefochtenen Urteils anerkannt habe, Sanktionen nur gegen Personen verhängt werden könnten, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine klar bestimmte, sie treffende Verpflichtung verstoßen hätten. Soweit sich das Gericht in Rn. 147 des angefochtenen Urteils auf den Grundsatz bezogen habe, dass das Ergebnis einer richterlichen Auslegung „hinreichend vorhersehbar“ sein müsse, genüge der Hinweis, dass dies zum einen vor allem für die Grundlage der Auslegung einer Bestimmung durch die zum Zeitpunkt des Sachverhalts maßgebliche Rechtsprechung gelte und zum anderen, dass die im vorliegenden Fall bestehende Rechtsprechung die Rechtsansicht der beiden betroffenen Bundesländer gestützt habe.

57      Mit dem zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes wirft die IGG dem Gericht vor, u. a. in den Rn. 140 bis 158 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft ein zusätzliches Kriterium, und zwar die Erforderlichkeit einer schrittweisen Klärung der Rechtsvorschriften, verlangt zu haben.

58      Zum einen sei dieses zusätzliche Kriterium nicht gerechtfertigt, da der Verweis des Gerichts auf den Grundsatz der Rechtssicherheit in Bezug auf Strafen sinnentleert würde, weil dieser Grundsatz nur darauf abziele, den Einzelnen vor staatlichen Sanktionen zu schützen, wohingegen er im vorliegenden Fall angewendet würde, um letztlich eine nachteilige Entscheidung gegenüber mutmaßlichen Begünstigten zu rechtfertigen. Der Grundsatz der Rechtssicherheit rechtfertige vielmehr die gegenteilige Schlussfolgerung, wonach keine staatlichen Mittel eingesetzt würden, wie im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes gezeigt worden sei, da die Verhängung von Geldbußen nicht möglich sei.

59      Zum anderen ähnele die Verwaltungspraxis, die Grenzhändler dann nicht zur Erhebung eines Pfands zu verpflichten, wenn die Käufer die Exporterklärung unterzeichneten, zumindest sehr weitgehend der Fallgestaltung einer ausdrücklichen Erlaubnis, wie es in der Rechtssache Eventech (Urteil vom 14. Januar 2015, Eventech, C‑518/13, EU:C:2015:9, Rn. 16) der Fall gewesen sei.

60      Die Kommission habe im streitigen Beschluss nämlich dargelegt, dass das Ziel der Verwaltungspraxis nicht darin bestanden habe, die Grenzhändler von Bußgeldern auszunehmen; vielmehr seien die zuständigen deutschen Landesbehörden der Auffassung gewesen, dass die Grenzhändler nicht zur Erhebung des Pfands verpflichtet seien. Das Gericht habe sich dieser Auslegung hinsichtlich der Nichterhebung der Mehrwertsteuer in Rn. 103 des angefochtenen Urteils angeschlossen. Das Gericht habe allerdings nicht erläutert, aus welchem Grund dieselbe Logik nicht auch für die Nichtverhängung von Geldbußen gelte, was für sich genommen ausreiche, um zu dem Schluss zu gelangen, dass wegen Fehlens eines „hinreichend engen Zusammenhangs“ keine staatlichen Mittel eingesetzt worden seien.

61      Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund rügt die IGG im Wesentlichen, das Gericht habe in den Rn. 166 bis 203 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft eine vollständige Prüfung des anwendbaren nationalen Rechts durch die Kommission verlangt. Eine derartige Anforderung liefe aus den gleichen wie den im Rahmen des zweiten Teils des zweiten Rechtsmittelgrundes dargelegten Gründen auf eine fehlerhafte Auslegung des Konzepts des „hinreichend engen Zusammenhangs“ hinaus.

62      Dansk Erhverv hält den ersten Rechtsmittelgrund für unzulässig, zum einen weil die IGG unter Verstoß gegen Art. 170 Abs. 1 der Verfahrensordnung versuche, den vor dem Gericht verhandelten Streitgegenstand mit der Behauptung zu ändern, das Gericht habe seine eigene Begründung an die der Urheberin des streitigen Beschlusses gesetzt. Zum anderen sei der Rechtsmittelgrund insoweit unzulässig, als die IGG dem Gericht vorwerfe, den Inhalt der in Rede stehenden deutschen Rechtsvorschriften in einem Umfang gewürdigt zu haben, der nicht in seine Befugnis falle, ohne eine Verfälschung des anwendbaren deutschen Rechts durch das Gericht geltend gemacht oder aufgezeigt zu haben. Der erste Rechtsmittelgrund gehe zudem ins Leere oder entbehre einer Grundlage, da ein „hinreichend enger Zusammenhang“ auch dann vorliege, wenn der dem Begünstigten gewährte Vorteil zu einem „hinreichend konkreten wirtschaftlichen Risiko für [die] Belastung“ des Staatshaushalts führe (Urteil vom 19. März 2013, Bouygues u. a./Kommission u. a., C‑399/10 P und C‑401/10 P, EU:C:2013:175, Rn. 109).

63      Auf den zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes erwidert Dansk Erhverv zum einen, dass die zuständigen deutschen Landesbehörden ohne das in Rn. 146 des angefochtenen Urteils aufgestellte zusätzliche Kriterium, nämlich die Erforderlichkeit einer schrittweisen Klärung der Rechtsvorschriften, auf vorgebliche Auslegungsschwierigkeiten zurückgreifen könnten, um bestimmten Unternehmen unter Verstoß gegen Unionsrecht unbegrenzt eine günstigere Behandlung zukommen zu lassen.

64      Zum anderen sei das Vorbringen der IGG, dem behaupteten Zweck der Beihilfemaßnahme müsse für die Beurteilung der Nichtverhängung von Geldbußen entscheidende Bedeutung zukommen, unzulässig, da es im streitigen Beschluss nicht auftauche und dazu führen würde, den Streitgegenstand vor dem Gericht unter Verstoß gegen Art. 170 Abs. 1 der Verfahrensordnung zu ändern. Dieses Vorbringen lege außerdem das Urteil vom 8. September 2011, Kommission/Niederlande (C‑279/08 P, EU:C:2011:551), aus dem sich entnehmen lasse, dass der Gerichtshof nicht das Ziel der betreffenden Beihilfemaßnahme für entscheidend erachtet habe, sondern vielmehr deren Wirkung, falsch aus.

65      Zum dritten Rechtsmittelgrund weist Dansk Erhverv darauf hin, dass Auslegung und Bestimmung des Inhalts des nationalen Rechts zur in die Zuständigkeit des Gerichts fallenden Beurteilung des Sachverhalts gehörten. So habe der Gerichtshof im Urteil vom 1. Februar 2017, Portovesme/Kommission (C‑606/14 P, EU:C:2017:75, Rn. 62 und 63), festgestellt, dass die Auslegung des nationalen Rechts durch das Gericht zur Beurteilung des Sachverhalts gehöre und er nur befugt sei, nachzuprüfen, ob eine Verfälschung von Beweisen vorliege.

66      Dansk Erhverv begehrt außerdem eine Auswechslung der Begründung hinsichtlich der Rn. 135 bis 138 des angefochtenen Urteils. Zur Stützung dieses Begehrens macht Dansk Erhverv geltend, die von der IGG ins Feld geführten Rechtsmittelgründe zwei bis fünf gingen ins Leere, da das Gericht mit der Zurückweisung der ersten Rüge des dritten Teils seines einzigen Klagegrundes insofern einen Rechtsfehler begangen habe, als es der Kommission die Einführung eines neuen Kriteriums, und zwar das Vorliegen von Schwierigkeiten bei der Auslegung der anwendbaren Rechtsvorschrift, zugestanden habe. Die Nichtverhängung von Geldbußen sei mit den Sachverhalten vergleichbar, zu denen die Urteile vom 1. Dezember 1998, Ecotrade (C‑200/97, EU:C:1998:579, Rn. 42 und 43), vom 17. Juni 1999, Piaggio (C‑295/97, EU:C:1999:313, Rn. 41 bis 43), und vom 8. September 2011, Kommission/Niederlande (C‑279/08 P, EU:C:2011:551), ergangen seien.

67      Wie sich den Rn. 149 bis 155 des angefochtenen Urteils entnehmen lasse, sei die Rechtslage insoweit hinreichend klar gewesen, als auch Grenzverkaufsstellen ein Pfand hätten erheben müssen und die Nichtverhängung von Geldbußen somit contra legem erfolgt sei. Außerdem hätte die Kommission, um das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe ausschließen zu können, darlegen müssen, dass die Praxis der Exporterklärung im deutschen Recht legal gewesen sei. Die Kommission habe im streitigen Beschluss allerdings noch nicht einmal versucht, dies nachzuweisen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

–       Einleitende Hinweise

68      Für die Würdigung des ersten Rechtsmittelgrundes, des zweiten Teils des zweiten Rechtsmittelgrundes und des dritten Rechtsmittelgrundes in der Rechtssache C‑509/21 P ist auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Verpflichtungen hinzuweisen, die der Kommission im Rahmen des Vorprüfungsverfahrens nach Art. 108 Abs. 3 AEUV obliegen, da der streitige Beschluss nach Abschluss eines solchen Verfahrens und damit ohne Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens nach Art. 108 Abs. 2 AEUV ergangen ist.

69      Das Verfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV ist unerlässlich, wenn die Kommission bei der Prüfung, ob eine Beihilfe mit dem Binnenmarkt vereinbar ist, auf ernsthafte Schwierigkeiten stößt. Die Kommission darf sich daher für den Erlass einer positiven Entscheidung über eine Beihilfe nur dann auf die Vorprüfungsphase nach Art. 108 Abs. 3 AEUV beschränken, wenn sie nach einer ersten Prüfung die Überzeugung gewinnt, dass die Beihilfe mit dem Binnenmarkt vereinbar ist. Ist die Kommission aufgrund dieser ersten Prüfung jedoch zu der gegenteiligen Überzeugung gelangt oder hat sie nicht alle Schwierigkeiten hinsichtlich der Beurteilung der Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt ausräumen können, ist sie verpflichtet, alle erforderlichen Stellungnahmen einzuholen und dazu das Verfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV einzuleiten (Urteil vom 17. November 2022, Irish Wind Farmers’ Association u. a./Kommission, C‑578/21 P, EU:C:2022:898, Rn. 53 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

70      Der Begriff „ernsthafte Schwierigkeiten“ ist seinem Wesen nach objektiv, und der Nachweis für das Vorliegen solcher Schwierigkeiten, das nicht nur anhand der Umstände zu prüfen ist, unter denen die Kommission den Beschluss am Ende der Vorprüfungsphase erlassen hat, sondern auch anhand dessen Inhalts, ist von demjenigen, der die Nichtigerklärung dieses Beschlusses beantragt, anhand eines Bündels übereinstimmender Indizien zu erbringen (Urteil vom 17. November 2022, Irish Wind Farmers’ Association u. a./Kommission, C‑578/21 P, EU:C:2022:898, Rn. 54 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

71      Folglich hat der Unionsrichter, wenn er mit einem Antrag auf Nichtigerklärung eines solchen Beschlusses befasst ist, zu bestimmen, ob die Beurteilung der Informationen und Angaben, über die die Kommission in der Phase der vorläufigen Prüfung der in Rede stehenden nationalen Maßnahme verfügte, objektiv Anlass zu Bedenken hinsichtlich der Einstufung dieser Maßnahme als staatliche Beihilfe hätte geben müssen, da solche Bedenken zur Eröffnung eines förmlichen Prüfverfahrens führen müssen (Urteil vom 17. November 2022, Irish Wind Farmers’ Association u. a./Kommission, C‑578/21 P, EU:C:2022:898, Rn. 55 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

72      Beantragt ein Kläger die Nichtigerklärung einer Entscheidung, keine Einwände zu erheben, rügt er im Wesentlichen, dass die Entscheidung über die Beihilfe getroffen worden sei, ohne dass die Kommission das förmliche Prüfverfahren eingeleitet habe, und dass diese dadurch seine Verfahrensrechte verletzt habe. Um mit seiner Klage durchzudringen, kann der Kläger jeden Klagegrund anführen, der geeignet ist, zu zeigen, dass die Beurteilung der Informationen und Angaben, über die die Kommission in der Phase der vorläufigen Prüfung der angemeldeten Maßnahme verfügt, Anlass zu Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit dieser Maßnahme mit dem Binnenmarkt hätte geben müssen. Das Anführen solcher Argumente kann aber weder den Gegenstand der Klage noch die Voraussetzungen ihrer Zulässigkeit ändern. Vielmehr liegt im Bestehen von Bedenken hinsichtlich dieser Vereinbarkeit gerade der Nachweis, der zu erbringen ist, um zu zeigen, dass die Kommission verpflichtet war, das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV zu eröffnen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 2. September 2021, Ja zum Nürburgring/Kommission, C‑647/19 P, EU:C:2021:666, Rn. 115, und vom 3. September 2020, Vereniging tot Behoud van Natuurmonumenten in Nederland u. a./Kommission, C‑817/18 P, EU:C:2020:637, Rn. 81 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

73      Im vorliegenden Fall wirft der in den Rn. 54 bis 61 des vorliegenden Urteils zusammengefasste Vortrag der IGG die Frage auf, ob dem Gericht bei der Würdigung des in Art. 107 Abs. 1 AEUV genannten Kriteriums „staatliche Mittel“ ein Rechtsfehler unterlaufen ist, der als Beleg dafür dienen kann, dass die Kommission bei der Prüfung der streitigen Maßnahme – der Nichtverhängung von Geldbußen gegen Unternehmen, die kein Pfand erheben – auf ernsthafte Schwierigkeiten gestoßen ist, die sie zur Eröffnung eines förmlichen Prüfverfahrens nach Art. 108 Abs. 2 AEUV hätten veranlassen müssen.

74      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 107 Abs. 1 AEUV, soweit in den Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist, staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar sind, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

75      Daher sind nur solche Vorteile, die unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden oder eine zusätzliche Belastung für den Staat darstellen, als „Beihilfen“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen. Schon der Wortlaut dieser Bestimmung wie auch die in Art. 108 AEUV enthaltenen Verfahrensvorschriften zeigen nämlich, dass die aus anderen als staatlichen Mitteln gewährten Vorteile nicht unter die fraglichen Bestimmungen fallen (Urteil vom 19. März 2013, Bouygues u. a./Kommission u. a., C‑399/10 P und C‑401/10 P, EU:C:2013:175, Rn. 99 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

76      Zur Voraussetzung des Einsatzes staatlicher Mittel ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff „Beihilfe“ nach ständiger Rechtsprechung nicht nur positive Leistungen wie Subventionen umfasst, sondern auch Maßnahmen, die in verschiedener Form die von einem Unternehmen normalerweise zu tragenden Belastungen vermindern und die somit zwar keine Subventionen im strengen Sinne des Begriffs darstellen, diesen aber nach Art und Wirkung gleichstehen (Urteil vom 14. Januar 2015, Eventech, C‑518/13, EU:C:2015:9, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

77      Daher muss zum Zweck der Feststellung des Vorliegens einer staatlichen Beihilfe ein hinreichend enger Zusammenhang zwischen dem Vorteil, der dem Begünstigten gewährt wird, einerseits und der Verringerung eines Postens des Staatshaushalts oder einem hinreichend konkreten wirtschaftlichen Risiko für dessen Belastung andererseits dargetan werden (Urteil vom 14. Januar 2015, Eventech, C‑518/13, EU:C:2015:9, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

78      Für die Prüfung des Bestehens dieses Zusammenhangs ist u. a. zu untersuchen, ob die Maßnahme in ihrem Zweck und ihrer allgemeinen Systematik auf die Schaffung eines Vorteils abzielt, der eine zusätzliche Belastung für den Staat darstellt (Urteil vom 17. März 1993, Sloman Neptun, C‑72/91 und C‑73/91, EU:C:1993:97, Rn. 21).

79      Wie sich aus den Rn. 131 bis 135 des angefochtenen Urteils ergibt, hat das Gericht festgestellt, dass nach Ansicht der zuständigen deutschen Landesbehörden im Fall des Kaufs von Getränken unter Abgabe der Exporterklärung keine mit einer Geldbuße zu ahndende Zuwiderhandlung gegen die Regelung vorliege, so dass es, da die Nichterhebung des Pfands im Einklang mit dieser Regelung in ihrer Auslegung durch diese Behörden stehe, zwangsläufig ausgeschlossen sei, eine Geldbuße gegen die Grenzhändler zu verhängen. Das Gericht schließt daraus, dass ein solcher Kontext, in dem die Nichtverhängung einer Geldbuße nicht von der Nichterhebung des Pfands und damit von der Auslegung der einschlägigen Regelung zu trennen ist, keiner der beiden Fallgestaltungen entspricht, die bisher in der Rechtsprechung des Gerichtshofs geprüft worden sind. So ergäben sich insbesondere die Nichterhebung des Pfands und damit einhergehend die Nichtverhängung einer Geldbuße weder aus einer ausdrücklichen Befreiung durch den Urheber der in Rede stehenden nationalen Regelung noch aus einer mit einer Rechtsvorschrift im Voraus erteilten, transparenten Erlaubnis, sondern aus einer bloßen Praxis der zuständigen deutschen Landesbehörden. Folglich habe sich die Kommission zu Recht auf ein neues rechtliches Kriterium, und zwar Schwierigkeiten bei der Auslegung der anwendbaren Rechtsvorschrift, gestützt.

80      Das Gericht kam, wie sich aus den Rn. 38 bis 40 des vorliegenden Urteils ergibt, in den Rn. 157, 163 und 203 des angefochtenen Urteils dennoch zu dem Ergebnis, dass die Kommission dieses neue Kriterium fehlerhaft angewandt habe.

–       Zum Vorliegen eines Rechtsfehlers bei der Beurteilung des Kriteriums „staatliche Mittel“

81      Im Hinblick auf die Zulässigkeit des Vorbringens der IGG ist zunächst zum einen der Vortrag von Dansk Erhverv zurückzuweisen, die IGG versuche im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes unter Verstoß gegen Art. 170 Abs. 1 der Verfahrensordnung, den vor dem Gericht verhandelten Streitgegenstand mit der Behauptung zu ändern, dieses habe seine eigene Begründung an die Stelle der Begründung der Kommission gesetzt. Es ist nämlich festzustellen, dass die IGG nichts Derartiges vorträgt, sondern, im Gegenteil, geltend macht, die rechtliche Unmöglichkeit, Geldbußen zu verhängen, ergebe sich aus den eigenen Schlussfolgerungen des Gerichts. Zu dem Vorbringen, die IGG werfe dem Gericht vor, es habe eine fehlerhafte, nicht in seine Zuständigkeit fallende Auslegung des nationalen Rechts vorgenommen, genügt die Feststellung, dass die IGG mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund nicht die Auslegung des nationalen Rechts durch das Gericht beanstandet, sondern die Folgen, die dieses daraus für die Prüfung der Frage abgeleitet hat, ob die streitige Maßnahme die Gewährung eines Vorteils aus staatlichen Mitteln im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV umfasse. Ein solches Vorbringen, mit dem dargelegt werden soll, dass das angefochtene Urteil einen Rechtsfehler in Bezug auf die Auslegung und Anwendung dieser Bestimmung des Unionsrechts enthält, ist im Stadium des Rechtsmittels zulässig.

82      Zum anderen ist auch das Vorbringen von Dansk Erhverv zurückzuweisen, die IGG versuche im Rahmen des zweiten Teils des zweiten Rechtsmittelgrundes, unter Verstoß gegen Art. 170 Abs. 1 der Verfahrensordnung den vor dem Gericht verhandelten Streitgegenstand mit dem Vortrag zu ändern, dem behaupteten Zweck der Beihilfemaßnahme müsste für die Beurteilung der Nichtverhängung von Geldbußen entscheidende Bedeutung zukommen. Das Vorbringen der IGG stellt nämlich keine Änderung des Streitgegenstands dar, sondern soll sich auf die Analyse stützen, die das Gericht u. a. in Rn. 93 des angefochtenen Urteils vorgenommen hat und wonach „für die Prüfung des Bestehens [eines hinreichend engen] Zusammenhangs u. a. zu untersuchen [ist], ob die Maßnahme in ihrem Zweck und ihrer allgemeinen Systematik auf die Schaffung eines Vorteils abzielt, der eine zusätzliche Belastung für den Staat darstellen würde“.

83      Zur Begründetheit des Vorbringens der IGG, wonach ein hinreichend enger Zusammenhang zwischen der Nichtverhängung einer Geldbuße und dem Staatshaushalt nur festgestellt werden könne, wenn die Verhängung einer Geldbuße rechtlich möglich sei, ist darauf zu verweisen, dass es jedem Rechtssystem inhärent ist, dass ein im Voraus als rechtmäßig und erlaubt definiertes Verhalten die Rechtssubjekte keinen Sanktionen aussetzt (Urteil vom 14. Januar 2015, Eventech, C‑518/13, EU:C:2015:9, Rn. 36).

84      Rn. 155 des angefochtenen Urteils lässt sich aber entnehmen, dass die zuständigen deutschen Landesbehörden auf die in Rn. 15 des vorliegenden Urteils angeführten Beschlüsse der deutschen Gerichte von 2003 hin entschieden hatten, gegenüber den Grenzhändlern, die das Pfand nicht erheben, keine neuen belastenden Verwaltungsakte zu erlassen. Wie das Gericht in Rn. 131 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, sind diese Behörden nämlich der Ansicht, dass im Fall des Kaufs von Getränken unter Abgabe der Exporterklärung keine mit einer Geldbuße zu ahndende Zuwiderhandlung gegen § 9 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 VerpackV vorliege und dass es zwangsläufig ausgeschlossen sei, eine Geldbuße gegen die Grenzhändler zu verhängen, da die Nichterhebung des Pfands in einem solchen Fall im Einklang mit dieser Regelung stehe.

85      Diese Anwendung des nationalen Rechts steht, wie das Gericht in den Rn. 160 bis 164 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, im Einklang mit dessen Auslegung durch die nationale Rechtsprechung in den in Rn. 15 des vorliegenden Urteils angeführten Beschlüssen der deutschen Gerichte von 2003. Damit lässt sich den eigenen Feststellungen des Gerichts entnehmen, dass die zuständigen deutschen Landesbehörden die nationale Regelung angewendet haben, ohne mit Schwierigkeiten bei der Auslegung der anwendbaren Rechtsvorschrift konfrontiert gewesen zu sein.

86      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der gesetzlichen Bestimmtheit von Strafen in Art. 49 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert ist. Aus diesem Grundsatz folgt, dass die Straftaten und die für sie angedrohten Strafen gesetzlich klar definiert sein müssen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Rechtsunterworfene anhand des Wortlauts der einschlägigen Bestimmung und nötigenfalls mit Hilfe ihrer Auslegung durch die Gerichte erkennen kann, welche Handlungen und Unterlassungen seine strafrechtliche Verantwortung begründen (Urteile vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission, C‑194/14 P, EU:C:2015:717, Rn. 40, sowie vom 24. März 2021, Prefettura Ufficio territoriale del governo di Firenze, C‑870/19 und C‑871/19, EU:C:2021:233, Rn. 49).

87      Außerdem hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass die Klarheit des Gesetzes nicht nur anhand des Wortlauts der einschlägigen Bestimmung zu beurteilen ist, sondern auch anhand der Präzisierungen durch eine ständige und veröffentlichte Rechtsprechung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Mai 2008, Evonik Degussa/Kommission, C‑266/06 P, EU:C:2008:295, Rn. 40 und 46).

88      In diesem Zusammenhang zeigt sich, dass die in den Rn. 39 und 40 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Schlussfolgerungen des Gerichts in den Rn. 157 und 203 des angefochtenen Urteils, wonach im streitigen Beschluss eine unzureichende und unvollständige Prüfung der Nichtverhängung von Geldbußen gegenüber den Grenzhändlern durchgeführt werde, an Rechtsfehlern leiden.

89      Hierzu ergibt sich im Einzelnen aus den Rn. 146 bis 157 des angefochtenen Urteils, dass das Gericht der Kommission vorwirft, nicht geprüft zu haben, ob die Schwierigkeiten bei der Auslegung, mit denen die zuständigen deutschen Landesbehörden konfrontiert gewesen seien, temporär und Teil eines Prozesses der schrittweisen Klärung der Rechtsvorschriften gewesen seien.

90      Wie sich aus der in den Rn. 83 und 86 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt, ist allerdings festzustellen, dass nur ein Verhalten, das – nötigenfalls mit Hilfe seiner Auslegung durch die Gerichte – klar als Zuwiderhandlung definiert ist und eine Verantwortung der betreffenden Person begründet, die Verhängung verwaltungsrechtlicher Sanktionen erlaubt.

91      Daraus ergibt sich, dass, selbst wenn dauerhafte Schwierigkeiten bei der Auslegung der anwendbaren Rechtsvorschrift bestanden haben sollten, dies nicht ausgereicht hätte, um daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, dass das Tatbestandsmerkmal hinsichtlich der Inanspruchnahme staatlicher Mittel erfüllt ist. Das Erfordernis einer schrittweisen Klärung verkennt insoweit, wie der Generalanwalt in den Nrn. 57 bis 60 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Tragweite der in Rn. 86 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung.

92      Das Gericht hat zwar richtigerweise in Rn. 147 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen, wie aus dem Urteil vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission (C‑194/14 P, EU:C:2015:717, Rn. 41), hervorgeht, nicht so verstanden werden darf, dass er die schrittweise Klärung der Vorschriften über die strafrechtliche Verantwortlichkeit durch richterliche Auslegung von Fall zu Fall untersagt. Daraus kann allerdings nicht, wie es das Gericht in den Rn. 146 und 157 des angefochtenen Urteils getan hat, abgeleitet werden, dass stets ein Prozess der schrittweisen Klärung bestehen muss.

93      Diese Beurteilung kann nicht durch die Erwägungen des Gerichts in den Rn. 143 und 145 des angefochtenen Urteils in Frage gestellt werden, wonach es bei der Umsetzung einer Richtlinie in die Rechtsordnung eines Mitgliedstaats unerlässlich ist, dass das betreffende nationale Recht tatsächlich die volle Anwendung der Richtlinie gewährleistet, und mit denen nahegelegt wird, dass es nationale Rechtsvorschriften, die nicht geklärt wurden, den Mitgliedstaaten, die sie erlassen haben, gestatten würden, sich ihren Verpflichtungen im Bereich staatlicher Beihilfen zeitlich unbegrenzt zu entziehen.

94      Im vorliegenden Fall verpflichtet Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 94/62 die Mitgliedstaaten, wie die Kommission in den Erwägungsgründen 63, 65 und 70 des streitigen Beschlusses und ohne dass dies vom Gericht im angefochtenen Urteil in Frage gestellt worden wäre, festgestellt hat, nämlich nicht, auf im Einzelhandel verkaufte Einwegverpackungen von Getränken, die für den Verzehr außerhalb ihres Hoheitsgebiets bestimmt sind, ein Pfand zu erheben.

95      Hierzu ist daran zu erinnern, dass die Mitgliedstaaten nach dieser Bestimmung die erforderlichen Maßnahmen zur Einrichtung von Systemen für die Rückgabe und/oder Sammlung von gebrauchten Verpackungen und/oder Verpackungsabfällen beim Verbraucher ergreifen. Wenn Verbraucher mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat Getränkeverpackungen in einem anderen Mitgliedstaat kaufen, um den Inhalt in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat zu verzehren, werden die leeren Verpackungen in letzterem Mitgliedstaat zu Abfall im Sinne von Art. 3 Nr. 1 der Richtlinie 2008/98.

96      Daraus ergibt sich, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 94/62, wie der Generalanwalt in den Nrn. 49 bis 51 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, unter Umständen wie denjenigen, die dem vorliegenden Rechtsmittel zugrunde liegen, keine Erhebung eines Pfands verlangt, mithin unter Umständen, in denen der Verkauf von Getränken in Dosen durch Grenzhändler an Verbraucher, die eine Exporterklärung unterzeichnen, mit dem Verkauf von Waren an Händler zur Ausfuhr vergleichbar ist, für die der Verkäufer nicht verpflichtet ist, ein Pfand zu erheben.

97      Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof festgestellt hat, dass ein Pfandsystem die mit der Richtlinie 94/62 verfolgten Ziele nur dann erreichen kann, wenn die Verbraucher, die ein Pfand bezahlt haben, dieses problemlos zurückerhalten können, ohne sich an den Ort des ursprünglichen Einkaufs zurückbegeben zu müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Dezember 2004, Radlberger Getränkegesellschaft und S. Spitz, C‑309/02, EU:C:2004:799, Rn. 46). Folglich schließt das Ziel der Richtlinie 94/62 – die effektive Sammlung von Abfällen – die Erhebung eines Pfands auf nicht im Hoheitsgebiet des Ausfuhrstaats entsorgte Einweggetränkeverpackungen nicht ein, und zwar unabhängig von dem Umstand, dass sich die Grenzhändler, wie sich aus Rn. 200 des angefochtenen Urteils entnehmen lässt, trotz ihrer Bemühungen infolge des Widerspruchs von Dansk Erhverv nicht dem dänischen Pfandsystem anschließen durften.

98      Nach alledem hat das Gericht dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es in den Rn. 157 und 203 des angefochtenen Urteils entschieden hat, dass die Kommission im streitigen Beschluss insofern eine unzureichende und unvollständige Prüfung der Nichtverhängung von Geldbußen gegen die Grenzhändler vorgenommen habe, als sie nicht geprüft habe, ob die Auslegungsschwierigkeiten, mit denen die zuständigen deutschen Landesbehörden konfrontiert gewesen seien, temporär und Teil eines Prozesses der schrittweisen Klärung der Rechtsvorschriften gewesen seien, so dass die Kommission in der Vorprüfungsphase nicht alle Schwierigkeiten habe ausräumen können, denen sie bei der Beurteilung des Beihilfecharakters der Nichtverhängung von Geldbußen begegnet sei.

99      Daher ist dem ersten Rechtsmittelgrund, dem zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes und dem dritten Rechtsmittelgrund stattzugeben und folglich das angefochtene Urteil aufzuheben, ohne dass über die weiteren Rechtsmittelgründe entschieden werden müsste.

 Zum Rechtsmittel in der Rechtssache C508/21 P

100    Die Kommission stützt ihr Rechtsmittel auf drei Gründe. Mit dem ersten Rechtsmittelgrund wird ein Verstoß gegen Art. 264 AEUV und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dadurch geltend gemacht, dass das Gericht rechtsfehlerhaft festgestellt habe, dass das Durchgreifen des dritten Teils des einzigen Klagegrundes zu einer Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses insgesamt führe. Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund wird eine mangelhafte und widersprüchliche Begründung beanstandet. Mit dem dritten Rechtsmittelgrund wird gerügt, die Feststellung, dass sich die drei streitigen Maßnahmen nicht trennen ließen, sei rechtsfehlerhaft.

101    Angesichts der Aufhebung des angefochtenen Urteils aufgrund des Umstands, dass dem Rechtsmittel in der Rechtssache C‑509/21 P stattgegeben wurde, ist es allerdings nicht mehr erforderlich, über das Rechtsmittel der Kommission in der Rechtssache C‑508/21 P zu befinden.

 Zur Klage vor dem Gericht

102    Nach Art. 61 Abs. 1 Satz 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann der Gerichtshof im Fall einer Aufhebung der Entscheidung des Gerichts den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn er zur Entscheidung reif ist.

103    Dies ist hier der Fall, da die Gründe der Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses vor dem Gericht streitig erörtert wurden und deren Prüfung keine weitere prozessleitende Maßnahme oder Beweisaufnahme erfordert.

104    Dansk Erhverv machte vor dem Gericht einen einzigen Klagegrund geltend, mit dem dargelegt werden sollte, dass die Kommission dadurch, dass sie trotz ernsthafter Schwierigkeiten hinsichtlich der Prüfung der streitigen Maßnahmen nicht das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV eingeleitet habe, die ihm als Beteiligten nach dieser Bestimmung zustehenden Verfahrensrechte verletzt habe.

105    Mit dem dritten Teil dieses einzigen Klagegrundes trägt Dansk Erhverv im Wesentlichen vor, die Kommission habe die Maßnahme, die im Verzicht auf die Verhängung einer Geldbuße bestehe und aus staatlichen Mitteln gewährt werde, nicht hinreichend geprüft.

106    Insoweit ergibt sich aus den in den Rn. 83 bis 99 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen, dass der Kommission nicht vorgeworfen werden kann, eine unzureichende und unvollständige Prüfung der Nichtverhängung von Geldbußen gegenüber den Grenzhändlern durchgeführt zu haben.

107    So ergibt sich insbesondere aus der in den Rn. 83 bis 85 des vorliegenden Urteils dargelegten Begründung, dass die Kommission im 50. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses zu Recht darauf verwiesen hat, dass die zuständigen deutschen Landesbehörden die Grenzhändler nicht von verwaltungsrechtlichen Sanktionen und der Entrichtung von Geldbußen, die normalerweise zugunsten des Staatshaushalts geschuldet worden wären, befreit haben, sondern, ohne mit Schwierigkeiten bei der Auslegung der anwendbaren Rechtsvorschrift konfrontiert gewesen zu sein, davon ausgegangen sind, dass im Fall des Kaufs von Getränken im Rahmen einer Exporterklärung keine mit einer Geldbuße zu ahndende Zuwiderhandlung gegen die nationalen Rechtsvorschriften vorliegt, da die Nichterhebung des Pfands mit diesen Rechtsvorschriften in Einklang steht und die Verhängung einer Geldbuße gegen die Grenzhändler zwangsläufig ausgeschlossen war.

108    Die Kommission hat zwar im 51. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses ausgeführt, dass die VerpackV nach dem Wortlaut ihres § 9 Abs. 1 offenbar, wie in Rn. 24 des vorliegenden Urteils dargestellt, so auszulegen sei, dass Grenzhändler das Pfand erheben müssten. In den in Rn. 25 des vorliegenden Urteils zusammengefassten Erwägungsgründen 52 und 53 des Beschlusses ist sie allerdings davon ausgegangen, dass das Fehlen einer solchen Pfanderhebungspflicht für Grenzhändler, die Dosengetränke ausschließlich an „ausländische Verbraucher“ verkauften, die sich verpflichteten, sie auszuführen und außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets zu verzehren, mit dem Ziel der VerpackV, die Rückgabe von Einweggetränkeverpackungen in Deutschland zu fördern, im Einklang stehe.

109    Außerdem hat die Kommission, wie sich aus den in den Rn. 93 bis 96 des vorliegenden Urteils dargestellten Gründen ergibt, in den Erwägungsgründen 63, 65 und 70 des streitigen Beschlusses zutreffend festgestellt, dass sich ein anderer Ansatz als der von den zuständigen deutschen Landesbehörden verfolgte auch nicht in Anbetracht der den Mitgliedstaaten obliegenden Verpflichtung aufdrängt, bei der Umsetzung einer Richtlinie in ihre Rechtsordnung für eine vollständige Anwendung der Richtlinie zu sorgen, da Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 94/62 keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten vorsieht, auf im Einzelhandel verkaufte Einwegverpackungen von Getränken, die für den Verzehr außerhalb ihres Hoheitsgebiets bestimmt sind, ein Pfand zu erheben.

110    Es trifft zwar zu, dass die Kommission, wie sich den Erwägungsgründen 69 und 70 des streitigen Beschlusses entnehmen lässt, im Übrigen der Ansicht war, dass, „selbst wenn“ das nationale Recht dahin auszulegen sei, dass die Grenzhändler verpflichtet wären, das Pfand in jedem Fall zu erheben, sich die Nichtverhängung einer Geldbuße in einem solchen Fall gleichwohl aus einer vernünftigen Auslegung des nationalen Rechts ergebe. Unter Berücksichtigung der Rn. 107, 108 und 109 des vorliegenden Urteils zeigt sich allerdings, dass es sich dabei gegenüber der Begründung u. a. in den Erwägungsgründen 50, 52, 53, 63, 65 und 70 des streitigen Beschlusses um Hilfserwägungen handelt.

111    Da die Praxis der Grenzhändler, kein Pfand zu erheben, somit ein im Voraus als rechtmäßig und erlaubt definiertes Verhalten ist, das diese Händler keinen Sanktionen aussetzt, stellt die Nichtverhängung einer Geldbuße folglich keine Maßnahme dar, die aus staatlichen Mitteln gewährt wird (vgl. entsprechend Urteil vom 14. Januar 2015, Eventech, C‑518/13, EU:C:2015:9, Rn. 36).

112    Nach alledem greift der einzige, von Dansk Erhverv vor dem Gericht geltend gemachte Klagegrund nicht durch.

113    Die von Dansk Erhverv beim Gericht erhobene Nichtigkeitsklage ist daher abzuweisen.

 Kosten

114    Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er den Rechtsstreit endgültig entscheidet.

115    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

116    Was das Rechtsmittel in der Rechtssache C‑509/21 P betrifft, hat die IGG obsiegt, so dass Dansk Erhverv gemäß ihrem Antrag neben seinen eigenen Kosten auch die Kosten aufzuerlegen sind, die der IGG entstanden sind.

117    Was das Rechtsmittel in der Rechtssache C‑508/21 P betrifft, entscheidet der Gerichtshof nach Art. 149 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 190 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, bei einer Erledigung der Hauptsache über die Kosten. Nach Art. 142 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, entscheidet der Gerichtshof über die Kosten nach freiem Ermessen. Im vorliegenden Fall sind die Kosten des Rechtsmittelverfahrens in der Rechtssache C‑508/21 P Dansk Erhverv aufzuerlegen.

118    Da die Klage vor dem Gericht abgewiesen wurde, sind Dansk Erhverv außerdem sämtliche Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Rechtssachen C508/21 P und C509/21 P werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.

2.      Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 9. Juni 2021, Dansk Erhverv/Kommission (T47/19, EU:T:2021:331), wird aufgehoben.

3.      Die von Dansk Erhverv vor dem Gericht der Europäischen Union erhobene Klage wird abgewiesen.

4.      Das Rechtsmittel in der Rechtssache C508/21 P ist in der Hauptsache erledigt.

5.      Dansk Erhverv trägt die Kosten, die der Interessengemeinschaft der Grenzhändler (IGG) und der Europäischen Kommission im ersten Rechtszug sowie im Rahmen der Rechtsmittelverfahren entstanden sind.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.