Language of document : ECLI:EU:T:2012:480

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

27. September 2012(*)

„Wettbewerb – Kartelle – Niederländischer Straßenbaubitumenmarkt – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird – Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung – Geldbußen – Zusammenarbeit im Verwaltungsverfahren – Erheblicher Mehrwert – Gleichbehandlung“

In der Rechtssache T‑347/06

Nynäs Petroleum AB mit Sitz in Stockholm (Schweden),

Nynas Belgium AB mit Sitz in Stockholm,

Prozessbevollmächtigte: A. Howard, Barrister, M. Dean und D. McGowan, Solicitors,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch F. Castillo de la Torre als Bevollmächtigten im Beistand von Rechtsanwalt L. Gyselen,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung K(2006) 4090 endg. der Kommission vom 13. September 2006 in einem Verfahren gemäß Artikel 81 [EG] (Sache COMP/F/38.456 – Bitumen [Niederlande]), hilfsweise wegen Ermäßigung der mit dieser Entscheidung gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger sowie der Richter N. Wahl und S. Soldevila Fragoso (Berichterstatter),

Kanzler: N. Rosner, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juni 2011

folgendes

Urteil

 Sachverhalt

1        Der Nynas-Konzern ist hauptsächlich im Bereich der Erzeugung und der Vermarktung von Bitumen und Naphta-Spezialölen tätig. Nynäs Petroleum AB (im Folgenden: Nynäs AB), die Muttergesellschaft des Nynas-Konzerns, mit Sitz in Schweden, betrieb das Bitumengeschäft in Kontinentaleuropa über die belgische Gesellschaft Nynas NV/SA (im Folgenden: Nynas NV), die sich zu 100 % in ihrer Hand befand und die in einer Raffinerie in Antwerpen (Belgien) Bitumen herstellte und einen Teil davon in den Niederlanden vermarktete. Am 14. Februar 2003 wurde der Vertrieb von Bitumen von Nynas NV auf Nynas Belgium AB (im Folgenden: Nynas Belgium), eine zu 100 % von Nynäs AB gehaltene schwedische Tochtergesellschaft, übertragen. Am 31. Dezember 2007 wurden die Aktiva der Nynas Belgium auf Nynas NV übertragen, aber Nynas Belgium hält weiterhin 99,99 % von deren Aktien.

2        Mit Schreiben vom 20. Juni 2002 zeigte British Petroleum (im Folgenden: BP) der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an, dass auf dem niederländischen Straßenbaubitumenmarkt ein mutmaßliches Kartell bestehe, und beantragte gemäß der Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002) den Erlass von Geldbußen.

3        Am 1. und 2. Oktober 2002 nahm die Kommission u. a. in den Räumlichkeiten von Nynas NV in Belgien unangekündigte Nachprüfungen vor. Am 30. Juni 2003 versandte die Kommission an mehrere Gesellschaften, u. a. an Nynas NV, Auskunftsverlangen. Nachdem Nynas Belgium der Kommission mitgeteilt hatte, dass sie das Bitumengeschäft von Nynas NV übernommen habe, richtete die Kommission am 23. Juli 2003 ein neues Auskunftsverlangen an Nynas Belgium, auf das diese am 2. Oktober 2003 antwortete. Die Kommission versandte am 10. Februar 2004 ein weiteres Auskunftsverlangen, auf das Nynäs AB am 25. März 2004 antwortete, und ein Letztes am 5. April 2004, auf das diesmal Nynas Belgium am 22. Mai 2004 und ergänzend am 19. Oktober 2004 antwortete.

4        Am 18. Oktober 2004 leitete die Kommission ein Verfahren ein und nahm eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an, die sie am 19. Oktober 2004 an mehrere Unternehmen, u. a. an die Klägerinnen Nynäs AB und Nynas Belgium übersandte. Am 24. Mai 2005 antworteten die Klägerinnen getrennt auf diese Mitteilung der Beschwerdepunkte.

5        Nach der Anhörung der betroffenen Gesellschaften am 15. und 16. Juni 2005 ergänzten die Klägerinnen ihre Erklärungen, die ExxonMobil, eine Bitumenlieferantin, gegen die die Kommission keine Sanktionen verhängt hat, betrafen und die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte verwendet und von mehreren Teilnehmern an der Anhörung in Frage gestellt worden waren. Diese Ergänzungen wurden allen Teilnehmern an der Anhörung mitgeteilt und riefen verschiedene Reaktionen hervor.

6        Am 13. September 2006 erließ die Kommission die Entscheidung K(2006) 4090 endg. in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] (Sache COMP/F/38.456 – Bitumen [Niederlande]) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung), von der eine Zusammenfassung im Amtsblatt der Europäischen Union vom 28. Juli 2007 (ABl. L 196, S. 40) veröffentlicht ist und die den Klägerinnen am 26. September 2006 zugestellt wurde.

7        In der angefochtenen Entscheidung stellte die Kommission fest, dass die Unternehmen, an die die Entscheidung gerichtet ist, an einer einzigen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG gewesen seien, die darin bestanden habe, dass sie während der betreffenden Zeiträume für den Verkauf und Einkauf von Straßenbaubitumen in den Niederlanden regelmäßig gemeinsam den Bruttopreis, einen einheitlichen Rabatt auf den Bruttopreis für an dem Kartell beteiligte Straßenbauunternehmen und einen geringeren maximalen Rabatt auf den Bruttopreis für sonstige Straßenbauunternehmen festgesetzt hätten.

8        Bei den Klägerinnen wurde festgestellt, dass sie für diese Zuwiderhandlung vom 1. April 1994 bis 15. April 2002 mitverantwortlich gewesen seien, und es wurde gegen sie eine Geldbuße in Höhe von 13,5 Mio. Euro festgesetzt, für die sie gesamtschuldnerisch haften.

9        Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße stufte die Kommission die Zuwiderhandlung, obwohl der relevante räumliche Markt begrenzt war, aufgrund ihrer Art als besonders schwer ein (Randnr. 316 der angefochtenen Entscheidung).

10      Um jeweils der spezifischen Bedeutung des rechtswidrigen Verhaltens der einzelnen am Kartell beteiligten Unternehmen und dessen tatsächlichen Auswirkungen auf den Wettbewerb Rechnung zu tragen, differenzierte die Kommission bei den betroffenen Unternehmen nach der am Marktanteil gemessenen Bedeutung auf dem relevanten Markt und teilte sie in sechs Kategorien ein.

11      Bei den Klägerinnen ergab sich so ein Ausgangsbetrag von 7,5 Mio. Euro (Randnr. 322 der angefochtenen Entscheidung).

12      Zur Dauer der Zuwiderhandlung stellte die Kommission fest, die Klägerinnen hätten eine Zuwiderhandlung von langer Dauer begangen, da diese länger als fünf Jahre gedauert habe, und legte eine Gesamtdauer von acht Jahren, vom 1. April 1994 bis zum 15. April 2002, zugrunde; sie erhöhte den Ausgangsbetrag daher um 80 % (Randnr. 326 der angefochtenen Entscheidung). Der anhand der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung festgelegte Grundbetrag der Geldbuße wurde für die Klägerinnen also auf 13,5 Mio. Euro festgesetzt (Randnr. 335 der angefochtenen Entscheidung).

13      Die Kommission berücksichtigte bei den Klägerinnen keinen erschwerenden Umstand. Sie war außerdem der Ansicht, dass kein mildernder Umstand anerkannt werden könne, da ein eventuelles Kartellverhalten auf einer dritten Ebene, von dem das Unternehmen Nynas (im Folgenden: Nynas) ausgeschlossen gewesen sei, nicht als solcher berücksichtigt werden könne (Randnr. 354 der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission wies schließlich auch den Antrag der Klägerinnen zurück, ihre aktive Zusammenarbeit, nämlich die Antworten auf die Auskunftsverlangen, die Einräumung des Sachverhalts und die Verfolgung einer entsprechenden Politik der Repression und Prävention als mildernden Umstand anzuerkennen (Randnrn. 367 bis 371 der angefochtenen Entscheidung).

14      Die Kommission wandte die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 nicht an, da sie der Auffassung war, dass die von den Klägerinnen übermittelten Informationen keinen erheblichen Mehrwert darstellten (Randnrn. 389 bis 393 der angefochtenen Entscheidung).

 Verfahren und Anträge der Parteien

15      Mit Klageschrift, die am 4. Dezember 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen die vorliegende Klage erhoben.

16      Das Gericht (Sechste Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 der Verfahrensordnung des Gerichts den Parteien schriftliche Fragen gestellt. Die Parteien haben diese Fragen fristgerecht beantwortet.

17      In der Sitzung vom 15. Juni 2011 haben die Parteien mündlich verhandelt und die mündlichen Fragen des Gerichts beantwortet.

18      Da ein Mitglied der Sechsten Kammer verhindert war, hat der Präsident des Gerichts gemäß Art. 32 § 3 der Verfahrensordnung sich selbst dazu bestimmt, die Kammer zu ergänzen.

19      Mit Beschluss vom 18. November 2011 hat das Gericht (Sechste Kammer) in seiner neuen Zusammensetzung die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung angeordnet, und die Parteien sind darauf hingewiesen worden, dass sie in einer erneuten mündlichen Verhandlung gehört würden.

20      Mit Schreiben vom 25. und vom 28. November 2011 haben die Kommission und die Klägerinnen dem Gericht jeweils mitgeteilt, dass sie auf eine erneute Anhörung verzichteten.

21      Der Präsident des Gerichts hat daraufhin beschlossen, die mündliche Verhandlung zu schließen.

22      Die Klägerinnen beantragen,

–        Art. 1 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären soweit Nynäs AB darin für die Zuwiderhandlung gemeinsam und gesamtschuldnerisch haftbar gemacht wird;

–        Art. 2 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit er eine Geldbuße in Höhe von 13,5 Mio. Euro gegen sie verhängt, oder hilfsweise diese Geldbuße in angemessenem Umfang zu ermäßigen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

23      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

1.     Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung von Art. 1 der angefochtenen Entscheidung

24      Zur Stützung ihrer Anträge auf Nichtigerklärung von Art. 1 der angefochtenen Entscheidung führen die Klägerinnen einen einzigen Klagegrund an, und zwar offensichtliche Beurteilungsfehler und einen Rechtsfehler der Kommission, indem sie Nynäs AB die Verantwortung ihrer Tochtergesellschaft Nynas NV zugerechnet habe.

 Zum Rechtsfehler

 Vorbringen der Parteien

25      Die Klägerinnen sind der Ansicht, dass die Kommission die Rechtsprechung zur Zurechnung der Handlungen einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft (Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission, C‑286/98 P, Slg. 2000, I‑9925, Randnrn. 27 bis 30) fehlerhaft angewandt habe und dass eine Muttergesellschaft tatsächlich aktiv an den Zuwiderhandlungen ihrer Tochtergesellschaft beteiligt gewesen sein müsse, damit ihr die Verantwortung dafür zugerechnet werden könne.

26      In ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts hinsichtlich der Folgerungen, die aus den Urteilen des Gerichtshofs vom 10. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission (C‑97/08 P, Slg. 2009, I‑8237), und vom 20. Januar 2011, General Química u. a./Kommission (C‑90/09 P, Slg. 2011, I‑1), zu ziehen seien, haben die Klägerinnen ihr Vorbringen zur Auslegung der auf dem Urteil Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission, oben in Randnr. 25 angeführt, beruhenden Rechtsprechung im ersten Teil ihres einzigen Nichtigkeitsgrundes fallen gelassen, was vom Gericht in den Akten vermerkt wurde. Sie haben jedoch ihr Vorbringen zu den Modalitäten der Widerlegung der Vermutung beibehalten, dass eine Muttergesellschaft einen entscheidenden Einfluss auf ihre Tochtergesellschaft ausübt, die von ihr zu 100 % gehalten wird.

27      Somit kann nach Ansicht der Klägerinnern eine Vermutung, nach der eine Muttergesellschaft einen entscheidenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaften ausübe, ab dem Zeitpunkt widerlegt werden, zu dem die Muttergesellschaft nachweise, dass ihre Tochtergesellschaft unabhängig gehandelt habe. Die Kommission habe aber die Rechtsprechung nicht korrekt ausgelegt, da sie von einer Muttergesellschaft fordere, den Nachweis zu erbringen, dass sie von ihrer Weisungsbefugnis gegenüber ihrer Tochtergesellschaft keinen Gebrauch gemacht habe und dass diese Tochtergesellschaft alle ihre strategischen Entscheidungen getroffen habe, ohne sie ihr unterbreitet zu haben. Ein solcher Beweis könne in der Praxis nicht erbracht werden und widerspreche dem Grundsatz der persönlichen Verantwortung (Urteil vom 13. Dezember 2001, Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, T‑45/98 und T‑47/98, Slg. 2001, II‑3757, Randnr. 63).

28      Die Klägerinnen sind nämlich der Ansicht, dass eine Muttergesellschaft immer gehalten sei, Einfluss, selbst wenn er gering sei, auf ihre Tochtergesellschaft auszuüben. Nach schwedischem Recht müssten Muttergesellschaften zum Schutz von Aktionären und Dritten bestimmte Bedingungen hinsichtlich der Kontrolle ihrer Tochtergesellschaften erfüllen, wie die Zustimmung zu Transaktionen ab einer bestimmten Höhe, die Beachtung interner Berichtspflichten oder die Einrichtung konsolidierter Konten. Somit sei es Sache der Kommission, zu beurteilen, ob die Muttergesellschaft einen entscheidenden Einfluss auf das Verhalten der Tochtergesellschaft auf dem relevanten Markt und nicht in abstrakt-genereller Weise ausgeübt hat.

29      Die Kommission weist das Vorbringen der Klägerinnen in vollem Umfang zurück.

 Würdigung durch das Gericht

30      Die Kommission vertrat in der angefochtenen Entscheidung (Randnrn. 252 bis 264) die Ansicht, dass, obwohl Nynas NV die unmittelbar an dem Kartell beteiligte Rechtspersönlichkeit gewesen sei, Nynäs AB als Muttergesellschaft, die sie zu 100 % hielt, im Zuwiderhandlungszeitraum einen entscheidenden Einfluss auf ihre Handelspolitik ausüben konnte.

31      Zunächst ist festzustellen, dass das Wettbewerbsrecht der Union die Tätigkeit von Unternehmen betrifft (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, Slg. 2004, I‑123, Randnr. 59) und dass der Begriff „Unternehmen“ im Sinne von Art. 81 EG wirtschaftliche Einheiten umfasst, die jeweils in einer einheitlichen Organisation persönlicher, materieller und immaterieller Mittel bestehen, mit der dauerhaft ein bestimmter wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird und die an einer Zuwiderhandlung im Sinne dieser Vorschrift beteiligt sein kann (vgl. Urteil des Gerichts vom 20. März 2002, HFB u. a./Kommission, T‑9/99, Slg. 2002, II‑1487, Randnr. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung). In diesem Zusammenhang ist unter dem Begriff „Unternehmen“ eine wirtschaftliche Einheit zu verstehen, selbst wenn diese wirtschaftliche Einheit rechtlich aus mehreren natürlichen oder juristischen Personen gebildet wird (Urteil des Gerichtshofs vom 14. Dezember 2006, Confederación Española de Empresarios de Estaciones de Servicio, C‑217/05, Slg. 2006, I‑11987, Randnr. 40).

32      Das wettbewerbswidrige Verhalten eines Unternehmens, das sein Marktverhalten nicht selbständig bestimmt, sondern vor allem wegen der wirtschaftlichen und rechtlichen Bindungen zu einem anderen Unternehmen im Wesentlichen dessen Weisungen befolgt hat, kann dem anderen Unternehmen zugerechnet werden (Urteile des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Metsä-Serla u. a./Kommission, C‑294/98 P, Slg. 2000, I‑10065, Randnr. 27, vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Randnr. 117, und Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 26 angeführt, Randnr. 58). Das Verhalten einer Tochtergesellschaft kann daher der Muttergesellschaft zugerechnet werden, wenn die Tochtergesellschaft ihr Vorgehen auf dem Markt nicht autonom bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt, da diese beiden Unternehmen dann eine wirtschaftliche Einheit bilden (Urteil des Gerichtshofs vom 14. Juli 1972, Imperial Chemical Industries/Kommission, 48/69, Slg. 1972, 619, Randnrn. 133 und 134).

33      Nicht ein zwischen Mutter- und Tochterunternehmen in Bezug auf die Zuwiderhandlung bestehendes Anstiftungsverhältnis und schon gar nicht eine Beteiligung Ersterer an dieser Zuwiderhandlung, sondern der Umstand, dass sie ein einziges Unternehmen im vorstehend genannten Sinne darstellen, gibt somit der Kommission die Befugnis, die Entscheidung, mit der Geldbußen verhängt werden, an das Mutterunternehmen einer Unternehmensgruppe zu richten. Nach dem Wettbewerbsrecht der Union stellen nämlich verschiedene Gesellschaften, die zum selben Konzern gehören, eine wirtschaftliche Einheit und somit ein Unternehmen im Sinne der Art. 81 EG und 82 EG dar, wenn sie ihr Marktverhalten nicht selbständig bestimmen (Urteil des Gerichts vom 30. September 2003, Michelin/Kommission, T‑203/01, Slg. 2003, II‑4071, Randnr. 290).

34      In dem speziellen Fall, dass eine Muttergesellschaft 100 % des Kapitals ihrer Tochtergesellschaft hält, die eine Zuwiderhandlung begangen hat, kann zum einen diese Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten dieser Tochtergesellschaft ausüben und zum anderen besteht eine widerlegliche Vermutung, dass die Muttergesellschaft tatsächlich einen solchen Einfluss ausübt (vgl. Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 26 angeführt, Randnr. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Unter diesen Umständen genügt es, dass die Kommission nachweist, dass die Muttergesellschaft das gesamte Kapital der Tochtergesellschaft hält, um zu vermuten, dass die Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik dieses Tochterunternehmens ausübt. Die Kommission kann in der Folge die Muttergesellschaft als gesamtschuldnerisch für die Zahlung der gegen die Tochtergesellschaft verhängten Geldbuße haftbar ansehen, sofern die Muttergesellschaft, der die Widerlegung dieser Vermutung obliegt, keine ausreichenden Beweise dafür erbringt, dass ihre Tochtergesellschaft auf dem Markt eigenständig auftritt (Urteile Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission, oben in Randnr. 25 angeführt, Randnr. 29, und Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 26 angeführt, Randnr. 61).

36      Die Klägerinnen vertreten die Auffassung, so wie sie von der Kommission ausgelegt werde, sei die Vermutung, dass eine Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf ihre 100%ige Tochtergesellschaft ausübe, unwiderlegbar.

37      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es jedoch, um die Vermutung zu widerlegen, dass eine Muttergesellschaft, die 100 % des Gesellschaftskapitals ihrer Tochtergesellschaft hält, tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf diese ausübt, Sache dieser Muttergesellschaft, der Kommission und später gegebenenfalls dem Unionsrichter alle Angaben in Bezug auf die organisatorischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Verbindungen zwischen ihr und ihrer Tochtergesellschaft zur Würdigung vorzulegen hat, die ihres Erachtens dem Nachweis dienen können, dass sie keine wirtschaftliche Einheit bilden und die von Fall zu Fall variieren und daher nicht abschließend aufgezählt werden können (Urteile Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 26 angeführt, Randnr. 65, und General Química u. a./Kommission, oben in Randnr. 26 angeführt, Randnrn. 51 und 52). Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen handelt es sich also um eine widerlegbare Vermutung, die zu widerlegen Sache der Klägerinnen ist.

38      Die Klägerinnen sind außerdem der Ansicht, dass die Verpflichtungen, denen eine Muttergesellschaft nach nationalem Recht unterliege, eine Widerlegung der genannten Vermutung unmöglich machten. Es ist jedoch festzustellen, dass eine Gesellschaft sich nicht auf eine nationale Regelung berufen kann, um sich den Regeln der Union zu entziehen, da die vom Unionsrecht verwendeten Begriffe grundsätzlich in der gesamten Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden müssen (Urteil des Gerichtshofs vom 1. Februar 1972, Hagen, 49/71, Slg. 1972, 23, Randnr. 6). Aus den vorstehend wiedergegebenen Grundsätzen über das Bestehen einer solchen Vermutung und die Kriterien, nach denen sie widerlegt werden kann, ergibt sich jedenfalls, dass die Verpflichtungen, die das schwedische Recht den Muttergesellschaften gegenüber ihren Tochtergesellschaften auferlegt und mit denen zum Schutz von Aktionären und Dritten eine strenge Kontrolle der Tochtergesellschaften eingerichtet werden soll, die Vermutung der Kommission in Bezug auf die von Nynäs AB über ihre Tochtergesellschaft Nynas NV ausgeübte Kontrolle stärken.

39      Schließlich vertreten die Klägerinnen die Auffassung, so wie sie von der Kommission ausgelegt werde, widerspreche die Vermutung, dass eine Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf ihre 100%ige Tochtergesellschaft ausübe, dem Grundsatz der persönlichen Verantwortung. Die Klägerinnen beziehen sich auf die Rechtsprechung, die auf dem Urteil Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, oben in Randnr. 27 angeführt, beruht, nach der eine natürliche oder juristische Person nur für solche Taten bestraft werden darf, die ihr individuell zur Last gelegt werden. Sie führen aus, dass die Kommission nach diesem Grundsatz von einer Muttergesellschaft nicht verlangen dürfe, dass sie, damit ihr die Verantwortung für die Zuwiderhandlung ihrer Tochtergesellschaft nicht zugerechnet werde, nachweise, dass sie nicht von ihrer Weisungsbefugnis Gebrauch gemacht habe, um einen bestimmenden Einfluss auf ihre Tochtergesellschaft auszuüben, und dass diese Tochtergesellschaft alle ihre strategischen Entscheidungen getroffen habe, ohne sie ihr vorzulegen.

40      Nach der Rechtsprechung stellt die Tatsache, dass die Muttergesellschaft eines Konzerns, die einen bestimmenden Einfluss auf ihre Tochtergesellschaften ausübt, für die von Letzteren begangenen Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht gesamtschuldnerisch haftbar gemacht werden kann, keinesfalls eine Ausnahme vom Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit dar, sondern ist vielmehr Ausdruck dieses Grundsatzes, weil die Muttergesellschaft und die ihrem bestimmenden Einfluss unterliegenden Tochtergesellschaften zusammen ein einziges Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts der Union bilden, für das sie verantwortlich sind, und wenn dieses Unternehmen vorsätzlich oder fahrlässig gegen die Wettbewerbsregeln verstößt, haften sämtliche juristische Personen, die Teil der Konzernstruktur sind, persönlich und gesamtschuldnerisch (vgl. Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 26 angeführt, Randnr. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung). Somit ist der Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit von der Rechtsprechung anerkannt (Urteile des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C‑49/92 P, Slg. 1999, I‑4125, Randnr. 145, vom 16. November 2000, Cascades/Kommission, C‑279/98 P, Slg. 2000, I‑9693, Randnr. 78, und vom 11. Dezember 2007, ETI u. a., C‑280/06, Slg. 2007, I‑10893, Randnr. 39), aber er ist auf Unternehmen anwendbar und nicht auf Gesellschaften. Auch diese Rüge greift daher nicht durch.

41      Nach alledem hat die Kommission keinen Rechtsfehler begangen, indem sie Nynäs AB die Verantwortung für die von ihrer Tochtergesellschaft Nynas NV begangene Zuwiderhandlung zugerechnet hat.

 Zu den offensichtlichen Beurteilungsfehlern im vorliegenden Fall bei der Zurechnung der Verantwortung an Nynäs AB

 Vorbringen der Parteien

42      Erstens hat die Kommission nach Ansicht der Klägerinnen einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, indem sie die weitgehende geschäftliche Eigenständigkeit der Tochtergesellschaften in ihrem Konzern nicht beachtet habe. Ihr Organigramm zeige, dass Nynas NV für die Handelsgeschäfte und die strategischen Ausrichtung der Abteilung „Bitumen“ in den Niederlanden zuständig gewesen sei und dass ihre Schwestergesellschaften, die im Bitumengeschäft in Europa tätig seien, ihr die politischen und wichtigen operationellen Entscheidungen übertragen hätten. Aufgabe der Muttergesellschaft sei nur gewesen, bestimmten außergewöhnlichen Geschäften zuzustimmen, ohne die Eigenständigkeit von Nynas NV anzutasten.

43      Zweitens habe die Kommission das Verhalten von Nynäs AB und ihrer Tochtergesellschaft Nynas NV auf dem in Rede stehenden Markt offensichtlich falsch beurteilt. So habe die Kommission zum einen nicht beachtet, dass die Aufgabe von Nynas NV ausschließlich auf das Aushandeln von Verträgen und die Einstellung von Personal auf dem niederländischen Bitumenmarkt beschränkt gewesen sei, und zum anderen, dass sich die Funktion von Nynäs AB klar auf Fragen der Führungsstrategie, des globalen Risikos und der Koordination des Konzerns beschränkte, und dass ihr auf dem in Rede stehenden Markt keine Aufgabe zukam. Die Kommission habe somit Nynäs AB offensichtlich fehlerhaft eine entscheidende Stellung im Hinblick auf die Festlegung der Ziele und der Strategie für diesen Markt beigemessen, obwohl die Schwellenwerte, ab denen sie an den Entscheidungen von Nynas NV mitzuwirken gehabt habe, sehr hoch gewesen seien und die Geschäftsvorgänge, die ihrer Zustimmung bedurft hätten, Ausnahmen geblieben seien. Die Kommission habe im Übrigen kein Beweismaterial vorgelegt, das eine Beurteilung der Rolle von Nynäs AB bei dem in Rede stehenden wettbewerbswidrigen Verhalten von Nynas NV ermögliche.

44      Drittens seien die Punkte, auf die sich die Kommission für ihre Auffassung gestützt habe, dass Nynäs AB tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf Nynas NV ausgeübt habe, sehr formalistisch. So habe sie Umständen wie der Existenz von Unterrichtungsmechanismen (Reporting) zwischen Nynas NV und Nynäs AB und von konsolidierten Konten oder der Beteiligung von Mitgliedern des Vorstands von Nynas NV an der Geschäftsleitung von Nynäs AB eine zu große Bedeutung beigemessen. Sie habe außerdem nicht berücksichtigt, dass sich die Aufgaben des „Chief Business Executive“ (Geschäftsbereichsleiter, im Folgenden: CBE) der Abteilung „Bitumen“ von Nynas NV auf die Übermittlung von Informationen und die Analyse der finanziellen Ergebnisse im Exekutivkomitee von Nynäs AB beschränkt habe.

45      Die Kommission widerspricht dem gesamten Vorbringen der Klägerinnen.

 Würdigung durch das Gericht

46      Hinsichtlich der Rügen, wonach die Kommission offensichtliche Beurteilungsfehler begangen habe, indem sie Nynäs AB die Zuwiderhandlung der Nynas NV zugerechnet habe, ist zu prüfen, ob die Klägerinnen Beweismaterial vorgelegt haben, das die Vermutung widerlegen kann, dass Nynäs AB einen bestimmenden Einfluss auf Nynas NV ausgeübt hat.

47      In den Randnrn. 252 bis 264 der angefochtenen Entscheidung legt die Kommission dar, sie habe in Anbetracht der zwischen den beiden Gesellschaften bestehenden Beteiligungsstruktur von 100 % vermuten können, dass Nynäs AB in der Zeit vom 1. April 1994 bis zum 15. April 2002 tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf Nynas NV ausgeübt habe. Weiter werde diese Vermutung zusätzlich von mehreren Merkmalen der Unternehmensstruktur gestützt. So übe Nynas NV innerhalb des Konzerns zwar die Funktion der Hauptverwaltung Europa für das Bitumengeschäft aus, doch sei sie nicht berechtigt, oberhalb eines Höchstvolumens ohne die Beteiligung von Nynäs AB bestimmte Entscheidungen zu treffen (Investitionsausgaben, Aushandeln und Abschluss von Verträgen, Vergabe von Krediten an Kunden und das Verschrotten von Anlagen). Im Übrigen entscheide die Muttergesellschaft mittels ihres Exekutivkomitees über die Zielsetzungen, die Strategien und die Leitlinien der gesamten Unternehmensgruppe und treffe auf hoher Unternehmensebene Entscheidungen über den Haushalt des Konzerns und ihre Großprojekte und übernehme die Koordinierungsfunktion. Darüber hinaus sei die Muttergesellschaft vertikal organisiert und delegiere bestimmte Befugnisse über die Ausschüsse an ihre Tochtergesellschaften. Schließlich gehörten zwei der drei Vorstandsmitglieder von Nynas NV zu Nynäs AB, bei der sie die Funktionen des Vorsitzenden und des „Chief refining officer“ ausübten, das dritte Mitglied des Vorstands von Nynas NV sei deren Vorsitzender, der auch dem Vorstand von Nynäs AB angehöre.

–       Zur Eigenständigkeit der Geschäftspolitik von Nynas NV

48      Zwar beschränkt sich nach der Rechtsprechung, wie oben in Randnr. 37 ausgeführt, die Beurteilung des Einflusses der Muttergesellschaft auf ihre Tochtergesellschaft nicht auf die Prüfung der Geschäftspolitik im engeren Sinne, der Unionsrichter hat jedoch weiterhin die Möglichkeit, Aspekte der Geschäftspolitik zu berücksichtigen, um zu beurteilen, ob die beiden Gesellschaften eine wirtschaftliche Einheit bilden.

49      Es ergibt sich u. a. aus dem „Organisation Book“ des Nynas-Konzerns, dass seine Struktur sehr integriert und hierarchisch ist. Der Konzern ist nach Geschäftsbereichen in drei Abteilungen unterteilt, von denen jede von einem CBE geleitet wird. Nynas NV ist somit die Abteilung, die für die operative Leitung und die Führung der täglichen Geschäfte sämtlicher Tochtergesellschaften zuständig ist, die zur Abteilung „Bitumen“ gehören.

50      Die Gesamtkoordination der Abteilungen wird vom Präsidenten der Nynäs AB sichergestellt, während für die tägliche Koordination aller Tochtergesellschaften auf Konzernebene tätige, nach Aufgaben spezialisierte Ausschüsse zuständig sind („Corporate Functional Managers“ und „Coordinators“), insbesondere im geschäftlichen Bereich. Diese Ausschüsse, von denen die meisten unmittelbar der Muttergesellschaft unterstellt sind, während manche direkt bei den Tochtergesellschaften angesiedelt sind, müssen alle Informationen unmittelbar dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten der Muttergesellschaft übermitteln. Die CBE jeder Abteilung sind ständige Mitglieder des Exekutivkomitees der Muttergesellschaft Nynäs AB, dem außerdem der Präsident und der Vizepräsident der Nynäs AB angehören. Dieses Exekutivkomitee hat die Aufgabe, auf hoher Konzernebene monatlich die Zielsetzungen, die Strategie, die Leitlinien und die Haushaltsentscheidungen des Konzerns, seine Großprojekte und seine funktionelle Koordinierung festzulegen.

51      Zwar tragen die Klägerinnen vor, die CBE übermittelten der Muttergesellschaft nur eine monatliche Analyse ihrer finanziellen Leistungen, ohne sie über die laufenden Entscheidungen über An- und Verkäufe zu informieren, die Prüfung der Organisation des Konzerns zeigt jedoch, dass die Muttergesellschaft über das Exekutivkomitee und die Fachausschüsse regelmäßig eng in die Geschäftstätigkeit ihrer Tochtergesellschaften mit eingebunden ist. Die Klägerinnen haben im Übrigen kein Beweismaterial vorgelegt, das die Feststellung erlaubt, dass Nynäs AB nicht von ihrer Befugnis Gebrauch gemacht hat, einen bestimmenden Einfluss auf Nynas NV auszuüben. Außerdem kann die Tatsache, dass Nynas NV bis zu einer gewissen Höchstgrenze eine relativ eigenständige Geschäftspolitik betrieben hat, für sich allein nicht die Feststellung entkräften, dass Nynäs AB als 100%ige Aktionärin und in Anbetracht der Gesellschaftsstruktur des Konzerns tatsächlich einen entscheidenden Einfluss auf Nynas NV ausübte.

52      Die Klägerinnen sind im Übrigen der Ansicht, dass der Umstand, dass Nynas NV mit der operativen Leitung und der Führung der täglichen Geschäfte sämtlicher Tochtergesellschaften der Abteilung „Bitumen“ betraut gewesen sei und diese Tochtergesellschaften ihre Befugnisse, grundlegende Entscheidungen zur Politik und zu operativen Fragen zu erlassen, in einem „Management Service Agreement“ auf sie übertragen hätten, die Feststellung erlaube, dass ihre Aufgaben über die gewöhnlichen Aufgaben einer Tochtergesellschaft hinausgingen und dass sie somit weitgehend eigenständig gewesen sei. Jedoch wird vom Unionsrichter eingeräumt, dass, wenn eine Gesellschaft eine Schwestergesellschaft beaufsichtigt, die an einer Zuwiderhandlung beteiligt ist, die Kommission vermuten kann, dass die gemeinsame Muttergesellschaft diese Aufsichtsbefugnisse auf diese Schwestergesellschaft übertragen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Jungbunzlauer/Kommission, T‑43/02, Slg. 2006, II‑3435, Randnr. 129). Somit ist die Tatsache, dass Nynas NV im Bitumensektor über andere Gesellschaften des Konzerns eine gewisse Aufsicht ausgeübt hat, obwohl diese anderen Gesellschaften nicht ihre eigenen Tochtergesellschaften waren, ein zusätzlicher Hinweis darauf, dass es zwischen Nynäs AB und Nynas NV hierarchische Kanäle gibt, da Letzterer die Kontrolle, die sie über ihre Schwestergesellschaften ausübt, nur von der Muttergesellschaft übertragen worden sein kann.

–       Zum Verhalten der Muttergesellschaft auf dem in Rede stehenden Markt und ihrer Rolle bei der Zuwiderhandlung

53      Die Klägerinnen tragen vor, dass die Kommission sich auf die Angaben hätte stützen müssen, die die Beurteilung der Rolle der Muttergesellschaft bei dem in Rede stehenden wettbewerbswidrigen Verhalten erlaubt hätten, um davon auszugehen, dass sie für die von ihrer Tochtergesellschaft begangene Zuwiderhandlung haftbar sein könne. Wie oben in Randnr. 33 ausgeführt, muss jedoch nach ständiger Rechtsprechung die Kontrolle der Muttergesellschaft über die Tochtergesellschaft nicht zwangsläufig einen Zusammenhang mit dem rechtswidrigen Verhalten aufweisen (Urteile Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 26 angeführt, Randnr. 59, und General Química u. a./Kommission, oben in Randnr. 26 angeführt, Randnrn. 38, 102 und 103). Im Übrigen musste die Kommission keine den Umstand, dass Nynäs AB das gesamte Kapital ihrer Tochtergesellschaft hält, ergänzenden Beweise vorlegen, um zu vermuten, dass Nynäs AB einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik dieser Tochtergesellschaft ausgeübt hat. Es ist folglich nicht notwendig, zu untersuchen, ob Nynäs AB auf die Zuwiderhandlung von Nynas NV tatsächlich Einfluss genommen hat.

–       Zur Berücksichtigung der zu formalistischen Merkmale

54      Die Klägerinnen tragen vor, die Kommission habe Merkmalen wie dem Vorhandensein von Informationsmechanismen zwischen Nynas NV und Nynäs AB und von konsolidierten Konten sowie der Beteiligung von Vorstandsmitgliedern von Nynas NV an der Geschäftsleitung von Nynäs AB zu große Bedeutung beigemessen.

55      Wie oben in Randnr. 37 ausgeführt, muss der Unionsrichter jedoch nach der Rechtsprechung bei der Beurteilung des Vorliegens einer wirtschaftlichen Einheit zwischen der Muttergesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft sämtliche ihm von den Parteien vorgelegte Angaben in Bezug auf zwischen den beiden Gesellschaften bestehende organisatorische, wirtschaftliche, und rechtliche Verbindungen, deren Charakter und Bedeutung entsprechend den jedem Fall eigenen Merkmalen variieren kann, berücksichtigen (Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 26 angeführt, Randnr. 65). Zwar sind bestimmte Umstände, wie die Konsolidierung der Konten auf Konzernebene unerheblich (Urteil General Química u. a./Kommission, oben in Randnr. 26 angeführt, Randnr. 108), andere Merkmale, die für sich allein den Nachweis einer wirtschaftlichen Einheit nicht erbringen können, können dennoch in ihrer Gesamtheit ein Bündel ausreichender übereinstimmender Hinweise darstellen.

56      Somit sind Merkmale zu berücksichtigen, die starke hierarchische Verbindungen zwischen den beiden Gesellschaften erkennen lassen, wie im vorliegenden Fall die Informationsmechanismen zwischen Tochter- und Muttergesellschaft und die gegenseitige Präsenz von leitenden Mitgliedern der einen Gesellschaft in den Entscheidungsgremien der anderen. Im Übrigen ist der Umstand, dass die angefochtene Entscheidung irrtümlich erwähnt, dass der CBE von Nynas NV im Vorstand von Nynäs AB sei, während er im Exekutivkomitee von Nynäs AB sitzt, ohne Bedeutung für die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung, da sich aus den Akten ergibt, dass das Exekutivkomitee von Nynäs AB eine grundlegende Rolle bei den Entscheidungen auf hoher Konzernebene spielt (siehe oben, Randnr. 50).

57      Nach alledem kann das von den Klägerinnen vorgelegte Beweismaterial nicht die Vermutung widerlegen, dass Nynäs AB dadurch, dass sie 100 % des Kapitals von Nynas NV hält, einen bestimmenden Einfluss auf die Politik von Nynas NV ausgeübt hat. Daher ist festzustellen, dass Nynäs AB mit ihrem Tochterunternehmen ein Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG darstellt, ohne dass geprüft werden müsste, ob Nynäs AB Einfluss auf das in Rede stehende Verhalten ausgeübt hat. Der erste Klagegrund ist folglich insgesamt zurückzuweisen.

58      Nach alledem sind die Klageanträge auf Nichtigerklärung von Art. 1 der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen.

2.     Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung

59      Die Klägerinnen machen zwei Klagegründe zur Stützung ihrer Anträge auf Nichtigerklärung von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung geltend. Mit dem ersten Klagegrund werden offensichtliche Beurteilungsfehler, Rechtsfehler und die Nichtbeachtung des Gleichheitsgrundsatzes durch die Kommission bei der Anwendung der Vorschriften von Abschnitt B der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 gerügt, und der zweite Klagegrund zielt auf die Feststellung, dass die Kommission gemäß Nr. 3 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3) (im Folgenden: Leitlinien), außerhalb der Bestimmungen der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 die aktive Zusammenarbeit der Klägerinnen hätte berücksichtigen müssen.

 Zur Ablehnung der Gewährung einer Ermäßigung auf der Grundlage der Vorschriften von Abschnitt B der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002

60      Nr. 20 der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 bestimmt: „Unternehmen, die die Voraussetzungen [für einen Erlass der Geldbuße] in Abschnitt A nicht erfüllen, kann eine Ermäßigung der Geldbuße gewährt werden, die andernfalls verhängt worden wäre.“ In Nr. 21 der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 wird weiter ausgeführt: „Um für eine Ermäßigung der Geldbuße in Betracht zu kommen, muss das Unternehmen der Kommission Beweismittel für die mutmaßliche Zuwiderhandlung vorlegen, die gegenüber den bereits im Besitz der Kommission befindlichen Beweismitteln einen erheblichen Mehrwert darstellen, und seine Beteiligung an der mutmaßlich rechtswidrigen Handlung spätestens zum Zeitpunkt der Beweisvorlage einstellen“. Darüber hinaus bestimmt Nr. 22 der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002: „Der Begriff Mehrwert bezieht sich auf das Ausmaß, in dem die vorgelegten Beweismittel aufgrund ihrer Eigenschaft und/oder ihrer Ausführlichkeit der Kommission dazu verhelfen, den betreffenden Sachverhalt nachzuweisen. Bei ihrer Würdigung wird die Kommission im Allgemeinen schriftlichen Beweisen aus der Zeit des nachzuweisenden Sachverhalts einen größeren Wert beimessen als solchen, die zeitlich später einzuordnen sind. Ebenso werden Beweismittel, die den fraglichen Sachverhalt unmittelbar beweisen, höher eingestuft als jene, die nur einen mittelbaren Bezug aufweisen.“

61      Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen, dass Nynas, ohne einen formalen Antrag auf Ermäßigung ihrer Geldbuße nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 zu stellen, in ihrer Erwiderung vom 2. Oktober 2003 auf das Auskunftsverlangen detaillierte Informationen geliefert hat. Diese Informationen beinhalteten u. a. eine neun Seiten umfassende genaue Beschreibung des Systems der Kartelltreffen, die von ihr nicht verlangt worden war, und stellten somit einen erheblichen Mehrwert dar. Die Kommission war jedoch der Ansicht, dass diese Angaben ihr nicht geholfen hätten, die Sachverhalte zu beweisen, weil sie zu diesem Zeitpunkt bereits über Schriftstücke, die bei den Inspektionen beschlagnahmt worden seien, über Anträge auf Anwendung der Kronzeugenregelung von BP und Kuwait Petroleum und über bestimmte Antworten auf ihre am 30. Juni 2003 verschickte erste Serie von Auskunftsverlangen verfügt habe. Außerdem sei es ihr aufgrund dieser Beweise nicht möglich gewesen, neue wichtige Merkmale des Kartells festzustellen, insbesondere weil Nynas bestimmte Erklärungen zu ExxonMobil neu formuliert habe. Die Kommission war deshalb der Ansicht, dass sie Nynas, da sie keine Informationen mit einem erheblichen Mehrwert geliefert habe, keine Ermäßigung der Geldbuße in Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 habe gewähren können (Randnrn. 389 bis 393 der angefochtenen Entscheidung).

62      Der Rechtsprechung ist zu entnehmen, dass die Kommission in dem Bereich über ein gewisses Ermessen verfügt und dass die Kontrolle des Richters auf die Kontrolle eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers beschränkt ist. Nach ständiger Rechtsprechung rechtfertigt eine Zusammenarbeit, die nicht über das hinausgeht, wozu die Unternehmen nach Art. 18 Abs. 3 und 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) verpflichtet sind, nicht eine Ermäßigung der Geldbuße (Urteile des Gerichts vom 10. März 1992, Solvay/Kommission, T‑12/89, Slg. 1992, II‑907, Randnrn. 341 und 342, und vom 14. Mai 1998, Cascades/Kommission, T‑308/94, Slg. 1998, II‑925, Randnr. 260). Dagegen ist eine solche Herabsetzung gerechtfertigt, wenn das Unternehmen Auskünfte gegeben hat, die weit über das hinausgehen, was die Kommission nach Art. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 verlangen kann (Urteile des Gerichts Cascades/Kommission, Randnrn. 261 und 262, und vom 9. Juli 2003, Daesang und Sewon Europe/Kommission, T‑230/00, Slg. 2003, II‑2733, Randnr. 137). Die Herabsetzung einer Geldbuße aufgrund der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 ist nur gerechtfertigt, wenn das Verhalten eines Unternehmens der Kommission die Wahrnehmung ihrer Aufgabe erleichtert hat, Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln festzustellen und zu verfolgen; außerdem muss das Verhalten ein Zeichen echter Zusammenarbeit sein. Das Gericht hat daher zum einen zu prüfen, ob die Kommission falsch beurteilt hat, inwieweit die Zusammenarbeit der fraglichen Unternehmen über das nach Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 erforderliche Maß hinausging. Insoweit übt es eine umfassende Kontrolle aus, die insbesondere die Grenzen betrifft, die sich aus den Verteidigungsrechten der Unternehmen für die Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsverlangen ergeben. Zum anderen hat das Gericht, wie im vorliegenden Fall, zu prüfen, ob die Kommission im Hinblick auf die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 den Nutzen einer Kooperation für den Nachweis der Zuwiderhandlung korrekt beurteilt hat. Innerhalb der durch diese Mitteilung vorgegebenen Grenzen verfügt die Kommission über ein Ermessen bei der Beurteilung der Frage, ob Auskünfte oder Schriftstücke, die die Unternehmen freiwillig geliefert haben, ihre Aufgabe erleichtert haben und ob einem Unternehmen ein Nachlass gemäß dieser Mitteilung zu gewähren ist. Diese Beurteilung unterliegt einer beschränkten gerichtlichen Kontrolle (Urteil des Gerichtshofs vom 9. Juli 2009, Archer Daniels Midland/Kommission, C‑511/06 P, Slg. 2009, I‑5843, Randnr. 152; Urteil des Gerichts vom 14. Dezember 2006, Raiffeisen Zentralbank Österreich u. a./Kommission, T‑259/02 bis T‑264/02 und T‑271/02, Slg. 2006, II‑5169, Randnr. 529 bis 532, bestätigt vom Gerichtshof im Urteil vom 24. September 2009, Erste Group Bank u. a./Kommission, C‑125/07 P, C‑133/07 P, C‑135/07 P und C‑137/07 P, Slg. 2009, I‑8681, Randnr. 249).

63      Im Übrigen ist die Kommission zwar verpflichtet, anzugeben, aus welchen Gründen sie der Ansicht ist, dass die von den Unternehmen im Rahmen der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 gemachten Angaben einen Beitrag darstellen, der eine Herabsetzung der festgesetzten Geldbuße rechtfertigt oder auch nicht, demgegenüber haben aber die Unternehmen, die die entsprechende Entscheidung der Kommission anfechten wollen, nachzuweisen, dass diese in Ermangelung derartiger, von diesen Unternehmen freiwillig gelieferter Angaben nicht in der Lage gewesen wäre, die wesentlichen Elemente der Zuwiderhandlung zu beweisen und somit eine Entscheidung über die Festsetzung von Geldbußen zu erlassen (Urteil Erste Group Bank u. a./Kommission, oben in Randnr. 62 angeführt, Randnr. 297).

64      Im Rahmen der Anwendung der Mitteilung der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207 S. 4, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit von 1996) war der Unionsrichter der Ansicht, dass die Gewährung einer Ermäßigung der Geldbuße in Anwendung dieser Vorschriften voraussetzt, dass das betreffende Unternehmen als erstes Angaben macht, die für den Beweis des Bestehens des Kartells von entscheidender Bedeutung sind, und dass die Angaben zwar nicht unbedingt als solche für den Beweis des Bestehens des Kartells ausreichen, doch hierfür von entscheidender Bedeutung sein müssen. Es darf sich daher nicht nur um eine Orientierungshilfe für die von der Kommission durchzuführenden Untersuchungen handeln, sondern es müssen Angaben sein, die unmittelbar als Hauptbeweisgrundlage für eine Entscheidung herangezogen werden können, mit der die Zuwiderhandlung festgestellt wird (Urteile vom 15. März 2006, BASF/Kommission, T‑15/02, Slg. 2006, II‑497, Randnrn. 492, 493, 517, 518, 521, 522, 526 und 568, und Daiichi Pharmaceutical/Kommission, T‑26/02, Slg. 2006, II‑713, Randnrn. 150, 156, 157 und 162).

65      Nach den Nrn. 7, 21 und 22 der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 muss die Kommission den Beitrag, den das Unternehmen tatsächlich zum Nachweis des Kartells geleistet hat, sowohl hinsichtlich der Qualität als auch des Zeitpunkts beurteilen, und der Begriff „erheblicher Mehrwert“ bezieht sich auf das Ausmaß, in dem die vorgelegten Beweismittel aufgrund ihrer Eigenschaft und ihrer Ausführlichkeit der Kommission dazu verhelfen, den Sachverhalt der Zuwiderhandlung nachzuweisen. So misst die Kommission Beweisen eine besondere Bedeutung bei, die ihr zusammen mit anderen Beweisen, die sie bereits besitzt, den Nachweis des Bestehens eines Kartells ermöglichen können, oder Beweisen, die ihr eine Verstärkung bereits vorliegender Beweise ermöglichen würden, oder solchen, die sich unmittelbar auf die Schwere oder die Dauer des Kartells auswirken würden. Dagegen ist das entscheidende Kriterium entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht darauf beschränkt, ob ein Unternehmen zur „Erleichterung der Aufgabe der Kommission beigetragen hat“. Die Rechtsprechung, auf die sich die Klägerinnen in dieser Hinsicht berufen möchten (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, Mayr-Melnhof/Kommission, T‑347/94, Slg. 1998, II‑1751, Randnr. 331) betrifft nicht die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 und beschränkt sich jedenfalls darauf, zu bestätigen, dass ein Unternehmen, das ausdrücklich erklärt, den zur Last gelegten Sachverhalt, auf den die Kommission ihre Rügen stützt, nicht zu bestreiten, als Unternehmen angesehen werden kann, das zur Erleichterung der Aufgabe der Kommission beigetragen hat, und deshalb in den Genuss einer Ermäßigung der Geldbuße kommen kann.

66      Im Übrigen kann der Umstand einer kontinuierlichen Zusammenarbeit eines Unternehmens nicht im Stadium der Beurteilung des erheblichen Mehrwerts der gelieferten Informationen berücksichtigt werden, da Nr. 23 der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 die Berücksichtigung von Umfang und Kontinuität der Zusammenarbeit auf das Stadium beschränkt, in dem innerhalb einer bestimmten Bandbreite die genaue Höhe der Ermäßigung ermittelt wird, wenn die Kommission schon entschieden hat, dass die gelieferten Informationen einen erheblichen Mehrwert darstellen.

67      Im Licht dieser Grundsätze ist das Vorbringen der Klägerinnen zur Stützung ihres Klagegrundes zu untersuchen, in dem gerügt wird, die Kommission habe bei der Anwendung der Vorschriften in Abschnitt B der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 offensichtliche Beurteilungs‑ und Rechtsfehler begangen und den Gleichheitsgrundsatz nicht beachtet.

 Zu den Rechtsfehlern

–       Vorbringen der Parteien

68      Die Klägerinnen tragen vor, die Kommission habe drei Rechtsfehler begangen. So habe sie erstens bei der Beurteilung des Mehrwerts der gelieferten Informationen zu Unrecht im Stadium des vorläufigen Ergebnisses, das spätestens zum Zeitpunkt der Mitteilung der Beschwerdepunkte stattfinden müsse, die gleichen Kriterien angewandt wie im Stadium der endgültigen Entscheidung. Zweitens habe sie unverständlicherweise angenommen, dass die Neuformulierung der Erklärungen zu ExxonMobil den Wert der anderen Beweise, die die Klägerinnen freiwillig vorgelegt hätten, mindere. Schließlich habe die Kommission drittens bei der Beurteilung des Mehrwerts ihrer Informationen der Chronologie ungerechtfertigterweise eine zu große Bedeutung beigemessen. In welchem Umfang die Unternehmen mit der Kommission zusammenarbeiten, dürfe nämlich nach der Rechtsprechung nicht nur nach zufälligen Kriterien wie der Reihenfolge, in der sie von der Kommission befragt worden seien, beurteilt werden (Urteil Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, oben in Randnr. 27 angeführt, Randnr. 246).

69      Die Kommission weist das Vorbringen der Klägerinnen insgesamt zurück.

–       Würdigung durch das Gericht

70      Erstens haben die Klägerinnen in der Erwiderung vorgetragen, dass die Kommission im vorläufigen Ergebnis nicht die gleichen Beurteilungskriterien für den Mehrwert der gelieferten Informationen anwenden könne wie in der endgültigen Entscheidung. Sie sind der Ansicht, dass die Kommission im vorläufigen Stadium die von einem Unternehmen übermittelten Informationen im Verhältnis zu denjenigen, die von den anderen Unternehmen übermittelt worden seien, nur isoliert beurteilen dürfe.

71      Was die Zulässigkeit dieses Vorbringens im Hinblick auf Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung betrifft, die von der Kommission in der Gegenerwiderung erörtert wird, ist zu betonen, dass dieses Vorbringen in der Erwiderung nur darauf abzielt, nähere Ausführungen zu dem in der Klageschrift vorgetragenen Klagegrund zu machen, mit dem Rechtsfehler gerügt werden, die die Kommission begangen habe, indem sie eine Ermäßigung der Geldbuße von Nynas aufgrund der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 abgelehnt habe, und dass dies gemäß der Rechtsprechung somit als zulässig anzusehen ist (Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juni 1958, Compagnie des hauts fourneaux de Chasse/Hohe Behörde, 2/57, Slg. 1958, 135, 150).

72      Im Übrigen ergibt sich in der Sache aus den Nrn. 26 und 27 der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 betreffend das Verfahren Folgendes: „Gelangt die Kommission zu dem vorläufigen Ergebnis, dass die Beweismittel des Unternehmens einen Mehrwert im Sinne von [Nr.] 22 darstellen, teilt sie dem Unternehmen spätestens zum Zeitpunkt der Zustellung der Mitteilung der Beschwerdepunkte schriftlich ihre Absicht mit, die Geldbuße innerhalb einer bestimmten Bandbreite gemäß [Nr.] 23 Buchst. b zu ermäßigen. … Die Kommission bestimmt in ihrer Entscheidung am Ende des Verwaltungsverfahrens die Ermäßigungen, die den Unternehmen, die eine Ermäßigung der Geldbuße beantragt haben, endgültig gewährt werden.“

73      Die Klägerinnen führen aus, Nr. 26 nehme nur auf Nr. 22 der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 und nicht, wie die Kommission ausgeführt habe, auf Nr. 21 Bezug, so dass festgestellt werden könne, dass Nr. 26 sich nur auf den einfachen „Mehrwert“ und nicht auf den „erheblichen Mehrwert“ der von einem Unternehmen vorgelegten Informationen beziehe.

74      Es ist jedoch offensichtlich, dass Nr. 22 der Mitteilung über Zusammenarbeit, der eine Definition des Begriffs „Mehrwert“ enthält, nur bezweckt, Nr. 21 zu erläutern, der auf den Begriff „erheblicher Mehrwert“ verweist. Im Übrigen enthält der Begriff „Mehrwert“ selbst den Hinweis, dass die Kommission, in welchem Stadium des Verwaltungsverfahrens auch immer, den Wert der vorgelegten Informationen im Vergleich zu anderen Beweisen beurteilen muss, die ihr entweder in der Folge von Inspektionen oder weil sie ihr von anderen Unternehmen übermittelt worden sind, zur Verfügung stehen. Selbst wenn man der Argumentation der Klägerinnen folgt, hätte die eventuelle Anerkennung eines Mehrwerts der übermittelten Informationen im vorläufigen Stadium keine Auswirkung auf die endgültige Beurteilung der Kommission und auf die Höhe der dem Unternehmen gewährten Ermäßigung, die erst zu diesem Zeitpunkt erfolgt. Dieses Argument ist folglich zurückzuweisen.

75      Zweitens sind die Klägerinnen der Ansicht, dass die Kommission nicht berechtigt gewesen sei, sie dafür zu bestrafen, dass sie ihre Erklärungen zur Beteiligung von ExxonMobil an dem Kartell geändert hätten. Es ist jedoch festzustellen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung nur erwähnt hat, dass die von Nynas übermittelten Beweismittel der Kommission nicht ermöglichten, neue wichtige Merkmale des Kartells nachzuweisen, insbesondere da Nynas bestimmte Erklärungen in Bezug auf ExxonMobil neu formuliert habe. Somit hat die Kommission Nynas nicht für ihre Neuformulierung bestraft, sondern sich darauf beschränkt, die Informationen zu ExxonMobil, die in ihrer Antwort vom 2. Oktober 2003 auf das Auskunftsverlangen enthalten waren, dahin zu bewerten, dass sie keinen erheblichen Mehrwert für sie darstellten. Dieses Argument ist folglich zurückzuweisen.

76      Drittens sind die Klägerinnen der Ansicht, die Kommission habe bei der Beurteilung des Mehrwerts ihrer Informationen der Chronologie eine zu große Bedeutung beigemessen. Zur Stützung dieses Vorbringens berufen sie sich auf das Urteil Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, oben in Randnr. 27 angeführt. Es ist jedoch festzustellen, dass dieses Urteil die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit von 1996 betrifft und nicht diejenige von 2002, die im vorliegenden Fall anwendbar ist. Im Übrigen behandelt dieses Urteil die Anwendung der Bestimmungen des Abschnitts D der Mitteilung über Zusammenarbeit von 1996 betreffend Unternehmen, die in den Genuss einer spürbar niedrigeren Festsetzung ihrer Geldbuße kommen können, der keine unterschiedliche Behandlung der betreffenden Unternehmen entsprechend der Reihenfolge, in der sie mit der Kommission zusammengearbeitet haben, vorsah. Umgekehrt hat die Rechtsprechung zu den Abschnitten B und C der Mitteilung über Zusammenarbeit von 1996 betreffend Unternehmen, die in den Genuss einer Nichtfestsetzung der Geldbuße oder einer wesentlich niedrigeren oder erheblich niedrigeren Festsetzung der Geldbuße kommen, in denen ausdrücklich auf das Kriterium der Chronologie Bezug genommen wird, die Möglichkeit der Kommission, den Zeitfaktor zu berücksichtigen, festgelegt (Urteile des Gerichts BASF/Kommission, oben in Randnr. 64 angeführt, Randnr. 550, vom 27. September 2006, Roquette Frères/Kommission, T‑322/01, Slg. 2006, II‑3137, Randnrn. 237 bis 239, und Archer Daniels Midland, T‑329/01, Slg. 2006, II‑3255, Randnrn. 319 bis 321 und 341). Was die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 betrifft, ergibt sich aus ihren Nrn. 7 und 23 ausdrücklich, dass die Kommission bei ihrer Beurteilung des Wertes der gelieferten Informationen den Zeitpunkt berücksichtigen muss, zu dem sie ihr mitgeteilt worden sind. Die Rechtsprechung betreffend diese Mitteilung hat im Übrigen die Bedeutung des Zeitpunkts der Übermittlung der Informationen bestätigt (Urteil des Gerichts vom 18. Dezember 2008, General Química u. a./Kommission, T‑85/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 147, 148 und 152 bis 154). Auch dieses Argument ist somit zurückzuweisen.

77      Im Ergebnis ist das Gericht der Ansicht, dass die Kommission dadurch, dass sie es abgelehnt hat, den Klägerinnen eine Ermäßigung der Geldbuße auf der Grundlage von Abschnitt B der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 zu gewähren, keine Rechtsfehler begangen hat.

 Zu den offensichtlichen Beurteilungsfehlern

–       Vorbringen der Parteien

78      Die Klägerinnen tragen erstens vor, die Kommission habe den Umfang und den Wert ihrer freiwilligen Zusammenarbeit unterschätzt. So habe sie weder die Ausführlichkeit und Genauigkeit der gelieferten Auskünfte berücksichtigt, noch den entscheidenden Charakter bestimmter Informationen, die nur von ihnen allein vorgelegt worden seien und die in großem Umfang in der Mitteilung der Beschwerdepunkte und in der angefochtenen Entscheidung verwendet worden seien. Sie habe ebenfalls das außergewöhnliche Verhalten, das sie während des Verfahrens gezeigt hätten, indem sie freiwillig die organisatorischen Änderungen, die im Konzern stattgefunden hätten, angezeigt und somit auf die Ausübung ihrer Verteidigungsrechte verzichtet hätten, indem sie Angaben zu einer weiteren Kartellebene geliefert hätten und indem sie Informationen, die sie von einer dritten Gesellschaft erhalten hätten, übermittelt hätten, nicht beachtet. Die Kommission sei aber nach Nr. 23 Buchst. b der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 gehalten, den Umfang und die Kontinuität der Zusammenarbeit zu berücksichtigen

79      Zweitens sind sie der Ansicht, der Umstand, dass sie ihre Antwort der Kommission erst am 2. Oktober 2003 vorgelegt hätten, sei nur der Kommission zuzurechnen, die ursprünglich ihr Auskunftsverlangen an Nynas NV statt an Nynas Belgium gerichtet habe.

80      Drittens sei die Kommission zu Unrecht davon ausgegangen, dass Nynas Belgium in ihrer Antwort vom 2. Oktober 2003 nicht den Wunsch ausgedrückt habe, eine Ermäßigung der Geldbuße zu erhalten, obwohl diese ausgeführt habe, dass sie die Kommission bei ihrer Untersuchung unterstützen wolle, indem sie einen erheblichen Mehrwert liefere.

81      Die Kommission tritt dem gesamten Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

–       Würdigung durch das Gericht

82      Vorab ist zu betonen, dass die Klägerinnen sich nicht auf ein behauptetes außergewöhnliches Verhalten berufen können, um in den Genuss der Bestimmungen der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 kommen zu können. Was nämlich die Tatsache betrifft, dass Nynas Belgium sich freiwillig bei der Kommission als Nachfolgerin von Nynas NV gemeldet hat, ist zu betonen, dass die Kommission wahrscheinlich auf alle Fälle die Zuwiderhandlung der wirtschaftlichen Nachfolgerin von Nynas NV hätte zurechnen können. Was im Übrigen die Informationen betrifft, die die Klägerinnen zu einem Kartellverhalten auf einer dritten Ebene geliefert haben sollen, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung (Randnr. 354) der Ansicht war, dass sie insoweit nicht über genügend Belege verfüge und dass sie deshalb die von den Klägerinnen dazu vorgelegten Informationen nicht verwendet habe. Schließlich haben die Klägerinnen der Kommission dadurch, dass sie Informationen über Petroplus erhalten hat, ermöglicht, zu vermeiden, Auskunftsverlangen an diese Gesellschaft zu schicken, aber dieser Umstand allein kann die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 nicht rechtfertigen.

83      Erstens ist es im Hinblick auf die oben in den Randnrn. 62 bis 66 genannten Grundsätze klar, dass die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, indem sie es abgelehnt hat, die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 auf die Klägerinnen anzuwenden.

84      In der Tat waren zwar, wie die Kommission einräumt, die von den Klägerinnen am 2. Oktober 2003 gelieferten Informationen sehr ausführlich, sie haben jedoch der Kommission nicht dazu verholfen, die Zuwiderhandlung nachzuweisen, da sie zu diesem Zeitpunkt bereits über Informationen, die von BP übermittelt worden waren, und über Schriftstücke, die bei den im Oktober 2002 durchgeführten Inspektionen beschlagnahmt worden waren, über den Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung von BP und andere Informationen, die diese im weiteren Verlauf des Verfahrens vorgelegt hat, über den Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung von Kuwait Petroleum vom 12. September 2003 sowie über die Antworten der meisten Gesellschaften auf die Reihe von Auskunftsverlangen, die am 30. Juni 2003 versandt worden war, verfügte.

85      Außerdem ist den Schriftstücken der Parteien zu entnehmen, dass die Informationen, die die Klägerinnen als ausschließlich von ihnen beigebracht betrachten, für die Kommission nicht entscheidend waren, um die Zuwiderhandlung nachweisen zu können.

86      Dies gilt ebenso für die Teilnahme von Nynas an den Vortreffen und den Treffen über die Abstimmung des Preises von Bitumen, die die Kommission bereits mit Beweisen und Aussagen anderer Gesellschaften, wie den Schriftstücken, die bei den Nachprüfungen in den Geschäftsräumen der Heijmans Infrastructuur en Milieu BV (im Folgenden „Heijmans“) beschlagnahmt worden waren, und den von Kuwait Petroleum am 16. September 2003 und von BP im Jahr 2002 gelieferten Informationen (siehe Randnrn. 57, 68 und 77 der angefochtenen Entscheidung), nachweisen konnte.

87      Ebenso ergibt sich aus den Akten, dass die Namen der Gesellschaften und der Personen, die an dem Kartell beteiligt waren, bereits von anderen Gesellschaften mitgeteilt worden waren (vgl. Fn. 145, 201, 202, 224 und 226 der angefochtenen Entscheidung) und dass die Kommission in Bezug auf die Namen der Mitarbeiter von ExxonMobil und weiterer Mitarbeiter von Shell, die sie noch nicht besaß, nicht in der Lage war, diese Informationen zu untermauern und sie nicht in der angefochtenen Entscheidung verwendet hat. Hinsichtlich der Namen der Mitarbeiter von Esha (Gruppe, die in den Niederlanden Bitumen herstellte und vertrieb und die als an der Zuwiderhandlung beteiligt angesehen wurde und gegen die eine Geldbuße in Höhe von 11,5 Mio. Euro verhängt wurde) trifft es zwar zu, dass in der angefochtenen Entscheidung (Fn. 216) die Erklärung der Kuwait Petroleum vom 9. Oktober 2003 und die Antwort von Esha auf ein Auskunftsverlangen vom 30. Dezember 2003 erwähnt werden, die nach der Antwort der Klägerinnen auf ein Auskunftsverlangen erfolgten; dieser Punkt allein scheint jedoch nicht ausreichend, um davon auszugehen, dass die Klägerinnen Informationen vorgelegt haben, die einen erheblichen Mehrwert für die Kommission darstellen, da Letztere bereits aufgrund früherer Schriftstücke von Heijmans, HGB, BP und Kuwait Petroleum Kenntnis davon hatte, dass Esha an dem Kartell beteiligt war (vgl. Randnrn. 57 und 68 der angefochtenen Entscheidung).

88      Was die Orte der Vortreffen der Bitumenlieferanten betrifft, ist zu betonen, dass die Klägerinnen gegenüber den Erklärungen von BP von 2002 und einer Antwort auf ein Auskunftsverlangen von Kuwait Petroleum vom 16. September 2003 nur einen zusätzlichen Ort erwähnt haben und dass diese Information nicht belegt werden konnte, in den Anhörungen in Frage gestellt wurde und folglich in der angefochtenen Entscheidung nicht verwendet wurde (Randnr. 69 der angefochtenen Entscheidung, Fn. 176 und 177). Ebenso hat die Kommission zwar einen Auszug aus der Antwort der Klägerinnen auf ein Auskunftsverlangen vom 2. Oktober 2003 zitiert, um zu bestätigen, dass die Kartelltreffen im Allgemeinen in den Räumlichkeiten der Koninklijke Wegenbouw Stevin BV (im Folgenden: KWS) stattfanden (Randnr. 59 der angefochtenen Entscheidung), doch war sie bereits aufgrund von Schriftstücken, die bei Nachprüfungen bei KWS beschlagnahmt worden waren, einer Antwort von Kuwait Petroleum vom 16. September 2003 auf ein Auskunftsverlangen und einer Erklärung von Kuwait Petroleum vom 1. Oktober 2003 im Besitz dieser Informationen (siehe Anlage 2 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte).

89      Ebenso ist hinsichtlich der Beteiligung von Ballast Nedam und von Dura Vermeer am Kartell anzumerken, dass die Kommission bereits Beweise besaß, die den Nachweis der Beteiligung anhand von Schriftstücken, die bei Nachprüfungen in den Geschäftsräumen von NBM Noord-West BV, von Hollandsche Beton Groep Civiel BV und von KWS beschlagnahmt worden waren, und anhand einer Antwort vom 12. September 2003 von Dura Vermeer auf ein Auskunftsverlangen ermöglichten (vgl. Randnrn. 76 und 77 der angefochtenen Entscheidung, Fn. 200, 220, 223, 224 und 226).

90      Was schließlich die Sanktionsmechanismen gegenüber Bitumenlieferanten betrifft, die sich nicht an die Kartellvereinbarung hielten, haben die von Nynas übermittelten Schriftstücke (ein von der Hollandsche Beton Groep verschicktes Telefax und eine Heijmans und Ballast Nedam belastende Rechnung) auch nur Informationen, die der Kommission schon vorlagen, bestätigt und präzisiert. BP hatte nämlich in ihren Erklärungen vom 12. Juli 2002 und vom 16. September 2003, ebenso wie Kuwait Petroleum in ihrer Erklärung vom 12. September 2003, u. a. bereits Informationen zu diesem Punkt übermittelt (Randnrn. 84 und 86 der angefochtenen Entscheidung). Der Sanktionsmechanismus war auch in den Schriftstücken erwähnt, die im Rahmen der Nachprüfungen bei Shell Nederland Verkoopmaatschappij BV und KWS beschlagnahmt worden waren (Fn. 238 und 286).

91      Nach alledem haben die Klägerinnen nicht nachgewiesen, dass die Kommission ohne die von ihnen freiwillig gelieferten Informationen nicht in der Lage gewesen wäre, die wesentlichen Merkmale der Zuwiderhandlung zu beweisen und somit eine Entscheidung zu erlassen, mit der Geldbußen verhängt werden.

92      Im Ergebnis ist somit festzustellen, dass die Kommission dadurch, dass sie ausgeschlossen hat, dass die ausschließlich von den Klägerinnen gelieferten Informationen einen erheblichen Mehrwert darstellen, keinen offensichtlicher Beurteilungsfehler begangen hat.

93      Zweitens tragen die Klägerinnen vor, die verspätete Übermittlung ihrer Informationen an die Kommission sei dieser zuzurechnen, da sie ihr Auskunftsersuchen an Nynas NV anstatt an Nynas Belgium gerichtet habe; diese habe das Auskunftsverlangen erst am 23. Juli 2003 erhalten, d. h. drei Wochen nach den anderen Unternehmen, die es schon am 30. Juni 2003 erhalten hätten.

94      Aus der Akte und insbesondere aus dem Schriftwechsel zwischen dem Rechtsanwalt von Nynas und der Kommission ergibt sich, dass das erste Auskunftsverlangen an Nynas NV, und zwar an dieselbe Kontaktperson und an dieselbe Adresse wie diejenige, die später von Nynas Belgium angegeben wurde, gerichtet worden war und dass Letztere eingeräumt hatte, das Auskunftsverlangen zum gleichen Zeitpunkt erhalten zu haben wie die anderen Empfänger, d. h. am 4. Juli 2003. Jedenfalls hat der Zeitpunkt des Versendens oder des Empfangs des förmlichen Auskunftsverlangens der Kommission keinen Einfluss auf die Beurteilung der Chronologie der im vorliegenden Fall von den Unternehmen gestellten Anträge auf Anwendung der Kronzeugenregelung, da diese jederzeit gestellt werden könnten, insbesondere im Anschluss an die von der Kommission durchgeführten unangekündigten Nachprüfungen und unabhängig vom Zeitpunkt des Versendens des Auskunftsverlangens.

95      Drittens betonen die Klägerinnen, die Kommission sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass Nynas Belgium in ihrer Antwort vom 2. Oktober 2003 nicht den Wunsch ausgedrückt habe, eine Ermäßigung der Geldbuße zu erhalten. Nach den Nrn. 24 und 25 der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 hat „[e]in Unternehmen, das eine Ermäßigung der Geldbuße anstrebt, … der Kommission Beweismittel bezüglich des mutmaßlichen Kartells vorzulegen“, und „[d]as Unternehmen erhält von der Generaldirektion Wettbewerb eine Empfangsbestätigung, auf der das Datum vermerkt ist, an dem die betreffenden Beweismittel vorgelegt wurden“. Die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 sieht also keine spezifische formelle Verpflichtung für die Einreichung eines Antrags auf Anwendung der Kronzeugenregelung vor. Die Antwort von Nynas vom 2. Oktober 2003 auf das Auskunftsverlangen enthält keine klare Formulierung, dass sie sich auf die Bestimmungen der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 berufen möchte, da ihr Vorstand sich auf den Hinweis beschränkte, es sei ihr gelungen, Kopien der Schriftstücke zu erhalten, die die Untersuchung der Kommission, wie sie hoffe, dadurch unterstützten, dass sie einen erheblichen Mehrwert lieferten. Jedenfalls ist eine Feststellung zu der Frage, ob die Antwort vom 2. Oktober 2003 von Nynas Belgium bereits einen Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung darstellt, ohne Einfluss auf den Ausgang des Rechtsstreits, da die Kommission die endgültige Wertung der Qualität der gelieferten Beweise erst am Ende des Verwaltungsverfahrens vornimmt und da sich aus der angefochtenen Entscheidung ergibt, dass die Kommission, obwohl sie der Ansicht war, dass Nynas keinen förmlichen Antrag auf Ermäßigung ihrer Geldbuße nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 gestellt hat, dieses Schriftstück berücksichtigt hat, um die Möglichkeit zu beurteilen, die gegen Nynas verhängte Geldbuße nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 zu ermäßigen.

96      Im Ergebnis ist das Gericht der Ansicht, dass die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, indem sie der Meinung war, dass die von den Klägerinnen gelieferten Informationen keinen erheblichen Mehrwert hätten und sie ihnen folglich keine Ermäßigung der Geldbuße in Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 gewähren könne.

 Zum Gleichheitsgrundsatz

–       Vorbringen der Parteien

97      Die Klägerinnen sind der Ansicht, dass die Kommission den Gleichheitsgrundsatz verletzt habe, indem sie sie anders behandelt habe als Kuwait Petroleum, ohne dass es eine Rechtfertigung dafür gebe. Zunächst berufen sie sich darauf, dass kein anderes Unternehmen dafür bestraft worden sei, dass es seine Erklärungen gegen ExxonMobil neu formuliert habe, und dass Kuwait Petroleum eine Ermäßigung ihrer Geldbuße in Höhe von 30 % gewährt worden sei, obwohl sie genauso gehandelt habe wie die Klägerinnen. Außerdem werfen sie der Kommission vor, ihre Auskünfte anders behandelt zu haben als diejenigen von Kuwait Petroleum. Letztere habe erst am 9. Oktober 2003 entscheidende Informationen geliefert, die nur Informationen untermauert hätten, die bei den unangekündigten Nachprüfungen erlangt worden seien und die auf alle Fälle weniger ausführlich seien als die von Nynas Belgium gelieferten Informationen. In der angefochtenen Entscheidung habe sich die Kommission jedoch dafür entschieden, sich auf die Erklärungen von Kuwait Petroleum zu stützen anstatt auf diejenigen der Klägerinnen, und sie habe es darüber hinaus unterlassen, sie als Quelle zahlreicher Tatsachenelemente zu zitieren. Durch dieses Verhalten habe die Kommission ihre Pflichten zu ordnungsgemäßer Verwaltung und zur Begründung ihrer Entscheidungen verletzt.

98      Die Kommission weist das Vorbringen der Klägerinnen zurück.

–       Würdigung durch das Gericht

99      Vorab ist wie oben in Randnr. 75 darauf hinzuweisen, dass die Kommission in ihrer Entscheidung nur ausgeführt hat, dass es ihr aufgrund der Angaben von Nynas nicht möglich gewesen sei, neue wichtige Merkmale des Kartells festzustellen, insbesondere deshalb, weil Nynas bestimmte Erklärungen betreffend ExxonMobil neu formuliert habe, dass sie aber Nynas für diese Neuformulierungen nicht bestraft habe. Somit ist das Vorbringen der Klägerinnen in Bezug auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung mit Kuwait Petroleum in diesem Punkt zurückzuweisen.

100    Nach der Rechtsprechung darf die Kommission bei der Ausübung ihres Ermessens hinsichtlich der Zusammenarbeit der Unternehmen den Grundsatz der Gleichbehandlung nicht außer Acht lassen, der verletzt ist, wenn gleiche Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden und eine Differenzierung nicht objektiv gerechtfertigt ist; die Kommission darf nach diesem Grundsatz die Zusammenarbeit der von ein und derselben Entscheidung betroffenen Unternehmen nicht unterschiedlich behandeln (vgl. Urteil Raiffeisen Zentralbank Österreich u. a./Kommission, oben in Randnr. 62 angeführt, Randnr. 533 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Kommission lässt diesen Grundsatz jedoch nicht außer Acht, wenn sie eine Ermäßigung der Geldbuße in Abhängigkeit von der Zusammenarbeit des betreffenden Unternehmens mit ihr im Verwaltungsverfahren gewährt oder nicht gewährt (Urteile des Gerichts vom 14. Mai 1998, BPB de Eendracht/Kommission, T‑311/94, Slg. 1998, II‑1129, Randnrn. 309 bis 313, und Weig/Kommission, T‑317/94, Slg. 1998, II‑1235, Randnrn. 287 bis 289). Darüber hinaus kann eine unterschiedliche Behandlung der betreffenden Unternehmen nur durch einen unterschiedlichen Grad der Zusammenarbeit gerechtfertigt sein, insbesondere durch die Lieferung unterschiedlicher Informationen oder die Lieferung der Informationen in unterschiedlichen Abschnitten des Verwaltungsverfahrens oder unter nicht gleichartigen Umständen (Urteil des Gerichts vom 6. Dezember 2005, Brouwerij Haacht/Kommission, T‑48/02, Slg. 2005, II‑5259, Randnrn. 108 und 109).

101    Außerdem konnte zwar die Meinung vertreten werden, dass die Zusammenarbeit von Unternehmen, um als vergleichbar angesehen zu werden, nicht notwendig am selben Tag, jedoch im selben Stadium des Verfahrens beginnen muss (Urteil des Gerichts vom 30. April 2009, Nintendo und Nintendo of Europe/Kommission, T‑13/03, Slg. 2009, II‑947, Randnr. 178), doch galt dieser Grundsatz für Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit von 1996, die im Gegensatz zur Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 (siehe oben, Randnr. 76) keine Differenzierung der Unternehmen entsprechend der Reihenfolge, in der sie mit der Kommission zusammengearbeitet haben, vorsah.

102    Bestätigt schließlich ein Unternehmen bei der Kooperation nur bestimmte Aufschlüsse, die ein anderes Unternehmen bei der Kooperation bereits gegeben hat, und geschieht dies zudem weniger genau und weniger explizit, so kann der Mitwirkungsumfang dieses Unternehmens, selbst wenn er nicht eines gewissen Nutzens für die Kommission entbehren mag, nicht als gleich dem Ausmaß der Mitarbeit des Unternehmens angesehen werden, das die betreffenden Aufschlüsse als Erstes gegeben hat. Eine Erklärung, die lediglich in gewissem Umfang die der Kommission bereits vorliegenden Erklärungen erhärtet, erleichtert nämlich die Aufgabe der Kommission nicht nennenswert. Sie genügt deshalb nicht, um eine Herabsetzung der Geldbuße wegen Zusammenarbeit zu rechtfertigen (Urteile des Gerichts vom 25. Oktober 2005, Groupe Danone/Kommission, T‑38/02, Slg. 2005, II‑4407, Randnr. 455, und vom 17. Mai 2011, Arkema France/Kommission, T‑343/08, Slg. 2011, II‑2287, Randnr. 137).

103    Im vorliegenden Fall ist klar, dass die Kommission den Gleichheitsgrundsatz nicht außer Acht gelassen hat, indem sie Kuwait Petroleum eine Ermäßigung der Geldbuße in Höhe von 30 % auf der Grundlage der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 gewährt und die Gewährung einer solchen Ermäßigung für die Klägerinnen abgelehnt hat, da sich diese Unternehmen in verschiedenen Situationen befanden. Es ist nämlich daran zu erinnern, dass Kuwait Petroleum bereits am 12. September 2003 einen Antrag auf Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002, dem eine Unternehmenserklärung beigefügt war, eingereicht hat, und dass sie beantragt hat, einen Teil der am 16. September 2003 mitgeteilten Informationen im Rahmen ihres Antrags auf Anwendung der Kronzeugenregelung zu berücksichtigen. Am 18. September 2003 fand ein Treffen zwischen der Kommission und Kuwait Petroleum statt, und am 1. und 9. Oktober 2003 wurden drei ehemalige Mitarbeiter von Kuwait Petroleum von der Kommission angehört. Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass die am 12. und 16. September 2003 sowie am 1. und 9. Oktober 2003 gelieferten Informationen ihr durch ihre Ausführlichkeit dazu verholfen hätten, das Vorliegen einer Zuwiderhandlung zu beweisen, dass sie jedoch berücksichtigen müsse, dass der Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung erst elf Monate nach der Durchführung der unangekündigten Nachprüfungen und nach dem Versenden ihres Auskunftsverlangens gestellt worden sei, dass sie bereits im Besitz einiger Beweise gewesen sei, die von anderen Gesellschaften übermittelt worden seien, und dass Kuwait Petroleum einige ihrer Erklärungen gegen ExxonMobil neu formuliert habe. Somit hat Kuwait Petroleum entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht bis zum 9. Oktober 2003 gewartet, um entscheidende Informationen zu liefern, sondern hat der Kommission bereits am 12. September 2003 ermöglicht, die vorhandenen Informationen zu untermauern und somit das Bestehen der Zuwiderhandlung nachzuweisen, insbesondere indem sie als Erste unmittelbare Beweise für die Bitumengespräche geliefert hat, da BP, das erste Unternehmen, das die Kommission über das Bestehen des Kartells informiert hatte, nicht regelmäßig an diesen Gesprächen teilgenommen hat (Randnr. 383 der angefochtenen Entscheidung).

104    Letzten Endes ergibt sich aus verschiedenen Hinweisen in den Akten, dass die Lage der Klägerinnen nicht vergleichbar war mit derjenigen von Kuwait Petroleum, sowohl was den Zeitpunkt der Übermittlung der Informationen an die Kommission betrifft als auch ihren Inhalt. Die Klägerinnen haben im Übrigen selbst eingeräumt, dass die Qualität des Beweismaterials, das von Kuwait Petroleum vorgelegt worden war, besser gewesen sei. Darüber hinaus haben die Klägerinnen, als sie in der mündlichen Verhandlung u. a. zu diesem Punkt befragt wurden, ihr Vorbringen, dass die Kommission, um die Anhörung eines ehemaligen Mitarbeiters von Kuwait Petroleum am 9. Oktober 2003 durchzuführen, sich auf Angaben gestützt habe, die sie ihr am 2. Oktober 2003 übermittelt hätten, durch nichts untermauert. Schließlich hat der Umstand, dass die Kommission den Informationen, die Kuwait Petroleum in der Anhörung vom 9. Oktober 2003 geliefert hat, einen erheblichen Mehrwert beigemessen hat, keine Auswirkung auf die Beurteilung des Werts des zuvor von dieser Gesellschaft gelieferten Beweismaterials durch die Kommission und folglich auch keine Auswirkung auf die Beurteilung, die für den Wert der von den Klägerinnen gelieferten Informationen vorgenommen wurde.

105    Folglich war die Situation von Kuwait Petroleum und die der Klägerinnen nicht vergleichbar, da Letztere der Kommission Informationsmaterial erst verspätet vorlegten und dieses nicht das gleiche Qualitätsniveau hatte, so dass die Kommission den Gleichheitsgrundsatz nicht außer Acht gelassen hat, indem sie es abgelehnt hat, den Klägerinnen eine Ermäßigung der Geldbuße auf der Grundlage der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 zu gewähren.

106    Die Klägerinnen rügen im Rahmen dieses Klagegrundes außerdem einen Verstoß gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Begründungspflicht und beschränken sich dabei auf die Ausführungen, dass die Kommission gleichwertige Beweise als Grundlage ihres Ergebnisses heranzuziehen hatte und sie gerecht anerkennen musste.

107    Gemäß Art. 44 § 1 der Verfahrensordnung muss die Klageschrift eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten, und diese Angaben müssen so klar und genau sein, dass dem Beklagten die Vorbereitung seines Verteidigungsvorbringens und dem Gericht die Entscheidung über die Klage, gegebenenfalls auch ohne weitere Informationen ermöglicht wird. In der Klageschrift ist deshalb darzulegen, worin der Klagegrund besteht, auf den die Klage gestützt wird, so dass seine bloß abstrakte Nennung nicht den Erfordernissen der Verfahrensordnung entspricht. Entsprechende Erfordernisse gelten für eine zur Stützung eines Klagegrundes vorgebrachte Rüge (Urteile des Gerichts vom 12. Januar 1995, Viho/Kommission, T‑102/92, Slg. 1995, II‑17, Randnr. 68, und vom 14. Mai 1998, Mo och Domsjö/Kommission, T‑352/94, Slg. 1998, II‑1989, Randnr. 333).

108    Im vorliegenden Fall ist die Formulierung der Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung durch die Kommission zu ungenau, um dem Gericht zu ermöglichen, den eigentlichen Gegenstand festzustellen. Die Klägerinnen stellen nämlich nicht klar, in welchen spezifischen Punkten der angefochtenen Entscheidung sich die Kommission willkürlich auf Erklärungen von Kuwait Petroleum anstatt auf ihre gestützt haben soll und in welchen sie es darüber hinaus unterlassen habe, die Klägerinnen als Quelle zu zitieren. Diese Rüge ist deshalb als unzulässig zurückzuweisen.

109    Auch die Rüge einer fehlenden Begründung der angefochtenen Entscheidung ist sehr vage formuliert. Jedoch muss, selbst wenn man diese Rüge für zulässig erachtet, die Begründungspflicht nach der Rechtsprechung zum einen dem Betroffenen ermöglichen, die Begründung der getroffenen Maßnahme zu erfahren, um gegebenenfalls seine Rechte geltend zu machen und zu überprüfen, ob die Entscheidung begründet ist oder nicht, und zum anderen den Gemeinschaftsrichter in die Lage versetzen, seine Rechtmäßigkeitskontrolle auszuüben. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, zu denen insbesondere der Inhalt der betreffenden Maßnahme, die Art der angeführten Gründe und der Kontext zählen, in dem die Maßnahme erlassen wurde (Urteil Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, oben in Randnr. 27 angeführt, Randnr. 129).

110    Im vorliegenden Fall ist klar, dass die Kommission die Gründe für ihre Entscheidung, Kuwait Petroleum eine Ermäßigung und den Klägerinnen keine Ermäßigung der Geldbuße zu gewähren, hinreichend klar und genau dargelegt hat. Den Randnrn. 382 bis 385 und 389 bis 393 der angefochtenen Entscheidung ist zu entnehmen, dass die Kommission der Ansicht war, dass die von Kuwait Petroleum am 12. und 16. September 2003 sowie am 1. und 9. Oktober 2003 gelieferten Informationen ihr durch ihre Genauigkeit dazu verholfen haben, die Zuwiderhandlung nachzuweisen, während die von Nynas am 2. Oktober 2003 gelieferten Informationen, obwohl sie sehr ausführlich waren und freiwillig erfolgten, der Kommission nicht dazu verholfen haben, die Zuwiderhandlung nachzuweisen, da sie zu diesem Zeitpunkt bereits über die notwendigen Informationen verfügte, um die wesentlichen Merkmale der Zuwiderhandlung nachzuweisen. Die Kommission hat insbesondere die anderen Quellen angegeben, über die sie bereits verfügte und die ihr ihres Erachtens erlaubten, die wesentlichen Merkmale der Zuwiderhandlung nachzuweisen.

111    Somit ist diese Rüge als unbegründet zurückzuweisen. Nach alledem ist der Klagegrund, der die Ablehnung der Gewährung einer Ermäßigung auf der Grundlage von Abschnitt B der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 betrifft, insgesamt zurückzuweisen.

 Zur Weigerung, eine Ermäßigung auf der Grundlage der Leitlinien zu gewähren

 Vorbringen der Parteien

112    Die Klägerinnen tragen hilfsweise vor, die Kommission hätte gemäß Nr. 3 der Leitlinien ihre aktive Zusammenarbeit außerhalb der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 berücksichtigen müssen.

113    Die Kommission weist das Vorbringen der Klägerinnen zurück.

 Würdigung durch das Gericht

114    Gemäß Nr. 3 sechster Gedankenstrich der Leitlinien kann die Kommission den Grundbetrag für „aktive Mitwirkung des Unternehmens an dem Verfahren außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung [über die Zusammenarbeit von] 1996 betreffend die Nichtfestsetzung oder niedrigere Festsetzung von Geldbußen“ verringern. So hat der Unionsrichter festgestellt, dass die Kommission einem Unternehmen, das im Verlauf eines Verfahrens wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln zusammengearbeitet hat, eine Ermäßigung der Geldbuße auf der Grundlage dieser Bestimmungen der Leitlinien nur in dem Fall gewähren konnte, in dem die Mitteilung über Zusammenarbeit von 1996 nicht anwendbar war (vgl. in diesem Sinne Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 32 angeführt, Randnrn. 380 bis 382, und BASF/Kommission, oben in Randnr. 64 angeführt, Randnrn. 585 und 586).

115    Entsprechend der Mitteilung über Zusammenarbeit von 1996, die sie unter bestimmten Voraussetzungen seit dem 14. Februar 2002 ersetzt, gilt die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 für geheime Absprachen zwischen zwei oder mehr Wettbewerbern zur Festsetzung von Preisen, Produktions- oder Absatzquoten, zur Aufteilung von Märkten, zur Einschränkung von Ein- oder Ausfuhren sowie Submissionsabsprachen und schließt somit vertikale Vereinbarungen oder Vereinbarungen, die in den Anwendungsbereich von Art. 82 EG fallen, aus.

116    Da im vorliegenden Fall die Zuwiderhandlung sehr wohl in den Anwendungsbereich der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 fällt, waren die Bestimmungen von Nr. 3 sechster Gedankenstrich der Leitlinien nicht auf die Klägerinnen anwendbar. Der vorliegende Klagegrund, mit dem die Nichtbeachtung von Vorschriften gerügt wird, die im vorliegenden Fall nicht anwendbar sind, ist als ins Leere gehend zurückzuweisen.

117    Nach alledem sind die Klageanträge auf Nichtigerklärung von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen.

3.     Zu den Anträgen auf Ermäßigung der Geldbuße

118    Was die Anträge auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung betrifft, war im vorliegenden Fall kein Punkt geeignet, eine Ermäßigung der Geldbuße zu rechtfertigen, so dass diesem Antrag nicht stattzugeben ist. Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

119    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen gemäß den Anträgen der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Nynäs Petroleum AB und Nynas Belgium AB tragen die Kosten.

Jaeger

Wahl

Soldevila Fragoso

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 27. September 2012.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Sachverhalt

Verfahren und Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

1.  Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung von Art. 1 der angefochtenen Entscheidung

Zum Rechtsfehler

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zu den offensichtlichen Beurteilungsfehlern im vorliegenden Fall bei der Zurechnung der Verantwortung an Nynäs AB

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

–  Zur Eigenständigkeit der Geschäftspolitik von Nynas NV

–  Zum Verhalten der Muttergesellschaft auf dem in Rede stehenden Markt und ihrer Rolle bei der Zuwiderhandlung

–  Zur Berücksichtigung der zu formalistischen Merkmale

2.  Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung

Zur Ablehnung der Gewährung einer Ermäßigung auf der Grundlage der Vorschriften von Abschnitt B der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002

Zu den Rechtsfehlern

–  Vorbringen der Parteien

–  Würdigung durch das Gericht

Zu den offensichtlichen Beurteilungsfehlern

–  Vorbringen der Parteien

–  Würdigung durch das Gericht

Zum Gleichheitsgrundsatz

–  Vorbringen der Parteien

–  Würdigung durch das Gericht

Zur Weigerung, eine Ermäßigung auf der Grundlage der Leitlinien zu gewähren

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

3.  Zu den Anträgen auf Ermäßigung der Geldbuße

Kosten


* Verfahrenssprache: Englisch.