Language of document : ECLI:EU:C:2024:9

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

11. Januar 2024(*)

„Rechtsmittel – Dumping – Ausweitung des auf die Einfuhren bestimmter Verbindungselemente aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in China eingeführten Antidumpingzolls auf aus Malaysia versandte Einfuhren – Umsetzung des Urteils vom 3. Juli 2019, Eurobolt (C‑644/17, EU:C:2019:555) – Wiedereinführung eines endgültigen Antidumpingzolls – Durchführungsverordnung (EU) 2020/611 – Gültigkeit“

In der Rechtssache C‑517/22 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 2. August 2022,

Eurobolt BV mit Sitz in ’s-Heerenberg (Niederlande),

Fabory Nederland BV mit Sitz in Tilburg (Niederlande),

ASF Fischer BV mit Sitz in Lelystad (Niederlande),

vertreten durch B. Natens und A. Willems, Advocaten,

Rechtsmittelführerinnen,

andere Parteien des Verfahrens:

Stafa Group BV mit Sitz in Maarheeze (Niederlande),

Klägerin im ersten Rechtszug,

Europäische Kommission, vertreten durch M. Bruti Liberati, G. Luengo und T. Maxian Rusche als Bevollmächtigte,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin K. Jürimäe (Berichterstatterin), des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Dritten Kammer sowie der Richter N. Piçarra, N. Jääskinen und M. Gavalec,

Generalanwalt: N. Emiliou,

Kanzler: A. Lamote, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juli 2023,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. September 2023

folgendes

Urteil

1        Mit ihrem Rechtsmittel beantragen die Eurobolt BV, die Fabory Nederland BV und die ASF Fischer BV die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 18. Mai 2022, Eurobolt u. a./Kommission (T‑479/20, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2022:304), mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung (EU) 2020/611 der Kommission vom 30. April 2020 zur Wiedereinführung des mit der Verordnung (EG) Nr. 91/2009 des Rates eingeführten endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Verbindungselemente aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in der Volksrepublik China im Hinblick auf aus Malaysia versandte Einfuhren bestimmter Verbindungselemente aus Eisen oder Stahl, ob als Ursprungserzeugnisse Malaysias angemeldet oder nicht (ABl. 2020, L 141, S. 1, im Folgenden: streitige Verordnung), abgewiesen hat.

 Rechtlicher Rahmen

 Verordnung (EU) Nr. 952/2013

2        Art. 116 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. 2013, L 269, S. 1, im Folgenden: Zollkodex) lautet:

„Die Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbeträge werden unter den in diesem Abschnitt festgelegten Voraussetzungen aus jedem nachstehenden Grund erstattet oder erlassen:

a)      zu hoch bemessener Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbetrag,

b)      schadhafte Waren oder Waren, die den Vertragsbedingungen nicht entsprechen,

c)      Irrtum der zuständigen Behörden,

d)      Billigkeit.“

 Verordnungen (EG) Nr. 384/96, (EG) Nr. 1225/2009 und (EU) 2016/1036

3        Der fragliche Sachverhalt und die fraglichen Rechtsakte betrafen einen Zeitraum, in dem der Erlass von Antidumpingmaßnahmen in der Union nacheinander zunächst durch die Verordnung (EG) Nr. 384/96 des Rates vom 22. Dezember 1995 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. 1996, L 56, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2117/2005 des Rates vom 21. Dezember 2005 (ABl. 2005, L 340, S. 17) geänderten Fassung, sodann durch die Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 des Rates vom 30. November 2009 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. 2009, L 343, S. 51) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 37/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2014 (ABl. 2014, L 18, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1225/2009) und schließlich durch die Verordnung (EU) 2016/1036 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Union gehörenden Ländern (ABl. 2016, L 176, S. 21) geregelt wurde.

4        Vor der Änderung durch die Verordnung Nr. 37/2014 sah Art. 15 („Konsultationen“) Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1225/2009 vor:

„(1)      Die in dieser Verordnung vorgesehenen Konsultationen finden in einem Beratenden Ausschuss statt, der aus Vertretern jedes Mitgliedstaats besteht und in dem ein Vertreter der [Europäischen] Kommission den Vorsitz führt. Die Konsultationen werden auf Antrag eines Mitgliedstaats oder auf Veranlassung der Kommission umgehend und in jedem Fall so rechtzeitig eingeleitet, dass die in dieser Verordnung festgesetzten Fristen eingehalten werden können.

(2)      Der Ausschuss wird von seinem Vorsitzenden einberufen. Der Vorsitzende übermittelt den Mitgliedstaaten so bald wie möglich, aber spätestens zehn Arbeitstage vor der Sitzung alle zweckdienlichen Informationen.“

5        Die Verordnung 2016/1036 trat gemäß ihrem Art. 25 am 20. Juli 2016 in Kraft. Mit ihrem Art. 24 Abs. 1 wurde die Verordnung Nr. 1225/2009 aufgehoben.

6        Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 1 der Verordnung 2016/1036, dessen Wortlaut mit dem von Art. 9 Abs. 4 Sätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 1225/2009 übereinstimmt, sieht vor:

„Ergibt sich aus der endgültigen Feststellung des Sachverhalts, dass Dumping und eine dadurch verursachte Schädigung vorliegen und im Unionsinteresse ein Eingreifen gemäß Artikel 21 erforderlich ist, so führt die Kommission gemäß dem in Artikel 15 Absatz 3 vorgesehenen Prüfverfahren einen endgültigen Antidumpingzoll ein. Sind bereits vorläufige Zölle in Kraft, leitet die Kommission dieses Verfahren spätestens einen Monat vor Außerkrafttreten dieser Zölle ein.“

7        Art. 10 („Rückwirkung“) der Verordnung 2016/1036 bestimmt in Abs. 1, dessen Wortlaut im Wesentlichen mit dem von Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1225/2009 übereinstimmt:

„Vorläufige Maßnahmen und endgültige Antidumpingzölle werden nur auf Waren angewendet, die nach dem Zeitpunkt, zu dem die gemäß Artikel 7 Absatz 1 bzw. Artikel 9 Absatz 4 gefasste Maßnahme in Kraft tritt, in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt werden, vorbehaltlich der in dieser Verordnung genannten Ausnahmen.“

8        In Art. 13 („Umgehung“) Abs. 1 und 3 der Verordnung 2016/1036 heißt es in Übereinstimmung mit dem Wortlaut von Art. 13 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 1225/2009:

„(1)      Die gemäß dieser Verordnung eingeführten Antidumpingzölle können auf die Einfuhren der gleichartigen Ware aus Drittländern, geringfügig verändert oder nicht, auf die Einfuhren der geringfügig veränderten gleichartigen Ware aus dem von Maßnahmen betroffenen Land oder auf die Einfuhren von Teilen dieser Ware ausgeweitet werden, wenn eine Umgehung der geltenden Maßnahmen stattfindet.

(3)      Untersuchungen werden nach Maßgabe dieses Artikels auf Initiative der Kommission oder auf Antrag eines Mitgliedstaats oder einer interessierten Partei eingeleitet, wenn der Antrag ausreichende Beweise für die in Absatz 1 genannten Faktoren enthält. Die Einleitung erfolgt durch eine Verordnung der Kommission, in der gleichzeitig Zollbehörden Anweisung gegeben werden kann, die Einfuhren gemäß Artikel 14 Absatz 5 zollamtlich zu erfassen oder Sicherheitsleistungen zu verlangen. …

Rechtfertigen die endgültig ermittelten Tatsachen die Ausweitung der Maßnahmen, wird diese Ausweitung von der Kommission gemäß dem in Artikel 15 Absatz 3 vorgesehenen Prüfverfahren eingeführt. Die Ausweitung gilt ab dem Zeitpunkt, zu dem die Einfuhren gemäß Artikel 14 Absatz 5 zollamtlich erfasst wurden oder zu dem Sicherheiten verlangt wurden. Die einschlägigen Verfahrensbestimmungen dieser Verordnung zur Einleitung und Durchführung von Untersuchungen finden nach Maßgabe dieses Artikels Anwendung.“

9        In Art. 14 Abs. 1 und 5 der Verordnung 2016/1036, der Art. 14 Abs. 1 und 5 der Verordnung Nr. 1225/2009 entspricht, heißt es:

„(1)      Vorläufige oder endgültige Antidumpingzölle werden durch Verordnung eingeführt und von den Mitgliedstaaten in der Form, zu dem Satz und nach den sonstigen Modalitäten erhoben, die in der Verordnung zur Einführung dieser Zölle festgelegt sind. Diese Zölle werden auch unabhängig von den Zöllen, Steuern und anderen normalerweise bei der Einfuhr geforderten Abgaben erhoben.

(5)      Die Kommission kann nach rechtzeitiger Unterrichtung der Mitgliedstaaten die Zollbehörden anweisen, geeignete Schritte zu unternehmen, um die Einfuhren zollamtlich zu erfassen, so dass in der Folge Maßnahmen gegenüber diesen Einfuhren vom Zeitpunkt dieser zollamtlichen Erfassung an eingeführt werden können. … Die zollamtliche Erfassung wird durch eine Verordnung eingeführt, in der der Zweck dieser Erfassung und, soweit angemessen, der geschätzte Betrag der möglichen zukünftigen Zollschuld angegeben werden. Die Einfuhren dürfen nicht länger als neun Monate zollamtlich erfasst werden.“

10      Art. 15 („Ausschussverfahren“) Abs. 3 der Verordnung 2016/1036 bestimmt:

„Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (ABl. 2011, L 55, S. 13)].“

 Verordnung Nr. 182/2011

11      Art. 5 („Prüfverfahren“) der Verordnung Nr. 182/2011, der einen anderen Wortlaut als die Verordnung Nr. 1225/2009 hat, sieht vor:

„(1)      Findet das Prüfverfahren Anwendung, so gibt der Ausschuss seine Stellungnahme mit der Mehrheit nach Artikel 16 Absätze 4 und 5 des Vertrags über die Europäische Union und gegebenenfalls nach Artikel 238 Absatz 3 AEUV bei Rechtsakten, die auf Vorschlag der Kommission zu erlassen sind, ab. Die Stimmen der Vertreter der Mitgliedstaaten im Ausschuss werden gemäß den vorgenannten Artikeln gewichtet.

(5)      [Es] gilt das folgende Verfahren für die Annahme von Entwürfen für endgültige Antidumping- oder Ausgleichsmaßnahmen, wenn keine Stellungnahme im Ausschuss abgegeben wird und die Mitglieder des Ausschusses den Entwurf des Durchführungsrechtsakts mit einfacher Mehrheit ablehnen.

Die Kommission führt Konsultationen mit den Mitgliedstaaten durch. Frühestens 14 Tage und spätestens einen Monat nach der Sitzung des Ausschusses unterrichtet die Kommission die Ausschussmitglieder über die Ergebnisse dieser Konsultationen und legt dem Berufungsausschuss den Entwurf eines Durchführungsrechtsakts vor. Abweichend von Artikel 3 Absatz 7 tritt der Berufungsausschuss frühestens 14 Tage und spätestens einen Monat nach der Vorlage des Entwurfs des Durchführungsrechtsakts zusammen. Der Berufungsausschuss gibt seine Stellungnahme gemäß Artikel 6 ab. Die in diesem Absatz festgelegten Fristen lassen die Notwendigkeit, die Einhaltung der in dem betreffenden Basisrechtsakt festgelegten Fristen zu wahren, unberührt.“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

12      Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist in den Rn. 1 bis 21 des angefochtenen Urteils dargestellt. Für die Zwecke des vorliegenden Rechtsmittels lassen sie sich wie folgt zusammenfassen.

 Rechtsstreit über die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 723/2011

13      Nachdem der Rat festgestellt hatte, dass auf dem Unionsmarkt verkaufte Verbindungselemente Gegenstand von Dumping chinesischer ausführender Hersteller waren, erließ er die Verordnung (EG) Nr. 91/2009 vom 26. Januar 2009 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Verbindungselemente aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in der Volksrepublik China (ABl. 2009, L 29, S. 1).

14      Nach der Einführung des endgültigen Antidumpingzolls gingen bei der Kommission Beweise dafür ein, dass die genannten Maßnahmen durch einen Versand über Malaysia umgangen wurden. Daher erließ sie die Verordnung (EU) Nr. 966/2010 vom 27. Oktober 2010 zur Einleitung einer Untersuchung betreffend die mutmaßliche Umgehung der mit der Verordnung Nr. 91/2009 eingeführten Antidumpingmaßnahmen durch aus Malaysia versandte Einfuhren bestimmter Verbindungselemente aus Eisen oder Stahl, ob als Ursprungserzeugnisse Malaysias angemeldet oder nicht, und zur zollamtlichen Erfassung dieser Einfuhren (ABl. 2010, L 282, S. 29). Mit der Verordnung Nr. 966/2010 wurden die Zollbehörden u. a. aufgefordert, die erforderlichen Schritte zu unternehmen, um die Einfuhren in die Union zollamtlich zu erfassen, damit rückwirkend ab der zollamtlichen Erfassung dieser aus Malaysia versandten Einfuhren Antidumpingzölle erhoben werden können, falls bei der Untersuchung eine Umgehung festgestellt werden sollte.

15      Nach Abschluss seiner Untersuchung erließ der Rat die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 723/2011 vom 18. Juli 2011 zur Ausweitung des mit der Verordnung Nr. 91/2009 eingeführten endgültigen Antidumpingzolls auf aus Malaysia versandte Einfuhren bestimmter Verbindungselemente aus Eisen oder Stahl, ob als Ursprungserzeugnisse Malaysias angemeldet oder nicht (ABl. 2011, L 194, S. 6).

16      Am 28. Juli 2011 nahm das Streitbeilegungsgremium (im Folgenden: SBG) der Welthandelsorganisation (im Folgenden: WTO) den Bericht des Rechtsmittelgremiums sowie den Panelbericht in der durch den Bericht des Rechtsmittelgremiums geänderten Fassung in der Sache „Europäische Gemeinschaften – Endgültige Antidumpingmaßnahmen gegenüber bestimmten Verbindungselementen aus Eisen oder Stahl aus China“ (WT/DS 397) an. Das SBG kam darin u. a. zu dem Ergebnis, dass die Union in einer Weise gehandelt habe, die mit einigen Bestimmungen des WTO-Antidumpingübereinkommens unvereinbar sei.

17      Daraufhin erließ der Rat die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 924/2012 vom 4. Oktober 2012 zur Änderung der Verordnung Nr. 91/2009 (ABl. 2012, L 275, S. 1), wobei er u. a. den in der Verordnung Nr. 91/2009 vorgesehenen Antidumpingzoll herabsetzte.

18      Die in den verschiedenen Verordnungen vorgesehenen Maßnahmen wurden durch die Durchführungsverordnung (EU) 2015/519 der Kommission vom 26. März 2015 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Verbindungselemente aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in der Volksrepublik China, ausgeweitet auf aus Malaysia versandte Einfuhren bestimmter Verbindungselemente aus Eisen oder Stahl, ob als Ursprungserzeugnisse Malaysias angemeldet oder nicht, im Anschluss an eine Auslaufüberprüfung nach Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1225/2009 (ABl. 2015, L 82, S. 78) für fünf weitere Jahre aufrechterhalten.

19      Mit Entscheidung vom 12. Februar 2016 nahm das SBG neue Berichte an, wonach die von der Union durch die Durchführungsverordnung Nr. 924/2012 ergriffenen Maßnahmen mit einigen Bestimmungen des WTO-Antidumpingübereinkommens unvereinbar seien.

20      Die Kommission reagierte auf die genannte Entscheidung mit dem Erlass der Durchführungsverordnung (EU) 2016/278 vom 26. Februar 2016 zur Aufhebung des endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Verbindungselemente aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in der Volksrepublik China, ausgeweitet auf aus Malaysia versandte Einfuhren bestimmter Verbindungselemente aus Eisen oder Stahl, ob als Ursprungserzeugnisse Malaysias angemeldet oder nicht (ABl. 2016, L 52, S. 24).

21      Die während der von der Kommission durchgeführten Antiumgehungsuntersuchung erfolgten Einfuhren von Verbindungselementen aus Malaysia durch die Rechtsmittelführerinnen wurden zollamtlich erfasst, um auf sie Zölle erheben zu können, falls die Untersuchung die Umgehung bestätigen sollte.

22      Zwischen Januar 2012 und Oktober 2013 erließen die niederländischen Zollbehörden Abgabenbescheide zur Erhebung der von den Rechtsmittelführerinnen nach der Durchführungsverordnung Nr. 723/2011 für Einfuhren von Verbindungselementen geschuldeten Antidumpingzölle.

23      Im Rahmen eines von Eurobolt gegen die auf der Grundlage der genannten Durchführungsverordnung entrichteten Antidumpingzölle eingelegten Rechtsmittels ersuchte der Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) am 17. November 2017 den Gerichtshof um Vorabentscheidung über die Gültigkeit dieser Verordnung.

24      Im Urteil vom 3. Juli 2019, Eurobolt (C‑644/17, im Folgenden: Urteil Eurobolt, EU:C:2019:555), hat der Gerichtshof die Durchführungsverordnung Nr. 723/2011 für ungültig erklärt, weil sie unter Verstoß gegen die wesentliche Formvorschrift in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1225/2009 erlassen wurde.

 Umsetzung des Urteils Eurobolt

25      Nach Verkündung des Urteils Eurobolt nahm die Kommission die Antiumgehungsuntersuchung wieder auf, um die vom Gerichtshof festgestellte formelle Rechtswidrigkeit zu beheben. Hierzu erließ sie die Durchführungsverordnung (EU) 2019/1374 vom 26. August 2019 zur Wiederaufnahme der Untersuchung im Rahmen der Durchführungsverordnung Nr. 723/2011 infolge des Urteils [Eurobolt] (ABl. 2019, L 223, S. 1).

26      Die Wiederaufnahme der Antiumgehungsuntersuchung sollte die Umsetzung des genannten Urteils gewährleisten, indem sichergestellt wurde, dass alle verfahrensrechtlichen Anforderungen eingehalten werden, die sich aus dem für den Beratenden Ausschuss in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1225/2009 vorgesehenen Verfahren ergeben, das mittlerweile durch das in Art. 5 der Verordnung Nr. 182/2011 vorgesehene Prüfverfahren ersetzt worden war.

27      Die Stellungnahme von Eurobolt wurde dem zuständigen Ausschuss mindestens 14 Tage vor seiner Sitzung übermittelt. Sie führte nicht zu Änderungen an der Schlussfolgerung der Kommission, dass für die aus Malaysia versandten Einfuhren bestimmter Verbindungselemente aus Eisen oder Stahl, ob als Ursprungserzeugnisse Malaysias angemeldet oder nicht, die ursprünglichen Maßnahmen wieder eingeführt werden sollten.

28      Am 30. April 2020 erließ die Kommission die streitige Verordnung.

29      Nach Art. 1 der streitigen Verordnung wird der mit der Verordnung Nr. 91/2009 auf die während der Geltungsdauer der Durchführungsverordnung Nr. 723/2011 aus Malaysia versandten Einfuhren bestimmter Verbindungselemente aus Eisen oder Stahl, ausgenommen aus nicht rostendem Stahl, eingeführte Antidumpingzoll wieder eingeführt. Art. 2 der streitigen Verordnung bestimmt, dass die auf der Grundlage der Durchführungsverordnung Nr. 723/2011 entrichteten Antidumpingzölle nicht erstattet werden und etwaige nach dem Urteil Eurobolt erfolgte Erstattungen von den Behörden, die sie geleistet haben, eingezogen werden.

 Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

30      Mit Klageschrift, die am 28. Juli 2020 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhoben die Rechtsmittelführerinnen und die Stafa Group BV Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Verordnung.

31      Die Rechtsmittelführerinnen und Stafa Group stützten ihre Klage auf drei Gründe. Mit dem ersten Klagegrund wurde gerügt, dass die streitige Verordnung durch die rückwirkende Behebung der Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift gegen die Art. 264 und 266 AEUV sowie den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes verstoßen habe. Mit dem zweiten Klagegrund wurde gerügt, dass die streitige Verordnung mangels gültiger Rechtsgrundlage gegen Art. 13 Abs. 1 der Verordnung 2016/1036, Art. 5 Abs. 1 und 2 EUV sowie den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen habe. Mit dem dritten Klagegrund wurde gerügt, dass die streitige Verordnung durch das Verbot der Erstattung und die Anordnung der Wiedereinziehung der erstatteten Antidumpingzölle gegen Art. 5 Abs. 1 und 2 EUV verstoßen habe.

32      Die Kommission äußerte auf der Grundlage von Art. 263 Abs. 4 zweite Variante AEUV Zweifel an der Zulässigkeit der Klage und bestritt, dass die Rechtsmittelführerinnen und Stafa Group von der streitigen Verordnung individuell betroffen seien. Desgleichen trug sie vor, dass sie die Klage in Bezug auf Fabory Nederland, ASF Fischer und Stafa Group zwar nach Art. 263 Abs. 4 dritte Variante AEUV für zulässig halte, doch scheine ihr dies in Bezug auf Eurobolt nicht der Fall zu sein. Da die an Eurobolt gerichteten Mitteilungen vom Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) für nichtig erklärt worden seien, erfordere die Durchführung der streitigen Verordnung gegenüber Eurobolt nämlich Durchführungsmaßnahmen in Form einer erneuten Mitteilung der Zollschuld.

33      Das Gericht hat jedoch entschieden, sogleich die von den Rechtsmittelführerinnen und Stafa Group geltend gemachten Klagegründe zu prüfen, ohne zuvor über die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage zu befinden, da sie jedenfalls unbegründet sei. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht sämtliche Klagegründe zurückgewiesen und dementsprechend die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

 Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien

34      Mit ihrem Rechtsmittel beantragen die Rechtsmittelführerinnen,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben;

–        ihrer Klage stattzugeben und die streitige Verordnung für nichtig zu erklären, soweit sie sie betrifft;

–        der Kommission die in Bezug auf das Verfahren im ersten Rechtszug und das Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten sowie ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

35      Die Kommission beantragt,

–        das Rechtsmittel zurückzuweisen und

–        den Rechtsmittelführerinnen die Kosten aufzuerlegen.

36      Der Gerichtshof hat die Rechtsmittelführerinnen gemäß Art. 61 Abs. 1 seiner Verfahrensordnung darum ersucht, eine Frage zur Zulässigkeit ihrer Nichtigkeitsklage schriftlich zu beantworten. Die Rechtsmittelführerinnen sind diesem Ersuchen fristgerecht nachgekommen.

 Zum Rechtsmittel

37      Die Rechtsmittelführerinnen stützen ihr Rechtsmittel auf sieben Gründe, mit denen gerügt wird, das Gericht habe eine Reihe von Rechtsnormen falsch ausgelegt und angewendet, und zwar erstens Art. 266 AEUV und das Rückwirkungsverbot, indem es die rückwirkende Wiedereinführung der Zölle und den Ausschluss ihrer Erstattung durch die streitige Verordnung für zulässig erklärt habe, zweitens Art. 266 AEUV, indem es befunden habe, dass die streitige Verordnung dem in einem Antidumpingverfahren begangenen Verstoß gegen wesentliche Formvorschriften „abhelfen“ könne, drittens Art. 266 AEUV und das Rückwirkungsverbot, indem es befunden habe, dass die streitige Verordnung dem im Urteil Eurobolt festgestellten Verstoß „abhelfen“ könne, viertens die Art. 264, 266 und 296 AEUV, indem es befunden habe, dass sich die Kommission die Zuständigkeit des Gerichtshofs habe aneignen dürfen, fünftens den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes, indem es befunden habe, dass dieser Grundsatz im vorliegenden Fall nicht die vollständige Erstattung der Zölle gebiete, sechstens Art. 13 Abs. 1 der Verordnung 2016/1036, Art. 5 Abs. 1 und 2 EUV sowie den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, indem es befunden habe, dass die streitige Verordnung auf einer geeigneten Rechtsgrundlage beruhe, und siebtens Art. 5 Abs. 1 und 2 EUV, indem es befunden habe, dass die streitige Verordnung die Erstattung der im Urteil Eurobolt für ungültig erklärten Zölle endgültig verbieten könne.

 Zu den Rechtsmittelgründen 1 bis 4

38      Die Rechtsmittelgründe 1 bis 4 betreffen in erster Linie Art. 266 AEUV und die vom Gericht vorgenommene Würdigung der Art und Weise, in der die Kommission das Urteil Eurobolt umgesetzt hat. Die zur Stützung dieser verschiedenen Rechtsmittelgründe vorgetragenen Argumente stellen im Übrigen eine Erweiterung derjenigen dar, die mit den ersten vier Teilen des beim Gericht geltend gemachten ersten Klagegrundes vorgetragen wurden. Sie sind gemeinsam zu prüfen.

 Vorbringen der Parteien

39      Die Rechtsmittelführerinnen rügen einen Verstoß gegen Art. 266 AEUV (Rechtsmittelgründe 1 bis 4), das Rückwirkungsverbot (Rechtsmittelgründe 1 und 3) sowie die Art. 264 und 296 AEUV (vierter Rechtsmittelgrund).

40      Mit den genannten Rechtsmittelgründen, die sich gegen die Rn. 40 bis 61, 69 bis 71, 74, 77, 84, 91 und 99 des angefochtenen Urteils richten, machen die Rechtsmittelführerinnen unter Stützung insbesondere auf das Urteil vom 28. Mai 2013, Abdulrahim/Rat und Kommission (C‑239/12 P, EU:C:2013:331), erstens im Wesentlichen geltend, das Gericht hätte zu dem Ergebnis kommen müssen, dass es für die Kommission nicht erforderlich oder materiell unmöglich gewesen sei, Maßnahmen zur Umsetzung des Urteils Eurobolt zu ergreifen. Denn der im Urteil festgestellte Verstoß gegen eine wesentliche Formvorschrift habe der gesamten Antiumgehungsuntersuchung angehaftet und könne daher nicht geheilt werden. Zweitens gebiete es Art. 266 AEUV, bereits entrichtete, aber gesetzlich nicht geschuldete Zölle zu erstatten, was durch die rückwirkende Anwendung der streitigen Verordnung umgangen und vom Gericht zu Unrecht gebilligt worden sei. Drittens entfalte die streitige Verordnung ausschließlich Wirkungen für die Vergangenheit und habe daher entgegen dem Befund des Gerichts Rückwirkung. Viertens habe die streitige Verordnung zur Folge, dass dem Urteil Eurobolt in zeitlicher Hinsicht die Wirkung genommen werde, was gegen die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichtshofs gemäß Art. 264 AEUV verstoße.

41      Die Kommission beantragt, die Rechtsmittelgründe 1, 2 und 4 als unbegründet zurückzuweisen. Der dritte Rechtsmittelgrund gehe ins Leere, da er auf der falschen Annahme beruhe, dass die streitige Verordnung Rückwirkung habe. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, erfülle diese Verordnung jedenfalls die in der Rechtsprechung für die Zulässigkeit einer solchen Rückwirkung aufgestellten Voraussetzungen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

42      Mit ihren Rechtsmittelgründen 1 bis 4 beanstanden die Rechtsmittelführerinnen im Wesentlichen die Ausführungen des Gerichts dazu, in welcher Weise die Kommission die sich aus dem Urteil Eurobolt ergebenden Maßnahmen ergriffen hat, die letztlich im Erlass der streitigen Verordnung bestanden.

43      Erstens ist darauf hinzuweisen, dass es in Art. 266 Abs. 1 AEUV heißt: „Die Organe …, denen das für nichtig erklärte Handeln zur Last fällt …, haben die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs … ergebenden Maßnahmen zu ergreifen.“

44      Hieraus folgt, dass die vom Gerichtshof im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 267 AEUV getroffene Feststellung der Ungültigkeit eines Rechtsakts der Union zur Folge hat, dass die betreffenden Organe verpflichtet sind, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um der festgestellten Regelwidrigkeit abzuhelfen; die nach Art. 266 AEUV im Fall eines Nichtigkeitsurteils bestehende Pflicht gilt entsprechend für Urteile, mit denen ein Rechtsakt der Union für ungültig erklärt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. Juni 1988, Van Landschoot, 300/86, EU:C:1988:342, Rn. 22, und vom 9. September 2008, FIAMM u. a./Rat und Kommission, C‑120/06 P und C‑121/06 P, EU:C:2008:476, Rn. 123). Diese Organe verfügen gleichwohl über ein weites Ermessen bei der Wahl ihrer Maßnahmen, die allerdings mit dem Tenor des fraglichen Urteils und den ihn tragenden Gründen vereinbar sein müssen (Urteile vom 28. Januar 2016, CM Eurologistik und GLS, C‑283/14 und C‑284/14, EU:C:2016:57, Rn. 76, sowie vom 15. März 2018, Deichmann, C‑256/16, EU:C:2018:187, Rn. 87). Angesichts dieses weiten Ermessens kann die Rechtmäßigkeit der betreffenden Maßnahmen nur dann beeinträchtigt sein, wenn sie zur Erreichung des verfolgten Ziels offensichtlich ungeeignet sind (Urteil vom 15. März 2018, Deichmann, C‑256/16, EU:C:2018:187, Rn. 88).

45      Ferner ist festzustellen, dass der Gerichtshof zwar die Hypothese in Betracht ziehen konnte, dass sich die Erfüllung der dem Organ, dem das für nichtig erklärte Handeln zur Last fällt, obliegenden Pflicht, die sich aus dem Nichtigkeitsurteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen, aufgrund der Umstände als unmöglich erweist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. März 1980, Könecke Fleischwarenfabrik/Kommission, 76/79, EU:C:1980:68, Rn. 9, sowie vom 28. Mai 2013, Abdulrahim/Rat und Kommission, C‑239/12 P, EU:C:2013:331, Rn. 64 und 80), doch haben die Rechtsmittelführerinnen im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen, dass es für die Kommission nicht erforderlich oder materiell unmöglich war, die sich aus dem Urteil Eurobolt ergebenden Maßnahmen zu treffen.

46      Daher hat das Gericht in den Rn. 49 und 77 des angefochtenen Urteils zu Recht befunden, dass die Kommission nach Art. 266 AEUV verpflichtet war, die sich aus dem Urteil Eurobolt ergebenden Maßnahmen zu ergreifen.

47      Überdies steht fest, dass Art. 266 AEUV das Organ, dem das für nichtig erklärte Handeln zur Last fällt, nur dazu verpflichtet, die sich aus dem Nichtigkeitsurteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen, und dass die Nichtigerklärung eines Rechtsakts der Union nicht zwangsläufig die ihn vorbereitenden Handlungen berührt (Urteil vom 28. Januar 2016, CM Eurologistik und GLS, C‑283/14 und C‑284/14, EU:C:2016:57, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung). Gleiches gilt entsprechend für die Umsetzung eines Urteils des Gerichtshofs, mit dem ein Rechtsakt der Union für ungültig erklärt wird. Folglich kann das betreffende Organ, sofern der festgestellte Fehler nicht zur Nichtigkeit des gesamten Verfahrens geführt hat, zum Zweck des Erlasses eines Rechtsakts, der einen zuvor für nichtig oder ungültig erklärten Rechtsakt ersetzen soll, das Verfahren nur an genau dem Punkt wieder aufnehmen, an dem dieser Fehler begangen wurde (Urteile vom 12. November 1998, Spanien/Kommission, C‑415/96, EU:C:1998:533, Rn. 31, vom 3. Oktober 2000, Industrie des poudres sphériques/Rat, C‑458/98 P, EU:C:2000:531, Rn. 82, und vom 15. März 2018, Deichmann, C‑256/16, EU:C:2018:187, Rn. 74).

48      Im vorliegenden Fall bestand der vom Gerichtshof im Urteil Eurobolt festgestellte Fehler darin, dass die Stellungnahme, die Eurobolt in ihrer Eigenschaft als interessierte Partei zu den Feststellungen der Kommission im Rahmen der auf der Grundlage von Art. 13 der Verordnung Nr. 1225/2009 eingeleiteten Antiumgehungsuntersuchung abgegeben hatte, unter Verstoß gegen Art. 15 Abs. 2 dieser Verordnung dem durch sie geschaffenen Beratenden Ausschuss nicht spätestens zehn Arbeitstage vor seiner Sitzung vorgelegt worden war.

49      Wie das Gericht in Rn. 47 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, konnte ein solcher Fehler für sich genommen aber nicht das gesamte Verfahren beeinträchtigen. Denn die in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1225/2009 vorgeschriebene Frist sollte den Vertretern der Mitgliedstaaten, die dem Beratenden Ausschuss angehören, genug Zeit verschaffen, um vor dessen Sitzung die sachdienlichen Informationen in Ruhe prüfen und einen Standpunkt festlegen zu können, mit dem ihre jeweiligen Interessen gewahrt werden sollten. Allgemeiner ausgedrückt sollte diese Frist gewährleisten, dass die während einer Untersuchung von den interessierten Parteien vorgelegten Informationen und Stellungnahmen im Beratenden Ausschuss gebührend berücksichtigt werden konnten (vgl. in diesem Sinne Urteil Eurobolt, Rn. 48 bis 51).

50      Daher konnte die Missachtung der genannten Frist zwar die späteren Abschnitte des Verfahrens zur Ausweitung des endgültigen Antidumpingzolls, das zum Erlass der Durchführungsverordnung Nr. 723/2011 führen sollte, beeinträchtigen, nicht aber die vorangegangenen Abschnitte des Entscheidungsprozesses. Deshalb war die Kommission nicht daran gehindert, das Verfahren an genau dem Punkt, an dem dieser Fehler aufgetreten war, wieder aufzunehmen und nach seiner Behebung einen neuen Rechtsakt zu erlassen.

51      Infolgedessen hat das Gericht rechtsfehlerfrei befunden, dass die Kommission zur Umsetzung des Urteils Eurobolt das Verfahren in dem Stadium wieder aufnehmen durfte, in dem die Verletzung der wesentlichen Formvorschrift begangen worden war, damit die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Anforderungen an die in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1225/2009 vorgesehene Anhörung des Beratenden Ausschusses gewährleistet werden konnte (vgl. entsprechend Urteil vom 28. Januar 2016, CM Eurologistik und GLS, C‑283/14 und C‑284/14, EU:C:2016:57, Rn. 54).

52      Der Umstand, dass das Erfordernis, dem Beratenden Ausschuss alle sachdienlichen Informationen zu übermitteln, zu den für den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens wesentlichen Formvorschriften gehört, kann weder an dieser Feststellung noch an den in den Rn. 44 und 47 des vorliegenden Urteils angeführten Grundsätzen etwas ändern. Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen vermag auch die Bedeutung, die den Verteidigungsrechten im Bereich des Antidumpingzolls für die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer zukommt, die auf die Rn. 33 und 34 des Urteils vom 13. November 1990, Fedesa u. a. (C‑331/88, EU:C:1990:391), zurückgehende Rechtsprechung nicht in Frage zu stellen.

53      Unabhängig davon, welcher Bereich betroffen ist, besteht die der Einstufung als „wesentliche Formvorschrift“ zugrunde liegende Funktion nämlich darin, die Einhaltung der Zuständigkeitsregeln und der Verfahrensrechte zu gewährleisten. Die Einhaltung dieser Regeln und Rechte wird durch die Wiederaufnahme des Verfahrens in dem Stadium, in dem der Verstoß gegen die wesentliche Formvorschrift begangen wurde, jedoch dann nicht berührt, wenn sich die Nichteinhaltung dieser wesentlichen Formvorschrift auf die früheren Abschnitte nicht ausgewirkt hat.

54      Da in der vorliegenden Rechtssache der Verstoß gegen die in Rede stehende wesentliche Formvorschrift die ihm vorangegangenen Abschnitte des Ausweitungsverfahrens nicht berührt hat, war die Kommission nicht daran gehindert, das Verfahren zum Zeitpunkt des Verstoßes wieder aufzunehmen und nach dessen Behebung einen neuen Rechtsakt zu erlassen.

55      Zweitens ist in Bezug auf das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen, Art. 266 AEUV gebiete die Erstattung zuvor entrichteter, aber gesetzlich nicht geschuldeter Zölle, festzustellen, dass dies zwar grundsätzlich zutrifft, wenn der Gerichtshof eine Verordnung, mit der Antidumpingzölle eingeführt werden, für ungültig erklärt. Wie in Rn. 44 des vorliegenden Urteils ausgeführt, sind die genaue Tragweite eines die Ungültigkeit aussprechenden Urteils des Gerichtshofs und damit der sich aus ihm ergebenden Pflichten aber in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung nicht nur des Tenors dieses Urteils, sondern auch der ihn tragenden Gründe zu bestimmen (Urteil vom 15. März 2018, Deichmann, C‑256/16, EU:C:2018:187, Rn. 62 und 63).

56      Im Urteil Eurobolt hat der Gerichtshof die Durchführungsverordnung Nr. 723/2011 aber nur wegen Verstoßes gegen die Verfahrensvorschrift in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1225/2009 für ungültig erklärt. In seinem Urteil hat der Gerichtshof also nicht den materiellen Inhalt dieser Durchführungsverordnung geprüft und folglich die darin enthaltenen Vorschriften weder beanstandet noch bestätigt. Die Rechtsmittelführerinnen konnten daher nicht mit einer Änderung der Haltung der Kommission in der Sache selbst rechnen (vgl. entsprechend Urteil vom 13. November 1990, Fedesa u. a., C‑331/88, EU:C:1990:391, Rn. 47).

57      Insoweit ist noch darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Befugnis, das Verfahren wieder aufzunehmen, in der anwendbaren Regelung nicht ausdrücklich vorgesehen sein muss, damit das Organ, das Urheber eines für nichtig oder ungültig erklärten Rechtsakts ist, von ihr Gebrauch machen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Januar 2016, CM Eurologistik und GLS, C‑283/14 und C‑284/14, EU:C:2016:57, Rn. 52). Denn auch wenn Art. 9 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 und 3 sowie Art. 14 Abs. 1 und 5 der Verordnung 2016/1036 nicht auf die Befugnis Bezug nimmt, Antidumpingzölle im Anschluss an ein die Nichtigkeit oder Ungültigkeit aussprechendes Urteil „wieder einzuführen“, ermächtigen diese Bestimmungen die Kommission gleichwohl auch zu ihrer Wiedereinführung, nachdem sie das Verfahren, das zu der vom Unionsrichter für nichtig oder ungültig erklärten Verordnung geführt hat, wieder aufgenommen und in diesem Rahmen die festgestellten Rechtsverstöße im Einklang mit den in zeitlicher Hinsicht anwendbaren verfahrens- und materiell-rechtlichen Vorschriften behoben hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. Juni 2019, C & J Clark International, C‑612/16, EU:C:2019:508, Rn. 42 und 43, sowie vom 8. September 2022, Puma u. a./Kommission, C‑507/21 P, EU:C:2022:649, Rn. 58).

58      Die Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens nach der Verkündung des Urteils Eurobolt konnte daher zur wirksamen Wiedereinführung der in der Durchführungsverordnung Nr. 723/2011 vorgesehenen Antidumpingzölle in Bezug auf die während der Geltungsdauer der Verordnung Nr. 91/2009 in den zollrechtlich freien Verkehr überführten Waren führen. Folglich war die sofortige und vollständige Erstattung der mit dieser Durchführungsverordnung eingeführten Antidumpingzölle nicht geboten (vgl. entsprechend Urteil vom 8. September 2022, Puma u. a./Kommission, C‑507/21 P, EU:C:2022:649, Rn. 68).

59      Aus den Erwägungen in den Rn. 55 bis 58 des vorliegenden Urteils ergibt sich, dass das Gericht in Rn. 48 des angefochtenen Urteils zu Recht befunden hat, dass die Kommission das Verfahren in dem Stadium, in dem der im Urteil Eurobolt festgestellte Fehler begangen worden war, wieder aufnehmen und infolgedessen die in der Durchführungsverordnung Nr. 723/2011 enthaltenen Maßnahmen wieder einführen durfte, ohne die Erstattung der von den Rechtsmittelführerinnen entrichteten Antidumpingzölle anzuordnen.

60      Drittens ist in Bezug auf das Rückwirkungsverbot festzustellen, dass – wie der Gerichtshof bereits entschieden hat – in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1225/2009, dessen Wortlaut mit dem von Art. 10 Abs. 1 der Verordnung 2016/1036 übereinstimmt, zwar das Verbot der Rückwirkung von Antidumpingmaßnahmen – die grundsätzlich nur auf nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung, mit der sie eingeführt wurden, in den zollrechtlich freien Verkehr überführte Waren angewendet werden dürfen – verankert ist, doch weichen mehrere Bestimmungen der Verordnungen Nr. 1225/2009 und 2016/1036 von diesem Grundsatz ab (Urteil vom 17. Dezember 2015, APEX, C‑371/14, EU:C:2015:828, Rn. 48).

61      So ist nach den Regeln über die Umgehung die rückwirkende Erhebung von Antidumpingzöllen, die durch eine auf der Grundlage von Art. 13 der genannten Verordnungen erlassene Ausweitungsverordnung ausgedehnt wurden, erst ab dem Zeitpunkt gestattet, zu dem die Einfuhren gemäß Art. 14 Abs. 5 der Verordnungen zollamtlich erfasst wurden (Urteil vom 17. Dezember 2015, APEX, C‑371/14, EU:C:2015:828, Rn. 49).

62      Daraus folgt, dass die Wiederaufnahme des Verfahrens nach der Nichtig- oder Ungültigerklärung einer Ausweitungsverordnung nicht dazu führen darf, dass mit der Verordnung, die am Ende dieses Verfahrens erlassen wird, Antidumpingzölle auf Waren, die vor dem Zeitpunkt der zollamtlichen Erfassung in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt wurden, wieder eingeführt werden. Dagegen ist eine solche Wiederaufnahme auch nach dem Auslaufen der betreffenden Antidumpingzölle zulässig, wenn die Zölle nur für ihren ursprünglichen Geltungszeitraum wieder eingeführt werden (vgl. entsprechend Urteil vom 15. März 2018, Deichmann, C‑256/16, EU:C:2018:187, Rn. 77 und 78), also nur für den vor dem Auslaufen liegenden Zeitraum, so dass die ausgeweiteten Maßnahmen ausschließlich rückwirkenden Charakter haben (Urteil vom 17. Dezember 2015, APEX, C‑371/14, EU:C:2015:828, Rn. 47).

63      Art. 10 Abs. 1 der Verordnung 2016/1036 stand daher einer Wiedereinführung der Antidumpingzölle auf Einfuhren, die während des Geltungszeitraums der mit dem Urteil Eurobolt für ungültig erklärten Verordnung stattgefunden hatten, durch die streitige Verordnung nicht entgegen (vgl. entsprechend Urteil vom 19. Juni 2019, C & J Clark International, C‑612/16, EU:C:2019:508, Rn. 57).

64      Folglich hat das Gericht in den Rn. 55 und 61 des angefochtenen Urteils ebenfalls rechtsfehlerfrei befunden, dass das in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1225/2009 verankerte Rückwirkungsverbot einer Wiederaufnahme des Antidumpingverfahrens für die in Rede stehenden Waren und der Wiedereinführung von Antidumpingzöllen auf Einfuhren, die während der Geltungsdauer der mit dem Urteil Eurobolt für ungültig erklärten Verordnung stattgefunden hatten, nicht entgegenstand.

65      Viertens geht aus den in den Rn. 54 bis 58 und 60 bis 63 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen hervor, dass sich die Kommission durch den Erlass der streitigen Verordnung keine dem Gerichtshof auf der Grundlage von Art. 264 AEUV vorbehaltene Zuständigkeit angeeignet hat, da sie weder den Tenor des Urteils Eurobolt noch die ihn stützenden Gründe in Frage gestellt, sondern sich als zuständiges Organ darauf beschränkt hat, eine Ausweitungsverordnung innerhalb der in der vorstehenden Randnummer beschriebenen zeitlichen Grenzen zu erlassen. Daher kann dem Gericht nicht vorgeworfen werden, gegen seine Begründungspflicht nach Art. 296 AEUV verstoßen zu haben, als es in Rn. 99 des angefochtenen Urteils befunden hat, dass Art. 264 AEUV dem Erlass von Maßnahmen mit in zeitlicher Hinsicht gleichen Wirkungen wie die Entscheidung, die der Gerichtshof in Anwendung von Abs. 2 dieser Bestimmung zu treffen hätte, durch das betreffende Organ nicht entgegensteht, da die Rechtsmittelführerinnen – wie aus Rn. 98 des angefochtenen Urteils hervorgeht – nicht dargetan haben, dass die streitige Verordnung mit dem Tenor und den Gründen des Urteils Eurobolt unvereinbar ist.

66      Nach alledem sind die Rechtsmittelgründe 1 bis 4 in vollem Umfang als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum fünften Rechtsmittelgrund

 Vorbringen der Parteien

67      Mit ihrem fünften Rechtsmittelgrund, der Rn. 112 des angefochtenen Urteils betrifft, tragen die Rechtsmittelführerinnen vor, das Gericht habe den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes falsch ausgelegt und angewandt, als es befunden habe, dass dieser Grundsatz im vorliegenden Fall nicht die vollständige Erstattung der Antidumpingzölle gebiete.

68      Nach Ansicht der Rechtsmittelführerinnen hat das Gericht mit diesem Befund das Vorbringen außer Acht gelassen, dass die Urteile des Gerichtshofs jede Rechtswirkung verlören, wenn die Kommission zum Erlass von Rechtsakten wie der streitigen Verordnung befugt wäre. Folgte man dem von der Kommission in der Verordnung verfolgten Ansatz, würde dies dazu führen, dass kein Wirtschaftsteilnehmer dazu angeregt würde, das von der Kommission in Antidumpingsachen gewählte Verhalten vor dem Gerichtshof anzufechten, so dass ihre Befugnis jeder Kontrolle entzogen wäre. Denn die Kommission könnte den vom Gerichtshof festgestellten Verstößen stets dadurch „abhelfen“, dass sie einen Rechtsakt mit Wirkungen für die Vergangenheit erließe, wie wenn der Gerichtshof nie eine Entscheidung erlassen hätte.

69      Die Kommission beantragt, den fünften Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

70      Mit ihrem fünften Rechtsmittelgrund werfen die Rechtsmittelführerinnen dem Gericht vor, in Rn. 112 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft befunden zu haben, dass die Kommission ihr Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz beachtet habe. Dabei sei das Gericht fälschlich davon ausgegangen, dass dieses Recht nicht die vollständige Erstattung der Antidumpingzölle gebiete, die mit der durch das Urteil Eurobolt für ungültig erklärten Verordnung eingeführt worden seien.

71      Insoweit hat das Gericht, wie aus Rn. 112 des angefochtenen Urteils hervorgeht, entschieden, die Kommission sei ihrer Pflicht aus Art. 266 AEUV, die sich aus dem Urteil Eurobolt ergebenden Maßnahmen zu ergreifen, nachgekommen und habe das Recht der Rechtsmittelführerinnen auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz beachtet, indem sie den in diesem Urteil festgestellten Verfahrensfehler behoben habe, d. h., dafür Sorge getragen habe, dass die Erörterungen im zuständigen Beratenden Ausschuss unter vollständiger Beachtung der in der anwendbaren Regelung vorgesehenen wesentlichen Formvorschriften stattgefunden hätten, und die im Urteil Eurobolt nicht in Frage gestellten Untersuchungsergebnisse bestätigt habe.

72      Die Rechtsmittelführerinnen tragen im Wesentlichen vor, das Gericht habe mit dieser Schlussfolgerung das Vorbringen außer Acht gelassen, dass die Entscheidungen des Gerichtshofs jede Rechtswirkung verlören, wenn die Kommission zum Erlass von Rechtsakten wie der streitigen Verordnung befugt wäre.

73      Dieser Rechtsmittelgrund beruht jedoch auf einer falschen Prämisse. Wie der Generalanwalt in Nr. 64 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, lag zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verordnung nämlich keine Entscheidung eines Unionsgerichts vor, mit der die inhaltliche Ungültigkeit der Durchführungsverordnung Nr. 723/2011 festgestellt worden wäre.

74      Wie in Rn. 56 des vorliegenden Urteils ausgeführt, hat der Gerichtshof im Urteil Eurobolt die Ungültigkeit dieser Durchführungsverordnung nämlich nur auf der Grundlage eines Verfahrensfehlers festgestellt, der, wie die Prüfung der Rechtsmittelgründe 1 bis 4 ergeben hat, behoben werden konnte.

75      Folglich hat das Gericht in Rn. 112 des angefochtenen Urteils zu Recht befunden, dass die Kommission durch die Behebung dieses Verfahrensfehlers das Recht der Rechtsmittelführerinnen auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz beachtet hat, indem sie dafür Sorge getragen hat, dass die Erörterungen im zuständigen Beratenden Ausschuss unter vollständiger Beachtung der nach der anwendbaren Regelung erforderlichen wesentlichen Formvorschriften stattfanden.

76      Nach alledem ist der fünfte Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum sechsten Rechtsmittelgrund

 Vorbringen der Parteien

77      Mit ihrem sechsten Rechtsmittelgrund, der die Rn. 129, 134, 138, 144, 148 und 154 des angefochtenen Urteils betrifft, tragen die Rechtsmittelführerinnen vor, das Gericht habe Art. 13 Abs. 1 der Verordnung 2016/1036, Art. 5 Abs. 1 und 2 EUV sowie den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung falsch ausgelegt und angewandt, indem es befunden habe, dass die streitige Verordnung auf einer geeigneten Rechtsgrundlage beruhe.

78      Die Rechtsmittelführerinnen weisen zunächst darauf hin, dass das Gericht offenbar die Tragweite des zweiten Grundes ihrer Nichtigkeitsklage verkannt habe. Mit diesem Klagegrund hätten sie vorgetragen, die Verordnung Nr. 91/2009 habe in Anbetracht dessen, dass sie für rechtswidrig erklärt und infolgedessen im Jahr 2016 aufgehoben worden sei, keine geeignete Rechtsgrundlage für den Erlass der streitigen Verordnung im Jahr 2020 darstellen können, da Letztere im Verhältnis zu der Verordnung Nr. 91/2009, mit der der endgültige Antidumpingzoll eingeführt worden sei, „akzessorischen Charakter“ habe.

79      Die Rechtsmittelführerinnen stützen ihren sechsten Rechtsmittelgrund im Wesentlichen auf vier Argumente. Erstens habe sich das Gericht zu Unrecht auf das Urteil vom 17. Dezember 2015, APEX (C‑371/14, EU:C:2015:828), gestützt, da es dort nicht um die Rechtsgrundlage der angefochtenen Handlung gegangen sei. Zweitens habe das Gericht als Rechtsgrundlage für den Erlass von Antidumpingmaßnahmen im Allgemeinen und infolgedessen der streitigen Verordnung Art. 207 AEUV herangezogen, während die rechtswidrige Verordnung Nr. 91/2009 keine geeignete Rechtsgrundlage für die streitige Verordnung sein könne. Drittens habe das Gericht den entscheidenden Punkt auch dadurch übergangen, dass es Auswirkungen der Aufhebung der Verordnung Nr. 91/2009 auf deren Gültigkeit verneint habe. Der entscheidende Punkt sei, dass die Kommission, die diese Verordnung im Jahr 2016 wegen ihrer Rechtswidrigkeit aufgehoben habe, sie im Jahr 2020 zu Unrecht „wieder zum Leben erweckt“ habe, um sie zur Rechtsgrundlage der streitigen Verordnung zu machen. Viertens habe das Gericht fehlerhaft befunden, dass sich die Rechtmäßigkeit der Verordnung Nr. 91/2009 nicht anhand des WTO-Rechts beurteilen lasse. Geltend gemacht werde nicht, dass die Verstöße gegen das WTO-Recht in der Verordnung Nr. 91/2009 zur Rechtswidrigkeit der streitigen Verordnung führten, sondern dass die Verordnung Nr. 91/2009 nicht als Rechtsgrundlage der streitigen Verordnung dienen könne.

80      Die Kommission trägt vor, der sechste Rechtsmittelgrund gehe ins Leere, da er auf der falschen Annahme beruhe, dass die Verordnung Nr. 91/2009 die Rechtsgrundlage der streitigen Verordnung sei. Jedenfalls sei dieser Rechtsmittelgrund unbegründet.

 Würdigung durch den Gerichtshof

81      Mit ihrem sechsten Rechtsmittelgrund tragen die Rechtsmittelführerinnen im Wesentlichen vor, die Verordnung Nr. 91/2009 sei im Jahr 2016 wegen ihrer Rechtswidrigkeit aufgehoben worden, so dass sie nicht die Rechtsgrundlage für die im Jahr 2020 erlassene streitige Verordnung sein könne, die im Verhältnis zur Verordnung Nr. 91/2009 akzessorischen Charakter habe.

82      Erstens ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission bei der Wiedereinführung endgültiger Antidumpingzölle die Grundsätze des intertemporalen Rechts sowie die nach den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes bestehenden Anforderungen beachten muss. Diese Grundsätze schreiben die Anwendung der in zeitlicher Hinsicht für den fraglichen Sachverhalt geltenden materiell-rechtlichen Vorschriften vor, selbst wenn diese Vorschriften zum Zeitpunkt des Erlasses eines Rechtsakts durch das Unionsorgan nicht mehr in Kraft sind, sofern die Bestimmung, die die Rechtsgrundlage eines Rechtsakts darstellt und das Unionsorgan zu dessen Erlass ermächtigt, zum Zeitpunkt seines Erlasses in Kraft ist. Desgleichen muss das Verfahren zum Erlass dieses Rechtsakts gemäß den Vorschriften durchgeführt werden, die zum Zeitpunkt seines Erlasses in Kraft sind (Urteil vom 14. Juni 2016, Kommission/McBride u. a., C‑361/14 P, EU:C:2016:434, Rn. 40).

83      Wie in Rn. 57 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ermächtigt Art. 13 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 der Verordnung 2016/1036 die Kommission durchaus dazu, nach einer aus behebbaren Gründen erfolgten Nichtig- oder Ungültigerklärung Antidumpingzölle durch den Erlass einer neuen Verordnung „wieder einzuführen“.

84      Wie der Generalanwalt in Nr. 44 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, versteht es sich zwar von selbst, dass eine Ausweitung von Antidumpingzöllen nur möglich ist, wenn sie zuvor rechtmäßig eingeführt wurden, doch bildet nicht der Rechtsakt zu ihrer Einführung die Rechtsgrundlage für ihre Ausweitung, sondern die Verordnung 2016/1036. Ferner wirkt sich der im Verhältnis zur Verordnung Nr. 91/2009 akzessorische Charakter der streitigen Verordnung nur auf deren zeitliche Geltung aus. Denn wie sich aus Rn. 62 des vorliegenden Urteils im Wesentlichen ergibt, kann eine Verordnung zur Ausweitung von Antidumpingzöllen nur einen Zeitraum betreffen, in dem der ursprüngliche Rechtsakt, mit dem dieser Zoll eingeführt wurde, selbst anwendbar ist oder war (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Dezember 2015, APEX, C‑371/14, EU:C:2015:828, Rn. 53 und 54).

85      Folglich stellen im vorliegenden Fall die in der streitigen Verordnung genannten Bestimmungen der Verordnung 2016/1036 – Art. 13 und Art. 14 Abs. 1 – tragfähige Rechtsgrundlagen für die streitige Verordnung dar. Daher hat das Gericht in den Rn. 125 und 128 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerfrei feststellen können, dass die streitige Verordnung auf der Grundlage dieser Bestimmungen und nicht auf der Grundlage der Verordnung Nr. 91/2009 erlassen wurde.

86      Zweitens hat das Gericht entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen nicht den „entscheidenden Punkt übergangen“, als es in Rn. 136 des angefochtenen Urteils Art. 207 AEUV angeführt hat. Das Gericht hat diese Bestimmung des Primärrechts nicht als Rechtsgrundlage der streitigen Verordnung herangezogen, sondern um das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen zum Verstoß gegen den in Art. 5 Abs. 1 und 2 EUV niedergelegten Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung zurückzuweisen. Denn Art. 207 Abs. 2 AEUV ist die Bestimmung des Primärrechts, die den Unionsgesetzgeber zum Erlass von Vorschriften ermächtigt, die der Kommission die Durchführungsbefugnis zum Erlass einer Antiumgehungsverordnung verleihen; davon hat der Unionsgesetzgeber in den Art. 13 und 14 Abs. 1 der Verordnung 2016/1036 Gebrauch gemacht.

87      Drittens kann dem Gericht seine Bezugnahme auf das Urteil vom 17. Dezember 2015, APEX (C‑371/14, EU:C:2015:828), in den Rn. 129 und 134 des angefochtenen Urteils nicht mit der Begründung vorgeworfen werden, dass sich der Gerichtshof darin nicht zu dem Vorbringen geäußert habe, dass eine rechtswidrige Verordnung keine Rechtsgrundlage für die streitige Verordnung sein könne.

88      Zum einen sind nämlich, wie der Generalanwalt in Nr. 57 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Ausführungen des Gerichts zur Würdigung der Rechtsakte der Union anhand der WTO‑Regeln und ‑Entscheidungen frei von Rechtsfehlern. Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, kann die Gültigkeit der Verordnung Nr. 91/2009 nicht anhand der Berichte über die Entscheidungen des SBG vom 28. Juli 2011 und vom 12. Februar 2016 beurteilt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juli 2020, Donex Shipping and Forwarding, C‑104/19, EU:C:2020:539, Rn. 45 bis 48). Zum anderen kann die Aufhebung eines Rechtsakts der Union durch seinen Urheber nicht einer Feststellung der Rechtswidrigkeit dieses Rechtsakts mit Extunc‑Wirkung gleichgestellt werden, da eine solche Aufhebung nur für die Zukunft Wirkung entfaltet.

89      Daher hat das Gericht in Rn. 138 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerfrei befunden, dass die im Anschluss an die Entscheidung des SBG vom 12. Februar 2016 erfolgte Aufhebung ex nunc der mit der Verordnung Nr. 91/2009 eingeführten Antidumpingzölle die Gültigkeit dieser Verordnung nicht berührte.

90      Wie der Gerichtshof in Rn. 54 des Urteils vom 17. Dezember 2015, APEX (C‑371/14, EU:C:2015:828), aber gerade anerkannt hat, ergibt sich aus dem akzessorischen Charakter einer Maßnahme zur Ausweitung eines endgültigen Antidumpingzolls zwar, dass die ausgeweiteten Maßnahmen das Auslaufen der Maßnahmen, die ausgeweitet werden, nicht überdauern können, doch muss der Beschluss zur Einführung Ersterer nicht notwendigerweise vor dem Auslaufen Letzterer ergehen.

91      Folglich ist der sechste Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum siebten Rechtsmittelgrund

 Vorbringen der Parteien

92      Mit ihrem siebten Rechtsmittelgrund, der die Rn. 164 bis 167 des angefochtenen Urteils betrifft, tragen die Rechtsmittelführerinnen vor, das Gericht habe drei Rechtsfehler begangen, indem es befunden habe, dass es zulässig gewesen sei, mit der streitigen Verordnung die Erstattung der von ihnen auf der Grundlage der Durchführungsverordnung Nr. 723/2011 entrichteten Antiumgehungszölle endgültig zu verbieten und die Zollbehörden anzuweisen, bereits erstattete Zölle zurückzufordern. Damit habe das Gericht Art. 13 Abs. 1 der Verordnung 2016/1036, Art. 5 Abs. 1 und 2 EUV sowie den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung falsch ausgelegt und angewandt.

93      Erstens habe das Gericht zu Unrecht befunden, dass das Verbot der Erstattung der zu Unrecht entrichteten Zölle „nur die logische Folge“ der Wiedereinführung der Antiumgehungszölle sei, obwohl nach ständiger Rechtsprechung Entscheidungen über Anträge auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Zölle in die ausschließliche Zuständigkeit der Zollbehörden fielen. Zweitens habe das Gericht die Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach die Kommission befugt sei, den Zollbehörden Anordnungen zu erteilen, falsch ausgelegt. Denn diese Rechtsprechung betreffe den Fall einer Anordnung der Kommission, mit der die Erstattung entrichteter Zölle vorläufig, bis zur Wiedereröffnung eines Antidumpingverfahrens und der Wiedereinführung der Zölle, verboten werde, und nicht das endgültige Verbot der Erstattung. Drittens habe das Gericht zu Unrecht befunden, dass die Kommission die Erstattung der Zölle endgültig verbieten könne, weil der Zweck eines vom Gerichtshof genehmigten vorläufigen Verbots darin bestehe, ein endgültiges Verbot „zu ermöglichen und vorzubereiten“. Endgültige Entscheidungen über die Erstattung fielen aber in die ausschließliche Zuständigkeit der Zollbehörden.

94      Die Kommission trägt vor, der vorliegende Rechtsmittelgrund gehe teils ins Leere und sei teils unbegründet.

 Würdigung durch den Gerichtshof

95      Mit ihrem siebten Rechtsmittelgrund tragen die Rechtsmittelführerinnen im Wesentlichen vor, das Gericht habe unter Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 und 2 EUV rechtsfehlerhaft befunden, dass die streitige Verordnung die Erstattung der durch das Urteil Eurobolt für ungültig erklärten Zölle endgültig verbieten könne.

96      Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die sofortige und vollständige Erstattung der Antidumpingzölle, die von der Ungültigerklärung der Verordnung, mit der sie eingeführt werden, betroffen sind, nicht unter allen Umständen geboten ist. Die Kommission ist unter diesen Umständen befugt, den Zollbehörden Anordnungen zu erteilen, um der Pflicht zur Umsetzung des Urteils nachzukommen, mit dem die Ungültigkeit der Verordnung festgestellt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. März 2018, Deichmann, C‑256/16, EU:C:2018:187, Rn. 59, 60, 70 und 71, sowie vom 19. Juni 2019, C & J Clark International, C‑612/16, EU:C:2019:508, Rn. 48).

97      Zwar betrafen in den Rechtssachen, die der in der vorstehenden Randnummer angeführten Rechtsprechung zugrunde lagen, die in Rede stehenden Anordnungen ein vorübergehendes Verbot der Erstattung und nicht – wie im vorliegenden Fall – ein endgültiges Verbot. Wie das Gericht in Rn. 167 des angefochtenen Urteils zu Recht ausgeführt hat, besteht der Zweck eines vorübergehenden Erstattungsverbots jedoch darin, ein etwaiges endgültiges Verbot für den Fall zu ermöglichen und vorzubereiten, dass nach der Wiederaufnahme der Antiumgehungsuntersuchung die für ungültig erklärten Zölle wieder eingeführt werden. Das Verbot der Erstattung zu Unrecht entrichteter Zölle ist somit nur die logische Folge der Wiedereinführung dieser Zölle am Ende eines fehlerfreien Verfahrens.

98      Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen ist es zwar Sache der Zollbehörden, Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben zu erstatten, doch kann diese Befugnis nach Art. 116 Abs. 1 Unterabs. 1 des Zollkodex nur ausgeübt werden, wenn ein Irrtum der zuständigen Behörden vorliegt oder nachgewiesen ist, dass die ursprünglich mitgeteilte Zollschuld den zu entrichtenden Betrag übersteigt oder die Waren schadhaft waren bzw. den Vertragsbedingungen nicht entsprachen, oder aus Gründen der Billigkeit.

99      Da im vorliegenden Fall die mit der streitigen Verordnung festgesetzten Antidumpingzölle mit denen identisch waren, die in der Durchführungsverordnung Nr. 723/2011 festgesetzt worden waren, fiel das Verbot der Erstattung der zuvor erhobenen Zölle in die Zuständigkeit der Kommission nach Art. 14 Abs. 1 der Verordnung 2016/1036 (vgl. entsprechend Urteil vom 15. März 2018, Deichmann, C‑256/16, EU:C:2018:187, Rn. 57 und 58).

100    Durch die Wiedereinführung der Antidumpingzölle mit der streitigen Verordnung hat die Kommission den Schutz des Wirtschaftszweigs der Union aufrechterhalten, ohne den Rechtsmittelführerinnen eine weiter gehende Pflicht aufzuerlegen als diejenigen, die sich aus der Durchführungsverordnung Nr. 723/2011 ergaben, deren im Urteil Eurobolt festgestellte Rechtswidrigkeit somit behoben wurde (vgl. entsprechend Urteil vom 8. September 2022, Puma u. a./Kommission, C‑507/21 P, EU:C:2022:649, Rn. 68).

101    Infolgedessen ist der siebte Rechtsmittelgrund in vollem Umfang als unbegründet zurückzuweisen.

102    Da keiner der von den Rechtsmittelführerinnen zur Stützung ihres Rechtsmittels vorgetragenen Gründe durchgreift, ist das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.

 Kosten

103    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

104    Da die Rechtsmittelführerinnen mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen entsprechend dem Antrag der Kommission neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Kommission aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2.      Die Eurobolt BV, die Fabory Nederland BV und die ASF Fischer BV tragen neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Europäischen Kommission.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.