Language of document : ECLI:EU:T:2013:61

URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

6. Februar 2013(*)

„Gemeinschaftsmarke – Anmeldung einer Gemeinschaftsbildmarke, die einen achteckigen grünen Rahmen darstellt – Absolutes Eintragungshindernis – Unterscheidungskraft – Beschreibender Charakter – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 – Beweismittel, das erstmals in der Erwiderung benannt wird – Art. 48 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts – Versendung eines Schriftstücks per Fax an das HABM – Anwendbare Bestimmungen“

In der Rechtssache T‑263/11

Carsten Bopp, wohnhaft in Glashütten (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt C. Russ,

Kläger,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), zunächst vertreten durch K. Klüpfel und D. Walicka, dann durch K. Klüpfel und A. Pohlmann als Bevollmächtigte,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 11. März 2011 (Sache R 605/2010‑4) über die Anmeldung eines Bildzeichens, das einen achteckigen grünen Rahmen darstellt, als Gemeinschaftsmarke

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten N. J. Forwood sowie der Richter F. Dehousse und J. Schwarcz (Berichterstatter),

Kanzler: C. Herren, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 23. Mai 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 7. Oktober 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund der am 13. Januar 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Erwiderung,

aufgrund der prozessleitenden Maßnahmen vom 18. Juni 2012,

auf die mündliche Verhandlung vom 26. September 2012

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 27. Januar 2009 meldete der Kläger, Herr Carsten Bopp, nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das folgende Bildzeichen:

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3        Die Anmeldung enthielt folgende Beschreibung der Marke:

„Bei dem Zeichen handelt es sich um einen zweidimensionalen gleichwinkligen achteckigen Rahmen, dessen acht Außenkanten eine Länge von jeweils vier Längeneinheiten aufweisen. Die Innenkanten liegen parallel im Abstand von einer Längeneinheit zu den Außenkanten. Das Zeichen ist so ausgerichtet, dass zwei Außenkanten in der Horizontalen und zwei in der Vertikalen liegen. Die Farbe des gesamten Zeichens ist Grün. Zur dreidimensionalen Darstellung kann das komplette Zeichen mit einer Tiefe von einer Längeneinheit orthogonal zur Zeichenebene versehen werden“. Am 4. Mai 2009 strich der Anmelder den letzten Satz dieser Beschreibung.

4        Die Marke wurde für Dienstleistungen der Klasse 35 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet, die ursprünglich wie folgt beschrieben waren: „Kennzeichnung von Eigenschaften“. Nach Beanstandungen der Prüferin in ihrem Schreiben vom 29. April 2009 fasste der Kläger das Dienstleistungsverzeichnis wie folgt neu: „Werbung und Öffentlichkeitsarbeit in Form von Kundeninformation durch Kennzeichnung von Eigenschaften von Waren und Dienstleistungen“.

5        Mit Entscheidung vom 16. Februar 2010 wies die Prüferin die Anmeldung gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 zurück.

6        Am 15. April 2010 legte der Kläger gegen die Entscheidung der Prüferin beim HABM Beschwerde ein.

7        Mit Schreiben vom 29. November 2010 teilte der Berichterstatter der Beschwerdekammer dem Anmelder mit, es ergäben sich Bedenken gegen die Eintragbarkeit der fraglichen Marke auch insofern, als die „Kennzeichnung von Eigenschaften“ in Wahrheit eine „Beschreibung von Merkmalen“ im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 darstelle. Insbesondere habe der Anmelder nicht klar bestimmt, worin die betreffende Dienstleistung bestehen solle und auf welche Waren oder Dienstleistungen sie anwendbar sein solle. Nachdem der Berichterstatter darauf hingewiesen hatte, dass es Sache des Anmelders einer Marke sei, klar darzulegen, welche Waren und Dienstleistungen von der betreffenden Marke umfasst seien und inwieweit diese Marke als Herkunftsangabe geeignet sei, forderte er den Kläger auf, innerhalb von zwei Monaten seine Stellungnahme zu diesem Schreiben abzugeben.

8        Mit Entscheidung vom 11. März 2011 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück.

9        Zur Begründung ihrer Entscheidung wies die Beschwerdekammer zunächst darauf hin, dass der Kläger auf das Schreiben vom 29. November 2010 nicht geantwortet habe, und führte dann weiter aus, dass das vom Anmelder vorgelegte Dienstleistungsverzeichnis keine konkrete Prüfung der Anmeldung im Hinblick auf die genannten Dienstleistungen erlaube und damit auch nicht den Erlass einer Entscheidung, die gewährleiste, dass die darin bezeichneten Tätigkeiten durch die angemeldete Wiedergabe in herkunftshinweisender Form unterstützt werden könnten. Der Kläger sei nicht in der Lage gewesen, anzugeben, wie er das Zeichen in markenmäßiger Form verwenden wolle und worin die beanspruchte „Kennzeichnung von Eigenschaften“ bestehen solle.

10      Das rechtfertige auch die Annahme, dass der Anmelder das angemeldete Zeichen nur etiketten- oder blickfangartig zur Hervorhebung anderer, nach dem Warenverzeichnis beschreibender Texte und Angaben und nicht für sich genommen als Hinweis auf sein Unternehmen verwenden wolle. Die angemeldete achteckige Form sei eine einfache geometrische Form, die übrigens für Etiketten üblich sei. Der Kläger selbst bezeichne die Wiedergabe in der Beschreibung als „Rahmen“, in den dann also noch etwas anderes hineingehöre. Die für den äußeren Rahmen verwendete Farbe Grün sei außerdem eine übliche Grundfarbe, die als Hinweis auf Umweltfreundlichkeit dienen könne und in der Werbung entsprechende positive Assoziationen auslöse. Auch die Verwendung von Grün für den Rahmen des Achtecks schaffe keine irgendwie über die Summe dieser einfachsten Gestaltungsmittel hinausgehende Kombinationswirkung. Dies gelte ohne Unterschied für alle Dienstleistungen, die in Klasse 35 eingruppiert werden könnten, zumal für die Tätigkeit im Bereich der Werbung klar sei, dass das bloße Wecken von Aufmerksamkeit der erstrebte Effekt einer Werbung sei und für sich genommen keine herkunftsbezogene Wirkung habe.

11      Zudem könnten die vom Kläger zitierten Eintragungen in angeblich vergleichbaren anderen Fällen keine Bindungswirkung entfalten. Schließlich werde mit dem Gegenstand der Anmeldung auch bezweckt, Eigenschaften von Waren und Dienstleistungen zu beschreiben. Insoweit deckten sich die Eintragungshindernisse nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung Nr. 207/2009, weshalb einer Marke wie der angemeldeten aus Rechtsgründen jede Unterscheidungskraft fehle.

 Anträge der Parteien

12      Der Kläger beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

13      Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

14      Der Kläger stützt seine Klage im Wesentlichen auf zwei Klagegründe, mit denen er einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung Nr. 207/2009 rügt.

15      Zunächst macht er geltend, es scheine, obwohl er innerhalb der vorgegebenen Frist per Fax eine Antwort auf das Schreiben vom 29. November 2010 versandt habe, dass diese Antwort der Beschwerdekammer zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung nicht vorgelegen habe. Er legt auch die Sendedetails und ein Dokument vor, mit dem die Versendung und der Empfang des Faxschreibens bestätigt würden.

16      Des Weiteren vertritt er im Wesentlichen die Auffassung, dass die Anmeldemarke unterscheidungskräftig und das in Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehene Eintragungshindernis im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei.

17      Insbesondere weist er das Argument der Beschwerdekammer zurück, wonach die beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine Prognoseentscheidung dahin zuließen, dass die darin bezeichneten „Tätigkeiten“ durch die angemeldete Wiedergabe in herkunftshinweisender Form unterstützt werden könnten.

18      Schließlich habe die Eintragung von mit der angemeldeten Marke vergleichbaren Marken, darunter ein blaues Dreieck und ein schwarzer Kreis mit einem Punkt in der Mitte, eine Indizwirkung für die Eintragungsfähigkeit seiner Anmeldung.

19      Das HABM macht vorab geltend, die Beschwerdekammer habe die Anmeldung nicht nur wegen Unklarheiten im Warenverzeichnis zurückgewiesen, sondern trotz ihrer Zweifel eine Prüfung hinsichtlich der gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 notwendigen Unterscheidungskraft vorgenommen.

20      In der Sache weist das HABM zunächst darauf hin, dass nach der Rechtsprechung ein Zeichen, das äußerst einfach sei und aus einer geometrischen Grundfigur wie einem Kreis, einer Linie, einem Rechteck oder einem üblichen Fünfeck bestehe, als solches nicht geeignet sei, eine Aussage zu vermitteln, an die sich die Verbraucher erinnern könnten, so dass sie es nicht als Marke ansehen würden, sofern es nicht durch Benutzung Unterscheidungskraft erlangt habe (Urteile des Gerichts vom 12. September 2007, Cain Cellars/HABM [Darstellung eines Pentagons], T‑304/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 22, und vom 29. September 2009, The Smiley Company/HABM [Darstellung eines halben Smileys], T‑139/08, Slg. 2009, II‑3535, Randnr. 26). Solche einfachen geometrischen Figuren seien in der Regel nicht geeignet, auf die betriebliche Herkunft von Waren und Dienstleistungen hinzuweisen.

21      Daher könne die Darstellung eines Achtecks nur dann eine Kennzeichnungsfunktion erfüllen, wenn sie Bestandteile enthalte, die geeignet seien, sie von anderen Achteck-Darstellungen zu unterscheiden und die Aufmerksamkeit der maßgeblichen Verkehrskreise insoweit auf sich zu ziehen. Die angemeldete Marke bestehe aber aus einer üblichen und einfachen Wiedergabe eines Achtecks, das lediglich mit dicken Linien gezeichnet sei.

22      Das HABM schließt sich dem Argument der Beschwerdekammer an, wonach das angemeldete Zeichen in der Form eines Rahmens als Hintergrund für die Aufnahme von Texten dienen könne, und verweist hierfür auf die Darstellung eines Stoppschilds. Folglich habe das Vorliegen oder das Fehlen einer Farbe innerhalb des genannten Rahmens keine Auswirkungen auf diese Beurteilung.

23      Was die Komponente der Farbe anbelangt, weist das HABM sodann im Wesentlichen darauf hin, dass die angesprochenen Verbraucher grundsätzlich nicht daran gewöhnt seien, allein aus der Farbe auf die betriebliche Herkunft von Waren und Dienstleistungen zu schließen, da Farben zwar gedankliche Verbindungen vermitteln und Gefühle hervorrufen könnten, aber – mit wenigen Ausnahmen – ihrer Natur nach kaum geeignet seien, eindeutige Informationen zu übermitteln. Hier habe die in Rede stehende Marke einfach keine Farbe, die eine solche gedankliche Verbindung vermitteln oder Gefühle hervorrufen könnte. Es handle sich bloß um in Form gebrachte Farbe, die weder ungewöhnlich noch außergewöhnlich sei.

24      Was die genaue Bestimmung der von der angemeldeten Marke erfassten Dienstleistungen sowie die näheren Ausführungen zur Benutzung der Marke als Gütesiegel angehe, so habe der Kläger nicht fristgerecht auf die Stellungnahme des Berichterstatters der Beschwerdekammer reagiert. Letztere habe somit keine andere Wahl gehabt, als die Eintragung der Marke abzulehnen. Daher seien die Ausführungen hierzu in der Klageschrift erstmals vor dem Gericht vorgetragen worden und damit verspätet. Sie seien auch unbegründet, da sie sich zum einen in keinem Fall auf einen spezifischen Markt bezögen, in dem die Verwendung der Farbe Grün außergewöhnlich wäre, und zum anderen, selbst wenn „Zertifizierungsmarken“ in dem durch die Verordnung Nr. 207/2009 geschaffenen System existierten, was das HABM bestreitet, diese keine Herkunftsfunktion hätten.

25      Folglich habe die Beschwerdekammer zu Recht ausgeführt, dass die angemeldete Marke in ihrer Gesamtheit keine Unterscheidungskraft in Bezug auf die Dienstleistungen der Klasse 35 aufweise.

26      Was sodann das vom Kläger vorgelegte Dokument angehe, mit dem er nachweisen wolle, dass seine Antwort auf die Stellungnahme des Berichterstatters der Beschwerdekammer fristgerecht versendet und empfangen worden sei, so sei dieses Dokument unzulässig, da es erstmals im Stadium der Erwiderung vorgelegt worden sei.

27      Jedenfalls sei das streitige Fax nicht an die Faxnummer gesandt worden, die auf der Internetseite des HABM zu diesem Zweck angegeben sei und die auch in den im Begleitschreiben vom 29. November 2010 enthaltenen Kontaktdaten angegeben sei, sondern an eine andere Nummer des HABM. Daher sei das Fax vom 28. Januar 2011 zu Recht nicht berücksichtigt worden. Diese Schlussfolgerung ergebe sich auch aus Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 216/96 der Kommission vom 5. Februar 1996 über die Verfahrensordnung vor den Beschwerdekammern des [HABM] (ABl. L 28, S. 11) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2082/2004 der Kommission vom 6. Dezember 2004 (ABl. L 360, S. 8) geänderten Fassung, wonach der Empfang aller die Verfahren vor den Beschwerdekammern betreffenden Dokumente sowie die Zusammenstellung der entsprechenden Akten Aufgabe der Geschäftsstelle der Beschwerdekammern sei.

28      Was schließlich die Rüge des Klägers betreffe, das HABM habe mit dem angemeldeten Zeichen vergleichbare Zeichen eingetragen, habe sich ergeben, dass – im Gegensatz zu dem, was möglicherweise früher der Fall gewesen sei – der vorliegenden Anmeldung unter Berücksichtigung der Waren, für die die Eintragung beantragt worden sei, und der Wahrnehmung durch die beteiligten Verkehrskreise eines der in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 aufgeführten Eintragungshindernisse entgegengestanden habe. Unter diesen Umständen habe die Beschwerdekammer zu Recht feststellen können, dass der Kläger frühere Entscheidungen des HABM nicht mit Erfolg geltend machen könne, um dieses Ergebnis in Frage zu stellen (Urteil des Gerichtshofs vom 10. März 2011, Agencja Wydawnicza Technopol/HABM, C‑51/10 P, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 77).

29      Erstens sind die Zulässigkeit und die Beweiskraft des in der Anlage A 5 wiedergegebenen Dokuments zu prüfen, aus dem sich nach Auffassung des Klägers ergibt, dass er das Schreiben vom 29. November 2010 fristgerecht beantwortet habe.

30      Das HABM hält dieses Dokument für unzulässig, da es im Stadium der Erwiderung vorgelegt worden sei.

31      Hierzu sieht Art. 48 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts vor, dass die Parteien in der Erwiderung oder in der Gegenerwiderung noch Beweismittel benennen können und dass sie die Verspätung zu begründen haben. Aus dem Urteil des Gerichts vom 4. Juli 2006, easyJet/Kommission (T‑177/04, Slg. 2006, II‑1931, Randnrn. 24 bis 26), ergibt sich, dass diese Begründung auf Aufforderung des Gerichts sogar noch in der mündlichen Verhandlung erfolgen kann. Daher ist der Kläger im Rahmen prozessleitender Maßnahmen aufgefordert worden, zu erläutern, warum der Sendebericht nicht mit der Klageschrift eingereicht wurde.

32      Der Kläger macht in den Randnrn. 2 bis 7 seiner Antwort auf die prozessleitenden Maßnahmen im Wesentlichen geltend, dass er in der Klageschrift bereits alle Details der Übermittlung seines Faxschreibens vom 28. Januar 2011 dargelegt habe und dass er daher davon ausgegangen sei, dass das HABM den Eingang des fraglichen Schreibens aufgrund dieser Informationen prüfen und nicht mehr bestreiten würde. Da das HABM in der Klagebeantwortung seine Behauptung, sein Schreiben vom 29. November 2010 sei nicht beantwortet worden, aufrechterhalten habe, habe der Kläger beantragt, eine Erwiderung einreichen zu dürfen, um diesem Vorbringen den Bericht über die Versendung und den Empfang seiner Antwort vom 28. Januar 2011 entgegenzuhalten. Die Anlage A 5 diene daher nur der Untermauerung des bereits in der Klageschrift vorgetragenen Sachverhalts.

33      Diese Begründung der verspäteten Einreichung des fraglichen Schriftstücks ist im vorliegenden Fall als ausreichend anzusehen.

34      Zum einen hat der Kläger in der Klageschrift in der Tat alle Details dieser Faxübermittlung dargelegt und in der Anlage A 3 seine Antwort auf das Schreiben vom 29. November 2010 vorgelegt. Die Anlage A 5 dient daher tatsächlich nur der Untermauerung des bereits in der Klageschrift vorgetragenen Sachverhalts.

35      Zum anderen kommt nach der Rechtsprechung in Art. 48 § 1 der Verfahrensordnung das Bestreben zum Ausdruck, für die Einhaltung des Gebots eines fairen Verfahrens und insbesondere die Wahrung der Verteidigungsrechte zu sorgen (Urteil des Gerichtshofs vom 14. April 2005, Gaki-Kakouri/Gerichtshof, C‑243/04 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 32). Im konkreten Fall beeinträchtigt die Zulassung dieses Beweismittels jedoch den fairen Charakter des Verfahrens vor dem Gericht ebenso wenig wie die Verteidigungsrechte des HABM. Es steht nämlich fest, dass die Antwort auf das Schreiben vom 29. November 2010, auf die sich das fragliche Beweisangebot bezieht, sowohl dem Fax vom 23. März 2011, mit dem der Kläger das HABM aufgefordert hatte, die angefochtene Entscheidung zu überdenken, als auch der Klageschrift als Anlage beigefügt war. Da der Kläger in beiden Fällen auch auf die Details der Versendung und des Empfangs seines Fax vom 28. Januar 2011 hingewiesen hat, hätte das HABM den Empfang dieses Dokuments anhand der genannten Informationen überprüfen können.

36      Im Übrigen hat das Gericht die Einreichung einer Erwiderung nur zugelassen, um darüber Aufschluss zu erhalten, ob die streitige Versendung tatsächlich erfolgt ist.

37      Daher ist die Einrede der Unzulässigkeit, die sich auf die Anlage A 5 bezieht, zurückzuweisen.

38      Das HABM meint zudem, dass es, selbst wenn nachgewiesen wäre, dass die Antwort des Klägers auf das Schreiben vom 29. November 2010 fristgerecht bei ihm eingegangen sei, berechtigt gewesen sei, diese Antwort nicht zu berücksichtigen, da sie per Fax an eine andere als die speziell zu diesem Zweck angegebene Nummer gesandt worden sei.

39      Dem kann nicht gefolgt werden.

40      Zum einen hat das HABM in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass, auch wenn die speziell für die Übermittlung von Verfahrensschriftstücken bestimmte Faxnummer sowohl auf der Internetseite des HABM als auch in den Kontaktdaten in der Fußzeile des Begleitschreibens zum Schreiben vom 29. November 2010 angegeben gewesen sei, der Kläger hinsichtlich der Faxnummer, an die seine Antwort hätte gesendet werden müssen, habe irregeführt werden können. Das Schreiben vom 29. November 2010 war ihm nämlich vom Präsidenten der Vierten Beschwerdekammer, der selbst Berichterstatter in der fraglichen Sache war, übersandt worden und enthielt in den Kontaktdaten in der Fußzeile eine andere als die allgemein angegebene Nummer.

41      Daher durfte der Kläger im vorliegenden Fall davon ausgehen, dass er seine Antwort nicht an letztere Nummer, sondern an diejenige senden durfte oder sogar musste, die im Hauptschreiben vom 29. November 2010, das vom Präsidenten der mit der Sache befassten Beschwerdekammer stammte, angegeben war.

42      Zum anderen müsste, damit eine Instanz des HABM wie die betreffende Beschwerdekammer ein Fax, das direkt an sie und nicht an die speziell zu diesem Zweck angegebene Nummer zugegangen ist, nicht zu berücksichtigen brauchte, eine entsprechende Regel ausdrücklich vorgesehen sein. Das HABM hat in der mündlichen Verhandlung jedoch eingeräumt, dass es eine solche Regel nicht gibt. Nach seiner Ansicht ergibt sie sich jedoch stillschweigend aus Art. 5 Abs. 1 der Verfahrensordnung vor den Beschwerdekammern des HABM, wonach der Empfang der Verfahrensschriftstücke Aufgabe der Geschäftsstelle der Beschwerdekammern sei. Diese Bestimmung sagt aber nichts über die Zulässigkeit eines Faxschreibens, das dem HABM unter Umständen wie denen des vorliegenden Falls übermittelt wurde. Außerdem ergibt sich aus dem sechsten Erwägungsgrund der genannten Verfahrensordnung, dass diese die in der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 (ABl. L 303, S. 1) enthaltenen Durchführungsvorschriften insbesondere im Hinblick auf die Organisation der Beschwerdekammern und das mündliche Verfahren ergänzt. Da das schriftliche Verfahren vor den Beschwerdekammern des HABM grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich dieser Verfahrensordnung fällt, ergibt sich nicht, dass mit ihr eine Regel zum Umgang mit Faxschreiben eingeführt werden sollte, die unter einer anderen als der ausdrücklich angegebenen Nummer eingehen.

43      Dass es keine zwingende Regel gibt, die – auch nur stillschweigend – die Unzulässigkeit von Verfahrensschriftstücken, die an eine andere als die zu diesem Zweck speziell angegebene Nummer gesandt wurden, vorsieht, ergibt sich außerdem aus der Antwort des HABM auf eine Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung zur Vorgehensweise des HABM bei Eingang eines Schriftstücks an eine falsche Nummer. Nach Aussage des HABM wird ein solches Schriftstück normalerweise informell an die zuständige Dienststelle weitergeleitet.

44      Was die – im Übrigen nicht bestrittene – Beweiskraft des als Anlage A 5 vorgelegten Dokuments betrifft, wird die Behauptung des Klägers, er habe das Schreiben vom 29. November 2010 fristgerecht beantwortet, durch dieses Dokument rechtlich hinreichend nachgewiesen. Das Versendungsdatum des genannten Dokuments ist der 28. Januar 2011, die Faxnummer des Empfängers ist die im Hauptschreiben vom 29. November 2010 angegebene, es wurden drei Seiten gesendet, was der Seitenzahl der Anlage A 3 entspricht, die erste Seite der darin wiedergegebenen Antwort entspricht ebenfalls der ersten Seite des als Anlage A 3 vorgelegten Dokuments, und als Ergebnis der Übermittlung ist „OK“ angegeben.

45      Daraus folgt, dass das Fax vom 28. Januar 2011, das die Antwort des Klägers auf das Schreiben vom 29. November 2010 enthielt, durchaus beim HABM eingegangen ist und bei der Beurteilung, ob die Anmeldemarke Unterscheidungskraft besitzt oder beschreibend ist, hätte berücksichtigt werden müssen.

46      Zweitens heißt es in Randnr. 24 der angefochtenen Entscheidung, der Eintragung der angemeldeten Marke stehe das Eintragungshindernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 entgegen. Aus Randnr. 23 dieser Entscheidung geht jedoch hervor, dass „der Gegenstand der Anmeldung auch darauf abzielt, Eigenschaften von Waren und Dienstleistungen zu beschreiben“, was dem Eintragungshindernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst. c dieser Verordnung entspricht. Hierzu hat die Beschwerdekammer ausgeführt, dass einer beschreibenden Marke auch die Unterscheidungskraft fehle. Unter diesen Umständen kann entgegen dem Vorbringen des HABM nicht davon ausgegangen werden, dass die Eintragung mit der angefochtenen Entscheidung nur gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 abgelehnt wurde. Die Eintragung wurde auch auf der Grundlage des Art. 7 Abs. 1 Buchst. c dieser Verordnung abgelehnt.

47      Aus den Randnrn. 11, 17, 18 und 24 der angefochtenen Entscheidung ergibt sich, dass sich die Beschwerdekammer, obwohl sie mit Schreiben vom 29. November 2010 um genauere Angaben hierzu gebeten hatte, zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung weder als darüber unterrichtet ansah, welche Dienstleistungen genau von der Anmeldemarke erfasst sein sollten, noch darüber, wie diese Marke verwendet werden sollte, da der Kläger hierzu nicht innerhalb der gesetzten Frist Stellung genommen habe. Insbesondere hat sie in Randnr. 17 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass „[d]ie Fassung des Warenverzeichnisses, für die allein der Anmelder verantwortlich ist, ... keine konkrete Prüfung im Hinblick auf bestimmte Dienstleistungen [erlaubt]“.

48      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Unterscheidungskraft einer Marke zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf ihre Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen ist (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 21. Januar 2010, Audi/HABM, C‑398/08 P, Slg. 2010, I‑535, Randnr. 34; Urteil Darstellung eines Pentagons, oben in Randnr. 20 angeführt, Randnrn. 20 f.). Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung muss sich die Prüfung des beschreibenden Charakters der angemeldeten Marke auf jede der Waren und Dienstleistungen beziehen und muss die Entscheidung, mit der die zuständige Behörde die Anmeldung einer Marke zurückweist, grundsätzlich für jede dieser Waren oder dieser Dienstleistungen begründet sein (vgl. Beschluss des Gerichtshofs vom 21. März 2012, Fidelio/HABM, C‑87/11 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung, und Urteil des Gerichts vom 5. Mai 2011, CheapFlights International/HABM – Cheapflights [Cheapflights], T‑460/09, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 41).

49      Obwohl der Kläger im vorliegenden Fall in seinem fristgerecht beim HABM eingegangenen Fax präzisiert hatte, welche Dienstleistungen von der Anmeldemarke erfasst sein sollten – nämlich im Wesentlichen Werbung und Öffentlichkeitsarbeit in Form eines Qualitätssiegels für Waren und Dienstleistungen anderer Hersteller oder Dienstleister – und wie diese Marke verwendet werden sollte – nämlich zur Kennzeichnung seiner eigenen Dienstleistungen der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit, nicht aber der Waren und Dienstleistungen, die Gegenstand der Dienstleistungen sind, die er anbieten will –, hat die Beschwerdekammer dieses Fax beim Erlass der angefochtenen Entscheidung nicht berücksichtigt. Da zum einen die in diesem Schreiben enthaltenen Informationen zum besseren Verständnis sowohl der Bezeichnung der angemeldeten Dienstleistungen als auch der beabsichtigten Verwendung der Anmeldemarke beitragen konnten und Letztere möglicherweise das Verständnis der Bezeichnung der beanspruchten Dienstleistungen erleichtert und da zum anderen dieses Verständnis für die Beurteilung, ob eine Anmeldemarke Unterscheidungskraft besitzt oder beschreibend ist, entscheidend war, hat die Beschwerdekammer Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung Nr. 207/2009 fehlerhaft angewandt. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass die Berücksichtigung dieses Schreibens die Beschwerdekammer möglicherweise veranlasst hätte, anders zu entscheiden (vgl. entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 29. Oktober 1980, van Landewyck u. a./Kommission, 209/78 bis 215/78 und 218/78, Slg. 1980, 3125, Randnr. 47).

50      Drittens wird diese Schlussfolgerung nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Beschwerdekammer in Randnr. 19 der angefochtenen Entscheidung auf alle Dienstleistungen der Klasse 35, u. a. Werbung, und in Randnr. 24 dieser Entscheidung auf das mit den Dienstleistungen der Klasse 35 angesprochene Publikum Bezug genommen hat.

51      Unter den Umständen des vorliegenden Falls, in dem zum einen die Beschwerdekammer zum Ausdruck brachte, dass sie zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung weder darüber, welche Dienstleistungen genau von der Anmeldemarke erfasst sein sollten, noch darüber, wie diese Marke verwendet werden sollte, ins Bild gesetzt worden sei, und zum anderen die Antwort des Klägers auf das Schreiben vom 29. November 2010 fristgerecht beim HABM eingegangen war, konnte nämlich die Beschwerdekammer ihren Mangel an Informationen nicht dadurch wettmachen, dass sie die Beurteilung, ob die Anmeldemarke Unterscheidungskraft besitzt oder beschreibend ist, am Maßstab aller Dienstleistungen der Klasse 35, u. a. Werbung, in einer abstrakten Betrachtungsweise vornahm, ohne die Besonderheiten der von der Anmeldemarke erfassten Dienstleistungen zu berücksichtigen.

52      Eine derartige Beurteilung widerspricht nämlich dem oben in Randnr. 48 genannten Grundsatz, wonach die Unterscheidungskraft und der beschreibende Charakter einer Marke konkret im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, zu beurteilen sind.

53      Die Klagegründe, die der Kläger aus einem Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b bzw. c der Verordnung hergeleitet hat, greifen daher durch.

54      Nach alledem ist der Klage stattzugeben und die angefochtene Entscheidung aufzuheben.

 Kosten

55      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das HABM unterlegen ist, sind ihm außer seinen eigenen Kosten gemäß dem Antrag des Klägers dessen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 11. März 2011 (Sache R 605/2010-4) wird aufgehoben.

2.      Das HABM trägt die Kosten.

Forwood

Dehousse

Schwarcz

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 6. Februar 2013.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.