Language of document : ECLI:EU:T:2014:127

URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)

14. März 2014(*)

„Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Auskunftsbeschluss – Erforderlichkeit der verlangten Auskünfte – Begründungspflicht – Verhältnismäßigkeit“

In der Rechtssache T‑293/11

Holcim (Deutschland) AG mit Sitz in Hamburg (Deutschland),

Holcim Ltd mit Sitz in Zürich (Schweiz),

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte P. Niggemann und K. Gaßner,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch M. Kellerbauer, R. Sauer und C. Hödlmayr als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt A. Böhlke,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung des Beschlusses K(2011) 2363 endgültig der Kommission vom 30. März 2011 in einem Verfahren nach Artikel 18 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates (Sache 39520 – Zement und verwandte Produkte)

erlässt

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Dittrich, der Richterin I. Wiszniewska-Białecka und des Richters M. Prek (Berichterstatter),

Kanzler: K. Andová, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. April 2013

folgendes

Urteil

 Sachverhalt und Verfahren

1        Die Klägerinnen im vorliegenden Verfahren sind die Holcim Ltd (im Folgenden: Holcim) mit Sitz in der Schweiz und ihre Tochtergesellschaft in Deutschland, die Holcim (Deutschland) AG.

2        Im November 2008 und im September 2009 führte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 20 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101 AEUV] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) mehrere Nachprüfungen in den Räumlichkeiten von Gesellschaften der Zementbranche durch, u. a. in den Räumlichkeiten der Tochtergesellschaften von Holcim in Belgien, in Frankreich und im Vereinigten Königreich sowie von Holcim (Deutschland).

3        Im Anschluss an diese Nachprüfungen wurden Auskunftsverlangen nach Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 versandt. Am 30. September 2009 ergingen Auskunftsverlangen an die Tochtergesellschaften von Holcim in Belgien, in Frankreich und im Vereinigten Königreich sowie an Holcim (Deutschland). Der erste Fragebogen betraf die bei den Nachprüfungen beschlagnahmten Dokumente. Im zweiten der diesen Auskunftsverlangen beigefügten Fragebögen richtete die Kommission eine erste Liste von 57 Fragen an die Tochtergesellschaften von Holcim (im Folgenden: ursprüngliche Fragen).

4        Am 19. Februar 2010 richtete die Kommission ein weiteres Auskunftsverlangen an Holcim (Deutschland). Darin bat sie um Klarstellungen und ergänzende Informationen in Bezug auf die zuvor von den „Holcim-Gruppengesellschaften“ gegebenen Antworten. Holcim beantwortete dieses Auskunftsverlangen am 9. und am 29. März 2010.

5        Am 26. April 2010 richtete die Kommission ein erneutes Auskunftsverlangen an Holcim (Deutschland). Es bezog sich ebenfalls auf die früheren von den „Holcim-Gruppengesellschaften“ gegebenen Antworten. Holcim antwortete hierauf am 10. Mai 2010.

6        Mit Schreiben vom 9. November 2010 unterrichtete die Kommission die Tochtergesellschaften von Holcim in Belgien, in Frankreich und im Vereinigten Königreich sowie Holcim (Deutschland) von ihrer Absicht, einen Auskunftsbeschluss nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 an sie zu richten, und übermittelte ihnen den Entwurf eines Fragebogens, den sie diesem Beschluss beizufügen gedachte.

7        Mit Schreiben vom 17. November 2010, vom 8. Dezember 2010 und vom 11. Februar 2011 nahm Holcim (Deutschland) zu diesem Fragebogenentwurf im Namen aller betroffenen Gesellschaften Stellung.

8        Am 25. November 2010 und am 3. Februar 2011 richtete die Kommission zwei Auskunftsverlangen an die spanische Tochtergesellschaft von Holcim. Sie wurden von dieser Gesellschaft beantwortet.

9        Am 6. Dezember 2010 teilte die Kommission Holcim mit, dass sie beschlossen habe, gegen sie und sieben weitere in der Zementbranche tätige Unternehmen ein Verfahren nach Art. 11 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 wegen mutmaßlicher Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV einzuleiten, bei denen es sich um die „Beschränkung des Handelsverkehrs im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), einschließlich der Beschränkung von Einfuhren in den EWR [aus] Länder[n] außerhalb des EWR, um Marktaufteilung, um Preisabsprachen und [um] andere verbundene wettbewerbswidrige Praktiken in den Märkten für Zement und verwandte Produkte“ handele (im Folgenden: Beschluss über die Einleitung des Verfahrens).

10      Am 14. Februar 2011 richtete die Kommission an eine weitere Tochtergesellschaft von Holcim, die Holcim Trading SA, ein Auskunftsverlangen. Es wurde von dieser Gesellschaft beantwortet.

11      Am 30. März 2011 erließ die Kommission den Beschluss K(2011) 2363 endgültig in einem Verfahren nach Artikel 18 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1/2003 (Sache 39520 – Zement und verwandte Produkte) (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

12      Im angefochtenen Beschluss wies die Kommission darauf hin, dass sie nach Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 zur Erfüllung der ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben durch einfaches Auskunftsverlangen oder durch Beschluss von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen verlangen könne, alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen (dritter Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Im Anschluss an den Hinweis, dass Holcim von der Absicht der Kommission, einen Beschluss nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 zu erlassen, in Kenntnis gesetzt worden sei und zu einem Fragebogenentwurf Stellung genommen habe (Erwägungsgründe 4 und 5 des angefochtenen Beschlusses), ersuchte die Kommission Holcim sowie ihre in der Europäischen Union ansässigen und von ihr direkt oder indirekt kontrollierten Tochtergesellschaften per Beschluss, den 94 Seiten umfassenden und aus elf Fragengruppen bestehenden Fragebogen in Anhang I zu beantworten (sechster Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

13      Die Kommission wies ferner auf die oben in Rn. 9 wiedergegebene Beschreibung der mutmaßlichen Zuwiderhandlungen hin (zweiter Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

14      Unter Verweis auf Art und Umfang der verlangten Auskünfte sowie auf die Schwere der mutmaßlichen Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln erachtete es die Kommission für angemessen, Holcim eine Frist von zwölf Wochen für die Beantwortung der ersten zehn Fragengruppen und von zwei Wochen für die Beantwortung der elften, „Kontakte und Sitzungen“ betreffenden Fragengruppe zu gewähren (achter Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

15      Art. 1 des verfügenden Teils des angefochtenen Beschlusses lautet:

„Holcim Ltd. (einschließlich ihrer Tochtergesellschaften in der EU, die direkt oder indirekt von ihr kontrolliert werden) muss die in Anhang I dieses Beschlusses beschriebenen Informationen in der in Anhang II und Anhang III dieses Beschlusses verlangten Form innerhalb von zwölf Wochen bezüglich der Fragen 1 bis 10 [u]nd innerhalb von zwei Wochen bezüglich Frage 11 nach Bekanntgabe dieses Beschlusses vorlegen. Alle Anhänge sind Bestandteil dieses Beschlusses.“

16      In Art. 2 des verfügenden Teils des angefochtenen Beschlusses heißt es: „Dieser Beschluss ist an Holcim Ltd. (einschließlich ihrer Tochtergesellschaften in der EU, die direkt oder indirekt von ihr kontrolliert werden) gerichtet …“ Als Zustelladresse ist dort die Anschrift von Holcim (Deutschland) angegeben.

17      Auf einen entsprechenden Antrag legte die Kommission am 4. April 2011 eine englische Übersetzung des angefochtenen Beschlusses vor, wobei sie betonte, dass allein die deutsche Fassung verbindlich sei. Am 3. Mai 2011 bestätigte die Kommission, dass die englische Fassung ebenfalls verbindlich sei.

18      Am 18. April und am 31. Mai 2011 wurde der Kommission die Antwort auf die elfte Fragengruppe übermittelt.

19      Am 1. Juni 2011 wurde eine Verlängerung der Frist für die Beantwortung der ersten zehn Fragengruppen um 16 Wochen, d. h. bis zum 17. Oktober 2011, beantragt. Mit Schreiben vom 7. Juni 2011 lehnte die Kommission diesen Antrag ab, stellte jedoch in Aussicht, dass eine begrenzte Verlängerung auf der Grundlage eines begründeten Antrags in Bezug auf die betreffenden Fragen eventuell möglich sei.

20      Mit Klageschrift, die am 9. Juni 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen die vorliegende Klage auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses erhoben.

21      Mit besonderem Schriftsatz, der am 21. Juni 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, mit dem sie den Präsidenten des Gerichts ersucht haben, den Vollzug des angefochtenen Beschlusses auszusetzen.

22      Am selben Tag erneuerte Holcim (Deutschland) ihren Antrag auf Verlängerung der Beantwortungsfrist bis zum 17. Oktober 2011.

23      Mit Schreiben vom 27. Juni 2011 unterrichtete die Kommission Holcim darüber, dass die Frist für die Beantwortung der ersten zehn Fragengruppen um fünf Wochen, d. h. bis zum 2. August 2011, verlängert werde. Es wurde an die Anschrift von Holcim (Deutschland) zugestellt.

24      Der Präsident des Gerichts hat den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit Beschluss vom 29. Juli 2011, Holcim (Deutschland) und Holcim/Kommission (T‑293/11 R, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), zurückgewiesen.

25      Die Antwort auf die ersten zehn Fragengruppen wurde am 2. August 2011 übermittelt, jedoch unter dem Vorbehalt, dass die vorgelegten Daten und Informationen nicht für die weiteren Ermittlungen der Kommission geeignet seien, da sie nur begrenzt validiert worden seien.

26      Das Gericht (Siebte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

27      Die Parteien haben in der Sitzung vom 24. April 2013 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

 Anträge der Parteien

28      Die Klägerinnen beantragen,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

29      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

30      Die Klägerinnen stützen ihre Klage auf acht Gründe, mit denen sie erstens die Unwirksamkeit der Zustellung des angefochtenen Beschlusses, zweitens die Kürze der Antwortfrist, drittens die für die angeforderten Auskünfte vorgegebene Form, viertens die unzureichende Begründung des angefochtenen Beschlusses, fünftens den Umstand, dass statt eines einfachen Auskunftsverlangens ein Auskunftsbeschluss ergangen ist, sechstens die fehlende Präzisierung der angeforderten Auskünfte, siebtens einen Verstoß gegen den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und achtens die fehlende Zuständigkeit der Kommission für die Anforderung von Auskünften über die tschechische Tochtergesellschaft für die Zeit vor dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union rügen.

 Zum ersten Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, dass der angefochtene Beschluss nicht wirksam zugestellt worden sei

31      Die Klägerinnen sind der Ansicht, der angefochtene Beschluss sei nicht wirksam zugestellt worden, weil er an Holcim gerichtet, aber Holcim (Deutschland) übermittelt worden sei, ohne dass diese vertretungsbefugt gewesen sei. Dass die Tochtergesellschaften von Holcim auf Verlangen der Kommission am 26. November 2010 Holcim (Deutschland) zur Entgegennahme des angefochtenen Beschlusses in englischer Sprache mit Wirkung ihnen gegenüber bevollmächtigt hätten, bedeute nicht, dass Holcim selbst eine solche Vollmacht erteilt habe. Außerdem sei der angefochtene Beschluss in deutscher Sprache bekannt gegeben worden, obwohl die Arbeitssprache innerhalb der Holcim-Gruppengesellschaften Englisch sei. In ihrer Erwiderung tragen sie vor, durch die Vorgehensweise der Kommission, die darin bestanden habe, zunächst nur eine deutsche Fassung des angefochtenen Beschlusses zu übersenden, sich dann zur Übermittlung einer als unverbindlich bezeichneten englischen Sprachfassung bereit zu erklären und schließlich anzugeben, dass es sich dabei um eine verbindliche Fassung handele, sei ihnen ein erheblicher Mehraufwand entstanden.

32      Die Kommission hält diesen Klagegrund für nicht stichhaltig, da der angefochtene Beschluss Holcim zugegangen sei und diese die Möglichkeit zur Kenntnisnahme gehabt habe. Die Kommission sei berechtigt gewesen, Holcim eine Fassung des angefochtenen Beschlusses in deutscher Sprache zu übermitteln, und ihr sei auch eine englische Fassung übermittelt worden.

33      Nach Art. 297 Abs. 2 Unterabs. 3 AEUV werden „die Beschlüsse, die an einen bestimmten Adressaten gerichtet sind, … denjenigen, für die sie bestimmt sind, bekannt gegeben und durch diese Bekanntgabe wirksam“.

34      Im vorliegenden Fall ist zwischen den Parteien unstreitig und dem angefochtenen Beschluss zu entnehmen, dass er an Holcim gerichtet ist, aber ihrer Tochtergesellschaft Holcim (Deutschland) bekannt gegeben wurde. Ebenfalls unstreitig ist jedoch, dass Holcim Kenntnis vom Inhalt des angefochtenen Beschlusses hatte und von ihrem Recht auf Klageerhebung innerhalb der Frist des Art. 263 Abs. 6 AEUV Gebrauch gemacht hat.

35      Diese Rüge ist daher jedenfalls als ins Leere gehend zurückzuweisen. Nach der Rechtsprechung berühren nämlich Unregelmäßigkeiten bei der Zustellung eines Beschlusses den Beschluss selbst nicht und vermögen daher auch dessen Rechtmäßigkeit nicht zu beeinträchtigen (Urteile des Gerichtshofs vom 14. Juli 1972, Imperial Chemical Industries/Kommission, 48/69, Slg. 1972, 619, Rn. 39, und des Gerichts vom 13. Juli 2011, Schindler Holding u. a./Kommission, T‑138/07, Slg. 2011, II‑4819, Rn. 61). Solche Unregelmäßigkeiten können lediglich unter bestimmten Umständen verhindern, dass die Klagefrist des Art. 263 Abs. 6 AEUV zu laufen beginnt.

36      Die Klägerinnen rügen zudem das Verhalten der Kommission bei der Wahl der bekannt gegebenen Sprachfassung. Es ist jedoch festzustellen, dass die Kommission berechtigt war, Holcim eine deutsche Fassung des angefochtenen Beschlusses bekannt zu geben. Da Holcim ihren Sitz in einem Drittland hat, war für die Wahl der verbindlichen Sprachfassung des angefochtenen Beschlusses darauf abzustellen, welche Beziehungen zwischen ihr und einem Mitgliedstaat der Union bestehen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 21. Februar 1973, Europemballage und Continental Can/Kommission, 6/72, Slg. 1973, 215, 242, Rn. 11). Da Deutsch eine der Amtssprachen der Schweizerischen Eidgenossenschaft ist und eine der Tochtergesellschaften von Holcim ihren Sitz in Deutschland hat, erscheint diese Wahl mit Art. 3 der Verordnung Nr. 1 des Rates vom 15. April 1958 zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. 1958, Nr. 17, S. 385) vereinbar.

37      In ihrer Erwiderung weisen die Klägerinnen ferner auf den Mehraufwand hin, der durch den Abgleich der ihnen von der Kommission übersandten englischen Fassung des angefochtenen Beschlusses mit seiner deutschen Fassung entstanden sei. Ein solches Vorbringen wird gegebenenfalls im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit des angefochtenen Beschlusses mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die Gegenstand des siebten Klagegrundes ist, erheblich sein.

38      Unter diesem Vorbehalt ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum vierten Klagegrund, mit dem eine Verletzung der Begründungspflicht gerügt wird

39      Die Klägerinnen sind der Auffassung, der angefochtene Beschluss sei unzureichend begründet. Die Kommission sei verpflichtet, klar anzugeben, welchen Vermutungen sie nachzugehen beabsichtige, und müsse sich daher auf hinreichend konkrete Tatsachen und Verdachtsmomente beziehen. Im vorliegenden Fall enthalte der angefochtene Beschluss nur vage, Art. 101 AEUV paraphrasierende Formulierungen, die sie daran hinderten, die Erforderlichkeit der verlangten Informationen einzuschätzen. Eine Konkretisierung der Vorwürfe sei umso erforderlicher gewesen, als eine unvollständige, unrichtige oder irreführende Beantwortung ein Sanktionsrisiko nach sich ziehe. Schließlich müsse die Entscheidung der Kommission für einen Beschluss nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 begründet werden, was nicht der Fall gewesen sei. Insbesondere stelle der Verweis auf die Erforderlichkeit der Übermittlung einer „vollständigen, kohärenten und konsolidierten Antwort“ keine hinreichende Begründung für die Anforderung von Auskünften dar, die der Kommission bereits vorlägen. Auch werde nicht begründet, warum für die Einholung neuer Auskünfte der Erlass eines formellen Beschlusses erforderlich gewesen sei.

40      Nach Ansicht der Kommission ist der angefochtene Beschluss rechtlich hinreichend begründet.

41      Die Pflicht zur Begründung von Einzelfallentscheidungen hat den Zweck, dem Richter die Überprüfung der Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu ermöglichen und den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, dass er erkennen kann, ob die Entscheidung sachlich richtig ist oder ob sie eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung ermöglicht, wobei der Umfang der Begründungspflicht von der Art des in Rede stehenden Rechtsakts und dem Kontext, in dem er erlassen wurde, sowie sämtlichen Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet abhängt (Urteil des Gerichtshofs vom 25. Oktober 1984, Interfacultair Instituut Electronenmicroscopie der Rijksuniversiteit te Groningen, 185/83, Slg. 1984, 3623, Rn. 38; Urteile des Gerichts vom 15. Juni 2005, Corsica Ferries France/Kommission, T‑349/03, Slg. 2005, II‑2197, Rn. 62 und 63, und vom 12. Juli 2007, CB/Kommission, T‑266/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 35).

42      Nach gefestigter Rechtsprechung regelt Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 selbst die wesentlichen Bestandteile der Begründung eines Auskunftsbeschlusses (vgl. Urteil des Gerichts vom 22. März 2012, Slovak Telekom/Kommission, T‑458/09 und T‑171/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 76 und 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43      Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 sieht vor, dass die Kommission „die Rechtsgrundlage, den Zweck des Auskunftsverlangens und die geforderten Auskünfte an[gibt] und … die Frist für die Erteilung der Auskünfte fest[legt]“. Überdies heißt es in Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003, dass die Kommission „ferner einen Hinweis auf die in Artikel 23 vorgesehenen Sanktionen“ gibt, „entweder auf die in Artikel 24 vorgesehenen Sanktionen hin[weist] oder … diese auf[erlegt]“ sowie „auf das Recht hin[weist], vor dem Gerichtshof gegen die Entscheidung Klage zu erheben“.

44      Diese Begrenzung der Begründungspflicht ist damit zu erklären, dass Auskunftsbeschlüsse Untersuchungsmaßnahmen sind.

45      Zu berücksichtigen ist nämlich, dass das Verwaltungsverfahren nach der Verordnung Nr. 1/2003, das vor der Kommission stattfindet, in zwei unterschiedliche, aufeinanderfolgende Abschnitte unterteilt ist, die jeweils einer eigenen inneren Logik folgen, nämlich einen Abschnitt der Voruntersuchung und einen kontradiktorischen Abschnitt. Der Abschnitt der Voruntersuchung, in dem die Kommission von ihren in der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Untersuchungsbefugnissen Gebrauch macht und der bis zur Mitteilung der Beschwerdepunkte währt, soll es der Kommission ermöglichen, alle relevanten Elemente zusammenzutragen, durch die das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln bestätigt oder nicht bestätigt wird, und eine erste Position zur Ausrichtung und zum weiteren Gang des Verfahrens einzunehmen. Dagegen soll der kontradiktorische Abschnitt, der sich von der Mitteilung der Beschwerdepunkte bis zum Erlass der Endentscheidung erstreckt, es der Kommission ermöglichen, sich abschließend zu der gerügten Zuwiderhandlung zu äußern (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2008, AC‑Treuhand/Kommission, T‑99/04, Slg. 2008, II‑1501, Rn. 47).

46      Zum einen beginnt der Abschnitt der Voruntersuchung, wenn die Kommission in Ausübung der ihr durch die Art. 18 und 20 der Verordnung Nr. 1/2003 verliehenen Befugnisse Maßnahmen trifft, die mit dem Vorwurf verbunden sind, eine Zuwiderhandlung begangen zu haben, und die erhebliche Auswirkungen auf die Situation der unter Verdacht stehenden Unternehmen haben. Zum anderen wird das betroffene Unternehmen erst zu Beginn des kontradiktorischen Abschnitts des Verwaltungsverfahrens durch die Mitteilung der Beschwerdepunkte über alle wesentlichen Gesichtspunkte informiert, auf die sich die Kommission in diesem Verfahrensstadium stützt, und verfügt erst zu diesem Zeitpunkt zur Sicherstellung der wirksamen Ausübung seiner Verteidigungsrechte über ein Recht auf Akteneinsicht. Folglich kann das betroffene Unternehmen seine Verteidigungsrechte erst nach Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte umfassend geltend machen. Durch die Erstreckung dieser Rechte auf den Zeitraum vor Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte würde nämlich die Wirksamkeit der von der Kommission durchgeführten Untersuchung beeinträchtigt, da das betroffene Unternehmen schon im Abschnitt der Voruntersuchung erfahren würde, welche Informationen der Kommission bekannt sind und welche damit noch vor ihr verborgen werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil AC-Treuhand/Kommission, oben in Rn. 45 angeführt, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47      Die von der Kommission im Abschnitt der Voruntersuchung ergriffenen Ermittlungsmaßnahmen, insbesondere die Nachprüfungsmaßnahmen und die Auskunftsverlangen, implizieren jedoch naturgemäß den Vorwurf einer Zuwiderhandlung und können erhebliche Auswirkungen auf die Situation der unter Verdacht stehenden Unternehmen haben. Folglich muss verhindert werden, dass die Verteidigungsrechte in diesem Abschnitt des Verwaltungsverfahrens in nicht wiedergutzumachender Weise beeinträchtigt werden könnten, da die getroffenen Ermittlungsmaßnahmen zur Erbringung von Beweisen für rechtswidrige Verhaltensweisen von Unternehmen, die geeignet sind, deren Haftung auszulösen, von entscheidender Bedeutung sein können (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 21. September 1989, Hoechst/Kommission, 46/87 und 227/88, Slg. 1989, 2859, Rn. 15, und Urteil AC-Treuhand/Kommission, oben in Rn. 45 angeführt, Rn. 50 und 51).

48      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die der Kommission nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 obliegende Verpflichtung zur Angabe der Rechtsgrundlage und des Zwecks eines Auskunftsverlangens ein grundlegendes Erfordernis darstellt, da dadurch die Berechtigung des Ersuchens um Auskünfte der betreffenden Unternehmen aufgezeigt werden soll, diese aber auch in die Lage versetzt werden sollen, den Umfang ihrer Mitwirkungspflicht zu erkennen und zugleich ihre Verteidigungsrechte zu wahren. Daraus folgt, dass die Kommission nur Auskünfte verlangen darf, die ihr die Prüfung der die Durchführung der Untersuchung rechtfertigenden und im Auskunftsverlangen angegebenen mutmaßlichen Zuwiderhandlungen ermöglichen können (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteile des Gerichts vom 12. Dezember 1991, SEP/Kommission, T‑39/90, Slg. 1991, II‑1497, Rn. 25, und vom 8. März 1995, Société Générale/Kommission, T‑34/93, Slg. 1995, II‑545, Rn. 40).

49      Wie Generalanwalt Jacobs in Nr. 30 seiner Schlussanträge zum Urteil des Gerichtshofs vom 19. Mai 1994, SEP/Kommission (C‑36/92 P, Slg. 1994, I‑1911, I‑1914), hervorhob, bedeutet die Pflicht, auf den Zweck des Verlangens hinzuweisen, „natürlich …, dass [die Kommission] die vermutete Verletzung der Wettbewerbsregeln konkret nennen muss. Die Erforderlichkeit der Auskünfte ist im Zusammenhang mit dem im Auskunftsverlangen angegebenen Zweck zu beurteilen. Der Zweck ist mit hinreichender Genauigkeit anzugeben, da sonst nicht festgestellt werden kann, ob die Auskünfte notwendig sind, und der Gerichtshof seine Nachprüfung nicht vornehmen kann.“

50      Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung braucht die Kommission weder dem Adressaten einer solchen Entscheidung alle ihr vorliegenden Informationen über mutmaßliche Zuwiderhandlungen zu übermitteln, noch muss sie eine strenge rechtliche Qualifizierung dieser Zuwiderhandlungen vornehmen; sie hat aber klar anzugeben, welchen Vermutungen sie nachzugehen beabsichtigt (Urteile Société Générale/Kommission, oben in Rn. 48 angeführt, Rn. 62 und 63, und Slovak Telekom/Kommission, oben in Rn. 42 angeführt, Rn. 77).

51      Von der Kommission kann jedoch nicht verlangt werden, im Stadium des Abschnitts der Voruntersuchung außer den mutmaßlichen Zuwiderhandlungen, denen sie nachzugehen beabsichtigt, auch die Indizien anzugeben, d. h. die Gesichtspunkte, aufgrund deren sie die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 101 AEUV in Betracht zieht. Eine solche Verpflichtung würde nämlich das durch die Rechtsprechung geschaffene Gleichgewicht zwischen dem Schutz der Wirksamkeit der Untersuchung und dem Schutz der Verteidigungsrechte des betroffenen Unternehmens in Frage stellen.

52      Im vorliegenden Fall wird im angefochtenen Beschluss klar angegeben, dass er auf der Grundlage von Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 erlassen wurde und dass die untersuchten Praktiken einen Verstoß gegen Art. 101 AEUV darstellen könnten. Seine Erwägungsgründe 10 und 11 beziehen sich ausdrücklich auf die Sanktionen und das Klagerecht, die oben in Rn. 43 genannt sind.

53      Daher hängt die Frage, ob der angefochtene Beschluss hinreichend begründet ist, ausschließlich davon ab, ob die mutmaßlichen Zuwiderhandlungen, denen die Kommission nachzugehen beabsichtigt, hinreichend klar angegeben sind.

54      Dazu enthält der angefochtene Beschluss in seinem zweiten Erwägungsgrund folgende Angabe: „Bei den mutmaßlichen Zuwiderhandlungen handelt es sich um Einschränkungen des Handelsverkehrs im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), einschließlich der Einschränkung von Einfuhren in den EWR aus Ländern außerhalb des EWR, um Marktaufteilung, um Preisabsprachen und [um] andere verbundene wettbewerbswidrige Praktiken in den Märkten für Zement und verwandte Produkte.“

55      Im Übrigen verweist der angefochtene Beschluss ausdrücklich auf den oben in Rn. 9 genannten Beschluss über die Einleitung des Verfahrens, der zusätzliche Informationen über den räumlichen Anwendungsbereich der mutmaßlichen Zuwiderhandlungen und über die Art der betroffenen Erzeugnisse enthält.

56      Das Gericht stellt fest, dass die Begründung des angefochtenen Beschlusses aus einer sehr allgemein gehaltenen Formulierung besteht, deren Präzisierung angebracht gewesen wäre, so dass sie insoweit zu beanstanden ist. Gleichwohl kann davon ausgegangen werden, dass die Bezugnahme auf die Einschränkung von Einfuhren in den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), auf Marktaufteilungen sowie auf Preisabsprachen im Zementmarkt und in den Märkten für verwandte Produkte in Verbindung mit dem Beschluss über die Einleitung des Verfahrens dem Mindestmaß an Klarheit entspricht, das es erlaubt, die Einhaltung der Vorschriften von Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 zu bejahen.

57      Daraus ist zu schließen, dass der angefochtene Beschluss rechtlich hinreichend begründet ist.

58      Zur Rüge der Klägerinnen, dass eine Begründung für die Erforderlichkeit des Erlasses eines Auskunftsbeschlusses statt eines einfachen Auskunftsverlangens fehle, genügt der Hinweis, dass die Kommission nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht verpflichtet ist, dies zu erläutern.

 Zum zweiten, die Unzulänglichkeit der Antwortfrist betreffenden Klagegrund

59      Die Klägerinnen tragen vor, die zur Beantwortung der ersten zehn Fragengruppen gesetzte Frist von zwölf Wochen habe ihnen keine vollständige und belastbare Beantwortung des angefochtenen Beschlusses ermöglicht. Die Kommission habe die Fristverlängerung zu Unrecht abgelehnt. In ihrer Erwiderung führen sie aus, Holcim könne nicht sinnvoll mit anderen Unternehmen verglichen werden, an die entsprechende Fragebögen gerichtet worden seien und die in der Lage gewesen seien, im festgelegten Zeitraum von zwölf Wochen zu antworten; der Kommission seien auch die eine Verlängerung der Antwortfrist rechtfertigenden Umstände erläutert worden.

60      Nach Ansicht der Kommission ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.

61      Nach ständiger Rechtsprechung müssen die von der Kommission an ein Unternehmen gerichteten Auskunftsverlangen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, und die einem Unternehmen auferlegte Pflicht zur Auskunftserteilung darf für das Unternehmen keine Belastung darstellen, die zu den Erfordernissen der Untersuchung außer Verhältnis steht (Urteile des Gerichts vom 12. Dezember 1991, SEP/Kommission, oben in Rn. 48 angeführt, Rn. 51, vom 30. September 2003, Atlantic Container Line u. a./Kommission, T‑191/98, T‑212/98 bis T‑214/98, Slg. 2003, II‑3275, Rn. 418, und Slovak Telekom/Kommission, oben in Rn. 42 angeführt, Rn. 81).

62      Zunächst ist festzustellen, dass Holcim am 1. und am 21. Juni 2011 eine Verlängerung der Antwortfrist für die ersten zehn Fragengruppen beantragte und die Kommission ihr erst nach Erhebung der vorliegenden Klage am 27. Juni 2011 eine zusätzliche Frist von fünf Wochen einräumte.

63      Bei der Beurteilung der Frage, ob die mit der Pflicht, die ersten zehn Fragengruppen binnen zwölf Wochen zu beantworten, verbundene Belastung unverhältnismäßig sein könnte, ist zu berücksichtigen, dass Holcim als Adressatin eines Auskunftsbeschlusses nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht nur Gefahr lief, dass ihr eine Geldbuße oder ein Zwangsgeld nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. b oder Art. 24 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 1/2003 auferlegt wird, falls sie die Auskünfte unvollständig, verspätet oder gar nicht erteilt, sondern auch, dass ihr eine Geldbuße nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung auferlegt wird, falls die Kommission eine erteilte Auskunft als unrichtig oder „irreführend“ einstuft.

64      Folglich kommt der Prüfung, ob die durch einen Auskunftsbeschluss auferlegte Frist angemessen ist, besondere Bedeutung zu. Diese Frist muss es dem Adressaten nämlich nicht nur ermöglichen, tatsächlich zu antworten, sondern auch, sich zu vergewissern, dass die erteilten Auskünfte vollständig, richtig und nicht irreführend sind.

65      Zwar sind die im Fragebogen verlangten Auskünfte zweifelsohne umfangreich, und der Fragebogen ist sehr detailliert. Seine Beantwortung war daher unbestreitbar mit ganz erheblichem Arbeitsaufwand verbunden.

66      Doch konnte Holcim in Anbetracht der ihr aufgrund ihrer Wirtschaftskraft zur Verfügung stehenden Mittel bei vernünftiger Betrachtung als fähig angesehen werden, innerhalb der ihr gesetzten Frist, die von der Kommission im Übrigen letztlich auf 17 Wochen ausgedehnt wurde, eine den oben in Rn. 64 genannten Anforderungen genügende Antwort zu geben.

67      Der zweite Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund, mit dem im Wesentlichen ein Verstoß gegen Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 gerügt wird

68      Die Klägerinnen werfen der Kommission vor, Holcim zur Erteilung von Auskünften zu verpflichten, die ihr in der verlangten Form nicht vorlägen. Sie machen im Wesentlichen geltend, dass die Kommission nach Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 von ihnen nur in ihrem Besitz befindliche Auskünfte tatsächlicher Art verlangen könne. Daher könne nicht die Erteilung von Auskünften, die die Konsultation externer Quellen voraussetzten, oder ein besonderes Antwortformat verlangt werden, das einen übermäßigen Bearbeitungsaufwand mit sich bringe. Die mit der Aufbereitung der Antwort von Holcim verbundene Arbeitsbelastung sei nicht zuletzt deswegen höher gewesen, weil das im angefochtenen Beschluss verlangte Format sich von demjenigen unterscheide, das für die Beantwortung der vorhergehenden Auskunftsverlangen gefordert worden sei.

69      Nach Ansicht der Kommission ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.

70      Der 23. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003 lautet: „Die Kommission sollte die Befugnis haben, im gesamten Bereich der [Union] die Auskünfte zu verlangen, die notwendig sind, um gemäß Artikel [101 AEUV] verbotene Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen sowie die nach Artikel [102 AEUV] untersagte missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung aufzudecken. Unternehmen, die einer Entscheidung der Kommission nachkommen, können nicht gezwungen werden, eine Zuwiderhandlung einzugestehen; sie sind auf jeden Fall aber verpflichtet, Fragen nach Tatsachen zu beantworten und Unterlagen vorzulegen, auch wenn die betreffenden Auskünfte dazu verwendet werden können, den Beweis einer Zuwiderhandlung durch die betreffenden oder andere Unternehmen zu erbringen.“

71      Da unter der Erteilung von „Auskünften“ im Sinne von Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht nur die Vorlage von Schriftstücken zu verstehen ist, sondern auch die Pflicht zur Beantwortung von Fragen zu diesen Schriftstücken, ist die Kommission nicht darauf beschränkt, allein die Vorlage von Daten zu verlangen, die unabhängig vom Tätigwerden des betroffenen Unternehmens vorliegen. Daher darf sie an ein Unternehmen Fragen richten, die voraussetzen, dass die verlangten Daten in eine bestimmte Form gebracht werden (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Schlussanträge von Generalanwalt Darmon zum Urteil des Gerichtshofs vom 18. Oktober 1989, Orkem/Kommission, 374/87, Slg. 1989, 3283, 3301, Nr. 55).

72      Folglich lässt der bloße Umstand, dass die Kommission die Vorlage der Auskünfte in einer anderen als der Form verlangt, in der sie bei Holcim vorliegen, nicht auf einen Verstoß gegen Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 schließen.

73      Es ist jedoch hervorzuheben, dass die Ausübung dieser Befugnis durch die Beachtung mindestens zweier Grundsätze begrenzt wird. Zum einen dürfen die an ein Unternehmen gerichteten Fragen, wie im 23. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003 ausgeführt wird, es nicht dazu zwingen, eine Zuwiderhandlung einzugestehen. Zum anderen darf nach der oben in Rn. 61 angeführten Rechtsprechung die Beantwortung dieser Fragen keine Belastung darstellen, die zu den Erfordernissen der Untersuchung außer Verhältnis steht.

74      Im vorliegenden Fall wird zwar nicht vorgetragen, dass einige der Holcim gestellten Fragen sie zu Antworten verpflichteten, durch die sie das Vorliegen der Zuwiderhandlung eingestehen müsste, deren Nachweis der Kommission obliegt, doch machen die Klägerinnen die Unverhältnismäßigkeit der mit der Beantwortung des Fragebogens verbundenen Belastung geltend. Da sich diese Rüge mit dem ersten Teil des siebten, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit betreffenden Klagegrundes überschneidet, wird sie im Rahmen von dessen Würdigung geprüft.

75      Unter diesem Vorbehalt ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum fünften Klagegrund, mit dem im Wesentlichen die Verhältnismäßigkeit des Erlasses eines Auskunftsbeschlusses in Abrede gestellt wird

76      Die Klägerinnen beanstanden im Wesentlichen, dass der Erlass eines Auskunftsbeschlusses nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 statt eines einfachen Auskunftsverlangens in Anbetracht der aktiven Zusammenarbeit von Holcim im Laufe des Verfahrens nicht verhältnismäßig gewesen sei. In ihrer Erwiderung tragen sie vor, der angefochtene Beschluss sei ermessensmissbräuchlich, da die Kommission ihre Befugnisse aus Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 für die Untersuchung eines Wirtschaftszweigs nach Art. 17 dieser Verordnung benutze.

77      Nach Ansicht der Kommission ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.

78      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen in ihrer Erwiderung erstmals geltend machen, dass der angefochtene Beschluss ermessensmissbräuchlich sei, weil die Kommission ihre Befugnisse aus Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 für die Untersuchung eines Wirtschaftszweigs im Sinne von Art. 17 dieser Verordnung nutze.

79      Nach Art. 44 § 1 Buchst. c in Verbindung mit Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts muss die Klageschrift den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten; neue Angriffs- und Verteidigungsmittel können im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind. Ein Angriffsmittel oder ein Argument, das eine Erweiterung eines bereits zuvor – unmittelbar oder implizit – in der Klageschrift vorgetragenen Angriffsmittels darstellt und einen engen Zusammenhang mit diesem aufweist, ist jedoch für zulässig zu erklären.

80      Obwohl die Rüge eines Ermessensmissbrauchs formell im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes vorgebracht wird, stellt sie in Wirklichkeit einen eigenen Klagegrund dar. Außerdem ist sie nicht auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind. Sie ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

81      Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, verlangt nach ständiger Rechtsprechung, dass die Handlungen der Organe nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die verursachten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen dürfen (Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juli 2001, Jippes u. a., C‑189/01, Slg. 2001, I‑5689, Rn. 81).

82      Nach Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 ist die Kommission berechtigt, Auskünfte „durch einfaches Auskunftsverlangen oder durch Entscheidung“ zu verlangen, ohne dass diese Bestimmung den Erlass einer Entscheidung an ein vorheriges „einfaches Auskunftsverlangen“ knüpft. Darin unterscheidet sich Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 von Art. 11 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), der in seinem Abs. 5 die Möglichkeit, Auskünfte durch Entscheidung zu verlangen, davon abhängig machte, dass ein vorheriges Auskunftsverlangen erfolglos geblieben war.

83      Entgegen der von der Kommission in ihren Schriftsätzen offenbar vertretenen Ansicht ist hervorzuheben, dass die von ihr zu treffende Wahl zwischen einem einfachen Auskunftsverlangen nach Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 und einem Auskunftsbeschluss nach deren Art. 18 Abs. 3 der Verhältnismäßigkeitskontrolle unterliegt. Dies folgt zwangsläufig aus der oben in Rn. 81 angeführten Definition des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, denn nach dieser Definition ist, „wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen“. Ebenso ist festzustellen, dass die Wahl, die die Kommission nach Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 treffen kann, in gewissem Maß der Wahl zwischen der Nachprüfung durch schlichten Auftrag und der durch Entscheidung angeordneten Nachprüfung im Sinne von Art. 14 der Verordnung Nr. 17 und Art. 20 der Verordnung Nr. 1/2003 entspricht. Diese Wahl unterliegt jedoch der vom Unionsrichter vorzunehmenden Kontrolle anhand des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (Urteile des Gerichtshofs vom 26. Juni 1980, National Panasonic/Kommission, 136/79, Slg. 1980, 2033, Rn. 29, und vom 22. Oktober 2002, Roquette Frères, C‑94/00, Slg. 2002, I‑9011, Rn. 77; Urteil des Gerichts vom 8. März 2007, France Télécom/Kommission, T‑340/04, Slg. 2007, II‑573, Rn. 147).

84      In Anbetracht des Ansatzes, der in der Rechtsprechung bei der Kontrolle der Verhältnismäßigkeit des Rückgriffs auf eine durch Beschluss angeordnete Nachprüfung bevorzugt wird, muss eine solche Kontrolle der zwischen einem einfachen Auskunftsverlangen und einem Beschluss zu treffenden Wahl von den Erfordernissen einer den Besonderheiten des Einzelfalls angemessenen Untersuchung abhängen (Urteile National Panasonic/Kommission, oben in Rn. 83 angeführt, Rn. 29, Roquette Frères, oben in Rn. 83 angeführt, Rn. 77, und France Télécom/Kommission, oben in Rn. 83 angeführt, Rn. 147).

85      Insoweit ist der bereits oben in Rn. 9 erwähnte Umstand zu berücksichtigen, dass der angefochtene Beschluss im Rahmen einer Untersuchung wettbewerbswidriger Praktiken erlassen wurde, die neben Holcim sieben weitere in der Zementbranche tätige Unternehmen betrifft.

86      Ein Beschluss unterscheidet sich dadurch von einem einfachen Auskunftsverlangen, dass die Kommission im Fall der Erteilung unvollständiger oder verspäteter Auskünfte nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. b und Art. 24 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 1/2003 Geldbußen oder Zwangsgelder verhängen kann.

87      Daher erscheint es in Anbetracht des Umfangs der einzuholenden und abzugleichenden Auskünfte weder unangemessen noch unverhältnismäßig, dass die Kommission unmittelbar mit dem Rechtsinstrument vorgeht, das ihr die größte Gewissheit bietet, dass die Klägerin vollständig und fristgerecht antworten wird.

88      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen hat, als sie gegenüber der Klägerin einen Auskunftsbeschluss nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 erließ.

89      Der fünfte Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

 Zum sechsten Klagegrund: Verstoß gegen den allgemeinen Bestimmtheitsgrundsatz

90      Die Klägerinnen sind der Ansicht, der angefochtene Beschluss genüge nicht den Anforderungen an die Bestimmtheit, die sich aus der Anwendung des Grundsatzes der Rechtssicherheit ergäben, und führen eine Reihe von Beispielen an, die sie als Verstöße gegen diese Anforderungen ansehen.

91      Nach Ansicht der Kommission ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.

92      Zwar verlangt der Grundsatz der Rechtssicherheit, dass jede Handlung der Verwaltung, die Rechtswirkungen entfaltet, klar und bestimmt ist, damit der Betroffene seine Rechte und Pflichten unzweideutig erkennen und infolgedessen seine Vorkehrungen treffen kann (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 1. Oktober 1998, Langnese-Iglo/Kommission, C‑279/95 P, Slg. 1998, I‑5609, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung).

93      Der Umstand, dass einige Fragen relativ vage formuliert sind, führt jedoch nicht zu einem solchen Grad der Mehrdeutigkeit, dass das Gericht auf eine Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit schließen müsste, die den angefochtenen Beschluss rechtswidrig werden ließe.

94      Gleichwohl ist es der Kommission nicht gestattet, eine Unzulänglichkeit der Antworten von Holcim zu rügen, die in der Ungenauigkeit ihrer eigenen Fragen begründet sein könnte. Hierbei handelt es sich um einen Aspekt, der im Rahmen eines etwaigen Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung, mit der eine Geldbuße oder ein Zwangsgeld nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. b bzw. Art. 24 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 1/2003 verhängt wird, zu berücksichtigen wäre.

95      Der vorliegende Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

 Zum siebten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerügt wird

96      Im Rahmen dieses Klagegrundes rügen die Klägerinnen im Wesentlichen zum einen die unverhältnismäßige Arbeitsbelastung, die mit der Beantwortung des Fragebogens verbunden gewesen sei, und bestreiten zum anderen die Erforderlichkeit der angeforderten Auskünfte, weil die Kommission sie zuvor bereits in anderer Form angefordert habe oder sie zur Erreichung der Ziele der von der Kommission durchgeführten Untersuchung nicht von Nutzen seien.

97      Nach Ansicht der Kommission ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum ersten, die Unverhältnismäßigkeit der mit der Beantwortung des Fragebogens verbundenen Arbeitsbelastung betreffenden Teil des Klagegrundes

98      Aus der oben in Rn. 61 angeführten Rechtsprechung folgt zwangsläufig, dass die Verpflichtung zur Recherche und Aufbereitung der verlangten Auskünfte keine Belastung darstellen darf, die zu den Erfordernissen der Untersuchung außer Verhältnis steht.

99      Zwar sind der Fragebogen und insbesondere die von den Klägerinnen in ihren Schriftsätzen hervorgehobenen Fragen 1A, 1B, 2, 5 und 9A sehr detailliert und haben bei Holcim und ihren Tochtergesellschaften sicher zu einer sehr hohen Arbeitsbelastung geführt.

100    Gleichwohl kann in Anbetracht der Erfordernisse der Untersuchung, die insbesondere mit den mutmaßlichen Zuwiderhandlungen, denen die Kommission nachzugehen beabsichtigt, und den Umständen des vorliegenden Verfahrens zusammenhängen, hieraus nicht geschlossen werden, dass diese Belastung unverhältnismäßigen Charakter hat.

101    Insoweit ist erstens daran zu erinnern, dass der angefochtene Beschluss zu einem Verfahren gehört, in dem es um „Einschränkungen des Handelsverkehrs im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), einschließlich der Einschränkung von Einfuhren in den EWR aus Ländern außerhalb des EWR, um Marktaufteilung, um Preisabsprachen und [um] andere verbundene wettbewerbswidrige Praktiken in den Märkten für Zement und verwandte Produkte“ geht. Es ist festzustellen, dass der weite Anwendungsbereich und die Schwere der von der Kommission untersuchten mutmaßlichen Zuwiderhandlungen die Erteilung einer hohen Zahl von Auskünften rechtfertigen können.

102    Zweitens ist auch zu beachten, dass der angefochtene Beschluss im Rahmen einer Untersuchung wettbewerbswidriger Praktiken erlassen wurde, die neben Holcim sieben weitere in der Zementbranche tätige Unternehmen betrifft. In Anbetracht des Umfangs der abzugleichenden Auskünfte erscheint es somit nicht unangemessen, dass die Kommission verlangt, die Antworten in einem Format zu erteilen, das ihren Vergleich ermöglicht.

103    Drittens ist hinsichtlich der Rüge, die im Wesentlichen dahin geht, der angefochtene Beschluss stelle eine umso größere Belastung dar, als er sich an frühere Auskunftsverlangen anschließe, zu berücksichtigen, dass der von der Untersuchung betroffene Wirtschaftszweig hoch technisiert und damit von einer Komplexität ist, die den Rückgriff auf einen zweiten Fragebogen, mit dem die der Kommission bereits vorliegenden Auskünfte angepasst und präzisiert werden sollen, zu rechtfertigen vermag.

104    Viertens erscheint das Vorbringen der Klägerinnen, durch den Abgleich der englischen Fassung des Fragebogens mit der deutschen Fassung sei ein Mehraufwand entstanden, nicht überzeugend. Dass die Kommission am 4. April 2011 Holcim eine englische Fassung des in deren Besitz befindlichen Fragebogens zur Verfügung stellte, geschah nämlich auf einen dahin gehenden Antrag vom 1. April 2011. Mit diesem Vorgehen hat die Kommission im Einklang mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung und der Verhältnismäßigkeit gehandelt.

105    Fünftens machen die Klägerinnen geltend, dass mit dem Fragebogen Auskünfte angefordert würden, über die Holcim und ihre Tochtergesellschaften nicht verfügten. Jedoch ist festzustellen, dass die verschiedenen in ihren Schriftsätzen angeführten Fälle es nicht ermöglichen, konkrete Beispiele zu ermitteln.

106    Jedenfalls ist hervorzuheben, dass in Anhang II Buchst. a Nr. 4 des angefochtenen Beschlusses die Möglichkeit angesprochen wird, dass die für eine der Fragen des Fragebogens erforderlichen Informationen bei einem Unternehmen nicht vorhanden sind. Dort heißt es nämlich: „[W]enn die geforderten Informationen in Ihrem Unternehmen in keiner Weise gespeichert oder erfasst sind, können Sie dies in den betreffenden Excel-Arbeitsblättern deutlich und einheitlich mit dem Code UNK (unknown = unbekannt) kennzeichnen.“ Somit kann nicht bemängelt werden, dass mit dem angefochtenen Beschluss von den Klägerinnen bei ihnen nicht vorhandene Informationen verlangt worden seien.

107    Der erste Teil des Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

 Zum zweiten, die Erforderlichkeit der angeforderten Auskünfte betreffenden Teil des Klagegrundes

108    Die Klägerinnen erheben im Wesentlichen zwei Rügen, mit denen sie geltend machen, dass die verlangten Auskünfte nicht als erforderlich anzusehen seien, da sie entweder keinen Bezug zur mutmaßlichen Zuwiderhandlung hätten oder von der Kommission bereits in anderer Form angefordert worden seien.

–       Zur Beanstandung der Erforderlichkeit einiger verlangter Auskünfte in Anbetracht der Vermutungen, denen die Kommission nachzugehen beabsichtigt

109    Nach ständiger Rechtsprechung darf die Kommission nur Auskünfte verlangen, die ihr die Prüfung der die Durchführung der Untersuchung rechtfertigenden und im Auskunftsverlangen angegebenen mutmaßlichen Zuwiderhandlungen ermöglichen können (Urteile vom 12. Dezember 1991, SEP/Kommission, oben in Rn. 48 angeführt, Rn. 25, und Société Générale/Kommission, oben in Rn. 48 angeführt, Rn. 40).

110    In Anbetracht der weitgehenden Nachprüfungs- und Ermittlungsbefugnisse der Kommission ist es ihre Sache, die Erforderlichkeit der Auskünfte zu beurteilen, die sie von den betroffenen Unternehmen verlangt (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 18. Mai 1982, AM & S Europe/Kommission, 155/79, Slg. 1982, 1575, Rn. 17, und Orkem/Kommission, oben in Rn. 71 angeführt, Rn. 15). Zu der vom Gericht ausgeübten Kontrolle dieser Beurteilung der Kommission ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung bei der Auslegung des Begriffs der erforderlichen Auskünfte auf den Zweck abzustellen ist, zu dem der Kommission die fraglichen Untersuchungsbefugnisse übertragen wurden. Das Erfordernis eines Zusammenhangs zwischen dem Auskunftsverlangen und der mutmaßlichen Zuwiderhandlung ist daher erfüllt, wenn in diesem Stadium des Verfahrens Grund zu der Annahme besteht, dass das Verlangen insofern in Beziehung zu der mutmaßlichen Zuwiderhandlung steht, als die Kommission vernünftigerweise davon ausgehen kann, dass ihr das Dokument bei der Ermittlung des Vorliegens der gerügten Zuwiderhandlung helfen wird (Urteile vom 12. Dezember 1991, SEP/Kommission, oben in Rn. 48 angeführt, Rn. 29, und Slovak Telekom/Kommission, oben in Rn. 42 angeführt, Rn. 42).

111    Es ist festzustellen, dass die Klägerinnen ihre Beanstandungen nur in Bezug auf die Auskünfte zu den Zuschlagstoffen und dem Transportbeton präzisieren. Das Gericht weist darauf hin, dass die Zuschlagstoffe dazu bestimmt sind, dem Zement beigemischt zu werden, und dass der Transportbeton im Beschluss über die Einleitung des Verfahrens ausdrücklich als eines der dem Zement verwandten Produkte erwähnt wird, auf die sich die Untersuchung erstreckt. Es lässt sich daher vernünftigerweise nicht bestreiten, dass Auskünfte über solche Produkte mit der von der Kommission untersuchten mutmaßlichen Zuwiderhandlung in Zusammenhang stehen.

112    Zudem genügt zum Vorbringen der Klägerinnen, solche Produkte seien „ganz regelmäßig“ lokale Märkte, der Hinweis, dass ein Beleg dafür fehlt.

113    Diese erste Rüge ist daher zurückzuweisen.

–       Zur Beanstandung der Erforderlichkeit einiger verlangter Auskünfte, weil sie der Kommission bereits vorlägen

114    In ihren Schriftsätzen rügen die Klägerinnen den Ansatz der Kommission, „vergleichbare Informationen“ in ständig variierender Form zu verlangen.

115    Sollte diese Rüge dahin zu verstehen sein, dass mit ihr die Erforderlichkeit der verlangten Auskünfte in Frage gestellt wird, weil sie der Kommission bereits in anderer Form vorlägen, ist darauf hinzuweisen, dass es im sechsten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses heißt: „[Der Fragebogen] berücksichtigt, sofern erforderlich, die Antworten auf die [im vierten Erwägungsgrund] dieses Beschlusses erwähnten Schreiben und die Vorlagen, welche die untersuchten Unternehmen im Rahmen dieser Untersuchung übermittelt haben.“ Weiter heißt es dort: „Ein Teil der Auskünfte wurde bereits mit drei Auskunftsverlangen nach Artikel 18 Absatz 2 der Verordnung [Nr.] 1/2003 angefordert, [sie] werden jedoch erneut erbeten, damit eine vollständige, kohärente und konsolidierte Antwort übermittelt wird. Ferner verlangt der Anhang I zusätzliche Informationen, die ebenso notwendig sind, damit die Kommission in voller Kenntnis des Sachverhalts und der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen prüfen kann, ob die untersuchten Praktiken mit den EU-Wettbewerbsvorschriften vereinbar sind.“

116    Hieraus ergibt sich, dass die Kommission ihr Auskunftsverlangen im Wesentlichen auf zwei Rechtfertigungsgründe stützt: zum einen auf die Absicht, „eine vollständige, kohärente und konsolidierte Antwort“ zu erhalten, und zum anderen auf die Einholung zusätzlicher Auskünfte zu den zuvor erteilten.

117    Hinsichtlich des ersten von der Kommission vorgebrachten Rechtfertigungsgrundes ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss offenbar tatsächlich zumindest teilweise erlassen wurde, um von Holcim u. a. eine konsolidierte Fassung der früheren Antworten einiger ihrer Tochtergesellschaften zu erhalten.

118    Zum einen haben die Fragen 1A, 1Ei) bis 1Eiii), 1F, 2 bis 5, 9A, 9B und 10 des Anhangs I des angefochtenen Beschlusses einen Gegenstand, der dem Gegenstand der an die Tochtergesellschaften von Holcim gerichteten ursprünglichen Fragen 8, 31, 39, 10, 18, 17, 28, der ursprünglichen Frage 40 Buchst. a und b und der ursprünglichen Frage 7 ähnelt.

119    Zum anderen übermittelt die Kommission zwar in der Anlage zur Klagebeantwortung eine Aufstellung fehlerhafter Antworten der Tochtergesellschaften von Holcim (Anlage B.6.), doch kommen die dort genannten Fehler und Ungenauigkeiten bei Auskunftsverlangen mit einem Umfang wie dem der ursprünglichen Fragen regelmäßig vor. Zwar war es Sache der Klägerinnen, solche Fehler und Ungenauigkeiten auf entsprechende Aufforderung der Kommission zu klären, doch können sie nicht rechtfertigen, dass die Kommission alle zuvor übermittelten Informationen noch einmal anfordert.

120    Hierzu ist festzustellen, dass die ersten zehn Fragen des Fragebogens in Anhang I des angefochtenen Beschlusses, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung anerkannt hat, mit den Fragen in den Anhängen der Beschlüsse, die an die anderen sieben von dem oben in Rn. 9 genannten Verfahren betroffenen Unternehmen gerichtet wurden, identisch sind. Daraus kann nur geschlossen werden, dass die Kommission die an jedes der betroffenen Unternehmen gerichteten Fragen nicht anhand des Genauigkeitsgrads und der Qualität der früheren Antworten individualisiert hat.

121    Folglich könnte man der Ansicht sein, dass der angefochtene Beschluss zumindest zum Teil bezweckt, eine konsolidierte Fassung der zuvor erteilten Auskünfte zu erhalten. Dieser Eindruck wird durch den überaus detaillierten Charakter der Vorgaben des Fragebogens in Bezug auf die Form, in der die Antworten dargestellt werden müssen, verstärkt. Die Kommission wollte somit unbestreitbar Antworten in einem Format erhalten, das den Vergleich der bei den betreffenden Unternehmen eingeholten Daten erleichtert.

122    Das Gericht hat im Urteil Atlantic Container Line u. a./Kommission, oben in Rn. 61 angeführt (Rn. 425), jedoch betont, dass Auskunftsverlangen, die auf die Erlangung von Informationen aus einem bereits im Besitz der Kommission befindlichen Schriftstück gerichtet sind, nicht als durch die Erfordernisse der Untersuchung gerechtfertigt angesehen werden können.

123    Ferner ist hervorzuheben, dass es zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch ein Auskunftsverlangen nicht genügt, dass die verlangten Auskünfte mit dem Gegenstand der Untersuchung in Zusammenhang stehen. Erforderlich ist auch, dass die Verpflichtung zur Auskunftserteilung für das betreffende Unternehmen keine Belastung darstellt, die zu den Erfordernissen der Untersuchung außer Verhältnis steht (Urteile Atlantic Container Line u. a./Kommission, oben in Rn. 61 angeführt, Rn. 418, und Slovak Telekom/Kommission, oben in Rn. 42 angeführt, Rn. 81).

124    Daraus ist zu schließen, dass ein Beschluss, mit dem dem Adressaten aufgegeben wird, zuvor verlangte Auskünfte erneut zu erteilen, nur weil nach Ansicht der Kommission einige von ihnen unzutreffend sind, als eine Belastung angesehen werden könnte, die außer Verhältnis zu den Erfordernissen der Untersuchung steht und daher weder mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch mit dem Gebot der Erforderlichkeit im Einklang steht. In einer solchen Situation steht es der Kommission nämlich frei, genau die Informationen zu benennen, die das betreffende Unternehmen ihres Erachtens korrigieren muss.

125    Ebenso lässt sich mit dem Bestreben, die von den Unternehmen erteilten Antworten leichter verarbeiten zu können, nicht rechtfertigen, dass diesen Unternehmen aufgegeben wird, bereits im Besitz der Kommission befindliche Auskünfte in einem neuen Format zu erteilen. Zwar haben Unternehmen eine Verpflichtung zur aktiven Mitwirkung, aufgrund deren sie alle den Gegenstand der Untersuchung betreffenden Informationsquellen für die Kommission bereithalten müssen (Urteile Orkem/Kommission, oben in Rn. 71 angeführt, Rn. 27, und Société Générale/Kommission, oben in Rn. 48 angeführt, Rn. 72), doch kann diese Verpflichtung zur aktiven Mitwirkung nicht so weit gehen, Auskünfte aufzubereiten, die sich bereits im Besitz der Kommission befinden.

126    Unter den Umständen des vorliegenden Falls ist somit die Begründetheit des zweiten Rechtfertigungsgrundes der Kommission zu prüfen, der aus der Erforderlichkeit, zusätzliche Auskünfte zu erhalten, hergeleitet wird.

127    In Anbetracht der oben in den Rn. 109 und 110 angeführten Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass ein Beschluss der Kommission, mit dem die Erteilung genauerer als der bis dahin erteilten Auskünfte verlangt wird, als durch die Erfordernisse der Untersuchung gerechtfertigt anzusehen ist. Die Suche nach sämtlichen relevanten Informationen, die das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln bestätigen oder widerlegen, kann nämlich damit verbunden sein, dass die Kommission von den Unternehmen verlangt, bestimmte ihr zuvor mitgeteilte tatsächliche Auskünfte zu präzisieren oder näher zu erläutern.

128    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass bestimmte Fragen Auskünfte betreffen, die nicht Gegenstand früherer Auskunftsverlangen waren. Dies trifft auf die Fragengruppen 1B, 1C, 1G, 6A, 6B, 7, 8A bis 8C, 9C und 11 zu.

129    Außerdem ist in Bezug auf die Fragen 1A, 1Ei) bis 1Eiii), 1F, 2 bis 5, 9A, 9B und 10 von Anhang I des angefochtenen Beschlusses festzustellen, dass sie in Wirklichkeit auf die Mitteilung zusätzlicher Informationen gegenüber den aufgrund früherer Auskunftsverlangen übermittelten hinauslaufen, da sie wegen der Änderung ihres Anwendungsbereichs oder der Hinzufügung zusätzlicher Variablen einen höheren Genauigkeitsgrad aufweisen.

130    Daraus ist zu schließen, dass der Umstand, dass mit dem Fragebogen in Anhang I des angefochtenen Beschlusses entweder neue oder genauere Auskünfte eingeholt werden sollen, die Erforderlichkeit der verlangten Auskünfte rechtfertigen kann.

131    Demnach ist diese zweite Rüge und damit der Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

 Zum achten Klagegrund, mit dem gerügt wird, dass die Kommission nicht befugt sei, Auskünfte über die tschechische Tochtergesellschaft von Holcim für die Zeit vor dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union zu verlangen

132    Die Klägerinnen halten die Kommission nicht für befugt, Auskünfte über ihre tschechische Tochtergesellschaft für die Zeit vor dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union zu verlangen.

133    Nach Ansicht der Kommission ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.

134    Unter Berücksichtigung des Wortlauts und der Zielsetzung von Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 und im Einklang mit der oben in den Rn. 109 und 110 dargestellten Rechtsprechung ist festzustellen, dass die in dieser Bestimmung vorgesehenen Untersuchungsbefugnisse nur daran geknüpft sind, dass die verlangten Auskünfte nach Einschätzung der Kommission erforderlich sein müssen, um die die Durchführung der Untersuchung rechtfertigenden Verdachtsmomente für eine Zuwiderhandlung zu überprüfen und, im vorliegenden Fall, namentlich eventuelle Verstöße gegen Art. 101 AEUV aufzudecken. Eine Auslegung von Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003, die es der Kommission grundsätzlich verböte, von einem Unternehmen Auskünfte über einen Zeitraum, in dem es den Wettbewerbsregeln der Union nicht unterlag, zu verlangen, obwohl solche Auskünfte erforderlich wären, um einen etwaigen Verstoß gegen diese Regeln ab dem Zeitpunkt, ab dem es ihnen unterlag, nachzuweisen, wäre daher geeignet, dieser Vorschrift ihre praktische Wirksamkeit zu nehmen, und liefe der Verpflichtung der Kommission zuwider, alle maßgeblichen Anhaltspunkte des Einzelfalls sorgfältig und unparteiisch zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil Slovak Telekom/Kommission, oben in Rn. 42 angeführt, Rn. 45).

135    Der achte Klagegrund ist folglich zurückzuweisen, so dass die Klage insgesamt abzuweisen ist.

 Kosten

136    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen unterlegen sind, sind ihnen neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Kommission einschließlich der durch das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstandenen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Holcim (Deutschland) AG und die Holcim Ltd tragen die Kosten einschließlich der durch das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstandenen Kosten.

Dittrich

Wiszniewska-Białecka

Prek

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. März 2014.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Sachverhalt und Verfahren

Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

Zum ersten Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, dass der angefochtene Beschluss nicht wirksam zugestellt worden sei

Zum vierten Klagegrund, mit dem eine Verletzung der Begründungspflicht gerügt wird

Zum zweiten, die Unzulänglichkeit der Antwortfrist betreffenden Klagegrund

Zum dritten Klagegrund, mit dem im Wesentlichen ein Verstoß gegen Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 gerügt wird

Zum fünften Klagegrund, mit dem im Wesentlichen die Verhältnismäßigkeit des Erlasses eines Auskunftsbeschlusses in Abrede gestellt wird

Zum sechsten Klagegrund: Verstoß gegen den allgemeinen Bestimmtheitsgrundsatz

Zum siebten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerügt wird

Zum ersten, die Unverhältnismäßigkeit der mit der Beantwortung des Fragebogens verbundenen Arbeitsbelastung betreffenden Teil des Klagegrundes

Zum zweiten, die Erforderlichkeit der angeforderten Auskünfte betreffenden Teil des Klagegrundes

– Zur Beanstandung der Erforderlichkeit einiger verlangter Auskünfte in Anbetracht der Vermutungen, denen die Kommission nachzugehen beabsichtigt

– Zur Beanstandung der Erforderlichkeit einiger verlangter Auskünfte, weil sie der Kommission bereits vorlägen

Zum achten Klagegrund, mit dem gerügt wird, dass die Kommission nicht befugt sei, Auskünfte über die tschechische Tochtergesellschaft von Holcim für die Zeit vor dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union zu verlangen

Kosten


* Verfahrenssprache: Deutsch.