Language of document : ECLI:EU:T:2014:121

URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)

14. März 2014(*)

„Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Auskunftsbeschluss – Erforderlichkeit der verlangten Auskünfte – Hinreichend ernsthafte Indizien – Gerichtliche Nachprüfung – Verhältnismäßigkeit“

In der Rechtssache T‑296/11

Cementos Portland Valderrivas, SA mit Sitz in Pamplona (Spanien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte L. Ortiz Blanco, A. Lamadrid de Pablo und N. Ruiz García,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch F. Castillo Contreras, C. Urraca Caviedes und C. Hödlmayr als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt A. Rivas,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung des Beschlusses C(2011) 2368 final der Kommission vom 30. März 2011 in einem Verfahren nach Artikel 18 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates (Sache 39520 – Zement und verwandte Produkte)

erlässt

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Dittrich, der Richterin I. Wiszniewska-Białecka und des Richters M. Prek (Berichterstatter),

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Februar 2013

folgendes

Urteil

 Sachverhalt und Verfahren

1        Im November 2008 und im September 2009 führte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 20 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101 AEUV] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) mehrere Nachprüfungen in den Räumlichkeiten von Gesellschaften der Zementbranche durch. Im Anschluss an diese Nachprüfungen wurden Auskunftsverlangen nach Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 verschickt. Die Klägerin, die Cementos Portland Valderrivas, SA war weder von Nachprüfungen in ihren Räumlichkeiten noch von Auskunftsverlangen betroffen.

2        Mit Schreiben vom 17. November 2010 unterrichtete die Kommission die Klägerin von ihrer Absicht, einen Auskunftsbeschluss nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 an sie zu richten, und übermittelte ihr den Entwurf des Fragebogens, den sie diesem Beschluss beizufügen gedachte.

3        Mit Schreiben vom 3. Dezember 2010 nahm die Klägerin zu diesem Fragebogenentwurf Stellung.

4        Am 6. Dezember 2010 teilte die Kommission der Klägerin mit, dass sie beschlossen habe, gegen die Klägerin und sieben weitere in der Zementbranche tätige Unternehmen ein Verfahren nach Art. 11 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 wegen mutmaßlicher Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV einzuleiten, bei denen es sich um „die Beschränkung des Handelsverkehrs im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), einschließlich der Beschränkung von Einfuhren in den EWR [aus] Länder[n] außerhalb des EWR, um Marktaufteilung, um Preisabsprachen und [um] andere verbundene wettbewerbswidrige Praktiken in den Märkten für Zement und verwandte Produkte“ handele.

5        Am 30. März 2011 erließ die Kommission den Beschluss C(2011) 2368 final in einem Verfahren nach Artikel 18 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1/2003 (Sache 39520 – Zement und verwandte Produkte) (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

6        Im angefochtenen Beschluss wies die Kommission darauf hin, dass sie nach Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 zur Erfüllung der ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben durch einfaches Auskunftsverlangen oder durch Beschluss von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen verlangen könne, alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen (dritter Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Im Anschluss an den Hinweis, dass die Klägerin von der Absicht der Kommission, einen Beschluss nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 zu erlassen, in Kenntnis gesetzt worden sei und zu einem Fragebogenentwurf Stellung genommen habe (Erwägungsgründe 4 und 5 des angefochtenen Beschlusses), ersuchte die Kommission die Klägerin sowie ihre in der Europäischen Union ansässigen und von ihr direkt oder indirekt kontrollierten Tochtergesellschaften per Beschluss, den 94 Seiten umfassenden und aus elf Fragengruppen bestehenden Fragebogen in Anhang I des angefochtenen Beschlusses zu beantworten (sechster Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Anhang II des Beschlusses enthält Anweisungen für die Abfassung der Antworten auf diesen Fragebogen, während sich die zu verwendenden Antwortvorlagen in Anhang III befinden.

7        Die Kommission wies ferner auf die oben in Rn. 4 wiedergegebene Beschreibung der mutmaßlichen Zuwiderhandlungen hin (zweiter Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

8        Unter Verweis auf Art und Umfang der verlangten Auskünfte sowie auf die Schwere der mutmaßlichen Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln erachtete es die Kommission für angemessen, der Klägerin eine Frist von zwölf Wochen für die Beantwortung der ersten zehn Fragengruppen und von zwei Wochen für die Beantwortung der elften, „Kontakte und Sitzungen“ betreffenden Fragengruppe zu gewähren (achter Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses)

9        Der verfügende Teil des angefochtenen Beschlusses lautet:

Artikel 1

[Die Klägerin] (einschließlich ihrer Tochtergesellschaften in der EU, die direkt oder indirekt von ihr kontrolliert werden) muss die in Anhang I dieses Beschlusses beschriebenen Informationen in der in Anhang II und Anhang III dieses Beschlusses verlangten Form innerhalb von zwölf Wochen bezüglich der Fragen 1 bis 10 und innerhalb von zwei Wochen bezüglich Frage 11 nach Bekanntgabe dieses Beschlusses vorlegen. Alle Anhänge sind Bestandteil dieses Beschlusses.

Artikel 2

Dieser Beschluss ist an die [Klägerin] (einschließlich ihrer Tochtergesellschaften in der EU, die direkt oder indirekt von ihr kontrolliert werden) … gerichtet.“

10      Am 15. April 2011 übermittelte die Klägerin ihre Antwort auf die elfte Fragengruppe. Am 3. Mai 2011 verlangte die Kommission Erläuterungen zu dieser Antwort. Am 4. und am 31. Mai 2011 antwortete die Klägerin der Kommission.

11      Am 9. Mai 2011 beantragte die Klägerin bei der Kommission, sie in Anbetracht des finanziellen Schadens, den die erhebliche, mit der Pflicht zur Beantwortung des angefochtenen Beschlusses in einem besonders schwierigen wirtschaftlichen Kontext verbundene Arbeitsbelastung verursache, von dieser Pflicht zu entbinden und jedenfalls die Beantwortungsfrist zu verlängern.

12      Am 19. Mai 2011 fand ein Treffen von Vertretern der Kommission und der Klägerin statt.

13      Am 25. Mai 2011 beantragte die Klägerin bei der Kommission, die Frist für die Beantwortung der ersten zehn Fragengruppen um acht Wochen zu verlängern oder zumindest eine teilweise Beantwortung zu akzeptieren.

14      Am 1. Juni 2011 lehnte die Kommission die Gewährung der beantragten Verlängerung ab und ersuchte die Klägerin um genaue Angabe der Fragen, bei denen ihres Erachtens eine zusätzliche Frist erforderlich sei.

15      Am 7. Juni 2011 beantragte die Klägerin eine zusätzliche Beantwortungsfrist für die Fragen 1B, 3, 5, 9A und 9B von zwei Wochen, bis zum 11. Juli 2011.

16      Mit Klageschrift, die am 10. Juni 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses erhoben.

17      Mit besonderem Schriftsatz, der am 15. Juni 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, mit dem sie den Präsidenten des Gerichts ersucht hat, den Vollzug des angefochtenen Beschlusses auszusetzen.

18      Mit Schreiben vom 23. Juni 2011 unterrichtete die Kommission die Klägerin darüber, dass ihre Frist für die Beantwortung der ersten zehn Fragengruppen um fünf Wochen, d. h. bis zum 2. August 2011, verlängert werde.

19      Der Präsident des Gerichts hat den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit Beschluss vom 29. Juli 2011, Cementos Portland Valderrivas/Kommission (T‑296/11 R, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), zurückgewiesen.

20      Am 2. August 2011 beantwortete die Klägerin die ersten zehn Fragengruppen.

21      Das Gericht (Siebte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

22      Die Parteien haben in der Sitzung vom 6. Februar 2013 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet. Am Ende der Sitzung hat das Gericht beschlossen, das mündliche Verfahren nicht zu schließen.

23      Am 25. März 2013 hat das Gericht im Rahmen der in Art. 64 seiner Verfahrensordnung vorgesehenen prozessleitenden Maßnahmen die Kommission aufgefordert, ihm eine Liste und eine Zusammenfassung der Indizien vorzulegen, aufgrund deren sie ein Verfahren nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 gegen die Klägerin eingeleitet hat.

24      Am 11. April 2013 hat sich die Kommission geweigert, dieser Aufforderung nachzukommen. Mit Beschluss vom 14. Mai 2013 hat das Gericht der Kommission aufgegeben, ihm die Liste der genannten Indizien und deren Zusammenfassung vorzulegen. Nach Art. 67 § 3 Unterabs. 1 der Verfahrensordnung ist, um den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens einerseits sowie die Merkmale des Verfahrensabschnitts der Voruntersuchung – in dem das betroffene Unternehmen weder das Recht hat, über die wesentlichen Gesichtspunkte informiert zu werden, auf die sich die Kommission stützt, noch ein Recht auf Akteneinsicht – miteinander in Einklang zu bringen, durch den Beschluss vom 14. Mai 2013 die Einsichtnahme in die von der Kommission vorgelegten Auskünfte allein den Rechtsanwälten der Klägerin vorbehalten worden, unter der Bedingung, dass sie sich zur Vertraulichkeit verpflichten.

25      Die Kommission ist diesem Ersuchen fristgerecht nachgekommen und hat dem Gericht die Liste und eine Zusammenfassung der Indizien vorgelegt, auf deren Grundlage sie ein Verfahren nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 gegen die Klägerin eingeleitet hat.

26      Am 19. Juni 2013 haben die Rechtsanwälte der Klägerin die in der obigen Rn. 23 erwähnten Schriftstücke in der Kanzlei des Gerichts eingesehen, und am 15. Juli 2013 haben sie zu den von der Kommission vorgelegten Schriftstücken Stellung genommen. Schließlich hat die Kommission am 18. September 2013 auf die Stellungnahmen der Rechtsanwälte der Klägerin geantwortet.

27      Das mündliche Verfahren ist am 27. September 2013 geschlossen worden.

 Anträge der Parteien

28      Die Klägerin beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

29      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

30      Die Klägerin stützt ihre Klage auf einen einzigen Klagegrund, mit dem sie einen Verstoß gegen Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 und gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rügt. Dieser Klagegrund besteht im Wesentlichen aus vier Teilen, die erstens den als willkürlich eingestuften Charakter des angefochtenen Beschlusses, zweitens die fehlende Erforderlichkeit der verlangten Auskünfte, drittens die Natur der verlangten Auskünfte und viertens die Unverhältnismäßigkeit des Auskunftsverlangens betreffen.

 Zum ersten Teil des einzigen Klagegrundes, mit dem gerügt wird, dass der angefochtene Beschluss willkürlich sei

31      Die Klägerin ist im Wesentlichen der Ansicht, dass die bloße Nennung der mutmaßlichen Zuwiderhandlungen im angefochtenen Beschluss keinen hinreichenden Schutz gegen einen Missbrauch der Befugnisse der Kommission darstelle, die sie aus Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 ableite. Die Kommission müsse über Indizien für das Vorliegen einer Zuwiderhandlung verfügen. Weder der angefochtene Beschluss noch dessen Kontext erlaube die Annahme, dass die Kommission im Besitz solcher Indizien sei. Dies deute vielmehr darauf hin, dass der angefochtene Beschluss Ausforschungscharakter habe (fishing expedition) und dazu diene, etwaige Indizien für eine Verletzung des Wettbewerbsrechts zu finden. Die Klägerin regt auch an, dass das Gericht um Mitteilung der Indizien ersuche, auf die sich die Kommission stütze.

32      Die Kommission weist darauf hin, dass sie aufgrund ihrer Pflicht zur Begründung eines Auskunftsbeschlusses gehalten sei, klar anzugeben, welche mutmaßlichen Zuwiderhandlungen sie prüfen wolle, nicht aber, über welche Indizien sie verfüge. Beim Erlass des angefochtenen Beschlusses habe sie über solche Indizien verfügt.

33      Bei der Beantwortung des vorliegenden Teils des Klagegrundes ist zu berücksichtigen, dass das Verwaltungsverfahren nach der Verordnung Nr. 1/2003, das vor der Kommission stattfindet, in zwei unterschiedliche, aufeinanderfolgende Abschnitte unterteilt ist, die jeweils einer eigenen inneren Logik folgen, nämlich einen Abschnitt der Voruntersuchung und einen kontradiktorischen Abschnitt. Der Abschnitt der Voruntersuchung, in dem die Kommission von ihren in der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Untersuchungsbefugnissen Gebrauch macht und der bis zur Mitteilung der Beschwerdepunkte währt, soll es der Kommission ermöglichen, alle relevanten Elemente zusammenzutragen, durch die das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln bestätigt oder nicht bestätigt wird, und eine erste Position zur Ausrichtung und zum weiteren Gang des Verfahrens einzunehmen. Dagegen soll der kontradiktorische Abschnitt, der sich von der Mitteilung der Beschwerdepunkte bis zum Erlass der Endentscheidung erstreckt, es der Kommission ermöglichen, sich abschließend zu der gerügten Zuwiderhandlung zu äußern (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2008, AC-Treuhand/Kommission, T‑99/04, Slg. 2008, II‑1501, Rn. 47).

34      Zum einen beginnt der Abschnitt der Voruntersuchung, wenn die Kommission in Ausübung der ihr durch die Art. 18 und 20 der Verordnung Nr. 1/2003 verliehenen Befugnisse Maßnahmen trifft, die mit dem Vorwurf verbunden sind, eine Zuwiderhandlung begangen zu haben, und die erhebliche Auswirkungen auf die Situation der unter Verdacht stehenden Unternehmen haben. Zum anderen wird das betroffene Unternehmen erst zu Beginn des kontradiktorischen Abschnitts des Verwaltungsverfahrens durch die Mitteilung der Beschwerdepunkte über alle wesentlichen Gesichtspunkte informiert, auf die sich die Kommission in diesem Verfahrensstadium stützt, und verfügt erst zu diesem Zeitpunkt zur Sicherstellung der wirksamen Ausübung seiner Verteidigungsrechte über ein Recht auf Akteneinsicht. Folglich kann das betroffene Unternehmen seine Verteidigungsrechte erst nach Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte umfassend geltend machen. Durch die Erstreckung dieser Rechte auf den Zeitraum vor Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte würde nämlich die Wirksamkeit der von der Kommission durchgeführten Untersuchung beeinträchtigt, da das betroffene Unternehmen schon im Abschnitt der Voruntersuchung erfahren würde, welche Informationen der Kommission bekannt sind und welche damit noch vor ihr verborgen werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil AC-Treuhand/Kommission, oben in Rn. 33 angeführt, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Die von der Kommission im Abschnitt der Voruntersuchung ergriffenen Ermittlungsmaßnahmen, insbesondere die Nachprüfungsmaßnahmen und die Auskunftsverlangen, implizieren jedoch naturgemäß den Vorwurf einer Zuwiderhandlung und können erhebliche Auswirkungen auf die Situation der unter Verdacht stehenden Unternehmen haben. Folglich muss verhindert werden, dass die Verteidigungsrechte in diesem Abschnitt des Verwaltungsverfahrens in nicht wiedergutzumachender Weise beeinträchtigt werden könnten, da die getroffenen Ermittlungsmaßnahmen zur Erbringung von Beweisen für rechtswidrige Verhaltensweisen von Unternehmen, die geeignet sind, deren Haftung auszulösen, von entscheidender Bedeutung sein können (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 21. September 1989, Hoechst/Kommission, 46/87 und 227/88, Slg. 1989, 2859, Rn. 15, und Urteil AC-Treuhand/Kommission, oben in Rn. 33 angeführt, Rn. 50 und 51).

36      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die der Kommission nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 obliegende Verpflichtung zur Angabe der Rechtsgrundlage und des Zwecks eines Auskunftsverlangens ein grundlegendes Erfordernis darstellt, da dadurch die Berechtigung des Ersuchens um Auskünfte der betreffenden Unternehmen aufgezeigt werden soll, diese aber auch in die Lage versetzt werden sollen, den Umfang ihrer Mitwirkungspflicht zu erkennen und zugleich ihre Verteidigungsrechte zu wahren. Daraus folgt, dass die Kommission nur Auskünfte verlangen darf, die ihr die Prüfung der die Durchführung der Untersuchung rechtfertigenden und im Auskunftsverlangen angegebenen mutmaßlichen Zuwiderhandlungen ermöglichen können (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteile des Gerichts vom 12. Dezember 1991, SEP/Kommission, T‑39/90, Slg. 1991, II‑1497, Rn. 25, und vom 8. März 1995, Société Générale/Kommission, T‑34/93, Slg. 1995, II‑545, Rn. 40).

37      Nach alledem kann von der Kommission nicht verlangt werden, im Stadium des Abschnitts der Voruntersuchung außer den mutmaßlichen Zuwiderhandlungen, denen sie nachzugehen beabsichtigt, auch die Indizien anzugeben, d. h. die Gesichtspunkte, aufgrund deren sie die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 101 AEUV in Betracht zieht. Eine solche Verpflichtung würde nämlich das durch die Rechtsprechung geschaffene Gleichgewicht zwischen dem Schutz der Wirksamkeit der Untersuchung und dem Schutz der Verteidigungsrechte des betroffenen Unternehmens in Frage stellen.

38      Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass die Kommission vor dem Erlass eines Beschlusses gemäß Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht im Besitz von Anhaltspunkten sein muss, aufgrund deren sie einen Verstoß gegen Art. 101 AEUV für denkbar hält.

39      Das Erfordernis eines Schutzes gegen willkürliche oder unverhältnismäßige Eingriffe der öffentlichen Gewalt in die Sphäre der privaten Betätigung jeder – natürlichen oder juristischen – Person stellt nämlich einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts dar (Urteil des Gerichts vom 22. März 2012, Slovak Telekom/Kommission, T‑458/09 und T‑171/10, Rn. 81).

40      Zur Wahrung dieses allgemeinen Grundsatzes muss ein Auskunftsbeschluss auf die Erlangung von Unterlagen gerichtet sein, die erforderlich sind, um die Richtigkeit und die Tragweite einer bestimmten Sach- und Rechtslage zu überprüfen, in Bezug auf die die Kommission bereits über Erkenntnisse verfügt, die hinreichend ernsthafte Indizien für den Verdacht einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln darstellen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 22. Oktober 2002, Roquette Frères, C‑94/00, Slg. 2002, I‑9011, Rn. 54 und 55).

41      Im vorliegenden Fall hat die Klägerin das Gericht ausdrücklich ersucht, der Kommission die Vorlage der in ihrem Besitz befindlichen Indizien aufzugeben, damit sich das Gericht vergewissern kann, dass der angefochtene Beschluss keinen willkürlichen Charakter hat. Zur Rechtfertigung dieses Ersuchens führt die Klägerin aus, sie habe Zweifel, dass sich solche Informationen vor dem Erlass des angefochtenen Beschlusses im Besitz der Kommission befunden hätten. Statt die Richtigkeit und die Tragweite einer bestimmten Sach- und Rechtslage zu überprüfen, in Bezug auf die sie bereits über Erkenntnisse verfüge, versuche die Kommission vermutlich in Wirklichkeit, Anhaltspunkte zu finden, die für eine Zuwiderhandlung sprechen könnten. Die Klägerin stützt ihr Vorbringen auf die besonders große Tragweite des an sie gerichteten angefochtenen Beschlusses und darauf, dass die Kommission keine Nachprüfung in ihren Räumlichkeiten im Sinne von Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgenommen und kein Auskunftsverlangen im Sinne von Art. 18 Abs. 2 dieser Verordnung an sie gerichtet habe.

42      Da dem Gericht ein entsprechender Antrag vorliegt und die Klägerin einige Anhaltspunkte vorgetragen hat, die geeignet sind, Zweifel an der hinreichenden Ernsthaftigkeit der Indizien zu wecken, aufgrund deren die Kommission einen Beschluss im Sinne von Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 erließ, ist das Gericht gehalten, diese Indizien zu untersuchen und nachzuprüfen, ob sie hinreichend ernsthaft sind.

43      Die Beurteilung der hinreichenden Ernsthaftigkeit dieser Indizien ist unter Berücksichtigung des Umstands vorzunehmen, dass der angefochtene Beschluss im Rahmen des Abschnitts der Voruntersuchung ergangen ist, der es der Kommission ermöglichen soll, alle relevanten Elemente zusammenzutragen, durch die das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln bestätigt oder nicht bestätigt wird, und eine erste Position zur Ausrichtung und zum weiteren Gang des Verfahrens einzunehmen. Zu diesem Zweck darf die Kommission Auskunftsverlangen nach Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 versenden oder Nachprüfungen nach Art. 20 der Verordnung vornehmen. Daher kann in dieser Phase von der Kommission vor dem Erlass eines Auskunftsbeschlusses nicht verlangt werden, dass sie sich im Besitz von Anhaltspunkten für das Vorliegen einer Zuwiderhandlung befindet. Die Kommission ist daher schon dann berechtigt, zusätzliche Auskünfte im Wege eines Beschlusses gemäß Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 zu verlangen, wenn diese Indizien geeignet sind, einen begründeten Verdacht des Vorhandenseins mutmaßlicher Zuwiderhandlungen zu wecken.

44      Die Kommission hat in ihrer Antwort auf den Beschluss vom 14. Mai 2013 dem Gericht die Indizien zur Kenntnis gebracht, über die sie verfügte und die ihres Erachtens den Erlass des angefochtenen Beschlusses rechtfertigten.

45      Nach Kenntnisnahme der von der Kommission vorgelegten Zusammenfassung sowie der darin enthaltenen Auszüge aus Indizien bejaht das Gericht die Berechtigung der Kommission, einen Auskunftsbeschluss an die Klägerin zu richten, und zwar für alle vom angefochtenen Beschluss erfassten mutmaßlichen Zuwiderhandlungen. Diese sind im zweiten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses genannt und betreffen die Beschränkung des Handelsverkehrs im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), einschließlich der Beschränkung von Einfuhren in den EWR aus Ländern außerhalb des EWR, Marktaufteilung, Preisabsprachen und andere verbundene wettbewerbswidrige Praktiken in den Märkten für Zement und verwandte Produkte.

46      Als Erstes ist zur Beschränkung des Handelsverkehrs im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), einschließlich der Beschränkung von Einfuhren in den EWR aus Ländern außerhalb des EWR, festzustellen, dass die Bezugnahme in der Zusammenfassung und den Auszügen des Dokuments [vertraulich] die Kommission dazu berechtigte, die Erlangung von Auskünften über das Verhalten der Klägerin anzustreben. Desgleichen konnten die Angaben in der Zusammenfassung und den Auszügen des Dokuments [vertraulich].

47      Ferner geht aus der Zusammenfassung und den Auszügen des Dokuments [vertraulich] hervor, [vertraulich]. Ein solches Dokument war bei vernünftiger Betrachtung geeignet, die Kommission zu veranlassen, die Klägerin der Beteiligung [vertraulich] an Praktiken zur Beschränkung des Handelsverkehrs zu verdächtigen.

48      Was als Zweites die mutmaßlichen Zuwiderhandlungen in Form der Marktaufteilung angeht, stellen mehrere Kategorien von Anhaltspunkten, die die Kommission vorgetragen hat, hinreichend ernsthafte Indizien dar, um es ihr zu erlauben, an die Klägerin hierzu ein Auskunftsverlangen zu richten. Erstens kann sich die Hypothese der Kommission, es gebe eine grundsätzliche Marktaufteilung, [vertraulich].

49      Zweitens ist festzustellen, dass [vertraulich]. Gleiches gilt für das Dokument [vertraulich].

50      Drittens bezieht sich die Kommission im Kern auf eine [vertraulich].

51      Viertens schließlich, in einem Kontext, in dem die Kommission über [vertraulich] verfügte, [vertraulich].

52      Was als Drittes die Preisabsprachen und andere verbundene wettbewerbswidrige Praktiken im Sinne des zweiten Erwägungsgrundes des angefochtenen Beschlusses betrifft, [vertraulich]. Erstens [vertraulich].

53      Zweitens wurde das Dokument [vertraulich].

54      Drittens war die Kommission berechtigt, aus dem Verweis in der Zusammenfassung und den Auszügen des Dokuments [vertraulich] abzuleiten, [vertraulich].

55      Schließlich kann viertens auch aus der Zusammenfassung und den Auszügen des Dokuments [vertraulich] bei vernünftiger Betrachtung abgeleitet werden, [vertraulich].

56      Aus alledem ist zu schließen, dass sich die Kommission im Besitz hinreichend ernsthafter Indizien befand, die es ihr erlaubten, die Erlangung zusätzlicher Auskünfte der Klägerin in Bezug auf alle im zweiten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses angeführten mutmaßlichen Zuwiderhandlungen anzustreben.

57      Dieses Ergebnis wird durch das Vorbringen in der Stellungnahme zur Antwort der Kommission auf die prozessleitenden Maßnahmen nicht entkräftet.

58      Dieses Vorbringen beruht im Wesentlichen auf einer abweichenden Auslegung der von der Kommission herangezogenen Indizien. Beispielsweise wird ausgeführt, dass [vertraulich].

59      Ein solches Vorbringen berücksichtigt nicht den besonderen Rahmen, in den sich der angefochtene Beschluss einfügt, da es in Wirklichkeit auf die Ansicht hinausläuft, dass die von der Kommission herangezogenen Anhaltspunkte nicht geeignet seien, die Beteiligung der Klägerin an den mutmaßlichen Zuwiderhandlungen darzutun, die Gegenstand des angefochtenen Beschlusses sind. Aus den oben in Rn. 43 angegebenen Gründen trifft die Kommission aber keine solche Darlegungslast, da sonst die ihr durch die Art. 18 und 20 der Verordnung Nr. 1/2003 verliehenen Befugnisse nutzlos würden. Deshalb kann der Umstand, dass die herangezogenen Anhaltspunkte unterschiedlich ausgelegt werden können, nicht verhindern, dass sie hinreichend ernsthafte Indizien im Sinne der oben in Rn. 40 angeführten Rechtsprechung darstellen, sofern die von der Kommission vertretene Auslegung plausibel erscheint.

60      Ferner wird hervorgehoben, dass [vertraulich].

61      Nach alledem ist der erste Teil des Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil des einzigen Klagegrundes, mit dem die fehlende Erforderlichkeit der verlangten Auskünfte gerügt wird

62      Die Klägerin bestreitet im Wesentlichen die Erforderlichkeit, im Sinne von Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003, der mit dem angefochtenen Beschluss verlangten Auskünfte. Ihr Vorbringen lässt sich in zwei Rügen aufteilen. Im Rahmen einer ersten Rüge macht die Klägerin geltend, dass der angefochtene Beschluss zahlreiche Beispiele von Auskünften umfasse, die dieser Voraussetzung der Erforderlichkeit nicht entsprächen, da sie keinen Bezug zu den im angefochtenen Beschluss erwähnten mutmaßlichen Zuwiderhandlungen hätten. Im Rahmen einer zweiten Rüge bestreitet die Klägerin die Erforderlichkeit der verlangten Auskünfte, die sich bereits im Besitz der Kommission befänden oder öffentlich verfügbar seien. In der Stellungnahme zur Antwort der Kommission auf die prozessleitenden Maßnahmen des Gerichts wird schließlich eine dritte, die Erforderlichkeit des Auskunftsverlangens betreffende Rüge vorgebracht, wonach keine Beziehung zwischen den im Besitz der Kommission befindlichen Indizien und dem der Klägerin übermittelten Fragebogen bestehe.

63      Die Kommission beantragt, den vorliegenden Teil des Klagegrundes zurückzuweisen.

64      Vorab ist die in der Stellungnahme zur Antwort der Kommission erhobene Rüge zurückzuweisen. Zwar ist sie nach Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung zulässig, da sie auf tatsächliche Gründe gestützt wird, die der Klägerin zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht zugänglich waren, doch entspricht sie nicht den Anforderungen von Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung, da sie sich auf eine allgemeine Beanstandung beschränkt und nicht die besonderen Gründe erläutert, aus denen keine Beziehung zwischen dem Fragebogen und den im Besitz der Kommission befindlichen Indizien bestehen soll. Daher ist diese Rüge nicht klar und präzise genug, um der Beklagten die Vorbereitung ihrer Verteidigung und dem Gericht, gegebenenfalls ohne Einholung weiterer Informationen, die Entscheidung über die Klage zu ermöglichen, und ist daher für unzulässig zu erklären (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, Mo och Domsjö/Kommission, T‑352/94, Slg. 1998, II‑1989, Rn. 333 und 334). Sollte sich diese Rüge schließlich auf das Vorbringen stützen, mit dem die Beweiskraft der von der Kommission vorgelegten Indizien in Abrede gestellt wird, wäre sie aus den oben in den Rn. 43 bis 59 dargestellten Gründen zurückzuweisen.

 Zum Bestreiten der Erforderlichkeit einiger verlangter Auskünfte im Hinblick auf die Verdachtsfälle, denen die Kommission nachgehen möchte

65      Wie bereits oben in Rn. 36 hervorgehoben worden ist, darf die Kommission nur Auskünfte verlangen, die ihr die Prüfung der die Durchführung der Untersuchung rechtfertigenden und im Auskunftsverlangen angegebenen mutmaßlichen Zuwiderhandlungen ermöglichen können (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteile SEP/Kommission, oben in Rn. 36 angeführt, Rn. 25, und Société Générale/Kommission, oben in Rn. 36 angeführt, Rn. 40).

66      In Anbetracht der weitgehenden Ermittlungs- und Nachprüfungsbefugnisse der Kommission ist es ihre Sache, die Erforderlichkeit der Auskünfte zu beurteilen, die sie von den betroffenen Unternehmen verlangt (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 18. Mai 1982, AM & S Europe/Kommission, 155/79, Slg. 1982, 1575, Rn. 17, und vom 18. Oktober 1989, Orkem/Kommission, 374/87, Slg. 1989, 3283, Rn. 15). Zu der vom Gericht ausgeübten Kontrolle dieser Beurteilung der Kommission ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung bei der Auslegung des Begriffs der erforderlichen Auskünfte auf den Zweck abzustellen ist, zu dem der Kommission die fraglichen Untersuchungsbefugnisse übertragen wurden. Das Erfordernis eines Zusammenhangs zwischen dem Auskunftsverlangen und der mutmaßlichen Zuwiderhandlung ist daher erfüllt, wenn in diesem Stadium des Verfahrens Grund zu der Annahme besteht, dass das Verlangen insofern in Beziehung zur mutmaßlichen Zuwiderhandlung steht, als die Kommission vernünftigerweise davon ausgehen kann, dass ihr das Dokument bei der Ermittlung des Vorliegens der gerügten Zuwiderhandlung helfen wird (Urteile SEP/Kommission, oben in Rn. 36 angeführt, Rn. 29, und Slovak Telekom/Kommission, oben in Rn. 39 angeführt, Rn. 42).

67      Die einzigen Fragen, deren Erforderlichkeit die Klägerin aus diesem Grund anzweifelt, sind die Fragen 5 Punkt AG und 5 Punkt AH, mit denen von ihr verlangt wird, zum einen die auf jede Betriebsstätte jeder ihrer Gesellschaften entfallenden Kohlendioxid(CO2)-Emissionen in Tonnen und zum anderen den Durchschnittspreis der tatsächlich für die betreffende Anlage genutzten CO2-Emissionsrechte anzugeben.

68      Die Klägerin hat das Vorbringen in der Klagebeantwortung der Kommission, wonach die CO2-Emissionen einen der wichtigsten Bestandteile der Produktionskosten von Zement darstellten, die ihrerseits einer der wichtigsten Bestandteile des von den Kunden und den Verbrauchern verlangten Preises seien, nicht in Frage gestellt.

69      Ferner ist daran zu erinnern, dass eine der von der Kommission untersuchten mutmaßlichen Zuwiderhandlungen in einer möglichen Absprache der Preise zwischen konkurrierenden Unternehmen besteht. Bei Auskünften, die sich auf einen der wesentlichen Bestandteile der betreffenden Erzeugnisse beziehen, ist aber die Annahme berechtigt, dass sie einen Zusammenhang mit einer solchen mutmaßlichen Zuwiderhandlung aufweisen.

70      Diese Rüge ist daher zurückzuweisen.

 Zum Bestreiten der Erforderlichkeit bestimmter verlangter Auskünfte mit der Begründung, dass sie sich bereits im Besitz der Kommission befänden oder öffentlichen Charakter hätten

71      Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, die Übermittlung von Auskünften, die sich bereits im Besitz der Kommission befänden oder öffentlichen Charakter hätten, könne nicht als erforderlich im Sinne von Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 betrachtet werden.

72      Zwar trifft es zu, dass das Gericht in seinem Urteil vom 30. September 2003, Atlantic Container Line u. a./Kommission (T‑191/98, T‑212/98 bis T‑214/98, Slg. 2003, II‑3275, Rn. 425), hervorgehoben hat, dass Auskunftsverlangen, die auf die Erlangung von Informationen aus einem bereits im Besitz der Kommission befindlichen Schriftstück gerichtet sind, nicht als durch die Erfordernisse der Untersuchung gerechtfertigt angesehen werden können.

73      An die Klägerin wurden jedoch zuvor keine Auskunftsverlangen nach Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 gerichtet. Daher kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass mit dem Fragebogen in Anhang I des angefochtenen Beschlusses von der Klägerin Auskünfte verlangt werden, die sich bereits im Besitz der Kommission befinden.

74      In Bezug auf die Rüge, dass einige der verlangten Auskünfte öffentlich und damit auch der Kommission zugänglich seien, ohne dass sie deren Übermittlung anzuordnen brauche, besteht das einzige von der Klägerin angeführte Beispiel aus den „Postleitzahlen im Zusammenhang mit einer bestimmten Anschrift“.

75      Solche Auskünfte sind jedoch die logische Ergänzung von Informationen, die allein der Klägerin vorliegen. Daher kann ihr etwaiger öffentlicher Charakter nichts daran ändern, dass sie als erforderlich im Sinne von Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 angesehen werden können.

76      Somit sind die zweite Rüge und damit der zweite Teil des Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum dritten Teil des einzigen Klagegrundes, mit dem die Natur der verlangten Auskünfte gerügt wird

77      Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 sei die Kommission nur befugt, von den Wirtschaftsteilnehmern die in ihrem Besitz befindlichen Informationen oder Daten zu verlangen, nicht jedoch anzuordnen, dass ein Unternehmen diese Informationen bearbeite, um sie in einem Format vorzulegen, das die Aufgabe der Kommission erleichtere, und damit die Beweise zu erstellen, die die Kommission ihm gegenüber verwenden wolle.

78      Die Kommission beantragt, diesen Teil des Klagegrundes zurückzuweisen.

79      Der 23. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003 lautet: „Die Kommission sollte die Befugnis haben, im gesamten Bereich der [Union] die Auskünfte zu verlangen, die notwendig sind, um gemäß Artikel [101 AEUV] verbotene Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen sowie die nach Artikel [102 AEUV] untersagte missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung aufzudecken. Unternehmen, die einer Entscheidung der Kommission nachkommen, können nicht gezwungen werden, eine Zuwiderhandlung einzugestehen; sie sind auf jeden Fall aber verpflichtet, Fragen nach Tatsachen zu beantworten und Unterlagen vorzulegen, auch wenn die betreffenden Auskünfte dazu verwendet werden können, den Beweis einer Zuwiderhandlung durch die betreffenden oder andere Unternehmen zu erbringen.“

80      Da unter der Erteilung von „Auskünften“ im Sinne von Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht nur die Vorlage von Schriftstücken zu verstehen ist, sondern auch die Pflicht zur Beantwortung von Fragen zu diesen Schriftstücken, ist die Kommission somit nicht darauf beschränkt, allein die Vorlage von Daten zu verlangen, die unabhängig vom Tätigwerden des betroffenen Unternehmens vorliegen. Daher darf sie an ein Unternehmen Fragen richten, die voraussetzen, dass die verlangten Daten in eine bestimmte Form gebracht werden (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Schlussanträge des Generalanwalts Darmon zum Urteil Orkem/Kommission, oben in Rn. 66 angeführt, Slg. 1989, 3301, Nr. 55).

81      Es ist jedoch hervorzuheben, dass die Ausübung dieser Befugnis durch die Beachtung mindestens zweier Grundsätze begrenzt wird. Zum einen dürfen die an ein Unternehmen gerichteten Fragen, wie im 23. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003 ausgeführt wird, es nicht dazu zwingen, eine Zuwiderhandlung einzugestehen. Zum anderen darf die Beantwortung dieser Fragen keine Belastung darstellen, die zu den Erfordernissen der Untersuchung außer Verhältnis steht (Urteile SEP/Kommission, oben in Rn. 36 angeführt, Rn. 51, Atlantic Container Line u. a./Kommission, oben in Rn. 72 angeführt, Rn. 418, und Slovak Telekom/Kommission, oben in Rn. 39 angeführt, Rn. 81).

82      Im vorliegenden Fall wird zwar nicht vorgetragen, dass einige der an die Klägerin gerichteten Fragen sie zu Antworten verpflichteten, mit denen sie eine Zuwiderhandlung zugeben müsste, deren Nachweis die Kommission zu erbringen hat, doch rügt die Klägerin, dass die mit der Beantwortung des Fragebogens verbundene Belastung unverhältnismäßig sei. Da sich diese Rüge mit dem vierten Teil des Klagegrundes, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerügt wird, deckt, ist sie dort zu prüfen.

83      Unter diesem Vorbehalt ist der dritte Teil des Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum vierten Teil des einzigen Klagegrundes, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerügt wird

84      Im Rahmen dieses Teils des Klagegrundes rügt die Klägerin im Wesentlichen die Unverhältnismäßigkeit der mit dem angefochtenen Beschluss verbundenen Arbeitsbelastung in Anbetracht erstens des Umfangs und der Detailliertheit der verlangten Auskünfte sowie der Notwendigkeit, sie in einem bestimmten Format zu erteilen, zweitens der Beantwortungsfrist und drittens ihres Einflusses auf die finanzielle Situation der Klägerin. Schließlich macht die Klägerin geltend, dass das Zusammenwirken dieser verschiedenen Umstände das Gericht in jedem Fall veranlassen müsse, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu bejahen.

85      Die Kommission beantragt, diesen Teil des Klagegrundes zurückzuweisen.

86      Nach ständiger Rechtsprechung müssen die von der Kommission an ein Unternehmen gerichteten Auskunftsverlangen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, und die einem Unternehmen auferlegte Pflicht zur Auskunftserteilung darf für das Unternehmen keine Belastung darstellen, die zu den Erfordernissen der Untersuchung außer Verhältnis steht (Urteile SEP/Kommission, oben in Rn. 36 angeführt, Rn. 51, Atlantic Container Line u. a./Kommission, oben in Rn. 72 angeführt, Rn. 418, und Slovak Telekom/Kommission, oben in Rn. 39 angeführt, Rn. 81).

87      Im Rahmen einer ersten Rüge beanstandet die Klägerin den Umfang und die übermäßige Detailliertheit der verlangten Auskünfte sowie das von der Kommission vorgeschriebene Antwortformat. Sie verweist als Beispiel auf Frage 1B, die Angaben über sämtliche von den Unternehmen, die die Klägerin kontrolliere, im Inland in einem Zeitraum von zehn Jahren getätigten Käufe von fünf Erzeugnissen (Zement, CEM 1 lose, Klinker, Zuschlagstoffe, Zement aus Hochofenschlacke, granuliert und zerkleinert, sowie Zement aus Hochofenschlacke, granuliert) verlange und die Aufschlüsselung der Antwort anhand von 37 Parametern vorschreibe.

88      Zwar können der Umfang der mit dem Fragebogen verlangten Auskünfte, insbesondere bei Frage 1B, und ihr sehr hoher Genauigkeitsgrad nicht bestritten werden. Dies bedeutet unbestreitbar, dass die Beantwortung dieses Fragebogens für die Klägerin mit einer besonders hohen Belastung verbunden war.

89      Gleichwohl kann in Anbetracht der Erfordernisse der Untersuchung, die insbesondere mit den mutmaßlichen Zuwiderhandlungen, denen die Kommission nachzugehen beabsichtigt, und den Umständen des vorliegenden Verfahrens zusammenhängen, hieraus nicht geschlossen werden, dass diese Belastung unverhältnismäßigen Charakter hat.

90      Insoweit ist erstens daran zu erinnern, dass der angefochtene Beschluss zu einem Verfahren gehört, in dem es um Einschränkungen des Handelsverkehrs im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), einschließlich der Einschränkung von Einfuhren in den EWR aus Ländern außerhalb des EWR, um Marktaufteilung, um Preisabsprachen und um andere verbundene wettbewerbswidrige Praktiken in den Märkten für Zement und verwandte Produkte geht. Es ist festzustellen, dass der besonders weite Anwendungsbereich und die Schwere der von der Kommission untersuchten mutmaßlichen Zuwiderhandlungen die Erteilung einer hohen Zahl von Auskünften rechtfertigen können.

91      Zweitens ist auch darauf hinzuweisen, dass der angefochtene Beschluss im Rahmen einer Untersuchung wettbewerbswidriger Praktiken erlassen wurde, die neben der Klägerin sieben weitere in der Zementbranche tätige Gesellschaften betrifft. In Anbetracht des Umfangs der abzugleichenden Auskünfte erscheint es somit nicht unangemessen, dass die Kommission verlangt, die Antworten in einem Format zu geben, das ihren Vergleich ermöglicht.

92      Diese erste Rüge ist deshalb zurückzuweisen.

93      Im Rahmen einer zweiten Rüge macht die Klägerin geltend, dass die Fristen von zwölf bzw. zwei Wochen für die Beantwortung der ersten zehn Fragengruppen bzw. der elften Fragengruppe in Anbetracht der Menge der zu liefernden Auskünfte unverhältnismäßig seien.

94      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Sie verweist darauf, dass dieser zur Beantwortung der ersten zehn Fragengruppen 17 Wochen und nicht, wie ursprünglich vorgesehen, zwölf Wochen zur Verfügung gestanden hätten.

95      Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerin die Kommission im Verwaltungsverfahren zwar um eine Verlängerung der zwölfwöchigen Frist für die Beantwortung der ersten zehn Fragengruppen ersucht hat, doch hat sie keinen solchen Antrag für die elfte Fragengruppe gestellt. Dies genügt für die Feststellung, dass diese Frist für sie ausreichend war (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, Finnboard/Kommission, T‑338/94, Slg. 1998, II‑1617, Rn. 54).

96      Bei der Beurteilung der Frage, ob die mit der Pflicht, die ersten zehn Fragengruppen binnen zwölf Wochen zu beantworten, verbundene Belastung unverhältnismäßig sein könnte, ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin als Adressatin eines Auskunftsbeschlusses nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht nur Gefahr lief, dass ihr eine Geldbuße oder ein Zwangsgeld nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. b oder Art. 24 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 1/2003 auferlegt wird, falls sie die Auskünfte unvollständig, verspätet oder gar nicht erteilt, sondern auch, dass ihr eine Geldbuße nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung auferlegt wird, falls die Kommission eine erteilte Auskunft als unrichtig oder „irreführend“ einstuft.

97      Folglich kommt der Prüfung, ob die durch einen Auskunftsbeschluss auferlegte Frist angemessen ist, besondere Bedeutung zu. Diese Frist muss es dem Adressaten nämlich nicht nur ermöglichen, tatsächlich zu antworten, sondern auch, sich zu vergewissern, dass die erteilten Auskünfte vollständig, richtig und nicht irreführend sind.

98      Wie bereits oben in Rn. 88 ausgeführt, führten die Vielzahl der verlangten Auskünfte und das besonders anspruchsvolle Format, in dem die Antworten zu übermitteln waren, zwar unbestreitbar zu ganz erheblichem Arbeitsaufwand.

99      Das Gericht ist jedoch der Ansicht, dass die Klägerin in Anbetracht der ihr aufgrund ihrer Wirtschaftskraft zur Verfügung stehenden Mittel bei vernünftiger Betrachtung als fähig angesehen werden konnte, innerhalb der ihr gesetzten Frist, die im Übrigen letztlich auf 17 Wochen ausgedehnt wurde, eine den oben in Rn. 97 genannten Anforderungen genügende Antwort zu geben.

100    Daher ist diese zweite Rüge zurückzuweisen.

101    Im Rahmen einer dritten Rüge hebt die Klägerin den Schaden hervor, der ihr durch die mit der Beantwortung des Fragebogens verbundene Arbeitsbelastung entstanden sei, und erinnert daran, dass sie beantragt habe, von der Pflicht, diesen zu beantworten, entbunden zu werden. Über die finanziellen Kosten hinaus habe die Vorbereitung der Beantwortung die nachteilige Auswirkung gehabt, dass ihre Verwaltungsressourcen in einer für die Zementbranche und insbesondere die Klägerin besonders schwierigen wirtschaftlichen Situation beansprucht und gelähmt worden seien.

102    Erstens ist in Bezug auf den finanziellen Schaden, den die Beantwortung des Fragebogens der Klägerin verursacht haben soll, daran zu erinnern, dass aus den oben in den Rn. 88 bis 91 angegebenen Gründen die mit der Beantwortung dieses Fragebogens verbundene Belastung nicht offensichtlich außer Verhältnis zu den Umständen des vorliegenden Falles stand. Die eventuelle Höhe der finanziellen Kosten dieser Antwort spiegelt aber nur diese Arbeitsbelastung wider. Trotz ihrer möglichen Höhe sind diese Kosten folglich als solche nicht geeignet, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu belegen.

103    Was zweitens die geltend gemachte Lähmung der Verwaltungsressourcen der Klägerin angeht, genügt die Feststellung, dass es sich dabei um eine bloße Behauptung handelt, für die kein wirklich stichhaltiger Beweis vorgelegt worden ist. Der einzige dieser Frage gewidmete Anhang, Anhang A 13, besteht aus nur einer Tabelle, in der die Klägerin die Kosten aufschlüsselt, die ihr durch die Beantwortung des Fragebogens und die Zahl der darauf verwendeten Stunden entstanden sein sollen. Sie vermag für sich genommen nicht zu belegen, dass das Vorbringen der Klägerin in Bezug auf eine Lähmung ihrer Verwaltungsressourcen zutreffend wäre.

104    Daher ist die dritte Rüge zurückzuweisen.

105    Schließlich macht die Klägerin im Rahmen einer vierten Rüge geltend, dass das Zusammenwirken des Umfangs und der Detailliertheit der verlangten Auskünfte, der Verpflichtung, sie in einem zwingend vorgeschriebenen Format vorzulegen, der Natur der verlangten Auskünfte, der Kürze der Beantwortungsfristen und der involvierten finanziellen Kosten das Gericht in jedem Fall veranlassen müsse, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu bejahen.

106    Ein solches Vorbringen kann unter den Umständen des vorliegenden Falles keinen Erfolg haben.

107    Wie nämlich oben in Rn. 102 ausgeführt worden ist, spiegeln die von der Klägerin angeführten erheblichen finanziellen Kosten nur die mit der Beantwortung des Fragebogens verbundene Arbeitsbelastung wider. Da es sich zum einen in Anbetracht der mutmaßlichen Zuwiderhandlungen, die die Kommission zu prüfen beabsichtigte, nicht um eine offensichtlich übermäßige Belastung handelte und zum anderen die letztlich eingeräumte Frist es der Klägerin ermöglichte, diese Belastung zu tragen, folgt daraus zwingend, dass die Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zurückzuweisen ist.

108     Nach alledem ist der vierte Teil des Klagegrundes zurückzuweisen, so dass die Klage insgesamt abzuweisen ist.

 Kosten

109    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Kommission einschließlich der durch das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstandenen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Cementos Portland Valderrivas, SA trägt die Kosten einschließlich der durch das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstandenen Kosten.

Dittrich

Wiszniewska-Białecka

Prek

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. März 2014.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Spanisch.