Language of document : ECLI:EU:T:2014:1031





Urteil des Gerichts (Zweite Kammer) vom 9. Dezember 2014 –

Feralpi/Kommission

(Rechtssache T‑70/10)

„Wettbewerb – Kartelle – Markt für Bewehrungsrundstahl in Form von Stäben oder Ringen – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 65 KS nach Auslaufen des EGKS-Vertrags auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 festgestellt wird – Festsetzung von Preisen und Zahlungsfristen – Beschränkung oder Kontrolle der Produktion oder des Absatzes – Verstoß gegen wesentliche Formvorschriften – Unzuständigkeit – Rechtsgrundlage – Verletzung der Verteidigungsrechte – Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, Verhältnismäßigkeit und Waffengleichheit – Zurechnungskriterien – Marktdefinition – Verstoß gegen Art. 65 KS – Geldbußen – Verjährung – Schwere – Dauer“

1.                     Handlungen der Organe – Gültigkeitsvermutung – Inexistenter Rechtsakt – Begriff (Art. 249 EG) (vgl. Rn. 50-53)

2.                     Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang – Ohne ihre Anlagen mitgeteilte Entscheidung über die Anwendung der Wettbewerbsregeln – Dem Betroffenen bekannter Kontext, der es ihm erlaubt, die Bedeutung der ihm gegenüber erlassenen Maßnahmen zu erkennen – Keine Verletzung der Begründungspflicht (Art. 15 KS und 36 KS) (vgl. Rn. 56-61, 82)

3.                     Kommission – Kollegialitätsprinzip – Bedeutung – Ohne ihre Anlagen mitgeteilte Entscheidung über die Anwendung der Wettbewerbsregeln – Verstoß gegen das Kollegialitätsprinzip – Fehlen – Im Text der Entscheidung rechtlich hinreichend dargestellte Gesichtspunkte (Art. 219 EG) (vgl. Rn. 84-86)

4.                     Handlungen der Organe – Wahl der Rechtsgrundlage – Unionsregelung – Gebot der Klarheit und Vorhersehbarkeit – Ausdrückliche Angabe der Rechtsgrundlage – Entscheidung der Kommission, mit der nach Auslaufen des EGKS-Vertrags eine Zuwiderhandlung gegen Art. 65 KS festgestellt und das fragliche Unternehmen sanktioniert wird – Rechtsgrundlage in Form von Art. 7 Abs. 1 und 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 (Art. 65 § 1 KS; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 7 Abs. 1 und 23 Abs. 2) (vgl. Rn. 94-99)

5.                     Kartelle – Kartelle, die sachlich und zeitlich unter den EGKS-Vertrag fallen – Auslaufen des EGKS-Vertrags – Fortbestand des Systems des freien Wettbewerbs unter dem EG-Vertrag – Aufrechterhaltung einer Kontrolle durch die Kommission im Rahmen der Verordnung Nr. 1/2003 (Art. 65 § 1 KS; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates) (vgl. Rn. 100-115)

6.                     Handlungen der Organe – Zeitliche Geltung – Verfahrensvorschriften – Materiell-rechtliche Vorschriften – Unterscheidung – Auslaufen des EGKS-Vertrags – Nach diesem Auslaufen ergangene Entscheidung über die Anwendung der Wettbewerbsregeln, die einen davor liegenden Sachverhalt betrifft – Grundsätze der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes und der Gesetzmäßigkeit der Strafen – Vor dem Auslaufen des EGKS-Vertrags erworbene Rechtspositionen – Geltung der rechtlichen Regelung des EGKS-Vertrags (Art. 65 § 1 KS; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 49 Abs. 1) (vgl. Rn. 117, 118, 120-122)

7.                     Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Wahrung der Verteidigungsrechte – Tragweite des Grundsatzes – Nichtigerklärung einer ersten Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Erlass einer neuen Entscheidung auf der Basis einer anderen Rechtsgrundlage und der früheren Vorbereitungshandlungen – Zulässigkeit – Pflicht, die Beschwerdepunkte erneut mitzuteilen – Fehlen (Art. 65 KS) (vgl. Rn. 133-142, 147, 148)

8.                     Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Wahrung der Verteidigungsrechte – Akteneinsicht – Umfang – Weigerung, ein belastendes Dokument zu übermitteln – Folgen für die Beweislast des betroffenen Unternehmens – (Art. 65 § 1 KS; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 27 Abs. 2) (vgl. Rn. 144)

9.                     Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Verpflichtungen der Kommission – Einhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer – Beurteilungskriterien – Verstoß – Voraussetzung – Verletzung der Verteidigungsrechte – Wirkungen, die in einer Herabsetzung der Geldbuße bestehen können (Art. 65 § 1 KS; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 41; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates) (vgl. Rn. 152-155)

10.                     Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Verteidigungsrechte – Erwähnung eines Schriftstücks in der Mitteilung der Beschwerdepunkte, das ihr nicht beigefügt ist – Keine Verletzung der Verteidigungsrechte bei Einsehbarkeit des Schriftstücks vor Ablauf der festgesetzten Antwortfrist (vgl. Rn. 168, 169)

11.                     Wettbewerb – Unternehmen – Begriff – Wirtschaftliche Einheit – Zurechnung der Zuwiderhandlungen – Zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung für den Betrieb des Unternehmens verantwortliche juristische Person – Zurechnung an eine Einheit, die derjenigen, die die Zuwiderhandlung begangen hat, in der wirtschaftlichen Tätigkeit auf dem betreffenden Markt nachfolgt – Keine Auswirkung (Art. 65 § 1 KS) (vgl. Rn. 177-179)

12.                     Kartelle – Verabredete Praktiken – Begriff – Mit der Pflicht jedes Unternehmens, sein Marktverhalten selbständig zu bestimmen, unvereinbare Koordinierung und Zusammenarbeit – Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern – Vermutung, dass die Informationen verwendet werden, um das Marktverhalten zu bestimmen (Art. 65 § 1 KS) (vgl. Rn. 201-204, 269)

13.                     Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Beweislast der Kommission für die Zuwiderhandlung und ihre Dauer – Unschuldsvermutung – Indizienbündel – Grad der Beweiskraft, den die von der Kommission herangezogenen Beweise aufweisen müssen – Beweispflichten der Unternehmen, die das Vorliegen der Zuwiderhandlung bestreiten (Art. 65 § 1 KS; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 48 Abs. 1; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 2) (vgl. Rn. 206-215, 239)

14.                     Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang – Widerspruch in der Begründung – Voraussetzungen – Wirkungen (Art. 296 AEUV) (vgl. Rn. 220)

15.                     Kartelle – Verbot – Zuwiderhandlungen – Vereinbarungen und verabredete Praktiken, die eine einheitliche Zuwiderhandlung darstellen – Verantwortlichkeit für Handlungen anderer Unternehmen im Rahmen der gleichen Zuwiderhandlung – Zulässigkeit – Kriterien – Berücksichtigung bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung (Art. 65 § 1 KS) (vgl. Rn. 225, 226, 301-306)

16.                     Wettbewerb – Geldbußen – Beurteilung anhand des individuellen Verhaltens des Unternehmens – Auswirkung des Fehlens einer Sanktion gegen einen anderen Wirtschaftsteilnehmer – Fehlen (vgl. Rn. 227, 293)

17.                     EGKS – Preise – Preistafeln – Pflicht zur Veröffentlichung – Vereinbarkeit mit dem Kartellverbot (Art. 60 KS und 65 § 1 KS) (vgl. Rn. 243, 297)

18.                     Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Art des Nachweises – Nachweis durch Urkunden – Beurteilung der Beweiskraft eines Dokuments – Kriterien – Fehlen einer Paraphe oder Unterschrift – Keine Auswirkung (Art. 65 KS) (vgl. Rn. 250)

19.                     Kartelle – Teilnahme an Zusammenkünften mit wettbewerbswidrigem Zweck – Umstand, der bei fehlender Distanzierung von den getroffenen Beschlüssen auf die Beteiligung an der daraus resultierenden Absprache schließen lässt – Öffentliche Distanzierung – Enge Auslegung (Art. 65 § 1 KS) (vgl. Rn. 254, 285)

20.                     Kartelle – Vereinbarungen zwischen Unternehmen – Beeinträchtigung des Wettbewerbs im Sinne von Art. 65 KS – Beurteilungskriterien – Wettbewerbsfeindlichkeit – Hinreichende Feststellung (Art. 65 § 1 KS) (vgl. Rn. 317)

21.                     Wettbewerb – Geldbußen – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen – Berechnungsmethode, die verschiedene Spielräume berücksichtigt – Ermessen der Kommission – Gerichtliche Überprüfung – Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung (Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nrn. 1 Teil A und 1 Teil B) (vgl. Rn. 331, 342-344)

22.                     Wettbewerb – Geldbußen – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen – Rechtsnatur – Verhaltensnorm mit Hinweischarakter, die eine Selbstbeschränkung des Ermessens der Kommission impliziert – Pflicht, die Grundsätze der Gleichbehandlung, des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit zu beachten (Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission) (vgl. Rn. 334-336)

23.                     Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Einteilung der betroffenen Unternehmen in Kategorien mit einem spezifischen Ausgangsbetrag – Zulässigkeit – Voraussetzungen – Beachtung der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit – Kriterien (Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 1 Teil A) (vgl. Rn. 360-365, 367, 368)

24.                     Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlung – Einordnung einer Zuwiderhandlung als sehr schwerwiegend – Vorrangige Rolle des Kriteriums der Art der Zuwiderhandlung – Keine Eigenständigkeit des Kriteriums der Größe des Marktes der fraglichen Produkte – Einordnung einer Zuwiderhandlung als sehr schwerwiegend trotz ihrer Beschränkung auf das Hoheitsgebiet eines einzigen Mitgliedstaats – Zulässigkeit (Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 1 Teil A) (vgl. Rn. 372, 380, 392-294)

25.                     Wettbewerb – Geldbußen – Rechtlicher Rahmen – Festsetzung – Frühere Entscheidungspraxis der Kommission – Unverbindlichkeit (Art. 65 KS; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2) (vgl. Rn. 376)

26.                     Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlung – Preisfestsetzung – Verpflichtung der Kommission, sich bei der Beurteilung der Auswirkungen einer Zuwiderhandlung auf den Wettbewerb zu beziehen, der ohne Zuwiderhandlung geherrscht hätte (Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2) (vgl. Rn. 381, 382)

Gegenstand

Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung C(2009) 7492 final der Kommission vom 30. September 2009 betreffend einen Verstoß gegen Art. 65 [KS] (Sache COMP/37.956 – Bewehrungsrundstahl, Neuentscheidung) in der durch die Entscheidung C(2009) 9912 final der Kommission vom 8. Dezember 2009 geänderten Fassung, mit der die Kommission gegen die Klägerin eine Geldbuße in Höhe von 10,25 Mio. Euro wegen Verstoßes gegen Art. 65 § 1 KS verhängt hat

Tenor

1.

Die Klage wird abgewiesen.

2.

Die Feralpi Holding SpA trägt die Kosten.