SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
HENRIK SAUGMANDSGAARD ØE
vom 6. Oktober 2021(1)
Rechtssache C‑342/20
A SCPI,
Beteiligte:
Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö
(Vorabentscheidungsersuchen des Helsingin hallinto-oikeus [Verwaltungsgericht Helsinki, Finnland])
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Freier Kapitalverkehr – Steuerrecht – Besteuerung der Einkünfte juristischer Personen – Investmentfonds – Steuerlich transparente Einheit – Hybride Einheit – Investitionen in Immobilien und/oder Immobiliengesellschaften in einem anderen Mitgliedstaat – Mechanismus der steuerlichen Transparenz – Erfordernis der Vertragsform – Ausschluss von in statutarischer Form errichteten Investmentfonds – Beschränkung – Vergleichbarkeit – Rechtfertigung – Fehlen“
I. Einleitung
1. Das Vorabentscheidungsersuchen des Helsingin hallinto-oikeus (Verwaltungsgericht Helsinki, Finnland) betrifft die Auslegung der Art. 49, 63 und 65 AEUV.
2. Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen A SCPI, einem in Frankreich ansässigen Investmentfonds, und der Verohallinto (Steuerverwaltung, Finnland) wegen eines von Letzterer erlassenen Vorbescheids. In diesem Bescheid vertrat die Steuerverwaltung die Auffassung, dass A SCPI für das Steuerjahr 2020 nicht steuerlich transparent sei und daher in Finnland einkommensteuerpflichtig sei.
3. Diese Entscheidung der Steuerverwaltung beruht auf kürzlich in das finnische Steuerrecht aufgenommenen Bestimmungen, die eine unterschiedliche Behandlung von in Vertragsform auf der einen und in statutarischer Form auf der anderen Seite errichteten Investmentfonds bewirken.
4. Investmentfonds mit vertraglicher Form gelten als steuerlich transparent und sind daher von der Einkommensteuer befreit. Diese Fonds besitzen keine Rechtspersönlichkeit. Ihre Funktionsweise ist Gegenstand vertraglicher Vereinbarungen zwischen den Anlegern.
5. Umgekehrt werden Investmentfonds mit statutarischer Form wie A SCPI als steuerlich intransparent angesehen. Sie sind daher in Finnland einkommensteuerpflichtig. Die „statutarische“ Form setzt die Errichtung einer Körperschaft voraus, deren Funktionsweise durch eine „Satzung“ geregelt wird. Je nach Art der betreffenden Körperschaft kann diese Rechtspersönlichkeit und/oder Rechtsfähigkeit (d. h. die Fähigkeit zur Vornahme von Rechtshandlungen oder die Parteifähigkeit) besitzen.
6. Aus den nachfolgend dargelegten Gründen bin ich der Ansicht, dass die durch die finnische Steuerregelung eingeführte unterschiedliche Behandlung von vertraglichen und statutarischen Investmentfonds gegen die durch die Art. 63 und 65 AEUV garantierte Kapitalverkehrsfreiheit verstößt.
7. Ich bin im Wesentlichen der Ansicht, dass diese Unterscheidung willkürlich ist, da sie zu einer Ungleichbehandlung von Investmentfonds führt, die unabhängig von ihrer vertraglichen oder statutarischen Form objektiv vergleichbar sind.
II. Finnisches Recht
8. Nach § 3 Nr. 4 des Tuloverolaki 1535/1992 (Einkommensteuergesetz) vom 30. Dezember 1992 in der durch das Gesetz Nr. 528/2019 geänderten Fassung (im Folgenden: Einkommensteuergesetz) bezeichnet der Ausdruck „Körperschaften“ u. a. Aktiengesellschaft, Investmentfonds und Sonderfonds.
9. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 dieses Gesetzes sind natürliche Personen, die während des Steuerjahres in Finnland keinen Wohnsitz hatten, sowie ausländische Körperschaften mit ihren in Finnland bezogenen Einkünften einkommensteuerpflichtig (beschränkte Steuerpflicht).
10. § 10 dieses Gesetzes nennt mehrere Kategorien von als in Finnland erzielt geltenden Einkünften. Solche Einkünfte sind u. a.:
– die Einkünfte aus in Finnland belegenen Immobilien oder aus Räumlichkeiten, die aufgrund von Aktien einer finnischen Wohnungs- oder sonstigen Aktiengesellschaft bzw. aufgrund der Mitgliedschaft in einer Wohnungs- oder sonstigen Genossenschaft in Besitz gehalten werden;
– Dividenden, die aus einer Genossenschaft erzielten Überschüsse und sonstige damit vergleichbare Einkünfte, die von einer finnischen Aktiengesellschaft, Genossenschaft oder sonstigen Körperschaft erlangt wurden, sowie Anteile an den Einkünften eines finnischen Zusammenschlusses;
– der Gewinn, der aus der Veräußerung einer in Finnland belegenen Immobilie oder von Aktien oder Anteilen in einer finnischen Wohnungsaktiengesellschaft, anderen Aktiengesellschaft oder Genossenschaft erlangt wird, deren Gesamtvermögen zu mehr als 50 Prozent aus einer oder mehreren dort belegenen Immobilien besteht.
11. § 20a des Einkommensteuergesetzes wurde durch das Gesetz Nr. 528/2019 eingeführt, das am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist und ab dem Steuerjahr 2020 gilt.
12. Gemäß § 20a Abs. 1 sind Investmentfonds im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 in Kapitel 1 des Sijoitusrahastolaki 213/2019 (Investmentfondsgesetz) oder die mit ihnen vergleichbaren, in Vertragsform errichteten ausländischen offenen Investmentfonds, die mindestens 30 Anteilseigner haben, von der Einkommensteuer befreit.
13. Gemäß § 20a Abs. 2 gilt diese Befreiung auch für Sonderfonds im Sinne von § 1 Abs. 2 in Kapitel 2 des Vaihtoehtorahastojen hoitajista annettu laki 162/2014 (Gesetz über die Verwalter von alternativen Investmentfonds) und die mit ihnen vergleichbaren, in Vertragsform errichteten ausländischen Sonderfonds, sofern die Fonds offen sind und wenigstens 30 Anteilseigner haben.
14. Gemäß § 20a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes ist Voraussetzung der Steuerbefreiung eines Sonderfonds im Sinne von § 1 Abs. 2 in Kapitel 2 des Gesetzes über die Verwalter von alternativen Investmentfonds bzw. eines mit diesem vergleichbaren, in Vertragsform errichteten ausländischen Sonderfonds, der seine Mittel hauptsächlich auf die in § 4 in Kapitel 16a des genannten Gesetzes genannte Weise in Immobilien und Immobilienwertpapieren anlegt, dass dieser jährlich an seine Anteilseigner wenigstens drei Viertel vom Gewinn des Geschäftsjahrs ohne Berücksichtigung der nicht realisierten Wertsteigerungen ausschüttet.
III. Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefrage und Verfahren vor dem Gerichtshof
15. A SCPI ist ein Investmentfonds französischen Rechts in Form einer Gesellschaft mit veränderlichem Kapital (Société Civile de Placement Immobilier à Capital Variable), der in Immobilien, die in Frankreich oder dem (übrigen) Euro-Währungsgebiet belegen sind, investiert. Die Anlageobjekte werden an Gewerbetreibende vermietet. Ende des Jahres 2017 betrug der Wert des Investmentfonds etwa 32 Mio. Euro. Die Gesellschaft verfügte über Anlagen in vier Immobilien in vier verschiedenen Ländern des Euro-Währungsgebiets. Im Jahr 2017 hatte die Gesellschaft 926 Anteilseigner.
16. A SCPI wird durch die Gesellschaft „A“ SAS („A“ Asset Management, eine vereinfachte Aktiengesellschaft) vertreten. Nach dem Gesetz und gemäß ihrer Satzung werden alle A SCPI betreffenden Entscheidungen von A getroffen, die auch den Fonds verwaltet. A SCPI kann selbst weder Rechtshandlungen noch Prozesshandlungen vornehmen. Er untersteht im Übrigen der Aufsicht durch die französische Finanzaufsichtsbehörde (AMF) und ist ein alternativer Investmentfonds im Sinne der Richtlinie 2011/61/EU(2).
17. Die Anleger erhalten für ihre Anteile jährlich den Ertrag, der dem von A SCPI erlangten Nettomietertrag und ihren sonstigen finanziellen Einkünften entspricht. Über die Ausschüttung des Ertrags entscheidet die Hauptversammlung. Gegenüber Dritten haftet die Gesellschaft für ihre Verbindlichkeiten, die Anleger haften aber sekundär für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft.
18. In Frankreich ist A SCPI eine steuerlich transparente Einheit. Sie unterliegt nicht der Einkommensteuer. Die Anleger sind für den Teil der Einkünfte steuerpflichtig, der ihnen in Höhe ihrer Anteile an der Gesellschaft gezahlt wird. Sie sind außerdem für den bei Verkauf oder Rücknahme von Anteilen erzielten Gewinn steuerpflichtig.
19. A SCPI plante, im Juni 2019 einen Vertrag über den Erwerb von Aktien zweier finnischer Immobilienaktiengesellschaften auf Gegenseitigkeit zu unterzeichnen, die Eigentümerinnen von zu Einzelhandelszwecken genutzten Immobilien sind. Nach Abschluss des Erwerbs würde A SCPI in Finnland die Vermietung von Immobilien hinsichtlich derjenigen Räumlichkeiten betreiben, die von ihr aufgrund der von ihr gehaltenen Aktien einer Immobilienaktiengesellschaft beherrscht werden. Zudem erwägt A SCPI, in Finnland weitere Anlagen in Immobilien durch Erwerb von Aktienbeständen anderer Immobilienaktiengesellschaften auf Gegenseitigkeit oder durch Tätigung von Direktinvestitionen in Immobilien vorzunehmen.
20. Im Rahmen ihrer Immobilieninvestitionsprojekte in Finnland beantragte A SCPI bei der Steuerverwaltung den Erlass eines Vorbescheids für die Steuerjahre 2019 und 2020.
21. Für das Steuerjahr 2019 war die Steuerverwaltung der Ansicht, dass A SCPI in Anwendung der vor dem Inkrafttreten von § 20a des Einkommensteuergesetzes maßgeblichen Steuervorschriften in Finnland von der Einkommensteuer befreit gewesen sei.
22. Für das Steuerjahr 2020 war die Steuerverwaltung dagegen der Auffassung, dass A SCPI in Finnland in Anwendung der vorstehend genannten Vorschrift nicht von der Einkommensteuer befreit sei.
23. Hinsichtlich des für das Steuerjahr 2020 erteilten Vorbescheids, der von A SCPI angefochten wurde, stellte die Steuerverwaltung fest, dass sich aus der dem Antrag in Anlage beigefügten Fondsbroschüre die Vergleichbarkeit von A SCPI mit einer finnischen Aktiengesellschaft ergebe. Der Ertrag des Fonds werde nur dann an die Anteilseigner ausgeschüttet, wenn die Hauptversammlung dies beschließe. A SCPI sei ein Investmentunternehmen mit veränderlichem Kapital, weshalb sie die von § 20a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes vorausgesetzte Rechtsform eines in Vertragsform errichteten Sonderfonds nicht erfülle.
24. A SCPI erhob gegen den Vorbescheid der Steuerverwaltung für das Steuerjahr 2020 Klage beim Helsingin hallinto-oikeus (Verwaltungsgericht Helsinki).
25. A SCPI machte geltend, § 20a des Einkommensteuergesetzes verstoße gegen das Unionsrecht, da nur in Vertragsform errichtete Fonds als von der Einkommensteuer befreite Sonderfonds gelten könnten. A SCPI sei ein in jeder Hinsicht mit einem finnischen Investmentfonds vergleichbarer Wirtschaftsteilnehmer. Der einzige Unterschied bestehe in der Rechtsform in dem Sinne, dass A SCPI gemäß den Anforderungen des französischen Investmentfondsgesetzes die statutarische Form habe, während Investmentfonds, die dem Sijoitusrahastolaki (Gesetz über Investmentfonds) entsprächen, in Vertragsform errichtet werden müssten.
26. Das vorlegende Gericht hat die Gründe für den Erlass von § 20a des Einkommensteuergesetzes dargelegt, wie sie sich aus den Gesetzesmaterialien ergeben.
27. Zum einen habe mit dieser Änderung die Rechtssicherheit erhöht werden sollen. Nach der vor ihrem Erlass geltenden Regelung sei die steuerliche Behandlung ausländischer Investmentfonds im finnischen Recht nicht formell geregelt gewesen und einzelfallbezogen entschieden worden. Mangels einer Definition des Begriffs „Investmentfonds“ in den Vorschriften des Steuerrechts hätten die Vergleichbarkeitskriterien in der Verwaltungspraxis und in der Rechtsprechung festgelegt werden müssen. Da die Steuervorschriften recht allgemein gehalten seien, habe dies dazu führen können, dass ausländische Fonds finnischen Investmentfonds leichter gleichgestellt würden.
28. Zum anderen hat das vorlegende Gericht hervorgehoben, dass der Erlass von § 20a des Einkommensteuergesetzes keinen Bruch bei der Besteuerung von Investmentfonds in Finnland bedeutet habe. Ihre steuerliche Behandlung habe sich stets nach der Rechtsform des Anlageinstruments gerichtet, und diese Bestimmung habe daran nichts geändert. Die finnischen Investmentfonds und Sonderfonds seien in Vertragsform errichtete Konstrukte. Zweck der Änderungsvorlage sei es gewesen, die steuerrechtlichen Vorschriften lediglich im Hinblick auf die in Vertragsform errichteten in- und ausländischen Fonds zu präzisieren.
29. Insbesondere gehe aus der Änderungsvorlage hervor, dass nicht bezweckt werde, den Anwendungsbereich der Befreiung auf andere Rechtsformen von Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren im Ausland auszudehnen. In Finnland beruhe die Besteuerung auf der Rechtsform des Anlageinstruments. Die finnischen Investmentfonds seien in Vertragsform gegründete Konstrukte, die keine selbständigen juristischen Personen seien, sondern vielmehr Vermögensmassen, deren Steuerbefreiung gesondert geregelt sei. Ausländische Investmentfonds könne man aufgrund ihrer Rechtsform finnischen Aktiengesellschaften gleichstellen.
30. Das vorlegende Gericht weist ferner darauf hin, dass Investmentfonds nach den finnischen Rechtsvorschriften über Investmentfonds ausschließlich in Vertragsform errichtet werden könnten.
31. Das vorlegende Gericht fragt sich, ob § 20a des Einkommensteuergesetzes mit den Art. 49, 63 und 65 AEUV vereinbar ist, da nur ausländische offene Investmentfonds, die vertraglich errichtet worden seien, von der Einkommensteuer befreiten finnischen Investmentfonds gleichgestellt werden könnten, nicht aber in statutarischer Form errichtete Investmentfonds wie A SCPI.
32. Vor diesem Hintergrund hat das Helsingin hallinto-oikeus (Verwaltungsgericht Helsinki) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Sind die Art. 49, 63 und 65 AEUV dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, nach denen ausschließlich in Vertragsform errichtete ausländische offene Investmentfonds einem von der Einkommensteuer befreiten finnischen Investmentfonds gleichgestellt werden können, wodurch ausländische Investmentfonds, die ihrer Rechtsform nach nicht durch Vertrag errichtet sind, in Finnland der Quellenbesteuerung unterliegen, obwohl es zwischen ihrer Situation und der der finnischen Investmentfonds sonst keine bedeutenden objektiven Unterschiede gibt?
33. Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 23. Juli 2020 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen. Die Republik Finnland und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht und die Fragen des Gerichtshofs vom 18. Mai 2021 schriftlich beantwortet.
IV. Würdigung
34. Die in der vorliegenden Rechtssache aufgeworfene Problematik fügt sich in die allgemeinere Problematik der steuerlich „hybriden“ Körperschaften ein, nämlich die Einheiten, die in einem Staat als steuerlich „transparent“ angesehen werden (die Einheit ist als solche nicht steuerpflichtig, sondern nur die Anteilseigner gemäß ihren Anteilen) und in einem anderen Staat als steuerlich „intransparent“ (die Einheit als solche ist steuerpflichtig)(3).
35. Im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits wird A SCPI in dem Staat, in dem er errichtet wurde (Frankreich), als steuerlich transparente Einheit und in dem Staat, in dem er bestimmte Immobilieninvestitionen plant (Finnland), als steuerlich intransparente Einheit behandelt.
36. Während die hybriden Einheiten komplexe Koordinierungsprobleme im Rahmen der Doppelbesteuerungsabkommen aufwerfen(4), beschränkt sich die Frage des vorlegenden Gerichts auf die spezifischere Problematik der Vereinbarkeit der finnischen Rechtsvorschriften mit dem freien Kapitalverkehr und der Niederlassungsfreiheit.
37. Konkret möchte das Gericht wissen, ob das im Steuerrecht eines Mitgliedstaats vorgesehene Erfordernis, dass ein Investmentfonds eine vertragliche Form haben muss, um in den Genuss der steuerlichen Transparenz kommen zu können, gegen den freien Kapitalverkehr und/oder die Niederlassungsfreiheit verstößt, soweit es zum Ausschluss von Investmentfonds führt, die in anderen Mitgliedstaaten in statutarischer Form errichtet wurden, obwohl diese Fonds unter dem Gesichtspunkt der Transparenz objektiv mit Fonds vergleichbar sind, die in vertraglicher Form errichtet wurden.
38. Die finnische Regierung schlägt im Gegensatz zur Kommission vor, diese Frage zu verneinen.
39. Ich weise darauf hin, dass die Problematik hybrider Einheiten in der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht neu ist. Das Urteil Columbus Container Services betraf nämlich eine Gesellschaft belgischen Rechts, die in Belgien (wo sie der vorteilhaften Regelung für Koordinierungszentren unterlag) als steuerlich intransparent und in Deutschland, wo ihre Gesellschafter wohnten, als steuerlich transparent angesehen wurde(5). Dieses Urteil enthält jedoch keine auf die vorliegende Rechtssache übertragbare Erkenntnis, da es speziell den in Deutschland (bei den Gesellschaftern) wegen des niedrigen Steuersatzes in Belgien (für die Gesellschaft) erhobenen Steuerzuschlag betraf(6).
40. Der Vollständigkeit halber weise ich noch darauf hin, dass der Gerichtshof die Gewährung staatlicher Beihilfen an steuerlich transparente Einheiten im Urteil vom 25. Juli 2018, Kommission/Spanien u. a.(7), geprüft hat.
A. Zur anzuwendenden Verkehrsfreiheit
41. Das Vorabentscheidungsersuchen bezieht sich auf die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) und den freien Kapitalverkehr (Art. 63 AEUV). Ich weise darauf hin, dass die jeweiligen Anwendungsbereiche dieser beiden Grundfreiheiten einander nicht notwendigerweise ausschließen(8). Dennoch scheint es mir schwer zu bestreiten, dass der vorliegende Fall allein unter dem Gesichtspunkt des freien Kapitalverkehrs zu prüfen ist, wie die finnische Regierung und die Kommission zu Recht vorgebracht haben.
42. Die im Ausgangsrechtsstreit von A SCPI geplanten Investitionen bestehen zum einen in der Beteiligung an finnischen Immobiliengesellschaften und zum anderen in der Direktinvestition in Immobilien in Finnland(9).
43. Direktinvestitionen in Immobilien, die in einem anderen Mitgliedstaat belegen sind, fallen unter den freien Kapitalverkehr, wie ich in meinen Schlussanträgen in den verbundenen Rechtssachen SEGRO und Horváth(10) erläutert habe. Diese Einstufung wurde in der nach diesen Schlussanträgen ergangenen Rechtsprechung bestätigt(11).
44. Was die Beteiligungen an Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat betrifft, ergibt sich aus ständiger Rechtsprechung, dass eine nationale Regelung, die nur auf Beteiligungen anwendbar ist, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen einer Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen, unter die Niederlassungsfreiheit fällt. Dagegen sind nationale Vorschriften, die für Beteiligungen gelten, die in der alleinigen Absicht der Geldanlage erfolgen, ohne dass auf die Verwaltung und Kontrolle des betreffenden Unternehmens Einfluss genommen werden soll, ausschließlich im Hinblick auf den freien Kapitalverkehr zu prüfen(12).
45. Im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits ist die finnische Regelung jedoch nicht nur auf Beteiligungen anwendbar, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen einer Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen. Die einschlägigen Steuervorschriften finden nämlich unabhängig vom Umfang dieser Beteiligung auf Einkünfte aus jeder Beteiligung an einer finnischen Gesellschaft Anwendung(13).
46. Daher ist in Anwendung der oben angeführten Rechtsprechung die steuerliche Behandlung von Beteiligungen an finnischen Immobiliengesellschaften allein im Hinblick auf den freien Kapitalverkehr zu prüfen.
47. Vorsorglich weise ich jedoch darauf hin, dass die nachstehend angestellten Überlegungen auch im Zusammenhang mit der Niederlassungsfreiheit relevant wären.
B. Zum Vorliegen einer Beschränkung des freien Kapitalverkehrs
48. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs gehören zu den Maßnahmen, die Art. 63 Abs. 1 AEUV als Beschränkungen des Kapitalverkehrs verbietet, solche, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat oder die dort Ansässigen von Investitionen in anderen Staaten abzuhalten(14).
49. Dagegen reichen bloße Unterschiede zwischen den nationalen Steuerregelungen nicht aus, um das Vorliegen einer solchen Beschränkung festzustellen. Die Nachteile, die sich in Ermangelung einer Harmonisierung auf Unionsebene aus der parallelen Ausübung der Besteuerungsbefugnisse der verschiedenen Mitgliedstaaten ergeben können, stellen nämlich keine Beschränkungen der Verkehrsfreiheiten dar, sofern eine solche Ausübung nicht diskriminierend ist(15).
50. Auf derselben gedanklichen Linie hat der Gerichtshof klargestellt, dass der freie Kapitalverkehr nicht dahin verstanden werden kann, dass ein Mitgliedstaat verpflichtet ist, seine Steuervorschriften nach denen der anderen Mitgliedstaaten auszugestalten, um in allen Situationen eine Besteuerung zu gewährleisten, die jede Ungleichheit, die sich aus den nationalen Steuerregelungen ergibt, beseitigt, da die Entscheidungen eines Steuerpflichtigen über die Investition in einem anderen Mitgliedstaat je nach Einzelfall mehr oder weniger vorteilhaft oder nachteilig für ihn sein können(16).
51. Mit anderen Worten kann das Bestehen bloßer Unterschiede zwischen der Steuerpolitik der Mitgliedstaaten bei Fehlen einer Harmonisierung auf Unionsebene nicht als Verstoß gegen die Verkehrsfreiheiten angesehen werden.
52. Im Rahmen des Ausgangsverfahrens wäre dies der Fall, wenn die finnische Steuerregelung keinen Mechanismus der steuerlichen Transparenz vorsähe. In einem solchen Fall könnte der Umstand, dass eine Gesellschaft mit Sitz in Frankreich, wo sie steuerlich transparent ist, in Finnland nicht in den Genuss eines ähnlichen Mechanismus kommen kann, wenn sie beschließt, dort Immobilieninvestitionen vorzunehmen, nicht als „Beschränkung des Kapitalverkehrs“ eingestuft werden.
53. Das Problem, um das es hier geht, ist jedoch anderer Natur. Im Ausgangsverfahren sieht die finnische Steuerregelung durchaus einen Mechanismus der steuerlichen Transparenz vor. Der in Frankreich ansässige Investmentfonds A SCPI kann diese Regelung nicht in Anspruch nehmen, weil er die in den finnischen Rechtsvorschriften festgelegten Voraussetzungen nicht erfüllt.
54. In einem solchen Fall geht es nicht mehr um die Divergenz zwischen den nationalen Steuersystemen, sondern um die Vereinbarkeit der in einem nationalen Steuersystem (in diesem Fall dem finnischen Steuersystem) festgelegten Voraussetzungen mit den Verkehrsfreiheiten(17).
55. Unter den Umständen des Ausgangsrechtsstreits wurde A SCPI vom Mechanismus der steuerlichen Transparenz mit der Begründung ausgeschlossen, dass er nicht in Vertragsform errichtet worden sei. Das vorlegende Gericht fragt uns nach der Rechtmäßigkeit dieser Voraussetzung.
56. In Anbetracht der in Nr. 48 der vorliegenden Schlussanträge angeführten Rechtsprechung besteht meines Erachtens kaum ein Zweifel daran, dass ein Erfordernis der Vertragsform als Voraussetzung für die Zuerkennung der steuerlichen Transparenz, wie es in § 20a des Einkommensteuergesetzes vorgesehen ist, eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellt. Dieses Erfordernis ist nämlich geeignet, Investmentfonds, die in anderen Mitgliedstaaten in statutarischer Form errichtet wurden, von Investitionen in Finnland abzuhalten.
57. Insoweit weise ich darauf hin, dass eine nationale Regelung, die unterschiedslos auf gebietsansässige und gebietsfremde Wirtschaftsteilnehmer anwendbar ist, eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellen kann. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich nämlich, dass selbst eine auf objektiven Kriterien beruhende Differenzierung de facto grenzüberschreitende Sachverhalte benachteiligen kann(18).
58. Im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits ergibt sich die abschreckende Wirkung aus dem Ausschluss des Mechanismus der steuerlichen Transparenz und aus der entsprechenden Einkommensteuerpflicht in Finnland, die in statutarischer Form errichtete Investmentfonds mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat trifft, insbesondere, wenn diese Fonds in ihrem Herkunftsmitgliedstaat steuerliche Transparenz genießen.
59. Eine solche Diskrepanz bei der steuerlichen Behandlung von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen statutarischen Fonds (Steuertransparenz im Herkunftsmitgliedstaat, steuerliche Intransparenz in Finnland) kann nämlich erhebliche negative Auswirkungen auf steuerlicher Ebene haben und diese Fonds somit von Investitionen in Finnland abhalten.
60. Genauer gesagt handelt es sich bei der Steuertransparenz in den meisten Fällen um eine bewusste Entscheidung der Anleger, die ihre Anlagestrategie entsprechend dieser Entscheidung gestalten. In einem solchen Kontext hat der Ausschluss der steuerlichen Transparenz in einem Mitgliedstaat eine abschreckende Wirkung auf Investitionen in diesem Staat, da dieser Ausschluss mit der von den Investoren verfolgten Strategie unvereinbar sein wird. Im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits veranlasste A SCPI gerade diese abschreckende Wirkung dazu, gegen den Vorbescheid, mit dem ihm die Steuerverwaltung die Vergünstigung der steuerlichen Transparenz versagt hatte, Klage zu erheben.
61. Der Vollständigkeit halber weise ich noch darauf hin, dass nicht ausgeschlossen ist, dass das in § 20a des Einkommensteuergesetzes vorgesehene Erfordernis der Vertragsform eine mittelbare Diskriminierung wegen der Herkunft der Investmentfonds darstellt, wie die Kommission hervorgehoben hat.
62. Nach ständiger Rechtsprechung verbieten die vom AEU-Vertrag garantierten Verkehrsfreiheiten nicht nur unmittelbare (oder offene) Diskriminierungen wegen der Herkunft, sondern auch alle mittelbaren (oder verdeckten) Formen der Diskriminierung, die zwar auf dem Anschein nach neutralen Kriterien beruhen, aber tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen(19).
63. Das Erfordernis der Vertragsform hat jedoch eine indirekt diskriminierende Wirkung für den Fall, dass die für Investmentfonds geltenden finnischen (nicht steuerlichen) Rechtsvorschriften vorschreiben, dass Investmentfonds in Vertragsform errichtet werden(20). In diesem Fall könnten nämlich nur in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Investmentfonds (in statutarischer Form) vom Steuertransparenzmechanismus nach § 20a des Einkommensteuergesetzes ausgeschlossen werden. Diese mittelbar diskriminierende Wirkung könnte sogar noch verstärkt werden, wenn im Herkunftsmitgliedstaat eine Verpflichtung zur statutarischen Form für bestimmte Investmentfonds besteht(21).
64. In Beantwortung mehrerer Fragen des Gerichtshofs hierzu hat die finnische Regierung gleichwohl ausgeführt, dass die finnischen Rechtsvorschriften die Errichtung von Investmentfonds in statutarischer Form erlaubten, wobei solche Fonds dann von dem in § 20a des Einkommensteuergesetzes vorgesehenen Mechanismus der steuerlichen Transparenz ausgenommen seien, wie es bei in anderen Mitgliedstaaten ansässigen statutarischen Fonds der Fall sei. Wenn dies tatsächlich der Fall sein sollte, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist, bin ich der Ansicht, dass die Einstufung als „mittelbare Diskriminierung“ auszuschließen ist.
65. In jedem Fall möchte ich betonen, dass die Einstufung als „mittelbare Diskriminierung“ für die Beantwortung der Vorlagefrage nicht entscheidend ist, da das Vorliegen einer Beschränkung des freien Kapitalverkehrs aus den oben dargelegten Gründen meines Erachtens nicht fraglich ist.
C. Zur Vergleichbarkeit der vertraglichen und der statutarischen Investmentfonds
66. Gemäß Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV berührt Art. 63 AEUV nicht das Recht der Mitgliedstaaten, „die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln“.
67. Die Tragweite dieser Ausnahme vom freien Kapitalverkehr, die naturgemäß eng auszulegen ist, wird durch Art. 65 Abs. 3 AEUV ausdrücklich eingeschränkt, wonach die in Abs. 1 dieses Artikels genannten nationalen Vorschriften „weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs … darstellen [dürfen]“.
68. Die nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV zulässigen Ungleichbehandlungen müssen daher von den durch Art. 65 Abs. 3 AEUV verbotenen Diskriminierungen unterschieden werden. Nach der Rechtsprechung kann insoweit eine nationale Steuerregelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nur dann als mit den Vertragsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr vereinbar angesehen werden, wenn die unterschiedliche Behandlung entweder Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind, oder wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist(22).
69. Ebenfalls nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die Vergleichbarkeit eines grenzüberschreitenden Sachverhalts mit einem innerstaatlichen Sachverhalt unter Berücksichtigung des mit den fraglichen nationalen Bestimmungen verfolgten Ziels zu prüfen(23).
70. In Anwendung dieser Rechtsprechung ist daher zu prüfen, ob die in anderen Mitgliedstaaten in statutarischer Form errichteten Investmentfonds (die von dem in § 20a des Einkommensteuergesetzes vorgesehenen Mechanismus der steuerlichen Transparenz ausgeschlossen sind), sich im Hinblick auf die nationalen Steuervorschriften in einer Situation befinden, die mit den in Finnland in Vertragsform errichteten Investmentfonds (die von diesem Mechanismus profitieren) vergleichbar ist.
71. Zunächst weise ich darauf hin, dass die vom vorlegenden Gericht gestellte Frage ausdrücklich auf der Prämisse beruht, dass sich ein Investmentfonds wie A SCPI, obwohl er in statutarischer Form errichtet wurde, tatsächlich in einer Situation befindet, die mit den in Finnland ansässigen in Vertragsform errichteten Investmentfonds vergleichbar ist. Nach dem Wortlaut dieser Frage selbst gibt es nämlich, abgesehen von der Rechtsform, „zwischen [der Situation dieser Investmentfonds] und der der finnischen Investmentfonds sonst keine bedeutenden objektiven Unterschiede“.
72. Ich möchte hinzufügen, dass kaum Zweifel daran bestehen, dass einige statutarische Investmentfonds für die Zwecke der Anwendung eines Mechanismus der steuerlichen Transparenz wie des in §20a des Einkommensteuergesetzes vorgesehenen tatsächlich mit vertraglichen Investmentfonds vergleichbar sind.
73. Zweck eines Mechanismus der steuerlichen Transparenz ist es, die steuerliche Behandlung der betreffenden Einheiten an ihre rechtliche Realität anzupassen. Das Ziel besteht mit anderen Worten darin, bestimmte Einheiten, die rechtlich transparent sind, in steuerlicher Hinsicht transparent zu behandeln.
74. Genau dies ist der Zweck von § 20a des Einkommensteuergesetzes. Wie das vorlegende Gericht ausgeführt hat, befreit diese Bestimmung bestimmte Einheiten, bei denen es sich nicht um selbständige juristische Personen, sondern um bloße Vermögensmassen handelt, die von einer Reihe von Gesellschaftern zu gemeinsamer Anlage gebildet worden sind, von der Steuer(24).
75. Dieser Mechanismus der steuerlichen Transparenz soll somit bestimmte Koordinierungsstrukturen, die in der Praxis keinen wirklichen Schirm zwischen den wirtschaftlichen Tätigkeiten und den Anlegern bilden, von der Einkommensteuer befreien. Wie die finnische Regierung erläutert hat, soll § 20a des Einkommensteuergesetzes die Investition in solche Fonds als „Direktinvestitionen“ der Gesellschafter in die zugrunde liegenden Vermögenswerte behandeln.
76. Den Gegensatz zu solchen transparenten Vertragsstrukturen bildet die Aktiengesellschaft. Üblicherweise besitzt eine solche Gesellschaft Rechtspersönlichkeit und Rechtsfähigkeit, ist sie mit Eigenkapital ausgestattet, besitzt sie sowohl in ihren Investitionen als auch bei der Ausschüttung ihrer Gewinne eine Entscheidungsbefugnis und bietet sie den Aktionären eine (auf die Höhe ihrer Investition) begrenzte Haftung.
77. Im Unterschied zu den vertraglichen Anlagekonstrukten bilden die Aktiengesellschaften somit einen nicht transparenten Schirm zwischen den wirtschaftlichen Tätigkeiten und den Investoren. Deshalb unterliegen Aktiengesellschaften üblicherweise der Einkommensteuer, wobei die Ausschüttung von Gewinnen in Form von Dividenden bei den Aktionären gesondert besteuert wird. Die in rechtlicher Hinsicht intransparente Aktiengesellschaft wird auch in steuerlicher Hinsicht als intransparent behandelt.
78. Zwischen diesen beiden Extremen (Transparenz von vertraglichen Ausgestaltungen auf der einen, Intransparenz von Aktiengesellschaften auf der anderen Seite) bestehen zahlreiche Arten von Strukturen mit mehr oder weniger Transparenz nebeneinander.
79. Genau im Hinblick hierauf erscheint mir aber das Erfordernis der Vertragsform, das in § 20a des Einkommensteuergesetzes vorgesehen ist, als übermäßig formalistisch und ist deshalb zu rügen.
80. Zwar besteht kaum ein Zweifel daran, dass bestimmte statutarische Einheiten als intransparent angesehen werden können, wenn sich ihre Funktionsweise derjenigen einer klassischen Aktiengesellschaft, wie sie vorstehend beschrieben ist (Rechtspersönlichkeit, Rechtsfähigkeit, Eigenkapital, Entscheidungsbefugnis in Bezug auf Investitionen und Gewinnausschüttungen, beschränkte Haftung), annähert.
81. Indes sind andere in statutarischer Form errichtete Einheiten hinsichtlich der Transparenz Einheiten mit Vertragsform vergleichbar.
82. Zur Veranschaulichung genügt es, die Merkmale des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Investmentfonds, nämlich A SCPI, wie sie vom vorlegenden Gericht beschrieben wurden, zu betrachten(25). Obwohl in statutarischer Form errichtet, scheint mir diese Einheit durch ein hohes Maß an Transparenz gekennzeichnet zu sein. Erstens besitzt A SCPI keine Rechtsfähigkeit (er kann weder Rechts- noch Prozesshandlungen vornehmen). Zweitens werden die Nettoerträge von A SCPI jährlich an die Anleger ausgeschüttet. Drittens trifft, auch wenn A SCPI gegenüber Dritten für die Verbindlichkeiten haftet, die Anleger insoweit eine sekundäre Haftung.
83. Meines Erachtens ist ein Investmentfonds mit solchen Merkmalen trotz seiner statutarischen Form in Bezug auf die Transparenz mit einem Investmentfonds in Vertragsform vergleichbar. Eine solche Einheit stellt nämlich eine bloße Koordinierungsstruktur dar, die keinen echten Schirm zwischen den wirtschaftlichen Tätigkeiten und den Anlegern bildet. Dass die Ausschüttung der Erträge formell von der Hauptversammlung beschlossen werden muss, scheint mir insoweit nicht entscheidend(26), sofern der Großteil der Nettoerträge jedes Jahr tatsächlich an die Anleger ausgeschüttet wird(27).
84. Mit anderen Worten schließt § 20a des Einkommensteuergesetzes dadurch, dass er sich auf einen formalistischen Begriff der „Transparenz“ beschränkt, der auf das Erfordernis der Vertragsform fokussiert ist, bestimmte in statutarischer Form errichtete Investmentfonds aus, die praktisch genauso „transparent“ sind wie in Vertragsform errichtete Investmentfonds. In diesem Sinne begründet diese Bestimmung eine willkürliche Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte.
85. Die Stichhaltigkeit der vorstehenden Erwägungen wird meines Erachtens durch das kürzlich ergangene Urteil Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö (Von OGAW ausgeschüttete Erträge) bestätigt, wie die Kommission zutreffend bemerkt hat(28). Dieses Urteil betraf zwar nicht die für Investmentfonds geltende Steuerregelung, sondern die steuerliche Behandlung der von solchen Fonds ausgeschütteten Erträge. Gleichwohl hat der Gerichtshof in diesem Zusammenhang ausdrücklich festgestellt, dass „aus der Satzungsform einer [Investmentgesellschaft mit variablem Kapital, (SICAV)] luxemburgischen Rechts nicht folgt, dass diese sich hinsichtlich der steuerlichen Behandlung ausgeschütteter Erträge in einer anderen Situation befindet, als ein [Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW)] finnischen Rechts in Vertragsform“(29).
86. Mit anderen Worten und in Übereinstimmung mit meinem Vorschlag in der vorliegenden Rechtssache befand der Gerichtshof, dass eine Unterscheidung aufgrund der Rechtsform des Investmentfonds in diesem Zusammenhang eine willkürliche Ungleichbehandlung vergleichbarer Situationen darstellt.
87. Ich weise vorsorglich darauf hin, dass es einem Mitgliedstaat vorbehaltlich der Einhaltung der sich aus dem Unionsrecht ergebenden Verpflichtungen freisteht, die Inanspruchnahme der steuerlichen Transparenz von sachlichen Transparenzkriterien abhängig zu machen. Ich denke dabei insbesondere an das Fehlen der Rechtsfähigkeit der betreffenden Einheit, an die Verpflichtung zur Ausschüttung des größten Teils der Nettojahreserträge oder an das Fehlen einer beschränkten Haftung der Anteilseigner.
88. Zur Stützung ihres Standpunkts, dass sich vertragliche und statutarische Investmentfonds nicht in einer vergleichbaren Situation befänden, hat die finnische Regierung vorgetragen, dass die vertraglichen Investmentfonds den Investoren insbesondere im Fall der Insolvenz eine erhöhte Sicherheit böten, indem sie es ihnen ermöglichten, unmittelbar Eigentümer der zugrunde liegenden Vermögenswerte zu sein.
89. Diese Behauptung überzeugt mich nicht. Wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, hat die finnische Regierung keinen konkreten Grund genannt, warum das unmittelbare Eigentum an den zugrunde liegenden Vermögenswerten in einem vertraglichen Fonds im Fall finanzieller Schwierigkeiten mehr Sicherheit bieten würde als das Eigentum an Anteilen eines statutarischen Investmentfonds. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass bei vertraglichen Investmentfonds die Haftung der Anleger im Falle finanzieller Schwierigkeiten nicht beschränkt werden kann, im Gegensatz zu bestimmten statutarischen Fonds (insbesondere solchen, die in Form einer Aktiengesellschaft errichtet wurden).
90. Jedenfalls steht es, wie ich oben erläutert habe, der finnischen Regierung frei, sachliche Kriterien festzulegen, die von jedem (vertraglichen oder statutarischen) Investmentfonds, der von der Steuertransparenz profitieren möchte, erfüllt werden müssen, um die Sicherheit der Anleger zu gewährleisten. Ich denke beispielsweise an ein Erfordernis, der Aufsicht durch die nationale Finanzmarktbehörde unterworfen zu sein, wie es bei A SCPI im Ausgangsverfahren der Fall war(30).
D. Zum Fehlen einer Rechtfertigung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses
91. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass das Erfordernis der Vertragsform, um in den Genuss der Steuertransparenz zu kommen, wie es in § 20a des Einkommensteuergesetzes vorgesehen ist, eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellt. Ich habe auch gezeigt, dass dieses Erfordernis zu einer willkürlichen Ungleichbehandlung vergleichbarer Situationen führt, nämlich derjenigen von Investmentfonds, die ungeachtet ihrer vertraglichen oder statutarischen Form einen ähnlichen Grad an Transparenz aufweisen.
92. Es bleibt zu prüfen, ob eine Rechtfertigung aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses möglich ist.
93. Der Gerichtshof hat wiederholt entschieden, dass nationale Maßnahmen, die den freien Kapitalverkehr beschränken, aus den in Art. 65 AEUV genannten Gründen oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein können, sofern diese Maßnahmen geeignet sind, die Erreichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist(31).
94. Keiner der Rechtfertigungsgründe, die in den dem Gerichtshof vorgelegten Akten angeführt sind, überzeugt mich.
95. Erstens hat das vorlegende Gericht darauf hingewiesen, dass zu den Zielen, die in dem Regierungsvorschlag, der zum Erlass von § 20a des Einkommensteuergesetzes geführt habe, genannt seien, der Wille gehört habe, genauere Kriterien für die Anwendung des Mechanismus der steuerlichen Transparenz auf ausländische Investmentfonds festzulegen. Diese neue Bestimmung habe es somit ermöglicht, die Vorhersehbarkeit der Besteuerung und die Rechtssicherheit zu erhöhen. Sie habe auch zu einer Beseitigung von Verwaltungsaufwand geführt.
96. Auch die finnische Regierung hat vor dem Gerichtshof geltend gemacht, dass ein Zusammenhang zwischen der genauen Abgrenzung der Steuerbefreiung und der Gewährleistung der Wirksamkeit der Steuerkontrolle und ‑erhebung bestehe.
97. Meines Erachtens kann der Wille, die Rechtssicherheit zu erhöhen, keinesfalls ein legitimer Grund sein, der eine Beschränkung der Verkehrsfreiheiten zu rechtfertigen vermag. Wäre dies der Fall, stünde es den Mitgliedstaaten frei, solche Beschränkungen einzuführen, sofern diese in Vorschriften niedergelegt sind, die ein hohes Maß an Rechtssicherheit gewährleisten.
98. Zwar hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass sich ein Mangel an Rechtssicherheit bei nationalen Vorschriften als mit dem Unionsrecht unvereinbar erweisen kann. Nach gefestigter Rechtsprechung müssen die Rechtsnormen der Mitgliedstaaten auf den vom Unionsrecht erfassten Gebieten eindeutig formuliert sein, so dass den betroffenen Personen die klare und genaue Kenntnis ihrer Rechte und Pflichten ermöglicht wird und die innerstaatlichen Gerichte in die Lage versetzt werden, deren Einhaltung sicherzustellen(32).
99. Diese Rechtsprechung impliziert jedoch keineswegs, dass das Ziel der Rechtssicherheit eine Beschränkung der Verkehrsfreiheiten rechtfertigen kann, die sich aus anderen Aspekten der in Rede stehenden nationalen Regelung ergibt.
100. Im Übrigen können, wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, auch administrative oder praktische Schwierigkeiten für sich genommen die Beeinträchtigung einer durch den Vertrag garantierten Grundfreiheit nicht rechtfertigen(33).
101. Zweitens hat die finnische Regierung knapp auf das Ziel der Kohärenz der Steuerregelung hingewiesen und insoweit hervorgehoben, dass die Steuerbefreiung Investmentfonds, die nach finnischem Recht errichtet werden könnten, und alle diesen gleichgestellten ausländischen Fonds betreffe.
102. Auch dieses Argument ist zurückzuweisen. Ein auf diesen Rechtfertigungsgrund gestütztes Argument kann nach ständiger Rechtsprechung nur Erfolg haben, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung besteht, wobei die Unmittelbarkeit dieses Zusammenhangs im Hinblick auf das mit der fraglichen Regelung verfolgte Ziel beurteilt werden muss(34).
103. Es genügt die Feststellung, dass die finnische Regierung das Bestehen eines solchen unmittelbaren Zusammenhangs, der für diesen Rechtfertigungsgrund erforderlich wäre, nicht geltend gemacht hat.
104. Drittens schließlich könnten nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts finnische Investmentfonds in anderen Mitgliedstaaten strengeren Regelungen unterliegen, als sie in Finnland für ausländische Fonds gälten, was unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsneutralität bedenklich sei. Eines der mit § 20a des Einkommensteuergesetzes verfolgten Ziele bestehe darin, finnische Fonds und ausländische Fonds gleichzubehandeln.
105. Wie die Kommission im Wesentlichen ausgeführt hat, ergibt sich jedoch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass eine nachteilige steuerliche Behandlung in einem Mitgliedstaat, die als Verstoß gegen die Verkehrsfreiheiten eingestuft wird, nicht wegen des etwaigen Vorliegens von Steuervorteilen, die in einem anderen Mitgliedstaat gewährt werden, als mit dem Unionsrecht vereinbar angesehen werden kann(35).
106. Der Vollständigkeit halber weise ich darauf hin, dass in Rn. 43 des Urteils Köln-Aktienfonds Deka(36) kein Rechtfertigungsgrund zu finden ist. Der Gerichtshof hat dort zwar festgestellt, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, zur Förderung der Nutzung von Organismen für gemeinsame Anlagen eine besondere Steuerregelung für diese Organismen vorzusehen.
107. Die Tragweite dieser Klarstellung, die zu einer Reihe von einleitenden Erwägungen gehört, die der Gerichtshof vor Beantwortung der Vorlagefragen angestellt hat, ist jedoch im Licht der nachfolgenden Randnummern dieses Urteils zu verstehen. Darin weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Mitgliedstaaten ihre Steuerautonomie unter Beachtung der sich aus dem Unionsrecht ergebenden Anforderungen ausüben müssen, insbesondere derjenigen, die in den Bestimmungen des Vertrags über den freien Kapitalverkehr vorgesehen sind(37).
108. Folglich darf die Einführung einer Regelung über Organismen für gemeinsame Anlagen und insbesondere die Art der Voraussetzungen für ihre Inanspruchnahme und der dafür zu erbringenden Nachweise keine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellen(38).
109. Mit anderen Worten stellt die Einführung einer solchen Regelung keinen stichhaltigen Grund dar, der eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs rechtfertigen könnte.
110. Nach alledem ist davon auszugehen, dass die Beschränkung des freien Kapitalverkehrs, die sich aus dem Erfordernis der vertraglichen Form ergibt, um in den Genuss der steuerlichen Transparenz zu kommen, nicht durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.
V. Ergebnis
111. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefrage des Helsingin hallinto-oikeus (Verwaltungsgericht Helsinki, Finnland) wie folgt zu antworten:
Die Art. 63 und 65 AEUV sind dahin auszulegen, dass das im Steuerrecht eines Mitgliedstaats vorgesehene Erfordernis, dass ein Investmentfonds eine vertragliche Form haben muss, um in den Genuss der steuerlichen Transparenz kommen zu können, gegen den freien Kapitalverkehr verstößt, soweit es zum Ausschluss von Investmentfonds führt, die in anderen Mitgliedstaaten in statutarischer Form errichtet wurden, obwohl diese Fonds unter dem Gesichtspunkt der Transparenz objektiv mit Fonds vergleichbar sind, die in vertraglicher Form errichtet wurden.