Language of document : ECLI:EU:C:2022:646

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Neunte Kammer)

8. September 2022(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 93/13/EWG – Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 – Hypothekendarlehensverträge – Folgen der Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel – Verjährung – Effektivitätsgrundsatz“

In den verbundenen Rechtssachen C‑80/21 bis C‑82/21

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Rejonowy dla Warszawy – Śródmieścia w Warszawie (Rayongericht Warschau-Śródmieście, Polen) mit Entscheidungen vom 13. Oktober (C‑82/21) und vom 27. Oktober 2020 (C‑80/21 und C‑81/21), beim Gerichtshof eingegangen am 8. Februar (C‑80/21) und am 9. Februar 2021 (C‑81/21 und C‑82/21), in den Verfahren

E. K.,

S. K.

gegen

D.B.P. (C‑80/21)

und

B. S.,

W. S.

gegen

M. (C‑81/21)

und

B. S.,

Ł. S.

gegen

M. (C‑82/21)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten S. Rodin (Berichterstatter), des Richters J.‑C. Bonichot und der Richterin O. Spineanu-Matei,

Generalanwalt: A. M. Collins,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. März 2022,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von E. K. und S. K., vertreten durch M. Jusypenko, Adwokat,

–        von D.B.P., vertreten durch S. Dudzik, M. Kruk-Nieznańska, T. Spyra, A. Wróbel und A. Zapala, Radcowie prawni,

–        von B. S. und W. S., vertreten durch J. Wędrychowska, Adwokat,

–        von B. S. und Ł. S., vertreten durch M. Skrobacki, Radca prawny,

–        von M., vertreten durch A. Beneturski, Adwokat, A. Cudna-Wagner, P. Gasińska, Radcowie prawni, B. Miąskiewicz, Adwokat, und J. Wolak, Radca prawny,

–        der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna und S. Żyrek als Bevollmächtigte,

–        der finnischen Regierung, vertreten durch H. Leppo als Bevollmächtigte,

–        der spanischen Regierung, vertreten durch A. Ballesteros Panizo, A. Gavela Llopis und J. Ruiz Sánchez als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch N. Ruiz García, M. Siekierzyńska und A. Szmytkowska als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).

2        Sie ergehen in drei Rechtsstreitigkeiten. Die erste wird von E. K. und S. K. gegen D.B.P. geführt (Rechtssache C‑80/21), die zweite von B. S. und W. S. gegen M. (Rechtssache C‑81/21) und die dritte von B. S. und Ł. S. gegen M. (Rechtssache C‑82/21). Die jeweils Erstgenannten begehren in ihrer Eigenschaft als Verbraucher die Nichtigerklärung von mit D.B.P. und M., zwei Bankinstituten, geschlossenen Darlehensverträgen, da diese missbräuchliche Klauseln enthielten.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.“

4        Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.“

 Polnisches Recht

 Zivilgesetzbuch

5        Art. 5 des Kodeks cywilny (Zivilgesetzbuch) in seiner auf die Ausgangsrechtsstreitigkeiten anwendbaren Fassung (im Folgenden: Zivilgesetzbuch) bestimmt:

„Die Ausübung eines eigenen Rechts ist unzulässig, wenn sie mit der sozioökonomischen Zweckbestimmung dieses Rechts oder mit den Grundsätzen des gesellschaftlichen Zusammenlebens unvereinbar ist. Eine solche Handlung oder Unterlassung des Berechtigten gilt nicht als Rechtsausübung und genießt keinen Schutz.“

6        Art. 58 des Zivilgesetzbuchs sieht vor:

„§ 1.      Ein Rechtsgeschäft, das dem Gesetz zuwiderläuft oder die Umgehung des Gesetzes zum Zweck hat, ist nichtig, es sei denn, dass eine einschlägige Vorschrift eine andere Rechtsfolge vorsieht, insbesondere die, dass an die Stelle der nichtigen Bestimmungen des Rechtsgeschäfts die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen treten.

§ 2.      Ein Rechtsgeschäft, das den Grundsätzen des gesellschaftlichen Zusammenlebens zuwiderläuft, ist nichtig.

§ 3.      Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Rechtsgeschäfts, so bleibt das Rechtsgeschäft im Übrigen wirksam, es sei denn, dass sich aus den Umständen ergibt, dass es ohne die nichtigen Bestimmungen nicht vorgenommen worden wäre.“

7        Art. 65 des Zivilgesetzbuchs lautet:

„§ 1.      Eine Willenserklärung ist so auszulegen, wie es die Grundsätze des gesellschaftlichen Zusammenlebens und die Verkehrssitte unter Berücksichtigung der Umstände ihrer Abgabe erfordern.

§ 2.      Bei Verträgen ist in erster Linie zu ermitteln, was die übereinstimmende Absicht der Vertragsparteien war und worin der Vertragszweck bestand, und weniger auf den Wortlaut des Vertrags abzustellen.“

8        In Art. 117 §§ 1 und 2 des Zivilgesetzbuchs heißt es:

„§ 1.      Vorbehaltlich der im Gesetz vorgesehenen Ausnahmen unterliegen vermögensrechtliche Ansprüche der Verjährung.

§ 2.      Nach Ablauf der Verjährungsfrist kann derjenige, gegen den sich der Anspruch richtet, seine Erfüllung verweigern, es sei denn, dass er auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichtet. Der Verzicht auf die Verjährungseinrede vor Ablauf der Verjährungsfrist ist jedoch unwirksam.“

9        Art. 118 des Zivilgesetzbuchs sieht vor:

„Wird durch eine besondere Vorschrift nichts anderes bestimmt, so beträgt die Verjährungsfrist sechs Jahre und für Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen und Ansprüche im Zusammenhang mit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit drei Jahre. Die Verjährungsfrist endet jedoch am letzten Tag des Kalenderjahres, es sei denn, die Verjährungsfrist ist kürzer als zwei Jahre.“

10      Art. 118 des Zivilgesetzbuchs in seiner bis zum 8. Juli 2018 geltenden Fassung lautete:

„Wird durch eine besondere Vorschrift nichts anderes bestimmt, so beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre, und für Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen und Ansprüche im Zusammenhang mit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit drei Jahre.“

11      Art. 120 § 1 des Zivilgesetzbuchs sieht vor:

„Der Lauf der Verjährung beginnt an dem Tag, an dem der Anspruch fällig geworden ist. Ist die Fälligkeit des Anspruchs von der Vornahme einer bestimmten Handlung durch den Berechtigten abhängig, so beginnt der Lauf der Verjährung an dem Tag, an dem der Anspruch fällig geworden wäre, wenn der Berechtigte die Handlung am frühestmöglichen Termin vorgenommen hätte.“

12      Art. 123 § 1 des Zivilgesetzbuchs lautet:

„Der Lauf der Verjährung wird unterbrochen: 1) durch jede Handlung vor Gericht oder einem anderen zur Entscheidung von Angelegenheiten oder Vollstreckung von Ansprüchen der jeweiligen Art berufenen Organ oder vor einem Schiedsgericht, die unmittelbar zur Geltendmachung, Feststellung, Erfüllung oder Sicherung des Anspruchs vorgenommen wird; 2) durch Anerkennung des Anspruchs durch die Person, gegen die sich der Anspruch richtet; 3) durch Einleitung eines Mediationsverfahrens.“

13      In Art. 358 §§ 1 bis 3 des Zivilgesetzbuchs heißt es:

„§ 1.      Wenn Gegenstand einer Verpflichtung ein Geldbetrag in fremder Währung ist, so darf der Schuldner die Leistung in polnischer Währung erfüllen, es sei denn, dass das Gesetz, eine Gerichtsentscheidung, die die Grundlage der Verpflichtung darstellt, oder ein Rechtsgeschäft vorsieht, dass die Leistung ausschließlich in fremder Währung zu erfüllen ist.

§ 2.      Der Wert der fremden Währung ist nach dem von der Polnischen Nationalbank veröffentlichten Mittelkurs des Tags der Fälligkeit der Forderung festzulegen, es sei denn, dass das Gesetz, eine Gerichtsentscheidung oder ein Rechtsgeschäft etwas anderes vorsieht.

§ 3.      Bei einem Verzug des Schuldners kann der Gläubiger verlangen, dass die Leistung in polnischer Währung nach dem von der Polnischen Nationalbank veröffentlichten Mittelkurs des Tags erfolgt, an dem die Zahlung getätigt wird.“

14      Art. 358 § 1 des Zivilgesetzbuchs in der bis zum 23. Januar 2009 geltenden Fassung sah vor:

„Vorbehaltlich der gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen können Geldverbindlichkeiten im Gebiet der Republik Polen nur in polnischer Währung ausgedrückt werden.“

15      Art. 3851 des Zivilgesetzbuchs lautet:

§ 1.      Die Bestimmungen eines mit einem Verbraucher geschlossenen Vertrags, die nicht individuell vereinbart worden sind, sind für ihn unverbindlich, wenn sie seine Rechte und Pflichten in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise gestalten und seine Interessen grob verletzen (unzulässige Vertragsbestimmungen). Dies gilt nicht für Bestimmungen, die die Hauptleistungen der Parteien, darunter den Preis oder die Vergütung, festlegen, wenn sie eindeutig formuliert worden sind.

§ 2.      Ist eine Vertragsbestimmung nach § 1 für den Verbraucher unverbindlich, so sind die Parteien an den Vertrag in seinem übrigen Umfang gebunden.

§ 3.      Als nicht individuell vereinbart gelten diejenigen Vertragsbestimmungen, auf deren Inhalt der Verbraucher keinen wirklichen Einfluss gehabt hat. Dies gilt insbesondere für Vertragsbestimmungen, die einem Vertragsmuster entstammen, das dem Verbraucher von dem Vertragspartner vorgeschlagen worden ist.

§ 4.      Die Beweislast dafür, dass eine Bestimmung individuell vereinbart worden ist, trägt derjenige, der sich darauf beruft.“

16      Art. 3852 des Zivilgesetzbuchs lautet:

„Maßgebend für die Prüfung der Vereinbarkeit einer Vertragsbestimmung mit den guten Sitten ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses unter Berücksichtigung des Vertragsinhalts, der Umstände des Vertragsschlusses sowie der Verträge, die im Zusammenhang mit dem Vertrag stehen, dessen Bestimmung Gegenstand der Prüfung ist.“

17      Art. 405 des Zivilgesetzbuchs sieht vor:

„Wer einen Vermögensvorteil auf Kosten einer anderen Person ohne rechtlichen Grund erlangt hat, ist verpflichtet, den Vorteil in Natur herauszugeben und, falls dies unmöglich ist, seinen Wert zu erstatten.“

18      Art. 410 des Zivilgesetzbuchs bestimmt:

„§ 1.      Die Vorschriften der vorstehenden Artikel werden insbesondere auf eine nicht geschuldete Leistung angewandt.

§ 2.      Eine Leistung ist nicht geschuldet, wenn derjenige, der sie erbracht hat, nicht oder nicht gegenüber der Person, an die er geleistet hat, leistungsverpflichtet war oder wenn die Grundlage der Leistung entfallen ist oder der beabsichtigte Zweck der Leistung nicht erreicht worden ist oder wenn das zur Leistung verpflichtende Rechtsgeschäft unwirksam war und nicht nach der Erbringung der Leistung wirksam geworden ist.“

19      Art. 4421 § 1 des Zivilgesetzbuchs sieht vor:

„Der Anspruch auf Ersatz eines Schadens, der durch eine unerlaubte Handlung verursacht worden ist, verjährt nach Ablauf von drei Jahren ab dem Tag, an dem der Geschädigte von dem Schaden und von der zum Schadensersatz verpflichteten Person Kenntnis erlangt hat oder bei Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt Kenntnis hätte erlangen können. Die Frist darf jedoch nicht länger sein als zehn Jahre ab dem Tag, an dem das den Schaden auslösende Ereignis eingetreten ist.“

20      Art. 4421 § 1 des Zivilgesetzbuchs sah in seiner bis zum 26. Juni 2017 geltenden Fassung vor:

„Der Anspruch auf Ersatz eines Schadens, der durch eine unerlaubte Handlung verursacht worden ist, verjährt nach Ablauf von drei Jahren ab dem Tag, an dem der Geschädigte von dem Schaden und von der zum Schadensersatz verpflichteten Person Kenntnis erlangt hat. Die Frist darf jedoch nicht länger sein als zehn Jahre ab dem Tag, an dem das den Schaden auslösende Ereignis eingetreten ist.“

 Bankgesetz

21      Art. 69 Abs. 1 der Ustawa prawo bankowe (Bankgesetz) vom 29. August 1997 (Dz. U. 1997, Nr. 140, Pos. 939) in der auf die Ausgangsrechtsstreitigkeiten anwendbaren Fassung lautet:

„Durch einen Kreditvertrag verpflichtet sich die Bank, dem Kreditnehmer für einen im Vertrag bestimmten Zeitraum einen Geldbetrag zu einem bestimmten Zweck zur Verfügung zu stellen, und der Kreditnehmer verpflichtet sich, diesen gemäß den Vertragsbedingungen zu verwenden, den in Anspruch genommenen Kreditbetrag nebst Zinsen zu den festgelegten Rückzahlungsterminen zurückzuzahlen und eine Provision für den gewährten Kredit zu zahlen.“

22      Art. 69 Abs. 2 des Bankgesetzes in der auf die Ausgangsrechtsstreitigkeiten anwendbaren Fassung sieht vor:

„Ein Kreditvertrag muss in schriftlicher Form abgeschlossen werden und insbesondere Folgendes bestimmen: 1) die Vertragsparteien, 2) die Kredithöhe und ‑währung, 3) den Zweck, für den der Kredit gewährt wird, 4) die Grundsätze und die Frist für die Kreditrückzahlung, 5) den Kreditzinssatz und die Bedingungen für seine Änderung, 6) die Art und Weise der Sicherung der Kreditrückzahlung, 7) den Umfang der Rechte der Bank in Bezug auf die Kontrolle der Verwendung und Rückzahlung des Kredits, 8) die Termine und die Art und Weise der Bereitstellung der Geldmittel an den Kreditnehmer, 9) die Höhe der Provision, wenn diese im Vertrag vorgesehen ist, 10) die Bedingungen für die Änderung und Auflösung des Vertrags.“

 Ausgangsrechtsstreitigkeiten, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

 Rechtssache C80/21

23      E. K. und S. K. sind Verbraucher, die in den Jahren 2006 und 2008 mit D.B.P., einem Bankinstitut, vier Hypothekendarlehensverträge zur Finanzierung der Anschaffungskosten von vier Wohnungen in Polen schlossen. Einer dieser Verträge, der am 8. Juli 2008 geschlossen wurde und auf Schweizer Franken (CHF) lautete, betraf einen Betrag von 103 260 CHF (etwa 100 561 Euro), der in 360 Monaten, d. h. bis zum 4. August 2038, zurückzuzahlen war (im Folgenden: Vertrag in der Rechtssache C‑80/21). Es handelte sich um ein Darlehen mit variablem Zinssatz, dessen anfänglicher Jahreszinssatz 3,80 % betrug. Das Darlehen sollte in gleichen Monatsraten zurückgezahlt werden.

24      E. K. und S. K. akzeptierten dabei die „Darlehensbedingungen“, die die Auszahlung und die Rückzahlung des Darlehens regeln und Klauseln über die Zahlungsmodalitäten und insbesondere die Umrechnung in Schweizer Franken enthalten.

25      Nach diesen Klauseln ist erstens der Darlehensbetrag in polnischen Zloty (PLN) auszuzahlen, und für die Umrechnung des Darlehensbetrags wendet die Bank den zum Zeitpunkt der Auszahlung des Darlehensbetrags oder der Monatsrate in der „Wechselkurstabelle“ von D.B.P. veröffentlichten Ankaufskurs des Schweizer Franken an. Zweitens kann das Darlehen mit Zustimmung der Bank auch in Schweizer Franken oder in einer anderen Währung ausgezahlt werden. Drittens kann die Bank, wenn der Darlehensnehmer die Bedingungen für die Gewährung des Darlehens oder die Kreditwürdigkeit nicht erfüllt, den Vertrag kündigen oder den Betrag des gewährten Darlehens herabsetzen, wenn dieses nicht vollständig ausgezahlt worden ist. Viertens wird das Darlehen dadurch zurückgezahlt, dass das Bankkonto des Darlehensnehmers zugunsten der Bank mit dem Betrag in polnischen Zloty belastet wird, der der laufenden Rate in Schweizer Franken sowie den überfälligen Schulden und den sonstigen Forderungen der Bank in Schweizer Franken entspricht, berechnet durch Anwendung des in der „Wechselkurstabelle“ veröffentlichten Verkaufskurses des Schweizer Franken, der von der Bank zwei Werktage vor der Fälligkeit der einzelnen Darlehensraten angewandt wird.

26      Im Laufe des Verfahrens zum Abschluss des Vertrags in der Rechtssache C‑80/21 nahmen E. K. und S. K. unter Einsatz von Fernkommunikationsmitteln Kontakt mit der Bank auf, und die meisten der Darlehensdokumente wurden von den Bevollmächtigten von E. K. und S. K. unterzeichnet, ohne dass irgendeine der Klauseln dieses Vertrags mit D.B.P. ausgehandelt worden wäre. E. K. und S. K. baten D.B.P., ihnen einen Entwurf des Vertrags zur Unterzeichnung per E‑Mail zuzusenden; diese Bitten blieben jedoch unbeantwortet, so dass der Vertrag in der Rechtssache C‑80/21 im Namen von E. K. und S. K. von ihren Bevollmächtigten unterzeichnet wurde.

27      E. K. und S. K. meinen, dass der Vertrag in der Rechtssache C‑80/21 missbräuchliche Klauseln enthalte, und erhoben deshalb Klage beim Sąd Rejonowy dla Warszawy – Śródmieścia w Warszawie (Rayongericht Warschau-Śródmieście, Polen) mit dem Antrag, D.B.P. zu verurteilen, an sie 26 274,90 PLN (etwa 5 716 Euro) zuzüglich gesetzlicher Verzugszinsen ab dem 30. Juli 2018 bis zum Tag der Zahlung zu zahlen.

28      Während des Verfahrens vor dem vorlegenden Gericht wurden E. K. und S. K. von diesem auf die Folgen einer etwaigen Nichtigerklärung des Vertrags in der Rechtssache C‑80/21 hingewiesen. Sie erklärten, dass sie die rechtlichen und finanziellen Folgen einer Nichtigkeit dieses Vertrags verstünden und akzeptierten und mit einer Nichtigerklärung des Vertrags durch das Gericht einverstanden seien.

29      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass die polnische Rechtsprechung nahezu konstant davon ausgehe, dass die Umrechnungsklauseln, insbesondere die über die Möglichkeit für einen Darlehensnehmer, das Darlehen mit Zustimmung der Bank in Schweizer Franken oder in einer anderen Währung zurückzuzahlen (im Folgenden: Umrechnungsklauseln), unzulässig seien. Die meisten nationalen Gerichte seien jedoch der Ansicht, dass die Umrechnungsklauseln nur teilweise missbräuchlich seien, insbesondere insoweit, als sie die Auszahlung und die Rückzahlung des Darlehens in Schweizer Franken von der ausdrücklichen Zustimmung der Bank abhängig machten, und dass die Nichtigerklärung dieser Klauseln die Erfüllung des Vertrags nicht unmöglich mache.

30      Das vorlegende Gericht weist erstens darauf hin, dass die Rechtsprechungspraxis, nach der der Teil der Umrechnungsklauseln, wonach die Auszahlung und die Rückzahlung des Darlehens in Schweizer Franken nur mit Zustimmung der Bank erfolgen könnten, für nichtig erklärt werden könne, damit der Darlehensnehmer die entsprechenden Transaktionen ohne diese vorherige Zustimmung in Schweizer Franken ausführen könne, auf eine Abänderung des Inhalts einer missbräuchlichen Klausel hinauslaufe, was im Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofs stehe.

31      Außerdem mindere eine solche Rechtsprechungspraxis zum einen die sich aus der Nichtigerklärung einer missbräuchlichen Klausel ergebende abschreckende Wirkung, da sie dem Unternehmen, das solche Klauseln vorgebe, gewährleiste, dass das nationale Gericht sie im schlimmsten Fall so ändern werde, dass die Durchführung des Vertrags fortgesetzt werden könne, ohne dass dieses Unternehmen jemals weitere negative Folgen zu tragen habe. Zum anderen gewährleiste sie nicht den Schutz der Verbraucher, die, vom Inhalt des Vertrags ausgehend, davon überzeugt seien, dass sie das Darlehen ausschließlich in polnischen Zloty zurückzuzahlen hätten, sofern die Bank nicht ausdrücklich einer Rückzahlung in Schweizer Franken zugestimmt habe – und dies bis zu einer gegenteiligen Entscheidung eines nationalen Gerichts.

32      Zweitens verweist das vorlegende Gericht unter Hinweis auf den Standpunkt des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht, Polen) auch auf die nationale Rechtsprechung, nach der, wenn nur bestimmte Vertragsklauseln missbräuchlich und damit für den Verbraucher unverbindlich seien, die Nichtigerklärung dieser Klauseln einer Änderung anderer Vertragsklauseln in der Weise, dass der Vertrag letztlich durchgeführt werden könne, nicht entgegenstehe. Genauer gesagt habe das nationale Gericht den Willen der Parteien auszulegen und davon auszugehen, dass der Darlehensbetrag von vornherein nicht in Schweizer Franken, sondern in polnischen Zloty festgelegt worden sei. Diese im Wesentlichen auf Art. 65 § 2 des Zivilgesetzbuchs gestützte Rechtsprechung könne sich aber als im Widerspruch zu den Art. 6 und 7 der Richtlinie 93/13 stehend erweisen. In dem Fall, dass der Verbraucher die Nichtigkeit des Vertrags akzeptiert habe, stehe einer solchen nationalen Rechtsprechungspraxis nämlich insbesondere das Verbot für den Richter entgegen, einen Vertrag in anderer Weise als durch die Feststellung der Nichtigkeit der missbräuchlichen Klauseln zu ändern.

33      Drittens zieht das vorlegende Gericht, soweit E. K. und S. K. eine Nichtigerklärung des Vertrags in der Rechtssache C‑80/21 akzeptiert haben, eine dritte Lösung in Betracht. In einem ersten Schritt könnte das nationale Gericht davon ausgehen, dass die Umrechnungsklauseln insgesamt missbräuchliche Vertragsklauseln seien, die für die Parteien unverbindlich seien und ohne die der Vertrag nicht bestehen könne. In einem zweiten Schritt könnte dieses Gericht dann feststellen, dass ein solcher Vertrag, der nicht die erforderlichen Bestimmungen über die Modalitäten der Rückzahlung des Darlehens und der Zurverfügungstellung der Mittel an den Darlehensnehmer enthalte, gegen das Gesetz verstoße und daher nichtig sei, so dass alle in Erfüllung des Vertrags erbrachten Leistungen nicht geschuldet und zurückzugewähren wären. Eine solche Lösung widerspräche jedoch der Auslegung der einschlägigen nationalen Bestimmungen durch die nationalen Gerichte.

34      Unter diesen Umständen hat der Sąd Rejonowy dla Warszawy-Śródmieścia w Warszawie (Rayongericht Warschau-Śródmieście) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Sind Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen, dass sie einer gerichtlichen Auslegung nationaler Vorschriften entgegenstehen, nach der das Gericht nicht die Missbräuchlichkeit der gesamten betreffenden Vertragsklausel feststellt, sondern nur des Teils davon, aufgrund dessen die Klausel missbräuchlich ist, mit der Folge, dass die Klausel teilweise wirksam bleibt?

2.      Sind Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen, dass sie einer gerichtlichen Auslegung nationaler Vorschriften entgegenstehen, nach der ein Gericht, das festgestellt hat, dass eine Vertragsklausel missbräuchlich ist, ohne die der Vertrag nicht bestehen könnte, den restlichen Teil des Vertrags durch Auslegung der Willenserklärungen der Parteien ändern kann, um die Nichtigkeit des Vertrags, die für den Verbraucher günstig ist, zu verhindern?

 Rechtssache C81/21

35      Am 3. Februar 2009 schlossen B. S. und W. S., zwei Verbraucher, mit M., einem Bankinstitut, einen Vertrag über ein an den Schweizer Franken gebundenes Hypothekendarlehen von 340 000 PLN (etwa 73 971 Euro) für natürliche Personen, um eine Wohnung zu erwerben (im Folgenden: Vertrag in der Rechtssache C‑81/21). Die Laufzeit des Darlehens betrug 360 Monate, vom 3. Februar 2009 bis zum 12. Februar 2039, und es war in gleichen Monatsraten zurückzuzahlen. Es handelte sich um ein Darlehen mit variablem Zinssatz. Die monatlichen Raten waren in polnischen Zloty zu zahlen, nachdem sie in Anwendung des in der „Wechselkurstabelle“ der Bank veröffentlichten Verkaufskurses umgerechnet worden waren. Die vorzeitige Rückzahlung des gesamten Darlehens oder einer Monatsrate sowie die Rückzahlung eines Betrags, der höher war als der einer Monatsrate, führten zur Umrechnung des Rückzahlungsbetrags zum am Tag und zum Zeitpunkt der Rückzahlung geltenden Verkaufskurs für Schweizer Franken, der in der „Wechselkurstabelle“ der Bank veröffentlicht wurde.

36      Am 18. Februar 2012 schlossen die Parteien einen Nachtrag zum Vertrag in der Rechtssache C‑81/21, der es B. S. und W. S. ermöglichte, die monatlichen Darlehensraten unmittelbar in Schweizer Franken zurückzuzahlen.

37      B. S. und W. S. meinen, dass der Vertrag in der Rechtssache C‑81/21 missbräuchliche Klauseln enthalte, und erhoben deshalb am 23. Juli 2020 beim Sąd Rejonowy dla Warszawy – Śródmieścia w Warszawie (Rayongericht Warschau-Śródmieście) Klage mit dem Antrag, M. zu verurteilen, an sie 37 866,11 PLN (etwa 8 238 Euro) und 5 358,10 CHF (etwa 5 215 Euro) zuzüglich gesetzlicher Verzugszinsen zu zahlen und die zu viel gezahlten Raten zur Tilgung des Kapitals und den Versicherungszuschlag für das Darlehen zu erstatten.

38      In der Zeit vom 1. Juni 2010 bis zum 12. Januar 2020 zahlten B. S. und W. S. im Rahmen der Rückzahlung des Darlehens einen Betrag in Höhe von 219 169,44 PLN (etwa 47 683 Euro) an M. Wäre davon auszugehen, dass bestimmte Klauseln des Vertrags in der Rechtssache C‑81/21 B. S. und W. S. nicht binden, während die übrigen Vertragsbestimmungen weiterhin anwendbar blieben, wäre der Gesamtbetrag der in diesem Zeitraum geleisteten Zahlungen nach den Angaben des vorlegenden Gerichts um 43 749,97 PLN (etwa 9 518 Euro) niedriger gewesen. Außerdem hätten B. S. und W. S. 2 813,45 PLN (etwa 611 Euro) und 2 369,79 CHF (etwa 2 306 Euro) weniger als die in diesem Zeitraum tatsächlich gezahlten Monatsraten gezahlt, wenn der auf die Rückzahlung angewandte Wechselkurs der Durchschnittskurs der Polnischen Nationalbank anstelle des von M. gewählten Kurses gewesen wäre.

39      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass nach einer fast ständigen polnischen Rechtsprechung die Umrechnungsklauseln, die sich aus Standardverträgen ergäben und daher nicht individuell ausgehandelt worden seien, auf der Grundlage von Art. 3851 § 1 des Zivilgesetzbuchs als unzulässig angesehen würden. Der bei ihm anhängige Rechtsstreit betreffe jedoch die Folgen einer solchen Feststellung.

40      Insoweit weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass in der früheren nationalen Rechtsprechung häufig der Standpunkt vertreten worden sei, dass die Unanwendbarkeit der Umrechnungsklauseln gegenüber dem Verbraucher nur zur Folge habe, dass das Kapital und die Monatsraten nicht auf der Grundlage des Wechselkurses der verklagten Bank, sondern auf der Grundlage eines anderen Wechselkurses umgerechnet würden. Im Urteil vom 3. Oktober 2019, Dziubak (C‑260/18, EU:C:2019:819), habe der Gerichtshof indessen entschieden, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen sei, dass er einer Schließung von Lücken eines Vertrags, die durch den Wegfall der darin enthaltenen missbräuchlichen Klauseln entstanden seien, allein auf der Grundlage von allgemeinen nationalen Vorschriften, die die in einem Rechtsgeschäft zum Ausdruck gebrachten Wirkungen auch nach den Grundsätzen der Billigkeit oder der Verkehrssitte bestimmten und bei denen es sich weder um dispositive Bestimmungen noch um Vorschriften handele, die im Fall einer entsprechenden Vereinbarung der Vertragsparteien anwendbar seien, entgegenstehe.

41      Das vorlegende Gericht führt aus, dass in der polnischen Rechtsprechung zwei gegenteilige Ansichten vorherrschten. Nach der ersten Ansicht sei ein an eine Fremdwährung gebundener Darlehensvertrag nach dem Wegfall der Umrechnungsklauseln wie ein auf polnische Zloty lautender Darlehensvertrag zu behandeln. Nach der zweiten Ansicht führe der Wegfall solcher Klauseln zur Nichtigkeit des gesamten Vertrags. Allerdings sei, als die neue Fassung von Art. 358 des Zivilgesetzbuchs bereits in Kraft gewesen sei, eine dritte Möglichkeit entwickelt worden, wonach die Feststellung der Missbräuchlichkeit der Umrechnungsklauseln nicht zwangsläufig bedeute, dass der gesamte fragliche Indexierungsmechanismus anfechtbar sei. Dementsprechend würden die für unzulässig befundenen Klauseln für nichtig erklärt, soweit ihr Inhalt rechtswidrig sei. So könne die Feststellung der Missbräuchlichkeit der Umrechnungsklauseln zur Nichtigerklärung des Vertrags insgesamt oder zur Nichtigerklärung eines Teils seiner Klauseln führen, sofern der Vertrag ohne die missbräuchlichen Klauseln in der ursprünglichen von den Vertragsparteien gewollten Form aufrechterhalten werden könne.

42      Das vorlegende Gericht meint angesichts der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass das nationale Gericht, wenn es eine Klausel für missbräuchlich halte, festzustellen habe, dass sie für den Verbraucher von Anfang an und in ihrer Gesamtheit unverbindlich sei. Sodann müsse es prüfen, ob der Vertrag ohne die unzulässige Klausel durchgeführt werden könne. Sei dies der Fall, müsse sich das Gericht darauf beschränken, zu entscheiden, dass der Vertrag ohne die missbräuchlichen Klauseln fortbestehe, und die Frage nach der Anwendung einer dispositiven Bestimmung des nationalen Rechts stelle sich nicht. Sollte das Gericht hingegen der Auffassung sein, dass der Vertrag ohne die rechtswidrige Klausel nicht bestehen könne und folglich für nichtig zu erklären sei, müsse es prüfen, ob diese Nichtigerklärung für den Verbraucher ungünstig sei. Wenn dies nicht der Fall sei oder wenn der Verbraucher der Nichtigerklärung des Vertrags zustimme, sei das nationale Gericht verpflichtet, den Vertrag insgesamt für nichtig zu erklären, und könne ihn nicht durch eine dispositive Bestimmung des nationalen Rechts ergänzen.

43      Im vorliegenden Fall begehrten B. S. und W. S., die erklärt hätten, die rechtlichen und finanziellen Folgen der Nichtigkeit des Vertrags in der Rechtssache C‑81/21 zu verstehen und zu akzeptieren, für den Fall, dass das vorlegende Gericht der Ansicht sein sollte, dass der Vertrag in der Rechtssache C‑81/21 ohne die Umrechnungsklausel fortbestehen könne, die Rückzahlung des zu viel gezahlten Teils der gezahlten Monatsraten. Sollte dieses Gericht hingegen der Ansicht sein, dass der Vertrag in der Rechtssache C‑81/21 ohne die Umrechnungsklausel nicht fortbestehen könne, begehrten sie die Rückzahlung aller gezahlten Monatsraten. Angesichts der in der Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickelten Grundsätze und unter Berücksichtigung dessen, was B. S. und W. S. beantragen, ist das vorlegende Gericht der Ansicht, dass es tatsächlich eine dieser beiden Lösungen anzuwenden habe, ohne auf eine dispositive Bestimmung des nationalen Rechts zurückgreifen zu können, da es sonst gegen Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 verstoßen würde. Diese beiden Möglichkeiten stünden aber offensichtlich im Widerspruch zu dem Vorgehen, das die nationalen Gerichte nach dem Inkrafttreten der neuen Fassung von Art. 358 des Zivilgesetzbuchs am 24. Januar 2009, also nach dem Abschluss des Vertrags in der Rechtssache C‑81/21, befürworteten.

44      Unter diesen Umständen hat der Sąd Rejonowy dla Warszawy – Śródmieścia w Warszawie (Rayongericht Warschau-Śródmieście) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Sind Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen, dass sie einer gerichtlichen Auslegung nationaler Vorschriften entgegenstehen, nach der das Gericht nach Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel, die nicht zur Nichtigkeit des Vertrags führt, den Vertragsinhalt mit einer dispositiven Bestimmung des nationalen Rechts ergänzen darf?

2.      Sind Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen, dass sie einer gerichtlichen Auslegung nationaler Vorschriften entgegenstehen, nach der das Gericht nach Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel, die zur Nichtigkeit des Vertrags führt, den Vertragsinhalt mit einer dispositiven Bestimmung des nationalen Rechts ergänzen darf, um die Nichtigkeit des Vertrags zu verhindern, obwohl der Verbraucher die Nichtigkeit des Vertrags akzeptiert?

 Rechtssache C82/21

45      Am 4. August 2006 schlossen B. S. und Ł. S., zwei Verbraucher, mit M., einem Bankinstitut, einen Vertrag über ein an den Schweizer Franken gebundenes Hypothekendarlehen von 600 000 PLN (etwa 130 445 Euro) für natürliche Personen, das für den Erwerb einer Wohnung bestimmt war (im Folgenden: Vertrag in der Rechtssache C‑82/21). Die Darlehenslaufzeit betrug 360 Monate, vom 8. August 2006 bis zum 5. August 2036. Das Darlehen war in degressiven Monatsraten zu einem variablen Zinssatz zurückzuzahlen. Im vorliegenden Fall waren die Monatsraten in polnischen Zloty zu zahlen, nachdem sie in Anwendung des zum Zeitpunkt der Zahlung geltenden, in der „Wechselkurstabelle“ von M. veröffentlichten Verkaufskurses des Schweizer Franken umgerechnet worden waren. Ferner war vorgesehen, dass die vorzeitige Rückzahlung des gesamten Darlehens oder einer Monatsrate oder eines Betrags, der höher ist als der einer Monatsrate, zur Umrechnung des Rückzahlungsbetrags zum in derselben Tabelle veröffentlichten Verkaufskurs des Schweizer Franken führt.

46      Am 8. Dezember 2008 schlossen B. S. und Ł. S. einen Nachtrag zum Vertrag in der Rechtssache C‑82/21, in dem der Zinssatz als der sogenannte „LIBOR 3M“ zuzüglich einer festen Bankmarge von 0,57 % für die gesamte Laufzeit des Darlehens festgelegt wurde.

47      B. S. und Ł. S. meinen, dass der Vertrag in der Rechtssache C‑82/21 missbräuchliche Klauseln enthalte, insbesondere insoweit, als er die Umrechnung des Kapitals und der Darlehensraten zum betreffenden Kurs in Schweizer Franken vorsehe und M. ermächtige, den Zinssatz des Darlehens zu ändern, und erhoben deshalb Klage beim Sąd Rejonowy dla Warszawy – Śródmieścia w Warszawie (Rayongericht Warschau-Śródmieście) auf Rückzahlung von 74 414,52 PLN (etwa 16 285 Euro) zuzüglich gesetzlicher Verzugszinsen ab dem 30. Juli 2019 bis zur Zahlung. Außerdem tragen B. S. und Ł. S. vor, wenn der Darlehensvertrag in der Rechtssache C‑82/21 insgesamt als nichtig angesehen werden sollte, eine Folge, die sie verstünden und akzeptierten, müsste M. ihnen sämtliche Monatsraten des Darlehens zurückzahlen, und beantragen für diesen Fall, M. zu verurteilen, an sie 72 136,01 PLN (etwa 15 787 Euro) zu zahlen, was dem Gesamtbetrag der im Zeitraum vom 5. Oktober 2006 bis zum 5. März 2010 gezahlten Raten entspreche.

48      Auf der Grundlage der nationalen Rechtsprechungslinie, nach der in einen Darlehensvertrag aufgenommene Klauseln von der Art, wie sie von B. S und Ł. S. gerügt werden, unzulässig sind und zur Nichtigkeit des Vertrags insgesamt führen müssen, beabsichtigt das vorlegende Gericht, den Vertrag in der Rechtssache C‑82/21 insgesamt für nichtig zu erklären. Allerdings wirke eine solche Nichtigerklärung ex tunc, so dass alle zur Erfüllung des Vertrags erbrachten Leistungen nach Art. 405 in Verbindung mit Art. 410 § 1 des Zivilgesetzbuchs zurückgewährt werden müssten. M. mache indessen die Verjährung der Ansprüche von B. S. und Ł. S. geltend. Das vorlegende Gericht legt dar, dass es, da mit der Klage von B. S. und Ł. S. im vorliegenden Fall ein vermögensrechtlicher Anspruch geltend gemacht werde, in der Tat prüfen müsse, ob dieser Anspruch nicht nach der allgemeinen Regelung für die Verjährung von Ansprüchen – wobei für vor dem 9. Juli 2018 begründete Ansprüche eine Verjährungsfrist von zehn Jahren gelte – ganz oder teilweise verjährt sei.

49      Entscheidend für die Beurteilung der Begründetheit der von M. geltend gemachten Verjährungseinrede sei die Bestimmung des Beginns der Verjährungsfrist für eine entsprechende Klage auf Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Beträge. Nach der auf der Grundlage von Art. 120 § 1 des Zivilgesetzbuchs ergangenen Rechtsprechung polnischer Gerichte beginne diese Frist zu dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem die nicht geschuldete Leistung erbracht worden sei. Auf den Zeitpunkt, zu dem der Leistungserbringer Kenntnis davon erlangt habe, dass die Leistung nicht geschuldet gewesen sei, und den Zeitpunkt, zu dem er den Schuldner tatsächlich zur Rückzahlung aufgefordert habe, komme es insoweit für die Bestimmung des Zeitpunkts des Beginns der Verjährungsfrist nicht an. Das vorlegende Gericht führt aus, dass diese Erwägungen auch für Rechtsstreitigkeiten gälten, die die Rückgewähr einer nicht geschuldeten Leistung beträfen, die auf der Grundlage nichtiger Vertragsklauseln erbracht worden sei, wenn eine Partei keine Kenntnis von der Nichtigkeit dieser Klauseln gehabt habe.

50      Wenn man diese Erwägungen indessen auf die Klage von B. S. und Ł. S. anwende, müssten sie das vorlegende Gericht zu der Feststellung veranlassen, dass der Anspruch auf Erstattung jeder Monatsrate, die mehr als zehn Jahre vor der Erhebung der darauf gerichteten Klage dieser Parteien, d. h. vor dem 7. August 2009, gezahlt worden sei, verjährt sei. Das vorlegende Gericht hat Zweifel an der Vereinbarkeit einer solchen Lösung mit der Richtlinie 93/13.

51      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist diese Auslegung von Art. 120 § 1 des Zivilgesetzbuchs mit dem Effektivitätsgrundsatz unvereinbar, da dieser dem entgegenstehe, dass die Erstattungsklage von einer Frist abhängig gemacht werde, die unabhängig davon zu laufen beginne, ob der Verbraucher zu dem betreffenden Zeitpunkt Kenntnis von der für seine Klage angeführten Missbräuchlichkeit einer Klausel des betreffenden Vertrags gehabt habe oder vernünftigerweise hätte haben können. Eine solche Auslegung könne nämlich die Ausübung der dem Verbraucher durch die Richtlinie 93/13 verliehenen Rechte übermäßig erschweren.

52      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts darf die Verjährungsfrist für den Anspruch des Verbrauchers auf Erstattung nicht zu laufen beginnen, solange der Verbraucher keine Kenntnis von der Missbräuchlichkeit der Vertragsklausel erlangt hat, oder zumindest nicht vor dem Zeitpunkt, zu dem er vernünftigerweise Kenntnis davon hätte haben müssen, so dass die restriktive Auslegung von Art. 120 § 1 des Zivilgesetzbuchs nicht den Anforderungen der Richtlinie 93/13 entspreche. Das vorlegende Gericht ergänzt, dass die anderen Bestimmungen des nationalen Rechts es nicht erlaubten, eine solche restriktive Auslegung auszugleichen.

53      Das vorlegende Gericht weist ferner darauf hin, dass nach der nationalen Rechtsprechung und Lehre im Fall der Nichtigerklärung des Vertrags der Anspruch der Bank auf sofortige Rückzahlung des Darlehensbetrags erst zu dem Zeitpunkt wirksam werde, zu dem der Darlehensnehmer endgültig entschieden habe, die Wirkungen der Nichtigerklärung des Darlehensvertrags zu akzeptieren. Daraus folge, dass der aus einem nichtigen Darlehensvertrag resultierende Anspruch des Verbrauchers auf Rückerstattung der nicht geschuldeten Leistung in der Praxis, sei es auch nur teilweise, als verjährt anzusehen sei, während der entsprechende Anspruch der Bank im Allgemeinen nicht verjährt sei. Eine solche Situation sei für die Verbraucher besonders nachteilig, biete nicht die nach der Richtlinie 93/13 gebotenen Garantien und verstoße gegen den Äquivalenzgrundsatz.

54      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts wird gegen diesen Grundsatz auch insoweit verstoßen, als die Verjährungsfrist für den Anspruch des Verbrauchers auf Erstattung der nach dem Unionsrecht nicht geschuldeten Leistung früher zu laufen beginne, als wenn der Verbraucher auf der Grundlage der nationalen Vorschriften über die Haftung aus unerlaubter Handlung einen ähnlichen Anspruch geltend gemacht hätte. Im letztgenannten Fall könne die Verjährungsfrist nämlich nach Art. 4421 § 1 des Zivilgesetzbuchs erst zu dem Zeitpunkt zu laufen beginnen, zu dem der Geschädigte Kenntnis von dem Schaden und der Person erlangt habe, die zu seinem Ersatz verpflichtet sei.

55      Unter diesen Umständen hat der Sąd Rejonowy dla Warszawy – Śródmieścia w Warszawie (Rayongericht Warschau-Śródmieście) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Sind Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 sowie die Grundsätze der Äquivalenz, der Effektivität und der Rechtssicherheit dahin auszulegen, dass sie einer gerichtlichen Auslegung nationaler Vorschriften entgegenstehen, nach der der Anspruch eines Verbrauchers auf Erstattung von Beträgen, die er aufgrund einer missbräuchlichen Klausel in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher zu Unrecht gezahlt hat, nach Ablauf einer Frist von zehn Jahren, beginnend mit dem Tag der jeweiligen Leistung des Verbrauchers, verjährt, und zwar auch dann, wenn der Verbraucher keine Kenntnis von der Missbräuchlichkeit der Klausel hatte?

 Verfahren vor dem Gerichtshof

56      Mit Entscheidung des Präsidenten des Gerichtshofs vom 14. April 2021 sind die Rechtssachen C‑80/21 bis C‑82/21 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren sowie zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage in der Rechtssache C80/21

57      Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Rechtsprechung entgegenstehen, nach der das nationale Gericht nicht die Missbräuchlichkeit der gesamten betreffenden Vertragsklausel eines zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden geschlossenen Vertrags, sondern nur die Missbräuchlichkeit derjenigen Teile, die die Klausel missbräuchlich werden lassen, feststellen kann, mit der Folge, dass die Klausel nach der Aufhebung solcher Teile teilweise wirksam bleibt.

58      Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es den nationalen Gerichten nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 obliegt, die missbräuchlichen Klauseln für unanwendbar zu erklären, damit sie den Verbraucher nicht binden, sofern der Verbraucher dem nicht widerspricht (Urteil vom 26. März 2019, Abanca Corporación Bancaria und Bankia, C‑70/17 und C‑179/17, EU:C:2019:250, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59      Wenn das nationale Gericht die Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel in einem zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Vertrag feststellt, ist Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sodann dahin auszulegen, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift, die es dem nationalen Gericht erlaubt, diesen Vertrag durch Abänderung des Inhalts dieser Klausel anzupassen, entgegensteht (Urteil vom 26. März 2019, Abanca Corporación Bancaria und Bankia, C‑70/17 und C‑179/17, EU:C:2019:250, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

60      Stünde es dem nationalen Gericht frei, den Inhalt der missbräuchlichen Klauseln in einem solchen Vertrag abzuändern, könnte eine derartige Befugnis schließlich die Verwirklichung des langfristigen Ziels gefährden, das mit Art. 7 der Richtlinie 93/13 verfolgt wird. Denn diese Befugnis trüge dazu bei, den Abschreckungseffekt zu beseitigen, der für die Gewerbetreibenden darin besteht, dass solche missbräuchlichen Klauseln gegenüber dem Verbraucher schlicht unangewendet bleiben, da diese nämlich versucht blieben, die betreffenden Klauseln zu verwenden, wenn sie wüssten, dass, selbst wenn die Klauseln für unwirksam erklärt werden sollten, der Vertrag gleichwohl im erforderlichen Umfang vom nationalen Gericht angepasst werden könnte, so dass das Interesse der Gewerbetreibenden auf diese Art und Weise gewahrt würde (Urteil vom 26. März 2019, Abanca Corporación Bancaria und Bankia, C‑70/17 und C‑179/17, EU:C:2019:250, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

61      Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass der nach der polnischen Rechtsprechung missbräuchliche Teil der Umrechnungsklauseln die Zustimmung der Bank zur Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens in Schweizer Franken betrifft.

62      Insoweit hat der Gerichtshof zwar entschieden, dass Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 es dem nationalen Gericht nicht verwehren, nur den missbräuchlichen Bestandteil einer Klausel eines zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags aufzuheben, wenn das mit dieser Richtlinie verfolgte Ziel der Abschreckung durch nationale gesetzliche Vorschriften gewährleistet wird, die ihre Verwendung regeln, sofern dieser Bestandteil in einer gesonderten vertraglichen Verpflichtung besteht, die Gegenstand einer individualisierten Prüfung ihrer Missbräuchlichkeit sein kann. Dagegen hindern diese Bestimmungen das nationale Gericht daran, nur den missbräuchlichen Bestandteil einer Klausel eines zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags aufzuheben, wenn diese Aufhebung darauf hinausliefe, den Inhalt dieser Klausel grundlegend zu ändern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. April 2021, Bank BPH, C‑19/20, EU:C:2021:341, Rn. 80 und die dort angeführte Rechtsprechung).

63      Im vorliegenden Fall deutet nichts in der dem Gerichtshof vorliegenden Akte darauf hin, dass es nationale Vorschriften gibt, die die Verwendung einer Umrechnungsklausel regeln und zur Gewährleistung der mit der Richtlinie 93/13 angestrebten Abschreckungswirkung beitragen, oder dass der missbräuchliche Teil der Umrechnungsklausel eine gesonderte vertragliche Verpflichtung darstellt, so dass die Aufhebung dieses Teils nicht darauf hinausliefe, diese Klausel grundlegend abzuändern. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, die in der in der vorstehenden Randnummer angeführten Rechtsprechung aufgestellt wurden.

64      Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Rechtsprechung entgegenstehen, nach der das nationale Gericht nicht die Missbräuchlichkeit der gesamten betreffenden Vertragsklausel eines zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden geschlossenen Vertrags, sondern nur die Missbräuchlichkeit derjenigen Teile, die die Klausel missbräuchlich werden lassen, feststellen kann, mit der Folge, dass die Klausel nach der Aufhebung solcher Teile teilweise wirksam bleibt, sofern eine solche Aufhebung darauf hinausliefe, den Inhalt der Klausel grundlegend zu ändern, was vom vorlegenden Gericht zu beurteilen ist.

 Zur ersten Frage in der Rechtssache C81/21

65      Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Rechtsprechung entgegenstehen, nach der das nationale Gericht, nachdem es die Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel in einem Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden festgestellt hat, die nicht zur Nichtigkeit dieses Vertrags insgesamt führt, diese Klausel durch eine dispositive Vorschrift des nationalen Rechts ersetzen kann.

66      Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13, insbesondere der zweite Halbsatz, zielt nicht darauf ab, die Nichtigkeit sämtlicher Verträge, die missbräuchliche Klauseln enthalten, herbeizuführen, sondern darauf, die nach dem Vertrag bestehende formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien durch eine materielle Ausgewogenheit zu ersetzen und so ihre Gleichheit wiederherzustellen, wobei der betreffende Vertrag – abgesehen von der Änderung, die sich aus dem Wegfall der missbräuchlichen Klauseln ergibt – grundsätzlich unverändert bestehen bleiben muss. Sofern die letztere Bedingung erfüllt ist, kann der betreffende Vertrag nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 bestehen bleiben, soweit ein solcher Fortbestand des Vertrags ohne die missbräuchlichen Klauseln nach den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts rechtlich möglich ist, was anhand eines objektiven Ansatzes zu prüfen ist (Urteil vom 3. Oktober 2019, Dziubak, C‑260/18, EU:C:2019:819, Rn. 39).

67      Die ausnahmsweise bestehende Möglichkeit, eine für nichtig erklärte missbräuchliche Klausel durch eine dispositive nationale Vorschrift zu ersetzen, ist auf Fälle beschränkt, in denen die Streichung dieser missbräuchlichen Klausel den Richter zwingen würde, den Vertrag in seiner Gesamtheit für unwirksam zu erklären, was für den Verbraucher besonders nachteilige Folgen hätte, so dass dieser dadurch geschädigt würde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2019, Dziubak, C‑260/18, EU:C:2019:819, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

68      Daher kann das nationale Gericht, wenn ein Vertrag nach der Streichung der missbräuchlichen Klauseln in Kraft bleiben kann, diese Klauseln nicht durch eine dispositive nationale Vorschrift ersetzen.

69      Daraus folgt, dass Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Rechtsprechung entgegenstehen, nach der das nationale Gericht, nachdem es die Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel in einem Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden festgestellt hat, die nicht zur Nichtigkeit dieses Vertrags insgesamt führt, diese Klausel durch eine dispositive Vorschrift des nationalen Rechts ersetzen kann.

 Zur zweiten Frage in der Rechtssache C80/21 und zur zweiten Frage in der Rechtssache C81/21

70      Mit diesen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Rechtsprechung entgegenstehen, nach der das nationale Gericht, nachdem es die Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel in einem Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden festgestellt hat, die zur Nichtigkeit dieses Vertrags insgesamt führt, die für nichtig erklärte Klausel entweder durch eine Auslegung des Willens der Vertragspartner ersetzen kann, um eine Nichtigerklärung des Vertrags zu vermeiden, oder durch eine dispositive Vorschrift des nationalen Rechts, auch wenn der Verbraucher von den Folgen der Nichtigkeit des Vertrags in Kenntnis gesetzt wurde und diese akzeptiert hat.

71      Erstens ist darauf hinzuweisen, dass, wie sich aus Rn. 67 des vorliegenden Urteils ergibt, die ausnahmsweise bestehende Möglichkeit, eine für nichtig erklärte missbräuchliche Klausel durch eine dispositive nationale Vorschrift zu ersetzen, auf Fälle beschränkt ist, in denen die Streichung dieser missbräuchlichen Klausel den Richter zwingen würde, den Vertrag in seiner Gesamtheit für unwirksam zu erklären, was für den Verbraucher besonders nachteilige Folgen hätte, so dass dieser dadurch geschädigt würde.

72      Zweitens ist hervorzuheben, dass sich diese Befugnis zur Ersetzung von Klauseln, die eine Ausnahme von der allgemeinen Regel darstellt, wonach der betreffende Vertrag für die Parteien nur dann bindend bleibt, wenn er ohne die darin enthaltenen missbräuchlichen Klauseln bestehen kann, auf dispositive Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts oder Bestimmungen, die im Fall einer entsprechenden Vereinbarung der Parteien anwendbar sind, beschränkt und insbesondere auf der Prämisse beruht, dass solche Bestimmungen keine missbräuchlichen Klauseln enthalten (Urteil vom 3. Oktober 2019, Dziubak, C‑260/18, EU:C:2019:819‚ Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

73      Was drittens die Bedeutung angeht, die dem vom Verbraucher zum Ausdruck gebrachten Willen, sich auf die Richtlinie 93/13 zu berufen, beigemessen werden muss, hat der Gerichtshof in Bezug auf die Verpflichtung des nationalen Gerichts, gegebenenfalls von Amts wegen missbräuchliche Klauseln gemäß Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie zu streichen, klargestellt, dass das nationale Gericht die fragliche Klausel dann nicht unangewendet lassen muss, wenn der Verbraucher nach einem Hinweis dieses Gerichts die Missbräuchlichkeit und Unverbindlichkeit nicht geltend machen möchte und somit der betreffenden Klausel freiwillig und aufgeklärt zustimmt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2019, Dziubak, C‑260/18, EU:C:2019:819, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

74      Viertens und letztens hat der Gerichtshof auch entschieden, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass zum einen die Folgen für die Situation des Verbrauchers, die sich aus der Feststellung der Unwirksamkeit eines Vertrags als Ganzes ergeben, wie sie im Urteil vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282), genannt werden, anhand der zum Zeitpunkt des Rechtsstreits bestehenden oder vorhersehbaren Umstände zu beurteilen sind und zum anderen für diese Beurteilung der vom Verbraucher in dieser Hinsicht zum Ausdruck gebrachte Wille entscheidend ist (Urteil vom 3. Oktober 2019, Dziubak, C‑260/18, EU:C:2019:819, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung). Allerdings kann dieser zum Ausdruck gebrachte Wille keinen Vorrang haben vor der in die Entscheidungsbefugnis des befassten Gerichts fallenden Beurteilung, ob die Durchführung der in den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften gegebenenfalls vorgesehenen Maßnahmen es ermöglicht, die Sach- und Rechtslage wiederherzustellen, in der sich der Verbraucher ohne die missbräuchliche Klausel befunden hätte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. September 2021, OTP Jelzálogbank u. a., C‑932/19, EU:C:2021:673, Rn. 50).

75      Im vorliegenden Fall geht zum einen aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten hervor, dass sowohl E. K. und S. K. in der Rechtssache C‑80/21 als auch B. S. und W. S. in der Rechtssache C‑81/21 über die Folgen der Nichtigerklärung der Darlehensverträge in ihrer Gesamtheit informiert wurden und einer solchen Nichtigerklärung zugestimmt haben.

76      Zum anderen geht, vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht, aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten nicht hervor, dass es dispositive Vorschriften des polnischen Rechts gibt, die dazu bestimmt sind, die aufgehobenen missbräuchlichen Klauseln zu ersetzen. Das vorlegende Gericht fragt den Gerichtshof nämlich a priori nach der Möglichkeit, die aufgehobenen missbräuchlichen Klauseln durch allgemeine Vorschriften des nationalen Rechts zu ersetzen, die nicht für eine Anwendung speziell auf Verträge zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern bestimmt sind.

77      Der Gerichtshof hat jedoch festgestellt, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass er einer Schließung von Lücken eines Vertrags, die durch den Wegfall der darin enthaltenen missbräuchlichen Klauseln entstanden sind, allein auf der Grundlage von allgemeinen nationalen Vorschriften, bei denen es sich weder um dispositive Bestimmungen noch um Bestimmungen handelt, die im Fall einer entsprechenden Vereinbarung der Vertragsparteien anwendbar sind, entgegensteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2019, Dziubak, C‑260/18, EU:C:2019:819, Rn. 62).

78      Jedenfalls wurden im vorliegenden Fall die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verbraucher, wie sich aus Rn. 75 des vorliegenden Urteils ergibt, über die mit der vollständigen Nichtigerklärung der von ihnen geschlossenen Darlehensverträge verbundenen Folgen informiert und haben sie akzeptiert. Unter diesen Umständen ist in Anbetracht der entscheidenden Bedeutung des Willens der Verbraucher, wie sie in Rn. 74 des vorliegenden Urteils in Erinnerung gerufen worden ist, die Voraussetzung, dass die Nichtigerklärung des Vertrags insgesamt für die betroffenen Verbraucher besonders nachteilige Folgen hätte – nur dann ist das nationale Gericht befugt, die für nichtig erklärte missbräuchliche Klausel durch eine dispositive Bestimmung des nationalen Rechts zu ersetzen –, anscheinend nicht erfüllt. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, dies zu überprüfen.

79      Was die Möglichkeit betrifft, eine für nichtig erklärte missbräuchliche Klausel durch eine gerichtliche Auslegung zu ersetzen, so ist diese auszuschließen.

80      Insoweit genügt der Hinweis, dass die nationalen Gerichte eine missbräuchliche Vertragsklausel nur für unanwendbar zu erklären haben, damit sie den Verbraucher nicht bindet, ohne dass sie befugt wären, deren Inhalt abzuändern. Denn der betreffende Vertrag muss – abgesehen von der Änderung, die sich aus der Aufhebung der missbräuchlichen Klauseln ergibt – grundsätzlich unverändert fortbestehen, soweit dies nach den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts rechtlich möglich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juni 2012, Banco Español de Crédito, C‑618/10, EU:C:2012:349, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

81      Zur Möglichkeit, einen Vertrag, der nach dem Wegfall einer missbräuchlichen Klausel nicht weiter Bestand haben kann, aufrechtzuerhalten, auch wenn der Verbraucher die Nichtigkeit des Vertrags akzeptiert hat, hat der Gerichtshof zum einen entschieden, dass die Richtlinie 93/13 einer nationalen Regelung entgegensteht, die das befasste Gericht daran hindert, einem Antrag auf Nichtigerklärung eines Vertrags auf der Grundlage der Missbräuchlichkeit einer Klausel stattzugeben, wenn festgestellt wird, dass die Klausel missbräuchlich ist und der Vertrag ohne sie nicht weiter Bestand haben kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. März 2019, Dunai, C‑118/17, EU:C:2019:207, Rn. 56).

82      Zum anderen hat der Gerichtshof auch festgestellt, dass diese Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran hindert, im Einklang mit dem Unionsrecht eine nationale Regelung vorzusehen, die es erlaubt, einen Vertrag, den ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat und der eine oder mehrere missbräuchliche Klauseln enthält, in seiner Gesamtheit für nichtig zu erklären, wenn sich erweist, dass dadurch ein besserer Schutz des Verbrauchers gewährleistet wird (Urteil vom 15. März 2012, Pereničová und Perenič, C‑453/10, EU:C:2012:144, Rn. 35).

83      Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass ein nationales Gericht nicht befugt ist, den Inhalt einer für nichtig erklärten missbräuchlichen Klausel abzuändern, um einen Vertrag aufrechtzuerhalten, der nach dem Wegfall dieser Klausel nicht weiter Bestand haben kann, wenn der betreffende Verbraucher über die Folgen der Nichtigerklärung des Vertrags informiert wurde und die Folgen dieser Nichtigkeit akzeptiert hat.

84      Nach alledem sind Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Rechtsprechung entgegenstehen, nach der das nationale Gericht, nachdem es die Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel in einem Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden festgestellt hat, die zur Nichtigkeit dieses Vertrags insgesamt führt, die für nichtig erklärte Klausel entweder durch eine Auslegung des Willens der Vertragspartner ersetzen kann, um eine Nichtigerklärung des Vertrags zu vermeiden, oder durch eine dispositive Vorschrift des nationalen Rechts, auch wenn der Verbraucher von den Folgen der Nichtigkeit des Vertrags in Kenntnis gesetzt wurde und diese akzeptiert hat.

 Zur einzigen Frage in der Rechtssache C82/21

85      Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie 93/13 im Licht des Effektivitätsgrundsatzes dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Rechtsprechung entgegensteht, nach der die zehnjährige Verjährungsfrist für die Klage eines Verbrauchers auf Rückerstattung von Beträgen, die er einem Gewerbetreibenden auf der Grundlage einer missbräuchlichen Klausel in einem Darlehensvertrag rechtsgrundlos gezahlt hat, zum Zeitpunkt jeder einzelnen vom Verbraucher erbrachten Leistung zu laufen beginnt, auch wenn er zu diesem Zeitpunkt die Missbräuchlichkeit der Vertragsklausel nicht selbst beurteilen konnte oder keine Kenntnis von ihrer Missbräuchlichkeit hatte, ohne zu berücksichtigen, dass der Vertrag einen Rückzahlungszeitraum – im vorliegenden Fall 30 Jahre – vorsah, der weit über die gesetzliche Verjährungsfrist von zehn Jahren hinausgeht.

86      Insoweit ist festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung mangels spezifischer Vorschriften des Unionsrechts in diesem Bereich die Modalitäten der Umsetzung des in der Richtlinie 93/13 vorgesehenen Verbraucherschutzes nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache ihrer innerstaatlichen Rechtsordnungen ist. Diese Modalitäten dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzprinzip), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsprinzip) (Urteil vom 10. Juni 2021, BNP Paribas Personal Finance, C‑776/19 bis C‑782/19, EU:C:2021:470, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

87      In Bezug auf den Effektivitätsgrundsatz ist darauf hinzuweisen, dass jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen ist. Dabei sind gegebenenfalls die Grundsätze zu berücksichtigen, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, wie z. B. der Schutz der Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens (Urteil vom 10. Juni 2021, BNP Paribas Personal Finance, C‑776/19 bis C‑782/19, EU:C:2021:470, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

88      Außerdem hat der Gerichtshof präzisiert, dass die Pflicht der Mitgliedstaaten, die Effektivität der Rechte sicherzustellen, die dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsen, insbesondere für die Rechte aus der Richtlinie 93/13 das Erfordernis eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes, das auch in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert ist, impliziert; dieses Erfordernis gilt u. a. für die Festlegung der Verfahrensmodalitäten für Klagen, die sich auf solche Rechte stützen (Urteil vom 10. Juni 2021, BNP Paribas Personal Finance, C‑776/19 bis C‑782/19, EU:C:2021:470, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

89      Was die Prüfung der Merkmale der in dem betreffenden Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verjährungsfrist betrifft, hat der Gerichtshof präzisiert, dass diese Prüfung die Dauer dieser Frist und die Modalitäten ihrer Anwendung, einschließlich der Modalität, gemäß der diese Frist in Lauf gesetzt wird, umfasst (Urteil vom 10. Juni 2021, BNP Paribas Personal Finance, C‑776/19 bis C‑782/19, EU:C:2021:470, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

90      Der Gerichtshof hat entschieden, dass der Antrag eines Verbrauchers auf Feststellung der Missbräuchlichkeit einer in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher enthaltenen Klausel keiner Verjährungsfrist unterliegen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Juni 2021, BNP Paribas Personal Finance, C‑776/19 bis C‑782/19, EU:C:2021:470, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung), aber präzisiert, dass Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 einer nationalen Regelung, die die Klage eines Verbrauchers, mit der die Restitutionswirkungen dieser Feststellung geltend gemacht werden sollen, einer Verjährungsfrist unterwirft, nicht entgegenstehen, sofern sie die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität einhält (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Juni 2021, BNP Paribas Personal Finance, C‑776/19 bis C‑782/19, EU:C:2021:470, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

91      Somit ist davon auszugehen, dass es für sich genommen nicht gegen den Effektivitätsgrundsatz verstößt, wenn Anträgen mit Restitutionscharakter, die von Verbrauchern gestellt werden, um Rechte, die ihnen aus der Richtlinie 93/13 erwachsen, geltend zu machen, eine Verjährungsfrist entgegengehalten wird, sofern deren Anwendung die Ausübung der durch diese Richtlinie verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert (Urteil vom 10. Juni 2021, BNP Paribas Personal Finance, C‑776/19 bis C‑782/19, EU:C:2021:470, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

92      Hinsichtlich der Dauer der Verjährungsfrist, der ein Antrag unterliegt, den ein Verbraucher mit dem Ziel der Rückerstattung von aufgrund missbräuchlicher Klauseln im Sinne der Richtlinie 93/13 rechtsgrundlos gezahlten Beträgen einreicht, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits Gelegenheit hatte, sich zu der Frage zu äußern, ob kürzere Verjährungsfristen als die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden – von drei und fünf Jahren –, die Klagen entgegengehalten worden waren, mit denen die Restitutionswirkungen der Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel geltend gemacht wurden, mit dem Effektivitätsgrundsatz vereinbar waren. Diese Fristen sind grundsätzlich ausreichend, um es dem Verbraucher zu ermöglichen, einen wirksamen Rechtsbehelf vorzubereiten und einzulegen, wenn sie im Voraus festgelegt und bekannt sind. Somit sind Verjährungsfristen von drei bis fünf Jahren für sich genommen nicht mit dem Effektivitätsgrundsatz unvereinbar (Urteil vom 10. Juni 2021, BNP Paribas Personal Finance, C‑776/19 bis C‑782/19, EU:C:2021:470, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

93      Folglich dürfte eine zehnjährige Verjährungsfrist wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die dem Antrag eines Verbrauchers auf Rückerstattung von auf der Grundlage missbräuchlicher Klauseln im Sinne der Richtlinie 93/13 rechtsgrundlos gezahlten Beträgen entgegengehalten wird, die Ausübung der durch die Richtlinie 93/13 verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren, sofern sie im Voraus festgelegt und bekannt ist. Eine Frist dieser Länge ist nämlich grundsätzlich tatsächlich ausreichend, um es dem Verbraucher zu ermöglichen, einen wirksamen Rechtsbehelf vorzubereiten und einzulegen, um die Rechte, die ihm aus dieser Richtlinie erwachsen, insbesondere in Form von auf die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel gestützten Restitutionsansprüchen geltend zu machen.

94      Allerdings ist zu berücksichtigen, dass sich der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt, was dazu führt, dass er den vom Gewerbetreibenden vorformulierten Bedingungen zustimmt, ohne auf deren Inhalt Einfluss nehmen zu können. Ebenso ist darauf hinzuweisen, dass es möglich ist, dass die Verbraucher die Missbräuchlichkeit einer in einem Hypothekendarlehensvertrag enthaltenen Klausel nicht kennen oder den Umfang ihrer Rechte aus der Richtlinie 93/13 nicht richtig erfassen (Urteil vom 10. Juni 2021, BNP Paribas Personal Finance, C‑776/19 bis C‑782/19, EU:C:2021:470, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

95      In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass Darlehensverträge wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende im Allgemeinen über lange Zeiträume abgewickelt werden. Wenn das Ereignis, das die zehnjährige Verjährungsfrist auslöst, in jeder vom Darlehensnehmer vorgenommenen Zahlung besteht – was das vorlegende Gericht zu prüfen haben wird –, kann daher zumindest für einen Teil der vorgenommenen Zahlungen nicht ausgeschlossen werden, dass die Verjährung eintritt, bevor der Vertrag beendet ist, so dass eine solche Verjährungsfrist geeignet ist, Verbrauchern systematisch die Möglichkeit zu nehmen, die Erstattung von Zahlungen zu verlangen, die aufgrund von mit den genannten Richtlinien unvereinbaren Klauseln geleistet wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. April 2021, Profi Credit Slovakia, C‑485/19, EU:C:2021:313, Rn. 63).

96      Somit besteht hinsichtlich des Beginns der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verjährungsfrist eine nicht zu vernachlässigende Gefahr, dass der Verbraucher in Anbetracht der Art und Weise ihrer Bestimmung durch die nationale Rechtsprechung nicht in der Lage ist, die Rechte, die ihm die Richtlinie 93/13 verleiht, sachgerecht geltend zu machen.

97      Aus den Angaben des vorlegenden Gerichts geht nämlich hervor, dass die zehnjährige Verjährungsfrist ab dem Zeitpunkt jeder einzelnen von dem betreffenden Verbraucher erbrachten Leistung zu laufen beginnt, auch wenn er zu diesem Zeitpunkt die Missbräuchlichkeit der Vertragsklausel nicht selbst beurteilen konnte oder keine Kenntnis von ihrer Missbräuchlichkeit hatte, ohne zu berücksichtigen, dass der Vertrag einen Rückzahlungszeitraum – im vorliegenden Fall 30 Jahre – vorsah, der weit über die gesetzliche Verjährungsfrist von zehn Jahren hinausgeht.

98      Eine Verjährungsfrist kann nur dann mit dem Effektivitätsgrundsatz vereinbar sein, wenn der Verbraucher die Möglichkeit hatte, von seinen Rechten Kenntnis zu nehmen, bevor diese Frist zu laufen beginnt oder abgelaufen ist (Urteil vom 10. Juni 2021, BNP Paribas Personal Finance, C‑776/19 bis C‑782/19, EU:C:2021:470, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

99      Wenn einer Klage eines Verbrauchers auf Rückerstattung von auf der Grundlage einer missbräuchlichen Klausel im Sinne der Richtlinie 93/13 rechtsgrundlos gezahlten Beträgen eine zehnjährige Verjährungsfrist wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende entgegengehalten wird, die mit dem Zeitpunkt jeder von ihm erbrachten Leistung in Lauf gesetzt wird, auch wenn er zu diesem Zeitpunkt die Missbräuchlichkeit der Vertragsklausel nicht selbst beurteilen konnte oder keine Kenntnis von ihrer Missbräuchlichkeit hatte, ohne zu berücksichtigen, dass der Vertrag einen Rückzahlungszeitraum – im vorliegenden Fall 30 Jahre – vorsah, der weit über die gesetzliche Verjährungsfrist von zehn Jahren hinausgeht, wird dem Verbraucher kein wirksamer Schutz gewährleistet. Eine solche Frist erschwert somit die Ausübung der dem Verbraucher aus der Richtlinie 93/13 erwachsenden Rechte übermäßig und verstößt daher gegen den Effektivitätsgrundsatz.

100    Daraus folgt, dass die Richtlinie 93/13 im Licht des Effektivitätsgrundsatzes dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Rechtsprechung entgegensteht, nach der die zehnjährige Verjährungsfrist für die Klage eines Verbrauchers auf Rückerstattung von Beträgen, die er einem Gewerbetreibenden auf der Grundlage einer missbräuchlichen Klausel in einem Darlehensvertrag rechtsgrundlos gezahlt hat, zum Zeitpunkt jeder einzelnen vom Verbraucher erbrachten Leistung zu laufen beginnt, auch wenn er zu diesem Zeitpunkt die Missbräuchlichkeit der Vertragsklausel nicht selbst beurteilen konnte oder keine Kenntnis von ihrer Missbräuchlichkeit hatte, ohne zu berücksichtigen, dass der Vertrag einen Rückzahlungszeitraum – im vorliegenden Fall 30 Jahre – vorsah, der weit über die gesetzliche Verjährungsfrist von zehn Jahren hinausgeht.

 Kosten

101    Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Neunte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen

sind dahin auszulegen, dass

sie einer nationalen Rechtsprechung entgegenstehen, nach der das nationale Gericht nicht die Missbräuchlichkeit der gesamten betreffenden Vertragsklausel eines zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden geschlossenen Vertrags, sondern nur die Missbräuchlichkeit derjenigen Teile, die die Klausel missbräuchlich werden lassen, feststellen kann, mit der Folge, dass die Klausel nach der Aufhebung solcher Teile teilweise wirksam bleibt, sofern eine solche Aufhebung darauf hinausliefe, den Inhalt der Klausel grundlegend zu ändern, was vom vorlegenden Gericht zu beurteilen ist.

2.      Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13

sind dahin auszulegen, dass

sie einer nationalen Rechtsprechung entgegenstehen, nach der das nationale Gericht, nachdem es die Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel in einem Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden festgestellt hat, die nicht zur Nichtigkeit dieses Vertrags insgesamt führt, diese Klausel durch eine dispositive Vorschrift des nationalen Rechts ersetzen kann.

3.      Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13

sind dahin auszulegen, dass

sie einer nationalen Rechtsprechung entgegenstehen, nach der das nationale Gericht, nachdem es die Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel in einem Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden festgestellt hat, die zur Nichtigkeit dieses Vertrags insgesamt führt, die für nichtig erklärte Klausel entweder durch eine Auslegung des Willens der Vertragspartner ersetzen kann, um eine Nichtigerklärung des Vertrags zu vermeiden, oder durch eine dispositive Vorschrift des nationalen Rechts, auch wenn der Verbraucher von den Folgen der Nichtigkeit des Vertrags in Kenntnis gesetzt wurde und diese akzeptiert hat.

4.      Die Richtlinie 93/13 ist im Licht des Effektivitätsgrundsatzes

dahin auszulegen, dass

sie einer nationalen Rechtsprechung entgegensteht, nach der die zehnjährige Verjährungsfrist für die Klage eines Verbrauchers auf Rückerstattung von Beträgen, die er einem Gewerbetreibenden auf der Grundlage einer missbräuchlichen Klausel in einem Darlehensvertrag rechtsgrundlos gezahlt hat, zum Zeitpunkt jeder einzelnen vom Verbraucher erbrachten Leistung zu laufen beginnt, auch wenn er zu diesem Zeitpunkt die Missbräuchlichkeit der Vertragsklausel nicht selbst beurteilen konnte oder keine Kenntnis von ihrer Missbräuchlichkeit hatte, ohne zu berücksichtigen, dass der Vertrag einen Rückzahlungszeitraum – im vorliegenden Fall 30 Jahre – vorsah, der weit über die gesetzliche Verjährungsfrist von zehn Jahren hinausgeht.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Polnisch.