Language of document : ECLI:EU:C:2020:567

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

16. Juli 2020(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Zulässigkeit – Art. 63 ff. AEUV – Freier Kapitalverkehr – Art. 107 ff. AEUV – Staatliche Beihilfen – Art. 16 und 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Unternehmerische Freiheit – Eigentumsrecht – Verordnung (EU) Nr. 575/2013 – Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen – Art. 29 – Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 – Art. 6 Abs. 4 – Aufsicht über Kreditinstitute – Auf die Europäische Zentralbank (EZB) übertragene besondere Aufgaben – Delegierte Verordnung (EU) Nr. 241/2014 – Technische Regulierungsstandards für die Eigenmittelanforderungen an Institute – Nationale Regelung, die den in Form von Genossenschaften errichteten Volksbanken eine Aktivvermögensobergrenze vorschreibt und es ermöglicht, das Recht der ausscheidenden Anteilseigner auf Rückzahlung ihrer Aktien zu beschränken“

In der Rechtssache C‑686/18

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) mit Entscheidung vom 18. Oktober 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 5. November 2018, in dem Verfahren

OC u. a.,

Associazione Difesa Utenti Servizi Bancari Finanziari Postali Assicurativi – Adusbef,

Federazione Nazionale di Consumatori ed Utenti – Federconsumatori,

PB u. a.,

QA u. a.

gegen

Banca d’Italia,

Presidenza del Consiglio dei Ministri,

Ministero dell’Economia e delle Finanze,

Beteiligte:

Banca Popolare di Sondrio ScpA,

Veneto Banca ScpA,

Banco Popolare – Società Cooperativa,

Coordinamento delle associazioni per la tutela dell’ambiente e dei diritti degli utenti e consumatori (Codacons),

Banco BPM SpA,

Unione di Banche Italiane – Ubi Banca SpA,

Banca Popolare di Milano,

Amber Capital Italia SGR SpA,

RZ u. a.,

Amber Capital UK LLP,

Unione di Banche Italiane – Ubi Banca ScpA,

Banca Popolare di Vicenza ScpA,

Banca Popolare dell’Etruria e del Lazio SC,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.‑C. Bonichot, der Vizepräsidentin des Gerichtshofs R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter M. Safjan, L. Bay Larsen und N. Jääskinen,

Generalanwalt: G. Hogan,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von OC u. a., vertreten durch F. Capelli, F. S. Marini und U. Corea, avvocati,

–        der Banca d’Italia, vertreten durch D. La Licata, M. Perassi und R. D’Ambrosio, avvocati,

–        der Banca Popolare di Sondrio ScpA, vertreten durch G. Tanzarella, M. A. Sandulli, P. Mondini und C. Tanzarella, avvocati,

–        der Unione di Banche Italiane – Ubi Banca SpA, vertreten durch G. Lombardi und G. de Vergottini, avvocati,

–        der Amber Capital Italia SGR SpA und der Amber Capital UK LLP, vertreten durch G. Sciacca und P. Cardellicchio, avvocati,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte, im Beistand von P. Gentili und G. M. De Socio, avvocati dello Stato,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch V. Di Bucci, H. Krämer und A. Steiblytė als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. Februar 2020

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Art. 3, der Art. 63 ff. AEUV sowie der Art. 107 ff. AEUV, der Art. 16 und 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta), des Art. 29 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. 2013, L 176, S. 1), des Art. 6 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (ABl. 2013, L 287, S. 63) sowie des Art. 10 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 241/2014 der Kommission vom 7. Januar 2014 zur Ergänzung der Verordnung Nr. 575/2013 im Hinblick auf technische Regulierungsstandards für die Eigenmittelanforderungen an Institute (ABl. 2014, L 74, S. 8).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen von drei Rechtsstreitigkeiten über Rechtsakte, die die Banca d’Italia (die italienische Zentralbank) im Zuge der ihr obliegenden Aufsicht über die italienischen Volksbanken erlassen hat; im ersten Rechtsstreit stehen OC u. a. der Banca d’Italia und der Presidenza del Consiglio dei Ministri (Ministerratspräsidium, Italien) gegenüber, der zweite Rechtsstreit besteht zwischen der Associazione Difesa Utenti Servizi Bancari Finanziari Postali Assicurativi – Adusbef, der Federazione Nazionale di Consumatori ed Utenti – Federconsumatori sowie PB u. a. auf der einen Seite und der Banca d’Italia, dem Ministerratspräsidium sowie dem Ministero dell‘Economia e delle Finanze (Ministerium für Wirtschaft und Finanzen, Italien) auf der anderen Seite, und im dritten stehen QA u. a. der Banca d’Italia gegenüber.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Verordnung Nr. 575/2013

3        Im siebten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 575/2013 heißt es:

„Mit dieser Verordnung sollten unter anderem die Aufsichtsanforderungen für Institute festgelegt werden, die sich strikt auf die Funktionsweise der Bank- und Finanzdienstleistungsmärkte beziehen und die Finanzstabilität der Wirtschaftsteilnehmer an diesen Märkten sichern sowie einen hohen Grad an Anleger- und Einlegerschutz gewährleisten sollen. …“

4        Diese Verordnung legt nach ihrem Art. 1 Abs. 1 einheitliche Regeln für allgemeine Aufsichtsanforderungen fest, die der Aufsicht unterliegende Institute im Rahmen der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. 2013, L 176, S. 338) im Hinblick auf Eigenmittelanforderungen, Vorschriften zur Begrenzung von Großkrediten, Liquiditätsanforderungen, Berichtspflichten, Verschuldung und Offenlegungspflichten erfüllen müssen.

5        Nach Art. 26 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a der Verordnung stellen Kapitalinstrumente, die die Voraussetzungen des Art. 28 oder gegebenenfalls des Art. 29 erfüllen, einen Posten des harten Kernkapitals eines Instituts dar.

6        Art. 28 („Instrumente des harten Kernkapitals“) der Verordnung Nr. 575/2013 sieht in Abs. 1 vor:

„(1)      Kapitalinstrumente gelten nur dann als Instrumente des harten Kernkapitals, wenn alle folgenden Bedingungen erfüllt sind:

e)      sie sind zeitlich unbefristet;

…“

7        Art. 29 („Kapitalinstrumente von Gegenseitigkeitsgesellschaften, Genossenschaften, Sparkassen und ähnlichen Instituten“) der Verordnung legt fest:

„(1)      Von Gegenseitigkeitsgesellschaften, Genossenschaften, Sparkassen und ähnlichen Instituten begebene Kapitalinstrumente gelten nur dann als Instrumente des harten Kernkapitals, wenn die Bedingungen des Artikels 28, mit den durch die Anwendung dieses Artikels bedingten Änderungen, erfüllt sind.

(2)      Die Rückzahlung der Kapitalinstrumente unterliegt folgenden Voraussetzungen:

a)      das Institut kann die Rückzahlung der Instrumente verweigern, es sei denn, dies ist nach einzelstaatlichem Recht verboten;

b)      kann das Institut die Rückzahlung der Instrumente laut einzelstaatlichem Recht nicht verweigern, so wird ihm in den für das Instrument geltenden Bestimmungen die Möglichkeit gegeben, die Rückzahlung zu beschränken;

c)      die Verweigerung oder Beschränkung der Rückzahlung der Instrumente stellt keinen Ausfall des Instituts dar.

(6)      Die [Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA)] arbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards zur Spezifizierung der Art der Rückzahlungsbeschränkungen aus, die erforderlich sind, wenn eine Weigerung des Instituts, Eigenmittelinstrumente zurückzuzahlen, nach einzelstaatlichem Recht verboten ist.

Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die technischen Regulierungsstandards nach Unterabsatz 1 gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission (ABl. 2010, L 331, S. 12)] zu erlassen.“

8        Art. 30 („Nichterfüllung der Bedingungen für Instrumente des harten Kernkapitals“) der Verordnung lautet wie folgt:

„Wenn hinsichtlich eines Instruments des harten Kernkapitals die Bedingungen des Artikels 28 oder gegebenenfalls des Artikels 29 nicht länger erfüllt sind, gilt Folgendes:

a)      das betreffende Instrument gilt mit unmittelbarer Wirkung nicht länger als Instrument des harten Kernkapitals,

b)      das mit dem betreffenden Instrument verbundene Agio gilt mit unmittelbarer Wirkung nicht länger als Posten des harten Kernkapitals.“

 Verordnung Nr. 1024/2013

9        Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1024/2013 werden der Europäischen Zentralbank (EZB) durch diese Verordnung mit voller Rücksichtnahme auf und unter Wahrung der Sorgfaltspflicht für die Einheit und Integrität des Binnenmarkts auf der Grundlage der Gleichbehandlung der Kreditinstitute mit dem Ziel, Aufsichtsarbitrage zu verhindern, besondere Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute übertragen, um einen Beitrag zur Sicherheit und Solidität von Kreditinstituten sowie zur Stabilität des Finanzsystems in der Europäischen Union und jedem einzelnen Mitgliedstaat zu leisten.

10      Nach Art. 6 Abs. 1 der Verordnung nimmt die EZB ihre Aufgaben innerhalb eines Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM) wahr, der aus der EZB und den nationalen zuständigen Behörden besteht, und ist dafür verantwortlich, dass der SSM wirksam und einheitlich funktioniert.

11      Art. 6 Abs. 4 der Verordnung sieht vor:

„In Bezug auf die Aufgaben nach Artikel 4 – mit Ausnahme von Absatz 1 Buchstaben a und c – haben die EZB die Zuständigkeiten gemäß Absatz 5 dieses Artikels und die nationalen zuständigen Behörden die Zuständigkeiten gemäß Absatz 6 dieses Artikels – innerhalb des in Absatz 7 dieses Artikels festgelegten Rahmenwerks und vorbehaltlich der darin festgelegten Verfahren – für die Beaufsichtigung folgender Kreditinstitute, Finanzholdinggesellschaften oder gemischter Finanzholdinggesellschaften oder in teilnehmenden Mitgliedstaaten niedergelassenen Zweigstellen von in nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten niedergelassenen Kreditinstituten:

–        auf konsolidierter Basis weniger bedeutende Institute, Gruppen oder Zweigstellen, wenn die oberste Konsolidierungsebene in den teilnehmenden Mitgliedstaaten liegt, oder einzeln im speziellen Fall von in teilnehmenden Mitgliedstaaten niedergelassenen Zweigstellen von in nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten niedergelassenen Kreditinstituten. Die Bedeutung wird anhand folgender Kriterien bestimmt:

i)      Größe

ii)      Relevanz für die Wirtschaft der Union oder eines teilnehmenden Mitgliedstaats

iii)      Bedeutung der grenzüberschreitenden Tätigkeiten.

Sofern nicht durch besondere Umstände, die in der Methodik zu benennen sind, gerechtfertigt, gilt in Bezug auf Unterabsatz 1 ein Kreditinstitut, eine Finanzholdinggesellschaft oder eine gemischte Finanzholdinggesellschaft nicht als weniger bedeutend, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:

i)      der Gesamtwert der Aktiva übersteigt 30 Mrd. EUR,

ii)      das Verhältnis der gesamten Aktiva zum [Bruttoinlandsprodukt (BIP)] des teilnehmenden Mitgliedstaats der Niederlassung übersteigt 20 %, es sei denn, der Gesamtwert der Aktiva liegt unter 5 Mrd. EUR,

iii)      nach der Anzeige der nationalen zuständigen Behörde, dass sie ein solches Institut als bedeutend für die betreffende Volkswirtschaft betrachtet, fasst die EZB nach einer umfassenden Bewertung, einschließlich einer Bilanzbewertung, des betreffenden Kreditinstituts ihrerseits einen Beschluss, der diese Bedeutung bestätigt.

Die EZB kann ein Institut auch von sich aus als bedeutend betrachten, wenn es Tochterbanken in mehr als einem teilnehmenden Mitgliedstaat errichtet hat und seine grenzüberschreitenden Aktiva oder Passiva einen wesentlichen Teil seiner gesamten Aktiva oder Passiva darstellen, vorbehaltlich der nach der Methodik festgelegten Bedingungen.

Die Institute, für die eine direkte öffentliche finanzielle Unterstützung durch die [Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF)] oder den [Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM)] beantragt oder entgegengenommen wurde, gelten nicht als weniger bedeutend.

Ungeachtet der vorhergehenden Unterabsätze und sofern nicht durch besondere Umstände gerechtfertigt, übt die EZB die ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben in Bezug auf die drei bedeutendsten Kreditinstitute in jedem teilnehmenden Mitgliedstaat aus.“

 Delegierte Verordnung Nr. 241/2014

12      Der zehnte Erwägungsgrund der Delegierten Verordnung Nr. 241/2014 lautet:

„Mit Blick auf die Anwendung der Eigenmittelvorschriften auf Gegenseitigkeitsgesellschaften, Genossenschaften, Sparkassen und ähnliche Institute ist den Besonderheiten solcher Institute in angemessener Weise Rechnung zu tragen. Es sollten Vorschriften eingeführt werden, die unter anderem gewährleisten, dass solche Institute in der Lage sind, die Rückzahlung ihrer Kapitalinstrumente gegebenenfalls zu begrenzen. Ist eine Weigerung, Instrumente zurückzuzahlen, nach dem für derartige Institute maßgebenden einzelstaatlichen Recht verboten, kommt es somit entscheidend darauf an, dass die für die betreffenden Instrumente geltenden Bestimmungen es dem jeweiligen Institut ermöglichen, die Rückzahlung zurückzustellen und den zurückzuzahlenden Betrag zu begrenzen. …“

13      Art. 1 der Verordnung sieht vor:

„Diese Verordnung legt Vorschriften zur Regelung folgender Aspekte fest:

d)      Art der Rückzahlungsbeschränkungen, die erforderlich sind, wenn eine Weigerung des Instituts, Eigenmittelinstrumente zurückzuzahlen, nach dem maßgebenden einzelstaatlichen Recht verboten ist – gemäß Artikel 29 Absatz 6 der Verordnung [Nr. 575/2013];

…“

14      Art. 10 („Beschränkungen für den Rückkauf der von Gegenseitigkeitsgesellschaften, Sparkassen, Genossenschaften und ähnlichen Instituten begebenen Kapitalinstrumente für die Zwecke des Artikels 29 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung … Nr. 575/2013 und des Artikels 78 Absatz 3 der Verordnung … Nr. 575/2013“) der Verordnung lautet wie folgt:

„(1)      Ein Institut kann Instrumente des harten Kernkapitals mit Rückzahlungsmöglichkeit nur dann begeben, wenn diese Möglichkeit im maßgebenden einzelstaatlichen Recht vorgesehen ist.

(2)      Die für ein Institut bestehende Möglichkeit, die Rückzahlung nach den für Kapitalinstrumente geltenden Bestimmungen des Artikels 29 Absatz 2 Buchstrabe b und des Artikels 78 Absatz 3 der Verordnung … Nr. 575/2013 zu beschränken, beinhaltet sowohl das Recht, die Rückzahlung zurückzustellen, als auch das Recht, den Rückzahlungsbetrag zu begrenzen. Gemäß Absatz 3 kann das Institut die Rückzahlung auf unbestimmte Zeit zurückstellen bzw. den Rückzahlungsbetrag auf unbestimmte Zeit begrenzen.

(3)      Der Umfang der nach den Vorschriften für die Instrumente vorgesehenen Rückzahlungsbeschränkungen wird von dem Institut auf der Grundlage der aufsichtsrechtlichen Lage des Instituts zu einem beliebigen Zeitpunkt bestimmt, wobei insbesondere, aber nicht ausschließlich, Folgendes berücksichtigt wird:

a)      die allgemeine Finanz‑, Liquiditäts- und Solvabilitätslage des Instituts;

b)      der Betrag des harten Kernkapitals, des zusätzlichen Kernkapitals und des Gesamtkapitals im Vergleich zum Gesamtrisiko, berechnet im Einklang mit den Anforderungen des Artikels 92 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung … Nr. 575/2013, den spezifischen Eigenmittelanforderungen des Artikels 104 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie [2013/36] sowie der kombinierten Kapitalpufferanforderung im Sinne des Artikels 128 Nummer 6 jener Richtlinie.“

 Italienisches Recht

15      Art. 28 Abs. 2ter des Decreto legislativo n. 385 – Testo unico delle leggi in materia bancaria e creditizia (Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 385 – Einheitstext der Bestimmungen über das Bank- und Kreditwesen) vom 1. September 1993 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 230 vom 30. September 1993) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Decreto legislativo Nr. 385/1993) sieht vor:

„Bei Volksbanken … ist das Recht auf Rückzahlung der Aktien im Fall des Ausscheidens, auch infolge der Umwandlung der Bank, des Todes oder des Ausschlusses eines Anteilseigners beschränkt, soweit die Banca d’Italia dies, auch in Abweichung von gesetzlichen Bestimmungen, vorsieht und dies erforderlich ist, um die aufsichtsrechtliche Zurechenbarkeit der Aktien zum harten Kernkapital zu gewährleisten. Für dieselben Zwecke kann die Banca d’Italia das Recht auf Rückzahlung der anderen emittierten Kapitalinstrumente beschränken.“

16      Art. 29 des Decreto legislativo Nr. 385/1993 bestimmt:

„(1)      Die Volksbanken werden als Genossenschaften auf Aktien mit beschränkter Haftung errichtet.

(2)      Der Nennwert der Aktien darf nicht weniger als zwei Euro betragen.

(2bis)      Das Aktivvermögen einer Volksbank darf 8 Mrd. Euro nicht überschreiten. Wenn die Bank die Muttergesellschaft einer Bankengruppe ist, wird die Grenze auf konsolidierter Basis bestimmt.

(2ter)      Im Fall des Überschreitens der Grenze nach Abs. 2bis beruft das Verwaltungsorgan die Versammlung zur Beschlussfassung ein. Wenn innerhalb eines Jahres ab der Überschreitung der Aktivvermögensgrenze die Aktiva weder unter die Schwelle verringert wurden noch die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft … oder die Abwicklung beschlossen wurden, kann die Banca d’Italia unter Berücksichtigung der Umstände und des Umfangs der Überschreitung ein Verbot des Abschlusses neuer Geschäfte … oder die in Titel IV Kapitel I Abschnitt I vorgesehenen Verfügungen erlassen oder der [EZB] den Entzug der Zulassung zur Bankentätigkeit und dem Minister für Wirtschaft und Finanzen die behördliche Zwangsliquidation vorschlagen. Dies berührt nicht die Interventions- und Sanktionsbefugnisse, die der Banca d’Italia nach dem vorliegenden Decreto legislativo übertragen werden.

(2quater)      Die Banca d’Italia erlässt Durchführungsbestimmungen zum vorliegenden Artikel.

…“

17      Art. 1 Abs. 2 des Decreto-legge n. 3 recante „Misure urgenti per il sistema bancario e gli investimenti“ (Gesetzesdekret Nr. 3 mit „Dringlichkeitsmaßnahmen für das Bankensystem und die Investitionen“) vom 24. Januar 2015 (GURI Nr. 19 vom 24. Januar 2015), mit Änderungen umgewandelt in ein Gesetz durch die legge n. 33 (Gesetz Nr. 33) vom 24. März 2015 (GURI Nr. 70 vom 25. März 2015), bestimmt in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Decreto-legge Nr. 3/2015):

„Bei der ersten Anwendung des vorliegenden Dekrets kommen die zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens zugelassenen Volksbanken den mit dem vorliegenden Artikel eingeführten Abs. 2bis und 2ter von Art. 29 des [Decreto legislativo Nr. 385/1993] innerhalb von 18 Monaten ab dem Inkrafttreten der von der Banca d’Italia im Sinne dieses Art. 29 erlassenen Durchführungsbestimmungen nach.“

18      Das durch die Legge n. 108 (Gesetz Nr. 108) vom 21. September 2018 (GURI Nr. 220 vom 21. September 2018) umgewandelte Decreto-legge n. 91 (Gesetzesdekret Nr. 91) vom 25. Juli 2018 (GURI Nr. 171 vom 25. Juli 2018) verlängerte die in Art. 1 Abs. 2 des Decreto-legge Nr. 3/2015 festgelegte achtzehnmonatige Frist bis zum 31. Dezember 2018.

19      Mit der am 9. Juni 2015 erfolgten 9. Aktualisierung des Rundschreibens Nr. 285 („Bestimmungen über die Bankenaufsicht“) vom 17. Dezember 2013 (im Folgenden: 9. Aktualisierung des Rundschreibens Nr. 285) führte die Banca d’Italia die Art. 28 und 29 des Decreto legislativo Nr. 385/1993 durch.

20      Insbesondere sieht die 9. Aktualisierung des Rundschreibens Nr. 285 auf der Grundlage von Art. 28 Abs. 2ter des Decreto legislativo Nr. 385/1993 vor, dass die Satzung der Volksbank und der Genossenschaftskreditbank dem Organ mit der Aufgabe der strategischen Überwachung auf Vorschlag des Geschäftsführungsorgans nach Anhörung des Kontrollorgans die Befugnis erteilt, die Rückzahlung der Aktien und der anderen Kapitalinstrumente des Anteilseigners im Fall des Ausscheidens (einschließlich im Fall der Umwandlung der Bank), des Ausschlusses oder des Todes des Anteilseigners ganz oder teilweise und ohne zeitliche Begrenzung zu beschränken oder zurückzustellen.

21      Die Vorlageentscheidung weist darauf hin, dass alle italienischen Volksbanken mit Ausnahme zweier den vorstehenden Bestimmungen des italienischen Rechts nachgekommen sind.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

22      Mit drei gesonderten Klageschriften fochten die Rechtsmittelführer des Ausgangsverfahrens bestimmte Rechtsakte der Banca d’Italia, insbesondere die 9. Aktualisierung des Rundschreibens Nr. 285, vor dem Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht von Latium, Italien) an, das die Klagen mit Urteilen unter den Aktenzeichen 6548/2016, 6544/2016 und 6540/2016 abwies.

23      Die Rechtsmittelführer legten im Ausgangsverfahren gegen diese Urteile Rechtsmittel beim vorlegenden Gericht, dem Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien), ein, der Anordnungen über die Aussetzung der Wirkungen der 9. Aktualisierung des Rundschreibens Nr. 285 erließ und Fragen bezüglich der Verfassungsmäßigkeit des Decreto-legge Nr. 3/2015 aufwarf.

24      Mit Urteil Nr. 99/2018 wies die Corte costituzionale (Verfassungsgerichtshof, Italien) diese Fragen als unbegründet zurück.

25      Nach Wiederaufnahme der Verfahren vor dem vorlegenden Gericht verlängerte dieses Gericht mit Beschluss Nr. 3645/2018 die zuvor angeordneten Aussetzungen bis zum Tag der Bekanntgabe des den Rechtsstreit in der Sache entscheidenden Urteils, mit Ausnahme der achtzehnmonatigen Frist nach Art. 1 Abs. 2 des Decreto-legge Nr. 3/2015, die bereits bis zum 31. Dezember 2018 gesetzlich verlängert worden war.

26      Unter diesen Umständen hat der Consiglio di Stato (Staatsrat) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Stehen Art. 29 der Verordnung Nr. 575/2013, Art. 10 der Delegierten Verordnung Nr. 241/2014 sowie die Art. 16 und 17 der Charta, auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1024/2013, einer nationalen Regelung wie derjenigen entgegen, die durch Art. 1 des Decreto-legge Nr. 3/2015 eingeführt wurde und eine Aktivvermögensschwelle vorschreibt, bei deren Überschreitung eine Volksbank verpflichtet ist, sich in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln, und diese Grenze auf ein Aktivvermögen von 8 Mrd. Euro festsetzt? Stehen ferner die angeführten unionsrechtlichen Parameter einer nationalen Regelung entgegen, die es im Fall der Umwandlung einer Volksbank in eine Aktiengesellschaft dieser – auch auf unbestimmte Zeit – erlaubt, die Rückzahlung der Aktien eines ausscheidenden Anteilseigners aufzuschieben oder zu begrenzen?

2.      Stehen die Art. 3 und 63 ff. AEUV über den Wettbewerb im Binnenmarkt und den freien Kapitalverkehr einer nationalen Regelung wie der entgegen, die durch Art. 1 des Decreto-legge Nr. 3/2015 eingeführt wurde und die Ausübung der Bankentätigkeit in genossenschaftlicher Form auf eine bestimmte Obergrenze des Aktivvermögens beschränkt und die Körperschaft dazu verpflichtet, sich im Fall der Überschreitung dieser Grenze in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln?

3.      Stehen die Art. 107 ff. AEUV im Bereich der staatlichen Beihilfen einer nationalen Regelung wie derjenigen entgegen, die durch Art. 1 des Decreto-legge Nr. 3/2015 eingeführt wurde und die Umwandlung einer Volksbank in eine Aktiengesellschaft im Fall der Überschreitung einer bestimmten (auf 8 Mrd. Euro festgesetzten) Aktivvermögensschwelle vorschreibt und Beschränkungen für die Rückzahlung des Anteils des Anteilseigners im Fall seines Ausscheidens vorsieht, um die mögliche Abwicklung der umgewandelten Bank zu verhindern?

4.      Stehen Art. 29 der Verordnung Nr. 575/2013 in Verbindung mit Art. 10 der Delegierten Verordnung Nr. 241/2014 einer nationalen Regelung wie der entgegen, die durch Art. 1 des Decreto-legge Nr. 3/2015 eingeführt wurde und wie sie von der Corte costituzionale (Verfassungsgerichtshof) im Urteil Nr. 99/2018 ausgelegt wurde, die einer Volksbank erlaubt, die Rückzahlung auf unbestimmte Zeit aufzuschieben und deren Betrag ganz oder teilweise zu begrenzen?

5.      Für den Fall, dass der Gerichtshof von der Vereinbarkeit des Unionsrechts mit der von den Rechtsmittelgegnern vertretenen Auslegung ausgeht, wird der Gerichtshof gebeten, zu beurteilen, ob Art. 10 der Delegierten Verordnung Nr. 241/2014 im Licht der Art. 16 und 17 der Charta in Verbindung mit Art. 52 Abs. 3 der Charta und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 1 des am 20. März 1952 in Paris unterzeichneten Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten nach dem Unionsrecht rechtmäßig ist.

 Verfahren vor dem Gerichtshof

27      Das vorlegende Gericht hat beim Gerichtshof beantragt, die vorliegende Rechtssache dem beschleunigten Verfahren nach Art. 105 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu unterwerfen.

28      Dieser Antrag ist mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 18. Januar 2019, Adusbef u. a. (C‑686/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:68), zurückgewiesen worden.

 Zu den Vorlagefragen

 Zur Zulässigkeit

29      Nach Ansicht der Unione di Banche Italiane – Ubi Banca SpA besteht, da dieses Vorabentscheidungsersuchen vorgelegt werde, nachdem die Corte costituzionale (Verfassungsgerichtshof) entschieden habe, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung mit der italienischen Verfassung im Einklang stehe, die Gefahr der Unvereinbarkeit zwischen dem nationalen Verfahren vor der Corte costituzionale (Verfassungsgerichtshof) und diesem Ersuchen, so dass dieses insgesamt unzulässig sei.

30      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es dem nationalen Gericht im Hinblick auf das Funktionieren des durch Art. 267 AEUV geschaffenen Systems der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten und den Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts freistehen muss, in jedem Moment des Verfahrens, den es für geeignet hält, und selbst nach Abschluss eines Zwischenverfahrens zur Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit dem Gerichtshof jede Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, die es für erforderlich hält (Urteile vom 22. Juni 2010, Melki und Abdeli, C‑188/10 und C‑189/10, EU:C:2010:363, Rn. 52 sowie vom 20. Dezember 2017, Global Starnet, C‑322/16, EU:C:2017:985, Rn. 22).

31      Die Wirksamkeit des Unionsrechts wäre gefährdet und die praktische Wirksamkeit von Art. 267 AEUV würde geschmälert, wenn es dem nationalen Gericht verwehrt wäre, wegen der Tatsache, dass ein Verfahren zur Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit besteht, dem Gerichtshof Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen und das Unionsrecht nach Maßgabe der Entscheidung oder der Rechtsprechung des Gerichtshofs unmittelbar anzuwenden (Urteil vom 20. Dezember 2017, Global Starnet, C‑322/16, EU:C:2017:985, Rn. 23).

32      Der Consiglio di Stato (Staatsrat) ist gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV als oberster Gerichtshof sogar verpflichtet, den Gerichtshof mit einem Vorabentscheidungsersuchen zu befassen, wenn er feststellt, dass die Entscheidung über den Rechtsstreit in der Sache eine zu klärende Frage umfasst, die unter Art. 267 Abs. 1 AEUV fällt, und zwar selbst dann, wenn er im Rahmen desselben Rechtsstreits das Verfassungsgericht des betreffenden Mitgliedstaats zur Verfassungsmäßigkeit der nationalen Vorschriften befragen kann (vgl. entsprechend Urteil vom 15. Januar 2013, Križan u. a., C‑416/10, EU:C:2013:8, Rn. 72).

33      Daher hat der Umstand, dass die Corte costituzionale (Verfassungsgerichtshof) sich zur Vereinbarkeit der innerstaatlichen Rechtsvorschriften, die im Ausgangsverfahren in Rede stehen, mit den Bestimmungen der italienischen Verfassung geäußert hat, keinen Einfluss auf diese Verpflichtung, dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung oder der Gültigkeit des Unionsrechts vorzulegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Dezember 2017, Global Starnet, C‑322/16, EU:C:2017:985, Rn. 25).

34      Folglich kann das Vorabentscheidungsersuchen nicht aufgrund dieses Umstands für unzulässig erklärt werden.

35      Im Übrigen tragen die Banca d’Italia, die Unione di Banche Italiane – Ubi Banca, die Banca Popolare di Milano, die Amber Capital Italia SGR SpA, die Amber Capital UK LLP, die italienische Regierung und die Europäische Kommission vor, dass die Vorlagefragen ganz oder teilweise unzulässig seien, weil die Angaben des vorlegenden Gerichts unzureichend und diese Fragen für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht erheblich seien.

36      Was die Angaben betrifft, die in jedem Vorabentscheidungsersuchen enthalten sein müssen, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen der in Art. 267 AEUV vorgesehenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten das nationale Gericht den seinen Vorlagefragen zugrunde liegenden Sachverhalt und rechtlichen Rahmen darzulegen oder zumindest die sachverhaltsbezogenen Annahmen zu erläutern hat, auf denen diese Fragen beruhen, damit, wie erforderlich, eine Auslegung des Unionsrechts erfolgen kann, die dem nationalen Richter von Nutzen ist. Der Gerichtshof ist nämlich nur befugt, sich auf der Grundlage des ihm vom nationalen Gericht unterbreiteten Sachverhalts zur Auslegung einer Unionsvorschrift zu äußern (Beschlüsse vom 5. Oktober 2017, OJ, C‑321/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:741, Rn. 12, sowie vom 5. Juni 2019, Wilo Salmson France, C‑10/19, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:464, Rn. 12).

37      Der Gerichtshof betont auch, wie wichtig es ist, dass das nationale Gericht die genauen Gründe angibt, aus denen es Zweifel bezüglich der Auslegung bestimmter Vorschriften des Unionsrechts hat und ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof für erforderlich hält. Er hat bereits entschieden, dass es unerlässlich ist, dass das nationale Gericht in der Vorlageentscheidung selbst ein Mindestmaß an Erläuterungen zu den Gründen für die Wahl der Vorschriften des Unionsrechts, um deren Auslegung es ersucht, und zu dem Zusammenhang gibt, den es zwischen diesen Vorschriften und dem nationalen Recht, das auf den bei ihm anhängigen Rechtsstreit anzuwenden ist, herstellt (Beschlüsse vom 12. Mai 2016, Security Service u. a., C‑692/15 bis C‑694/15, EU:C:2016:344, Rn. 20, sowie vom 5. Juni 2019, Wilo Salmson France, C‑10/19, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:464, Rn. 13).

38      Die Anforderungen an den Inhalt eines Vorabentscheidungsersuchens sind ausdrücklich in Art. 94 der Verfahrensordnung aufgeführt, von dem das vorlegende Gericht im Rahmen der in Art. 267 AEUV vorgesehenen Zusammenarbeit Kenntnis haben sollte und den es sorgfältig zu beachten hat (Beschlüsse vom 12. Mai 2016, Security Service u. a., C‑692/15 bis C‑694/15, EU:C:2016:344, Rn. 18, vom 5. Juni 2019, Wilo Salmson France, C‑10/19, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:464, Rn. 14, sowie vom 7. November 2019, P.J., C‑513/19, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:953, Rn. 15). Darauf wird auch in Nr. 15 der Empfehlungen des Gerichtshofs der Europäischen Union an die nationalen Gerichte bezüglich der Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen (ABl. 2019, C 380, S. 1) hingewiesen.

39      Schließlich ist gemäß der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ein Vorabentscheidungsersuchen eines nationalen Gerichts zurückzuweisen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht (Urteil vom 10. Juli 2014, Apple, C‑421/13, EU:C:2014:2070, Rn. 30, und Beschluss vom 17. Januar 2019, Cipollone, C‑600/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:29, Rn. 21).

40      Die Zulässigkeit des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens ist anhand aller vorstehenden Erfordernisse zu prüfen.

 Zur Zulässigkeit des ersten Teils der ersten Frage

41      Mit dem ersten Teil der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 29 der Verordnung Nr. 575/2013, Art. 10 der Delegierten Verordnung Nr. 241/2014 sowie die Art. 16 und 17 der Charta in Verbindung mit Art. 6 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1024/2013 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die eine Aktivvermögensobergrenze von 8 Mrd. Euro vorschreibt, bei deren Überschreitung in Form von Genossenschaften auf Aktien mit beschränkter Haftung errichtete Volksbanken verpflichtet sind, sich in Aktiengesellschaften umzuwandeln.

42      Art. 6 der Verordnung Nr. 1024/2013 legt die Einzelheiten fest, wie innerhalb des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus, der aus der EZB und den zuständigen nationalen Behörden besteht, die Aufgaben wahrzunehmen sind, die der EZB im Bereich der Aufsicht über Kreditinstitute durch diese Verordnung übertragen wurden.

43      In diesem Zusammenhang sieht dieser Art. 6 Abs. 4 im Wesentlichen die Kriterien vor, nach denen die Fälle ermittelt werden können, in denen diese Aufgaben nur von der EZB wahrgenommen werden, und jene Fälle, in denen die zuständigen nationalen Behörden die EZB bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben durch eine dezentralisierte Umsetzung bestimmter dieser Aufgaben in Bezug auf weniger bedeutende Kreditinstitute im Sinne von Art. 6 Abs. 4 unterstützen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Mai 2019, Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB, C‑450/17 P, EU:C:2019:372, Rn. 41).

44      Art. 6 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1024/2013 legt keine Aktivvermögensobergrenze fest, bei deren Überschreitung Volksbanken verpflichtet sind, sich in Aktiengesellschaften umzuwandeln, ihre Aktiva zu verringern oder eine Abwicklung vorzunehmen. Diese Bestimmung verlangt weder die Festlegung einer solchen Obergrenze, noch steht sie dieser entgegen.

45      Der in Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 Ziff. i festgelegte Schwellenwert von 30 Mrd. Euro für Aktiva ist eine der in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen, um zu bestimmen, welche Kreditinstitute nicht als weniger bedeutend im Sinne von Art. 6 Abs. 4 anzusehen sind.

46      Folglich steht Art. 6 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1024/2013 in keinem Zusammenhang mit der Aktivvermögensobergrenze von 8 Mrd. Euro, den die im Ausgangsverfahren fraglichen Rechtsvorschriften festlegen.

47      Ebenso wenig stehen Art. 29 der Verordnung Nr. 575/2013 und Art. 10 der Delegierten Verordnung Nr. 241/2014 in Zusammenhang mit dieser Obergrenze.

48      Diese Bestimmungen, die im Rahmen der in diesen Verordnungen festgelegten Regelungen über die Aufsichtsanforderungen auf dem Gebiet der Eigenmittel die Bedingungen vorsehen, die erfüllt sein müssen, damit von Gegenseitigkeitsgesellschaften, Genossenschaften, Sparkassen und ähnlichen Instituten begebene Kapitalinstrumente als Instrumente des harten Kernkapitals gelten, legen nämlich keine Aktivvermögensobergrenze fest, bei deren Überschreiten diese Gesellschaften und Institute verpflichtet sind, sich in Aktiengesellschaften umzuwandeln, ihre Aktiva zu verringern oder eine Abwicklung vorzunehmen. Sie verpflichten die Mitgliedstaaten nicht, eine solche Obergrenze festzusetzen, hindern sie aber auch nicht daran, dies zu tun.

49      Unter diesen Umständen ist eine Auslegung von Art. 6 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1024/2013, von Art. 29 der Verordnung Nr. 575/2013 und von Art. 10 der Delegierten Verordnung Nr. 241/2014 offensichtlich nicht entscheidungserheblich, da diese Vorschriften in keinem Zusammenhang mit der Aktivvermögensobergrenze stehen, die die im Ausgangsverfahren fraglichen Rechtsvorschriften festlegen.

50      Außerdem erläutert das vorlegende Gericht weder die Gründe, aus denen eine solche Auslegung seiner Ansicht nach für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits erheblich sein soll, noch den Zusammenhang, den es zwischen diesen Bestimmungen und dieser Regelung herstellt.

51      Zum Ersuchen um Auslegung der Art. 16 und 17 der Charta ist darauf hinzuweisen, dass die Charta nach ihrem Art. 51 Abs. 1 für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union gilt.

52      Nach ständiger Rechtsprechung setzt der Begriff „Durchführung des Rechts der Union“ im Sinne von Art. 51 der Charta das Vorliegen eines Zusammenhangs zwischen einem Unionsrechtsakt und der fraglichen nationalen Maßnahme voraus, der darüber hinausgeht, dass die fraglichen Sachbereiche benachbart sind oder der eine von ihnen mittelbare Auswirkungen auf den anderen haben kann (Urteile vom 6. März 2014, Siragusa, C‑206/13, EU:C:2014:126, Rn. 24, vom 10. Juli 2014, Julián Hernández u. a., C‑198/13, EU:C:2014:2055, Rn. 34, und vom 6. Oktober 2016, Paoletti u. a., C‑218/15, EU:C:2016:748, Rn. 14).

53      In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Grundrechte der Union im Verhältnis zu einer nationalen Regelung unanwendbar sind, wenn die unionsrechtlichen Vorschriften in dem betreffenden Sachbereich keine spezifischen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten im Hinblick auf den im Ausgangsverfahren fraglichen Sachverhalt schaffen (Urteile vom 6. März 2014, Siragusa, C‑206/13, EU:C:2014:126, Rn. 26, und vom 10. Juli 2014, Julián Hernández u. a., C‑198/13, EU:C:2014:2055, Rn. 35).

54      Wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, verpflichtet keine der vom vorlegenden Gericht im ersten Teil seiner ersten Frage angeführten unionsrechtlichen Vorschriften die Mitgliedstaaten, eine Aktivvermögensobergrenze wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende festzulegen, bei deren Überschreiten die in Form von Genossenschaften auf Aktien mit beschränkter Haftung errichteten Volksbanken verpflichtet sind, sich in Aktiengesellschaften umzuwandeln, ihre Aktiva zu verringern oder eine Abwicklung vorzunehmen.

55      Nach alledem ist der erste Teil der ersten Frage insgesamt unzulässig.

 Zur Zulässigkeit der zweiten Frage

56      In der zweiten Frage geht es darum, ob nationale Rechtsvorschriften, die eine Aktivvermögensobergrenze für die Ausübung von Banktätigkeiten in Form von Volksbanken festlegen, bei deren Überschreiten diese in Form von Genossenschaften auf Aktien mit beschränkter Haftung errichteten Banken verpflichtet sind, sich in Aktiengesellschaften umzuwandeln, ihre Aktiva unter diese Schwelle zu verringern oder eine Abwicklung vorzunehmen, mit den Art. 3 und 63 ff. AEUV vereinbar sind.

57      Diese Frage ist unzulässig, soweit sie die Auslegung von Art. 3 AEUV betrifft, da sich das vorlegende Gericht darauf beschränkt, um eine Auslegung dieser Bestimmung „im Bereich des Wettbewerbs im Binnenmarkt“ zu ersuchen, und das Vorabentscheidungsersuchen keine Ausführungen zu den Gründen enthält, aus denen das vorlegende Gericht Zweifel bezüglich der Auslegung dieser Bestimmung hegt, sowie zu dem Zusammenhang, den es zwischen ihr und dem Ausgangsverfahren herstellt.

 Zur Zulässigkeit der dritten Frage

58      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 107 ff. AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die zum einen eine Aktivvermögensobergrenze festlegt, bei deren Überschreitung die in Form von Genossenschaften auf Aktien mit beschränkter Haftung errichteten Volksbanken verpflichtet sind, sich in Aktiengesellschaften umzuwandeln, ihre Aktiva unter diese Schwelle zu verringern oder eine Abwicklung vorzunehmen, und die es zum anderen dem betreffenden Kreditinstitut ermöglicht, die Rückzahlung des Anteils eines ausscheidenden Anteilseigners zu beschränken, um eine etwaige Abwicklung zu vermeiden.

59      Das vorlegende Gericht gibt jedoch weder mit der erforderlichen Genauigkeit und Klarheit die Gründe an, aus denen ihm die Auslegung dieser unionsrechtlichen Vorschriften fraglich erscheint, noch den Zusammenhang, den es zwischen ihnen und der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung herstellt.

60      Das vorlegende Gericht erläutert nämlich nicht, warum es davon ausgehen könnte, dass nationale Rechtsvorschriften wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden einen Vorteil gewähren, dass sie eine selektive Maßnahme einführen, dass die Beihilfe aus staatlichen Mitteln stammt oder dass sie den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht. Daher liefert das vorlegende Gericht dem Gerichtshof keine Angaben, anhand deren sich beurteilen ließe, ob eine solche Maßnahme als „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV eingestuft werden kann.

61      Unter diesen Umständen entspricht das Vorabentscheidungsersuchen hinsichtlich der dritten Frage nicht den Anforderungen von Art. 94 der Verfahrensordnung und ermöglicht es dem Gerichtshof nicht, dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort auf diese Frage zu geben, die daher für unzulässig zu erklären ist.

 Zur Zulässigkeit der fünften Frage

62      Mit seiner fünften Frage ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof um eine Entscheidung über die Gültigkeit von Art. 10 der Delegierten Verordnung Nr. 241/2014.

63      Insoweit ist es bedeutsam, dass das nationale Gericht insbesondere die genauen Gründe angibt, aus denen ihm die Gültigkeit bestimmter unionsrechtlicher Vorschriften fraglich erscheint, und die Gründe angibt, aus denen es sie für ungültig hält (Urteil vom 4. Mai 2016, Philip Morris Brands u. a., C‑547/14, EU:C:2016:325, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64      Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich zum einen, dass der Gerichtshof die Gültigkeit eines Unionsrechtsakts oder bestimmter Vorschriften dieses Rechtsakts im Rahmen einer Vorlage zur Vorabentscheidung anhand der in der Vorlageentscheidung bezeichneten Ungültigkeitsgründe prüft. Werden die genauen Gründe, aus denen die Gültigkeit dieses Rechtsakts oder dieser Vorschriften dem vorlegenden Gericht fraglich erscheint, überhaupt nicht angegeben, führt dies zum anderen zur Unzulässigkeit der Fragen, die deren Gültigkeit betreffen (Urteil vom 4. Mai 2016, Philip Morris Brands u. a., C‑547/14, EU:C:2016:325, Rn. 50).

65      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht nicht die Gründe darlegt, aus denen ihm die Gültigkeit von Art. 10 der Delegierten Verordnung Nr. 241/2014 fraglich erscheint.

66      Unter diesen Umständen ist die fünfte Frage unzulässig.

 Zur Beantwortung der zulässigen Vorlagefragen

 Zum zweiten Teil der ersten Frage und zur vierten Frage

67      Der zweite Teil der ersten Frage und die vierte Frage betreffen die Vereinbarkeit einer nationalen Regelung, die es den Volksbanken erlaubt, die Rückzahlung ihrer Eigenmittelinstrumente zu begrenzen, mit bestimmten unionsrechtlichen Vorschriften.

68      Hierzu ist zunächst festzustellen, dass der Regelungsgegenstand von Art. 6 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1024/2013, wie er in den Rn. 42 und 43 des vorliegenden Urteils dargelegt worden ist, mit einer solchen Befugnis, die Rückzahlung von Eigenmittelinstrumenten zu begrenzen, nichts zu tun hat und dass die Auslegung dieser Bestimmung daher insoweit unerheblich ist. Daher ist es angebracht, diese Fragen ohne Bezugnahme auf diese Bestimmung neu zu formulieren.

69      Mithin möchte das vorlegende Gericht mit dem zweiten Teil seiner ersten Frage und mit seiner vierten Frage, die zusammen zu prüfen sind, wissen, ob Art. 29 der Verordnung Nr. 575/2013, Art. 10 der Delegierten Verordnung Nr. 241/2014 sowie die Art. 16 und 17 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die es einer dort ansässigen Volksbank erlaubt, die Rückzahlung des Anteils eines ausscheidenden Anteilseigners auf unbestimmte Zeit aufzuschieben und den Rückzahlungsbetrag zu begrenzen.

–       Zu Art. 29 der Verordnung Nr. 575/2013 und Art. 10 der Delegierten Verordnung Nr. 241/2014

70      Aus dem siebten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 575/2013 geht hervor, dass der Unionsgesetzgeber beabsichtigte, mit dieser Verordnung u. a. Aufsichtsanforderungen für Institute festzulegen, die sich strikt auf die Funktionsweise der Bank- und Finanzdienstleistungsmärkte beziehen und die Finanzstabilität der Wirtschaftsteilnehmer an diesen Märkten sichern sowie einen hohen Grad an Anleger- und Einlegerschutz gewährleisten sollen.

71      Gemäß ihrem Art. 1 Abs. 1 Buchst. a legt diese Verordnung einheitliche Regeln für allgemeine Aufsichtsanforderungen fest, die der Aufsicht unterliegende Institute im Rahmen der Richtlinie 2013/36 im Hinblick auf Eigenmittelanforderungen erfüllen müssen.

72      In diesem Zusammenhang nennt Art. 28 dieser Verordnung die Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit Kapitalinstrumente als Instrumente des harten Kernkapitals gelten, und Art. 29 der Verordnung sieht spezifische Bedingungen vor, die zu diesem Zweck in Bezug auf von Gegenseitigkeitsgesellschaften, Genossenschaften, Sparkassen und ähnlichen Instituten begebene Kapitalinstrumente erfüllt sein müssen.

73      Insbesondere kann das Institut nach Art. 29 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 575/2013 die Rückzahlung dieser Instrumente verweigern, es sei denn, dies ist nach einzelstaatlichem Recht verboten. Für den letztgenannten Fall bestimmt Art. 29 Abs. 2 Buchst. b, dass dem Institut in den für das Instrument geltenden Bestimmungen die Möglichkeit gegeben wird, diese Rückzahlung zu beschränken.

74      Die Kommission hat auf der Grundlage von Art. 29 Abs. 6 Vorschriften erlassen, in denen die Einzelheiten für die Wahrnehmung dieser Möglichkeit der Rückzahlungsbeschränkung für von Gegenseitigkeitsgesellschaften, Genossenschaften, Sparkassen und ähnlichen Instituten begebene Kapitalinstrumente festgelegt werden. Diese Vorschriften sind in Art. 10 der Delegierten Verordnung Nr. 241/2014 enthalten.

75      Demnach beinhaltet diese Befugnis gemäß Art. 10 Abs. 2 erster Satz dieser Delegierten Verordnung sowohl das Recht, die Rückzahlung zurückzustellen, als auch das Recht, den Rückzahlungsbetrag zu begrenzen.

76      Der zweite Satz dieser Bestimmung stellt klar, dass diese Rechte gemäß Art. 10 Abs. 3 der Delegierten Verordnung auf unbestimmte Zeit ausgeübt werden können; nach der letztgenannten Norm wird der Umfang der nach den Vorschriften für die Kapitalinstrumente vorgesehenen Rückzahlungsbeschränkungen von dem Institut auf der Grundlage der aufsichtsrechtlichen Lage des Instituts zu einem beliebigen Zeitpunkt bestimmt, wobei insbesondere, aber nicht ausschließlich die allgemeine Finanz‑, Liquiditäts- und Solvabilitätslage des Instituts sowie der Betrag des harten Kernkapitals, des zusätzlichen Kernkapitals und des Gesamtkapitals im Vergleich zum Gesamtrisiko, berechnet im Einklang mit den genauen Anforderungen, auf die Art. 10 Abs. 3 Buchst. b der Delegierten Verordnung verweist, berücksichtigt wird.

77      Aus Art. 29 der Verordnung Nr. 575/2013 und Art. 10 der Delegierten Verordnung Nr. 241/2014 ergibt sich somit zum einen, dass die von Gegenseitigkeitsgesellschaften, Genossenschaften, Sparkassen und ähnlichen Instituten begebenen Kapitalinstrumente, falls es solchen Instituten nach einzelstaatlichem Recht verboten ist, die Rückzahlung ihrer Eigenmittelinstrumente zu verweigern, nur dann als hartes Kernkapital berücksichtigt werden können, wenn die betreffenden Institute über die Befugnis verfügen, diese Rückzahlung zu beschränken, die sowohl das Recht, die Rückzahlung zurückzustellen, als auch das Recht, den Rückzahlungsbetrag zu begrenzen, beinhaltet; zum anderen ergibt sich aus den genannten Vorschriften, dass der Umfang der Rückzahlungsbeschränkungen von dem betreffenden Institut auf der Grundlage der aufsichtsrechtlichen Lage des Instituts zu einem beliebigen Zeitpunkt bestimmt wird.

78      Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Bestimmungen des italienischen Rechts den italienischen Volksbanken verbieten, die Rückzahlung von Eigenkapitalinstrumenten zu verweigern. Sie ermöglichen ihnen jedoch, die Rückzahlung der Aktien im Fall des Ausscheidens eines Anteilseigners zu beschränken, wenn sich dies als erforderlich erweist, um sicherzustellen, dass die von diesen Banken begebenen Kapitalinstrumente als hartes Kernkapital verbucht werden können. Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich ebenfalls, dass diese Banken nach diesen Bestimmungen die Rückzahlung auf unbestimmte Zeit aufschieben und den Rückzahlungsbetrag ganz oder teilweise begrenzen dürfen.

79      Wie aber bereits dem Wortlaut von Art. 10 Abs. 2 zweiter Satz der Delegierten Verordnung Nr. 241/2014 zu entnehmen ist, erlaubt es die in Art. 29 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 575/2013 vorgesehene Befugnis in dem Fall, dass es nach einzelstaatlichem Recht verboten ist, die Rückzahlung von Eigenmittelinstrumenten zu verweigern, gemäß Art. 10 Abs. 3 der Delegierten Verordnung die Rückzahlung auf unbestimmte Zeit zurückzustellen bzw. den Rückzahlungsbetrag auf unbestimmte Zeit zu begrenzen, d. h. solange und soweit dies im Hinblick auf ihre aufsichtsrechtliche Lage unter Berücksichtigung insbesondere der in letzterer Bestimmung genannten Gesichtspunkte erforderlich ist.

80      Folglich stehen Art. 29 der Verordnung Nr. 575/2013 und Art. 10 der Delegierten Verordnung Nr. 241/2014 einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegen, die den in diesem Mitgliedstaat ansässigen Volksbanken verbietet, die Rückzahlung von Eigenkapitalinstrumenten zu verweigern, die aber, wenn sich dies als erforderlich erweist, um sicherzustellen, dass die von diesen Banken begebenen Kapitalinstrumente als hartes Kernkapital berücksichtigt werden können, diesen Banken ermöglicht, die Rückzahlung der Aktien eines ausscheidenden Anteilseigners auf unbestimmte Zeit zurückzustellen und den Rückzahlungsbetrag ganz oder teilweise zu begrenzen.

–       Zu den Art. 16 und 17 der Charta

81      Gemäß Art. 16 der Charta wird die unternehmerische Freiheit nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten anerkannt.

82      Der durch diesen Artikel gewährte Schutz umfasst die Freiheit, eine Wirtschafts- oder Geschäftstätigkeit auszuüben, die Vertragsfreiheit und den freien Wettbewerb (Urteile vom 22. Januar 2013, Sky Österreich, C‑283/11, EU:C:2013:28, Rn. 42, vom 17. Oktober 2013, Schaible, C‑101/12, EU:C:2013:661, Rn. 25, sowie vom 12. Juli 2018, Spika u. a., C‑540/16, EU:C:2018:565, Rn. 34).

83      Nach ständiger Rechtsprechung gilt die unternehmerische Freiheit nicht schrankenlos. Sie kann einer Vielzahl von Eingriffen der öffentlichen Gewalt unterworfen werden, die im allgemeinen Interesse die Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit beschränken können (Urteile vom 22. Januar 2013, Sky Österreich, C‑283/11, EU:C:2013:28, Rn. 45 und 46; vom 17. Oktober 2013, Schaible, C‑101/12, EU:C:2013:661, Rn. 28, sowie vom 26. Oktober 2017, BB construct, C‑534/16, EU:C:2017:820, Rn. 36).

84      Nach Art. 17 Abs. 1 der Charta hat jede Person das Recht, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben, und niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn aus Gründen des öffentlichen Interesses in den Fällen und unter den Bedingungen, die in einem Gesetz vorgesehen sind, sowie gegen eine rechtzeitige angemessene Entschädigung für den Verlust des Eigentums. Die Nutzung des Eigentums kann gesetzlich geregelt werden, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist.

85      In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass das in dieser Bestimmung der Charta verbürgte Grundrecht nicht uneingeschränkt gilt und seine Ausübung Beschränkungen unterworfen werden kann, sofern diese Beschränkungen tatsächlich dem Wohl der Allgemeinheit dienenden Zielen entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und nicht tragbaren Eingriff darstellen, der das so gewährleistete Recht in seinem Wesensgehalt antasten würde (Urteil vom 20. September 2016, Ledra Advertising u. a./Kommission und EZB, C‑8/15 P bis C‑10/15 P, EU:C:2016:701, Rn. 69 und 70).

86      Im Übrigen ist auch darauf hinzuweisen, dass nach Art. 52 Abs. 1 der Charta Einschränkungen der Ausübung der in der Charta verankerten Rechte und Freiheiten wie der unternehmerischen Freiheit und des Eigentumsrechts vorgenommen werden können, sofern diese Einschränkungen gesetzlich vorgesehen sind, den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten sowie unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte anderer tatsächlich entsprechen.

87      Die den Volksbanken durch eine nationale Regelung eingeräumte Möglichkeit, die Rückzahlung ihrer Eigenmittelinstrumente zu begrenzen, wenn sich dies als erforderlich erweist, um sicherzustellen, dass die von ihnen begebenen Kapitalinstrumente als hartes Kernkapital verbucht werden können, ist im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta gesetzlich vorgesehen.

88      Der Wesensgehalt der durch Art. 16 der Charta garantierten unternehmerischen Freiheit und des in Art. 17 der Charta verankerten Eigentumsrechts wird durch eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende gewahrt, die eine Möglichkeit vorsieht, die Rückzahlung der Aktien im Fall des Ausscheidens eines Anteilseigners zu begrenzen, mit der die Voraussetzung des Art. 29 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 575/2013 erfüllt werden soll, damit die Aktien als hartes Kernkapital berücksichtigt werden können.

89      Zum einen hat diese Möglichkeit nämlich keinen Eigentumsentzug zur Folge und stellt daher keinen Eingriff dar, der das Eigentumsrecht in seinem Wesensgehalt antastet. Zum anderen würde diese Möglichkeit selbst unter der Annahme, dass sie die unternehmerische Freiheit beschränkte, den Wesensgehalt dieser Freiheit wahren, da sie die Ausübung der Banktätigkeit nicht verhindert. Dazu hat der Gerichtshof anerkannt, dass Genossenschaften in ihrer Funktionsweise besonderen Grundsätzen folgen, die sie deutlich von den übrigen Wirtschaftsteilnehmern unterscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2011, Paint Graphos u. a., C‑78/08 bis C‑80/08, EU:C:2011:550, Rn. 55).

90      Zu den Zielen, die mit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung verfolgt werden, weist das vorlegende Gericht, abgesehen davon, dass diese Regelung durch Gewährung dieser Befugnis dazu angetan ist, eine solche Bedingung umzusetzen, darauf hin, dass mit dieser Regelung ein angemessenes Verhältnis zwischen der Rechtsform und den Dimensionen einer Volksbank sowie die Einhaltung der für die Ausübung der Banktätigkeit geltenden Aufsichtsvorschriften der Union gewährleistet werden sollen. Die genannte Regelung solle somit die Gesellschaftsform der Volksbanken stärker an die Dynamik des relevanten Marktes anpassen, eine größere Wettbewerbsfähigkeit dieser Banken gewährleisten und eine größere Transparenz ihrer Organisation, ihres Betriebs und ihrer Funktionen fördern.

91      Diese Ziele, die geeignet sind, eine gute Unternehmensführung im Genossenschaftsbankensektor, dessen Stabilität und eine umsichtige Ausübung der Banktätigkeit zu gewährleisten, tragen dazu bei, einen Ausfall der betreffenden Institute oder gar ein systemisches Risiko zu vermeiden und damit die Stabilität des Banken- und Finanzsystems zu gewährleisten.

92      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Ziele, die Stabilität des Banken- und Finanzsystems sicherzustellen und ein systemisches Risiko zu vermeiden, dem Gemeinwohl dienende Ziele der Union darstellen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a., C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 69, 88 und 91, vom 20. September 2016, Ledra Advertising u. a./Kommission und EZB, C‑8/15 P bis C‑10/15 P, EU:C:2016:701, Rn. 71 und 74, sowie vom 8. November 2016, Dowling u. a., C‑41/15, EU:C:2016:836, Rn. 51 und 54).

93      Finanzdienstleistungen spielen nämlich in der Wirtschaft der Union eine zentrale Rolle. Banken und sonstige Kreditinstitute sind eine wesentliche Finanzierungsquelle für auf verschiedenen Märkten tätige Unternehmen. Außerdem sind Banken häufig eng untereinander verbunden, und viele operieren auf internationaler Ebene. Deshalb besteht das Risiko, dass der Ausfall einer oder mehrerer Banken rasch auf andere Banken – sowohl im betroffenen Mitgliedstaat als auch in anderen Mitgliedstaaten – übergreift. Dies wiederum birgt die Gefahr, dass negative Auswirkungen auch in anderen Wirtschaftssektoren spürbar werden (Urteile vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a., C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 50, sowie vom 20. September 2016, Ledra Advertising u. a./Kommission und EZB, C‑8/15 P bis C‑10/15 P, EU:C:2016:701, Rn. 72).

94      Zudem besteht, wie der Generalanwalt in den Nrn. 81 und 104 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ein offenkundiges Allgemeininteresse daran, sicherzustellen, dass eine Investition in den Kern des Eigenkapitals einer Bank nicht abrupt abgezogen wird, und somit zu verhindern, dass diese Bank und der gesamte Bankensektor einer aufsichtsrechtlichen Instabilität ausgesetzt würde.

95      Folglich ist davon auszugehen, dass die Einschränkungen der Ausübung des Eigentumsrechts und, sofern sie bestehen sollten, des Rechts der unternehmerischen Freiheit, die sich aus einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden ergeben, von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta tatsächlich entsprechen.

96      Außerdem werden diese Beschränkungen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren, wenn sie nicht über das hinausgehen, was angesichts der aufsichtsrechtlichen Lage der betreffenden Banken erforderlich ist, um sicherzustellen, dass die von ihnen begebenen Kapitalinstrumente als hartes Kernkapital berücksichtigt werden können, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist. Es muss dabei insbesondere die in Art. 10 Abs. 3 der Delegierten Verordnung Nr. 241/2014 genannten Gesichtspunkte berücksichtigen.

97      Nach alledem ist auf den zweiten Teil der ersten Frage und auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 29 der Verordnung Nr. 575/2013, Art. 10 der Delegierten Verordnung Nr. 241/2014 sowie die Art. 16 und 17 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, die den in diesem Mitgliedstaat ansässigen Volksbanken verbietet, die Rückzahlung von Eigenkapitalinstrumenten zu verweigern, die aber diesen Banken ermöglicht, die Rückzahlung des Anteils eines ausscheidenden Anteilseigners auf unbestimmte Zeit zurückzustellen und den Rückzahlungsbetrag ganz oder teilweise zu begrenzen, sofern die in Wahrnehmung dieser Befugnis beschlossenen Rückzahlungsbeschränkungen insbesondere unter Berücksichtigung der in Art. 10 Abs. 3 der Delegierten Verordnung Nr. 241/2014 genannten Gesichtspunkte nicht über das hinausgehen, was angesichts der aufsichtsrechtlichen Lage der betreffenden Banken erforderlich ist, um sicherzustellen, dass die von ihnen begebenen Kapitalinstrumente als hartes Kernkapital berücksichtigt werden können, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

 Zur zweiten Frage

98      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 63 ff. AEUV einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die eine Aktivvermögensobergrenze für die Ausübung von Banktätigkeiten durch in diesem Mitgliedstaat ansässige und in Form von Genossenschaften auf Aktien mit beschränkter Haftung errichtete Volksbanken festlegt, bei deren Überschreiten diese Banken verpflichtet sind, sich in Aktiengesellschaften umzuwandeln, ihre Aktiva unter diese Schwelle zu verringern oder eine Abwicklung vorzunehmen.

99      Nach Art. 63 Abs. 1 AEUV sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten.

100    Insoweit hat der Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung, da der AEU-Vertrag keine Definition des Begriffs „Kapitalverkehr“ im Sinne seines Art. 63 Abs. 1 enthält, der Nomenklatur für den Kapitalverkehr in Anhang I der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 (EG [aufgehoben durch den Vertrag von Amsterdam] [ABl. 1988, L 178, S. 5]) Hinweischarakter zuerkannt (Urteile vom 27. Januar 2009, Persche, C‑318/07, EU:C:2009:33, Rn. 24, vom 10. November 2011, Kommission/Portugal, C‑212/09, EU:C:2011:717, Rn. 47, und vom 22. Oktober 2013, Essent u. a., C‑105/12 bis C‑107/12, EU:C:2013:677, Rn. 40).

101    So hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass Kapitalverkehr im Sinne von Art. 63 Abs. 1 AEUV insbesondere sogenannte Direktinvestitionen sind, d. h. Investitionen in Form der Beteiligung an einem Unternehmen durch den Besitz von Aktien, die die Möglichkeit verschafft, sich tatsächlich an der Verwaltung dieser Gesellschaft und an deren Kontrolle zu beteiligen, sowie sogenannte Portfolioinvestitionen, d. h. Investitionen in Form des Erwerbs von Wertpapieren auf dem Kapitalmarkt allein in der Absicht einer Geldanlage, ohne auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss nehmen zu wollen (Urteile vom 11. November 2010, Kommission/Portugal, C‑543/08, EU:C:2010:669, Rn. 46, vom 22. Oktober 2013, Essent u. a., C‑105/12 bis C‑107/12, EU:C:2013:677, Rn. 40, sowie vom 26. Februar 2019, X [In Drittländern ansässige Zwischengesellschaften], C‑135/17, EU:C:2019:136, Rn. 26).

102    In Bezug auf diese beiden Investitionsformen hat der Gerichtshof festgestellt, dass nationale Regelungen als „Beschränkungen“ im Sinne von Art. 63 Abs. 1 AEUV anzusehen sind, wenn sie geeignet sind, den Erwerb von Aktien der betroffenen Unternehmen zu verhindern oder zu beschränken oder aber Investoren aus anderen Mitgliedstaaten davon abzuhalten, in das Kapital dieser Unternehmen zu investieren (Urteile vom 21. Oktober 2010, Idryma Typou, C‑81/09, EU:C:2010:622, Rn. 55, vom 10. November 2011, Kommission/Portugal, C‑212/09, EU:C:2011:717, Rn. 48, sowie vom 22. Oktober 2013, Essent u. a., C‑105/12 bis C‑107/12, EU:C:2013:677, Rn. 41).

103    Im vorliegenden Fall legt die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung für die Ausübung von Banktätigkeiten durch italienische Volksbanken, die in Form von Genossenschaften auf Aktien mit beschränkter Haftung errichtet worden sind, eine Aktivvermögensobergrenze fest, bei deren Überschreiten diese Banken verpflichtet sind, sich in Aktiengesellschaften umzuwandeln, ihre Aktiva unter diese Schwelle zu verringern oder eine Abwicklung vorzunehmen.

104    Indem aber eine solche Regelung den Umfang der wirtschaftlichen Tätigkeit begrenzt, die von italienischen Banken, die in einer bestimmten Rechtsform errichtet wurden, ausgeübt werden kann, ist sie geeignet, Investoren aus anderen Mitgliedstaaten als der Italienischen Republik und aus Drittstaaten vom Erwerb einer Beteiligung am Kapital dieser Banken abzuhalten, und stellt daher eine nach Art. 63 AEUV grundsätzlich verbotene Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar.

105    Nach gefestigter Rechtsprechung können nationale Regelungen, die den freien Kapitalverkehr beschränken, aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sofern sie geeignet sind, die Erreichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist (Urteil vom 10. November 2011, Kommission/Portugal, C‑212/09, EU:C:2011:717, Rn. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung). Überdies hat der Gerichtshof anerkannt, dass eine nationale Regelung eine gerechtfertigte Beschränkung einer Grundfreiheit darstellen kann, wenn sie durch wirtschaftliche Überlegungen vorgegeben wird, mit denen ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt wird (Urteil vom 22. Oktober 2013, Essent u. a., C‑105/12 bis C‑107/12, EU:C:2013:677, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

106    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung, wie in den Rn. 90 bis 95 des vorliegenden Urteils festgestellt, von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen entspricht.

107    Folglich ist die sich aus dieser Regelung ergebende Beschränkung des freien Kapitalverkehrs gerechtfertigt, sofern die in dieser Regelung festgelegte Aktivvermögensobergrenze, von deren Einhaltung sie die Ausübung der Banktätigkeit durch italienische Volksbanken, die in Form von Genossenschaften auf Aktien mit beschränkter Haftung errichtet wurden, abhängig macht, geeignet ist, die Verwirklichung dieser Ziele zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

108    Unter diesen Umständen ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die Art. 63 ff. AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, die eine Aktivvermögensobergrenze für die Ausübung von Banktätigkeiten durch in diesem Mitgliedstaat ansässige und in Form von Genossenschaften auf Aktien mit beschränkter Haftung errichtete Volksbanken festlegt, bei deren Überschreiten diese Banken verpflichtet sind, sich in Aktiengesellschaften umzuwandeln, ihre Aktiva unter diese Schwelle zu verringern oder eine Abwicklung vorzunehmen, sofern diese Regelung geeignet ist, die Verwirklichung der mit ihr verfolgten im Allgemeininteresse liegenden Ziele zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

 Kosten

109    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 29 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, Art. 10 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 241/2014 der Kommission vom 7. Januar 2014 zur Ergänzung der Verordnung Nr. 575/2013 im Hinblick auf technische Regulierungsstandards für die Eigenmittelanforderungen an Institute sowie die Art. 16 und 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, die den in diesem Mitgliedstaat ansässigen Volksbanken verbietet, die Rückzahlung von Eigenkapitalinstrumenten zu verweigern, die aber diesen Banken ermöglicht, die Rückzahlung des Anteils eines ausscheidenden Anteilseigners auf unbestimmte Zeit zurückzustellen und den Rückzahlungsbetrag ganz oder teilweise zu begrenzen, sofern die in Wahrnehmung dieser Befugnis beschlossenen Rückzahlungsbeschränkungen insbesondere unter Berücksichtigung der in Art. 10 Abs. 3 der Delegierten Verordnung Nr. 241/2014 genannten Gesichtspunkte nicht über das hinausgehen, was angesichts der aufsichtsrechtlichen Lage der betreffenden Banken erforderlich ist, um sicherzustellen, dass die von ihnen begebenen Kapitalinstrumente als hartes Kernkapital berücksichtigt werden können, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

2.      Die Art. 63 ff. AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, die eine Aktivvermögensobergrenze für die Ausübung von Banktätigkeiten durch in diesem Mitgliedstaat ansässige und in Form von Genossenschaften auf Aktien mit beschränkter Haftung errichtete Volksbanken festlegt, bei deren Überschreiten diese Banken verpflichtet sind, sich in Aktiengesellschaften umzuwandeln, ihre Aktiva unter diese Schwelle zu verringern oder eine Abwicklung vorzunehmen, sofern diese Regelung geeignet ist, die Verwirklichung der mit ihr verfolgten im Allgemeininteresse liegenden Ziele zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Italienisch.