Language of document : ECLI:EU:C:2020:134

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

HENRIK SAUGMANDSGAARD ØE

vom 27. Februar 2020(1)

Rechtssache C649/18

A

gegen

Daniel B,

UD,

AFP,

B,

L

(Vorabentscheidungsersuchen der Cour d’appel de Paris [Berufungsgericht Paris, Frankreich])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Nicht verschreibungspflichtige Humanarzneimittel – Online-Verkauf – Werbung für die Website einer Apotheke – Beschränkungen – Verpflichtung, den Patienten vor der Bestätigung seiner ersten Bestellung auf der Website einer Apotheke einen Gesundheitsfragebogen ausfüllen zu lassen – Freier Warenverkehr – Art. 34 AEUV – Verkaufsmodalitäten – Beeinträchtigungen – Art. 36 AEUV – Rechtfertigung – Wahrung der Würde des Apothekerberufs – Verhinderung des missbräuchlichen Verbrauchs von Arzneimitteln – Schutz der öffentlichen Gesundheit – Richtlinie 2000/31/EG – Elektronischer Geschäftsverkehr – Art. 2 Buchst. a – Dienst der Informationsgesellschaft – Art. 2 Buchst. h – Koordinierter Bereich – Art. 3 – Herkunftslandprinzip – Ausnahmen – Rechtfertigung – Schutz der öffentlichen Gesundheit – Informations- und Mitteilungspflicht – Richtlinie 2001/83/EG – Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel – Art. 85c Abs. 2 – Befugnis der Mitgliedstaaten, aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigte Bedingungen für den auf ihrem Hoheitsgebiet durchgeführten Einzelhandelsvertrieb von Arzneimitteln, die online verkauft werden, aufzustellen“






I.      Einleitung

1.        Das Vorabentscheidungsersuchen der Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris, Frankreich) betrifft die Auslegung von Art. 3 der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr(2), Art. 85c der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel(3) und der Art. 34 und 36 AEUV.

2.        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen A, einer Gesellschaft niederländischen Rechts, die eine Apotheke in den Niederlanden und eine speziell an französische Kunden gerichtete Website betreibt, und mehreren Betreibern von Apotheken sowie Vereinigungen, die die beruflichen Interessen der in Frankreich niedergelassenen Apotheker vertreten. Die Website umfasst ein Verkaufsportal, auf dem nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel und apothekenübliche Produkte angeboten werden. Die genannten Betreiber und Vereinigungen werfen A vor, unlautere geschäftliche Handlungen begangen zu haben, indem sie diese Website bei den französischen Kunden durch eine auf verschiedene Werbemittel gestützte groß angelegte Werbekampagne beworben habe. A habe auch die im französischen Recht vorgesehene Verpflichtung missachtet, jeden Patienten vor der Bestätigung seiner ersten Bestellung einen Gesundheitsfragebogen ausfüllen zu lassen.

3.        Die vorliegende Rechtssache gibt dem Gerichtshof Gelegenheit, zu klären, inwieweit ein Mitgliedstaat zum einen die Werbung von in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Apothekern für ihre Dienste des Online-Verkaufs von Arzneimitteln, die ohne Verschreibung abgegeben werden dürfen, und zum anderen den Vorgang der elektronischen Bestellung solcher Arzneimittel regeln darf.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

1.      Richtlinie 2000/31

4.        Art. 1 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2000/31 lautet:

„(1)      Diese Richtlinie soll einen Beitrag zum einwandfreien Funktionieren des Binnenmarktes leisten, indem sie den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft zwischen den Mitgliedstaaten sicherstellt.

(2)      Diese Richtlinie sorgt, soweit dies für die Erreichung des in Absatz 1 genannten Ziels erforderlich ist, für eine Angleichung bestimmter für die Dienste der Informationsgesellschaft geltender innerstaatlicher Regelungen, die den Binnenmarkt, die Niederlassung der Diensteanbieter, kommerzielle Kommunikationen, elektronische Verträge, die Verantwortlichkeit von Vermittlern, Verhaltenskodizes, Systeme zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten, Klagemöglichkeiten sowie die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten betreffen.“

5.        Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 definiert den Begriff „Dienste der Informationsgesellschaft“ unter Verweis auf Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG(4) in der Fassung der Richtlinie 98/48/EG(5). Die letztgenannte Bestimmung betrifft „jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung“. Diese Definition wurde in Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/1535(6), die die Richtlinie 98/34 ersetzt hat, übernommen. Gemäß Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2015/1535 gelten „Verweisungen auf die aufgehobene Richtlinie … als Verweisungen auf die vorliegende Richtlinie und sind nach Maßgabe der Entsprechungstabelle in Anhang IV zu lesen“.

6.        Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 2000/31 definiert den Begriff „koordinierter Bereich“ als „die für die Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft und die Dienste der Informationsgesellschaft in den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten festgelegten Anforderungen, ungeachtet der Frage, ob sie allgemeiner Art oder speziell für sie bestimmt sind“. In dieser Bestimmung heißt es:

„i)      Der koordinierte Bereich betrifft vom Diensteanbieter zu erfüllende Anforderungen in Bezug auf

–        die Aufnahme der Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft, beispielsweise Anforderungen betreffend Qualifikationen, Genehmigung oder Anmeldung;

–        die Ausübung der Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft, beispielsweise Anforderungen betreffend das Verhalten des Diensteanbieters, Anforderungen betreffend Qualität oder Inhalt des Dienstes, einschließlich der auf Werbung und Verträge anwendbaren Anforderungen, sowie Anforderungen betreffend die Verantwortlichkeit des Diensteanbieters.

ii)      Der koordinierte Bereich umfasst keine Anforderungen wie

–        Anforderungen betreffend die Waren als solche;

–        Anforderungen betreffend die Lieferung von Waren;

–        Anforderungen betreffend Dienste, die nicht auf elektronischem Wege erbracht werden.“

7.        Art. 3 („Binnenmarkt“) der Richtlinie 2000/31 bestimmt:

„(1)      Jeder Mitgliedstaat trägt dafür Sorge, dass die Dienste der Informationsgesellschaft, die von einem in seinem Hoheitsgebiet niedergelassenen Diensteanbieter erbracht werden, den in diesem Mitgliedstaat geltenden innerstaatlichen Vorschriften entsprechen, die in den koordinierten Bereich fallen.

(2)      Die Mitgliedstaaten dürfen den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat nicht aus Gründen einschränken, die in den koordinierten Bereich fallen.

(3)      Die Absätze 1 und 2 finden keine Anwendung auf die im Anhang genannten Bereiche.

(4)      Die Mitgliedstaaten können Maßnahmen ergreifen, die im Hinblick auf einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft von Absatz 2 abweichen, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

a)      Die Maßnahmen

i)      sind aus einem der folgenden Gründe erforderlich:

–        Schutz der öffentlichen Ordnung, insbesondere Verhütung, Ermittlung, Aufklärung und Verfolgung von Straftaten, einschließlich des Jugendschutzes und der Bekämpfung der Hetze aus Gründen der Rasse, des Geschlechts, des Glaubens oder der Nationalität, sowie von Verletzungen der Menschenwürde einzelner Personen,

–        Schutz der öffentlichen Gesundheit,

–        Schutz der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Wahrung nationaler Sicherheits- und Verteidigungsinteressen,

–        Schutz der Verbraucher, einschließlich des Schutzes von Anlegern;

ii)      betreffen einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft, der die unter Ziffer i) genannten Schutzziele beeinträchtigt oder eine ernsthafte und schwerwiegende Gefahr einer Beeinträchtigung dieser Ziele darstellt;

iii)      stehen in einem angemessenen Verhältnis zu diesen Schutzzielen.

b)      Der Mitgliedstaat hat vor Ergreifen der betreffenden Maßnahmen unbeschadet etwaiger Gerichtsverfahren, einschließlich Vorverfahren und Schritten im Rahmen einer strafrechtlichen Ermittlung,

–        den in Absatz 1 genannten Mitgliedstaat aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, und dieser hat dem nicht Folge geleistet oder die von ihm getroffenen Maßnahmen sind unzulänglich;

–        die Kommission und den in Absatz 1 genannten Mitgliedstaat über seine Absicht, derartige Maßnahmen zu ergreifen, unterrichtet.

…“

8.        Art. 8 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt, dass „[d]ie Mitgliedstaaten [sicherstellen], dass die Verwendung kommerzieller Kommunikationen, die Bestandteil eines von einem Angehörigen eines reglementierten Berufs angebotenen Dienstes der Informationsgesellschaft sind oder einen solchen Dienst darstellen, gestattet ist, soweit die berufsrechtlichen Regeln, insbesondere zur Wahrung von Unabhängigkeit, Würde und Ehre des Berufs, des Berufsgeheimnisses und eines lauteren Verhaltens gegenüber Kunden und Berufskollegen, eingehalten werden“.

2.      Richtlinie 2001/83

9.        Art. 85c Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2001/83 sieht vor:

„(1)      Unbeschadet der nationalen Rechtsvorschriften, mit denen das Angebot verschreibungspflichtiger Arzneimittel an die Öffentlichkeit zum Verkauf im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft verboten wird, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass das Angebot von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit zum Verkauf im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft, wie in der Richtlinie [98/34] festgelegt, unter folgenden Bedingungen erfolgt:

a)      Die natürliche oder juristische Person, die ein Arzneimittel anbietet, ist zur Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit, auch im Fernabsatz, entsprechend den nationalen Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem diese Person niedergelassen ist, ermächtigt oder befugt.

b)      Die unter Buchstabe a genannte Person hat dem Mitgliedstaat, in dem diese Person niedergelassen ist, mindestens folgende Angaben mitgeteilt:

c)      Das Arzneimittel entspricht den nationalen Rechtsvorschriften des Bestimmungsmitgliedstaats gemäß Artikel 6 Absatz 1.

d)      Unbeschadet der in der Richtlinie [2000/31] festgelegten Informationsanforderungen, enthält die Website, auf der Arzneimittel angeboten werden, mindestens Folgendes:

(2)      Die Mitgliedstaaten können aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigte Bedingungen für den auf ihrem Hoheitsgebiet durchgeführten Einzelhandelsvertrieb von Arzneimitteln aufstellen, die im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft an die Öffentlichkeit verkauft werden.“

10.      In Art. 86 Abs. 1 in Titel VIII („Werbung“) dieser Richtlinie heißt es:

„Im Sinne dieses Titels gelten als ‚Werbung für Arzneimittel‘ alle Maßnahmen zur Information, zur Marktuntersuchung und zur Schaffung von Anreizen mit dem Ziel, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern; sie umfasst insbesondere:

–        die Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel,

…“

B.      Französisches Recht

1.      Gesetzbuch über die öffentliche Gesundheit

11.      Gemäß Art. R. 4235-22 des Gesetzbuchs über die öffentliche Gesundheit (Code de la santé publique, im Folgenden: CSP) „ist [es] den Apothekern verboten, Kunden mit Vorgehensweisen und Mitteln anzuwerben, die die Würde des Berufs verletzen“.

12.      Nach Art. R. 4235-64 CSP darf „[e]in Apotheker … seine Patienten nicht durch irgendeine Vorgehensweise oder irgendein Mittel zu einem missbräuchlichen Verbrauch von Arzneimitteln verleiten“.

2.      Erlass vom 28. November 2016 über die guten Praktiken bei der Abgabe von Arzneimitteln

13.      Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht hervor, dass der Erlass des Ministers für Soziales und Gesundheit vom 28. November 2016 über die guten Praktiken bei der Abgabe von Arzneimitteln in Apotheken, Kassenapotheken und Knappschaftsapotheken gemäß Art. L. 5121‑5 des Gesetzbuchs über die öffentliche Gesundheit (Arrêté du 28 novembre 2016 du ministre des Affaires sociales et de la Santé relatif aux bonnes pratiques de dispensation des médicaments dans les pharmacies d’officine, les pharmacies mutualistes et les pharmacies de secours minières, mentionnées à l’article L. 5121‑5 du code de la santé publique) (JORF vom 1. Dezember 2016, Text Nr. 25, im Folgenden: Erlass über die guten Praktiken bei der Abgabe von Arzneimitteln) einen Anhang enthält, der in Abschnitt 7 („Zusätzliche Vorschriften für den elektronischen Handel mit Arzneimitteln“) Nr. 7.1 („Pharmazeutische Beratung“) bestimmt:

„Die Website für den elektronischen Handel mit Arzneimitteln ist so gestaltet, dass ein Arzneimittel nur dann abgegeben werden kann, wenn vor der Bestätigung der Bestellung ein interaktiver Austausch zwischen dem Patienten und der Apotheke stattfinden kann. Eine automatisierte Antwort auf eine vom Patienten gestellte Frage reicht daher nicht aus, um eine auf den spezifischen Fall des Patienten zugeschnittene Information und Beratung sicherzustellen.

Der Apotheker benötigt bestimmte persönliche Daten des Patienten, um sich zu vergewissern, dass die Bestellung dem Gesundheitszustand des Patienten angemessen ist, und um mögliche Gegenanzeigen erkennen zu können. Daher stellt er vor Bestätigung der ersten Bestellung einen Online-Fragebogen bereit, in dem der Patient Angaben zu Alter, Gewicht, Größe, Geschlecht, laufenden Behandlungen, bekannten Allergien, Gegenanzeigen und gegebenenfalls zu Schwangerschaft und Stillzeit machen muss. Der Patient muss die Richtigkeit dieser Angaben bestätigen.

Der Fragebogen wird bei der ersten Bestellung im Rahmen des Verfahrens zur Bestätigung der Bestellung ausgefüllt. Wurde der Fragebogen nicht ausgefüllt, kann kein Arzneimittel abgegeben werden. Der Apotheker bestätigt dann den Fragebogen und erklärt, dass er die Angaben des Patienten zur Kenntnis genommen hat, bevor er die Bestellung bestätigt.

Bei jeder Bestellung wird vorgeschlagen, den Fragebogen zu aktualisieren.

…“

3.      Erlass vom 28. November 2016 über die technischen Vorschriften für Websites für den elektronischen Handel mit Arzneimitteln

14.      Wie aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervorgeht, enthält der Erlass des Ministers für Soziales und Gesundheit vom 28. November 2016 über die technischen Vorschriften für Websites für den elektronischen Handel mit Arzneimitteln gemäß Art. L. 5125‑39 des Gesetzbuchs über die öffentliche Gesundheit (Arrêté du 28 novembre 2016 du ministre des Affaires sociales et de la Santé relatif aux règles techniques applicables aux sites Internet de commerce électronique de médicaments prévues à l’article L. 5125‑39 du code de la santé publique) (JORF vom 1. Dezember 2016, Text Nr. 26, im Folgenden: Erlass über die technischen Vorschriften) einen Anhang, der in Abschnitt 1 („Funktionalitäten der Websites für den elektronischen Handel mit Arzneimitteln“) vorsieht, dass „[b]ezahlte Links in Suchmaschinen oder Preisvergleichsplattformen … verboten [sind]“.

III. Ausgangsverfahren, Vorlagefrage und Verfahren vor dem Gerichtshof

15.      A, eine Gesellschaft niederländischen Rechts, ist in den Niederlanden für den Betrieb einer Apotheke eingetragen. Sie verkauft außerdem online Arzneimittel und apothekenübliche Produkte über verschiedene Websites, von denen eine speziell an die französischen Verbraucher gerichtet ist(7). Die über diese Website verkauften Arzneimittel verfügen in Frankreich über eine Genehmigung für das Inverkehrbringen und sind nicht verschreibungspflichtig.

16.      A führte eine Werbekampagne für die auf diese Weise den französischen Verbrauchern zum Kauf angebotenen Waren durch. Im Rahmen dieser Werbekampagne wurden von anderen Verkäufern im Fernabsatzverkehr versandten Paketen Werbeprospekte beigelegt (sogenannte „Huckepack-Werbung“), postalische Werbesendungen versandt, Werbeangebote auf der genannten Website veröffentlicht, die darin bestanden, dass ab einem bestimmten Bestellwert ein Preisnachlass auf den Gesamtpreis der Bestellung gewährt wurde, und über „Google AdWords“ bezahlte Suchmaschinenverweise für die Schlüsselwörter „lasante.net“ gekauft.

17.      Daniel B, UD, AFP, B und L, bei denen es sich um Betreiber von Apotheken bzw. um Vereinigungen handelt, die die beruflichen Interessen der Apotheker vertreten (im Folgenden: Daniel B u. a.), verklagten A vor dem Tribunal de commerce de Paris (Handelsgericht Paris, Frankreich). Daniel B u. a. verlangten insbesondere den Ersatz des Schadens, der ihnen durch den unlauteren Wettbewerb von A entstanden sei, die aus der Nichtbeachtung der französischen Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Werbung und des Online-Verkaufs von Arzneimitteln einen rechtswidrigen Vorteil gezogen habe.

18.      A dagegen ist der Ansicht, dass diese Rechtsvorschriften auf sie nicht anwendbar seien, da sie in den Niederlanden rechtmäßig für den Betrieb einer Apotheke niedergelassen sei und den französischen Verbrauchern ihre Waren im Wege des elektronischen Geschäftsverkehrs verkaufe.

19.      Mit Urteil vom 11. Juli 2017 entschied das Tribunal de commerce de Paris (Handelsgericht Paris), dass die Erstellung der französischen Website von A unter das niederländische Recht falle. Jedoch seien die Art. R. 4235‑22 und R. 4235‑64 CSP auf in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Unternehmen, die über das Internet an französische Patienten Arzneimittel verkauften, anwendbar. A habe, indem sie über drei Millionen Werbeprospekte außerhalb ihrer Apotheke verteilt habe, die französischen Kunden mit Mitteln angeworben, die dem Beruf des Apothekers unwürdig seien, und damit gegen diese Bestimmungen verstoßen. Der Verstoß gegen diese Bestimmungen, der A gegenüber den anderen Marktteilnehmern einen wirtschaftlichen Vorteil verschafft habe, sei unlauterer Wettbewerb.

20.      A legte gegen dieses Urteil Berufung bei der Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) ein und machte geltend, die Art. R. 4235‑22 und R. 4235‑64 CSP seien auf sie nicht anwendbar. Diese Bestimmungen stellten Beschränkungen des Grundsatzes der Anwendung der Vorschriften des Herkunftslands dar, der in Art. 3 der Richtlinie 2000/31, Art. 85c der Richtlinie 2001/83 und Art. 34 AEUV niedergelegt sei. Diese Beschränkungen seien nicht durch den Schutz der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt.

21.      Daniel B u. a. beantragen vor diesem Gericht, das Urteil des Tribunal de commerce de Paris (Handelsgericht Paris) zu bestätigen, soweit es auf die Werbung für den Verkauf von Arzneimitteln das französische Recht angewandt und die groß angelegte Werbekampagne von A als unlauteren Wettbewerb eingestuft habe, da sie die Würde des Apothekerberufs verletze und ihrem Inhalt nach darauf abziele, zu einem missbräuchlichen Verbrauch von Arzneimitteln zu verleiten. Sie beantragen ferner, das Urteil im Übrigen abzuändern, und machen insoweit geltend, dass der CSP und der Erlass über die guten Praktiken bei der Abgabe von Arzneimitteln auch auf die von A eingesetzten bezahlten Links anwendbar sei. Die Beschränkungen der Werbung für den Online-Verkauf von Arzneimitteln, die sich aus dem CSP ergäben, seien durch das Ziel der Wahrung der Würde und der Ehre des Apothekerberufs gerechtfertigt und im Hinblick auf dieses Ziel, das selbst wiederum mit dem Schutz der öffentlichen Gesundheit zusammenhänge, verhältnismäßig.

22.      Unter diesen Umständen hat die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) mit Entscheidung vom 28. September 2018, die am 15. Oktober 2018 beim Gerichtshof eingegangen ist, das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Erlaubt es die Unionsrechtsordnung, darunter insbesondere,

–        Art. 34 AEUV,

–        die Bestimmungen von Art. 85c der Richtlinie 2001/83 und

–        die Binnenmarktklausel von Art. 3 der Richtlinie 2000/31

einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, auf seinem Hoheitsgebiet den Apothekern, die Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats der Union sind, besondere Vorschriften aufzuerlegen, die Folgendes betreffen:

–        das in Art. R. 4235-22 CSP in seiner gegenwärtigen Fassung enthaltene Verbot, mit Vorgehensweisen und Mitteln, die als die Würde des Berufs verletzend angesehen werden, Kunden anzuwerben;

–        das in Art. R. 4235-64 CSP in seiner gegenwärtigen Fassung enthaltene Verbot, die Patienten zu einem missbräuchlichen Verbrauch von Arzneimitteln zu verleiten;

–        die im Erlass des Ministers für Soziales und Gesundheit vom 28. November 2016 in seiner gegenwärtigen Fassung enthaltene Verpflichtung, die guten Praktiken für die Abgabe von Arzneimitteln, die von den Behörden des Mitgliedstaats festgelegt werden, zu beachten, indem zusätzlich die Aufnahme eines Gesundheitsfragebogens in den Vorgang der elektronischen Bestellung von Arzneimitteln vorgeschrieben und der Rückgriff auf einen bezahlten Suchmaschinenverweis verboten wird?

23.      A, Daniel B u. a., die französische, die griechische, die spanische und die niederländische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Diese Parteien und Beteiligten, mit Ausnahme der niederländischen Regierung, haben an der mündlichen Verhandlung vom 3. Oktober 2019 teilgenommen.

IV.    Würdigung

A.      Vorbemerkungen

24.      Während die Voraussetzungen für den Zugang zum Beruf des Apothekers auf Unionsebene harmonisiert sind(8), fallen die Bedingungen für die Ausübung dieses Berufs in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Die hierzu erlassenen Vorschriften variieren von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat, sowohl hinsichtlich der Intensität als auch hinsichtlich der Modalitäten(9). Übt ein Apotheker seine Tätigkeit grenzüberschreitend aus, indem er Arzneimittel über das Internet verkauft(10), stellt sich die Frage, ob er die in seinem Niederlassungsmitgliedstaat geltenden Anforderungen oder die im Bestimmungsmitgliedstaat geltenden Anforderungen erfüllen muss.

25.      Insoweit verpflichtet Art. 85c Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 die Mitgliedstaaten, es zuzulassen, dass nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Diensteanbieter im Online-Handel angeboten werden, sofern die in dieser Bestimmung genannten Bedingungen erfüllt sind(11). Insbesondere muss der Diensteanbieter entsprechend den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem er niedergelassen ist, zur Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit im Fernabsatz befugt sein. Für die Arzneimittel, die im Fernabsatz angeboten werden, muss eine Genehmigung für das Inverkehrbringen im Bestimmungsmitgliedstaat erteilt worden sein. Kann letzterer Mitgliedstaat, wenn diese Bedingungen erfüllt sind, dennoch die Einzelheiten der Ausübung der Tätigkeit des Online-Verkaufs von Arzneimitteln zugunsten der in seinem Hoheitsgebiet ansässigen Patienten regeln? Inwieweit stehen dem insbesondere das aus Art. 3 der Richtlinie 2000/31 abgeleitete „Herkunftslandprinzip“ und die vom Vertrag garantierten Grundfreiheiten entgegen?

26.      Dies ist die allgemeine Thematik, um die es in der vorliegenden Rechtssache geht. Konkret geht es um die Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht von Rechts- und Verwaltungsvorschriften eines Mitgliedstaats, die zum einen die Möglichkeiten beschränken, Werbung zu betreiben, die darauf abzielt, die Patienten dieses Mitgliedstaats auf die Website einer Apotheke aufmerksam zu machen, damit sie dort Arzneimittel und apothekenübliche Produkte kaufen, und zum anderen den Vorgang der elektronischen Bestellung von Arzneimitteln regeln. Diese Bestimmungen wurden im vorliegenden Fall auf eine in den Niederlanden niedergelassene Apotheke angewandt, die ihre Online-Verkaufstätigkeit bei den französischen Verbrauchern über eine speziell für sie eingerichtete Website fördern wollte. Die auf dieser Website zum Kauf angebotenen Arzneimittel waren in Frankreich zugelassen und durften dort ohne Verschreibung abgegeben werden.

27.      Die nationalen Bestimmungen, die der Gerichtshof auf ihre Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht überprüfen soll, lassen sich in drei Gruppen einteilen.

28.      Die erste Gruppe umfasst Bestimmungen, die unter bestimmten Voraussetzungen die Werbung für den von einer Apotheke getätigten Online-Handel mit Arzneimitteln auf physischen Werbeträgern verbieten. Insoweit hat das Tribunal de commerce de Paris (Handelsgericht Paris) A verurteilt, da sie in einem Umfang, den das Gericht als groß eingestuft hat, Werbeprospekte verteilt und damit unter Verstoß gegen Art. R. 4235‑22 CSP eine Werbetätigkeit entfaltet habe, die die Würde des Apothekerberufs verletze. Darüber hinaus hat dieses Gericht A vorgeworfen, Werbemaßnahmen durchgeführt zu haben, die, wie aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervorgeht, darin bestanden, dass Preisnachlässe auf den Gesamtpreis einer Online-Bestellung von Arzneimitteln und apothekenüblichen Produkten gewährt wurden, wenn die Bestellung bestimmte Beträge überstieg. Diese Werbemaßnahmen verleiteten nach Ansicht dieses Gerichts zu einem missbräuchlichen Verbrauch von Arzneimitteln im Sinne von Art. R. 4235‑64 CSP. Der Gerichtshof wird ersucht, festzustellen, ob die vom Tribunal de commerce de Paris (Handelsgericht Paris) vorgenommene Auslegung und Anwendung dieser Rechtsvorschriften mit dem Unionsrecht vereinbar sind (Abschnitt C).

29.      Zur zweiten Gruppe von Bestimmungen gehören diejenigen, die die Internetwerbung für diese Dienste beschränken. Ich weise in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Tribunal de commerce de Paris (Handelsgericht Paris) die Werbemaßnahmen, die sich am Bestellwert orientierten, auch insoweit als rechtswidrig erachtet hat, als sie auf der Website von A angezeigt wurden. Dieses Gericht hat jedoch nicht beanstandet, dass A einen Link bei „Google AdWords“(12) gekauft hat. Daniel B u. a. beantragen eine Abänderung des erstinstanzlichen Urteils in diesem Punkt. Der Gerichtshof wird daher auch zu prüfen haben, ob die auf der Website von A angezeigten Werbemaßnahmen und das in dem Erlass über die technischen Vorschriften(13) vorgesehene Verbot von bezahlten Links mit dem Unionsrecht vereinbar sind (Abschnitt D).

30.      Die dritte Kategorie betrifft die nationalen Bestimmungen, die den Vorgang des elektronischen Verkaufs von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln regeln. In diesem Zusammenhang weist das vorlegende Gericht auf eine im Erlass über die guten Praktiken bei der Abgabe von Arzneimitteln vorgesehene Verpflichtung hin, der alle Apotheken, die im französischen Hoheitsgebiet über ihre Website im Einzelhandel Arzneimittel anbieten, unterliegen, nämlich, dass sie den Patienten einen medizinischen Fragebogen ausfüllen lassen müssen, bevor sie seine erste Bestellung bestätigen. Für die Beantwortung der Vorlagefrage ist daher auch zu prüfen, ob das Unionsrecht einer solchen Verpflichtung entgegensteht (Abschnitt E).

31.      Für jede dieser Gruppen nationaler Vorschriften ist zunächst zu ermitteln, anhand welcher unionsrechtlicher Bestimmungen – d. h. der Richtlinie 2000/31, der Richtlinie 2001/83 oder des AEU-Vertrags – die Vereinbarkeit dieser Vorschriften zu beurteilen ist, bevor dann diese Beurteilung vorzunehmen ist.

32.      Vor einer inhaltlichen Beantwortung der Vorlagefrage ist allerdings der von der französischen Regierung gegen die Zulässigkeit der Vorlagefrage erhobene Einwand zurückzuweisen (Abschnitt B).

B.      Zur Zulässigkeit

33.      Die französische Regierung hält die Vorlagefrage für unzulässig, soweit sie die Auslegung der Bestimmungen der Richtlinie 2000/31 betrifft. Sie macht geltend, dass eine Privatperson in einem Rechtsstreit horizontaler Natur einer anderen Privatperson nicht Bestimmungen einer Richtlinie entgegenhalten könne, um die Anwendung einer nationalen Regelung, die gegen diese Bestimmungen verstoße, zu verhindern(14). Dieser Aspekt der Vorlagefrage habe daher hypothetischen Charakter.

34.      Diese Argumentation überzeugt mich nicht.

35.      Erstens ist zwar unstreitig, dass eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen kann, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie nicht möglich ist. Der Gerichtshof hat jedoch wiederholt entschieden, dass die nationalen Gerichte die Auslegung der Bestimmungen des nationalen Rechts, insbesondere derjenigen, mit denen eine Richtlinie umgesetzt wird, so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck dieser Richtlinie ausrichten müssen, damit das von ihr festgelegte Ergebnis erreicht wird(15).

36.      Im vorliegenden Fall wird das vorlegende Gericht die Art. R. 4235‑22 und R. 4235-64 CSP im Einklang mit dem Unionsrecht auszulegen und vor diesem Hintergrund festzustellen haben, ob die vom Tribunal de commerce de Paris (Handelsgericht Paris) vorgenommene Auslegung zu bestätigen ist oder nicht.

37.      Zweitens hat der Gerichtshof jedenfalls entschieden, dass ein Verstoß gegen die in Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 vorgesehene Pflicht zur Unterrichtung der Kommission dazu führt, dass die nationale Vorschrift dem Einzelnen weder in einem Strafverfahren noch in einem Rechtsstreit zwischen Privaten entgegengehalten werden kann(16). Da mit der Vorlagefrage die Frage aufgeworfen wird, ob nationale Vorschriften wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden unter diese Verpflichtung fallen, ist die Antwort des Gerichtshofs für die Entscheidung des beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreits zweifelsohne relevant.

C.      Zur Frage, ob die Beschränkungen der Werbung für den Online-Handel mit Arzneimitteln auf physischen Werbeträgern mit dem Unionsrecht vereinbar sind

38.      Die Art. R. 4235-22 und R. 4235-64 CSP verbieten es den Apothekern allgemein, Kunden in einer Art und Weise anzuwerben, die die Würde ihres Berufs verletzt oder zu einem missbräuchlichen Verbrauch von Arzneimitteln verleitet. Im vorliegenden Fall hat das Tribunal de commerce de Paris (Handelsgericht Paris) diese Bestimmungen ausgelegt und angewandt, um insbesondere die Versendung von mehr als drei Millionen Prospekten, die den Paketen von Handelspartnern beigelegt waren oder direkt in die Briefkästen potenzieller Kunden verteilt wurden, durch A und deren Werbemaßnahmen zu ahnden(17).

39.      Unter diesem Blickwinkel wird der Gerichtshof mit der Vorlagefrage ersucht, darüber zu befinden, ob das Unionsrecht einer nationalen Regelung entgegensteht, die zum einen den Massenversand von Werbeprospekten verbietet, mit denen potenzielle Kunden eines Mitgliedstaats auf die Website einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Apotheke, die Arzneimittel verkauft, die in Frankreich zugelassen sind und dort ohne Verschreibung abgegeben werden dürfen, aufmerksam gemacht werden sollen, und zum anderen Werbemaßnahmen in Form von Preisnachlässen auf den Gesamtpreis einer Bestellung solcher Arzneimittel und apothekenüblicher Produkte untersagt, die gewährt werden, wenn die Bestellung bestimmte Beträge übersteigt.

40.      Zunächst ist zu klären, welche Unionsrechtsakte auf Werbemaßnahmen anwendbar sind, die zwar den Online-Verkauf von Arzneimitteln fördern sollen, aber mittels physischer Werbeträger durchgeführt werden. Anders als A und die Kommission vortragen, fallen solche Maßnahmen meines Erachtens nicht in den Anwendungsbereich von Art. 3 der Richtlinie 2000/31 (Abschnitt 1). Sie sind auch nicht in den die Arzneimittelwerbung betreffenden Bestimmungen der Richtlinie 2001/83 geregelt (Abschnitt 2). Den Mitgliedstaaten steht es daher weiterhin frei, sie innerhalb der vom AEU-Vertrag gesetzten Grenzen zu regeln (Abschnitt 3).

1.      Zur Unanwendbarkeit von Art. 3 der Richtlinie 2000/31

41.      Gemäß Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/31, der auf Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2015/1535(18) verweist, umfasst der Begriff „Dienst der Informationsgesellschaft“ „jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung“. Wie aus dem 18. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/31 hervorgeht, umfasst dieser Begriff den Online-Verkauf von Waren. Er erstreckt sich auch auf Dienste, die nicht von denjenigen vergütet werden, die sie empfangen, wie etwa die Erbringung von kommerziellen Online-Kommunikationen(19).

42.      Angesichts dieser Definition besteht kaum ein Zweifel daran, dass es sich bei den von A erbrachten Dienstleistungen des Online-Verkaufs von Arzneimitteln und apothekenüblichen Produkten um Dienste der Informationsgesellschaft handelt(20). Die Online-Werbung von A ist zwar Teil dieser Online-Verkaufsdienste, kann aber auch selbst als Dienst der Informationsgesellschaft eingestuft werden.

43.      Als solche unterliegen diese Dienste dem in Art. 3 der Richtlinie 2000/31 festgelegten „Herkunftslandprinzip“. Wie aus Abs. 1 dieses Artikels hervorgeht, bedeutet dieses Prinzip, dass ein Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft die in seinem Niederlassungsmitgliedstaat (auch als „Herkunftsmitgliedstaat“ bezeichnet) geltenden nationalen Vorschriften in Bezug auf Angelegenheiten einhalten muss, die in den koordinierten Bereich im Sinne von Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 2000/31 fallen. Gemäß Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie dürfen die anderen Mitgliedstaaten den freien Verkehr eines solchen Dienstes nicht aus Gründen einschränken, die in den koordinierten Bereich fallen, es sei denn, es handelt sich um Abweichungen, die unter den in Abs. 4 dieses Artikels genannten Bedingungen zugelassen sind.

44.      Meines Erachtens fällt, wie Daniel B u. a. geltend machen, die Regelung der Bedingungen, unter denen der Anbieter eines Online-Verkaufsdienstes mittels physischer Werbeträger für sein Internetportal werben darf, nicht in den Anwendungsbereich des in Art. 3 der Richtlinie 2000/31 festgelegten Herkunftslandprinzips.

45.      Zum einen kann nämlich die Versendung von kommerzieller Kommunikation für Online-Verkaufsdienste auf physischen Werbeträgern als solche nicht als ein Dienst der Informationsgesellschaft angesehen werden. Physische Werbung, mit der die Kunden auf eine Website aufmerksam gemacht werden sollen, über die ein Diensteanbieter Online-Verkaufsdienste erbringt, stellt keinen „auf elektronischem Wege“ erbrachten Dienst dar.

46.      Zum anderen kann das Herkunftslandprinzip auch nicht auf die Regulierung einer solchen kommerziellen Kommunikation Anwendung finden, da eine solche Regulierung den freien Verkehr dieser Online-Verkaufsdienste einschränken würde. Die Anforderungen in Bezug auf die physische Werbung fallen meines Erachtens nämlich nicht in den koordinierten Bereich im Sinne von Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 2000/31.

47.      Hierzu ist festzustellen, dass der koordinierte Bereich die Anforderungen abdeckt, die ein Diensteanbieter sowohl in Bezug auf die Aufnahme der Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft als auch in Bezug auf die Ausübung dieser Tätigkeit erfüllen muss. Gemäß Ziff. i dieser Bestimmung umfassen die Anforderungen in Bezug auf die Ausübung der Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft Anforderungen betreffend die Qualität oder den Inhalt des Dienstes, „einschließlich der auf Werbung … anwendbaren Anforderungen“. Im 21. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/31 heißt es jedoch, dass der koordinierte Bereich „nur Anforderungen betreffend Online-Tätigkeiten [umfasst]“, wie insbesondere „Online-Werbung“.

48.      Diese Auslegung wird auch dadurch bestätigt, dass die Lieferung von online bestellten Waren als physischer Vorgang nach der Erbringung eines Dienstes der Informationsgesellschaft gemäß Art. 2 Buchst. h Ziff. ii der Richtlinie 2000/31 vom koordinierten Bereich ausdrücklich ausgenommen ist(21). Dies bedeutet meines Erachtens, dass auch die physische Werbung vor der Erbringung eines solchen Dienstes nicht in den koordinierten Bereich fällt.

49.      Ein solcher Ausschluss scheint mir umso mehr gerechtfertigt, als die physische Werbung eines Diensteanbieters für die von ihm erbrachten Online-Verkaufsdienste nicht als ein integraler Bestandteil dieser Dienste angesehen werden kann. Die Werbung lässt sich nämlich von dem zukünftigen und hypothetischen Ereignis – dem Online-Verkauf an die Adressaten der Werbeprospekte – trennen. Unter diesen Umständen ist der Versand von kommerzieller Kommunikation auf physischen Werbeträgern kein untrennbarer Bestandteil der Ausübung der Tätigkeit des Dienstes der Informationsgesellschaft, den der Online-Verkauf von Waren darstellt.

2.      Zur Unanwendbarkeit der Titel VIII und VIIIa der Richtlinie 2001/83

50.      Die Richtlinie 2001/83 enthält in Titel VIII („Werbung“) und Titel VIIIa („Information und Werbung“) eine Reihe von Bestimmungen zur Regelung der Werbung für Arzneimittel. Der Rechtsprechung zufolge wurde mit diesen Bestimmungen der Bereich der Arzneimittelwerbung umfassend harmonisiert(22).

51.      Meines Erachtens wird jedoch, wie die Kommission im Wesentlichen geltend gemacht hat, mit den Bestimmungen der Titel VIII und VIIIa der Richtlinie 2001/83 nicht der Bereich der Werbung für den Online-Handel mit Arzneimitteln harmonisiert, und zwar unabhängig davon, ob diese Werbung auf physischen Werbeträgern oder auf elektronischem Wege erfolgt(23). In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass die von A durchgeführte Werbekampagne, wie aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervorgeht, nicht dazu anregen sollte, bestimmte Arzneimittel zu kaufen, sondern dazu, die von A für eine ganze Reihe von Arzneimitteln und apothekenüblichen Produkten angebotenen Online-Verkaufsdienste in Anspruch zu nehmen. Dies wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass auf den verteilten Werbeprospekten, wie Daniel B u. a. angemerkt haben, gegebenenfalls zur Illustration das eine oder andere häufig verwendete Arzneimittel abgebildet war.

52.      In dieser Hinsicht ist der Wortlaut von Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 zwar nicht eindeutig, da er den Begriff „Werbung für Arzneimittel“ als „alle Maßnahmen zur Information, zur Marktuntersuchung und zur Schaffung von Anreizen mit dem Ziel, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern“ definiert. Diese Definition schließt nämlich auf den ersten Blick nicht unbedingt die Werbung für den Verbrauch bestimmter Arzneimittel aus, sondern für den Kauf nicht näher bestimmter Arzneimittel bei einer bestimmten Apotheke. Ich stelle jedoch fest, dass sich keine der in Art. 86 Abs. 1 dieser Richtlinie beispielhaft genannten Formen der Kundenwerbung auf die Werbung für eine bestimmte Apotheke bezieht. Überdies beziehen sich die Art. 86 bis 100 der Richtlinie alle auf die Werbung für ein bestimmtes Arzneimittel. Sie legen Regeln für den Inhalt der Werbeaussage und die Ausgestaltung der Arzneimittelwerbung fest. Ihr Zweck besteht nicht darin, die Werbung für die Dienste einer Apotheke, insbesondere im Zusammenhang mit dem Online-Verkauf von Arzneimitteln, zu regeln.

53.      Mit anderen Worten werden mit den Bestimmungen der Titel VIII und VIIIa der Richtlinie 2001/83 lediglich – und abschließend – die Bedingungen harmonisiert, unter denen die Mitgliedstaaten die Werbung für Arzneimittel einschränken können. Dabei bleibt die Möglichkeit der Mitgliedstaaten unberührt, innerhalb der vom AEU-Vertrag und gegebenenfalls von anderen Sekundärrechtsakten gesetzten Grenzen die nicht harmonisierten Bereiche zu regeln, wie etwa die Werbung für eine bestimmte Apotheke oder für die von dieser Apotheke erbrachten Online-Verkaufsdienste.

54.      Dies wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Gerichtshof im Urteil Deutscher Apothekerverband(24) entschieden hat, dass Art. 88 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83, der die Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel untersagt, einem absoluten Verbot der Werbung für den Online-Handel mit Arzneimitteln entgegensteht, soweit dieses Verbot für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel gilt. Der vom Gerichtshof verfolgte Ansatz bedeutet meines Erachtens nur, dass ein solches Verbot, auch wenn es sich nicht auf die Werbung für Arzneimittel als solche bezieht, in der Praxis darauf hinausläuft, diese Werbung zu verbieten, wenn die fraglichen Arzneimittel online verkauft werden. Hieraus folgt keineswegs, dass jede Form der Beschränkung der Werbung für den Online-Handel mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln deshalb verboten wäre, weil sie in den Bestimmungen der Titel VIII und VIIIa der Richtlinie 2001/83 nicht ausdrücklich zugelassen ist.

55.      Bei den Vorschriften über die Werbung für den Online-Handel mit Arzneimitteln könnte es sich hingegen, soweit sie eine Regelung des Online-Verkaufs von Arzneimitteln an Patienten bewirken, um Bedingungen für den Einzelhandel mit Arzneimitteln im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, die der Öffentlichkeit im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft angeboten werden, handeln. Gemäß Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 können die Mitgliedstaaten solche Bedingungen vorsehen, sofern sie aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt sind.

56.      In diesem Zusammenhang wird im 21. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/62, durch die Art. 85c der Richtlinie 2001/83 eingefügt wurde, darauf hingewiesen, dass der Unionsgesetzgeber mit Abs. 2 dieses Artikels „der Tatsache Rechnung … tragen [wollte], dass die spezifischen Bedingungen für die Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit über den Einzelhandel nicht auf Unionsebene harmonisiert sind und dass die Mitgliedstaaten daher innerhalb der vom [AEU-Vertrag] gesetzten Schranken Bedingungen für die Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit festlegen können“. Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 ist daher so zu verstehen, dass er lediglich die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten anerkennt, die Bedingungen für den Einzelhandel mit Arzneimitteln unter Beachtung des AEU-Vertrags und insbesondere der von ihm garantierten Grundfreiheiten zu regeln.

3.      Zur Anwendung von Art. 34 AEUV

57.      Da, wie aus den vorstehenden Erwägungen hervorgeht, die physische Werbung für die von einer Apotheke erbrachten Dienstleistungen des Online-Verkaufs von Arzneimitteln nicht auf Unionsebene harmonisiert ist, sind nationale Vorschriften, die – wie die Art. R. 4235‑22 und R. 4235‑64 CSP in der Auslegung und Anwendung durch das Tribunal de commerce de Paris (Handelsgericht Paris) – die Möglichkeiten der Werbung für diese Dienste einschränken, im Hinblick auf die vom AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten zu prüfen.

a)      Zur Notwendigkeit einer Prüfung anhand des freien Warenverkehrs und/oder des freien Dienstleistungsverkehrs

58.      Die Parteien und die Beteiligten, die Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht haben, sind sich darin uneins, ob nationale Maßnahmen, die es den Apotheken verbieten, in großem Umfang Werbeprospekte zu versenden und über ihre Website ab bestimmten Bestellwerten Preisnachlässe wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden anzubieten, im Hinblick auf den in Art. 34 AEUV garantierten freien Warenverkehr zu prüfen sind, wie das vorlegende Gericht meint, im Hinblick auf den in Art. 56 AEUV verankerten freien Dienstleistungsverkehr oder nacheinander im Licht beider Freiheiten.

59.      Während A, die griechische Regierung und die Kommission die fraglichen Maßnahmen anhand von Art. 34 AEUV prüfen(25), untersuchen die spanische und die niederländische Regierung sie im Hinblick auf Art. 56 AEUV. Die französische Regierung, die der Ansicht ist, dass diese Maßnahmen Verkaufsmodalitäten seien, die nicht in den Anwendungsbereich von Art. 34 AEUV fielen, ersucht den Gerichtshof, ihre Vereinbarkeit mit Art. 56 AEUV zu prüfen.

60.      Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, dass der Online-Verkauf von Arzneimitteln ein „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2015/1535 ist. Er ist auch als ein „Dienst“ im Sinne von Art. 56 AEUV anzusehen. Allerdings zielte die von A durchgeführte Werbekampagne, mit der ein bestimmter Verkaufskanal – ihr an die französischen Verbraucher gerichtetes Internetportal – gefördert wurde, darauf ab, diese Verbraucher anzuziehen, damit sie die von ihr angebotenen Arzneimittel und apothekenüblichen Produkte kaufen. Beide Produktkategorien sind „Waren“ im Sinne von Art. 34 AEUV(26). Die fraglichen Maßnahmen können daher sowohl in den Anwendungsbereich von Art. 34 AEUV, soweit sie die Modalitäten des Vertriebs von Waren betreffen, als auch in den Anwendungsbereich von Art. 56 AEUV fallen, soweit sie die einer Apotheke zur Verfügung stehenden Möglichkeiten beschränken, ihren Online-Handel mit Arzneimitteln bekannt zu machen.

61.      Nach ständiger Rechtsprechung prüft der Gerichtshof eine nationale Maßnahme, die sowohl den freien Warenverkehr als auch eine weitere Grundfreiheit betrifft, grundsätzlich nur im Hinblick auf eine dieser beiden Grundfreiheiten, wenn sich herausstellt, dass eine der beiden Freiheiten der anderen gegenüber völlig zweitrangig ist und ihr zugeordnet werden kann(27).

62.      Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass zwar die Bedingungen für den Vertrieb einer Ware grundsätzlich dem freien Warenverkehr und nicht dem freien Dienstleistungsverkehr unterliegen, jedoch nicht auszuschließen ist, dass mit dem Verkauf einer Ware eine Tätigkeit einhergeht, die Aspekte einer „Dienstleistung“ aufweist. Es muss jeweils im konkreten Fall geprüft werden, ob diese Tätigkeit einen den Bezügen zum freien Warenverkehr gegenüber völlig zweitrangigen Aspekt darstellt oder nicht(28).

63.      In Anwendung dieser Grundsätze hat der Gerichtshof nationale Maßnahmen, mit denen die Werbung eines Unternehmens für die von ihm zum Kauf angebotenen Waren geregelt wird, ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des freien Warenverkehrs geprüft(29). Die Verbreitung von Werbeaussagen wurde nicht als ein Selbstzweck angesehen, sondern als ein im Verhältnis zum Verkauf der betreffenden Waren zweitrangiger Aspekt(30). Der Gerichtshof hat auch nationale Maßnahmen zur Regelung des Verkaufs von Waren über das Internet – bei dem es sich doch um einen Dienst der Informationsgesellschaft handelt – nur im Hinblick auf Art. 34 AEUV geprüft(31).

64.      Übertragen auf den vorliegenden Fall rechtfertigt dieser Ansatz meines Erachtens die Annahme, dass, obwohl die Werbekampagne nicht darauf gerichtet war, den Verkauf bestimmter von A angebotener Waren, sondern die von ihr angebotenen Online-Verkaufsdienste zu fördern, die Verbreitung der Werbeaussagen im Verhältnis zum Verkauf dieser Waren nachrangig war.

65.      Die Schlussfolgerung, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Maßnahmen, die sich aus der Anwendung der Art. R. 4235‑22 und R. 4235‑64 CSP ergeben, ausschließlich anhand von Art. 34 AEUV zu beurteilen sind, wird durch das Urteil Gourmet International Products(32), das die französische Regierung zur Stützung ihrer Ansicht angeführt hat, wonach diese Maßnahmen auch im Hinblick auf Art. 56 AEUV zu prüfen seien, nicht in Frage gestellt.

66.      In diesem Urteil hat der Gerichtshof eine nationale Vorschrift, die die Möglichkeiten der Werbung für alkoholische Getränke beschränkte, nacheinander unter dem Gesichtspunkt des freien Warenverkehrs und des freien Dienstleistungsverkehrs geprüft(33). Ebenso war er in den Urteilen De Agostini und TV-Shop(34) und ARD(35) bei nationalen Vorschriften über die Fernsehwerbung für Waren vorgegangen. Der Gerichtshof hatte in diesen Urteilen entschieden, dass diese nationalen Vorschriften, obschon sie als Verkaufsmodalitäten angesehen werden können, die nicht in den Anwendungsbereich des freien Warenverkehrs fallen, im Licht des freien Dienstleistungsverkehrs zu beurteilen sind.

67.      Im Unterschied zur vorliegenden Rechtssache, in der es um die Werbung einer Apotheke für ihre eigenen Online-Verkaufsdienste geht, betrafen diese Urteile Werbedienstleistungen, die von einem in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleister für einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Begünstigten (Werbetreibender) erbracht wurden(36). Vor diesem Hintergrund konnten die Bedingungen für die grenzüberschreitende Erbringung einer Werbedienstleistung nicht als im Verhältnis zum Verkauf von Waren durch den Werbetreibenden nachrangig angesehen werden.

68.      Hieraus folgt, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Maßnahmen, die sich aus der Anwendung der Art. R. 4235‑22 und R. 4235‑64 CSP ergeben, im Hinblick auf Art. 34 AEUV zu prüfen sind, ohne dass auch ihre Vereinbarkeit mit Art. 56 AEUV geprüft werden müsste.

b)      Zur Einstufung der betreffenden Maßnahmen als „Maßnahmen gleicher Wirkung“

69.      Nach Art. 34 AEUV sind mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen und alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten. Der Gerichtshof hat beginnend mit dem Urteil Dassonville(37) festgestellt, dass jede Maßnahme eines Mitgliedstaats, die geeignet ist, den Handel innerhalb der Union unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, als eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist.

70.      Nach der auf das Urteil Keck und Mithouard(38) zurückgehenden Rechtsprechung ist die Anwendung nationaler Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne dieser Rechtsprechung unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, sofern diese Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren.

71.      Der Gerichtshof hat wiederholt nationale Bestimmungen, die die Werbemöglichkeiten eines Unternehmens einschränken, als Maßnahmen angesehen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken(39). Sie fallen daher nicht in den Anwendungsbereich von Art. 34 AEUV, wenn die beiden oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

72.      Die erste dieser Voraussetzungen ist im vorliegenden Fall offensichtlich erfüllt. Das vorlegende Gericht geht nämlich von dem Grundsatz aus, dass, wie das Tribunal de commerce de Paris (Handelsgericht Paris) entschieden hat, die Art. R. 4235‑22 und R. 4235‑64 CSP auf alle Apotheken anwendbar sind, die Arzneimittel an die französische Öffentlichkeit verkaufen, unabhängig davon, ob sie in Frankreich oder in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sind.

73.      Viel schwieriger ist die Frage, ob auch die zweite Voraussetzung erfüllt ist. Insoweit hat der Gerichtshof mehrfach entschieden, dass nationale Vorschriften, die bestimmte Formen der Werbung in bestimmten Bereichen verbieten, den Vertrieb von Waren aus anderen Mitgliedstaaten und von inländischen Waren rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren, so dass sie als Verkaufsmodalitäten anzusehen sind, die nicht in den Anwendungsbereich von Art. 34 AEUV fallen(40). Dies galt insbesondere für eine Standesregel, die es den Apothekern verbot, außerhalb ihrer Apotheke für apothekenübliche Waren, die sie verkaufen durften, zu werben(41).

74.      Anders hat der Gerichtshof jedoch in Bezug auf nationale Vorschriften entschieden, die ein absolutes Verbot der Werbung oder zumindest einer bestimmten Form der Werbung für eine in dem betreffenden Mitgliedstaat rechtmäßig verkaufte Ware vorsahen.

75.      Dies zeigt, dass der Gerichtshof anerkennt, welche erhebliche Bedeutung der Werbung im Hinblick darauf zukommt, Waren aus einem Mitgliedstaat in einem anderen Mitgliedstaat in den Verkehr bringen zu können(42). Dies gilt umso mehr, wenn sich die Werbung auf das Online-Verkaufsportal eines Unternehmens bezieht. Der Verkauf über das Internet ist nämlich ein besonders wirksames Mittel, um Arzneimittel aus einem Mitgliedstaat in einem anderen Mitgliedstaat auf den Markt zu bringen(43). A macht hierzu geltend, Werbung sei das einzige Mittel, das einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Apotheke zur Verfügung stehe, um die französischen Kunden auf ihre Website aufmerksam zu machen, da die Sichtbarkeit, die eine Präsenz-Apotheke in Frankreich biete, nicht gegeben sei.

76.      Daher wurde im Urteil Gourmet International Products(44) festgestellt, dass ein Verbot jeder an die Verbraucher gerichteten Werbung für alkoholische Getränke durch Anzeigen in der Presse oder Werbeeinblendungen in Rundfunk und Fernsehen, durch Direktversand nicht angeforderten Materials oder durch Plakatieren an öffentlichen Orten geeignet ist, den Marktzugang für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten stärker zu behindern, als es dies für inländische Erzeugnisse tut, mit denen der Verbraucher unwillkürlich besser vertraut ist(45).

77.      Umgekehrt hat der Gerichtshof im Urteil Karner(46) entschieden, dass ein Verbot, das sich nicht auf eine bestimmte Form der Förderung des Absatzes als solche bezieht, zwar grundsätzlich geeignet ist, das Gesamtvolumen der Verkäufe in dem betreffenden Mitgliedstaat zu beschränken und damit auch das Volumen der Verkäufe von Waren zu verringern, die aus anderen Mitgliedstaaten stammen, sich aber auf den Absatz der betreffenden Erzeugnisse nicht ungünstiger auswirkt als auf den Absatz inländischer Erzeugnisse.

78.      Um festzustellen, ob eine nationale Maßnahme zu einem absoluten Werbeverbot oder zumindest zu einem Verbot einer bestimmten Form der Werbung im Sinne dieser Rechtsprechungslinie führt, lassen sich meines Erachtens im Wege der Analogie bestimmte Schlussfolgerungen aus der vom Gerichtshof vorgenommenen Definition eines verwandten Begriffs ziehen, der in Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt(47) verwendet wird. Nach dieser Bestimmung müssen die Mitgliedstaaten die absoluten Verbote der kommerziellen Kommunikation für reglementierte Berufe aufheben. Dem Gerichtshof zufolge sind in diesem Zusammenhang als absolute Verbote nicht nur Vorschriften anzusehen, die den Angehörigen eines solchen Berufs jegliche Form von kommerzieller Kommunikation verbieten, sondern auch solche, die die Verwendung einer oder mehrerer Formen der kommerziellen Kommunikation verbieten. Daher fallen unter den Begriff „absolute Verbote“ auch Berufsregeln, nach denen es verboten ist, in einem Medium oder in einer Reihe von Medien Informationen über den Dienstleister oder seine Tätigkeit zu veröffentlichen(48). Diese Definition lässt sich meines Erachtens bei der Anwendung von Art. 34 AEUV heranziehen.

79.      Im vorliegenden Fall bewirkt das Verbot der Werbung für den Online-Verkauf von Arzneimitteln in Form des Massenversands von Prospekten – auch in Paketen von Handelspartnern – durch die Post, wobei gegebenenfalls Preisnachlässe angeboten werden, als solches auf den ersten Blick – wie auch die französische Regierung und die Kommission geltend machen – kein absolutes Verbot einer bestimmten Form von Werbung, nämlich der postalischen Werbung, für diese Waren.

80.      A macht jedoch geltend, dass die Art. R. 4235‑22 und R. 4235‑64 CSP, wie sie vom Tribunal de commerce de Paris (Handelsgericht Paris) ausgelegt und angewandt worden seien, de facto dazu führten, dass jede Werbung einer Apotheke als potenziell die Würde des Berufs verletzend und jeder Preisnachlass als möglicher Anreiz zu einem missbräuchlichen Verbrauch von Arzneimitteln angesehen würden(49). A wirft dem Tribunal de commerce de Paris (Handelsgericht Paris) insbesondere vor, dass es weder ein Kriterium herausgearbeitet habe, anhand dessen eine bestimmte Werbepraxis als „groß angelegt“ eingestuft werden könne, noch eine Schwelle, ab der Werbung als ein Anreiz zu einem missbräuchlichen Verbrauch von Arzneimitteln anzusehen sei. Die niederländische Regierung ist ebenfalls der Ansicht, dass das französische Recht Apothekern generell jede Form von Online- und Offline-Werbung verbiete.

81.      Daniel B u. a. erwidern, dass die Einrichtung einer Website einer Apotheke Anlass für eine Mitteilung in den Printmedien sein könne, in der die Adresse dieser Website genannt werde. Die Apotheker könnten in den Printmedien auch Anzeigen für ihre Internetaktivitäten schalten(50). Daniel B u. a. scheinen hingegen einzuräumen, dass das französische Recht den Apotheken zumindest postalische Werbung an Privatpersonen verbietet.

82.      Unter diesen Umständen ist es Sache der Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris), zu prüfen, ob diese Bestimmungen – allein oder in Verbindung mit anderen Rechts- und Verwaltungsvorschriften – zu einem absoluten Verbot von postalischer Werbung für den Online-Verkauf von Arzneimitteln führen. Falls dies bejaht wird, sind die in den Art. R. 4235‑22 und R. 4235‑64 CSP vorgesehenen Beschränkungen als Maßnahmen gleicher Wirkung im Sinne von Art. 34 AEUV anzusehen. In diesem Fall hätte das vorlegende Gericht zu prüfen, ob diese Beschränkungen gleichwohl durch einen der in Art. 36 AEUV aufgeführten Gründe des Allgemeininteresses oder durch zwingende Erfordernisse gerechtfertigt sind(51).

c)      Zur Rechtfertigung der Maßnahmen gleicher Wirkung

83.      Die französische Regierung macht geltend, dass mit Art. R. 4235‑22 CSP, wie sich seinem Wortlaut entnehmen lasse, die Würde des Apothekerberufs geschützt werden solle. Dieses Ziel trage zu dem umfassenderen Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit bei. Mit Art. R. 4235‑64 CSP solle der übermäßige oder unangemessene Verbrauch von Arzneimitteln verhindert und damit auch zum Schutz der öffentlichen Gesundheit beigetragen werden.

84.      Der Schutz der öffentlichen Gesundheit ist ein dem Gemeinwohl dienendes Ziel, das in Art. 36 AEUV ausdrücklich anerkannt wird. Außerdem hat der Gerichtshof bereits die Rechtmäßigkeit spezifischerer Ziele anerkannt, die darin bestehen, die Unabhängigkeit, die Würde und die Integrität eines reglementierten Berufs zu gewährleisten(52) und die übermäßige oder falsche Einnahme von Arzneimitteln zu verhindern(53).

85.      Die von der französischen Regierung angeführten Ziele können die in Rede stehenden Maßnahmen jedoch nur rechtfertigen, wenn sie geeignet sind, die Erreichung dieser Ziele zu gewährleisten, und nicht über das hierfür Erforderliche hinausgehen(54).

86.      Die Beweislast für die Eignung und die Erforderlichkeit der Maßnahme zur Erreichung der verfolgten Ziele liegt in jedem Einzelfall bei den nationalen Behörden. Ein nationales Gericht hat somit, wenn es eine nationale Vorschrift darauf prüft, ob sie zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt ist, objektiv zu prüfen, ob die von dem betreffenden Mitgliedstaat vorgelegten Beweise bei verständiger Würdigung die Einschätzung erlauben, dass die gewählten Mittel zur Erreichung der verfolgten Ziele geeignet sind, und ob es möglich ist, diese Ziele durch Maßnahmen zu erreichen, die den freien Warenverkehr weniger einschränken(55).

87.      Bei dieser Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist zu berücksichtigen, dass die Gesundheit und das Leben von Menschen nach ständiger Rechtsprechung unter den vom AEU-Vertrag geschützten Gütern und Interessen den höchsten Rang einnehmen. Es ist Sache der Mitgliedstaaten zu bestimmen, auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten wollen und wie dieses Niveau erreicht werden soll. Da sich dieses Niveau von einem Mitgliedstaat zum anderen unterscheiden kann, hat der Gerichtshof den Mitgliedstaaten in diesem Punkt einen Wertungsspielraum zuerkannt(56).

88.      Darüber hinaus hat der Gerichtshof wiederholt auf den ganz besonderen Charakter von Arzneimitteln hingewiesen, die sich aufgrund ihrer therapeutische Wirkungen wesentlich von anderen Waren unterscheiden(57). Aufgrund dieser therapeutischen Wirkungen können Arzneimittel, wenn sie unnötigerweise oder falsch eingenommen werden, der Gesundheit schweren Schaden zufügen, ohne dass der Patient sich dessen bei ihrer Verabreichung bewusst sein kann(58).

89.      Zur kommerziellen Kommunikation im Zusammenhang mit der Erbringung von Gesundheitsleistungen hat der Gerichtshof im Urteil Vanderborght(59) ausgeführt, dass ein intensives Betreiben von Werbung oder die Wahl aggressiver Werbeaussagen dem Schutz der Gesundheit schaden und der Würde des Zahnarztberufs abträglich sein kann, indem das Image des Zahnarztberufs beschädigt, das Verhältnis zwischen den Zahnärzten und ihren Patienten verändert und die Durchführung unangemessener oder unnötiger Behandlungen gefördert wird. Wie die französische Regierung vorbringt, lässt sich diese Schlussfolgerung angesichts des Vertrauensverhältnisses, das auch zwischen dem Apotheker und seinem Kunden bestehen muss, im Wege der Analogie auf die Werbung einer Apotheke für ihre Dienste des Online-Verkaufs von Arzneimitteln übertragen(60).

90.      In Anbetracht dieser Erwägungen halte ich erstens das Verbot, Paketen von Handelspartnern in großem Umfang Werbeprospekte beizulegen, gegebenenfalls wenn in diesen Prospekten Werbemaßnahmen angezeigt werden, die sich am Bestellwert orientieren, zur Erreichung des Ziels der Wahrung der Würde des Apothekerberufs für geeignet. Wie die spanische Regierung vorträgt, besteht bei einem solchen Beilegen die Gefahr, dass Arzneimittel mit gewöhnlichen Waren gleichgesetzt und Verbrauchsgütern wie den Kleidern und Schuhen, die mit dem Paket des Handelspartners geliefert werden, gleichgestellt werden. Die großflächige Verteilung von Werbeprospekten in die Briefkästen potenzieller Verbraucher vermittelt ebenfalls ein kommerzielles und rein auf Gewinn ausgerichtetes Bild des Apothekerberufs, das die öffentliche Wahrnehmung dieses Berufs verändern kann. Ich bin wie die französische, die griechische und die spanische Regierung der Ansicht, dass ein Mitgliedstaat berechtigt ist, eine solche Praxis als die Würde dieses Berufs verletzend anzusehen.

91.      Art. R. 4235-22 CSP entspricht im Übrigen den Regeln des gemeinschaftlichen Verhaltenskodex für die Kommunikation von Apothekern(61), den Daniel B u. a. ihren schriftlichen Erklärungen beigefügt haben(62). Dieser Kodex besagt, dass „[w]enn Werbung und verkaufsfördernde Maßnahmen gestattet sind, … sie das einer Apotheke zukommende professionelle Ansehen wahren [müssen]“.

92.      Darüber hinaus ist, da die in den Werbeprospekten angebotenen Werbemaßnahmen, die sich am Bestellwert orientierten, gerade darauf abzielten, zum Kauf insbesondere von Arzneimitteln auf der Website der betreffenden Apotheke anzuregen und die Patienten dazu zu bringen, Beträge oberhalb bestimmter Schwellenwerte auszugeben, das Verbot dieser Werbemaßnahmen meines Erachtens zur Erreichung des Ziels, zu verhindern, dass ein übermäßiger Verbrauch von Arzneimitteln gefördert wird, geeignet.

93.      Insoweit ist das Vorbringen von A zurückzuweisen, wonach ein Verbot solcher Werbemaßnahmen im vorliegenden Fall für den Schutz der öffentlichen Gesundheit nicht sinnvoll und erst recht nicht erforderlich sei, da A neben den apothekenüblichen Produkten ausschließlich nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel verkaufe. Da solche Arzneimittel mit geringeren Gesundheitsrisiken verbunden seien als verschreibungspflichtige Arzneimittel, rechtfertige das Interesse der öffentlichen Gesundheit nicht den Erlass von restriktiven Maßnahmen, um ihren Verbrauch einzuschränken oder zu regeln.

94.      Wie die französische und die griechische Regierung in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht haben, bedeutet der Umstand, dass bestimmte Arzneimittel ohne Mitwirkung eines Arztes abgegeben werden dürfen, keineswegs, dass diese Arzneimittel keine unerwünschten Nebenwirkungen haben und keine erhebliche Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellen, insbesondere wenn sie in übermäßigen Mengen eingenommen werden. Der Gerichtshof hat im Übrigen die mit einer übermäßigen oder missbräuchlichen Einnahme von Arzneimitteln einhergehenden Risiken erkannt, ohne sich auf Arzneimittel zu beschränken, deren Abgabe eine ärztliche Verschreibung erfordert(63).

95.      Was zweitens die Erforderlichkeit der in Rede stehenden Verbote anbelangt, weise ich darauf hin, dass der Gerichtshof im Urteil Vanderborght(64) entschieden hat, dass nationale Rechtsvorschriften, nach denen jegliche Form von Werbung durch Zahnärzte zur Förderung ihrer Versorgungsleistungen allgemein und ausnahmslos verboten ist, über das hinausgehen, was zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und zur Wahrung der Würde des Zahnarztberufs erforderlich ist. Andererseits, so der Gerichtshof, würden nationale Rechtsvorschriften, die gegebenenfalls stark eingrenzen, welche Formen und Modalitäten die von Zahnärzten verwendeten Kommunikationsinstrumente annehmen dürfen, alternative Maßnahmen festlegen, die weniger einschneidend und mit Art. 56 AEUV vereinbar wären. Diese Überlegungen lassen sich meines Erachtens auf die Beschränkungen von Form und Ausgestaltung der Werbung übertragen, die Apotheken für die von ihnen verkauften Waren und die von ihnen erbrachten Dienstleistungen betreiben dürfen.

96.      Nach Ansicht von Daniel B u. a. sowie der französischen und der griechischen Regierung sehen die Art. R. 4235‑22 und R. 4235‑64 CSP lediglich einen strengen Rahmen für Form und Ausgestaltung der Werbung vor, die Apotheken betreiben dürfen.

97.      Wie bereits ausgeführt(65), rügt A dagegen die kumulativen Wirkungen der verschiedenen Beschränkungen, die das französische Recht der Werbung für den Online-Handel mit Arzneimitteln auferlege. Die niederländische Regierung fragt sich wie A, ob das französische Recht nicht in Wirklichkeit ein generelles Werbeverbot für Apotheker enthalte. Die Kommission ist ebenfalls der Ansicht, dass die französische Regelung die Werbung auf den meisten denkbaren Werbeträgern erheblich beschränke. Die Parteien und Beteiligten bestreiten hingegen nicht, dass, wie Daniel B u. a. und die Kommission betont haben, die Werbung für die von einer Apotheke erbrachten Online-Verkaufsdienste zumindest in den Printmedien möglich bleibt, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind.

98.      Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, dass eine in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Apotheke keinerlei Möglichkeit hätte, für ihre an die französischen Verbraucher gerichteten Online-Verkaufsdienste zu werben(66). Im Ausgangsverfahren geht es jedenfalls ausschließlich um die Frage, ob es mit dem Unionsrecht vereinbar ist, wenn einem Apotheker untersagt wird, für seine Online-Verkaufsdienste eine Werbekampagne durchzuführen, die darin besteht, dass der Öffentlichkeit unverlangt Werbeprospekte zugesandt und gegebenenfalls Preisnachlässe auf den Preis der bestellten Arzneimittel gewährt werden. Für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens ist es nicht notwendig, dass die Frage beantwortet wird, ob die Bestimmungen des CSP, soweit sie auch andere Werbeformen verbieten, unverhältnismäßig sind.

99.      A macht ferner geltend, dass das Verbot von Werbemaßnahmen, die sich am Bestellwert orientierten, über das hinausgehe, was zur Vermeidung eines missbräuchlichen Verbrauchs von Arzneimitteln erforderlich sei, da es auch für Bestellungen gelte, die nur apothekenübliche Produkte umfassten. Den dem Gerichtshof vorliegenden Akten lässt sich nicht entnehmen, ob Art. R. 4235‑64 CSP solche Werbemaßnahmen auch verböte, wenn der Bestellwert, der für die Gewährung eines Preisnachlasses berücksichtigt wird, nur auf apothekenüblichen Produkten – ohne irgendwelche Arzneimittel – beruht. Wäre dies der Fall, würde das Verbot meines Erachtens über das hinausgehen, was zur Verhinderung des missbräuchlichen Verbrauchs von Arzneimitteln erforderlich wäre. Zur Erreichung dieses Ziels würde es meiner Ansicht nach ausreichen, wenn Werbemaßnahmen, die sich am Bestellwert orientieren, nur insoweit verboten würden, als diese Bestellung Arzneimittel umfasst.

100. In jedem Fall scheint mir jedoch das Verbot des Massenversands von Werbeprospekten mit Werbeangeboten wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden an potenzielle Verbraucher bereits als solches durch das Erfordernis der Wahrung der Würde des Apothekerberufs gerechtfertigt zu sein.

D.      Zur Vereinbarkeit von Beschränkungen der digitalen Werbung für den Online-Verkauf von Arzneimitteln mit dem Unionsrecht

101. Wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, hat das Tribunal de commerce de Paris (Handelsgericht Paris) Art. R. 4235‑64 CSP auch dahin ausgelegt, dass er Werbemaßnahmen, die sich am Bestellwert orientieren, untersagt, wenn sie auf der Website einer Apotheke angezeigt werden. Darüber hinaus verbietet der Erlass über die technischen Vorschriften den Apotheken, auf bezahlte Links in Suchmaschinen oder Preisvergleichsplattformen zurückzugreifen. Da mit dieser Technik potenzielle Verbraucher, die im Internet recherchieren, auf die Website einer Apotheke gelenkt werden sollen, sind bezahlte Links ebenfalls als Werbung anzusehen(67).

102. Aus den im Folgenden dargelegten Gründen bin ich der Ansicht, dass das Verbot, dass eine Apotheke auf ihrer Website Werbeangebote für Arzneimittel anzeigt, und das Verbot, auf bezahlte Links zurückzugreifen, in den Anwendungsbereich von Art. 3 der Richtlinie 2000/31 (Abschnitt 1) fallen. Soweit diese Verbote vom Bestimmungsmitgliedstaat eines Dienstes der Informationsgesellschaft ausgehen und den freien Verkehr dieses Dienstes aus einem Grund einschränken, der in den koordinierten Bereich fällt, sind sie nur unter den strengen Voraussetzungen des Abs. 4 dieses Artikels zulässig (Abschnitte 2 und 3).

1.      Zur Anwendbarkeit von Art. 3 der Richtlinie 2000/31

103. Gemäß Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2000/31 darf der Mitgliedstaat, für den der Dienst einer Informationsgesellschaft bestimmt ist, den freien Verkehr dieses Dienstes grundsätzlich nicht aus Gründen einschränken, die in den koordinierten Bereich im Sinne von Art. 2 Buchst. h dieser Richtlinie fallen.

104. Der koordinierte Bereich umfasst, wie bereits ausgeführt, die Anforderungen, die der Anbieter eines Online-Verkaufsdienstes in Bezug auf die Werbung im Internet für diesen Dienst erfüllen muss(68).

105. Aus Art. 2 Buchst. h der Richtlinie geht im Übrigen hervor, dass diese Anforderungen „ungeachtet der Frage, ob sie allgemeiner Art oder speziell für [die Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft oder für solche Arten von Diensten] bestimmt sind“, zum koordinierten Bereich gehören(69). Auch fallen die in Art. R. 4235‑64 CSP vorgesehenen Anforderungen nicht deshalb aus dem koordinierten Bereich heraus, weil dieser Artikel allgemein sowohl Online- als auch Offline-Werbung betrifft.

106. Folglich darf der Bestimmungsmitgliedstaat eines Online-Verkaufsdienstes die Erbringung dieses Dienstes grundsätzlich nicht aufgrund von Anforderungen in Bezug auf die Werbung im Internet einschränken.

107. Das Verbot von bezahlten Links in Suchmaschinen schränkt aber, da es die Möglichkeiten, für einen Online-Verkaufsdienst zu werben, beschränkt, den freien Verkehr dieses Dienstes ein. Da die Werbung im Internet selbst als ein Dienst der Informationsgesellschaft angesehen werden kann, beeinträchtigt dieses Verbot auch ihren freien Verkehr. Dasselbe gilt für das Verbot, auf der Website einer Apotheke Preisnachlässe anzubieten, soweit diese Praxis als ein Anreiz zum Verbrauch von Arzneimitteln angesehen wird.

108. In diesem Zusammenhang kann dem Vorbringen von Daniel B u. a. nicht gefolgt werden, wonach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 anerkenne, dass der Bestimmungsmitgliedstaat grundsätzlich dafür zuständig sei, die kommerziellen Kommunikationen von Angehörigen eines reglementierten Berufs wie des Apothekerberufs zu regeln(70). Nach dieser Bestimmung sollen die Mitgliedstaaten kommerzielle Kommunikationen gestatten, die Bestandteil eines Dienstes der Informationsgesellschaft sind oder einen solchen Dienst darstellen, soweit die berufsrechtlichen Regeln, insbesondere zur Wahrung von Unabhängigkeit, Würde und Ehre des Berufs, eingehalten werden. Meines Erachtens kann diese Bestimmung nicht als eine Vorschrift angesehen werden, die dem Bestimmungsmitgliedstaat die Zuständigkeit überträgt, diese kommerziellen Kommunikationen abweichend von Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2000/31 zu regeln. Art. 8 Abs. 1 dieser Richtlinie ist nämlich Teil eines eigenen Kapitels („Grundsätze“), das eine Reihe von Bestimmungen zur Mindestharmonisierung bestimmter Aspekte der Erbringung von Diensten der Informationsgesellschaft enthält(71). Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie ist daher eine Regelung der positiven Harmonisierung, da er jeden Mitgliedstaat verpflichtet, es den in seinem Hoheitsgebiet niedergelassenen Angehörigen eines reglementierten Berufs zu gestatten, kommerzielle Kommunikationen für die von ihnen angebotenen Dienste der Informationsgesellschaft einzusetzen, soweit die für diesen Beruf geltenden berufsrechtlichen Regelungen eingehalten werden(72).

109. Für die Beantwortung der vom vorlegenden Gericht gestellten Frage ist ferner zu prüfen, ob das Verbot, dass eine Apotheke auf ihrer Website Werbeangebote für Arzneimittel anzeigt, und das Verbot, auf bezahlte Links zurückzugreifen, Bedingungen sind, die ein Mitgliedstaat für den Einzelhandel mit Arzneimitteln in seinem Hoheitsgebiet im Sinne von Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 aufgestellt hat(73). Diese Bestimmung, deren Inhalt der Gerichtshof noch nicht erläutern konnte, wirft in Bezug auf ihr Zusammenspiel mit Art. 3 der Richtlinie 2000/31 einige Auslegungsschwierigkeiten auf.

110. Entgegen dem Vorbringen der spanischen Regierung stellt die Richtlinie 2001/83 keine lex specialis dar, die gegenüber der Richtlinie 2000/31 Vorrang hätte. Wie aus Art. 1 Abs. 3 und dem 11. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/31 hervorgeht, ergänzt diese Richtlinie die Sekundärrechtsakte, die insbesondere in bestimmten Bereichen anwendbar sind. Nur die in Art. 1 Abs. 5 und im Anhang dieser Richtlinie genannten Bereiche(74), zu denen weder die Online-Verkaufsdienste noch die Werbedienstleistungen für Arzneimittel gehören(75), fallen nicht in den Anwendungsbereich des in Art. 3 dieser Richtlinie festgelegten Herkunftslandprinzips.

111. Wie ich bereits ausgeführt habe(76), verweist Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 lediglich auf die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, die Bedingungen für den Einzelhandelsvertrieb von Arzneimitteln in ihrem Hoheitsgebiet innerhalb der vom AEU-Vertrag gesetzten Grenzen festzulegen. Diese Bestimmung gilt unbeschadet der Beschränkungen, die Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2000/31 in Bezug auf die Befugnis des Bestimmungsmitgliedstaats der Dienste des Online-Verkaufs von Arzneimitteln vorsieht, die Bedingungen für die Ausübung dieser Tätigkeiten des Online-Verkaufs und der damit verbundenen Online-Werbung zu regeln.

112. Da der mit der Richtlinie 2000/31 koordinierte Bereich gemäß Art. 2 Buchst. h Ziff. i dieser Richtlinie die Anforderungen in Bezug auf die Ausübung der Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft umfasst und hierzu Anforderungen gehören, die sich auf die Online-Werbung für solche Dienste beziehen, kann daher Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 dem Bestimmungsmitgliedstaat nicht gestatten, diese Form der Werbung zu regeln und damit von der grundsätzlichen Zuständigkeit abzuweichen, die Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2000/31 in diesem Bereich dem Herkunftsmitgliedstaat zuweist.

113. Nach Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 dürfen die Mitgliedstaaten jedoch vom Herkunftslandprinzip abweichen, wenn die in Buchst. a bzw. b dieser Bestimmung genannten materiellen und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen beachtet werden. Wie aus dem Urteil Airbnb Ireland(77) folgt, können diese Abweichungen darin bestehen, dass in einem konkreten Fall auf einen Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft eine Vorschrift angewandt wird, die allgemein für eine Kategorie von Diensteanbietern oder bestimmten Diensten gilt.

114. Im vorliegenden Fall ist daher zu prüfen, ob die in Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 genannten Bedingungen erfüllt sind. Im Übrigen sind die Anforderungen an die Online-Werbung nicht anhand der Bestimmungen des AEU-Vertrags zu prüfen. Nach der Rechtsprechung ist nämlich jede nationale Vorschrift in einem Bereich, der auf Unionsebene abschließend harmonisiert wurde, anhand der fraglichen Harmonisierungsmaßnahme und nicht anhand des Primärrechts zu beurteilen(78). Art. 3 der Richtlinie 2000/31 enthält, genauer gesagt, eine Koordinierungsregelung, mit der die Einhaltung des Grundsatzes gewährleistet werden soll, dass Dienste der Informationsgesellschaft in Bereichen, die in den koordinierten Bereich fallen, am Herkunftsort zu kontrollieren sind. Die dahinterstehende Logik impliziert, dass die Mitgliedstaaten in diesen Bereichen nur unter den in Abs. 4 dieses Artikels vorgesehenen Voraussetzungen vom Herkunftslandprinzip abweichen dürfen. Solche Abweichungen sind daher nicht anhand der Bestimmungen des AEU-Vertrags zu prüfen.

2.      Zur Beachtung der in Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 vorgesehenen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen

115. Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 bestimmt, dass der Mitgliedstaat, in dem der betreffende Dienst erbracht werden soll, vor Ergreifen einer von Abs. 2 dieser Vorschrift abweichenden Maßnahme den Mitgliedstaat, in dem der Diensteanbieter niedergelassen ist, auffordern muss, hinreichende Maßnahmen zu ergreifen. Wenn dieser Mitgliedstaat der Aufforderung nicht Folge leistet oder es versäumt, geeignete Maßnahmen zu treffen, muss der erste Mitgliedstaat die Kommission und den zweiten Mitgliedstaat über seine Absicht, gegenüber dem Diensteanbieter Maßnahmen zu ergreifen, unterrichten(79).

116. A macht geltend, die Französische Republik habe gegen die ihr gemäß Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 obliegenden Verpflichtungen verstoßen. Zwar ist es Sache des vorlegenden Gerichts, dies zu überprüfen, doch lässt sich den dem Gerichtshof vorliegenden Akten nicht entnehmen, dass dieser Mitgliedstaat die Kommission und den Niederlassungsmitgliedstaat des Diensteanbieters, nämlich das Königreich der Niederlande, über seine Absicht, gegenüber dem Diensteanbieter Art. R. 4235‑64 CSP und den Erlass über die technischen Vorschriften anzuwenden, unterrichtet hätte(80).

117. Wie A angemerkt hat, geht aus der Datenbank der Notifizierungen gemäß der Richtlinie 2015/1535 hervor, dass der Erlass über die technischen Vorschriften, wie auch der Erlass über die guten Praktiken bei der Abgabe von Arzneimitteln, der Kommission gemäß Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie übermittelt worden war(81). Eine solche Notifizierung kann jedoch nicht die in Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 vorgeschriebene Mitteilung ersetzen. Die in diesen beiden Bestimmungen festgelegten Mitteilungspflichten folgen nämlich ihrem eigenen Zeitplan, haben unterschiedliche Ziele und ergänzen sich.

118. Zum einen sieht Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2015/1535 vor, dass die Mitgliedstaaten der Kommission die Entwürfe für Vorschriften, insbesondere für Vorschriften betreffend Dienste der Informationsgesellschaft, mitteilen. Mit dieser Mitteilung soll es der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten(82) ermöglicht werden, die geplanten allgemeinen und abstrakten Vorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den vom AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten zu überprüfen, und zwar vor ihrem Erlass.

119. Zum anderen verpflichtet Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 den Bestimmungsmitgliedstaat auch noch, nachdem diese Vorschriften erlassen sind, den Herkunftsmitgliedstaat und die Kommission über seine Absicht, diese Maßnahmen in einem konkreten Fall auf einen Diensteanbieter oder einen bestimmten Dienst anzuwenden, zu unterrichten und dabei die Maßnahme zu benennen, die er in Bezug auf diesen Diensteanbieter oder Dienst zu ergreifen gedenkt. Darüber hinaus kann der Bestimmungsmitgliedstaat diese Maßnahmen erst ergreifen, wenn er zuvor den Herkunftsmitgliedstaat aufgefordert hat, Maßnahmen zu ergreifen, und dieser Mitgliedstaat der Aufforderung nicht Folge geleistet hat oder die von ihm getroffenen Maßnahmen unzulänglich sind.

120. Der Gerichtshof hat im Urteil Airbnb Ireland(83) entschieden, dass ein Verstoß gegen die in Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 vorgesehene Pflicht zur vorherigen Unterrichtung wie bei der in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2015/1535 vorgesehenen Pflicht dazu führt, dass die Regelung, in der die fragliche einschränkende Maßnahme festgelegt wurde, dem betreffenden Diensteanbieter nicht entgegengehalten werden kann. Diese Unwirksamkeit kann nicht nur im Rahmen eines Strafverfahrens geltend gemacht werden, sondern auch, wie im vorliegenden Fall, in einem Rechtsstreit zwischen Privaten.

121. Sollte das vorlegende Gericht bestätigen, dass die Französische Republik die in Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 vorgesehenen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt hat, müsste es zu dem Schluss gelangen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vorschriften A nicht entgegengehalten werden können, ohne dass geprüft zu werden braucht, ob die in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a genannten materiellen Voraussetzungen erfüllt sind(84). Die verfahrensrechtlichen und die materiellen Voraussetzungen sind nämlich kumulativ(85). Der Vollständigkeit halber werde ich jedoch nachstehend prüfen, ob die materiellen Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 erfüllt sind.

3.      Zur Beachtung der in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 vorgesehenen materiellen Voraussetzungen

122. Nach Art. 3 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 müssen Maßnahmen zur Einschränkung des freien Verkehrs von Diensten der Informationsgesellschaft erforderlich sein, um den Schutz der öffentlichen Ordnung, den Schutz der öffentlichen Gesundheit, den Schutz der öffentlichen Sicherheit oder den Schutz der Verbraucher zu gewährleisten. Sie müssen außerdem einen bestimmten Dienst betreffen, der diese Schutzziele tatsächlich beeinträchtigt oder eine ernsthafte und schwerwiegende Gefahr einer Beeinträchtigung dieser Ziele darstellt, und in einem angemessenen Verhältnis zu diesen Schutzzielen stehen. Diese Voraussetzungen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit decken sich weitgehend mit den Voraussetzungen, die für jede Behinderung der in den Art. 34 und 56 AEUV gewährten Grundfreiheiten gelten. Unter diesem Gesichtspunkt ist, wie die Kommission geltend gemacht hat, die Vereinbarkeit der betreffenden Maßnahmen mit Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 im Licht der Rechtsprechung zu diesen Bestimmungen zu beurteilen.

123. Zur Stützung des Verbots der auf der Website von A angezeigten Werbemaßnahmen beruft sich die französische Regierung auf dieselben Ziele, die für das Verbot solcher Werbemaßnahmen, die der Öffentlichkeit auf physischen Werbeträgern zur Kenntnis gebracht werden, angeführt werden. Diese Ziele hängen mit dem Schutz der öffentlichen Gesundheit zusammen und stellen daher gemäß Art. 3 Abs. 4 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/31 Gründe dar, die eine Abweichung von Abs. 2 dieser Vorschrift rechtfertigen können.

124. Bezahlte Links, mit denen die Sichtbarkeit einer bestimmten Apotheke erhöht werden soll, indem deren Website unter den ersten Ergebnissen einer Suchmaschine erscheint, enthalten als solche keine Werbeaussage, deren Inhalt als die Würde das Apothekerberufs verletzend oder als ein Anreiz zum Verbrauch von Arzneimitteln angesehen werden könnte. Zum Verbot dieser Praxis hat die französische Regierung in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass sichergestellt werden müsse, dass die Apotheken im gesamten nationalen Hoheitsgebiet ausgewogen verteilt seien. Bezahlte Links könnten dieses geografische Gleichgewicht verändern, indem der Vertrieb von Arzneimitteln in den Händen der großen Online-Apotheken konzentriert werde. Dieses Phänomen könne das „Apothekensterben“ verschärfen, das in manchen Regionen Frankreich bereits zu beobachten sei. Zwar könne nicht ausgeschlossen werden, dass, wie A und die Kommission geltend gemacht hätten, der Online-Handel mit Arzneimitteln Personen, die in den abgelegensten Gebieten lebten, den Zugang zu nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln erleichtere. Die Entwicklung dieser Praxis habe jedoch den Nebeneffekt, dass der Zugang zu verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, die nur in Präsenz-Apotheken abgegeben werden dürften, erschwert werde.

125. In dieser Hinsicht hat der Gerichtshof bereits anerkannt, dass das Erfordernis, die regelmäßige Versorgung eines Mitgliedstaats mit Arzneimitteln für wichtige medizinische Zwecke sicherzustellen, eine Behinderung des innergemeinschaftlichen Handelsverkehrs rechtfertigen kann, da dieses Ziel unter den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen fällt(86). Folglich stellt das von der französischen Regierung zur Stützung des Verbots von bezahlten Links angeführte Ziel ebenfalls einen Grund dar, der nach Art. 3 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 als legitim anerkannt wird.

126. Dies vorausgeschickt, ist es, wie bereits ausgeführt, Sache der nationalen Behörden, nachzuweisen, dass eine die Verkehrsfreiheiten einschränkende Maßnahme zur Erreichung des damit verfolgten legitimen Ziels geeignet und erforderlich ist(87).

127. Insoweit sind die in den Nrn. 90 bis 99 der vorliegenden Schlussanträge dargestellten Erwägungen zur Geeignetheit und Erforderlichkeit eines Verbots von Werbemaßnahmen, die der Öffentlichkeit durch Prospekte, die in die Briefkästen verteilt werden, zur Kenntnis gebracht werden und darin bestehen, dass ein Preisnachlass gewährt wird, wenn die Bestellung einen bestimmten Betrag übersteigt, entsprechend auf Werbemaßnahmen anwendbar, die auf der Website der Apotheke angezeigt werden.

128. Was das Verbot von bezahlten Links anbelangt, bestreiten A und die Kommission erstens, dass dieses Verbot zur Erreichung des von den französischen Behörden verfolgten Ziels geeignet ist. A ist der Ansicht, die verschiedenen Beschränkungen der Werbung für den Online-Verkauf von Arzneimitteln verhinderten eher den Zugang neuer und oft kleinerer Marktteilnehmer zum französischen Markt. Die Kommission bezweifelt ihrerseits, dass es einen hinreichenden Kausalzusammenhang zwischen dem Umstand, dass für den Online-Verkauf von Arzneimitteln geworben werde, und dem Verschwinden der Präsenz-Apotheken gebe. Die traditionellen Apotheken genössen weiterhin gewisse Wettbewerbsvorteile, insbesondere was die Zugänglichkeit und die unmittelbare Abgabe von Waren betreffe. Außerdem behielten sie das Monopol auf den Verkauf von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln.

129. Meines Erachtens kann das angebliche Fehlen eines nachgewiesenen Kausalzusammenhangs zwischen dem Verbot von bezahlten Links und der Vermeidung der Gefahr, dass in den abgelegenen Gebieten zahlreiche Apotheken verschwinden, als solches nicht ausschließen, dass dieses Verbot zur Erreichung des angeführten Ziels geeignet ist. Denn nach der Rechtsprechung kann der betreffende Mitgliedstaat, wenn eine Ungewissheit hinsichtlich des Vorliegens oder der Bedeutung der Gefahren für die menschliche Gesundheit – z. B. konkret der Gefahr für die sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung – bleibt, Schutzmaßnahmen treffen, ohne warten zu müssen, bis der Beweis für das tatsächliche Bestehen dieser Gefahren vollständig erbracht ist. In einer solchen Situation kann der Mitgliedstaat diejenigen Maßnahmen treffen, die die Gefahren für die öffentliche Gesundheit weitestmöglich verringern(88).

130. Dennoch muss der betreffende Mitgliedstaat meines Erachtens nach wie vor beweisen, dass die behauptete Gefahr besteht und dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Kausalzusammenhang zwischen der restriktiven Maßnahme und der Verringerung dieser Gefahr – oder, damit zusammenhängend, zwischen der Praxis, die mit dieser Maßnahme geregelt werden soll, und der Erhöhung dieser Gefahr – gegeben ist(89).

131. Mit anderen Worten kann von einem Mitgliedstaat, wenn er eine restriktive Maßnahme mit der Notwendigkeit begründet, das Eintreten einer Gefahr – wie die Entstehung oder Verschlimmerung des Phänomens einer Ausdünnung des landesweiten Netzes von Apotheken – zu verhindern, nicht verlangt werden, dass er empirische Daten vorlegt, die den Kausalzusammenhang zwischen dieser Maßnahme und der beabsichtigten Wirkung eindeutig belegen. Dies würde nämlich bedeuten, dass das Eintreten dieser Gefahr abgewartet werden müsste, damit dann geprüft werden kann, ob sich die Gefahr mit der restriktiven Maßnahme tatsächlich beseitigen lässt. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer nationalen Regelung, die in dem besonders sensiblen Bereich der öffentlichen Gesundheit erlassen wurde, muss die Komplexität der Beurteilungen, die der Wahl der nationalen Behörden zugrunde lagen, und der Grad der Unsicherheit, die in Bezug auf die Wirkung einer solchen Regelung charakteristisch ist, berücksichtigt werden(90). Der betreffende Mitgliedstaat muss jedoch die geltend gemachten Rechtfertigungsgründe mit einer Untersuchung der Geeignetheit und Erforderlichkeit der Regelung sowie mit genauen Angaben zur Stützung seiner Argumentation ergänzen(91). Das nationale Gericht hat dann zu prüfen, ob die vorgelegten Beweise bei verständiger Würdigung die Einschätzung erlauben, dass diese Regelung zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet ist, und ob es möglich ist, dieses Ziel durch weniger einschränkende Maßnahmen zu erreichen. Dabei muss es alle Beweise berücksichtigen, über die es zum Zeitpunkt seiner Entscheidung verfügt(92).

132. Im vorliegenden Fall hat die französische Regierung vor dem Gerichtshof lediglich darauf verwiesen, dass bezahlte Links dazu führen könnten, dass sich das Phänomen einer Ausdünnung des landesweiten Netzes von Apotheken verschlimmern könnte, ohne dieses Vorbringen zu konkretisieren. Ich bezweifle, dass eine solche Behauptung ausreicht, um darzutun, dass das Verbot von bezahlten Links geeignet ist, die genannte Wirkung zu verhindern. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, anhand aller ihm zum Zeitpunkt seiner Entscheidung vorgelegten Beweise zu beurteilen, ob die französische Regierung nachgewiesen hat, dass die fragliche Maßnahme geeignet ist, den zahlenmäßigen Rückgang der Apotheken im französischen Hoheitsgebiet, der zur Folge hätte, dass eine sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung im gesamten französischen Hoheitsgebiet nicht mehr gewährleistet wäre, zu verhindern.

133. In diesem Zusammenhang möchte ich nur bemerken, dass, wie der Gerichtshof bereits anerkannt hat, die traditionellen Apotheken „grundsätzlich besser als Versandapotheken in der Lage sind, Patienten durch ihr Personal vor Ort individuell zu beraten und eine Notfallversorgung mit Arzneimitteln sicherzustellen“(93). Dieser komparative Vorteil kann jedoch für sich allein nicht verhindern, dass sich die von der französischen Regierung angeführte Gefahr, dass das „Apothekensterben“ zunimmt, realisiert. Sollte die französische Regierung nachweisen können, dass diese Gefahr besteht und dass sie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit steigt, wenn die Sichtbarkeit der großen Online-Apotheken mit Hilfe von bezahlten Links erhöht wird, dürfte davon auszugehen sein, dass das Verbot dieser Praxis geeignet ist, um das Ziel einer Verringerung dieser Gefahr zu erreichen.

134. Was zweitens die Erforderlichkeit des Verbots von bezahlten Links anbelangt, macht A geltend, dass in Betracht hätte gezogen werden können, eine weniger einschränkende Maßnahme zu erlassen, nach der nur bezahlte Links auf der Grundlage bestimmter Schlüsselwörter verboten wären.

135. Ich bezweifle, dass mit einer solchen Maßnahme die von der französischen Regierung verfolgten Ziele genauso wirksam erreicht werden könnten wie mit dem derzeitigen Verbot. Nach den Angaben dieser Regierung soll mit dem Verbot nämlich verhindert werden, dass eine Apotheke gegenüber allen anderen Apotheken bevorzugt wird. Da die Wirkung der bezahlten Links nicht von der Wahl der Schlüsselwörter abhängt, kann das mit diesem Verbot verfolgte Ziel nicht durch eine Beschränkung auf bestimmte Schlüsselwörter erreicht werden.

136. Außerdem sind, wie die Kommission vorgetragen hat, Suchmaschinen für Online-Apotheken zwar das wichtigste Mittel, um sich in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Die französische Regelung verhindert jedoch keineswegs, dass Online-Apotheken bei einem organischen Suchmaschinenranking (d. h. auf der Grundlage des von der Suchmaschine angewandten Algorithmus, unabhängig von einer Zahlung seitens des betreffenden Diensteanbieters) unter den ersten Ergebnissen einer Suchmaschine erscheinen. Auch im Hinblick auf die – wenn auch begrenzten – Möglichkeiten der Apotheken, mit anderen Mitteln für ihre Website zu werben(94), nimmt das Verbot von bezahlten Links ihnen damit nicht jede Möglichkeit, ihre Website der Öffentlichkeit bekannt zu machen.

E.      Zur Vereinbarkeit der Verpflichtung, den Patienten einen Gesundheitsfragebogen ausfüllen zu lassen, mit dem Unionsrecht

1.      Zur Anwendbarkeit von Art. 3 der Richtlinie 2000/31

137. Die Bestimmung des Erlasses über die guten Praktiken bei der Abgabe von Arzneimitteln, die die Bestätigung der von einem Patienten auf der Website einer Apotheke vorgenommenen ersten Bestellung von Arzneimitteln davon abhängig macht, dass zuvor ein Online-Gesundheitsfragebogen ausgefüllt wird, fällt meines Erachtens ebenfalls in den Anwendungsbereich des in Art. 3 der Richtlinie 2000/31 festgelegten Herkunftslandprinzips.

138. Diese Bestimmung betrifft nämlich weniger eine Bedingung für den im französischen Hoheitsgebiet durchgeführten Einzelhandelsvertrieb von Arzneimitteln im Sinne von Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 als vielmehr eine Anforderung in Bezug auf die Ausübung der Online-Verkaufstätigkeit eines Apothekers als solche. Sie regelt die Bedingungen, unter denen der Online-Kaufvertrag geschlossen werden kann, und die Art und Weise, wie der Apotheker seine Verkaufs- und Beratungstätigkeiten online ausüben muss. Der koordinierte Bereich im Sinne von Art. 2 Buchst. h dieser Richtlinie umfasst jedoch gemäß Ziff. i dieser Bestimmung Anforderungen in Bezug auf die Ausübung des betreffenden Dienstes und insbesondere betreffend seinen Inhalt, einschließlich der auf Verträge anwendbaren Anforderungen. Die Verpflichtung, den Patienten einen Gesundheitsfragebogen ausfüllen zu lassen, wie er im Ausgangsverfahren in Rede steht, betrifft daher eine Angelegenheit, die in den koordinierten Bereich fällt.

139. Eine solche Verpflichtung, die dem Diensteanbieter die Aufgabe überträgt, die Angaben der Patienten in dem vorgesehenen Fragebogen zu erheben und auszuwerten, und die, wie A geltend macht, auf Patienten, die online Arzneimittel kaufen wollen, eine gewisse abschreckende Wirkung haben kann, stellt meines Erachtens eine Beschränkung des freien Verkehrs von Diensten der Informationsgesellschaft im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2000/31 dar(95). Folglich kann sie nur auferlegt werden, wenn die in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a und b dieser Richtlinie vorgesehenen materiellen und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen beachtet werden.

2.      Zur Beachtung der in Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 vorgesehenen materiellen und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen

140. Was die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen anbelangt, geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten nicht hervor, dass die französischen Behörden gemäß Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 ihre Absicht mitgeteilt hätten, den Erlass über die guten Praktiken bei der Abgabe von Arzneimitteln auf A anzuwenden; dies zu überprüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts.

141. Hinsichtlich der in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 vorgesehenen materiellen Voraussetzungen, auf die ich – auch hier – der Vollständigkeit halber eingehe, begründet die französische Regierung die Verpflichtung der Apotheke, den Patienten den in Rede stehenden Fragebogen ausfüllen zu lassen, bevor sie seine erste Bestellung auf ihrer Website bestätigt, mit der Notwendigkeit, eine individuelle Beratung des Patienten sicherzustellen, um ihn vor einer falschen Verwendung von Arzneimitteln zu schützen.

142. Der Gerichtshof hat die Legitimität dieses Ziels der öffentlichen Gesundheit bereits anerkannt(96). Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass der Online-Verkauf von Arzneimitteln wegen des fehlenden Kontakts zwischen dem Apotheker und dem Patienten die Gefahr einer falschen oder missbräuchlichen Verwendung von Arzneimitteln birgt(97). Wie die französische Regierung betont hat, ist diese Gefahr, wenn auch in unterschiedlichem Maße, mit der Abgabe jedes Arzneimittels verbunden, unabhängig davon, ob es verschreibungspflichtig ist oder nicht.

143. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, auf der Grundlage der ihm von der französischen Regierung vorgelegten Beweise und im Licht der nachstehenden Erwägungen zu prüfen, ob die in Rede stehende Verpflichtung zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich ist.

144. In diesem Zusammenhang verweist die französische Regierung auf ein Urteil des Conseil d’État (Staatsrat)(98), in dem dieses Ziel folgendermaßen erläutert worden sei: „Ein solches Erfordernis soll den Apotheker in die Lage versetzen, unter den besonderen Umständen der Abgabe auf elektronischem Wege, bei der er mit dem Patienten nicht unmittelbar in Kontakt kommt, mögliche Gegenanzeigen festzustellen oder sogar, wie in den Art. R. 4235‑61 und R. 4235‑62 CSP vorgesehen, die Abgabe eines Arzneimittels zu verweigern, wenn er dies im gesundheitlichen Interesse des Patienten für erforderlich hält, und, wenn er dies für nötig erachtet, den Patienten dazu anzuhalten, einen qualifizierten Arzt aufzusuchen“. Der Conseil d’État kam zu dem Schluss, dass, wie die französische Regierung im vorliegenden Fall geltend macht, die Verpflichtung, zuvor einen Gesundheitsfragebogen ausfüllen zu lassen, den Online-Verkauf von Arzneimitteln keinen im Verhältnis zum Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit unverhältnismäßigen Beschränkungen unterwerfe.

145. Ich teile diese Auffassung. Wie Daniel B u. a. geltend gemacht haben, kann durch eine solche Anforderung sichergestellt werden, dass jeder Patient in gleicher Weise geschützt wird, unabhängig davon, ob er die Arzneimittel über das Internet oder in einer Präsenz-Apotheke kauft. Entgegen dem Vorbringen der Kommission unterwirft der Erlass über die guten Praktiken bei der Abgabe von Arzneimitteln die Abgabe von Arzneimitteln im Internet nicht strengeren Regeln als denjenigen, die für die Abgabe in einer Apotheke gelten.

146. Aus den Erläuterungen der französischen Regierung geht insbesondere hervor, dass der Zweck dieses Erlasses darin besteht, der besonderen Art und den besonderen Umständen des Verkaufs von Arzneimitteln über das Internet Rechnung zu tragen, bei dem der Apotheker den Patienten, mit dem er keinen unmittelbaren und visuellen Kontakt hat, nicht von sich aus beraten kann, wenn seine beruflichen Pflichten dies erfordern würden(99). In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Situation dieses Apothekers von der eines Apothekers, der die Arzneimittel in einer Präsenz-Apotheke abgibt. Es stimmt zwar, dass die Beachtung der Beratungspflicht nicht unbedingt bedeutet, dass ein Apotheker jedem Patienten, der in seine Apotheke kommt, die in dem genannten Fragebogen enthaltenen Fragen stellt. Die physische Anwesenheit des Patienten gibt ihm aber zumindest die Möglichkeit, diesem die Fragen zu stellen, die er aufgrund seiner beruflichen Beratungspflicht angesichts der sichtbaren Anzeichen, die einen Hinweis auf den Gesundheitszustand des Patienten geben, für erforderlich hält. Die Anforderung, einen Gesundheitsfragebogen ausfüllen zu lassen, soll daher den Online-Apotheker mit dem Apotheker, der seine Tätigkeit in einer Präsenz-Apotheke ausübt, gleichstellen, damit er seine berufliche Beratungspflicht erfüllen kann.

147. A nennt eine Reihe von weniger restriktiven Maßnahmen, mit denen sich das angestrebte Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit ebenso wirksam erreichen lasse. Insbesondere stelle der Erlass über die guten Praktiken bei der Abgabe von Arzneimitteln bereits sicher, dass die Patienten eine individuelle Beratung erhalten könnten, indem verlangt werde, dass die virtuellen Apotheken den Patienten die Möglichkeit eines interaktiven Austauschs mit einem Apotheker anböten. A überprüfe auch die über ihre Website bestellten Mengen anhand verschiedener Faktoren wie z. B. der Bestellhistorie des Patienten. Diese Kontrollen reichten aus, um die Gefahr eines übermäßigen Verbrauchs von Arzneimitteln zu verhindern. Auch die Kommission ist der Ansicht, dass es andere, weniger einschneidende alternative Maßnahmen gebe. Zum einen könnten dem Patienten die Packungsbeilage des Arzneimittels zugänglich gemacht, die wichtigsten Gegenanzeigen genannt und die Möglichkeit angeboten werden, einem Apotheker Fragen zu stellen, bevor er die Bestellung tätige. Zum anderen sei es den Apothekern möglich, mit dem Patienten auf der Grundlage der ihnen zur Verfügung stehenden Informationen, insbesondere der Bestellhistorie, in Kontakt zu treten.

148. Wie Daniel B u. a. und die spanische Regierung geltend machen, ist die Möglichkeit des Patienten, den Apotheker zu konsultieren, bevor er seine Bestellung tätigt, selbst wenn sie mit einer Überprüfung der gekauften Mengen ab der ersten Bestellung einhergeht, kein ebenso wirksames Mittel wie eine Prüfung im Vorfeld, bei der vorab vom Patienten Informationen eingeholt werden, um festzustellen, ob seine Bestellung in quantitativer und qualitativer Hinsicht seinem Gesundheitszustand angemessen ist. Der Gerichtshof hat im Übrigen bereits entschieden, dass der Umstand, „dass der Kunde vor einem möglichen Kauf [von Arzneimitteln] mehr interaktive Elemente im Internet verwenden muss“, eine akzeptable alternative Maßnahme zu einem Verbot des Online-Verkaufs von Arzneimitteln ist, die den freien Warenverkehr weniger beeinträchtigt und mit der das Ziel, die Gefahr eines Fehlgebrauchs von im Internet gekauften Arzneimitteln zu verringern, genauso wirksam erreicht werden kann(100).

149. Wie die griechische Regierung ausgeführt hat, enthält der mit dem Erlass über die guten Praktiken bei der Abgabe von Arzneimitteln eingeführte Fragebogen nur grundlegende Fragen zu Alter, Gewicht, Größe, Geschlecht, laufenden Behandlungen, bekannten Allergien, Gegenanzeigen und Schwangerschaft und Stillzeit. Diese Fragen erfordern eine einfache und direkte Antwort des Patienten. Sie konnten meines Erachtens vernünftigerweise als relevant und notwendig angesehen werden, um zu verhindern, dass der Patient Arzneimittel kauft, die seinem Gesundheitszustand nicht angemessen sind.

150. Unter diesen Umständen halte ich die Verpflichtung, den Patienten vor der Bestätigung seiner ersten Bestellung einen solchen Fragebogen ausfüllen zu lassen, zur Erreichung des Ziels, eine individuelle Beratung der Patienten sicherzustellen, um sie im Interesse der öffentlichen Gesundheit vor einem missbräuchlichen Verbrauch von Arzneimitteln zu schützen, für geeignet und erforderlich.

V.      Ergebnis

151. Nach alledem schlage ich vor, auf die Frage der Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris, Frankreich) wie folgt zu antworten:

1.      Art. 34 AEUV steht einer Regelung eines Mitgliedstaats, die die von einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Apotheke betriebene Werbung für Dienste des Online-Verkaufs von Arzneimitteln verbietet, die darin besteht, dass in großem Umfang Werbeprospekte mit der Post versandt werden, gegebenenfalls indem sie Paketen von im Bereich des Online-Verkaufs von Konsumgütern des täglichen Bedarfs tätigen Handelspartnern beigelegt werden, und dass Preisnachlässe gewährt werden, wenn die Bestellung einen bestimmten Betrag übersteigt, dann nicht entgegen, wenn diese Regelung im Hinblick auf das Ziel der Wahrung der Würde des Apothekerberufs erforderlich und verhältnismäßig ist, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist.

2.      Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) verwehrt es dem Bestimmungsmitgliedstaat eines Dienstes des Online-Verkaufs von Arzneimitteln, auf den in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Anbieter dieses Dienstes

–        eine Regelung anzuwenden, nach der auf der Website dieses Anbieters keine Werbemaßnahmen angezeigt werden dürfen, die darin bestehen, dass Preisnachlässe gewährt werden, wenn die Bestellung einen bestimmten Wert übersteigt,

–        eine Regelung anzuwenden, die den Rückgriff auf bezahlte Links in Suchmaschinen und Preisvergleichsplattformen verbietet, und

–        eine Regelung anzuwenden, nach der der Anbieter die erste Arzneimittelbestellung eines Patienten auf seiner Website nur bestätigen darf, wenn der Patient zuvor einen Gesundheitsfragebogen ausgefüllt hat,

sofern der erste Mitgliedstaat den zweiten Mitgliedstaat und die Europäische Kommission nicht über seine Absicht unterrichtet hat, die betreffende Regelung auf diesen Anbieter anzuwenden, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist.

Sind diese Regelungen übermittelt worden, steht Art. 3 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 dem nicht entgegen, dass der betreffende Mitgliedstaat sie auf einen in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Anbieter eines Dienstes des Online-Verkaufs von Arzneimitteln anwendet, sofern dies für den Schutz der öffentlichen Gesundheit geeignet und erforderlich ist, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist.


1       Originalsprache: Französisch.


2       Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) (ABl. 2000, L 178, S. 1).


3       Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 (ABl. 2001, L 311, S. 67) in der durch die Richtlinie 2011/62/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 (ABl. 2011, L 174, S. 74) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2001/83).


4       Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. 1998, L 204, S. 37).


5       Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 zur Änderung der Richtlinie [98/34] (ABl. 1998, L 217, S. 18).


6       Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. 2015, L 241, S. 1).


7       Diese Website hat einen Top-Level-Domain-Namen „.fr“.


8       Vgl. Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. 2005, L 255, S. 22) in der durch die Richtlinie 2013/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 2013 (ABl. 2013, L 354, S. 132) geänderten Fassung.


9       Vgl. hierzu insbesondere Debarge, O., „La distribution au détail du médicament au sein de l’Union européenne: un croisement entre santé et commerce“, Revue internationale de droit économique (2011), S. 197 und S. 201 bis 217.


10       Wie A betont hat, unterscheidet sich die Situation eines solchen Apothekers von derjenigen eines Apothekers, der sich zur Erbringung von Dienstleistungen physisch in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als seines Niederlassungsmitgliedstaats begibt. Wie aus Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2005/36 folgt, wird die Situation des letztgenannten Apothekers durch Art. 5 bis 9 dieser Richtlinie geregelt. Gemäß Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36 „unterliegt er im Aufnahmemitgliedstaat den berufsständischen, gesetzlichen oder verwaltungsrechtlichen Berufsregeln, die dort in unmittelbarem Zusammenhang mit den Berufsqualifikationen für Personen gelten, die denselben Beruf wie er ausüben, und den dort geltenden Disziplinarbestimmungen; zu diesen Bestimmungen gehören etwa Regelungen für die Definition des Berufs, das Führen von Titeln und schwerwiegende berufliche Fehler in unmittelbarem und speziellem Zusammenhang mit dem Schutz und der Sicherheit der Verbraucher“.


11       Diese Bestimmung spiegelt die Schlussfolgerungen aus dem Urteil vom 11. Dezember 2003, Deutscher Apothekerverband (C‑322/01, EU:C:2003:664, Rn. 112), wider, in dem der Gerichtshof entschieden hat, dass ein absolutes Verbot des Online-Verkaufs von Arzneimitteln, für die keine ärztliche Verschreibung vorgeschrieben ist, mit dem freien Warenverkehr unvereinbar ist.


12       Die Verlinkung besteht darin, dass die Seiten einer Website auf den ersten Seiten der Suchmaschinen gelistet werden.


13       Das vorlegende Gericht bezieht sich in seiner Frage nach deren Wortlaut nur auf den Erlass über die guten Praktiken bei der Abgabe von Arzneimitteln, auf den sich Daniel B u. a. berufen. Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht jedoch hervor, dass sich, wie A betont, das Verbot des Kaufs von Links in Suchmaschinen nicht aus diesem Erlass, sondern aus dem Erlass über die technischen Vorschriften ergibt.


14       Die französische Regierung beruft sich auf das Urteil vom 7. August 2018, Smith (C‑122/17, EU:C:2018:631, Rn. 44).


15       Urteil vom 19. April 2016, DI (C‑441/14, EU:C:2016:278, Rn. 30 und 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).


16       Urteil vom 19. Dezember 2019, Airbnb Ireland (C‑390/18, EU:C:2019:1112, Rn. 97). Dieses Urteil ist ergangen, nachdem die französische Regierung ihre schriftlichen und mündlichen Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht bzw. abgegeben hatte.


17       Siehe jedoch Nr. 80 der vorliegenden Schlussanträge.


18       Siehe Nr. 5 der vorliegenden Schlussanträge.


19       Vgl. Urteil vom 4. Mai 2017, Vanderborght (C‑339/15, EU:C:2017:335, Rn. 36 und 37). Der Begriff „kommerzielle Kommunikation“ wird in Art. 2 Buchst. f der Richtlinie 2000/31 definiert als „alle Formen der Kommunikation, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder des Erscheinungsbilds eines Unternehmens, einer Organisation oder einer natürlichen Person dienen, die eine Tätigkeit in Handel, Gewerbe oder Handwerk oder einen reglementierten Beruf ausübt“.


20       Die Kommission hat im Übrigen in ihrem ersten Bericht an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss vom 21. November 2003 über die Anwendung der Richtlinie [2000/31], KOM(2003) 702 endg. (S. 12), den Online-Verkauf von Arzneimitteln ausdrücklich als einen der von dieser Richtlinie erfassten Dienste angeführt.


21       Vgl. insoweit Urteil vom 2. Dezember 2010, Ker-Optika (C‑108/09, EU:C:2010:725, Rn. 29 und 30).


22       Vgl. Urteil vom 8. November 2007, Gintec (C‑374/05, EU:C:2007:654, Rn. 20).


23       Der Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) ist in seinem Urteil vom 4. April 2018, Nr. 407292 (FR:CECHR:2018:407292.20180404, Rn. 6), das den schriftlichen Erklärungen von A und Daniel B u. a. beigefügt war, ebenfalls dieser Auslegung gefolgt.


24       Urteil vom 11. Dezember 2003 (C‑322/01, EU:C:2003:664, Rn. 144).


25       Da die Kommission der Auffassung ist, dass nationale Vorschriften, die die physische Werbung für die Website einer Apotheke regeln, in den Anwendungsbereich der Richtlinien 2000/31 und 2001/83 fallen, prüft sie diese Vorschriften nur hilfsweise anhand von Art. 34 AEUV.


26       Vgl. u. a. Urteile vom 8. Juni 2017, Medisanus (C‑296/15, EU:C:2017:431, Rn. 53), und vom 18. September 2019, VIPA (C‑222/18, EU:C:2019:751, Rn. 60).


27       Vgl. u. a. Urteile vom 26. Mai 2005, Burmanjer u. a. (C‑20/03, EU:C:2005:307, Rn. 35), vom 2. Dezember 2010, Ker-Optika (C‑108/09, EU:C:2010:725, Rn. 43), und vom 18. September 2019, VIPA (C‑222/18, EU:C:2019:751, Rn. 58).


28       Urteil vom 26. Mai 2005, Burmanjer u. a. (C‑20/03, EU:C:2005:307, Rn. 33 und 34).


29       Vgl. Urteil vom 25. März 2004, Karner (C‑71/02, EU:C:2004:181, Rn. 35).


30       Vgl. Urteil vom 25. März 2004, Karner (C‑71/02, EU:C:2004:181, Rn. 47).


31       Urteile vom 11. Dezember 2003, Deutscher Apothekerverband (C‑322/01, EU:C:2003:664, Rn. 65 ff.), und vom 2. Dezember 2010, Ker-Optika (C‑108/09, EU:C:2010:725, Rn. 44 bis 46).


32       Urteil vom 8. März 2001 (C‑405/98, EU:C:2001:135).


33       Urteil vom 8. März 2001 (C‑405/98, EU:C:2001:135, Rn. 13 bis 42).


34       Urteil vom 9. Juli 1997 (C‑34/95 bis C‑36/95, EU:C:1997:344, Rn. 39 bis 54).


35       Urteil vom 28. Oktober 1999 (C‑6/98, EU:C:1999:532, Rn. 45 bis 52).


36       So betrafen die Urteile vom 9. Juli 1997, De Agostini und TV-Shop (C‑34/95 bis C‑36/95, EU:C:1997:344), und vom 28. Oktober 1999, ARD (C‑6/98, EU:C:1999:532), die Ausstrahlung von Fernsehwerbung durch in einem Mitgliedstaat niedergelassene Fernsehveranstalter für in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Werbetreibende. Im Urteil vom 8. März 2001, Gourmet International Products (C‑405/98, EU:C:2001:135), ging es um das Recht der im Gebiet eines Mitgliedstaats niedergelassenen Presseunternehmen, möglichen Inserenten, die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassen sind, Anzeigenraum in ihren Veröffentlichungen anzubieten.


37       Urteil vom 11. Juli 1974 (8/74, EU:C:1974:82, Rn. 5). Vgl. u. a. auch Urteil vom 3. Juli 2019, Delfarma (C‑387/18, EU:C:2019:556, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).


38       Urteil vom 24. November 1993 (C‑267/91 und C‑268/91, EU:C:1993:905, Rn. 16). Vgl. u. a. auch Urteile vom 2. Dezember 2010, Ker-Optika (C‑108/09, EU:C:2010:725, Rn. 51), vom 12. November 2015, Visnapuu (C‑198/14, EU:C:2015:751, Rn. 103), und vom 21. September 2016, Etablissements Fr. Colruyt (C‑221/15, EU:C:2016:704, Rn. 35).


39       Vgl. Urteile vom 15. Dezember 1993, Hünermund u. a. (C‑292/92, EU:C:1993:932, Rn. 22), vom 9. Februar 1995, Leclerc-Siplec (C‑412/93, EU:C:1995:26, Rn. 22), vom 9. Juli 1997, De Agostini und TV-Shop (C‑34/95 bis C‑36/95, EU:C:1997:344, Rn. 39), vom 28. Oktober 1999, ARD (C‑6/98, EU:C:1999:532, Rn. 46), vom 8. März 2001, Gourmet International Products (C‑405/98, EU:C:2001:135, Rn. 19 und 20), und vom 25. März 2004, Karner (C‑71/02, EU:C:2004:181, Rn. 39).


40       Vgl. Urteile vom 15. Dezember 1993, Hünermund u. a. (C‑292/92, EU:C:1993:932, Rn. 22), vom 9. Februar 1995, Leclerc-Siplec (C‑412/93, EU:C:1995:26, Rn. 24), und vom 25. März 2004, Karner (C‑71/02, EU:C:2004:181, Rn. 42).


41       Urteil vom 15. Dezember 1993, Hünermund u. a. (C‑292/92, EU:C:1993:932, Rn. 22 bis 24).


42       Siehe auch Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache Leclerc-Siplec (C‑412/93, EU:C:1994:393, Nr. 19 bis 22), Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in den verbundenen Rechtssachen De Agostini und TV-Shop (C‑34/95 bis C‑36/95, EU:C:1996:333, Nr. 99), sowie entsprechend Urteil vom 5. April 2011, Société fiduciaire nationale d’expertise comptable (C‑119/09, EU:C:2011:208, Rn. 43).


43       Vgl. Urteile vom 11. Dezember 2003, Deutscher Apothekerverband (C‑322/01, EU:C:2003:664, Rn. 74), und entsprechend vom 2. Dezember 2010, Ker-Optika (C‑108/09, EU:C:2010:725, Rn. 54).


44       Urteil vom 8. März 2001 (C‑405/98, EU:C:2001:135, Rn. 21).


45       Ich stelle auch fest, dass der Gerichtshof im Urteil vom 9. Juli 1997, De Agostini und TV-Shop (C‑34/95 bis C‑36/95, EU:C:1997:344, Rn. 44), entschieden hat, dass ein vollständiges Verbot von Werbung, die an Kinder unter zwölf Jahren gerichtet oder irreführend ist, eine unter Art. 34 AEUV fallende Beschränkung sein kann, sofern nachgewiesen wird, dass dieses Verbot den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich nicht in gleicher Weise berührt. Der Gerichtshof hat es dem nationalen Gericht überlassen, dies zu prüfen.


46       Urteil vom 25. März 2004 (C‑71/02, EU:C:2004:181, Rn. 42). Vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 28. Oktober 1999, ARD (C‑6/98, EU:C:1999:532, Rn. 48).


47       Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 (ABl. 2006, L 376, S. 36).


48       Vgl. Urteil vom 5. April 2011, Société fiduciaire nationale d’expertise comptable (C‑119/09, EU:C:2011:208, Rn. 29).


49       A bezieht sich auf die Mitteilung Nr. 19-A-08 der französischen Wettbewerbsbehörde vom 4. April 2019 zu den Bereichen des öffentlichen Vertriebs von Arzneimitteln und der privaten biomedizinischen Einrichtungen (Avis no 19‑A‑08 de l’autorité de la concurrence du 4 avril 2019 relatif aux secteurs de la distribution du médicament en ville et de la biologie médicale privée). Diese Behörde führt darin aus, dass die Ungenauigkeit der Begriffe „Kundenwerbung“ und „Würde des Apothekerberufs“ die berufsständigen Instanzen dazu veranlasst habe, jegliche Art von Werbung zu verbieten, sei es Werbung für die Apotheke, die verkauften Waren oder die angebotenen Dienstleistungen.


50       Daniel B u. a. verweisen auf Art. R. 5125-26 CSP, der bestimmt: „Werbung für Apotheken ist nur unter den folgenden Bedingungen und Vorbehalten erlaubt:


      1. Die Gründung oder Verlegung einer Apotheke, der Wechsel ihres Betreibers sowie die Einrichtung einer Website der Apotheke können Anlass für eine Mitteilung in den Printmedien sein. Die Mitteilung ist auf die Angabe des Namens des Apothekers, seiner akademischen, klinischen und wissenschaftlichen Qualifikationen …, die Adresse der Website der Apotheke, den Namen des früheren Betreibers, die Anschrift der Apotheke, gegebenenfalls unter Angabe der Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Handel mit Waren gemäß der in Art. L. 5125‑24 Abs. 1 genannten Liste, zu beschränken. Diese Anzeige ist zuvor dem Conseil régional de l’Ordre des pharmaciens [Regionaler Rat des Apothekerverbands] vorzulegen. Sie darf nicht größer als 100 [cm2] sein.


      2. Neben den in Art. R. 4235-57 genannten Möglichkeiten zur Information über die Apotheke können die Apotheken in den Printmedien Anzeigen für die oben in Abs. 1 genannten Tätigkeiten in einer Größe von maximal 100 [cm2] unter Angabe des Namens und der Anschrift, ihrer Telefon- und Faxnummer sowie der Öffnungszeiten der Apotheke schalten.“


51       Vgl. u. a. Urteil vom 9. Juli 1997, De Agostini und TV-Shop (C‑34/95 bis C‑36/95, EU:C:1997:344, Rn. 45).


52       Vgl. entsprechend unter dem Gesichtspunkt des freien Dienstleistungsverkehrs Urteile vom 5. April 2011, Société fiduciaire nationale d’expertise comptable (C‑119/09, EU:C:2011:208, Rn. 30), vom 12. September 2013, Konstantinides (C‑475/11, EU:C:2013:542, Rn. 57), und vom 4. Mai 2017, Vanderborght (C‑339/15, EU:C:2017:335, Rn. 68).


53       Urteil vom 19. Mai 2009, Apothekerkammer des Saarlandes u. a. (C‑171/07 und C‑172/07, EU:C:2009:316, Rn. 33).


54       Vgl. u. a. Urteile vom 13. Juli 2004, Bacardi France (C‑429/02, EU:C:2004:432, Rn. 33), vom 18. Juni 2019, Österreich/Deutschland (C‑591/17, EU:C:2019:504, Rn. 122), und vom 18. September 2019, VIPA (C‑222/18, EU:C:2019:751, Rn. 69).


55       Vgl. Urteile vom 23. Dezember 2015, Scotch Whisky Association u. a. (C‑333/14, EU:C:2015:845, Rn. 56), und vom 18. September 2019, VIPA (C‑222/18, EU:C:2019:751, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).


56       Vgl. u. a. Urteile vom 19. Mai 2009, Apothekerkammer des Saarlandes u. a. (C‑171/07 und C‑172/07, EU:C:2009:316, Rn. 19), vom 27. Oktober 2016, Audace u. a. (C‑114/15, EU:C:2016:813, Rn. 70), und vom 18. September 2019, VIPA (C‑222/18, EU:C:2019:751, Rn. 71). Vgl. auch den 22. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/62.


57       Vgl. u. a. Urteile vom 19. Mai 2009, Apothekerkammer des Saarlandes u. a. (C‑171/07 und C‑172/07, EU:C:2009:316, Rn. 31), und vom 18. September 2019, VIPA (C‑222/18, EU:C:2019:751, Rn. 73). Vgl. auch den 22. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/62.


58       Vgl. u. a. Urteil vom 19. Mai 2009, Apothekerkammer des Saarlandes u. a. (C‑171/07 und C‑172/07, EU:C:2009:316, Rn. 32).


59       Urteil vom 4. Mai 2017 (C‑339/15, EU:C:2017:335, Rn. 69).


60       Der Gerichtshof hat in den Urteilen vom 2. April 2009, Damgaard (C‑421/07, EU:C:2009:222, Rn. 22), und vom 5. Mai 2011, Novo Nordisk (C‑249/09, EU:C:2011:272, Rn. 32), auch entschieden, dass die Werbung für Arzneimittel geeignet ist, der öffentlichen Gesundheit zu schaden.


61       Der Kodex wurde am 14. Juni 2001 unter der Federführung der Pharmaceutical Group of the European Union (PGEU) (Zusammenschluss der Apotheker in der Europäischen Union, ZAEU) erarbeitet. Vgl. in diesem Zusammenhang den Ersten Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss vom 21. November 2011 über die Anwendung der Richtlinie [2000/31], KOM(2003) 702 endg., S. 12.


62       In Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2000/31 hat der Gesetzgeber dazu aufgerufen, für reglementierte Berufe Verhaltenskodizes auf Gemeinschaftsebene aufzustellen.


63       Siehe Nr. 88 der vorliegenden Schlussanträge.


64       Urteil vom 4. Mai 2017 (C‑339/15, EU:C:2017:335, Rn. 72). Vgl. auch Beschluss vom 23. Oktober 2018, Conseil départemental de l’ordre des chirurgiens-dentistes de la Haute-Garonne (C‑296/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:857, Rn. 18).


65       Siehe Nr. 80 der vorliegenden Schlussanträge.


66       Es ist auch unstreitig, dass die Website einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Apotheke jederzeit von den (unbezahlten) organischen Suchergebnissen in den Suchmaschinen profitieren kann (siehe Nr. 136 der vorliegenden Schlussanträge).


67       Vgl. in diesem Sinne Urteil des Conseil d’État vom 4. April 2018, Nr. 407292 (FR:CECHR:2018:407292.20180404, Rn. 8).


68       Ich weise auch darauf hin, dass mit Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 die Verwendung durch Angehörige eines reglementierten Berufs von kommerzieller Kommunikation, die Bestandteil eines Dienstes der Informationsgesellschaft ist oder einen solchen Dienst darstellt, teilweise harmonisiert wurde (siehe Nr. 108 der vorliegenden Schlussanträge).


69       Der Begriff „koordinierter Bereich“, der in Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 2000/31 definiert ist, unterscheidet sich insofern vom Begriff „Vorschrift betreffend Dienste“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2015/1535. Der letztgenannte Begriff betrifft nämlich nur allgemein gehaltene Vorschriften über den Zugang zu den Aktivitäten der Dienste der Informationsgesellschaft und über deren Betreibung, unter Ausschluss von Regelungen, die nicht speziell auf diese Dienste abzielen. Siehe hierzu Fn. 81 der vorliegenden Schlussanträge.


70       Der Begriff „reglementierter Beruf“ wird in Art. 2 Buchst. g der Richtlinie 2000/31 definiert.


71       Diese Aspekte umfassen, neben den kommerziellen Kommunikationen (Art. 6 bis 8), die Niederlassung und die Informationspflichten (Art. 4 und 5), den Abschluss von Verträgen auf elektronischem Wege (Art. 9 bis 11) und die Verantwortlichkeit der Vermittler (Art. 12 bis 15).


72       In diesem Zusammenhang folgt aus dem Urteil vom 4. Mai 2017, Vanderborght (C‑339/15, EU:C:2017:335, Rn. 49), dass Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 es den Mitgliedstaaten verwehrt, jede Form von kommerzieller Online-Kommunikation, einschließlich einer vom Diensteanbieter eingerichteten Website, für die Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen zu verbieten. Die Mitgliedstaaten können hingegen Form und Ausgestaltung der kommerziellen Online-Kommunikation – gegebenenfalls stark – eingrenzen. Vgl. auch Beschluss vom 23. Oktober 2018, Conseil départemental de l’ordre des chirurgiens-dentistes de la Haute-Garonne (C‑296/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:857).


73       Darüber hinaus sind, wie ich bereits in den Nrn. 50 bis 54 der vorliegenden Schlussanträge betont habe, die Bestimmungen der Titel VIII und VIIIa der Richtlinie 2001/83 nicht auf Werbung anwendbar, die sich nicht auf Arzneimittel, sondern auf die von einer bestimmten Apotheke angebotenen Dienstleistungen bezieht.


74       Vgl. Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/31.


75       Art. 85c Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 beruht im Übrigen, da er ausdrücklich auf die Richtlinie 2000/31 verweist, auf der Prämisse, dass diese Richtlinie auf Dienste des Online-Verkaufs von Arzneimitteln anwendbar ist.


76       Siehe Nr. 56 der vorliegenden Schlussanträge.


77       Urteil vom 19. Dezember 2019 (C‑390/18, EU:C:2019:1112, Rn. 81 ff.).


78       Vgl. u. a. Urteil vom 12. November 2015, Visnapuu (C‑198/14, EU:C:2015:751, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).


79       Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 stellt klar, dass dies „unbeschadet etwaiger Gerichtsverfahren, einschließlich Vorverfahren und Schritten im Rahmen einer strafrechtlichen Ermittlung“ gilt. Vor dem Hintergrund des 26. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2000/31 scheint dieser Passus zu bedeuten, dass die Anwendung nationaler Regelungen des Strafrechts und des Strafprozessrechts, um alle Ermittlungsmaßnahmen und sonstigen Maßnahmen einzuleiten, die für die Ermittlung und Verfolgung von Straftaten erforderlich sind, soweit dadurch der freie Verkehr eines Dienstes der Informationsgesellschaft beeinträchtigt wird, nicht gemäß Art. 3 Abs. 4 Buchst. b dieser Richtlinie mitgeteilt werden muss. Ich weise auch darauf hin, dass gemäß Art. 3 Abs. 5 dieser Richtlinie von dieser Mitteilungspflicht in dringlichen Fällen abgewichen werden kann.


80       Der Umstand, dass in Art. R. 4235-64 CSP die Online-Verkaufsdienste nicht speziell genannt werden, befreit die Französische Republik nicht von ihrer Mitteilungspflicht nach Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2000/31. Der koordinierte Bereich im Sinne von Art. 2 Buchst. h dieser Richtlinie umfasst nämlich alle Anforderungen in Bezug auf die Aufnahme oder die Ausübung der Dienste der Informationsgesellschaft, unabhängig davon, ob sie allgemeiner Art sind oder nur für diese Dienste gelten. Der Geltungsbereich der in Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 niedergelegten Verpflichtung zur Mitteilung der restriktiven Maßnahmen unterscheidet sich insofern von der in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2015/1535 vorgesehenen Verpflichtung zur Notifizierung von Entwürfen von technischen Vorschriften. Wie aus Art. 1 Abs. 1 Buchst. e dieser Richtlinie hervorgeht, gehören zu den „Vorschriften betreffend Dienste“ alle allgemein gehaltenen Vorschriften über den Zugang zu den Aktivitäten der Dienste der Informationsgesellschaft und über deren Betreibung, unter Ausschluss von Regelungen, die nicht speziell auf diese Dienste abzielen. Während eine allgemeine Anforderung in Bezug auf die Aufnahme oder die Ausübung von Diensten – hierzu gehören auch, aber nicht nur, die Dienste der Informationsgesellschaft – nicht gemäß Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2015/1535 notifiziert werden muss, muss die Absicht des betreffenden Mitgliedstaats, diese Anforderung im Einzelfall auf einen bestimmten Dienst anzuwenden, gemäß Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 mitgeteilt werden. Dies gilt auch für Art. R. 4235‑22 CSP.


81       Siehe Kommission, TRIS-Datenbank, https://ec.europa.eu/growth/tools-databases/tris/en/search/?trisaction=search.detail&year=2016&num=410 und https://ec.europa.eu/growth/tools-databases/tris/en/search/?trisaction=search.detail&year=2016&num=411.


82       Gemäß Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 5 der Richtlinie 2015/1535 unterrichtet die Kommission, nachdem ihr von einem Mitgliedstaat ein Entwurf einer technischen Vorschrift übermittelt wurde, die anderen Mitgliedstaaten unverzüglich über den Entwurf.


83       Urteil vom 19. Dezember 2019 (C‑390/18, EU:C:2019:1112, Rn. 96 und 97).


84       In der Praxis hat Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 daher zur Folge, dass sich ein Einzelner nur dann vor den Gerichten eines Mitgliedstaats darauf berufen kann, dass ein in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassener Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft die in dem ersten Mitgliedstaat geltenden – insbesondere berufsrechtlichen – Anforderungen nicht beachtet hat, wenn zuvor eine nationale Behörde dieses Mitgliedstaats den in dieser Bestimmung vorgesehenen Verfahrenspflichten nachgekommen ist.


85       Vgl. Urteil vom 19. Dezember 2019, Airbnb Ireland (C‑390/18, EU:C:2019:1112, EU:C:2019:1112, Rn. 99).


86       Vgl. u. a. Urteile vom 19. Mai 2009, Apothekerkammer des Saarlandes u. a. (C‑171/07 und C‑172/07, EU:C:2009:316, Rn. 28), und vom 19. Oktober 2016, Deutsche Parkinson Vereinigung (C‑148/15, EU:C:2016:776, Rn. 31).


87       Siehe Nr. 86 der vorliegenden Schlussanträge.


88       Vgl. Urteile vom 19. Mai 2009, Apothekerkammer des Saarlandes u. a. (C‑171/07 und C‑172/07, EU:C:2009:316, Rn. 30), und vom 18. September 2019, VIPA (C‑222/18, EU:C:2019:751, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 23. Dezember 2015, Scotch Whisky Association u. a. (C‑333/14, EU:C:2015:845, Rn. 57).


89       Dieser Ansatz spiegelt das in Art. 191 Abs. 2 AEUV garantierte Vorsorgeprinzip wider. Wenn es sich als unmöglich erweist, das Vorliegen oder den Umfang des behaupteten Risikos mit Sicherheit festzustellen, weil die Ergebnisse der durchgeführten Studien unschlüssig sind, die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Schadens für die Gesundheit der Bevölkerung jedoch fortbesteht, falls das Risiko eintreten sollte, rechtfertigt dieses Prinzip den Erlass beschränkender Maßnahmen. Vgl. u. a. Urteil vom 1. Oktober 2019, Blaise u. a. (C‑616/17, EU:C:2019:800, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).


90       Siehe Schlussanträge des Generalanwalts Bot in der Rechtssache Scotch Whisky Association u. a. (C‑333/14, EU:C:2015:527, Nr. 84). Vgl. hierzu auch López Artetxe, S., „Is Health Really the First Thing in Life?“, Legal Issues of Economic Integration (2017), S. 315 bis 321, sowie Dunne, N., „Minimum Alcohol Pricing: Balancing the ‚Essentially Incomparable‘ in Scotch Whisky“, The Modern Law Review (2018), S. 901 und 902.


91       Vgl. Urteile vom 23. Dezember 2015, Scotch Whisky Association u. a. (C‑333/14, EU:C:2015:845, Rn. 54), und vom 19. Oktober 2016, Deutsche Parkinson Vereinigung (C‑148/15, EU:C:2016:776, Rn. 35).


92       Vgl. Urteil vom 23. Dezember 2015, Scotch Whisky Association u. a. (C‑333/14, EU:C:2015:845, Rn. 63).


93       Urteil vom 19. Oktober 2016, Deutsche Parkinson Vereinigung (C‑148/15, EU:C:2016:776, Rn. 24).


94      Siehe Nrn. 95 bis 97 der vorliegenden Schlussanträge.


95       Der Gerichtshof hat bereits ein Verbot des Verkaufs von Kontaktlinsen über das Internet als eine Beschränkung im Sinne dieser Bestimmung eingestuft (vgl. Urteil vom 2. Dezember 2010, Ker-Optika, C‑108/09, EU:C:2010:725, Rn. 76). Diese Einstufung gilt meines Erachtens auch für Bestimmungen, die solche Verkäufe bestimmten Beschränkungen unterwerfen, ohne sie völlig zu verbieten.


96       Vgl. Urteil vom 11. Dezember 2003, Deutscher Apothekerverband (C‑322/01, EU:C:2003:664, Rn. 106).


97       Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 2003, Deutscher Apothekerverband (C‑322/01, EU:C:2003:664, Rn. 114).


98       Urteil vom 26. März 2018 (Nr. 407289, FR:CECHR:2018:407289.20180326).


99       Daniel B u. a. haben in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass Art. R. 4235‑61 CSP vorsehe, dass „[w]enn das gesundheitliche Interesse des Patienten dies zu erfordern scheint, … der Apotheker die Abgabe eines Arzneimittels verweigern [muss]“.


100       Urteil vom 11. Dezember 2003, Deutscher Apothekerverband (C‑322/01, EU:C:2003:664, Rn. 114).