URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)
12. Januar 2000 (1)
„Gemeinschaftsmarke Wort Companyline Absolutes Eintragungshindernis
Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 40/94“
In der Rechtssache T-19/99
DKV Deutsche Krankenversicherung AG, Gesellschaft deutschen Rechts mit Sitz
in Köln (Deutschland), Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt Stephan von
Petersdorff-Campen, Mannheim und Karlsruhe, Zustellungsanschrift: Kanzlei des
Rechtsanwalts Marc Loesch, 11, rue Goethe, Luxemburg,
gegen
Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle),
vertreten durch Alexander von Mühlendahl, Vizepräsident für
Rechtsangelegenheiten, und Detlef Schennen, Leiter der Dienststelle für
Gesetzgebung und internationale Rechtsangelegenheiten, als Bevollmächtigte,
Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst der
Kommission, Centre Wagner, Kirchberg, Luxemburg,
betreffend eine Klage gegen die der Klägerin am 19. November 1998 zugestellte
Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den
Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) vom 18. November 1998
(Beschwerdesache R 72/1998-1)
erläßt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten R. M. Moura Ramos, der Richterin V. Tiili und
des Richers P. Mengozzi,
Kanzler: A. Mair, Verwaltungsrat
aufgrund der am 21. Januar 1999 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen
Klageschrift,
aufgrund der am 8. April 1999 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen
Klagebeantwortung,
aufgrund der prozeßleitenden Maßnahmen vom 15. Juni 1999,
auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juli 1999,
folgendes
Urteil
- 1.
- Die Klägerin reichte mit Schreiben vom 23. Juli 1996 beim Harmonisierungsamt für
den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (im folgenden: Amt) die
Ameldung einer Gemeinschaftsmarke ein. Die Anmeldung ging am 24. Juli 1996
beim Amt ein.
- 2.
- Die angemeldete Marke besteht aus dem Wort Companyline.
- 3.
- Die Eintragung wurde für die Dienstleistungen des Bereichs „Versicherungswesen;
Finanzwesen“ in Klasse 36 des Abkommens von Nizza über die internationale
Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom
15. Juni 1957 in seiner revidierten und geänderten Fassung begehrt.
- 4.
- Mit Bescheid vom 17. April 1998 wies der Prüfer die Anmeldung gemäß Artikel 38
der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die
Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in der Fassung der Verordnung (EG)
Nr. 3288/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 zur Umsetzung der im Rahmen der
Uruguay-Runde geschlossenen Übereinkünfte (ABl. L 349, S. 83) zurück.
- 5.
- Am 13. Mai 1998 erhob die Klägerin gemäß Artikel 59 der Verordnung Nr. 40/94
beim Amt Beschwerde gegen den Bescheid des Prüfers. Die
Beschwerdebegründung wurde am 3. Juni 1998 eingereicht.
- 6.
- Die Beschwerde wurde dem Prüfer gemäß Artikel 60 der Verordnung Nr. 40/94 zur
Entscheidung über die Abhilfe vorgelegt.
- 7.
- Am 2. Juli 1998 wurde sie der Beschwerdekammer vorgelegt.
- 8.
- Durch Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer vom 18. November 1998, der
Klägerin zugestellt am 19. November 1998 (im folgenden: angefochtene
Entscheidung), wurde die Beschwerde zurückgewiesen.
Anträge der Parteien
- 9.
- Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung dem Amt aufzugeben,
das Zeichen Companyline für die Dienstleistungen der Klasse 36
(Versicherungswesen; Finanzwesen) als Gemeinschaftsmarke mit der
Erklärung der Klägerin einzutragen, daß sie an den Bestandteilen
„Company“ oder „line“ keine Ausschließlichkeitsrechte in Anspruch
nehmen werde;
hilfsweise, die angefochtene Entscheidung aufzuheben.
- 10.
- Das Amt beantragt,
den Hauptantrag als unzulässig abzuweisen;
die Klage im übrigen abzuweisen;
der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
- 11.
- Im Rahmen der prozeßleitenden Maßnahmen vom 15. Juni 1999 hat die Klägerin
ihren Hauptantrag dahin korrigiert, dem Amt solle unter Abänderung der
angefochtenen Entscheidung aufgegeben werden, das Zeichen Companyline für die
Dienstleistungen der Klasse 36 (Versicherungswesen; Finanzwesen) als
Gemeinschaftsmarke im Blatt für Gemeinschaftsmarken mit der Erklärung der
Klägerin zu veröffentlichen, daß sie an den Bestandteilen „Company“ oder „line“
keine Ausschließlichkeitsrechte in Anspruch nehmen werde. Die Klägerin beantragt
weiter, dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen.
- 12.
- In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin auf ihren Hauptantrag verzichtet.
Das Gericht hat dies zur Kenntnis genommen.
Zu dem Aufhebungsantrag
- 13.
- Die Klägerin macht im wesentlichen drei Klagegründe geltend: Verstoß gegen
Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94, fehlerhafte Anwendung
von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c dieser Verordnung, der im Licht ihres Artikels
12 Buchstabe b auszulegen sei, und Ermessensmißbrauch.
Zum Verstoß gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94
Vorbringen der Parteien
- 14.
- Die Klägerin macht geltend, die Auffassung der Beschwerdekammer, das Wort
Companyline sei nicht geeignet, ihre Dienstleistungen des Versicherungs- und
Finanzwesens von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden, sei rechtlich und
sachlich verfehlt, da die Kammer eine Grenzziehung zwischen dem Merkmal „keine
Unterscheidungskraft“ und einer Unterscheidungskraft geringsten Ausmaßes
versäumt habe.
- 15.
- Den Worten „keine Unterscheidungskraft“ in Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der
Verordnung Nr. 40/94 sei zu entnehmen, daß dieses Eintragungshindernis bereits
bei geringster Unterscheidungskraft entfalle.
- 16.
- Ein Zeichen sei zudem stets in seiner Gesamtheit und nicht unter Aufspaltung in
seine verschiedenen Bestandteile zu beurteilen. Das angemeldete Zeichen
Companyline sei eine aus den beiden Worten „Company“ und „line“
zusammengesetzte Wortbildung. Für die Beurteilung seiner Unterscheidungskraft
sei allein seine Gesamtwirkung maßgebend.
- 17.
- Aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung ergebe sich weiter, daß das
Wort Companyline im Dienstleistungsbereich des Versicherungs- und Finanzwesens
nicht existiere. Es handele sich somit um ein von der Klägerin eigens für diesen
Bereich erfundenes Wort, das selbst dem englischsprachigen Adressaten einen nur
diffusen Bedeutungsgehalt vermittele.
- 18.
- Überdies verbiete es die Systematik der Verordnung Nr. 40/94, die
Unterscheidungskraft nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b anhand von Kriterien
zu untersuchen, die nur den beschreibenden Charakter eines Zeichens gemäß
Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c beträfen.
- 19.
- Schließlich dürfe die Unterscheidungskraft einer Marke nicht allein für das
englische Sprachgebiet beurteilt werden. Das Amt habe auch außer acht gelassen,
daß Marken, die die Worte „Company“ oder „line“ enthielten, in vielen
Mitgliedstaaten der Gemeinschaft eingetragen seien; es habe damit die im
Markenrecht der Gemeinschaft bestehende Harmonisierungspflicht verkannt.
- 20.
- Das Amt führt aus, daß ein Zeichen, das keine Unterscheidungskraft im Sinne von
Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b habe, seinem Wesen nach keine Marke sein könne,
da das Publikum es (abgesehen vom Fall der durch Benutzung des Zeichens
erworbenen Unterscheidungskraft) nicht als eine solche wahrnehme. Es könne
daher die Funktion als Kennzeichen im Sinne eines Symbols für die Verbindung
zwischen Ware oder Dienstleistung und dem Unternehmen, das für die Herstellung
oder den Vertrieb der Ware oder Dienstleistung verantwortlich sei, nicht erfüllen.
- 21.
- Ein noch so geringer Grad der Unterscheidungskraft reiche zwar aus, um zur
Nichtanwendung dieses Ausschlußgrundes zu führen. Dieser minimale Grad an
Unterscheidungskraft sei aber im vorliegenden Fall nicht erreicht.
- 22.
- Die Eintragungshindernisse gemäß Artikel 7 der Verordnung Nr. 40/94 griffen nach
dessen Absatz 2 bereits dann ein, wenn sie nur in einem Teil der Gemeinschaft
vorlägen.
Würdigung durch das Gericht
- 23.
- Nach Artikel 4 der Verordnung Nr. 40/94 kann ein Zeichen, das sich graphisch
darstellen läßt, eine Gemeinschaftsmarke sein, soweit es geeignet ist, Waren eines
Unternehmens von denjenigen eines anderen Unternehmens zu unterscheiden (vgl.
Urteil des Gerichts vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache T-163/98, Procter &
Gamble/HABM, Slg. 1999, II-0000, Randnr. 20).
- 24.
- Daraus folgt insbesondere, daß sich die Unterscheidungskraft nur für die Waren
oder Dienstleistungen beurteilen läßt, für die die Eintragung des Zeichens
beantragt wurde.
- 25.
- Gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 sind „Marken,
die keine Unterscheidungskraft haben“, von der Eintragung ausgeschlossen.
- 26.
- Im vorliegenden Fall besteht das Zeichen ausschließlich aus den beiden in
englischsprachigen Ländern üblichen Begriffen „Company“ und „line“. Der Begriff
„Company“ läßt erkennen, daß es um ein für Gesellschaften oder Firmen
bestimmtes Produkt oder eine für sie bestimmte Dienstleistung geht. Das Wort
„line“ hat mehrere Bedeutungen. Im Bereich der Versicherungs- und
Finanzdienstleistungen bezeichnet es insbesondere eine Versicherungsbranche, eine
Produktsparte oder -gruppe. Es handelt sich somit um zwei Oberbegriffe, die
lediglich eine Sparte von Produkten oder Dienstleistungen bezeichnen, die für
Unternehmen bestimmt sind. Ihre Verbindung ohne jede graphische oder
inhaltliche Änderung weist keinerlei zusätzliches Merkmal auf, das das Zeichen in
seiner Gesamtheit geeignet erscheinen ließe, die Dienstleistungen der Klägerin von
denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Der Umstand, daß das Wort
Companyline zusammen oder getrennt geschrieben nicht in Wörterbüchern
aufgeführt ist, ändert an dieser Beurteilung nichts.
- 27.
- Das Zeichen Companyline hat deshalb keine Unterscheidungskraft.
- 28.
- Was das Vorbringen der Klägerin angeht, das Amt habe die im Markenrecht der
Gemeinschaft bestehende Harmonisierungsverpflichtung verkannt, so greifen die
Eintragungshindernisse gemäß Artikel 7 der Verordnung Nr. 40/94 nach dessen
Absatz 2 bereits dann ein, wenn sie nur in einem Teil der Gemeinschaft gegeben
sind. Im vorliegenden Fall war es gerechtfertigt, das Wort Companyline von der
Eintragung auszuschließen, da es im englischen Sprachgebiet nicht schutzfähig ist.
- 29.
- Die Beschwerdekammer hat somit zu Recht bestätigt, daß das Wort Companyline
gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 nicht als
Gemeinschaftsmarke eintragungsfähig ist.
- 30.
- Nach Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/94 ist das Zeichen schon dann
nicht als Gemeinschaftsmarke eintragungsfähig, wenn eines der aufgezählten
absoluten Eintragungshindernisse vorliegt (vgl. Urteil Procter & Gamble/HABM,
Randnr. 29).
- 31.
- Über den zweiten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen Artikel 7 Absatz 1
Buchstabe c der Verordnung Nr. 40/94 gerügt wird, braucht deshalb nicht
entschieden zu werden.
Zum Ermessensmißbrauch
- 32.
- Nach Auffassung der Klägerin beruht die angefochtene Entscheidung auf einem
Ermessensmißbrauch. In der mündlichen Verhandlung hat sie ausgeführt, daß der
Beklagte in der Sache Companyline wesentlich strengere Kriterien anlege, als es
seiner Praxis entspreche.
- 33.
- Jedoch liegt kein objektiver, klarer Hinweis dafür vor, daß der Erlaß der
angefochtenen Entscheidung ausschließlich oder zumindest maßgebend dadurch
bestimmt war, andere als die angegebenen Zwecke zu erreichen. Dieser
Klagegrund ist deshalb zurückzuweisen.
- 34.
- Nach alledem ist die Klage als unbegründet abzuweisen.
Kosten
- 35.
- Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag
zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen
unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des Beklagten dessen Kosten
aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Vierte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten.
Moura RamosTiili
Mengozzi
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Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. Januar 2000.
Der Kanzler
Der Präsident
H. Jung
R. M. Moura Ramos