URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)
4. Februar 1998 (1)
„Nichtigkeitsklage Entschädigung von Milcherzeugern Verordnung (EWG)
Nr. 2187/93 Entschädigungsangebot Handlungen der nationalen Behörden
Kontrolle Zuständigkeit Schadensersatzklage Zulässigkeit“
In der Rechtssache T-93/95
Bernard Laga, Grisolles (Frankreich), Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt Jean-François Le Petit, Paris, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Aloyse
May, 31, Grand-rue, Luxemburg,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater
Gérard Rozet als Bevollmächtigten, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de
la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
unterstützt durch
Französische Republik, zunächst vertreten durch Catherine de Salins,
Abteilungsleiterin in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für
Auswärtige Angelegenheiten, und Frédéric Pascal, Chargé de mission in derselben
Direktion, sodann durch Kareen Rispail-Bellanger, Abteilungsleiterin in derselben
Direktion, und Frédéric Pascal als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift:
Französische Botschaft, 8 B, boulevard Joseph II, Luxemburg,
wegen Nichtigerklärung der Entscheidung des Office national interprofessionnel du
lait et des produits laitiers vom 20. Januar 1995, mit der dem Kläger ein Anspruch
auf eine Entschädigung nach der Verordnung (EWG) Nr. 2187/93 des Rates vom
22. Juli 1993 über das Angebot einer Entschädigung an bestimmte Erzeuger von
Milch oder Milcherzeugnissen, die vorübergehend an der Ausübung ihrer Tätigkeit
gehindert waren (ABl. L 196, S. 6), abgesprochen wurde, und Verurteilung der
Kommission zum Ersatz des durch diese Entscheidung entstandenen Schadens
erläßt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten A. Saggio sowie der Richterin V. Tiili und des
Richters R. M. Moura Ramos,
Kanzler: J. Palacio González, Verwaltungsrat
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21.
Oktober 1997,
folgendes
Urteil
Sachverhalt und rechtlicher Rahmen
- 1.
- Der Kläger, ein Milcherzeuger, bewirtschaftet seine Ländereien im Rahmen eines
aus ihm selbst und dem Landwirt Jean-Pierre Landuyt bestehenden Groupement
agricole d'exploitation en commun (GAEC; landwirtschaftliche
Erzeugergemeinschaft). Er ging nach der Verordnung (EWG) Nr. 1078/77 des
Rates vom 17. Mai 1977 zur Einführung einer Prämienregelung für die
Nichtvermarktung von Milch und Milcherzeugnissen und die Umstellung der
Milchkuhbestände (ABl. L 131, S. 1) eine Nichtvermarktungsverpflichtung ein, die
am 1. Juli 1985 endete.
- 2.
- Zwischenzeitlich am 31. März 1984 hatte der Rat die Verordnung (EWG) Nr.
857/84 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der
Verordnung (EWG) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 90,
S. 13) erlassen. Diese Abgabe war von den Erzeugern zu zahlen, die eine
Referenzmenge überschritten, die auf der Grundlage der in einem Referenzjahr
gelieferten Milchmenge festgesetzt worden war.
- 3.
- Da die Verordnung Nr. 857/84 ursprünglich keine spezifische Bestimmung über die
Zuteilung einer Referenzmenge an diejenigen Erzeuger enthielt, die, wie der
Kläger, in Erfüllung einer gemäß der Verordnung Nr. 1078/77 eingegangenen
Nichtvermarktungsverpflichtung im Referenzjahr keine Milch geliefert hatten,
wurde sie durch zwei Urteile des Gerichtshofes vom 28. April 1988 in den
Rechtssachen 120/86 (Mulder, Slg. 1988, 2321) und 170/86 (Von Deetzen, Slg. 1988,
2355) für teilweise ungültig erklärt.
- 4.
- Aufgrund dieser Urteile erließ der Rat zur Änderung der Verordnung Nr. 857/84
die Verordnungen (EWG) Nr. 764/89 vom 20. März 1989 (ABl. L 84, S. 2) und Nr.
1639/91 vom 13. Juni 1991 (ABl. L 150, S. 35). Diese Verordnungen sahen die
Zuteilung einer sogenannten spezifischen Referenzmenge an die Erzeuger vor, die
im Referenzjahr keine Milch geliefert hatten. Diese Referenzmenge wurde
zunächst vorläufig und nach Überprüfung bestimmter Voraussetzungen endgültig
gewährt.
- 5.
- Durch Urteil des Gerichtshofes vom 19. Mai 1992 in den verbundenen
Rechtssachen C-104/89 und C-37/90 (Mulder u. a./Rat und Kommission, Slg. 1992,
I-3061) wurde die Gemeinschaft zum Ersatz des den Klägern durch die Anwendung
der Verordnung Nr. 857/84 entstandenen Schadens verurteilt.
- 6.
- Aufgrund dieses Urteils erließ der Rat die Verordnung (EWG) Nr. 2187/93 vom
22. Juli 1993 über das Angebot einer Entschädigung an bestimmte Erzeuger von
Milch oder Milcherzeugnissen, die vorübergehend an der Ausübung ihrer Tätigkeit
gehindert waren (ABl. L 196, S. 6).
- 7.
- Artikel 1 dieser Verordnung sieht vor, daß Erzeugern, denen dadurch ein Schaden
entstanden ist, daß sie aufgrund der Erfüllung einer gemäß der Verordnung Nr.
1078/77 eingegangenen Verpflichtung nicht in der Lage waren, während des
Referenzjahres Milch zu liefern oder zu verkaufen, eine Entschädigung gewährt
wird.
- 8.
- Nach Artikel 2 der Verordnung Nr. 2187/93 werden Entschädigungsanträge von
Erzeugern berücksichtigt, denen gemäß der Verordnung Nr. 764/89 oder der
Verordnung Nr. 1639/91 endgültig eine spezifische Referenzmenge zugeteilt wurde.
- 9.
- Artikel 14 der Verordnung bestimmt, daß den betroffenen Erzeugern von der
zuständigen nationalen Behörde im Namen und für Rechnung des Rates und der
Kommission ein Angebot für die Entschädigung übermittelt wird.
- 10.
- Durch Bescheid des Präfekten des Departements Aisne vom 31. August 1989
wurde dem Kläger vorläufig eine spezifische Referenzmenge zugeteilt. Diese
vorläufige Zuteilung wurde durch Bescheid des Präfekten vom 8. November 1991
mit Wirkung vom 30. März 1991 für endgültig erklärt.
- 11.
- Am 10. und 11. März 1994 führte das Office national interprofessionnel du lait et
des produits laitiers (Onilait) eine Kontrolle im Betrieb des Klägers durch. Es
gelangte zu dem Ergebnis, daß der Kläger die Milcherzeugung unter Verstoß gegen
Artikel 3a Absatz 3 der Verordnung Nr. 857/84 nicht persönlich
wiederaufgenommen habe.
- 12.
- Mit Schreiben vom 20. Januar 1995 teilte der Direktor von Onilait dem Kläger mit,
daß die ihm zugeteilte spezifische Referenzmenge nicht als endgültig angesehen
werden könne und daß es Onilait daher unbeschadet der Aufhebung dieser
Zuteilung, die ihm später mitgeteilt werde, nicht möglich sei, die Entschädigung
nach der Verordnung Nr. 2187/93 zu zahlen.
- 13.
- Mit Entscheidung vom 6. März 1995 hob der Direktor von Onilait die endgültige
Zuteilung der spezifischen Referenzmenge an den Kläger auf.
Verfahren und Anträge der Parteien
- 14.
- Mit am 17. März 1995 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift hat
der Kläger gemäß den Artikeln 173, 178 und 215 Absatz 2 EG-Vertrag Klage
erhoben auf Nichtigerklärung der im Schreiben des Direktors von Onilait vom 20.
Januar 1995 enthaltenen Entscheidung und Verurteilung von Onilait zur Zahlung
der Entschädigung nach der Verordnung Nr. 2187/93 zuzüglich Zinsen in Höhe von
8 % seit dem 19. Mai 1992, ferner eines Betrages von 50 000 FF nicht
wiederzuerlangender Kosten sowie sämtlicher Verfahrenskosten. Diese Klage war
gegen Onilait als „Bevollmächtigten der europäischen Organe, insbesondere der
Kommission“, gerichtet. In Beantwortung eines Schreibens des Kanzlers vom 17.
März 1995 übermittelte der Kläger dem Gericht am 30. März 1995 eine geänderte,
nunmehr gegen die Kommission gerichtete Fassung der Klageschrift.
- 15.
- Mit am 9. Juni 1995 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz erhob
die Kommission eine Einrede der Unzulässigkeit, zu der der Kläger mit am 28.
August 1995 eingegangenem Schriftsatz Stellung genommen hat.
- 16.
- Mit Schriftsatz vom 10. Oktober 1995 hat die Französische Republik beantragt, zur
Unterstützung der Anträge der Kommission als Streithelferin zugelassen zu werden.
- 17.
- Mit Beschluß vom 29. November 1995 hat der Präsident der Ersten Kammer des
Gerichts diesem Antrag stattgegeben.
- 18.
- Mit weiterem Beschluß vom 29. November 1995 hat das Gericht die Entscheidung
über die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit dem Endurteil
vorbehalten.
- 19.
- Der Streithilfeschriftsatz der Streithelferin ist am 9. April 1996 eingegangen.
- 20.
- Das schriftliche Verfahren ist mit der Einreichung der Gegenerwiderung am 31.
Mai 1996 abgeschlossen worden.
- 21.
- Die Parteien haben in der Sitzung vom 21. Oktober 1997 mündlich verhandelt und
mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.
- 22.
- Der Kläger beantragt in der Klageschrift,
die Entscheidung im Schreiben des Direktors von Onilait vom 20. Januar
1995 für nichtig zu erklären;
die Kommission zur Zahlung der Entschädigung nach der Verordnung Nr.
2187/93 zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 % seit dem 19. Mai 1992 zu
verurteilen;
die Kommission zur Zahlung von 50 000 FF nicht wiederzuerlangender
Kosten zu verurteilen;
der Kommission die Verfahrenskosten aufzuerlegen.
- 23.
- In seiner Erwiderung hält der Kläger diese Anträge aufrecht und beantragt, daß
Onilait ihm demgemäß ein Entschädigungsangebot nach den Artikeln 10 und 14 der
Verordnung Nr. 2187/93 unterbreitet. Hilfsweise beantragt er, ihm gemäß Artikel
215 des Vertrages eine Entschädigung in Höhe von 1 220 634,30 FF zu zahlen.
- 24.
- Die beklagte Kommission beantragt,
den Antrag auf Nichtigerklärung für unzulässig, hilfsweise für unbegründet
zu erklären;
die Schadensersatzanträge für unzulässig, hilfsweise für unbegründet zu
erklären;
dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
- 25.
- Die französische Regierung, die den Antrag auf Nichtigerklärung und die
Schadensersatzanträge für unbegründet hält, beantragt als Streithelferin, den
Anträgen der Kommission stattzugeben.
Zum Antrag auf Nichtigerklärung
Zulässigkeit
Vorbringen der Parteien
- 26.
- Die Kommission stützt ihre Einrede erstens darauf, daß die Klageschrift nicht die
Voraussetzungen des Artikels 19 der EG-Satzung des Gerichtshofes und des
Artikels 44 § 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung des Gerichts erfülle, da sie
nicht die Klagegründe erkennen lasse. Die Kommission sei daher nicht in der Lage,
sich zu verteidigen.
- 27.
- Zweitens wäre die Klage, wenn sie dahin auszulegen wäre, daß mit ihr die
Nichtigerklärung der von Onilait im Betrieb des Klägers durchgeführten Kontrolle
oder der Entscheidung, mit der die dem Kläger zugeteilte spezifische
Referenzmenge aufgehoben worden sei, begehrt werde, unzulässig, da sie gegen
Handlungen gerichtet wäre, die die nationalen Behörden im Rahmen ihrer
gewöhnlichen, herkömmlichen Aufgaben der Durchführung der für Milcherzeuger
geltenden Gemeinschaftsvorschriften vorgenommen hätten.
- 28.
- Entgegen dem Vortrag des Klägers handele es sich bei den fraglichen Handlungen
nicht um Rechtsakte, die lediglich die Entscheidung, ein Angebot nicht abzugeben,
vorbereiteten. Diese Auffassung verkenne die den Mitgliedstaaten nach
allgemeinem Recht bei der Durchführung und Kontrolle der
Gemeinschaftsregelung eingeräumten weitreichenden Befugnisse, die im
vorliegenden Fall durch das Rundschreiben der französischen Behörden bestätigt
worden seien, in dem die Mittel zur Durchführung der Milchquotenregelung
aufgeführt worden seien. Gesetzlicher Richter in bezug auf diese Handlungen seien
somit die nationalen Gerichte.
- 29.
- Nach Ansicht des Klägers geht die gegenüber dem Antrag auf Nichtigerklärung
geltend gemachte erste Unzulässigkeitseinrede der Kommission fehl, da die
Klageschrift alle notwendigen Angaben enthalte.
- 30.
- Zur zweiten Unzulässigkeitseinrede trägt der Kläger vor, der angefochteneRechtsakt sei eine Handlung von Onilait, das als Bevollmächtigter der
Gemeinschaft gehandelt habe. Entgegen der Auffassung der Kommission seien die
von Onilait durchgeführten Kontrollbesuche, auch wenn sie nach innerstaatlichem
Recht erfolgt seien, Handlungen, die eine Entscheidung dieser Verwaltung in ihrer
Eigenschaft als Bevollmächtigte der Gemeinschaft vorbereiteten. Daher sei für die
Kontrolle dieser Handlungen das Gericht zuständig.
- 31.
- Der Kläger erfülle auch die drei Voraussetzungen für die Gewährung einer
Entschädigung nach der Verordnung Nr. 2187/93. Es sei nicht bestritten, daß er der
Molkerei Milch geliefert habe, daß diese Milch vor Ort im landwirtschaftlichen
Betrieb eingesammelt worden sei und daß dieser über sämtliche für diese
Erzeugung notwendigen Einrichtungen verfüge. Wenn Onilait dem Kläger daher
im Anschluß an die Kontrolle vom 10. und 11. März 1994 vorwerfe, daß er den
Betrieb nicht persönlich wiederaufgenommen habe, stelle es damit weitere, in der
Verordnung Nr. 2187/93 nicht vorgesehene Voraussetzungen auf.
- 32.
- Anhand der fraglichen Kontrolle lasse sich somit nicht nachweisen, daß der Kläger
gegen seine Verpflichtungen verstoßen habe; die angefochtene Handlung sei daher
mit einem Tatsachenfehler behaftet.
Würdigung durch das Gericht
- 33.
- Nach ständiger Rechtsprechung ist es gemäß den Regeln über die jeweiligen
Zuständigkeiten der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten Sache der
Mitgliedstaaten, in ihrem Hoheitsgebiet für die Durchführung der
Gemeinschaftsregelung, namentlich im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik, zu
sorgen (Urteil des Gerichtshofes vom 7. Juli 1987 in den verbundenen
Rechtssachen 89/86 und 91/86, Étoile Commerciale und CNTA/Kommission, Slg.
1987, 3005, Randnr. 11, Beschluß des Gerichts vom 21. Oktober 1993 in den
verbundenen Rechtssachen T-492/93 und T-492/93 R, Nutral/Kommission, Slg.
1993, II-1023, Randnr. 26). Die von den nationalen Behörden im Rahmen der
Durchführung der gemeinsamen Agrarpolitik vorgenommenen Handlungen
unterliegen normalerweise der Überprüfung durch die nationalen Gerichte.
- 34.
- Im vorliegenden Fall wird den nationalen Behörden im Rahmen des mit der
Verordnung Nr. 2187/93 eingeführten Entschädigungssystems die Befugnis
eingeräumt, den Erzeugern im Namen und für Rechnung des Rates und der
Kommission Angebote für eine Entschädigung zu übermitteln (vgl. die zehnte
Begründungserwägung und Artikel 14 der Verordnung).
- 35.
- Nach Artikel 2 der Verordnung Nr. 2187/93 kann nur den Erzeugern, denen eine
spezifische Referenzmenge endgültig zugeteilt wurde, ein Entschädigungsangebot
unterbreitet werden. Nach der Verordnung Nr. 857/84 in der Fassung der
Verordnungen Nrn. 764/89 und 1639/91 ist die endgültige Zuteilung spezifischer
Referenzmengen von der tatsächlichen Wiederaufnahme der Milcherzeugung
abhängig.
- 36.
- Folglich ist die den nationalen Behörden in der Verordnung Nr. 2187/93
eingeräumte Befugnis, jedem Erzeuger im Namen und für Rechnung des Rates und
der Kommission ein Angebot für eine Entschädigung zu übermitteln (siehe oben,
Randnr. 9), selbst daran geknüpft, daß der Empfänger des Angebots die
Milcherzeugung tatsächlich wiederaufgenommen hat.
- 37.
- Fehlt es an einer Wiederaufnahme der Milcherzeugung, so ist die
Grundvoraussetzung der Verordnung Nr. 2187/93 für die Unterbreitung eines
Entschädigungsangebots nicht erfüllt.
- 38.
- Nach der anwendbaren Regelung ist für die Kontrolle der Wiederaufnahme der
Erzeugung dieselbe nationale Behörde zuständig wie für die Abgabe des
Entschädigungsangebots (vgl. den durch die Verordnung Nr. 764/89 eingefügten
und durch die Verordnung Nr. 1639/91 geänderten Artikel 3a Absatz 3 der
Verordnung Nr. 857/84).
- 39.
- Mithin unterliegen die Handlungen, mit denen festgestellt wird, daß die Erzeugung
nicht wiederaufgenommen wurde, und diejenigen, mit denen dementsprechend die
endgültige Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge abgelehnt wird, der
Kontrolle durch die nationalen Gerichte (Urteil des Gerichts vom 11. Juli 1996 in
der Rechtssache T-271/94, Branco/Kommission, Slg. 1996, II-749, Randnr. 53). Der
Kläger hat im übrigen die Handlung, mit der die Zuteilung der spezifischen
Referenzmenge endgültig widerrufen wurde, sowie die Feststellungen, die beim
Kontrollbesuch in seinem landwirtschaftlichen Betrieb getroffen wurden, tatsächlich
vor den nationalen Gerichten angefochten.
- 40.
- Es ist festzustellen, daß der Kläger lediglich vorträgt, die angefochtene Handlung,
d. h. die Weigerung der nationalen Behörden, ein Entschädigungsangebot
abzugeben, sei Folge eines Fehlers, den diese Behörden bei der in seinem
landwirtschaftlichen Betrieb durchgeführten Kontrolle begangen hätten. Damit
macht der Kläger nur einen einzigen Nichtigkeitsgrund geltend, der sich auf die
Überprüfung der Wiederaufnahme der Erzeugung bezieht.
- 41.
- Unter diesen Umständen ist der Antrag auf Nichtigerklärung in der Sache gegen
die Feststellungen gerichtet, die die nationalen Behörden bei ihrem Kontrollbesuch
getroffen haben. Er ist somit darauf gerichtet, festzustellen, daß eine Entscheidung
der nationalen Stellen, denen die Durchführung bestimmter Maßnahmen im
Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik übertragen worden sei, ungültig sei (vgl. in
diesem Sinne zur Schadensersatzklage Urteil des Gerichtshofes vom 2. März 1978
in den verbundenen Rechtssachen 12/77, 18/77 und 21/77, Debayser
u. a./Kommission, Slg. 1978, 553, Randnr. 25).
- 42.
- Folglich fehlt dem Gericht die Zuständigkeit, die Rechtmäßigkeit der Handlung zu
überprüfen, gegen die der Antrag auf Nichtigerklärung in der Sache gerichtet ist.
- 43.
- Dieser Antrag ist somit unzulässig.
Zu den Schadensersatzanträgen
Zulässigkeit
Vorbringen der Parteien
- 44.
- Die Kommission vertritt die Ansicht, die in der Klageschrift gestellten
Schadensersatzanträge seien unzulässig, da der Kläger damit in Wirklichkeit
dasselbe Ziel anstrebe wie mit dem Antrag auf Nichtigerklärung (Urteil des
Gerichts vom 15. März 1995 in der Rechtssache T-514/93, Cobrecaf
u. a./Kommission, Slg. 1995, II-621). Die Schadensersatzanträge seien auch deshalb
unzulässig, weil hierfür unerläßliche Angaben fehlten. Insbesondere lasse die
Klageschrift nicht die insoweit geltend gemachten Klagegründe erkennen, was die
Kommission an der Verteidigung ihrer Interessen hindere. Auch nach Bezifferung
des angeblichen Schadens in der Erwiderung nenne der Kläger keine gegen die
Kommission gerichteten Angriffsmittel.
- 45.
- Der Kläger trägt erstens vor, die Unzulässigkeit des Antrags auf Nichtigerklärung
führe nicht zur Unzulässigkeit der Schadensersatzanträge. Zweitens enthalte die
Klageschrift alle notwendigen Angaben, und die Kommission könne ihm insoweit
auch nichts vorwerfen, da ihr konkretere Anhaltspunkte vorlägen, die ihm selbst
unbekannt seien; insbesondere sei ihr die Höhe der ihm zustehenden
Entschädigung bekannt. In seiner Erwiderung berechnet der Kläger die ihm seiner
Ansicht nach aufgrund der Verordnung Nr. 2187/93 zustehende Entschädigung.
Würdigung durch das Gericht
- 46.
- Der Kläger begehrt mit seinen Schadensersatzanträgen Zahlung der Entschädigung,
die seiner Ansicht nach Gegenstand des von Onilait verweigerten
Entschädigungsangebots hätte sein müssen. Er beantragt nämlich, daß Onilait ihm
ein Angebot für eine Entschädigung nach den Artikeln 10 und 14 der Verordnung
Nr. 2187/93 unterbreitet; hilfsweise beziffert er den von ihm beantragten
Schadensersatz nach Maßgabe einer nach der Verordnung Nr. 2187/93 berechneten
Entschädigung.
- 47.
- Wie jedoch bereits festgestellt worden ist (Randnrn. 37 bis 40), war die Weigerung,
dem Kläger ein Entschädigungsangebot zu übermitteln, die der Beklagten unter
den Voraussetzungen der Verordnung Nr. 2187/93 zuzurechnen ist, die Folge des
Ergebnisses der von den nationalen Behörden durchgeführten Kontrollen. Da der
Antrag auf Zahlung einer Entschädigung darauf gestützt wird, daß die anläßlich
dieser Kontrollen getroffenen Feststellungen unrichtig seien, ist der den Schaden,
dessen Ersatz der Kläger begehrt, auslösende Umstand somit eine von den
nationalen Behörden im Rahmen der Ausübung ihrer eigenen Befugnisse
vorgenommene Handlung. Daraus folgt, daß die Voraussetzungen für eine
Anrufung des Gerichts nach den Artikeln 178 und 215 Absatz 2 des Vertrages nicht
erfüllt sind. Diese Bestimmungen verleihen nämlich dem Gemeinschaftsrichter nur
die Zuständigkeit für Klagen auf Ersatz von Schäden, die die Organe oder deren
Bedienstete in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursacht haben. Eine Haftung der
Gemeinschaft für von nationalen Behörden verursachte Schäden kommt nicht in
Betracht; für Klagen auf Ersatz solcher Schäden sind allein die nationalen Gerichte
zuständig (vgl. insbesondere Urteil des Gerichts vom 14. September 1995 in der
Rechtssache T-571/93, Lefebvre u. a./Kommission, Slg. 1995, II-2379, Randnr. 65;
vgl. ebenfalls Urteile des Gerichtshofes vom 12. Dezember 1979 in der Rechtssache
12/79, Wagner Agrarhandel/Kommission, Slg. 1979, 3657, Randnr. 10, und vom 26.
Februar 1986 in der Rechtssache 175/84, Krohn/Kommission, Slg. 1986, 753,
Randnr. 18).
- 48.
- Außerdem sind nach ständiger Rechtsprechung zwar die Nichtigkeitsklage und die
Schadensersatzklage zwei selbständige Rechtsbehelfe, und die Unzulässigkeit eines
Antrags auf Nichtigerklärung führt nicht zur Unzulässigkeit eines
Schadensersatzantrags, mit dem Ersatz der durch die angefochtene Handlung
angeblich verursachten Schäden begehrt wird; die Unzulässigkeit des Antrags auf
Nichtigerklärung führt jedoch dann zur Unzulässigkeit des Schadensersatzantrags,
wenn mit diesem in Wirklichkeit die Aufhebung einer Einzelfallentscheidung
begehrt wird und er, falls ihm stattgegeben würde, zur Folge hätte, daß die
Rechtswirkungen dieser Entscheidung beseitigt würden (vgl. insbesondere Urteil
Cobrecaf u. a./Kommission a. a. O., Randnrn. 58 und 59).
- 49.
- Im vorliegenden Fall ist festzustellen, daß mit den Schadensersatzanträgen die
Verurteilung der Kommission zur Zahlung der mit der angefochtenen Entscheidung
verweigerten Entschädigung begehrt wird. Diese Anträge würden also zu einem
Ergebnis führen, das mit dieser Entscheidung gerade ausgeschlossen worden ist und
das der Kläger mit seinem Antrag auf Nichtigerklärung angestrebt hat.
- 50.
- Unter diesen Umständen ist der Antrag auf Zahlung einer Entschädigung als
unzulässig zurückzuweisen.
- 51.
- Für seinen Antrag, die Kommission zur Zahlung von 50 000 FF „nicht
wiederzuerlangender Kosten“ zu verurteilen, führt der Kläger entgegen Artikel 44
§ 1 der Verfahrensordnung nicht die tatsächlichen und rechtlichen Umstände an,
die dem Gericht eine Entscheidung über diesen Antrag ermöglichen würden.
Mithin ist auch dieser Antrag für unzulässig zu erklären.
Kosten
- 52.
- Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag
zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Anträge des Klägers unzulässig sind,
sind ihm auf den entsprechenden Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
- 53.
- Gemäß Artikel 87 § 4 der Verfahrensordnung trägt die Französische Republik als
Streithelferin ihre Kosten selbst.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Erste Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Streithelferin trägt ihre eigenen Kosten.
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 4. Februar 1998.
Der Kanzler
Der Präsident
H. Jung
A. Saggio