URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)
18. September 1997
(1)
„Maßnahmen zur unentgeltlichen Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse für
die Bevölkerung von Georgien, Armenien, Aserbaidschan, Kirgistan und
Tadschikistan Verpflichtung des Zuschlagsempfängers zur Zahlung eines
Eilgeldes“
In den verbundenen Rechtssachen T-121/96 und T-151/96
Mutual Aid Administration Services NV (MAAS), Gesellschaft belgischen Rechts
mit Sitz in Antwerpen (Belgien), Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Jan
Tritsmans und Koenraad Maenhout, Antwerpen, Zustellungsanschrift: Kanzlei des
Rechtsanwalts René Faltz, 6, rue Heinrich Heine, Luxemburg,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Blanca Vilá Costa,
zur Kommission abgeordnete nationale Beamtin, und Hubert van Vliet, Juristischer
Dienst, als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz,
Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
wegen Nichtigerklärung von Entscheidungen der Kommission, mit denen die
Klägerin zur Zahlung eines Eilgeldes aufgefordert wurde,
erläßt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts sowie der Richterin P. Lindh und
des Richters J. D. Cooke,
Kanzler: A. Mair, Verwaltungsrat
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom
5. Juni 1997,
folgendes
Urteil
Der Klage zugrunde liegender Sachverhalt
- 1.
- Die Klägerin, die Mutual Aid Administration Services NV, ist eine
Schiffahrtsagentur.
- 2.
- Am 4. August 1995 erließ der Rat die Verordnung (EG) Nr. 1975/95 über
Maßnahmen zur unentgeltlichen Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse an die
Bevölkerung von Georgien, Armenien, Aserbaidschan, Kirgistan und Tadschikistan
(ABl. L 191, S. 2; im folgenden: Verordnung Nr. 1975/95). Durch die Verordnung
(EG) Nr. 2009/95 vom 18. August 1995 (ABl. L 196, S. 4; im folgenden:
Verordnung Nr. 2009/95) erließ die Kommission die Durchführungsbestimmungen
für die vorgenannte Verordnung.
Rechtssache T-121/96
- 3.
- Auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1975/95 erließ die Kommission die
Verordnung (EG) Nr. 2781/95 vom 1. Dezember 1995 über den Transport der
unentgeltlichen Lieferung von Roggenmehl nach Georgien, Armenien,
Aserbaidschan und Tadschikistan (ABl. L 289, S. 5; im folgenden: Verordnung
Nr. 2781/95).
- 4.
- Diese Verordnung sah die Ausschreibung der Kosten für die Lieferung von 23 000
Tonnen Roggenmehl vor.
- 5.
- Gemäß Artikel 1 Absatz 1 und Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung
Nr. 2009/95 umfaßte die Verpflichtung des Zuschlagsempfängers die Lieferung des
auf Transportmittel verladenen Mehls ab einem Gemeinschaftshafen oder -bahnhof
bis zur Übernahme an dem in der Ausschreibungsbekanntmachung bezeichneten
Ort und auf der darin genannten Lieferstufe.
- 6.
- Am 18. Dezember 1995 erhielt die Klägerin den Zuschlag für die Partie Nr. 3
dieser Ausschreibung. Sie wurde durch Telefax und gewöhnlichen Brief vom selben
Tag darüber unterrichtet. Die Partie bestand aus der Lieferung von 2 500 Tonnen
netto mit Bestimmung Armenien, bereitzustellen im Hafen von Antwerpen ab
18. Januar 1996, sowie von 2 000 Tonnen netto mit Bestimmung Georgien,
bereitzustellen im Hafen von Rotterdam ab 15. Januar 1996. Die für diese
Operation an die Klägerin gezahlte Vergütung belief sich auf 12 541 273 BFR.
- 7.
- Dem Schreiben der Kommission, mit dem sie die Klägerin von der Vergabe in
Kenntnis setzte, waren Auszüge aus einer am 10. Oktober 1995 zwischen der
Kommission und den georgischen Behörden auf der Grundlage von Artikel 10
Absatz 5 der Verordnung Nr. 2009/95 geschlossenen Vereinbarung (im folgenden:
Vereinbarung) beigefügt. In diesem Schreiben wurde die Klägerin aufgefordert,
diese Auszüge aufmerksam zu lesen und die Beachtung der Anweisungen zur
Zahlung der Entlade- und Beförderungskosten zu überwachen.
- 8.
- Nach der Verordnung Nr. 2009/95 wie auch nach der Vereinbarung stand es der
Klägerin frei, den in Aussicht genommenen Seetransport nach Belieben zu
organisieren; sie war jedoch verpflichtet, den georgischen Behörden das Entladen
der Schiffe in den georgischen Häfen und den Weitertransport zum
Bestimmungsort zu überlassen.
- 9.
- Für den Seetransport der ihr zugeschlagenen Partie schloß die Klägerin daraufhin
mit einem Reeder einen Frachtvertrag auf der Basis COP (customs of the port).
Es war ausdrücklich vorgesehen, daß kein Eilgeld gezahlt wird, bei dem es sich um
eine Anreizprämie handelt, die das Entladeunternehmen erhält, wenn das Entladen
nicht so lange dauert wie vorgesehen.
- 10.
- Artikel 10 Absatz 5 der Verordnung Nr. 2009/95 sieht vor, daß die den georgischen
Behörden zu leistenden Zahlungen für das Entladen und die Beförderung sowie für
Liege- und Eilgelder nach den Modalitäten und zu den Bedingungen zu tätigen
sind, die in der Vereinbarung festgelegt sind. Das Liegegeld („demurrage“) stellt
die Entschädigung dar, die der Schiffseigner als Ersatz für den Verspätungsschaden
erhält, den er im Verhältnis zur ursprünglich vorgesehenen Entladedauer dadurch
erleiden muß, daß er für die Dauer dieser Verspätung keinen neuen Transport
durchführen kann. Schuldner dieser Entschädigung ist im allgemeinen das für das
Entladen verantwortliche Unternehmen.
- 11.
- Punkt 5 der Vereinbarung bestimmt, daß die Zahlung für das Entladen und die
Beförderung in Höhe von 70 % vor dem Eintreffen des Schiffes auf der Grundlage
der beförderten Mengen zu erfolgen hat.
- 12.
- Punkt 6 sieht vor, daß der Differenzbetrag von 30 % sowie die Liegegelder und das
Eilgeld von der Kommission auf der Grundlage von vor dem Auslaufen des Schiffes
erstellten und vom Kapitän und den Hafenbehörden von Poti oder Batumi
unterzeichneten „time sheets“ berechnet werden. Weder für das Liege- noch für
das Eilgeld wird die Zahlung unmittelbar mit den Häfen geregelt.
- 13.
- Nach Punkt 9 werden die Eil- und Liegegelder auf der Grundlage folgender
Faktoren berechnet:
die Arbeitsstunden zwischen Montag, 8.00 Uhr, und Freitag, 18.00 Uhr, bei
24 Stunden pro Tag ohne Unterbrechung;
Regenperioden werden von der Zeit abgezogen;
ist die für das Entladen vorgesehene Zeit vollständig abgelaufen, werden
Regenperioden und Feiertage nicht mehr berücksichtigt;
für alle Häfen werden folgende Tagestarife für das Entladen berücksichtigt:
„bulk wheat vacuvator“ : 1 300 Tonnen
„grab“ : 2 500 Tonnen
„big bags/pallets“ : 350 Tonnen
„unpalletised sacks and cartons“ : 250 Tonnen.
- 14.
- Punkt 7 bestimmt, daß der Unternehmer im vorliegenden Fall die Klägerin im
Anschluß an die Bekanntgabe des in Punkt 6 genannten Betrages durch die
Kommission binnen 14 Tagen die Zahlung vornimmt. Der Zahlungsnachweis ist an
die Kommission zu schicken.
- 15.
- Die Waren wurden in der Zeit vom 8. bis 15. Februar 1996 im Hafen von Batumi
entladen.
- 16.
- Am 6. Mai 1996 übersandte die Kommission der Klägerin per Telefax eine
Abrechnung der an die georgischen Behörden zu zahlenden Kosten, wonach ein
Betrag von 21 967,19 USD an Eilgeld fällig war. Dieser Sendung war ein
Schriftstück der Kommission mit der Bezeichnung „port of Batumi time
sheet dispatch (demurrage calculation)“ beigefügt, das alle für die Berechnung
des fälligen Eilgeldes erforderlichen Angaben enthielt. Insbesondere waren der
Name des zu entladenden Schiffes, seine Tonnage, der vorgesehene
Entladerhythmus, das Ankunftsdatum des Schiffes, die Dauer des Entladens, der
Tagestarif des Eilgeldes und der Gesamtbetrag des fälligen Eilgeldes angegeben.
- 17.
- Zwischen dem 10. Mai und dem 25. Juli 1996, dem Tag des letzten Telefaxes der
Kommission, tauschte diese mit der Klägerin mehrere Schreiben und Telefaxe aus,
in denen die Klägerin die Verpflichtung zur Zahlung des Eilgeldes bestritt, während
die Kommission die Meinung vertrat, daß das Eilgeld gemäß Artikel 10 Absatz 5
der Verordnung Nr. 2009/95 zu zahlen sei.
- 18.
- In ihrem Telefax vom 25. Juli 1996 lehnte die Kommission das Angebot der
Klägerin zur gütlichen Regelung der Angelegenheit ab, indem sie erklärte, daß über
den fälligen Betrag nicht verhandelt werden könne.
- 19.
- Am 26. Juli 1996 zahlte die Klägerin das Eilgeld, um eine Einziehung ihrer
Bankgarantie zu verhindern.
Rechtssache T-151/96
- 20.
- Am 12. März 1996 erließ die Kommission die Verordnung (EG) Nr. 449/96 über
den Transport der unentgeltlichen Lieferung von Fruchtsäften, Fruchtkonfitüren
und Weichweizenmehl nach Armenien und Aserbaidschan (ABl. L 62, S. 4; im
folgenden: Verordnung Nr. 449/96).
- 21.
- Diese Verordnung sah die Ausschreibung der Kosten für die Lieferung von 3 800
Tonnen Fruchtsäften, Fruchtkonfitüren und Weichweizenmehl vor.
- 22.
- Mit Entscheidung vom 27. März 1996 erteilte die Kommission den Zuschlag für die
Beförderung dieser Partie der Klägerin, die durch eingeschriebenen Brief vom
28. März 1996 davon unterrichtet wurde. Diesem Schreiben waren die gleichen
Auszüge aus der Vereinbarung beigefügt, wie sie dem Schreiben an die Klägerin
in der Rechtssache T-121/96 beigelegen hatten (siehe oben, Randnrn. 7 und 8).
- 23.
- Die Klägerin schloß daraufhin für den Seetransport der ihr zugeschlagenen Partie
mit dem Reeder einen Frachtvertrag auf COP-Basis. Es war ausdrücklich
vorgesehen, daß kein Eilgeld gezahlt wird.
- 24.
- Die Waren wurden mit drei Schiffen befördert und in der Zeit vom 15. bis 31. Mai
1996 im Hafen von Batumi entladen.
- 25.
- Am 27. August 1996 übersandte die Kommission der Klägerin per Telefax und
gewöhnlichen Brief eine Abrechnung der an die georgischen Behörden zu
zahlenden Kosten, in der Eilgeldbeträge von 3 934,02 USD, 1 705 USD und
375 USD, insgesamt also 6 014,02 USD, aufgeführt waren.
- 26.
- Die Klägerin beanstandete diese Abrechnung in einem Telefax vom 29. August
1996. Gleichwohl zahlte sie die Eilgelder, um eine Einziehung ihrer Bankgarantie
zu verhindern.
Verfahren und Anträge der Parteien
- 27.
- Mit Klageschriften, die am 5. August und 24. September 1996 bei der Kanzlei des
Gerichts eingegangen sind, hat die Klägerin zwei Nichtigkeitsklagen erhoben, die
unter den Nummern T-121/96 und T-151/96 eingetragen worden sind.
- 28.
- Mit Beschluß vom 9. Dezember 1996 hat der Präsident der Vierten Kammer
gemäß Artikel 50 der Verfahrensordnung die beiden Rechtssachen zu
gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren verbunden.
- 29.
- Die Parteien haben in der Sitzung vom 5. Juni 1997 mündlich verhandelt und
Fragen des Gerichts beantwortet.
- 30.
- Das Gericht (Vierte Kammer) ist, nachdem es die Parteien zu diesem Punkt in der
Sitzung angehört hat, der Auffassung, daß die beiden Rechtssachen auch zu
gemeinsamer Entscheidung zu verbinden sind.
- 31.
- In der Rechtssache T-121/96 beantragt die Klägerin,
die Entscheidungen der Kommission, mit denen sie ihr die Zahlung eines
Eilgeldes von 21 967,19 USD auferlegt, für nichtig zu erklären und für
Recht zu erkennen, daß sie nicht verpflichtet ist, Eilgeld an die georgischen
Behörden zu zahlen;
der Kommission aufzugeben, ihr einen Betrag von 21 967,19 USD zuzüglich
anhand des aktuellen gesetzlichen Zinssatzes in Belgien berechneter Zinsen
von 8 % pro Jahr ab 30. Juli 1996 zu erstatten;
der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
- 32.
- In der Rechtssache T-151/96 beantragt die Klägerin,
die Entscheidung der Kommission vom 27. August 1996, mit der sie ihr die
Zahlung eines Eilgeldes von 6 014,02 USD auferlegt, für nichtig zu erklären
und demzufolge für Recht zu erkennen, daß sie nicht verpflichtet ist, Eilgeld
an die georgischen Behörden zu zahlen;
der Kommission aufzugeben, ihr einen Betrag von 6 014,02 USD zuzüglich
anhand des aktuellen gesetzlichen Zinssatzes in Belgien berechneter Zinsen
von 7 % pro Jahr ab 1. September 1996 zu erstatten;
der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
- 33.
- Die Kommission beantragt,
die Klage in der Rechtssache T-121/96 für unzulässig zu erklären, hilfsweise,
sie als unbegründet abzuweisen;
die Klage in der Rechtssache T-151/96 als unbegründet abzuweisen;
der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Zum Antrag, die Klage in der Rechtssache T-121/96 für unzulässig zu erklären
Vorbringen der Parteien
- 34.
- In der Gegenerwiderung macht die Kommission die Unzulässigkeit der Klage in der
Rechtssache T-121/96 wegen verspäteter Erhebung geltend. Die streitige
Entscheidung sei der Klägerin bereits am 6. Mai 1996 bekanntgegeben worden, so
daß alle anderen in der Klageschrift erwähnten Entscheidungen der Kommission
bloße Bestätigungen der streitigen Entscheidung darstellten. Die am 5. August 1996
erhobene Klage sei daher verspätet.
- 35.
- Die Kommission führt weiter aus, daß die im Stadium der Gegenerwiderung
erhobene Einrede der Unzulässigkeit nicht gegen Artikel 48 § 2 der
Verfahrensordnung verstoße, wonach neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht
mehr vorgebracht werden könnten, es sei denn, daß sie auf tatsächliche oder
rechtliche Gründe gestützt würden, die erst während des schriftlichen Verfahrens
zutage getreten seien. Aus der Rechtsprechung gehe hervor, daß die zwingenden
Prozeßhindernisse wie der Ablauf der Klagefrist, die vom Gericht von Amts wegen
berücksichtigt werden könnten, von den Parteien unabhängig vom Stand des
Verfahrens geltend gemacht werden könnten (vgl. hierzu Schlußanträge des
Generalanwalts M. Darmon zum Urteil des Gerichtshofes vom 10. März 1989 in
der Rechtssache 126/87, Del Plato/Kommission, Slg. 1989, 643, Nrn. 9 und 10).
- 36.
- Die Klägerin hat in der Sitzung erklärt, daß die Klage gemäß Artikel 173 Absatz 4
EG-Vertrag erhoben und die Zweimonatsfrist eingehalten worden sei. Diese Frist
habe im vorliegenden Fall erst am 4. Juni 1996 begonnen, dem Tag, an dem die
Kommission ihr durch ein neues Telefax den genauen Inhalt sowie die Begründung
des Telefaxes vom 6. Mai 1996 bekanntgegeben habe, so daß sie erst von diesem
Zeitpunkt an in der Lage gewesen sei, ihr Klagerecht auszuüben (Urteil des
Gerichts vom 7. März 1995 in den Rechtssachen T-432/93, T-433/93 und T-434/93,
Socurte u. a./Kommission, Slg. 1995, II-503, Randnr. 49).
- 37.
- Außerdem hat die Klägerin in der Sitzung hilfsweise vorgetragen, daß das
Schreiben vom 10. Mai 1996, mit dem sie der Kommission mitgeteilt habe, daß sie
zur Durchführung der ihr übertragenen Beförderung einen COPFrachtvertrag
geschlossen habe, eine neue Tatsache darstelle. Die Kommission habe daraufhin
eine neue Entscheidung getroffen, die der Klägerin mit Telefax vom 4. Juni 1996
bekanntgegeben worden sei, in der diese neue Tatsache berücksichtigt worden sei
(vgl. im Umkehrschluß Urteil des Gerichts vom 15. März 1995 in der Rechtssache
T-514/93, Cobrecaf u. a./Kommission, Slg. 1995, II-621, Randnr. 47).
Würdigung durch das Gericht
- 38.
- Nach ständiger Rechtsprechung ist die Klagefrist gemäß Artikel 173 des Vertrages
zwingenden Rechts und steht nicht zur Disposition der Parteien und des Gerichts,
da sie zur Gewährleistung der Klarheit und Sicherheit der Rechtsverhältnisse und
zur Vermeidung jeder Diskriminierung oder willkürlichen Behandlung bei der
Gewährung von Rechtsschutz eingeführt wurde (vgl. insbesondere Urteile des
Gerichtshofes vom 15. Januar 1987 in der Rechtssache 152/85, Misset/Rat,
Slg. 1987, 223, Randnr. 11, und vom 23. Januar 1997 in der Rechtssache C-246/95,
Coen, Slg. 1997, I-403, Randnr. 21).
- 39.
- Gemäß Artikel 113 der Verfahrensordnung kann das Gericht jederzeit von Amts
wegen prüfen, ob unverzichtbare Prozeßvoraussetzungen fehlen. Die Klagefrist von
zwei Monaten, die in Artikel 173 Absatz 5 des Vertrages für die Klageerhebung
vorgesehen ist, ist eine unverzichtbare Voraussetzung für die Zulässigkeit der
Klage. Im vorliegenden Fall ist es daher Sache des Gerichts, von Amts wegen zu
prüfen, ob diese Frist gewahrt wurde.
- 40.
- Die Frist zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung beginnt
gemäß Artikel 173 Absatz 5 des Vertrages mit der Bekanntgabe an ihren
Adressaten. Nach ständiger Rechtsprechung soll die Bekanntgabe es dem
Betroffenen erlauben, von der Entscheidung und den Gründen, mit denen das
Organ sie rechtfertigen will, in zweckdienlicher Weise Kenntnis zu nehmen. Für die
ordnungsgemäße Bekanntgabe einer Entscheidung ist es erforderlich, daß sie ihrem
Adressaten mitgeteilt wurde und dieser von ihr Kenntnis nehmen kann (vgl. zuletzt
Urteil des Gerichts vom 3. Juni 1997 in der Rechtssache T-196/95, H/Kommission,
Slg. ÖD 1997, II-403, Randnr. 31).
- 41.
- Daher ist festzustellen, ob das Telefax vom 6. Mai 1996 eine Entscheidung darstellt,
die mit einer Nichtigkeitsklage gemäß Artikel 173 des Vertrages angefochten
werden kann, und, wenn ja, ob sie der Klägerin ordnungsgemäß bekanntgegeben
wurde.
- 42.
- Um zu beurteilen, ob das Telefax vom 6. Mai 1996 eine Entscheidung darstellt, ist
zu prüfen, ob es Rechtswirkungen erzeugen kann (Urteil des Gerichtshofes vom
27. März 1980 in der Rechtssache 133/79, Sucrimex und Westzucker/Kommission,
Slg. 1980, 1299, Randnr. 15).
- 43.
- Insoweit ergibt sich aus diesem Telefax, daß die Kommission die Klägerin gemäß
der Vereinbarung verpflichtet, Entlade- und Beförderungskosten in Höhe
89 940,87 USD einschließlich eines Betrages von 21 967,19 USD an Eilgeld binnen
20 Tagen an die georgischen Behörden zu zahlen. Es erwähnt nämlich Artikel 12
Absatz 4 Buchstabe b zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 2009/95, wonach
die von der Klägerin gestellte Bankgarantie in Höhe des fälligen Betrages, erhöht
um die Transferkosten, einzubehalten ist, wenn die Zahlung nicht innerhalb der
gesetzten Frist erfolgt. Dieses Telefax stellt somit eine die Klägerin beschwerende
Maßnahme dar, von der sie am 6. Mai 1996 eindeutig Kenntnis nehmen konnte.
- 44.
- Zu der Frage, ob die Klägerin von der Begründung der streitigen Entscheidung
Kenntnis nehmen konnte, sind zwei Feststellungen zu treffen.
- 45.
- Erstens verweist die streitige Entscheidung ausdrücklich auf die Vereinbarung, von
der die Klägerin die maßgebenden Auszüge erhalten hatte. Die von der Klägerin
in ihrem Telefax vom 10. Mai 1996 verwendeten Formulierungen zeigen insoweit,
daß sie die von der Kommission zur Rechtfertigung ihrer Entscheidung
angegebenen Gründe erkannt hatte, da sie bestreitet, daß auf die Vereinbarung
Bezug genommen werden könne, um sie zur Zahlung von Eilgeld an die
georgischen Behörden zu zwingen. Punkt 6 dieser Vereinbarung bestimmt in bezug
auf die Abrechnung der Kommission über die Entlade- und Beförderungskosten
nach Durchführung des Transports jedoch, daß diese Kosten von der Kommission
unter Berücksichtigung des „demurrage“ und des Eilgeldes berechnet werden.
- 46.
- Zweitens hat die Klägerin zu keiner Zeit, weder vor Klageerhebung noch vor dem
Gericht, bestritten, daß die Angaben in der von der Kommission mit ihrem Telefax
vom 6. Mai 1996 übermittelten und von der Klägerin in der Sitzung anerkannten
„time sheet dispatch/demurrage calculation“ sachlich richtig sind. Dieses
Schriftstück enthält alle Einzelangaben, die zur Berechnung des fälligen Eilgeldes
erforderlich waren, wie z. B. die Entladequote (bereits in Punkt 9 der Vereinbarung
erwähnt), den Tagestarif des Eilgeldes, die Tonnage des zu entladenden Schiffes,
das Datum der Ankunft des Schiffes, Tag und Uhrzeit des Beginns des Entladens
und Tag und Uhrzeit der Beendigung des Entladens sowie eine vollständige
Übersicht nach Tagen über die Entlademaßnahmen. Die Klägerin kann daher
heute nicht, wie sie es in der Sitzung getan hat, behaupten, daß die streitige
Entscheidung unvollständig gewesen sei und ihr gegenüber folglich keine
Rechtswirkungen habe entfalten können, da sie nicht in der Lage gewesen sei, die
Richtigkeit der Angaben in dieser „time sheet dispatch/demurrage calculation“
zu prüfen, bevor sie die Kopie des Originals mit dem Schreiben der Kommission
vom 17. Juli 1996 erhalten habe.
- 47.
- Aus alledem geht hervor, daß das Telefax vom 6. Mai 1996 eine Entscheidung
darstellte, die Rechtswirkungen gegenüber der Klägerin entfalten konnte, und daß
sie ihr ordnungsgemäß bekanntgegeben wurde. Mit Erhalt des Telefax war die
Klägerin daher in der Lage, das ihr in Artikel 173 des Vertrages zuerkannte
Klagerecht auszuüben. Demnach hat die Klagefrist von zwei Monaten am 6. Mai
1996 begonnen.
- 48.
- Dieses Ergebnis wird nicht dadurch entkräftet, daß die Kommission am 4. Juni
1996 ein Telefax als Antwort auf das Telefax der Klägerin vom 10. Mai 1996
gesandt hat. Dieses Telefax vom 4. Juni 1996, mit dem die Kommission es ablehnte,
ihre im Telefax vom 6. Mai 1996 enthaltene frühere Entscheidung rückgängig zu
machen, hat die Rechtsstellung der Klägerin nämlich nicht erheblich gegenüber
derjenigen, die durch diese frühere Entscheidung begründet wurde, geändert, da
die Kommission diese Entscheidung lediglich bestätigt hat, ohne irgendeinen neuen
Gesichtspunkt anzuführen, der geeignet war, verbindliche Rechtswirkungen zu
erzeugen, die die Interessen der Klägerin beeinträchtigen konnten (vgl. hierzu
Urteil Cobrecaf u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 45, und Urteil des
Gerichtshofes vom 11. Januar 1996 in der Rechtssache C-480/93 P, Zunis Holding
u. a./Kommission, Slg. 1996, I-1, Randnrn. 11 bis 14).
- 49.
- Der Hinweis auf Artikel 10 Absatz 5 der Verordnung Nr. 2009/95 im Telefax vom
4. Juni 1996 ist als eine bloße Erläuterung der Rechtsgrundlage anzusehen, auf die
die im Telefax vom 6. Mai 1996 enthaltene ursprüngliche Entscheidung bereits
durch Bezugnahme auf die Vereinbarung gestützt war. Dieser Hinweis ist daher
kein Beweis dafür, daß die Kommission die Angelegenheit im Anschluß an das
Telefax der Klägerin vom 10. Mai 1996 nochmals geprüft hat. Außerdem bestätigt
die Kommission in ihrer Antwort eindeutig, daß sich die Verpflichtung zur Zahlung
des Eilgeldes ausschließlich auf die einschlägigen Verordnungsbestimmungen stütze,
„unabhängig von anderslautenden Verträgen, die die Wirtschaftsteilnehmer mit
ihrem Reeder geschlossen haben mögen“. Die Existenz eines für den betreffenden
Transport von der Klägerin geschlossenen COP-Frachtvertrags, von der sie die
Kommission erst in ihrem Telefax vom 10. Mai 1996 in Kenntnis gesetzt hat, stellt
somit keine neue Tatsache dar. Da dieser Frachtvertrag nichts mit dem
Rechtsverhältnis zwischen der Kommission und der Klägerin zu tun hatte, konnte
er nämlich die Beurteilung der Kommission hinsichtlich des Vorliegens und der
Grundlage der Zahlungspflicht, die durch die im Telefax vom 6. Mai 1996
enthaltene Entscheidung auferlegt wurde, nicht ändern.
- 50.
- Demnach stellte das Telefax vom 4. Juni 1996 gegenüber der im Telefax vom
6. Mai 1996 enthaltenen Entscheidung keine neue Entscheidung dar.
- 51.
- Die Klagefrist von zwei Monaten, die um die in Artikel 102 § 2 der
Verfahrensordnung für in Belgien ansässige Parteien vorgesehene Entfernungsfrist
von zwei Tagen verlängert wird, ist folglich am 8. Juli 1996 um Mitternacht
abgelaufen.
- 52.
- Die in der Rechtssache T-121/96 am 5. August 1996 eingereichte Klage ist somit
verspätet und aus diesem Grund unzulässig.
- 53.
- Da die zur Sache vorgebrachten Klagegründe und Argumente im übrigen die
gleichen sind wie in der Rechtssache T-151/96, hätte die Klage jedenfalls aus den
gleichen Gründen als unbegründet abgewiesen werden müssen, wie sie nachfolgend
im Rahmen dieser Rechtssache dargelegt werden.
Zu den Anträgen in der Rechtssache T-151/96, die streitige Entscheidung für
nichtig zu erklären und der Kommission aufzugeben, das gezahlte Eilgeld
zuzüglich Zinsen zu erstatten
- 54.
- In ihrer Erwiderung macht die Klägerin geltend, daß der Inhalt ihrer Klageschrift
und ihrer Erwiderung in der Rechtssache T-121/96 als in der Rechtssache T-151/96
in vollem Umfang erneut vorgetragen anzusehen sei. Zu diesem Zweck hat sie
diese beiden Schriftsätze ihrer Erwiderung beigefügt.
- 55.
- Da die beiden Rechtssachen verbunden sind, ist somit bei der Entscheidung der
Rechtssache T-151/96 das Vorbringen der Klägerin in der Rechtssache T-121/96 zu
berücksichtigen.
- 56.
- Die Klageschrift ist wenig strukturiert, und die von der Klägerin für ihre Anträge
auf Nichtigerklärung angeführten Klagegründe sind als solche nicht kenntlich
gemacht. Die Kommission konnte jedoch zur Sache Stellung nehmen, und die vomBerichterstatter im Sitzungsbericht vorgenommene Gliederung der Argumente ist
von den Parteien gebilligt worden. Das Gericht ist somit in der Lage, seine
Kontrolle auszuüben.
Erster Klagegrund: Verstoß gegen die Verordnung Nr. 2009/95 sowie gegen die
Vereinbarung
Vorbringen der Parteien
- 57.
- Nach Meinung der Klägerin stellt die Entscheidung, ihr die Zahlung eines Eilgeldes
von 6 014,02 USD aufzuerlegen, einen Verstoß gegen die Verordnung Nr. 2009/95
sowie gegen die Vereinbarung dar, da in keinem der beiden Rechtsakte irgendein
Tarif festgelegt sei, der als Grundlage für die Berechnung dieser Kosten dienen
könne. Die Klägerin könne deshalb nicht als Schuldnerin des an die georgischen
Behörden zu zahlenden Eilgeldes angesehen werden.
- 58.
- Die Kommission sei in der Lage gewesen, den Eilgeldtarif bei der Bekanntgabe der
Ausschreibung oder zumindest bei der Zuschlagserteilung festzulegen. Die
Vereinbarung sei nämlich am 6. Oktober 1995 geschlossen worden, so daß zum
Zeitpunkt der Zuschlagserteilung am 27. März 1996 die Sätze des Eilgeldes hätten
bekanntgegeben werden können. Seit der Abgabe des Angebots der Klägerin sei
die Kommission über alle technischen Daten der zur Durchführung der der
Klägerin übertragenen Beförderung vorgesehenen Schiffe unterrichtet gewesen, da
die Klägerin gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe d Nummer 3 der Verordnung
Nr. 2009/95 zu deren Angabe verpflichtet gewesen sei. Außerdem zeige die Praxis
der Kommission, daß sie sehr wohl in der Lage sei, den Eilgeldtarif zum Zeitpunkt
des Erlasses der Verordnung über die Ausschreibung festzulegen. Die Klägerin
verweist hierzu auf die Verordnung (EG) Nr. 1416/96 der Kommission vom 22. Juli
1996 über die Lieferung von Weichweizen im Rahmen der Nahrungsmittelhilfe
(ABl. L 182, S. 1; im folgenden: Verordnung Nr. 1416/96), in der die Eilgeldtarife
für eine Lieferung nach Bangladesch enthalten gewesen seien.
- 59.
- Die Klägerin fragt sich außerdem nach den Gründen, die die Kommission veranlaßt
hätten, die für die Berechnung des Eilgeldes erforderlichen Angaben erst in ihrer
Klagebeantwortung offenzulegen, obwohl sie dies in einem früheren Stadium der
Ausschreibung hätte tun können.
- 60.
- Die Ansicht der Kommission, daß die Klägerin zur Zahlung eines Eilgeldes
verpflichtet sei, laufe darauf hinaus, daß die Klägerin zu dem Zeitpunkt, zu dem
sie das Schiff charterte, einen Tarif hätte vorsehen müssen, ohne den letztlich
geschuldeten Betrag zu kennen. Insoweit könne sich die Kommission nicht darauf
berufen, daß die Klägerin die Tarife hätte heranziehen können, die bei früheren
Operationen der Nahrungsmittelhilfe auf der Grundlage der Verordnung (EG)
Nr. 1999/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über Maßnahmen zur unentgeltlichen
Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse für die Bevölkerung von Georgien,
Armenien, Aserbaidschan, Kirgistan und Tadschikistan (ABl. L 201, S. 1) gegolten
hätten, da diese Transporte 1994 und 1995 stattgefunden hätten, während der
vorliegende Transport 1996 durchgeführt worden sei.
- 61.
- Schließlich führt die Klägerin in ihrer Erwiderung an, daß die Kommission dadurch,
daß sie eine niedrige Entladequote in die Vereinbarung aufgenommen habe, ohne
gleichzeitig den Eilgeldtarif vorzusehen, indirekt eine Bestimmung ausgearbeitet
habe, die es bei raschem Entladen ermögliche, daß der Bieter dem Empfänger der
Nahrungsmittelhilfe, d. h. im vorliegenden Fall den georgischen Behörden, eine Art
Beihilfe zahle. In einem solchen Fall sei die Zahlung von Eilgeld durch den Bieter
unsinnig, und dies um so mehr, wenn der geforderte Betrag außer Verhältnis zum
Wert der beförderten Lebensmittel stehe. Wenn dieses Argument als eine neue
Tatsache angesehen würde, wäre es im Hinblick auf Artikel 48 § 2 der
Verfahrensordnung gleichwohl zulässig, da es auf einen Gesichtspunkt gestützt sei,
der durch die Übermittlung der Anlage I zur Klagebeantwortung in der
Rechtssache T-121/96 zu ihrer Kenntnis gelangt sei.
- 62.
- Die Kommission hält dem in erster Linie entgegen, daß der bloße Umstand, daß
in der Verordnung Nr. 2009/95 oder in der Vereinbarung kein Eilgeldtarif
vorgesehen sei, nicht ausreiche, um die Klägerin von der Zahlung des Eilgeldes zu
befreien, da sich aus Artikel 10 Absatz 5 dieser Verordnung und aus den Punkten
5 und 9 der Vereinbarung ergebe, daß die Klägerin Schuldnerin des Eilgeldes sei.
Die Kommission verweist insoweit auf Artikel 55 des Übereinkommens der
Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf, wonach
der Käufer in den Fällen, in denen der Vertrag keinen Kaufpreis festsetze,
verpflichtet sei, den Preis zu zahlen, der bei Vertragsabschluß allgemein für
derartige Güter, die auf dem betreffenden Markt unter vergleichbaren Umständen
verkauft würden, festgesetzt sei.
- 63.
- Daher ist nach Auffassung der Kommission zu prüfen, ob die von der Klägerin
geforderten Eilgelder der Höhe nach angemessen waren. Der Eilgeldtarif, der
letztlich in der zwischen der Kommission und den georgischen Behörden
geschlossenen Vereinbarung berücksichtigt worden sei, könne jedoch nicht als
unangemessen angesehen werden, da bei einer früheren Maßnahme der
Lebensmittelhilfe, bei der die Unternehmen berechtigt gewesen seien, die
Eilgeldtarife individuell auszuhandeln, Tarife in vergleichbarer Höhe vereinbart
worden seien. Außerdem ergebe sich aus Nr. 18 des ersten Teils des Frachtvertrags,
den die Klägerin mit dem Eigentümer eines für den betreffenden Transport
gecharterten Schiffes geschlossen habe und den sie der Klageschrift in der
Rechtssache T-151/96 beigefügt habe, sowie aus dessen Zusatzklausel Nr. 23, daß
die Liegegelder auf 2 200 USD festgelegt gewesen seien, so daß der von der
Kommission in dieser Rechtssache zugrunde gelegte Eilgeldtarif, nämlich 750 USD
für das Schiff, das weniger als 1 000 Tonnen befördert habe, und 1 100 USD für
die beiden anderen Schiffe, die zwischen 1 000 und 2 000 Tonnen befördert hätten,
nicht unangemessen sei, wobei davon auszugehen sei, daß das Eilgeld
normalerweise halb so hoch sei wie die Liegegelder.
- 64.
- Die Kommission unterstreicht, daß die Klägerin die Angemessenheit der zugrunde
gelegten Eilgeldtarife nicht bestreite, sondern sich auf die Behauptung beschränke,
es werde überhaupt kein Eilgeld geschuldet, da diese Tarife nicht in den bei der
Zuschlagserteilung mitgeteilten Auszügen der Vereinbarung enthalten gewesen
seien. Sie fügt hinzu, daß kein anderes Unternehmen die Zahlung des Eilgeldes
verweigert habe, weil der Tarif zu jenem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen sei.
- 65.
- Die Kommission vertritt zweitens die Meinung, daß das Rechtsverhältnis zwischen
ihr und der Klägerin von dem zwischen der Klägerin und dem Schiffseigner, dem
Reeder, zu unterscheiden sei.
- 66.
- Das Verhältnis zwischen der Kommission und der Klägerin richte sich
ausschließlich nach der Verordnung Nr. 2009/95 und der Vereinbarung. So sehe
Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2009/95 beispielsweise vor, daß die
Kommission ohne Rücksicht auf den zwischen der Klägerin und dem Reeder
tatsächlich festgelegten Preis einen Pauschalpreis je beförderter Tonne zahle. Aus
diesen Regelungen ergebe sich eindeutig, daß die Klägerin Schuldnerin des fälligen
Eilgeldes sei. Ebenso sei die mit den georgischen Behörden geschlossene
Vereinbarung darauf gerichtet, die Zahlung der Liegegelder an die Unternehmen
sicherzustellen, die die vorgesehenen Transporte durchführten. Aus diesem Grund
seien diese verpflichtet, nur 70 % der Entladekosten im voraus zu zahlen, da der
Differenzbetrag von 30 % erst fällig werde, wenn die aufgrund der tatsächlichen
Entladedauer eventuell anfallenden Liegegelder abgezogen seien. Im Gegenzug
hätten die georgischen Behörden verlangt, daß zu diesem Differenzbetrag von 30 %
bei rascher Entladung Eilgeld addiert werde. Der Wortlaut von Punkt 6 der
Vereinbarung, wonach die Zahlung von Eilgeld und Liegegeldern nicht unmittelbar
mit den Häfen geregelt werden könnten und dieser Differenzbetrag zusammen mit
den Liegegeldern und dem Eilgeld berechnet werde („together with demurrage and
dispatch“), finde seine Erklärung in diesem doppelten Erfordernis. Außerdem seien
nach Punkt 2 dieser Vereinbarung die georgischen Behörden und nicht die Klägerin
als Befrachter für das Entladen verantwortlich gewesen. Gegebenenfalls wären
daher, anders als im Normalfall, diese Behörden und nicht die Klägerin zur
Zahlung von Liegegeldern verpflichtet gewesen oder ermächtigt gewesen, Eilgeld
zu erheben.
- 67.
- Demgegenüber werde das Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Reeder, dem
Eigentümer der gecharterten Schiffe, durch die zwischen ihnen geschlossenen
Frachtverträge geregelt. So sei in der Klausel Nr. 23 des der Klageschrift in der
Rechtssache T-151/96 beigefügten Frachtvertrags vorgesehen, daß kein Eilgeld
geschuldet werde, so daß der Schiffseigner im Gegensatz zum Normalfall nicht
verpflichtet gewesen sei, das Eilgeld an die Klägerin (den Befrachter) zu zahlen.
Allerdings berührten diese Frachtverträge nicht die Verpflichtung, die die
Verordnung Nr. 2009/95 sowie die Vereinbarung der Klägerin als Empfängerin des
Zuschlags der betreffenden Beförderung auferlegten, das Eilgeld an die georgischen
Behörden, die an ihrer Stelle für das Entladen verantwortlich gewesen seien, zu
zahlen. Diese Verträge sollten ausschließlich das Verhältnis zwischen Klägerin und
Reeder regeln. Die Kommission macht ferner geltend, daß die Klägerin die
Frachtverträge unter Berücksichtigung der Vereinbarung, deren Inhalt sie gekannt
habe, hätte abfassen können. Indem sie vorgesehen habe, daß der Schiffseigner
nicht zur Zahlung von Eilgeld verpflichtet sei, habe sie sich daher bewußt dem
Risiko ausgesetzt, es selbst zahlen zu müssen.
- 68.
- Die Kommission trägt drittens vor, daß sie zum Zeitunkt der Unterzeichnung der
Vereinbarung nicht in der Lage gewesen sei, die genaue Höhe des Eilgeldes
festzusetzen, da dieser Betrag von mehreren damals unbekannten Faktoren
abhängig gewesen sei, wie dem Entladehafen, der Tonnage des Schiffes, dessen
Zustand sowie der Preisentwicklung auf dem Seetransportmarkt. Die angewandten
Tarife seien erst festgesetzt worden, nachdem diese Informationen verfügbar
gewesen seien. Außerdem sei es unmöglich gewesen, die Tonnage der eingesetzten
Schiffe auf der Grundlage der Angaben in den Angeboten der Klägerin zu
bestimmen, da diese Angaben nur einen Hinweis auf den Schiffstyp enthalten, aber
weder die Zahl der Schiffe noch deren Tonnage bezeichnet hätten. Bei der
Verordnung Nr. 1416/96, auf die die Klägerin verweise, sei es der Kommission
dagegen möglich gewesen, die Tonnage der Schiffe, die für den betreffenden
Transport verwendet worden seien, vorherzusehen und dementsprechend den
anwendbaren Eilgeldtarif im voraus festzusetzen. Die Kommission weist ferner
darauf hin, daß sich die Klägerin nie nach dem anzuwendenden Eilgeldtarif
erkundigt habe und daß sie somit offenbar keinen Einwand dagegen gehabt habe,
daß dieser Tarif in den ihr zugesandten Unterlagen nicht ausdrücklich genannt
gewesen sei.
- 69.
- Die Kommission vertritt viertens die Auffassung, das Vorbringen, wonach die
Zahlung des Eilgeldes eine Art Beihilfe für die georgischen Behörden sei, stelle
eine im Hinblick auf Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung unzulässige neue
Tatsache dar, da es sich auf zwei die Berechnung der Höhe des fälligen Eilgeldes
betreffende tatsächliche Gesichtspunkte beziehe, die die Klägerin bereits vor
Erhebung der vorliegenden Klage gekannt habe. Die Kommission verweist darauf,
daß die berücksichtigte Entladequote in Punkt 9 der bei der betreffenden Vergabe
übermittelten Auszüge aus der Vereinbarung enthalten gewesen sei und daß der
Eilgeldtarif in den streitigen Entscheidungen festgesetzt gewesen sei. Jedenfalls sei
die vorgesehene Entladequote nicht zu niedrig gewesen, da die Art der beförderten
Waren und die in Georgien vorhandenen Anlagen berücksichtigt worden seien.
Würdigung durch das Gericht
- 70.
- Die Beziehungen zwischen der Klägerin und der Kommission regeln sich
ausschließlich nach der Verordnung Nr. 1975/95 des Rates, den im Rahmen dieser
Verordnung erlassenen Verordnungen Nrn. 2009/95 und 449/96 der Kommission,
der Entscheidung vom 27. März 1996 und der zwischen der Kommission und den
georgischen Behörden geschlossenen Vereinbarung, deren maßgebende Auszüge
dem Schreiben der Kommission vom 28. März 1996 beigefügt waren.
- 71.
- Aus diesen Rechtsakten geht eindeutig hervor, daß die Unternehmen, an die die
Transporte vergeben waren, gegebenenfalls Eilgeld an die georgischen Behörden
zu zahlen hatten.
- 72.
- So sieht Artikel 10 Absatz 5 der Verordnung Nr. 2009/95 vor, daß die den
georgischen Behörden zu leistenden Zahlungen für das Entladen und die
Beförderung sowie für Liege- und Eilgelder nach den Modalitäten und zu den
Bedingungen zu tätigen sind, die in der Vereinbarung festgelegt sind. Diese
Bestimmung sieht daher nicht nur vor, daß die Modalitäten und die Bedingungen
der Zahlung des Eilgeldes in der Vereinbarung geregelt werden, sondern sie stellt
auch eindeutig den Grundsatz auf, daß gegebenenfalls Eilgeld an die georgischen
Behörden zu zahlen ist, wenn sie die Formulierung verwendet: „die den
georgischen Behörden zu leistenden Zahlungen für ... Eilgelder“.
- 73.
- Die Zahlungsmodalitäten sind in der Vereinbarung folgendermaßen geregelt. Nach
Punkt 5 hat das Unternehmen, das den Zuschlag für die Beförderung erhalten hat,
vor dem Eintreffen des Schiffes im georgischen Hafen 70 % der auf der Grundlage
der beförderten Mengen berechneten Kosten für die Beförderung und für das
Entladen zu zahlen. Punkt 6 bestimmt, daß der Differenzbetrag von 30 % sowie dieLiegegelder und das Eilgeld („together with demurrage and dispatch“) von der
Kommission nach dem Entladen auf der Grundlage von „time sheets“ berechnet
werden, die der Kapitän und die Hafenbehörden gemeinsam erstellen. Darin heißt
es außerdem, daß die Zahlung von Liege- oder Eilgeldern nicht unmittelbar mit
den Hafenbehörden geregelt werden kann. Schließlich hat nach Punkt 7 der
Unternehmer den Betrag, auf den in Punkt 6 verwiesen wird, binnen 14 Tagen zu
zahlen.
- 74.
- Aus diesen Punkten 5, 6 und 7 der Vereinbarung ergibt sich somit, daß die
Berechnung, die von der Kommission erstellt wird, nachdem die georgischen
Behörden das Schiff entladen haben, nicht nur den Differenzbetrag der
Entladekosten, sondern gegebenenfalls auch das Eilgeld umfaßt und daß das
Unternehmen, dem der Zuschlag für den Transport erteilt wurde, dieses Eilgeld zu
zahlen hat.
- 75.
- Der Umstand, daß die Klägerin mit einem Reeder einen Frachtvertrag geschlossen
hat, der die Zahlung eines Eilgeldes durch den Reeder ausschließt, berührt in
keiner Weise ihre Rechtsstellung im Verhältnis zur Kommission, da dieser
Frachtvertrag lediglich die Beziehungen zwischen der Klägerin und dem Reeder
regeln soll. Die Klausel „no dispatch“ bedeutet nur, daß der Befrachter nicht
verpflichtet ist, Eilgeld an die Klägerin zu zahlen, selbst wenn diese auf der
Grundlage von Artikel 10 Absatz 5 der Verordnung Nr. 2009/95 sowie der
Vereinbarung ein solches Eilgeld an die georgischen Behörden zu zahlen hätte.
- 76.
- Wie die Klägerin in der Sitzung eingeräumt hat, ist sie mit der Annahme dieser „no
dispatch“-Klausel daher ein Risiko eingegangen. Sie hat ausgeführt, sie habe dieses
Risiko in Kauf genommen, da sie überzeugt gewesen sei, daß die fehlende
Mitteilung eines präzisen Eilgeldtarifs bei Zuschlagserteilung es verhindert habe,
daß tatsächlich eine Verpflichtung entstehe, gegebenenfalls Eilgeld an die
georgischen Behörden zu zahlen. Diese Überzeugung ist jedoch falsch. Daß der
Eilgeldtarif bei Zuschlagserteilung an die Klägerin nicht mitgeteilt wurde, befreit
diese nicht von einer solchen Verpflichtung. In der Vereinbarung wurde nämlich
eindeutig dem Unternehmen, das den Zuschlag erhalten hat, die Verpflichtung zur
Zahlung des Eilgeldes auferlegt, auch wenn dessen Höhe nicht durch Festlegung
des anzuwendenden Tarifs bestimmt wurde. Im übrigen verpflichtet keine andere
Bestimmung der für die Beziehungen zwischen der Kommission und der Klägerin
geltenden Rechtsvorschriften die Kommission, den Eilgeldtarif vor oder bei der
Vergabe der verschiedenen Beförderungsaufträge festzulegen. Unter diesen
Umständen hat die fehlende Mitteilung der bei Zuschlagserteilung geltenden Tarife
keinen Einfluß auf das Bestehen der Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung von
Eilgeld.
- 77.
- Darüber hinaus kann die genaue Höhe eines Eilgeldes erst nach dem Entladen
eines Schiffes festgelegt werden, so daß die Bestimmung dieses Betrages vor dem
Entladen selbst dann ungewiß bleibt, wenn die angewandten Tarife im voraus
bekannt sind. Sind diese Tarife wie im vorliegenden Fall bei Zuschlagserteilung
nicht bekannt, so hat der Zuschlagsempfänger mit der Anwendung eines
angemessenen Tarifs zu rechnen.
- 78.
- Die Klägerin bestreitet jedoch insoweit nicht, daß der im vorliegenden Fall letztlich
angewandte Eilgeldtarif angemessen war, was sie in der Sitzung nochmals bestätigt
hat.
- 79.
- Die Klägerin hätte sich jedenfalls da sie seit der Abgabe ihres Angebots auf der
Grundlage von Artikel 10 Absatz 5 der Verordnung Nr. 2009/95, genauer, seit der
Übermittlung der Auszüge aus der Vereinbarung bei der Zuschlagserteilung wußte,
daß möglicherweise Eilgeld fällig wird beim Auftreten von Schwierigkeiten bei
der Kommission informieren können, um die genauen Tarife zu erfahren und das
Risiko besser einschätzen zu können, das sie beim Abschluß von Frachtverträgen
mit einer „no dispatch“-Klausel einging.
- 80.
- Das von der Klägerin in ihrer Erwiderung vorgetragene Argument, wegen der
Höhe des geschuldeten Eilgeldes liege eine den georgischen Behörden gewährte
versteckte Beihilfe vor, stellt eine im Hinblick auf Artikel 48 § 2 der
Verfahrensordnung unzulässige neue Tatsache dar, da es auf zwei tatsächlichen
Gesichtspunkten beruht, die der Klägerin bereits bei Erhebung der Klage bekannt
waren. Die Berechnung der Höhe des Eilgeldes hängt nämlich von der
vorgesehenen Entladequote und vom angewandten Eilgeldtarif ab. Der erste
Gesichtspunkt ist jedoch in Punkt 9 der Auszüge aus der Vereinbarung enthalten,
die der Klageschrift in beiden Rechtssachen beigefügt waren, und der zweite ist in
den beiden Entscheidungen genannt, um die es bei den vorliegenden Klagen geht
und die ebenfalls der Klageschrift in beiden Rechtssachen beigefügt waren.
- 81.
- Nach alledem ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.
Zweiter Klagegrund: Wenig klare Berechnung des geschuldeten Eilgeldes
Vorbringen der Parteien
- 82.
- Die Klägerin macht außerdem geltend, daß die in der streitigen Entscheidung
enthaltenen Berechnungen der fälligen Beträge unklar seien.
- 83.
- Die Kommission entgegnet, daß die Art der Berechnung des fälligen Eilgeldbetrags
eindeutig aus den als „time sheet dispatch/demurrage calculation“ bezeichneten
Unterlagen hervorgehe und daß die verschiedenen Berechnungen fehlerfrei seien.
Würdigung durch das Gericht
- 84.
- Die Berechnung des fälligen Eilgeldbetrags geht eindeutig aus den als „time sheet
dispatch/demurrage calculation“ bezeichneten Unterlagen hervor, die die
Kommission der Klägerin als Bestandteil der streitigen Entscheidung übermittelt
hat.
- 85.
- In der Sitzung hat die Klägerin auf eine Frage des Gerichts geantwortet, daß die
Beanstandung der mangelnden Klarheit in Wirklichkeit ausschließlich darauf
bezogen gewesen sei, daß die bei den Berechnungen angewandten Eilgeldtarife der
Klägerin zuvor nicht bekannt gewesen seien. Dem ist zu entnehmen, daß die
Berechnungen für die Klägerin völlig klar waren, daß sie in Wirklichkeit aber mit
diesem zweiten Klagegrund grundsätzlich erneut die eigentliche Verpflichtung zur
Zahlung eines Eilgeldes bestreitet, was aber Gegenstand des Vorbringens im
Rahmen des ersten Klagegrundes war.
- 86.
- Folglich ist der zweite Klagegrund ebenso wie der erste zurückzuweisen, zumal die
Klägerin vor dem Gericht keineswegs bestritten hat, daß sämtliche Berechnungen
korrekt sind und auf der Anwendung angemessener Eilgeldtarife beruhen.
- 87.
- Nach alledem sind die Anträge auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung in
vollem Umfang zurückzuweisen. Folglich sind auch die Anträge, die Kommission
zur Erstattung des gezahlten Eilgeldes zuzüglich Zinsen zu verurteilen,
gegenstandslos geworden.
Kosten
- 88.
- Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf
Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem
Vorbringen unterlegen ist, sind ihr entsprechend den Anträgen der Kommission die
Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Vierte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Rechtssachen T-121/96 und T-151/96 werden zu gemeinsamer
Entscheidung verbunden.
2. Die Klage in der Rechtssache T-121/96 wird als unzulässig abgewiesen.
3. Die Klage in der Rechtssache T-151/96 wird abgewiesen.
4. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 18. September 1997.
Der Kanzler
Der Präsident
H. Jung
K. Lenaerts