Language of document : ECLI:EU:C:2021:758

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

ATHANASIOS RANTOS

vom 23. September 2021(1)

Rechtssachen C128/20, C134/20 und C145/20

GSMB Invest GmbH & Co. KG

gegen

Auto Krainer Gesellschaft mbH

(Vorabentscheidungsersuchen des Landesgerichts Klagenfurt [Österreich])

und

IR

gegen

Volkswagen AG

(Vorabentscheidungsersuchen des Landesgerichts Eisenstadt [Österreich])

sowie

DS

gegen

Porsche Inter Auto GmbH & Co KG,

Volkswagen AG

(Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs [Österreich])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Rechtsangleichung – Verordnung (EG) Nr. 715/2007 – Kraftfahrzeuge – Art. 3 Nr. 10 – Art. 5 Abs. 1 und 2 – Dieselmotor – Schadstoffemissionen – In den Rechner zur Motorsteuerung integrierte Software – Abgasrückführventil – Durch ein ‚Thermofenster‘ begrenzte Reduzierung der Stickoxidemissionen – Abschalteinrichtung – Zulassung einer solchen Einrichtung, wenn diese notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen – Im Rahmen einer Nachbesserung des Fahrzeugs eingebaute Einrichtung – Richtlinie 1999/44/EG – Verbrauchsgüterkauf und Garantien für Verbrauchsgüter – Dem Kaufvertrag gemäße Güter – Art. 2 Abs. 2 Buchst. d – Vermutung der Vertragsmäßigkeit von Gütern, die eine Qualität und Leistungen aufweisen, die bei Gütern der gleichen Art üblich sind und die der Verbraucher vernünftigerweise erwarten kann – Gültige EG-Typgenehmigung – Art. 3 Abs. 6 – Kauf des betreffenden Fahrzeugs, obwohl der Verbraucher zum Zeitpunkt des Verkaufs Kenntnis von der Existenz der Abschalteinrichtung hatte – Geringfügige Vertragswidrigkeit“






I.      Einleitung

1.        Gemäß Art. 11 AEUV müssen „[d]ie Erfordernisse des Umweltschutzes … bei der Festlegung und Durchführung der Unionspolitiken und ‑maßnahmen insbesondere zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung einbezogen werden“. Das geschärfte Bewusstsein für die Bedeutung des Umweltschutzes kommt u. a. in dem Bestreben des Gesetzgebers der Europäischen Union zum Ausdruck, die Emission von Schadstoffen zu begrenzen(2).

2.        In diesem Sinne wurden Kraftfahrzeuge immer strengeren Vorschriften unterworfen(3), namentlich mit Erlass der Verordnung (EG) Nr. 715/2007(4). Die Automobilhersteller müssen sich zwangsläufig an neue gemeinsame technische Anforderungen für die Betriebserlaubnis solcher Fahrzeuge anpassen, was zu Konflikten mit Behörden und Verbrauchern führen kann.

3.        So wurde in der Rechtssache, in der das Urteil vom 17. Dezember 2020, X (Abschalteinrichtung für Dieselmotoren) (C‑693/18, im Folgenden: Urteil X, EU:C:2020:1040), ergangen ist, dem betroffenen Automobilhersteller vorgeworfen, Fahrzeuge mit einer Software in Verkehr gebracht zu haben, die die Ergebnisse der Tests von Schadstoffemissionen, insbesondere von NOx, verfälschen sollte(5). In diesem Urteil hat der Gerichtshof erstmals den Begriff „Abschalteinrichtung“ im Sinne von Art. 3 Nr. 10 der Verordnung Nr. 715/2007 ausgelegt und bestimmt, inwieweit eine solche Einrichtung nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. a dieser Verordnung unzulässig ist, der Ausnahmen vom Verbot einer Abschalteinrichtung vorsieht, zu denen die Notwendigkeit zählt, den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten.

4.        Die drei vorliegenden Rechtssachen knüpfen insoweit an jene Rechtssache an, als sie Fahrzeuge betreffen, die mit einer in den Rechner zur Motorsteuerung integrierten Software ausgestattet sind, welche unter bestimmten Außentemperaturbedingungen und ab einer bestimmten Höhe des Fahrbetriebs die Reduzierung der Emissionen von Stickoxid (NOx) begrenzt, wodurch die in der Verordnung Nr. 715/2007 festgelegten Grenzwerte überschritten werden. Die Vorlagefragen lauten im Wesentlichen: Stellt eine derartige Software eine „Abschalteinrichtung“ im Sinne von Art. 3 Nr. 10 dieser Verordnung dar? Wenn ja, ist diese Software gemäß Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung zulässig? Falls die Software unzulässig ist, kann ihre Verwendung aufgrund der Richtlinie 1999/44/EG(6) zur Auflösung des Kaufvertrags wegen Vertragswidrigkeit des Fahrzeugs führen?

5.        Da die vorliegenden Rechtssachen miteinander zusammenhängen und sich insbesondere die mit ihnen aufgeworfenen Rechtsfragen weitgehend überschneiden, erschien es angebracht, insoweit gemeinsame Schlussanträge zu stellen, auch wenn der Gerichtshof wegen der Besonderheiten jeder einzelnen Rechtssache davon abgesehen hat, sie miteinander zu verbinden.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

1.      Richtlinie 1999/44

6.        Die Erwägungsgründe 1 und 8 der Richtlinie 1999/44 lauten:

„(1)      Nach Artikel 153 Absätze 1 und 3 [EG] leistet die Gemeinschaft durch die Maßnahmen, die sie nach Artikel 95 [EG] erlässt, einen Beitrag zur Erreichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus.

(8)      Um die Anwendung des Grundsatzes der Vertragsmäßigkeit zu erleichtern, ist es sinnvoll, eine widerlegbare Vermutung der Vertragsmäßigkeit einzuführen, die die meisten normalen Situationen abdeckt. Diese Vermutung stellt keine Einschränkung des Grundsatzes der Vertragsfreiheit dar. In Ermangelung spezifischer Vertragsklauseln sowie im Fall der Anwendung der Mindestschutzklausel können die in dieser Vermutung genannten Elemente verwendet werden, um die Vertragswidrigkeit der Waren zu bestimmen. Die Qualität und die Leistung, die der Verbraucher vernünftigerweise erwarten kann, hängen unter anderem davon ab, ob die Güter neu oder gebraucht sind. Die in der Vermutung genannten Elemente gelten kumulativ. Ist ein bestimmtes Element aufgrund der Umstände des betreffenden Falls offenkundig unanwendbar, so behalten die übrigen Elemente der Vermutung dennoch ihre Gültigkeit.“

7.        Art. 1 („Geltungsbereich und Begriffsbestimmungen“) Abs. 1 der Richtlinie 1999/44 bestimmt:

„Zweck dieser Richtlinie ist die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter zur Gewährleistung eines einheitlichen Verbraucherschutz-Mindestniveaus im Rahmen des Binnenmarkts.“

8.        Art. 2 („Vertragsmäßigkeit“) der Richtlinie 1999/44 sieht vor:

„(1)      Der Verkäufer ist verpflichtet, dem Verbraucher dem Kaufvertrag gemäße Güter zu liefern.

(2)      Es wird vermutet, dass Verbrauchsgüter vertragsgemäß sind, wenn sie:

a)      mit der vom Verkäufer gegebenen Beschreibung übereinstimmen und die Eigenschaften des Gutes besitzen, das der Verkäufer dem Verbraucher als Probe oder Muster vorgelegt hat;

b)      sich für einen bestimmten vom Verbraucher angestrebten Zweck eignen, den der Verbraucher dem Verkäufer bei Vertragsschluss zur Kenntnis gebracht hat und dem der Verkäufer zugestimmt hat;

c)      sich für die Zwecke eignen, für die Güter der gleichen Art gewöhnlich gebraucht werden;

d)      eine Qualität und Leistungen aufweisen, die bei Gütern der gleichen Art üblich sind und die der Verbraucher vernünftigerweise erwarten kann, wenn die Beschaffenheit des Gutes und gegebenenfalls die insbesondere in der Werbung oder bei der Etikettierung gemachten öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers oder dessen Vertreters über die konkreten Eigenschaften des Gutes in Betracht gezogen werden.

(3)      Es liegt keine Vertragswidrigkeit im Sinne dieses Artikels vor, wenn der Verbraucher zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Kenntnis von der Vertragswidrigkeit hatte oder vernünftigerweise nicht in Unkenntnis darüber sein konnte oder wenn die Vertragswidrigkeit auf den vom Verbraucher gelieferten Stoff zurückzuführen ist.

…“

9.        Art. 3 („Rechte des Verbrauchers“) der Richtlinie 1999/44 bestimmt:

„(1)      Der Verkäufer haftet dem Verbraucher für jede Vertragswidrigkeit, die zum Zeitpunkt der Lieferung des Verbrauchsgutes besteht.

(2)      Bei Vertragswidrigkeit hat der Verbraucher entweder Anspruch auf die unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung nach Maßgabe des Absatzes 3 oder auf angemessene Minderung des Kaufpreises oder auf Vertragsauflösung in Bezug auf das betreffende Verbrauchsgut nach Maßgabe der Absätze 5 und 6.

(3)      Zunächst kann der Verbraucher vom Verkäufer die unentgeltliche Nachbesserung des Verbrauchsgutes oder eine unentgeltliche Ersatzlieferung verlangen, sofern dies nicht unmöglich oder unverhältnismäßig ist.

Eine Abhilfe gilt als unverhältnismäßig, wenn sie dem Verkäufer Kosten verursachen würde, die

–        angesichts des Werts, den das Verbrauchsgut ohne die Vertragswidrigkeit hätte,

–        unter Berücksichtigung der Bedeutung der Vertragswidrigkeit und

–        nach Erwägung der Frage, ob auf die alternative Abhilfemöglichkeit ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher zurückgegriffen werden könnte,

verglichen mit der alternativen Abhilfemöglichkeit unzumutbar wären.

Die Nachbesserung oder die Ersatzlieferung muss innerhalb einer angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen, wobei die Art des Verbrauchsgutes sowie der Zweck, für den der Verbraucher das Verbrauchsgut benötigte, zu berücksichtigen sind.

(5)      Der Verbraucher kann eine angemessene Minderung des Kaufpreises oder eine Vertragsauflösung verlangen,

–        wenn der Verbraucher weder Anspruch auf Nachbesserung noch auf Ersatzlieferung hat oder

–        wenn der Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist Abhilfe geschaffen hat oder

–        wenn der Verkäufer nicht ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher Abhilfe geschaffen hat.

(6)      Bei einer geringfügigen Vertragswidrigkeit hat der Verbraucher keinen Anspruch auf Vertragsauflösung.“

2.      Verordnung Nr. 715/2007

10.      In den Erwägungsgründen 7 und 17 der Verordnung Nr. 715/2007 heißt es:

„(7)      Bei der Festlegung von Emissionsgrenzwerten ist es wichtig zu berücksichtigen, wie sie sich auf die Märkte und die Wettbewerbsfähigkeit der Hersteller auswirken, welche direkten und indirekten Kosten den Unternehmen durch sie entstehen und welchen Nutzen in Form von Anregung von Innovation, Verbesserung der Luftqualität, Senkung der Gesundheitskosten und Gewinn zusätzlicher Lebensjahre sie bringen und welche Gesamtwirkung sie auf die CO2-Emissionen haben.

(17)      Ein einheitliches Verfahren für die Messung des Kraftstoffverbrauchs und der Kohlendioxidemissionen von Fahrzeugen ist notwendig, um zu verhindern, dass zwischen den Mitgliedstaaten technische Handelshemmnisse entstehen. Ein solches Verfahren ist auch notwendig, um zu gewährleisten, dass die Verbraucher und Anwender objektive und genaue Informationen erhalten.“

11.      Art. 1 („Gegenstand“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 715/2007 lautet:

„Diese Verordnung legt gemeinsame technische Vorschriften für die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen (nachstehend ‚Fahrzeuge‘ genannt) und Ersatzteilen wie emissionsmindernde Einrichtungen für den Austausch hinsichtlich ihrer Schadstoffemissionen fest.“

12.      Art. 3 („Begriffsbestimmungen“) Nrn. 10 und 13 der Verordnung Nr. 715/2007 sieht vor:

„Im Sinne dieser Verordnung und ihrer Durchführungsmaßnahmen bezeichnet der Ausdruck:

10.      ‚Abschalteinrichtung‘ ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird;

13.      ‚emissionsmindernde Einrichtung für den Austausch‘ eine emissionsmindernde Einrichtung oder eine Kombination von solchen Einrichtungen, die dazu bestimmt ist, eine emissionsmindernde Einrichtung für die Erstausrüstung zu ersetzen und die als selbstständige technische Einheit im Sinne der Richtlinie 70/156/EWG [(7)] typgenehmigt werden kann.“

13.      Art. 4 („Pflichten des Herstellers“) Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 715/2007 bestimmt:

„(1)      Der Hersteller weist nach, dass alle von ihm verkauften, zugelassenen oder in der Gemeinschaft in Betrieb genommenen Neufahrzeuge über eine Typgenehmigung gemäß dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen verfügen. Der Hersteller weist außerdem nach, dass alle von ihm in der Gemeinschaft verkauften oder in Betrieb genommenen neuen emissionsmindernden Einrichtungen für den Austausch, für die eine Typgenehmigung erforderlich ist, über eine Typgenehmigung gemäß dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen verfügen.

Diese Pflichten schließen ein, dass die in Anhang I und in den in Artikel 5 genannten Durchführungsmaßnahmen festgelegten Grenzwerte eingehalten werden.

(2)      Der Hersteller stellt sicher, dass die Typgenehmigungsverfahren zur Überprüfung der Übereinstimmung der Produktion, der Dauerhaltbarkeit der emissionsmindernden Einrichtungen und der Übereinstimmung in Betrieb befindlicher Fahrzeuge beachtet werden.

Die von dem Hersteller ergriffenen technischen Maßnahmen müssen außerdem sicherstellen, dass die Auspuff- und Verdunstungsemissionen während der gesamten normalen Lebensdauer eines Fahrzeuges bei normalen Nutzungsbedingungen entsprechend dieser Verordnung wirkungsvoll begrenzt werden. …“

14.      Art. 5 („Anforderungen und Prüfungen“) Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 715/2007 enthält folgende Regelung:

„(1)      Der Hersteller rüstet das Fahrzeug so aus, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht.

(2)      Die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, ist unzulässig. Dies ist nicht der Fall, wenn:

a)      die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten;

b)      die Einrichtung nicht länger arbeitet, als zum Anlassen des Motors erforderlich ist;

c)      die Bedingungen in den Verfahren zur Prüfung der Verdunstungsemissionen und der durchschnittlichen Auspuffemissionen im Wesentlichen enthalten sind.“

15.      Anhang I („Emissionsgrenzwerte“) dieser Verordnung enthält u. a. für Euro-5-Fahrzeuge die in Tabelle 1 aufgeführten NOx-Emissionsgrenzwerte.

3.      Richtlinie 2007/46/EG

16.      Die Richtlinie 2007/46/EG(8) wurde durch die Verordnung (EU) 2018/858(9) gemäß deren Art. 88 mit Wirkung vom 1. September 2020 aufgehoben. In Anbetracht des streitgegenständlichen Zeitraums findet diese Richtlinie auf die Ausgangsverfahren jedoch weiterhin Anwendung.

17.      Der dritte Erwägungsgrund der Richtlinie 2007/46 lautete:

„Die technischen Anforderungen für Systeme, Bauteile, selbstständige technische Einheiten und Fahrzeuge sollten in Rechtsakten harmonisiert und spezifiziert werden. Diese Rechtsakte sollten vor allem auf eine hohe Verkehrssicherheit, hohen Gesundheits- und Umweltschutz, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Benutzung abzielen.“

18.      Art. 1 („Gegenstand“) der Richtlinie 2007/46 bestimmte:

„Diese Richtlinie schafft einen harmonisierten Rahmen mit den Verwaltungsvorschriften und allgemeinen technischen Anforderungen für die Genehmigung aller in ihren Geltungsbereich fallenden Neufahrzeuge und der zur Verwendung in diesen Fahrzeugen bestimmten Systeme, Bauteile und selbstständigen technischen Einheiten; damit sollen ihre Zulassung, ihr Verkauf und ihre Inbetriebnahme in der Gemeinschaft erleichtert werden.

Zur Durchführung dieser Richtlinie werden in Rechtsakten besondere technische Anforderungen für den Bau und den Betrieb von Fahrzeugen festgelegt; Anhang IV enthält eine vollständige Auflistung dieser Rechtsakte.“

19.      Art. 3 („Begriffsbestimmungen“) Nrn. 5 und 36 der Richtlinie 2007/46 sah vor:

„Im Sinne dieser Richtlinie und der in Anhang IV aufgeführten Rechtsakte – soweit dort nichts anderes bestimmt ist – bezeichnet der Ausdruck:

5.      ‚EG-Typgenehmigung‘ das Verfahren, nach dem ein Mitgliedstaat bescheinigt, dass ein Typ eines Fahrzeugs, eines Systems, eines Bauteils oder einer selbstständigen technischen Einheit den einschlägigen Verwaltungsvorschriften und technischen Anforderungen dieser Richtlinie und der in Anhang IV oder XI aufgeführten Rechtsakte entspricht;

36.      ‚Übereinstimmungsbescheinigung‘ das in Anhang IX wiedergegebene, vom Hersteller ausgestellte Dokument, mit dem bescheinigt wird, dass ein Fahrzeug aus der Baureihe eines nach dieser Richtlinie genehmigten Typs zum Zeitpunkt seiner Herstellung allen Rechtsakten entspricht.“

20.      In Art. 4 („Pflichten der Mitgliedstaaten“) der Richtlinie 2007/46 hieß es:

„(1)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Hersteller, die eine Genehmigung beantragen, ihre Pflichten gemäß dieser Richtlinie erfüllen.

(2)      Die Mitgliedstaaten erteilen eine Genehmigung für Fahrzeuge, Systeme, Bauteile oder selbstständige technische Einheiten nur, wenn diese den Anforderungen dieser Richtlinie entsprechen.

(3)      Die Mitgliedstaaten gestatten die Zulassung, den Verkauf oder die Inbetriebnahme von Fahrzeugen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten nur, wenn diese den Anforderungen dieser Richtlinie entsprechen.

…“

21.      Art. 5 („Pflichten der Hersteller“) Abs. 1 der Richtlinie 2007/46 sah vor:

„Der Hersteller ist gegenüber der Genehmigungsbehörde für alle Belange des Genehmigungsverfahrens und für die Sicherstellung der Übereinstimmung der Produktion verantwortlich, und zwar auch dann, wenn er nicht an allen Stufen der Herstellung des Fahrzeugs, des Systems, des Bauteils oder der selbstständigen technischen Einheit unmittelbar beteiligt ist.“

22.      Art. 18 („Übereinstimmungsbescheinigung“) Abs. 1 der Richtlinie 2007/46 bestimmte:

„Der Hersteller in seiner Eigenschaft als Inhaber einer EG-Typgenehmigung für Fahrzeuge legt jedem vollständigen, unvollständigen oder vervollständigten Fahrzeug, das in Übereinstimmung mit dem genehmigten Typ hergestellt wurde, eine Übereinstimmungsbescheinigung bei.

…“

23.      Art. 26 („Zulassung, Verkauf und Inbetriebnahme von Fahrzeugen“) Abs. 1 der Richtlinie 2007/46 bestimmte:

„Unbeschadet der Artikel 29 und 30 gestatten die Mitgliedstaaten die Zulassung, den Verkauf oder die Inbetriebnahme von Fahrzeugen nur dann, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung nach Artikel 18 versehen sind.

…“

24.      Anhang IV („Für die EG-Typgenehmigung von Fahrzeugen anzuwendende Vorschriften“) der Richtlinie 2007/46 verwies in seinem Teil I („Aufstellung der Rechtsakte für die EG-Typgenehmigung von in unbegrenzter Serie hergestellten Fahrzeugen“) für „Emissionen leichter Pkw und Nutzfahrzeuge (Euro 5 und 6)/Zugang zu Informationen“ auf die Verordnung Nr. 715/2007.

25.      Anhang IX(10) („EG-Übereinstimmungsbescheinigung“) der Richtlinie enthielt eine Nr. 0 („Ziele“), wonach es sich bei der Übereinstimmungsbescheinigung um eine Erklärung des Fahrzeugherstellers handelte, in der dieser dem Fahrzeugkäufer versicherte, dass das von ihm erworbene Fahrzeug zum Zeitpunkt seiner Herstellung mit den in der Union geltenden Rechtsvorschriften übereinstimmte.

4.      Verordnung Nr. 692/2008

26.      Art. 1 („Gegenstand“) der Verordnung Nr. 692/2008 lautet:

„In dieser Verordnung werden Maßnahmen zur Durchführung der Artikel 4, 5 und 8 der Verordnung [Nr. 715/2007] festgelegt.“

27.      In Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) Nrn. 8 und 18 der Verordnung Nr. 692/2008 heißt es:

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:

8.      ‚Typ einer emissionsmindernden Einrichtung‘ Katalysatoren und Partikelfilter, die sich in folgenden wesentlichen Merkmalen nicht unterscheiden:

18.      ‚Emissionsminderungssystem‘ im Zusammenhang mit einem OBD-System [(On-Board-Diagnosesystem)] die elektronische Motorsteuerung sowie jedes emissionsrelevante Bauteil im Abgas- oder Verdunstungssystem, das diesem Steuergerät ein Eingangssignal übermittelt oder von diesem ein Ausgangssignal erhält.“

28.      Art. 3 („Vorschriften für die Typgenehmigung“) Abs. 9 der Verordnung Nr. 692/2008 sieht vor:

„Die Prüfung Typ 6 zur Messung der Emissionen bei niedrigen Temperaturen gemäß Anhang VIII gilt nicht für Dieselfahrzeuge.

Bei der Beantragung einer Typgenehmigung belegen die Hersteller der Genehmigungsbehörde jedoch, dass die NOx-Nachbehandlungseinrichtung nach einem Kaltstart bei ‑7°C innerhalb von 400 Sekunden eine für das ordnungsgemäße Arbeiten ausreichend hohe Temperatur erreicht, wie in der Prüfung Typ 6 beschrieben.

Darüber hinaus macht der Hersteller der Genehmigungsbehörde Angaben zur Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems (AGR), einschließlich ihres Funktionierens bei niedrigen Temperaturen.

…“

29.      Art. 10 („Emissionsmindernde Einrichtungen“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 692/2008 bestimmt:

„Der Hersteller gewährleistet, dass emissionsmindernde Einrichtungen für den Austausch, die in Fahrzeuge mit einer EG-Typgenehmigung nach der Verordnung [Nr. 715/2007] eingebaut werden, in Übereinstimmung mit Artikel 12, Artikel 13 und Anhang XIII dieser Verordnung über eine EG-Typgenehmigung als selbstständige technische Einheiten im Sinne von Artikel 10 Absatz 2 der Richtlinie [2007/46] verfügen.

Katalysatoren und Partikelfilter gelten für die Zwecke dieser Verordnung als emissionsmindernde Einrichtungen.“

30.      Anhang I („Verwaltungsvorschriften für die EG-Typgenehmigung“) Abschnitt 3.3 („Erweiterung der Typgenehmigung hinsichtlich der Dauerhaltbarkeit der emissionsmindernden Einrichtungen [Prüfung Typ 5]“) der Verordnung Nr. 692/2008 sieht vor:

„3.3.1.      Die Typgenehmigung darf auf andere Fahrzeugtypen erweitert werden, deren nachstehende Parameter des Motors oder des Emissionsminderungssystems identisch sind oder Werte innerhalb der angegebenen Toleranzen aufweisen:

3.3.1.1.      Fahrzeug:

3.3.1.2.      Motor

3.3.1.3.      Parameter des Emissionsminderungssystems:

c)      Abgasrückführung:

mit oder ohne

Art (gekühlt oder nicht gekühlt, aktive oder passive Steuerung, Hochdruck oder Niederdruck).

…“

31.      In Anhang XI („On-Board-Diagnosesysteme [OBD-Systeme] für Kraftfahrzeuge“) Anlage 2 („Wesentliche Merkmale der Fahrzeugfamilie“) der Verordnung Nr. 692/2008 heißt es:

„…

Motor:

Emissionsminderungssystem:

–        Art des Partikelfilters,

–        Abgasrückführung (d. h. mit oder ohne).

…“

5.      Verordnung (EU) 2016/427

32.      In den Erwägungsgründen 1, 2 und 4 der Verordnung (EU) 2016/427(11) heißt es:

„(1)      Gemäß der Verordnung [Nr. 715/2007] muss die Kommission die Verfahren, Prüfungen und Anforderungen für die Typgenehmigung der Verordnung [Nr. 692/2008] der Kommission überprüfen und bei Bedarf so anpassen, dass sie den im praktischen Fahrbetrieb tatsächlich entstehenden Emissionen entsprechen.

(2)      Die Kommission hat hierzu auf der Grundlage eigener Forschungen und externer Informationen eine eingehende Analyse mit dem Ergebnis durchgeführt, dass die in der Betriebspraxis mit Fahrzeugen des Typs Euro 5/6 tatsächlich entstehenden Emissionen, insbesondere die NOx-Emissionen von Dieselfahrzeugen, erheblich die Emissionen überschreiten, die im vorgeschriebenen Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) gemessen werden.

(4)      Die Kommission hat im Januar 2011 eine Arbeitsgruppe eingerichtet, in der alle Interessenträger an der Entwicklung eines Prüfverfahrens zur Messung der Emissionen im Praxisbetrieb (real driving emission – RDE) mitwirken, das ein realistischeres Bild von den im Fahrbetrieb auf der Straße gemessenen Emissionen vermittelt. …“

33.      Art. 1 der Verordnung 2016/427 bestimmt:

„Die Verordnung [Nr. 692/2008] wird wie folgt geändert:

1.      In Artikel 2 werden die folgenden Nummern 41 und 42 angefügt:

‚41.      ‚Emissionen im praktischen Fahrbetrieb (real driving emissions – RDE)‘ Emissionen eines Fahrzeugs bei normalen Betriebsbedingungen;

42.      ‚portables Emissionsmesssystem (PEMS)‘ eine transportable Emissionsmesseinrichtung, welche die in Anhang IIIA Anlage 1 aufgeführten Anforderungen erfüllt.‘“

6.      Verordnung 2017/1151

34.      Die Erwägungsgründe 1 bis 3 der Verordnung 2017/1151(12) lauten:

„(1)      Die Verordnung [Nr. 692/2008] zur Durchführung und Änderung der Verordnung [Nr. 715/2007] des Europäischen Parlaments und des Rates sieht für leichte Nutzfahrzeuge Prüfungen in Übereinstimmung mit dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) vor.

(2)      Auf der Grundlage der gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung [Nr. 715/2007] vorgeschriebenen fortlaufenden Prüfung der einschlägigen Verfahren, Prüfzyklen und Prüfergebnisse geht hervor, dass die Informationen über den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen, die durch Prüfungen von Fahrzeugen gemäß dem NEFZ gewonnen werden, nicht mehr ausreichend sind und die Emissionen im praktischen Fahrbetrieb nicht mehr realistisch wiedergeben.

(3)      Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, ein neues Regelprüfverfahren durch Umsetzung des weltweit harmonisierten Prüfverfahrens für leichte Nutzfahrzeuge (WLTP) in die Rechtsvorschriften der Europäischen Union bereitzustellen.“

35.      Art. 1 („Gegenstand“) der Verordnung 2017/1151 lautet:

„In dieser Verordnung werden Maßnahmen zur Durchführung der Verordnung [Nr. 715/2007] festgelegt.“

36.      In Anhang IIIA („Emissionen im tatsächlichen Fahrbetrieb [RDE]“) der Verordnung 2017/1151 heißt es:

„…

4.1.      Das Emissionsverhalten im tatsächlichen Fahrbetrieb ist durch die Prüfung von Fahrzeugen auf der Straße unter normalen Fahrmustern und ‑bedingungen und mit normaler Nutzlast nachzuweisen. Die RDE‑Prüfung muss repräsentativ für den Betrieb der Fahrzeuge auf ihren tatsächlichen Fahrtrouten mit normaler Belastung sein.

5.2.1.      Die Prüfung ist unter den Umgebungsbedingungen gemäß diesem Abschnitt durchzuführen. Um ‚erweiterte‘ Umgebungsbedingungen handelt es sich, wenn mindestens die auf die Temperatur oder die Höhenlage bezogenen Bedingungen erweitert sind. Der Korrekturfaktor für erweiterte Bedingungen für Temperatur und Höhe darf nur einmal angewandt werden. Wenn ein Teil der Prüfung oder die gesamte Prüfung außerhalb der normalen oder erweiterten Bedingungen durchgeführt werden, so ist die Prüfung ungültig.

5.2.2.      Gemäßigte Höhenlage-Bedingungen: Höhe höchstens 700 Meter über dem Meeresspiegel.

5.2.3.      Erweiterte Höhenlage-Bedingungen: Höhe über 700 Meter und höchstens 1 300 Meter über dem Meeresspiegel.

5.2.4.      Gemäßigte Temperaturbedingungen: mindestens 273,15 K (0°C) und höchstens 303,15 K (30°C).

5.2.5.      Erweiterte Temperaturbedingungen: mindestens 266,15 K (‑7°C) und höchstens 273,15 K (0°C) oder größer als 303,15 K (30°C) und höchstens 308,15 K (35°C).

…“

7.      Richtlinie (EU) 2019/771

37.      Gemäß Art. 23 der Richtlinie (EU) 2019/771(13) wird die Richtlinie 1999/44 mit Wirkung vom 1. Januar 2022 aufgehoben.

38.      Art. 1 („Gegenstand und Zweck“) der Richtlinie 2019/771 lautet:

„Zweck dieser Richtlinie ist es, zum ordnungsgemäßen Funktionieren des Binnenmarkts beizutragen und gleichzeitig für ein hohes Verbraucherschutzniveau zu sorgen, indem gemeinsame Vorschriften über bestimmte Anforderungen an Kaufverträge zwischen Verkäufern und Verbrauchern festgelegt werden, insbesondere Vorschriften über die Vertragsmäßigkeit der Waren, die Abhilfen im Falle einer Vertragswidrigkeit, die Modalitäten für die Inanspruchnahme dieser Abhilfen sowie über gewerbliche Garantien.“

39.      Art. 7 („Objektive Anforderungen an die Vertragsmäßigkeit“) Abs. 1 der Richtlinie 2019/771 sieht vor:

„Zusätzlich zur Einhaltung der subjektiven Anforderungen an die Vertragsmäßigkeit müssen die Waren

a)      für die Zwecke geeignet sein, für die Waren derselben Art in der Regel gebraucht werden, gegebenenfalls unter Berücksichtigung des bestehenden Unionsrechts und nationalen Rechts, technischer Normen oder – in Ermangelung solcher technischer Normen – anwendbarer sektorspezifischer Verhaltenskodizes,

…“

B.      Österreichisches Recht

40.      § 871 Abs. 1 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (im Folgenden: ABGB) bestimmt:

„War ein Teil über den Inhalt der von ihm abgegebenen oder dem anderen zugegangenen Erklärung in einem Irrtum befangen, der die Hauptsache oder eine wesentliche Beschaffenheit derselben betrifft, worauf die Absicht vorzüglich gerichtet und erklärt wurde, so entsteht für ihn keine Verbindlichkeit, falls der Irrtum durch den anderen veranlasst war oder diesem aus den Umständen offenbar auffallen musste oder noch rechtzeitig aufgeklärt wurde.“

41.      § 879 Abs. 1 ABGB lautet:

„Ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.“

42.      § 922 Abs. 1 ABGB sieht vor:

„Wer einem anderen eine Sache gegen Entgelt überlässt, leistet Gewähr, dass sie dem Vertrag entspricht. Er haftet also dafür, dass die Sache die bedungenen oder gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften hat, dass sie seiner Beschreibung, einer Probe oder einem Muster entspricht und dass sie der Natur des Geschäftes oder der getroffenen Verabredung gemäß verwendet werden kann.“

43.      § 932 Abs. 1 und 4 ABGB lautet:

„(1)      Der Übernehmer kann wegen eines Mangels die Verbesserung (Nachbesserung oder Nachtrag des Fehlenden), den Austausch der Sache, eine angemessene Minderung des Entgelts (Preisminderung) oder die Aufhebung des Vertrags (Wandlung) fordern.

(4)      Sind sowohl die Verbesserung als auch der Austausch unmöglich oder für den Übergeber mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden, so hat der Übernehmer das Recht auf Preisminderung oder, sofern es sich nicht um einen geringfügigen Mangel handelt, das Recht auf Wandlung. …“

C.      Deutsches Recht

44.      § 25 Abs. 2 der Verordnung über die EG-Genehmigung für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten für diese Fahrzeuge (EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung, im Folgenden: EG-FGV) bestimmt:

„Das Kraftfahrt-Bundesamt [(Deutschland, im Folgenden: KBA)] kann zur Beseitigung aufgetretener Mängel und zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit auch bereits im Verkehr befindlicher Fahrzeuge, selbständiger technischer Einheiten oder Bauteile nachträglich Nebenbestimmungen anordnen.“

III. Ausgangsverfahren, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

A.      Rechtssache C128/20

45.      Am 9. Januar 2011 schloss die GSMB Invest GmbH & Co. KG mit der Auto Krainer Gesellschaft mbH einen Vertrag über den Kauf eines Fahrzeugs der Marke Volkswagen, Modell VW Caddy Maxi Comfortline 4MOTION, in dem ein Euro-5-Dieselmotor des Typs EA 189 mit einem Hubraum von 2,0 Liter verbaut ist (im Folgenden: Fahrzeug 1). Dieses Fahrzeug ist mit einem Abgasrückführventil ausgestattet.

46.      Am 27. Dezember 2017 erhob GSMB Invest vor dem Landesgericht Klagenfurt (Österreich), dem vorlegenden Gericht, gemäß § 879 Abs. 1 und § 932 Abs. 4 ABGB Klage auf Rückabwicklung dieses Kaufs gegen Zahlung eines Benutzungsentgelts.

47.      Vor diesem Gericht machte GSMB Invest geltend, zum Zeitpunkt dieses Kaufs habe sie geglaubt, einen umweltfreundlichen Neuwagen zu erwerben, bei dem u. a. die Abgaswerte den gesetzlichen Vorgaben entsprächen. Infolge des von Volkswagen vorgenommenen Updates der in den Rechner zur Motorsteuerung integrierten Software des Fahrzeugs 1 (im Folgenden: streitige Software) werde jedoch die Abgasreinigung bei einer Außentemperatur von unter 15 Grad Celsius und bei einer Außentemperatur von über 33 Grad Celsius sowie bei einer Höhe des Fahrbetriebs von mehr als 1 000 Metern ausgeschaltet (im Folgenden: Thermofenster). Bei diesem Thermofenster handle es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung, da keine der in Art. 5 der Verordnung Nr. 715/2007 vorgesehenen Ausnahmen vom Verbot einer solchen Einrichtung hierfür in Betracht komme. Diese Reduktion der Abgasreinigung diene somit nicht dem Schutz des Motors des Fahrzeugs 1, da kein unmittelbarer Motorschaden drohe.

48.      Auto Krainer entgegnete, ein Thermofenster werde von sämtlichen Herstellern von Diesel-Fahrzeugen nach der Euro-5-Klassifizierung verwendet. Das KBA als EG-Typgenehmigungsbehörde in Deutschland habe dieses Fenster immer als zulässige Einrichtung im Sinne der Verordnung Nr. 715/2007 beurteilt. Außerdem habe das KBA bei der Kontrolle der streitigen Software nach eingehender Prüfung festgestellt, dass das Update keinerlei negative Auswirkungen auf die Dauerhaltbarkeit der emissionsmindernden Einrichtungen habe.

49.      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ergibt sich aus Art. 3 Nr. 10 der Verordnung Nr. 715/2007, dass das Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne dieser Verordnung sei. Denn in den meisten Mitgliedstaaten der Union, insbesondere in Österreich und Deutschland, liege die Umgebungstemperatur während des Jahres überwiegend unter 15 Grad Celsius; aufgrund der geografischen Lage dieser Staaten beführen die Fahrzeuge vielfach Gebiete in 1 000 Höhenmetern, so dass diese Bedingungen dem in Art. 3 Nr. 10 normierten „normalen Fahrzeugbetrieb“ entsprächen. Die dem Schutz des Motors dienende Privilegierung nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. a dieser Verordnung sei deshalb keine mögliche Rechtsgrundlage für eine bei „normalem“ Gebrauch der Fahrzeuge aktivierte Abschalteinrichtung.

50.      Gemäß Art. 3 Nr. 9 der Verordnung Nr. 692/2008 müsse die NOx-Nachbehandlungseinrichtung, wie in der Prüfung Typ 6 beschrieben, nach einem Kaltstart bei ‑7 Grad Celsius innerhalb von 400 Sekunden eine für das ordnungsgemäße Arbeiten ausreichend hohe Temperatur erreichen. Die zuständigen Behörden dürften keine EG-Typgenehmigung erteilen, wenn diese Voraussetzungen nicht hinreichend nachgewiesen seien. Aus dieser Nachweispflicht folge, dass der Unionsgesetzgeber davon ausgegangen sei, dass es für ein Thermofenster keine Rechtfertigung gebe, wenn es diese Voraussetzungen nicht erfülle.

51.      Angesichts der festgestellten Temperatur- und Höhenverhältnisse sei das Thermofenster somit unter normalen Betriebsbedingungen nicht voll funktionsfähig.

52.      Unter diesen Umständen hat das Landesgericht Klagenfurt beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 715/2007 dahin auszulegen, dass eine Ausrüstung eines Fahrzeugs im Sinne von Art. 1 Abs. 1 dieser Verordnung unzulässig ist, wonach das Abgasrückführventil (im Folgenden: AGR-Ventil), sohin ein Bauteil, welches das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflusst, so konstruiert ist, dass die Abgasrückführrate, d. h. der Anteil an Abgas, welches rückgeführt wird, so geregelt wird, dass es nur zwischen 15 und 33 Grad Celsius und nur unter 1 000 Höhenmetern einen schadstoffarmen Modus gewährleistet und außerhalb dieses Thermofensters im Verlauf von 10 Grad Celsius und oberhalb von 1 000 Höhenmetern im Verlauf von 250 Höhenmetern linear auf 0 verringert wird, es sohin zu einer Erhöhung der NOx-Emissionen über die Grenzwerte der Verordnung Nr. 715/2007 kommt?

2.      Ist der Ausdruck „um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen“ in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 dahin auszulegen, dass eine Abgasstrategie, die vornehmlich der Schonung von Anbauteilen wie AGR-Ventil(14), AGR-Kühler und Dieselpartikelfilter dient, nicht die Ausnahmebestimmungen erfüllt?

3.      Ist Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 715/2007 dahin auszulegen, dass eine Abgasstrategie, die die volle Funktionsfähigkeit der emissionsmindernden Einrichtungen nur in einem Temperaturbereich von 15 und 33 Grad Celsius und unter 1 000 Höhenmetern gewährleistet (sogenanntes „Thermofenster“) und daher in Europa, insbesondere in Österreich, während eines Jahres überwiegend nicht voll funktionsfähig ist, die Vorgabe nach Art. 5 Abs. 1 – Funktion des Fahrzeugs unter normalen Betriebsbedingungen – nicht erfüllt und eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt?

53.      GSMB Invest, Auto Krainer, die deutsche Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Diese Verfahrensbeteiligten haben auch die Fragen des Gerichtshofs schriftlich beantwortet.

B.      Rechtssache C134/20

54.      Im Jahr 2013 erwarb IR, ein Verbraucher, ein Fahrzeug der Marke Volkswagen, Modell VW Touran Comfortline BMT, in dem ein Euro-5-Dieselmotor des Typs EA 189 mit einem Hubraum von 1,6 Liter und mit einer Leistung von 77 kW verbaut ist (im Folgenden: Fahrzeug 2). Dieses Fahrzeug ist mit einem AGR-Ventil ausgestattet.

55.      Das Fahrzeug 2 war ursprünglich mit einer in den Rechner zur Motorsteuerung integrierten Software mit einem „Modus 0“ und einem „Modus 1“ (im Folgenden: Umschaltlogik) ausgerüstet. Modus 1 kam beim im Labor durchgeführten die Schadstoffemissionen betreffenden Zulassungstest namens „Neuer Europäischer Fahrzyklus“ (NEFZ) zum Einsatz. Waren die charakteristischen Bedingungen dieses Zulassungstests nicht gegeben, wurde „Modus 0“ eingeschaltet; in diesem Fall verringerte sich die Abgasrückführungsrate, wobei sich Einspritzzeitpunkt und ‑dauer veränderten. Im realen Fahrbetrieb befand sich das Fahrzeug 2 nahezu ausschließlich im „Modus 0“, mit der Folge, dass es die in der Verordnung Nr. 715/2007 festgelegten NOx-Grenzwerte nicht einhielt. Laut Vorlagebeschluss stellte die Umschaltlogik daher eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 und 2 dieser Verordnung dar.

56.      Aus dem Vorlagebeschluss geht auch hervor, dass das Fahrzeug 2 technisch sicher ist und im Straßenverkehr verwendet werden kann. Hätte IR jedoch gewusst, dass dieses Fahrzeug wegen seiner Software den gesetzlichen Vorgaben nicht entsprach, hätte er es nicht gekauft.

57.      Mit Schreiben vom 8. Oktober 2015 teilte der Generalimporteur für Fahrzeuge der Marke Volkswagen in Österreich IR mit, dass beim Fahrzeug 2 Nacharbeiten erforderlich seien und die Herstellerin die Kosten für alle dafür notwendigen Reparaturmaßnahmen tragen werde. IR wurde zudem aufgefordert, am Fahrzeug 2 die streitige Software installieren zu lassen, was auch geschah.

58.      Mit diesem Update sollte das Thermofenster eingebaut werden. Das KBA erteilte eine Freigabe für die streitige Software und entzog somit nicht die EG-Typgenehmigung. Es stellte insoweit u. a. fest, dass keine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der Verordnung Nr. 715/2007 vorliege. Das KBA hatte keine Kenntnis von dieser Software, weil es deren Vorlage nicht verlangt hatte.

59.      IR erhob vor dem Landesgericht Eisenstadt (Österreich), dem vorlegenden Gericht, aufgrund von § 871 ABGB Klage auf Aufhebung des Kaufvertrags über das Fahrzeug 2.

60.      Dem vorlegenden Gericht zufolge kann weder festgestellt werden, dass das Thermofenster notwendig wäre, um den Motor des Fahrzeugs 2 vor Beschädigung zu schützen, noch, dass die streitige Software den Verbrauch, die Rußproduktion, die Leistung und die Gesamtlaufleistung dieses Fahrzeugs nachteilig verändern würde. Es lasse sich auch weder feststellen, dass bei Durchführung des Updates dieser Software ohne Installation eines Thermofensters die Vorgaben der Verordnung Nr. 715/2007 betreffend Dauerhaltbarkeit der emissionsmindernden Einrichtungen gemäß Art. 4 Abs. 2 dieser Verordnung eingehalten würden, noch, dass sich nach Durchführung dieses Updates der Marktwert des Fahrzeugs verringert hätte.

61.      Nach österreichischem Recht könne der Geschäftspartner desjenigen, dessen Zustimmung auf einem wesentlichen Irrtum beruhe, die Rechtsfolgen dieses Irrtums dadurch abwenden, dass er das Geschäft so gelten lasse, wie es der Irrende habe abschließen wollen. Letzterer sei dann klaglos gestellt. Die in das Fahrzeug 2 ursprünglich eingebaute Umschaltlogik sei unionsrechtswidrig. Nach Ansicht von Volkswagen sei die Installation der streitigen Software auf diesem Fahrzeug im Sinne von IR erfolgt und habe IR klaglos gestellt, was dieser bestreite.

62.      Für den Erlass des Urteils sei zu klären, ob es sich bei der streitigen Software um eine technische Lösung handle, die den unionsrechtlichen Vorgaben insbesondere der Verordnungen Nrn. 715/2007 und 692/2008 entspreche. Nur wenn dies der Fall sei, sei der Kaufvertrag über das Fahrzeug 2 nicht aufzuheben und müsse folglich die von IR erhobene Klage abgewiesen werden.

63.      Unter diesen Umständen hat das Landesgericht Eisenstadt beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 715/2007 dahin auszulegen, dass eine Ausrüstung eines Fahrzeugs im Sinne von Art. 1 Abs. 1 dieser Verordnung unzulässig ist, wonach das AGR-Ventil, sohin ein Bauteil, welches das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflusst, so konstruiert ist, dass die Abgasrückführrate, d. h. der Anteil an Abgas, welches rückgeführt wird, so geregelt wird, dass es nur zwischen 15 und 33 Grad Celsius und nur unter 1 000 Höhenmetern einen schadstoffarmen Modus gewährleistet und außerhalb dieses Thermofensters im Verlauf von 10 Grad Celsius und oberhalb von 1 000 Höhenmetern im Verlauf von 250 Höhenmetern linear auf 0 verringert wird, es sohin zu einer Erhöhung der NOx-Emissionen über die Grenzwerte der Verordnung Nr. 715/2007 kommt?

2.      Spielt es für die Beurteilung der ersten Frage eine Rolle, ob die dort genannte Ausrüstung des Fahrzeugs notwendig ist, um den Motor vor Beschädigungen zu schützen?

3.      Spielt es für die Beurteilung der zweiten Frage weiters eine Rolle, ob der Teil des Motors, der vor Beschädigung zu schützen ist, das AGR-Ventil ist?

4.      Spielt es für die Beurteilung der ersten Frage eine Rolle, ob die dort genannte Ausrüstung des Fahrzeugs bereits bei dessen Herstellung verbaut wurde oder ob die dort geschilderte Regelung des AGR-Ventils als Nachbesserung im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 1999/44 in das Fahrzeug eingebracht werden soll?

64.      IR, Volkswagen, die deutsche Regierung und die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Diese Verfahrensbeteiligten haben auch die Fragen des Gerichtshofs schriftlich beantwortet.

C.      Rechtssache C145/20

65.      Am 21. Dezember 2013 kaufte DS, ein Verbraucher, von der Porsche Inter Auto GmbH & Co KG, einer unabhängigen Vertragshändlerin von Volkswagen, ein Fahrzeug der Marke Volkswagen, in dem ein Euro-5-Dieselmotor des Typs EA 189 verbaut ist (im Folgenden: Fahrzeug 3). Dieses mit einem AGR-Ventil ausgestattete Fahrzeug fällt unter die Verordnung Nr. 715/2007.

66.      Beim Fahrzeug 3 erfolgte die Abgasrückführung aufgrund einer Software nach der Umschaltlogik. Für den fraglichen Fahrzeugtyp erteilte das KBA die EG-Typgenehmigung. Die Umschaltlogik war dem KBA gegenüber nicht offengelegt worden. Wäre sie dem KBA bekannt gewesen, hätte es die EG-Typgenehmigung nicht erteilt. Im Übrigen hätte DS das Fahrzeug auch in Kenntnis der Umschaltlogik gekauft.

67.      Am 15. Oktober 2015 erließ das KBA gemäß § 25 Abs. 2 EG-FGV eine Entscheidung, mit der es u. a. Volkswagen aufgab, die Euro-5-Motoren des Typs EA 189 mit den geltenden nationalen und unionsrechtlichen Vorschriften in Einklang zu bringen. Mit Schreiben vom 20. Dezember 2016 teilte das KBA Volkswagen mit, es werde bestätigt, dass die streitige Software geeignet sei, die Vorschriftsmäßigkeit der betreffenden Fahrzeuge herzustellen. Die EG-Typgenehmigung für Fahrzeuge wie das Fahrzeug 3 wurde in der Folge vom KBA weder widerrufen noch zurückgenommen.

68.      Am 15. Februar 2017 ließ DS die im Schreiben des KBA vom 20. Dezember 2016 angesprochene streitige Software am Fahrzeug 3 installieren. Mit diesem Update wurde die Umschaltlogik durch das Thermofenster ersetzt.

69.      DS erhob vor dem Landesgericht Linz (Österreich) Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises für das Fahrzeug 3 gegen dessen Rückgabe, hilfsweise Preisminderung, äußerst hilfsweise Feststellung der Haftung von Porsche Inter Auto und Volkswagen für Schäden aus dem Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007. Mit Urteil vom 12. Dezember 2018 wies das Landesgericht Linz die Klage von DS ab.

70.      Auf die Berufung von DS bestätigte das Oberlandesgericht Linz (Österreich) mit Urteil vom 4. April 2019 diese Entscheidung. Es war u. a. der Ansicht, eine möglicherweise ursprüngliche Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs 3 sei durch die streitige Software behoben worden. Zudem sei die Technik, mit der die Abgasrückführung bei Außentemperaturen unter 15 und über 33 Grad Celsius zurückgenommen werde, nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 zulässig, weil sie erforderlich sei, um den Motor vor Beschädigung zu schützen.

71.      DS legte Revision zum Obersten Gerichtshof (Österreich), das vorlegende Gericht, ein. Vor diesem Gericht machte DS geltend, das Fahrzeug 3 sei mangelhaft, weil die Umschaltlogik eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 sei. Die streitige Software habe diesen Mangel nicht behoben. Infolge der Installation dieser Software drohten ein zukünftiger Wertverlust und Folgeschäden.

72.      Porsche Inter Auto und Volkswagen räumten vor dem vorlegenden Gericht ein, dass es sich bei dem Thermofenster um eine Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 der Verordnung Nr. 715/2007 handle. Diese Einrichtung sei aber nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung zulässig, was auch vom KBA so beurteilt werde.

73.      Das vorlegende Gericht führt aus, es habe zu prüfen, ob das Fahrzeug 3 im Übergabezeitpunkt einen Mangel aufgewiesen habe, ob dieser Mangel behoben worden sei und ob der betroffene Automobilhersteller DS geschädigt habe.

74.      Die Umschaltlogik stelle eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 715/2007 dar. Jedenfalls sei das Fahrzeug 3 mangelhaft im Sinne von § 922 ABGB, weil diese Abschalteinrichtung gegenüber dem KBA nicht offengelegt worden sei.

75.      Da das KBA die streitige Software gebilligt habe, stelle sich zunächst die Frage, ob diese Genehmigung allein die Verbesserung der Kaufsache im Sinne von § 932 Abs. 1 ABGB herbeigeführt habe. Dem normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher sei bei einem Produkt wie einem Kraftfahrzeug, von dem bekannt sei, dass es normativen Vorgaben genügen müsse, zu unterstellen, dass er die Einhaltung dieser Vorgaben erwarte. Dass Fahrzeuge einen EG-Typgenehmigungsprozess durchlaufen müssten, stehe diesem Verständnis des Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 1999/44 nicht notwendigerweise entgegen. Konsequenz einer derartigen Auslegung wäre, dass der Verkäufer eines Kraftfahrzeugs nicht nur für das Vorliegen der für den gewöhnlich vorausgesetzten Gebrauch im Sinne von § 922 ABGB erforderlichen EG-Typgenehmigung Gewähr leisten müsste, sondern auch dafür, dass das Fahrzeug keine unzulässigen Konstruktionsteile enthalte.

76.      Sofern der durch Installation der streitigen Software durchgeführte Verbesserungsversuch nicht erfolgreich gewesen sein sollte, obwohl das KBA die EG-Typgenehmigung nicht widerrufen oder zurückgenommen habe, sei sodann zu prüfen, ob das Fahrzeug 3 nach wie vor eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 aufweise. Das angestrebte Ziel des Umweltschutzes spreche dafür, die in Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung normierten Ausnahmetatbestände eng auszulegen. Es sei zudem offenkundig, dass in einem Teil der Union, namentlich in Österreich, die Durchschnittstemperaturen während mehrerer Monate im Jahr unter 15 Grad Celsius lägen. Jene Außentemperaturen, bei denen die Abgasrückführung bei einem Fahrzeugtyp wie dem Fahrzeug 3 voll wirksam sei, würden somit in einem beträchtlichen Teil des Jahres im Durchschnitt gar nicht erreicht. Eine derart weitgehend zum Einsatz kommende Abschalteinrichtung lasse sich daher nach keinem der Ausnahmetatbestände des Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung rechtfertigen.

77.      Schließlich sei bei der Prüfung, ob ein die Wandlung ausschließender „geringfügiger“ Mangel im Sinne von § 932 Abs. 4 ABGB vorliege, eine auf den konkreten Vertrag und die Umstände des Einzelfalls bezogene objektive Abwägung der Interessen der Vertragspartner vorzunehmen. Art. 3 Abs. 6 der Richtlinie 1999/44 sei nicht so eindeutig, dass von einem „acte clair“ gesprochen werden könne.

78.      Unter diesen Umständen hat der Oberste Gerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 1999/44 dahin auszulegen, dass ein Kraftfahrzeug, das in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 715/2007 fällt, jene Qualität aufweist, die bei Gütern der gleichen Art üblich ist und die der Verbraucher vernünftigerweise erwarten kann, wenn das Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 und Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung ausgestattet ist, der Fahrzeugtyp aber dennoch über eine aufrechte EG‑Typgenehmigung verfügt, so dass das Fahrzeug im Straßenverkehr verwendet werden kann?

2.      Ist Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 715/2007 dahin auszulegen, dass eine Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 dieser Verordnung, die derart konstruiert ist, dass die Abgasrückführung außerhalb des Prüfbetriebs unter Laborbedingungen im realen Fahrbetrieb nur dann voll zum Einsatz kommt, wenn Außentemperaturen zwischen 15 und 33 Grad Celsius herrschen, nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. a dieser Verordnung zulässig sein kann, oder scheidet die Anwendung der genannten Ausnahmebestimmung schon wegen der Einschränkung der vollen Wirksamkeit der Abgasrückführung auf Bedingungen, die in Teilen der Union nur in etwa der Hälfte des Jahres vorliegen, von vornherein aus?

3.      Ist Art. 3 Abs. 6 der Richtlinie 1999/44 dahin auszulegen, dass eine Vertragswidrigkeit, die in der Ausstattung eines Fahrzeugs mit einer nach Art. 3 Nr. 10 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 unzulässigen Abschalteinrichtung liegt, dann als geringfügig im Sinne der genannten Bestimmung zu qualifizieren ist, wenn der Übernehmer das Fahrzeug in Kenntnis ihres Vorhandenseins und ihrer Wirkungsweise dennoch erworben hätte?

79.      DS, Porsche Inter Auto, die deutsche Regierung und die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Diese Verfahrensbeteiligten haben auch die Fragen des Gerichtshofs schriftlich beantwortet(15).

IV.    Würdigung

80.      Die Fragen der vorlegenden Gerichte betreffen zum einen die Auslegung der Verordnung Nr. 715/2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen in Bezug auf Schadstoffemissionen(16) und zum anderen die Auslegung der Richtlinie 1999/44, mit der ein einheitliches Mindestniveau des Verbraucherschutzes im Binnenmarkt gewährleistet werden soll.

A.      Zur ersten und zur dritten Frage in der Rechtssache C128/20, zur ersten Frage in der Rechtssache C134/20 sowie zum ersten Teil der zweiten Frage in der Rechtssache C145/20

81.      Mit der ersten und der dritten Frage in der Rechtssache C‑128/20, der ersten Frage in der Rechtssache C‑134/20 sowie dem ersten Teil der zweiten Frage in der Rechtssache C‑145/20, die zusammen zu prüfen sind, möchten die vorlegenden Gerichte im Wesentlichen wissen, ob Art. 3 Nr. 10 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 715/2007 dahin auszulegen ist, dass eine Einrichtung, die im realen Fahrbetrieb eines Kraftfahrzeugs nur dann die volle Funktionsfähigkeit der Abgasrückführung gewährleistet, wenn Außentemperaturen zwischen 15 und 33 Grad Celsius herrschen und der Fahrbetrieb unterhalb von 1 000 Höhenmetern stattfindet, während außerhalb dieses Fensters im Verlauf von 10 Grad Celsius und oberhalb von 1 000 Höhenmetern im Verlauf von 250 Höhenmetern die Abgasrückführrate linear auf 0 verringert wird, so dass die NOx-Emissionen die Grenzwerte dieser Verordnung übersteigen, eine „Abschalteinrichtung“ darstellt.

82.      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass in Art. 3 Nr. 10 der Verordnung Nr. 715/2007 „Abschalteinrichtung“ definiert wird als ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird.

83.      Im Urteil X hat sich der Gerichtshof erstmals zur Auslegung dieser Bestimmung geäußert. In der diesem Urteil zugrunde liegenden Rechtssache ging es um Kraftfahrzeuge, die mit einem AGR-Ventil ausgestattet sind und über eine Software verfügen, die geeignet ist, im Rahmen des NEFZ und im Hinblick auf die Typgenehmigung der Fahrzeuge die Genehmigungsphase bezüglich der Schadstoffemissionen zu erkennen(17). In diesem Urteil hat der Gerichtshof entschieden, dass eine in den Rechner zur Motorsteuerung integrierte oder auf ihn einwirkende Software ein „Konstruktionsteil“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt, da sie auf die Funktion des Emissionskontrollsystems einwirkt und dessen Wirksamkeit verringert(18). Der Gerichtshof hat in dem Urteil weiter festgestellt, dass unter den Begriff „Emissionskontrollsystem“ im Sinne dieser Bestimmung sowohl die Technologien und die Strategie der Nachbehandlung von Abgasen fallen, mit denen die Emissionen im Nachhinein, d. h. nach ihrer Entstehung, verringert werden, als auch diejenigen, mit denen – wie mit dem AGR-System – die Emissionen im Vorhinein, d. h. bei ihrer Entstehung, verringert werden(19). Aus dem Urteil X geht hervor, dass eine Einrichtung, die jeden Parameter im Zusammenhang mit dem Ablauf der in der Verordnung Nr. 715/2007 vorgesehenen Zulassungsverfahren erkennt, um die Leistung des Emissionskontrollsystems bei diesen Verfahren zu verbessern und so die Zulassung des Fahrzeugs zu erreichen, eine „Abschalteinrichtung“ im Sinne von Art. 3 Nr. 10 dieser Verordnung darstellt, selbst wenn eine solche Verbesserung punktuell auch unter normalen Nutzungsbedingungen des Fahrzeugs beobachtet werden kann(20). Der Gerichtshof hat hinzugefügt, dass eine solche Einrichtung nicht unter die Ausnahme vom Verbot solcher Einrichtungen gemäß Art. 5 Abs. 2 Buchst. a dieser Verordnung fallen kann, der den Schutz des Motors vor Beschädigung oder Unfall und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs betrifft(21).

84.      Die vorliegenden Rechtssachen knüpfen insoweit an die diesem Urteil zugrunde liegende Rechtssache an, als sie im Rahmen der EG‑Typgenehmigung Euro-5-Fahrzeuge betreffen, die mit einem AGR‑Ventil ausgestattet sind und über die streitige Software verfügen, die die Funktionsweise des Systems zur Kontrolle der Schadstoffemissionen beeinträchtigt und dessen Wirksamkeit verringert. Denn mit dieser Software kam das Thermofenster zum Einsatz, aufgrund dessen die Abgasrückführung den vorlegenden Gerichten zufolge nur dann voll funktionsfähig ist, wenn Außentemperaturen zwischen 15 und 33 Grad Celsius herrschen und der Fahrbetrieb unterhalb von 1 000 Höhenmetern stattfindet. Außerhalb dieses Fensters wird die Abgasrückführrate linear auf 0 verringert, was in diesem Fall zur Überschreitung der Grenzwerte für NOx-Emissionen gemäß Tabelle 1 in Anhang I der Verordnung Nr. 715/2007 führt.

85.      Auto Krainer und Volkswagen tragen in ihren schriftlichen Erklärungen in den Rechtssachen C‑128/20 und C‑134/20 jeweils vor, nach der Funktionsweise der streitigen Software sei eine Verringerung der Abgasrückführrate vorgesehen, wenn die Ladelufttemperatur niedriger als 15 Grad Celsius sei, wobei es sich bei dieser Temperatur um eine technische Messgröße handle, die durchschnittlich ca. 5 Grad Celsius über der Umgebungslufttemperatur liege. Das bedeute, dass eine volle Abgasrückführung bei Umgebungstemperaturen bis zu 10 Grad Celsius, d. h. im Bereich der Jahresdurchschnittstemperatur in Deutschland von ca. 10,4 Grad Celsius, erfolge.

86.      Insoweit weise ich darauf hin, dass im Rahmen des Verfahrens nach Art. 267 AEUV, das auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, allein das nationale Gericht für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits sowie die Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts zuständig ist(22). Daher ist der Gerichtshof im vorliegenden Fall an die – zudem übereinstimmende – Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts durch die vorlegenden Gerichte gebunden, so dass Auto Krainer und Volkswagen diese im Rahmen der vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen nicht in Frage stellen können. Ich werde also vom Thermofenster in dem Sinne sprechen, wie die vorlegenden Gerichte es verstehen(23).

87.      In Anbetracht der Feststellungen des Gerichtshofs im Urteil X ist in der streitigen Software ein „Konstruktionsteil“ im Sinne von Art. 3 Nr. 10 der Verordnung Nr. 715/2007 zu sehen, während die verwendete Technologie, in diesem Fall das AGR-Ventil, unter den Begriff „Emissionskontrollsystem“ im Sinne dieser Bestimmung fällt(24). Im Übrigen ermittelt diese Software die Lufttemperatur sowie einen weiteren Parameter, nämlich die Höhe des Fahrbetriebs, um im Sinne dieser Bestimmung „die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren“.

88.      Um festzustellen, ob es sich bei der streitigen Software im Hinblick auf die Definition in Art. 3 Nr. 10 der Verordnung Nr. 715/2007 um eine „Abschalteinrichtung“ handelt, ist deshalb zu prüfen, ob die Verringerung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems „unter Bedingungen [erfolgt], die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind“.

89.      Die vorlegenden Gerichte beziehen sich in ihren Fragen nicht auf Art. 3 Nr. 10 der Verordnung Nr. 715/2007, sondern auf deren Art. 5 Abs. 1, wonach der Hersteller das Fahrzeug so ausrüstet, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug „unter normalen Betriebsbedingungen“ dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. In diesem Kontext halte ich es für offensichtlich, dass diese beiden Bestimmungen einander ergänzen und denselben Gedanken zum Ausdruck bringen, nämlich dass bei der Prüfung, ob die gemeinsamen technischen Vorschriften für die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen erfüllt sind, auf die Funktionsweise der streitigen Software unter „normalen Betriebsbedingungen“ der betreffenden Fahrzeuge abzustellen ist(25).

90.      In der Verordnung Nr. 715/2007 findet sich keine Definition des Ausdrucks „normale Betriebsbedingungen“. In einem solchen Fall verlangen sowohl die einheitliche Anwendung des Unionsrechts als auch der Gleichheitssatz, dass die Begriffe einer unionsrechtlichen Bestimmung, die für die Ermittlung ihres Sinns und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union autonom und einheitlich auszulegen sind, wobei diese Auslegung unter Berücksichtigung nicht nur des Wortlauts der Bestimmung, sondern auch ihres Regelungszusammenhangs und des mit der fraglichen Regelung verfolgten Zwecks zu erfolgen hat(26).

91.      Dazu machen Auto Krainer und Volkswagen in ihren schriftlichen Erklärungen in den Rechtssachen C‑128/20 und C‑134/20 jeweils geltend, die Einhaltung der Grenzwerte für Schadstoffe sei ausschließlich im Rahmen des NEFZ(27) zu bestimmen, das zu dem für die Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt gegolten habe(28).

92.      Ich teile diese Auffassung nicht. Meines Erachtens ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 3 Nr. 10 der Verordnung Nr. 715/2007, aus dem Regelungszusammenhang dieser Bestimmung und aus dem mit der Verordnung verfolgten Ziel, dass mit den „normalen Betriebsbedingungen“ nicht die Bedingungen des NEFZ, sondern die Bedingungen des realen Fahrbetriebs gemeint sind(29).

93.      Denn Art. 3 Nr. 10 der Verordnung Nr. 715/2007 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 dieser Verordnung verweist erstens nicht allein auf die im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens gemessenen Schadstoffemissionen. In diesem Sinne enthält das Urteil X die Feststellung, dass die „normalen Nutzungsbedingungen der Fahrzeuge … in Ausnahmefällen den Fahrbedingungen bei den Zulassungstests entsprechen und … unter normalen Nutzungsbedingungen der Fahrzeuge das Ziel einer Verringerung der NOx-Emissionen in der Regel nicht erreicht wird“(30). Somit wurde in diesem Urteil ausdrücklich zwischen den Bedingungen bei den Zulassungstests und den „normalen Nutzungsbedingungen“ unterschieden und auf Letztere als Referenz für die Bewertung der Schadstoffemissionen abgestellt.

94.      Zweitens ist nach dem 17. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 715/2007 zwar „[e]in einheitliches Verfahren für die Messung des Kraftstoffverbrauchs und der Kohlendioxidemissionen von Fahrzeugen … notwendig, um zu verhindern, dass zwischen den Mitgliedstaaten technische Handelshemmnisse entstehen“. Die Bedingungen der Typgenehmigungsverfahren können jedoch, was den NEFZ betrifft, nicht den Bedingungen des tatsächlichen Fahrbetriebs entsprechen(31). In diesem Sinne enthält der zweite Erwägungsgrund der Verordnung 2016/427 den Hinweis, „dass die in der Betriebspraxis mit Fahrzeugen des Typs Euro 5/6 tatsächlich entstehenden Emissionen, insbesondere die NOx-Emissionen von Dieselfahrzeugen, erheblich die Emissionen überschreiten, die im vorgeschriebenen … [NEFZ] gemessen werden“. Dies hat dazu geführt, dass die Verordnung Nr. 692/2008 durch die Verordnung 2016/427 geändert wurde, um das Konzept der „Emissionen im praktischen Fahrbetrieb (real driving emissions – RDE)“(32) einzuführen, die als „Emissionen eines Fahrzeugs bei normalen Betriebsbedingungen“ definiert sind(33).

95.      Drittens wird die Auslegung, wonach auf die Bedingungen des tatsächlichen Fahrbetriebs und nicht auf die Bedingungen des NEFZ abzustellen ist, durch das mit der Verordnung Nr. 715/2007 verfolgte Ziel bestätigt, das darin besteht, ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen(34). Daher muss eine wirksame Verringerung der NOx-Emissionen gewährleistet werden.

96.      Im vorliegenden Fall ist die streitige Software, wie in Nr. 84 der vorliegenden Schlussanträge erwähnt, so konzipiert, dass die Abgasrückführung nur dann voll funktionieren soll, wenn Außentemperaturen zwischen 15 und 33 Grad Celsius herrschen und der Fahrbetrieb unterhalb von 1 000 Höhenmetern stattfindet. Da die NOx-Emissionen unter den Bedingungen des tatsächlichen Fahrbetriebs gemessen werden müssen, kann man davon ausgehen, dass dieses Thermofenster für solche Fahrbedingungen in Europa repräsentativ ist?

97.      Das bezweifle ich. Es gibt zwar große klimatische Unterschiede zwischen Nord- und Südeuropa. Eine Mindesttemperatur von 15 Grad Celsius entspricht jedoch nicht den potenziellen durchschnittlichen Klimaverhältnissen in Europa. Auch sind die topografischen Verhältnisse in der Union alles andere als einheitlich.

98.      In diesem Sinne weist das vorlegende Gericht in der Rechtssache C‑128/20 darauf hin, dass die Umgebungstemperatur in Österreich und in Deutschland (Mitgliedstaaten, die geografisch im Herzen der Union liegen) während des Jahres überwiegend unter 15 Grad Celsius liegt und die Kraftfahrzeuge aufgrund der Topografie dieser Länder vielfach in Höhen von mehr als 1 000 Metern fahren(35). Dieses Gericht zieht daraus in seiner dritten Frage den Schluss, dass die aus dem Thermofenster resultierende Abgasstrategie in Europa, insbesondere in Österreich, während eines Jahres überwiegend nicht voll funktionsfähig sei. Zu diesem Ergebnis gelangt auch das vorlegende Gericht in der Rechtssache C‑134/20.

99.      Das vorlegende Gericht in der Rechtssache C‑145/20 stellt fest, dass in Wien (Österreich) die Durchschnittstemperaturen im Jahr 2018 in sechs von zwölf Monaten unter 15 Grad Celsius lagen. Außerdem geht aus der amtlichen Statistik der Stadt Wien, auf die sich das Gericht bezieht, hervor, dass die Durchschnittstemperaturen in dieser Stadt im Jahr 2017 11,6 Grad Celsius und in den Jahren 2018‑2019 jeweils 12,4 Grad Celsius betrugen(36).

100. Überdies lagen die Durchschnittstemperaturen in Deutschland nach offiziellen Angaben im Jahr 2017 bei 9,6 Grad Celsius, im Jahr 2018 bei 10,4 Grad Celsius und im Jahr 2019 bei 10,2 Grad Celsius(37). Was andere im Zentrum der Union gelegene Länder betrifft, so betrugen die Durchschnittstemperaturen in Frankreich 13,4 Grad Celsius im Jahr 2017, 13,9 Grad Celsius im Jahr 2018 und 13,7 Grad Celsius im Jahr 2019(38). In Polen lagen die Durchschnittstemperaturen bei 9 Grad Celsius im Jahr 2017, bei 9,8 Grad Celsius im Jahr 2018 und bei 10,2 Grad Celsius im Jahr 2019(39). Diese unterschiedlichen Temperaturen liegen deutlich unter den im Thermofenster als niedrigster Wert festgelegten 15 Grad Celsius.

101. Des Weiteren sieht Nr. 4.1 des Anhangs IIIA („Emissionen im tatsächlichen Fahrbetrieb“) der Verordnung 2017/1151, in der Maßnahmen zur Durchführung der Verordnung Nr. 715/2007 festgelegt sind, vor, dass das „Emissionsverhalten im tatsächlichen Fahrbetrieb … durch die Prüfung von Fahrzeugen auf der Straße unter normalen Fahrmustern und ‑bedingungen und mit normaler Nutzlast nachzuweisen [ist]“ und dass die „RDE‑Prüfung … repräsentativ für den Betrieb der Fahrzeuge auf ihren tatsächlichen Fahrtrouten mit normaler Belastung sein [muss]“. In Nr. 5.2 dieses Anhangs sind die Umgebungsbedingungen für diese Prüfung der Emissionen im tatsächlichen Fahrbetrieb festgelegt.

102. Obwohl die Verordnung 2017/1151 später erlassen wurde und auf die Ausgangsrechtsstreitigkeiten ratione temporis keine Anwendung findet, bietet sie für die vorliegenden Rechtssachen insofern einen Anhaltspunkt, als mit ihr eine realistischere Beurteilung des tatsächlichen Fahrbetriebs beabsichtigt wird. Der als Richtwert herangezogene Temperaturbereich erscheint viel größer als der des Thermofensters. Vor allem beträgt die in Nr. 5.2.4 des Anhangs IIIA dieser Verordnung für „gemäßigte Temperaturbedingungen“ berücksichtigte Mindesttemperatur 0 Grad Celsius und ist damit weit von den 15 Grad Celsius des Thermofensters entfernt. Zudem entsprechen die in Nr. 5.2.3 dieses Anhangs genannten „erweiterten Höhenlage-Bedingungen“ einer Höhe über 700 Meter und höchstens 1 300 Meter über dem Meeresspiegel(40).

103. Infolgedessen bin ich der Ansicht, dass die im Rahmen des Thermofensters gewählten Temperatur- und Höhenwerte nicht den „normalen Betriebsbedingungen“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 715/2007 für Kraftfahrzeuge in der Union entsprechen. Mit anderen Worten: Die streitige Software verringert die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems „unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind“, so dass sie eine „Abschalteinrichtung“ im Sinne von Art. 3 Nr. 10 dieser Verordnung darstellt(41).

104. Daher schlage ich vor, auf die erste und die dritte Frage in der Rechtssache C‑128/20, die erste Frage in der Rechtssache C‑134/20 und den ersten Teil der zweiten Frage in der Rechtssache C‑145/20 zu antworten, dass Art. 3 Nr. 10 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 715/2007 dahin auszulegen ist, dass eine Einrichtung, die im realen Fahrbetrieb eines Kraftfahrzeugs nur dann die volle Funktionsfähigkeit der Abgasrückführung gewährleistet, wenn Außentemperaturen zwischen 15 und 33 Grad Celsius herrschen und der Fahrbetrieb unterhalb von 1 000 Höhenmetern stattfindet, während außerhalb dieses Fensters im Verlauf von 10 Grad Celsius und oberhalb von 1 000 Höhenmetern im Verlauf von 250 Höhenmetern die Abgasrückführrate linear auf 0 verringert wird, so dass die NOx-Emissionen die Grenzwerte dieser Verordnung übersteigen, eine „Abschalteinrichtung“ darstellt.

B.      Zur zweiten Frage in der Rechtssache C128/20, zur zweiten und zur dritten Frage in der Rechtssache C134/20 sowie zum zweiten Teil der zweiten Frage in der Rechtssache C145/20

105. Mit der zweiten Frage in der Rechtssache C‑128/20, der zweiten und der dritten Frage in der Rechtssache C‑134/20 sowie dem zweiten Teil der zweiten Frage in der Rechtssache C‑145/20, die zusammen zu prüfen sind, möchten die vorlegenden Gerichte im Wesentlichen wissen, ob Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 715/2007 dahin auszulegen ist, dass eine Abschalteinrichtung, die die volle Funktionsfähigkeit der Abgasrückführung nur dann gewährleistet, wenn Außentemperaturen zwischen 15 und 33 Grad Celsius herrschen und der Fahrbetrieb unterhalb von 1 000 Höhenmetern stattfindet, unter die in dieser Bestimmung vorgesehene Ausnahme vom Verbot solcher Einrichtungen fällt, die sich auf den Schutz des Motors vor Beschädigung oder Unfall und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs bezieht, sofern diese Einrichtung vornehmlich der Schonung von Anbauteilen wie AGR-Ventil, AGR-Kühler und Dieselpartikelfilter dient.

106. Nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig. Es gibt jedoch drei Ausnahmen von diesem Verbot(42), wobei die in Buchst. a dieser Bestimmung genannte Ausnahme den Fall betrifft, dass „die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten“(43).

107. Angesichts dieses Wortlauts und in Beantwortung der zweiten Frage des vorlegenden Gerichts in der Rechtssache C‑134/20 bin ich der Auffassung, dass die Frage, ob die in den Ausgangsverfahren streitige Abschalteinrichtung zum Schutz des Motors vor Beschädigung und für den sicheren Betrieb des Fahrzeugs erforderlich ist, für die Beurteilung der Zulässigkeit dieser Einrichtung relevant ist. Meines Erachtens wäre nämlich selbst eine Einrichtung, die die Wirkung von Systemen zur Kontrolle von Schadstoffemissionen verringert, nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 715/2007 zulässig, wenn die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllt wären.

108. Im Urteil X hat der Gerichtshof auch diese Bestimmung erstmals ausgelegt. Insoweit hat er festgestellt, dass die Begriffe „Beschädigung“ und „Unfall“ weder in Art. 5 noch in einer anderen Bestimmung der Verordnung Nr. 715/2007 definiert werden und dass die Bedeutung und Tragweite dieser nicht definierten Begriffe nach seiner ständigen Rechtsprechung entsprechend ihrem üblichen Sinn im gewöhnlichen Sprachgebrauch zu bestimmen sind, wobei zu berücksichtigen ist, in welchem Kontext sie verwendet werden und welche Ziele mit der Regelung verfolgt werden, zu der sie gehören(44). Dem Gerichtshof zufolge bezeichnet der Begriff „Unfall“ nach seinem üblichen Sinn im gewöhnlichen Sprachgebrauch ein unvorhergesehenes und plötzliches Ereignis, das Schäden oder Gefahren wie Verletzungen oder den Tod nach sich zieht(45), während der Begriff „Beschädigung“ einen im Allgemeinen auf einer gewaltsamen oder plötzlichen Ursache beruhenden Schaden bezeichnet(46). Folglich ist eine die Wirkung des Emissionskontrollsystems verringernde Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 Buchst. a zulässig, wenn sie es ermöglicht, den Motor vor plötzlichen und außergewöhnlichen Schäden zu schützen(47). Die Verschmutzung und der Verschleiß des Motors können nicht als „Unfall“ oder „Beschädigung“ im Sinne der genannten Bestimmung angesehen werden, denn sie sind im Prinzip vorhersehbar und der normalen Funktionsweise des Fahrzeugs inhärent(48). Nur unmittelbare Beschädigungsrisiken, die zu einer konkreten Gefahr während des Betriebs des Fahrzeugs führen, sind geeignet, die Nutzung einer Abschalteinrichtung zu rechtfertigen(49). Der Gerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 715/2007 dahin auszulegen ist, dass eine Abschalteinrichtung, die bei Zulassungsverfahren systematisch die Leistung des Systems zur Kontrolle der Emissionen von Fahrzeugen verbessert, damit die in der Verordnung festgelegten Emissionsgrenzwerte eingehalten werden und so die Zulassung dieser Fahrzeuge erreicht wird, nicht unter die in dieser Bestimmung vorgesehene Ausnahme vom Verbot solcher Einrichtungen fallen kann, selbst wenn die Einrichtung dazu beiträgt, den Verschleiß oder die Verschmutzung des Motors zu verhindern(50).

109. Auto Krainer, Volkswagen, Porsche Inter Auto und die deutsche Regierung tragen in ihren schriftlichen Erklärungen vor, sie seien mit dieser vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung aus zwei Gründen nicht einverstanden(51).

110. Zum einen machen diese Verfahrensbeteiligten aus rechtlicher Sicht im Wesentlichen geltend, dass deutlicher zwischen den Begriffen „Unfall“ und „Beschädigung“ im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 715/2007 zu unterscheiden sei. Während mit „Unfall“ tatsächlich ein „unvorhergesehenes und plötzliches Ereignis“ gemeint sei, müsse eine „Beschädigung“ nicht plötzlich und unvorhersehbar eintreten, sondern könne auch das Ergebnis von Kumulationseffekten sein, die langfristig – während der normalen Lebensdauer eines Fahrzeugs unter normalen Nutzungsbedingungen – zu einer Beschädigung des Motors führten, ohne dass sie durch regelmäßig und nach den Regeln der Technik durchgeführte Wartungsarbeiten zu verhindern seien.

111. Zum anderen könne in technischer Hinsicht ein Sicherheitsmangel durch das AGR-Ventil entstehen, mittels dessen die durch unvollständige Verbrennung des Kraftstoffs entstehenden NOx-Emissionen kontrolliert und reduziert werden sollten(52). Bei zu hohen oder zu niedrigen Außentemperaturen, d. h., wenn Bauteile außerhalb ihrer Betriebsbedingungen beansprucht würden, könne es bei der Abgasrückführung zu übermäßigen Ablagerungen oder zu Kondensation – sogenannte „Verlackung“ und „Versottung“ – kommen, was zu fehlerhaften Stellungen des AGR-Ventils wie z. B. dauerhaftem Schließen oder Verharren in einer beliebigen Öffnungsstellung führen könne(53). Hierdurch könnten der Motor oder einzelne seiner Bauteile beschädigt werden, ohne dass vorhersehbar wäre, wann, wie und in welchem Ausmaß das AGR-Ventil ausfallen werde; dies hänge nämlich von der Fahrweise und den Umgebungsbedingungen ab, ohne dass sich graduelle Schadensverläufe stets durch regelmäßige und sachgemäße Wartungsarbeiten vermeiden ließen. Infolgedessen werde die Betriebssicherheit des betreffenden Fahrzeugs gravierend und erheblich beeinträchtigt, etwa bei unerwartetem abruptem Leistungsabfall während eines Überholvorgangs. Würden zu viele Abgase in den Brennraum zurückgeführt, könne das auch zu einem Durchbrand des Partikelfilters und in dessen Folge zu einem Motor- und sogar Fahrzeugbrand führen.

112. Da diese Argumente die Sicherheit eines Kraftfahrzeugs betreffen, halte ich es für angebracht, sie sorgfältig zu prüfen und zu ermitteln, inwieweit sie eine Abschalteinrichtung in Form der streitigen Software rechtfertigen könnten.

113. In diesem Zusammenhang möchte ich zunächst darauf hinweisen, dass der Gerichtshof für die Definition des Begriffs „Beschädigung“ im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 715/2007 auf die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache verwiesen hat, in der das Urteil X ergangen ist(54). Die Generalanwältin war der Ansicht, nach der Definition im Wörterbuch Le Petit Robert bezeichne dieser Begriff einen im Allgemeinen auf einer gewaltsamen oder plötzlichen Ursache beruhenden Schaden; der in der englischen Fassung dieser Verordnung verwendete Ausdruck „damage“ stehe dieser Auffassung nicht entgegen(55).

114. Ich möchte hinzufügen, dass das Wörterbuch der Académie française den Begriff „dégât“ (Beschädigung) wie folgt definiert: „Dommage, détérioration, dévastation, qui résulte d’un accident ou d’une volonté de destruction“(56). Diese Definition stellt also einen Zusammenhang zwischen einer „Beschädigung“ und einem „Unfall“ her, während in den Ausgangsverfahren von einer Zerstörungsabsicht keine Rede sein kann. Der Collins English Dictionary enthält die folgende Definition: „Damage is physical harm that is caused to an object“(57). Die Definition des entsprechenden deutschen Begriffs lautet: „Eine Beschädigung ist jede Einwirkung auf eine Sache, die ihre stoffliche Zusammensetzung verändert oder ihre bestimmungsgemäße Brauchbarkeit nicht nur geringfügig beeinträchtigt. Eine Substanzverletzung ist nicht erforderlich“(58).

115. Zwar verweisen nicht alle diese Definitionen des Begriffs „Beschädigung“ auf ein plötzliches Ereignis. Da sie jedoch die Auslegung dieses Begriffs durch den Gerichtshof in der Rechtssache X nicht entkräften, sehe ich keinen Grund, diese kürzlich vorgenommene Auslegung wieder fallen zu lassen. Daher verstehe ich unter einer „Beschädigung“ im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 715/2007 einen im Allgemeinen auf einer gewaltsamen oder plötzlichen Ursache beruhenden Schaden. Unter Berücksichtigung dieser Begriffsbestimmung ist zu prüfen, ob das Erfordernis der in den Ausgangsverfahren streitigen Abschalteinrichtung im Hinblick auf den Schutz des Motors vor Beschädigung gerechtfertigt ist.

116. Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts in der Rechtssache C‑134/20 ist das AGR-Ventil Teil des Motors. Nach Ansicht der Kommission bilden der Motor und das „Abgasnachbehandlungssystem“ jedoch getrennte Fahrzeugteile. Daher beeinträchtige eine Fehlfunktion des AGR-Ventils nicht den Schutz des Motors.

117. Dazu möchte ich bemerken, dass der Gerichtshof die Bestimmungen des Unionsrechts so auslegen muss, wie sie auf die Rechtsstreitigkeiten in den Ausgangsverfahren anwendbar sind. Aus dem Wortlaut der einschlägigen unionsrechtlichen Regelung ergibt sich aber – auch wenn Auto Krainer, Volkswagen und Porsche Inter Auto dies in ihren Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichtshofs bestreiten –, dass das AGR-System nicht Teil des Motors ist. So bezeichnet der Ausdruck „Emissionsminderungssystem“ gemäß Art. 2 Nr. 18 der Verordnung Nr. 692/2008 „im Zusammenhang mit einem OBD-System [(On-Board-Diagnosesystem)] die elektronische Motorsteuerung sowie jedes emissionsrelevante Bauteil im Abgas- oder Verdunstungssystem, das diesem Steuergerät ein Eingangssignal übermittelt oder von diesem ein Ausgangssignal erhält“(59).

118. Anhang I („Verwaltungsvorschriften für die EG-Typgenehmigung“) der Verordnung Nr. 692/2008 enthält zudem einen Abschnitt 3.3.1, wonach „[d]ie Typgenehmigung … auf andere Fahrzeugtypen erweitert werden [darf], deren nachstehende Parameter des Motors oder des Emissionsminderungssystems identisch sind oder Werte innerhalb der angegebenen Toleranzen aufweisen“(60). In diesem Anhang wird ausdrücklich zwischen dem „Motor“ (Abschnitt 3.3.1.2) und den „Parametern des Emissionsminderungssystems“ (Abschnitt 3.3.1.3) differenziert. Der letztgenannte Abschnitt enthält einen Buchst. c, der sich auf die „Abgasrückführung“ bezieht(61).

119. Aus diesen Bestimmungen geht hervor, dass der Unionsgesetzgeber in der einschlägigen Regelung klar zwischen dem Motor und dem Emissionsminderungssystem, zu dem das AGR-System gehört, unterschieden hat. Außerdem gelten Partikelfilter nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 692/2008 für die Zwecke dieser Verordnung als emissionsmindernde Einrichtungen.

120. Im Übrigen ist Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 715/2007, wie der Gerichtshof im Urteil X ausgeführt hat, als Ausnahme vom Verbot der Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, eng auszulegen(62).

121. In Anbetracht der einschlägigen unionsrechtlichen Vorschriften meine ich daher, dass eine Abschalteinrichtung, die vornehmlich der Schonung von Anbauteilen wie AGR-Ventil, AGR-Kühler und Dieselpartikelfilter dient, nicht unter die in Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 715/2007 vorgesehene Ausnahme vom Verbot solcher Einrichtungen fällt.

122. Folglich bin ich in Beantwortung der dritten Frage des vorlegenden Gerichts in der Rechtssache C‑134/20 der Ansicht, dass es für die Zulässigkeit der streitigen Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 715/2007 keine Rolle spielt, ob es sich bei dem vor Beschädigung zu schützenden Bauteil um das AGR-Ventil handelt.

123. Wie in Nr. 111 der vorliegenden Schlussanträge erwähnt, haben jedoch mehrere Verfahrensbeteiligte argumentiert, eine Fehlfunktion des AGR-Ventils könnte den Motor oder einige seiner Bauteile beschädigen.

124. Was die Situation betrifft, in der wegen einer Fehlfunktion des AGR-Ventils der Motor des betreffenden Fahrzeugs verschmutzt, ergibt sich, wie bereits erwähnt, aus dem Urteil X, dass die Verschmutzung und der Verschleiß des Motors nicht als „Unfall“ oder „Beschädigung“ im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 715/2007 angesehen werden können, da sie im Prinzip vorhersehbar und der normalen Funktionsweise des Fahrzeugs inhärent sind(63). Es handelt sich, mit anderen Worten, um eine Verschlechterung aufgrund der normalen Nutzung des Fahrzeugs. Folglich können diese Umstände nicht unter die in dieser Bestimmung geregelte Ausnahme fallen.

125. Im Urteil X heißt es weiter, dass nur unmittelbare Beschädigungsrisiken, die zu einer konkreten Gefahr während des Betriebs des Fahrzeugs führen, geeignet sind, die Nutzung einer Abschalteinrichtung wie etwa eines Thermofensters zu rechtfertigen(64). Diese Situation kann nach meinem Dafürhalten eintreten, wenn sich die Fehlfunktion des AGR-Ventils abrupt auf den Betrieb des Motors selbst auswirkt, ohne dass diese Folgen durch eine regelmäßige und sachgemäße Wartung des Fahrzeugs zu verhindern wären(65).

126. Nur in diesem Fall könnte die fragliche Abschalteinrichtung aufgrund von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 715/2007 zugelassen werden. Da es sich hierbei um eine Prüfung tatsächlicher Art handelt, ist es Sache der vorlegenden Gerichte, die allein für die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts der Ausgangsverfahren zuständig sind(66), zu beurteilen, ob eine möglicherweise auftretende Fehlfunktion des AGR-Ventils plötzliche und unmittelbare Risiken einer Beschädigung des Motors selbst begründen könnte(67), die trotz regelmäßiger und sachgemäßer Wartung des betreffenden Fahrzeugs zu einer konkreten Gefahr während dessen Betriebs führen würden(68).

127. In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass das vorlegende Gericht in der Rechtssache C‑134/20 bemerkt, es lasse sich nicht feststellen, ob die Abschalteinrichtung erforderlich sei, um den Motor des Fahrzeugs vor Beschädigung zu schützen. Für den Fall, dass eine solche Feststellung tatsächlich nicht möglich sein sollte, ist zu beachten, dass Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 715/2007 eng auszulegen ist.

128. Im Übrigen machen Auto Krainer, Volkswagen, Porsche Inter Auto und die deutsche Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen geltend, die Verordnung Nr. 715/2007 verfolge einen technikneutralen Ansatz und verlange nicht den Einsatz von Spitzentechnologie. Insoweit entspreche die Verwendung eines AGR-Systems, das mit Thermofenstern in je nach Genehmigungszeitpunkt unterschiedlichem Umfang arbeite, unstreitig dem Stand der Technik.

129. Dieses Vorbringen ist meines Erachtens nicht geeignet, eine Abschalteinrichtung auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 715/2007 zu rechtfertigen. Zum einen ist in dieser Verordnung nicht davon die Rede, dass die EG-Typgenehmigung von der Verwendung einer bestimmten Technologie abhängig wäre. Darin wird lediglich ein Ziel für die Schadstoffemissionen festgelegt. Zum anderen ist es laut dem siebten Erwägungsgrund dieser Verordnung „[b]ei der Festlegung von Emissionsgrenzwerten … wichtig zu berücksichtigen, wie sie sich auf die Märkte und die Wettbewerbsfähigkeit der Hersteller auswirken, welche direkten und indirekten Kosten den Unternehmen durch sie entstehen und welchen Nutzen in Form von Anregung von Innovation, Verbesserung der Luftqualität, Senkung der Gesundheitskosten und Gewinn zusätzlicher Lebensjahre sie bringen und welche Gesamtwirkung sie auf die CO2-Emissionen haben“. Der Unionsgesetzgeber hat somit bereits bei der Festlegung der Grenzwerte für Schadstoffemissionen die Interessen der Automobilhersteller berücksichtigt. Es ist daher deren Sache, die technischen Vorrichtungen anzupassen und anzuwenden, damit diese Grenzwerte eingehalten werden(69), ohne dass die eingesetzte Technik zwangsläufig die bestmögliche sein müsste oder vorgeschrieben wäre.

130. Außerdem besteht, wie der Gerichtshof im Urteil X festgestellt hat, das mit der Verordnung Nr. 715/2007 verfolgte Ziel darin, in der Union die Umwelt zu schützen und die Luftqualität zu verbessern, was eine wirksame Verringerung der NOx-Emissionen während der gesamten normalen Lebensdauer der Fahrzeuge impliziert(70). Wenn aber eine Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 715/2007 allein deshalb zugelassen würde, weil z. B. die Kosten für die Forschung hoch sind, die technische Ausrüstung teuer ist oder für den Nutzer häufigere und kostspieligere Wartungsarbeiten am Fahrzeug anfallen, würde diese Verordnung letztlich ausgehöhlt(71).

131. Infolgedessen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die zweite Frage in der Rechtssache C‑128/20, die zweite und die dritte Frage in der Rechtssache C‑134/20 und den zweiten Teil der zweiten Frage in der Rechtssache C‑145/20 zu antworten, dass Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 715/2007 dahin auszulegen ist, dass eine Abschalteinrichtung, die die volle Funktionsfähigkeit der Abgasrückführung nur dann gewährleistet, wenn Außentemperaturen zwischen 15 und 33 Grad Celsius herrschen und der Fahrbetrieb unterhalb von 1 000 Höhenmetern stattfindet, nicht unter die in dieser Bestimmung vorgesehene Ausnahme vom Verbot solcher Einrichtungen fällt, die sich auf den Schutz des Motors vor Beschädigung oder Unfall und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs bezieht, sofern diese Einrichtung vornehmlich der Schonung von Anbauteilen wie AGR-Ventil, AGR-Kühler und Dieselpartikelfilter dient.

C.      Zur vierten Frage in der Rechtssache C134/20

132. Mit der vierten Frage in der Rechtssache C‑134/20 möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 5 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 715/2007 dahin auszulegen ist, dass die Zulässigkeit einer Abschalteinrichtung davon abhängt, ob diese Einrichtung bereits bei Herstellung des Fahrzeugs darin verbaut war oder erst später im Rahmen einer Nachbesserung im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 1999/44 eingebaut wurde.

133. Nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 1999/44 hat der Verbraucher bei Vertragswidrigkeit des Verbrauchsguts zum Zeitpunkt seiner Lieferung entweder Anspruch auf die unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung nach Maßgabe von Abs. 3 oder auf angemessene Minderung des Kaufpreises oder auf Vertragsauflösung in Bezug auf das betreffende Verbrauchsgut nach Maßgabe der Abs. 5 und 6.

134. Dazu geht aus dem Vorlagebeschluss in der Rechtssache C‑134/20 hervor, dass mit dem Einbau der Abschalteinrichtung in Form der streitigen Software bezweckt wurde, durch Nachbesserung die Unzulässigkeit der Umschaltlogik zu beheben und den Bestimmungen der Verordnung Nr. 715/2007 nachzukommen. Die vorliegende Frage beruht auf der Annahme, dass der betreffende Automobilhersteller mit der Software dieses Ziel erreicht hat. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, anhand der Antworten auf die zuvor geprüften Fragen zu ermitteln, ob das tatsächlich geschehen ist(72). Sollte dies nicht der Fall sein, wäre die Abschalteinrichtung in jedem Fall nach Art. 5 Abs. 1 und 2 dieser Verordnung unzulässig.

135. Sollte das vorlegende Gericht feststellen, dass die streitige Abschalteinrichtung im Einklang mit der Verordnung Nr. 715/2007 steht, hängt die Zulässigkeit einer solchen Einrichtung nach meiner Meinung nicht davon ab, ob sie bereits bei Herstellung des betreffenden Fahrzeugs darin verbaut wurde.

136. Zunächst unterscheidet der Wortlaut von Art. 3 Nr. 10 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 715/2007 nicht danach, ob die Abschalteinrichtung von Anfang an in dem Fahrzeug verbaut war oder nachträglich darin eingebaut wurde, da in diesen Bestimmungen der Zeitpunkt des Einbaus einer solchen Einrichtung nicht erwähnt ist.

137. Sodann hat der Hersteller im Rahmen der Verordnung Nr. 715/2007 nach deren Art. 4 Abs. 1 nachzuweisen, dass alle von ihm in der Union verkauften oder in Betrieb genommenen neuen emissionsmindernden Einrichtungen für den Austausch, für die eine Typgenehmigung erforderlich ist, über eine Typgenehmigung gemäß dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen verfügen, wobei diese Pflichten einschließen, dass die in Anhang I und in den in Art. 5 dieser Verordnung genannten Durchführungsmaßnahmen festgelegten Grenzwerte eingehalten werden. Außerdem gewährleistet der Hersteller nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 692/2008, „dass emissionsmindernde Einrichtungen für den Austausch, die in Fahrzeuge mit einer EG-Typgenehmigung nach der Verordnung [Nr. 715/2007] eingebaut werden, in Übereinstimmung mit Artikel 12, Artikel 13 und Anhang XIII dieser Verordnung über eine EG-Typgenehmigung als selbstständige technische Einheiten im Sinne von Artikel 10 Absatz 2 der Richtlinie [2007/46] … verfügen“. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich somit, dass alle emissionsmindernden Einrichtungen, unabhängig davon, ob sie ursprünglich eingebaut oder nachgerüstet wurden, den Vorgaben der Verordnung Nr. 715/2007 entsprechen müssen.

138. Schließlich soll mit der Verordnung Nr. 715/2007, wie schon erwähnt, ein hohes Umweltschutzniveau sichergestellt werden. Wäre aber nur auf den Zeitpunkt der Herstellung des Fahrzeugs abzustellen, würde dies bedeuten, dass die Automobilhersteller nicht verpflichtet wären, nach dessen Inbetriebnahme eine dieser Verordnung konforme Abschalteinrichtung einzubauen. Dies stünde im Widerspruch zur Zielsetzung der Verordnung Nr. 715/2007. Um die Vorgaben dieser Verordnung zu umgehen, würde es nämlich genügen, dass die Hersteller nur die ursprüngliche, verordnungskonforme emissionsmindernde Einrichtung durch eine weniger wirksame Abschalteinrichtung ersetzen, mit der die Einhaltung der NOx-Grenzwerte nicht gewährleistet wäre.

139. Daher sollte meines Erachtens die Antwort auf die vierte Frage in der Rechtssache C‑134/20 lauten, dass Art. 5 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 715/2007 dahin auszulegen ist, dass die Zulässigkeit einer Abschalteinrichtung nicht davon abhängt, ob diese Einrichtung bereits bei Herstellung des Fahrzeugs darin verbaut war oder erst später im Rahmen einer Nachbesserung im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 1999/44 eingebaut wurde.

D.      Zur ersten Frage in der Rechtssache C145/20

140. Mit der ersten Frage in der Rechtssache C‑145/20 möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 1999/44 dahin auszulegen ist, dass ein Kraftfahrzeug, das in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 715/2007 fällt, die Qualität aufweist, die bei Gütern der gleichen Art üblich ist und die der Verbraucher vernünftigerweise erwarten kann, wenn das Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung ausgestattet ist, dabei jedoch über eine gültige EG-Typgenehmigung verfügt.

141. Vorab weise ich darauf hin, dass diese Frage auf der Annahme beruht, dass das betreffende Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ausgestattet ist. Wie bereits erwähnt(73), ist es Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob dies tatsächlich der Fall ist.

142. Wenn es sich so verhält, ist zu beachten, dass die Richtlinie 1999/44, wie aus ihrem ersten Erwägungsgrund hervorgeht, dem Ziel dient, ein hohes Niveau des Verbraucherschutzes zu gewährleisten. Insbesondere verpflichtet Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie den Verkäufer, dem Verbraucher dem Kaufvertrag gemäße Güter zu liefern(74). Nach dem achten Erwägungsgrund der Richtlinie ist es zur Erleichterung der Anwendung des Grundsatzes der Vertragsmäßigkeit sinnvoll, eine widerlegbare Vermutung der Vertragsmäßigkeit einzuführen, die die meisten normalen Situationen abdeckt, wobei in Ermangelung spezifischer Vertragsklauseln sowie im Fall der Anwendung der Mindestschutzklausel die in dieser Vermutung genannten Elemente verwendet werden können, um die Vertragswidrigkeit der Waren zu bestimmen.

143. Speziell in Bezug auf Kraftfahrzeuge heißt es im dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 2007/46, dass die Rechtsakte zur Spezifizierung der technischen Anforderungen „vor allem auf eine hohe Verkehrssicherheit, hohen Gesundheits- und Umweltschutz, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Benutzung abzielen [sollten]“(75). Dementsprechend wird in Art. 3 Nr. 5 dieser Richtlinie „EG-Typgenehmigung“ definiert als „das Verfahren, nach dem ein Mitgliedstaat bescheinigt, dass ein Typ eines Fahrzeugs, eines Systems, eines Bauteils oder einer selbstständigen technischen Einheit den einschlägigen Verwaltungsvorschriften und technischen Anforderungen dieser Richtlinie und der in Anhang IV oder XI aufgeführten Rechtsakte entspricht“. Dieser Anhang IV („Für die EG-Typgenehmigung von Fahrzeugen anzuwendende Vorschriften“) verweist in seinem Teil I („Aufstellung der Rechtsakte für die EG-Typgenehmigung von in unbegrenzter Serie hergestellten Fahrzeugen“) für „Emissionen leichter Pkw und Nutzfahrzeuge (Euro 5 und 6)/Zugang zu Informationen“ auf die Verordnung Nr. 715/2007. Ferner sieht Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Richtlinie vor, dass die Mitgliedstaaten die Zulassung, den Verkauf oder die Inbetriebnahme von Fahrzeugen nur gestatten, wenn diese den Anforderungen dieser Richtlinie entsprechen.

144. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass die betreffenden Fahrzeuge im Rahmen der EG-Typgenehmigung den Anforderungen gemäß Anhang IV der Richtlinie 2007/46 entsprechen müssen, insbesondere denjenigen in Bezug auf Abschalteinrichtungen. Ist dies nicht der Fall, verfügen diese Fahrzeuge nicht über eine ordnungsgemäße Übereinstimmungsbescheinigung im Sinne von Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie, die in deren Art. 3 Nr. 36 definiert ist als „das in Anhang IX[(76)] wiedergegebene, vom Hersteller ausgestellte Dokument, mit dem bescheinigt wird, dass ein Fahrzeug aus der Baureihe eines nach dieser Richtlinie genehmigten Typs zum Zeitpunkt seiner Herstellung allen Rechtsakten entspricht“. Dieses Dokument ist nach Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie für die Zulassung oder den Verkauf zwingend vorgeschrieben.

145. Porsche Inter Auto macht in ihren schriftlichen Erklärungen geltend, der Verbraucher erwarte von einem Auto nur, dass er damit in aller Sicherheit fahren könne, ohne ein Interesse daran zu haben, dass es auch alle regulatorischen Vorgaben absolut erfülle. Es muss jedoch betont werden, dass dieser Standpunkt nicht mit dem Wortlaut von Art. 3 Nr. 36 der Richtlinie 2007/46 übereinstimmt, wonach die Ausstellung der Übereinstimmungsbescheinigung voraussetzt, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Herstellung allen Rechtsakten entspricht.

146. Da ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher erwarten darf, dass die rechtlichen Anforderungen für die EG-Typgenehmigung von Fahrzeugen auch in Ermangelung spezifischer Vertragsklauseln eingehalten werden, ist es für mich klar, dass das betreffende Fahrzeug, wenn diese Anforderungen nicht allesamt erfüllt sind, nicht dem Kaufvertrag im Sinne der Richtlinie 1999/44 gemäß ist(77).

147. Wenn keine ordnungsgemäße Übereinstimmungsbescheinigung vorliegt, stimmt das betreffende Fahrzeug aus meiner Sicht nämlich nicht „mit der vom Verkäufer gegebenen Beschreibung“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 1999/44 überein. Das Fahrzeug dürfte sich auch weder „für einen bestimmten vom Verbraucher angestrebten Zweck“ noch „für die Zwecke eignen, für die Güter der gleichen Art gewöhnlich gebraucht werden“, und somit nicht im Einklang mit Art. 2 Abs. 2 Buchst. b und c dieser Richtlinie stehen. Ebenso wenig dürfte das Fahrzeug, um auf die Frage des vorlegenden Gerichts zurückzukommen, im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie die „Qualität und Leistungen aufweisen, die bei Gütern der gleichen Art üblich sind und die der Verbraucher vernünftigerweise erwarten kann, wenn die Beschaffenheit des Gutes … in Betracht gezogen [wird]“.

148. Wie die Kommission bemerkt, wird diese Auslegung durch Art. 7 („Objektive Anforderungen an die Vertragsmäßigkeit“) Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2019/771 gestützt, wonach die Waren zusätzlich zur Einhaltung der subjektiven Anforderungen an die Vertragsmäßigkeit für die Zwecke geeignet sein müssen, für die Waren derselben Art in der Regel gebraucht werden, gegebenenfalls unter Berücksichtigung des bestehenden Unionsrechts und nationalen Rechts, technischer Normen oder – in Ermangelung solcher technischer Normen – anwendbarer sektorspezifischer Verhaltenskodizes.

149. Dass der fragliche Fahrzeugtyp über eine EG-Typgenehmigung verfügt, so dass das Fahrzeug im Straßenverkehr verwendet werden kann, ändert nach meiner Meinung nichts an der Antwort auf die Vorlagefrage(78). Denn diese Genehmigung ist möglicherweise erwirkt worden, ohne dass die Genehmigungsbehörde vom Einbau einer unzulässigen Einrichtung etwas wusste. So führt das vorlegende Gericht in der Rechtssache C‑145/20 aus, dass das KBA für den fraglichen Fahrzeugtyp ursprünglich die EG-Typgenehmigung erteilt habe, ohne über den Einbau der Umschaltlogik informiert worden zu sein, und dass es, wenn es davon gewusst hätte, diese Genehmigung nicht erteilt hätte.

150. Das betreffende Fahrzeug ist folglich, auch wenn es über eine von der zuständigen nationalen Stelle erteilte EG-Typgenehmigung verfügt, gleichwohl kein dem Kaufvertrag gemäßes Gut im Sinne der Richtlinie 1999/44.

151. Daher schlage ich vor, auf die erste Frage in der Rechtssache C‑145/20 zu antworten, dass Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 1999/44 dahin auszulegen ist, dass ein Kraftfahrzeug, das in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 715/2007 fällt, nicht die Qualität aufweist, die bei Gütern der gleichen Art üblich ist und die der Verbraucher vernünftigerweise erwarten kann, sofern es mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung ausgestattet ist, selbst wenn es über eine gültige EG-Typgenehmigung verfügt.

E.      Zur dritten Frage in der Rechtssache C145/20

152. Mit der dritten Frage in der Rechtssache C‑145/20 möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 6 der Richtlinie 1999/44 dahin auszulegen ist, dass eine Vertragswidrigkeit, die in der Ausstattung des betreffenden Fahrzeugs mit einer nach Art. 3 Nr. 10 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 715/2007 unzulässigen Abschalteinrichtung besteht, dann als „geringfügig“ qualifiziert werden kann, wenn der Übernehmer das Fahrzeug selbst bei Kenntnis ihres Vorhandenseins und ihrer Wirkungsweise erworben hätte.

153. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs verpflichtet Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 1999/44 den Verkäufer, dem Verbraucher dem Kaufvertrag gemäße Güter zu liefern. Daher haftet der Verkäufer dem Verbraucher nach Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie für jede Vertragswidrigkeit, die zum Zeitpunkt der Lieferung des Verbrauchsguts besteht. Dieser Art. 3 nennt in Abs. 2 die Ansprüche, die der Verbraucher bei Vertragswidrigkeit des gelieferten Gutes gegen den Verkäufer geltend machen kann. Zunächst kann der Verbraucher gemäß Art. 3 Abs. 3 die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Gutes verlangen. Kann er die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands nicht erlangen, so kann er gemäß Art. 3 Abs. 5 in einem zweiten Schritt eine Minderung des Kaufpreises oder die Vertragsauflösung verlangen. Wie jedoch aus Art. 3 Abs. 6 hervorgeht, hat der Verbraucher bei einer geringfügigen Vertragswidrigkeit des gelieferten Gutes keinen Anspruch auf Vertragsauflösung; in diesem Fall hat er nur das Recht, eine angemessene Minderung des Kaufpreises des betreffenden Gutes zu verlangen(79).

154. Aus Art. 3 Abs. 3 und 5 in Verbindung mit dem zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie 1999/44 geht also hervor, dass diese Richtlinie im Interesse der beiden Vertragsparteien der Erfüllung des Vertrags mittels einer der beiden zunächst vorgesehenen Abhilfen den Vorzug vor einer Auflösung des Vertrags gibt(80).

155. Im vorliegenden Fall führt das vorlegende Gericht in der Rechtssache C‑145/20 aus, DS, der Porsche Inter Auto auf Auflösung des Kaufvertrags über das Fahrzeug 3 verklagt habe, hätte dieses Fahrzeug – wenngleich zu anderen Bedingungen – auch dann gekauft, wenn er gewusst hätte, dass es mit der Umschaltlogik, d. h. einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 715/2007, ausgestattet gewesen sei. Das Gericht geht bei der Vorlagefrage davon aus, dass in diesem Fahrzeug auch nach Installation der streitigen Software immer noch eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne dieser Bestimmungen zum Einsatz kommt(81).

156. Zunächst weise ich darauf hin, dass diese Frage auf der Annahme beruht, DS könne die Auflösung des Kaufvertrags über das Fahrzeug 3 verlangen. Der Verbraucher kann jedoch nur dann, wenn er weder auf die Nachbesserung noch auf die Ersatzlieferung des vertragswidrigen Verbrauchsguts einen Anspruch hat oder wenn der Verkäufer keine dieser Abhilfemaßnahmen binnen einer angemessenen Frist oder ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher durchgeführt hat, gemäß Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie 1999/44 eine Vertragsauflösung verlangen, sofern es sich nicht um eine geringfügige Vertragswidrigkeit im Sinne von Art. 3 Abs. 6 dieser Richtlinie handelt(82). Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob DS im Hinblick auf diese Voraussetzungen weder eine Nachbesserung noch eine Ersatzlieferung des vertragswidrigen Verbrauchsguts verlangen kann oder ob Porsche Inter Auto keine dieser Abhilfemaßnahmen durchgeführt hat.

157. Im Übrigen liegt nach Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44 keine Vertragswidrigkeit im Sinne dieses Artikels vor, wenn der Verbraucher zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Kenntnis von der Vertragswidrigkeit hatte oder vernünftigerweise nicht in Unkenntnis darüber sein konnte oder wenn die Vertragswidrigkeit auf den vom Verbraucher gelieferten Stoff zurückzuführen ist(83). In Anbetracht dieser Formulierung bin ich der Ansicht, dass die Kenntnis des Verbrauchers von der Vertragswidrigkeit objektiver Natur ist. Diese Bedingung ist beispielsweise erfüllt, wenn der Verkäufer den Verbraucher zum Zeitpunkt des Verkaufs über die Vertragswidrigkeit informiert und der Verbraucher das Verbrauchsgut daher in voller Kenntnis dieser Tatsache kauft. Es ist dann nur folgerichtig, dass der Verbraucher später keine Vertragswidrigkeit mehr geltend machen kann.

158. Nach meinem Dafürhalten ist Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44 im Ausgangsverfahren nicht anwendbar. Denn es ist unstreitig, dass DS zum Zeitpunkt des Verkaufs des Fahrzeugs 3 keine Kenntnis von der angeblichen Vertragswidrigkeit hatte und vernünftigerweise auch nicht haben konnte. Die Frage des vorlegenden Gerichts beruht somit nur auf der hypothetischen Bereitschaft von DS, dieses Fahrzeug auch dann zu erwerben, wenn ihm der fragliche Mangel bekannt gewesen wäre. Hierbei handelt es sich um einen subjektiven Faktor, der nicht beweisbar ist und sich übrigens im Lauf der Zeit ändern kann, insbesondere im Licht der Informationen, die der Verbraucher über die Schwere der Vertragswidrigkeit möglicherweise noch erhält(84).

159. Die Richtlinie 1999/44 enthält keine Definition des Begriffs der „geringfügigen“ Vertragswidrigkeit(85). Auch hat sich der Gerichtshof nicht unmittelbar zu dessen Tragweite geäußert(86). Eine allgemeine Definition dieses Begriffs ist schwierig, da die Vertragswidrigkeit von der konkreten Situation abhängt und fallweise auf der Grundlage des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags bestimmt werden muss. Jedenfalls bin ich der Ansicht, dass eine Vertragswidrigkeit, die die Sicherheit und das ordnungsgemäße Funktionieren des Verbrauchsguts beeinträchtigt, nicht „geringfügig“ im Sinne von Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie ist(87). Ein Mangel ist auch dann nicht „geringfügig“, wenn das Verbrauchsgut nicht den vertraglichen Vereinbarungen entspricht. Wenn etwa ein Verbraucher ausdrücklich ein rotes Auto bestellt, ihm aber ein blaues Auto geliefert wird, kann die Vertragswidrigkeit nicht als „geringfügig“ bezeichnet werden, so dass eine Vertragsauflösung nach Art. 3 Abs. 3 und 5 der Richtlinie möglich wäre.

160. Zwar soll Art. 3 der Richtlinie 1999/44 nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Verbrauchers und denen des Verkäufers herstellen, indem er dem Verbraucher als schwächerer Vertragspartei einen umfassenden und wirksamen Schutz dagegen gewährt, dass der Verkäufer seine vertraglichen Verpflichtungen schlecht erfüllt, und zugleich erlaubt, vom Verkäufer angeführte wirtschaftliche Überlegungen zu berücksichtigen(88). Folglich kann die Vertragsauflösung als gravierendste Abhilfemöglichkeit für den Verbraucher nur verlangt werden, wenn die Vertragswidrigkeit hinreichend erheblich ist.

161. Wie in Nr. 146 der vorliegenden Schlussanträge dargelegt, darf ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher aber erwarten, dass die rechtlichen Anforderungen für die EG-Typgenehmigung von Fahrzeugen auch dann eingehalten werden, wenn es insoweit an spezifischen Vertragsklauseln fehlt. Liegt eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 715/2007 vor, ist die Übereinstimmungsbescheinigung nicht ordnungsgemäß(89). Nach Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46 dürfen die Mitgliedstaaten aber Fahrzeuge nur zulassen und deren Verkauf oder Inbetriebnahme nur gestatten, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung nach Art. 18 dieser Richtlinie versehen sind.

162. Daher weist ein Fahrzeug, wie in der Antwort auf die erste Frage in der Rechtssache C‑145/20 dargelegt, insbesondere nicht die Qualität auf, die nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 1999/44 bei Gütern der gleichen Art üblich ist und die der Verbraucher vernünftigerweise erwarten kann, wenn es mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ausgestattet ist.

163. Unter diesen Umständen bin ich der Auffassung, dass die aus der Verwendung einer solchen Einrichtung resultierende Vertragswidrigkeit dieses Fahrzeugs nicht als „geringfügig“ im Sinne von Art. 3 Abs. 6 der Richtlinie 1999/44 angesehen werden kann.

164. Infolgedessen schlage ich vor, auf die dritte Frage in der Rechtssache C‑145/20 zu antworten, dass Art. 3 Abs. 6 der Richtlinie 1999/44 dahin auszulegen ist, dass eine Vertragswidrigkeit, die in der Ausstattung des betreffenden Fahrzeugs mit einer nach Art. 3 Nr. 10 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 715/2007 unzulässigen Abschalteinrichtung besteht, auch dann nicht als „geringfügig“ qualifiziert werden kann, wenn der Übernehmer das Fahrzeug selbst bei Kenntnis ihres Vorhandenseins und ihrer Wirkungsweise erworben hätte.

V.      Ergebnis

165. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Landesgerichts Klagenfurt (Österreich), des Landesgerichts Eisenstadt (Österreich) und des Obersten Gerichtshofs (Österreich) wie folgt zu beantworten:

1.      Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge in der durch die Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 geänderten Fassung ist in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 der Verordnung dahin auszulegen, dass eine Einrichtung, die im realen Fahrbetrieb eines Kraftfahrzeugs nur dann die volle Funktionsfähigkeit der Abgasrückführung gewährleistet, wenn Außentemperaturen zwischen 15 und 33 Grad Celsius herrschen und der Fahrbetrieb unterhalb von 1 000 Höhenmetern stattfindet, während außerhalb dieses Fensters im Verlauf von 10 Grad Celsius und oberhalb von 1 000 Höhenmetern im Verlauf von 250 Höhenmetern die Abgasrückführrate linear auf 0 verringert wird, so dass die Stickoxid-[NOx]-Emissionen die Grenzwerte dieser Verordnung übersteigen, eine „Abschalteinrichtung“ darstellt.

2.      Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 715/2007 in geänderter Fassung ist dahin auszulegen, dass eine Abschalteinrichtung, die die volle Funktionsfähigkeit der Abgasrückführung nur dann gewährleistet, wenn Außentemperaturen zwischen 15 und 33 Grad Celsius herrschen und der Fahrbetrieb unterhalb von 1 000 Höhenmetern stattfindet, nicht unter die in dieser Bestimmung vorgesehene Ausnahme vom Verbot solcher Einrichtungen fällt, die sich auf den Schutz des Motors vor Beschädigung oder Unfall und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs bezieht, sofern diese Einrichtung vornehmlich der Schonung von Anbauteilen wie AGR-Ventil, AGR-Kühler und Dieselpartikelfilter dient.

3.      Art. 5 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 715/2007 in geänderter Fassung ist dahin auszulegen, dass die Zulässigkeit einer Abschalteinrichtung nicht davon abhängt, ob diese Einrichtung bereits bei Herstellung des Fahrzeugs darin verbaut war oder erst später im Rahmen einer Nachbesserung im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter eingebaut wurde.

4.      Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 1999/44 ist dahin auszulegen, dass ein Kraftfahrzeug, das in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 715/2007 in geänderter Fassung fällt, nicht die Qualität aufweist, die bei Gütern der gleichen Art üblich ist und die der Verbraucher vernünftigerweise erwarten kann, sofern es mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung ausgestattet ist, selbst wenn es über eine gültige EG-Typgenehmigung verfügt.

5.      Art. 3 Abs. 6 der Richtlinie 1999/44 ist dahin auszulegen, dass eine Vertragswidrigkeit, die in der Ausstattung des betreffenden Fahrzeugs mit einer nach Art. 3 Nr. 10 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 715/2007 in geänderter Fassung unzulässigen Abschalteinrichtung besteht, auch dann nicht als „geringfügig“ qualifiziert werden kann, wenn der Übernehmer das Fahrzeug selbst bei Kenntnis ihres Vorhandenseins und ihrer Wirkungsweise erworben hätte.


1      Originalsprache: Französisch.


2      Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft die Luftverschmutzung als das größte umweltbedingte Gesundheitsrisiko ein. Vgl. den WHO-Bericht mit dem Titel „Ambient air pollution: A global assessment of exposure and burden of disease“, 13. Mai 2016, S. 15.


3      Vgl. zu den sukzessiven Euro-Normen für Emissionen von Stickoxid (NOx) das Themenpapier des Europäischen Rechnungshofs mit dem Titel „Die Reaktion der EU auf den ‚Diesel-Skandal‘“, Februar 2019, S. 9.


4      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. 2007, L 171, S. 1) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 (ABl. 2008, L 199, S. 1) (im Folgenden: Verordnung Nr. 715/2007).


5      Vgl. Urteil X (Rn. 27).


6      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. 1999, L 171, S. 12).


7      Richtlinie des Rates vom 6. Februar 1970 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Betriebserlaubnis für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger (ABl. 1970, L 42, S. 1).


8      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie) (ABl. 2007, L 263, S. 1) in der Fassung der Verordnung (EU) Nr. 214/2014 der Kommission vom 25. Februar 2014 (ABl. 2014, L 69, S. 3) (im Folgenden: Richtlinie 2007/46).


9      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 über die Genehmigung und die Marktüberwachung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 715/2007 und (EG) Nr. 595/2009 und zur Aufhebung der Richtlinie 2007/46/EG (ABl. 2018, L 151, S. 1).


10      Der Wortlaut dieses Anhangs ergibt sich aus der Verordnung (EU) 2017/1151 der Kommission vom 1. Juni 2017 zur Ergänzung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Fahrzeugreparatur- und ‑wartungsinformationen, zur Änderung der Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission sowie der Verordnung (EU) Nr. 1230/2012 der Kommission und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission (ABl. 2017, L 175, S. 1).


11      Verordnung der Kommission vom 10. März 2016 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 6) (ABl. 2016, L 82, S. 1).


12      In der Fassung der Verordnung (EU) 2017/1154 der Kommission vom 7. Juni 2017 (ABl. 2017, L 175, S. 708) (im Folgenden: Verordnung 2017/1151).


13      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs, zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/2394 und der Richtlinie 2009/22/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 1999/44/EG (ABl. 2019, L 136, S. 28).


14      [Ohne Belang für die deutsche Sprachfassung der vorliegenden Schlussanträge.]


15      In den drei vorliegenden Rechtssachen hat der Gerichtshof beschlossen, wegen der Gesundheitsrisiken im Zusammenhang mit der SARS-Cov2-Pandemie ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.


16      Wegen eines allgemeinen Überblicks über den rechtlichen Rahmen für die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen verweise ich auf die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache CLCV u. a. (Abschalteinrichtung für Dieselmotoren) (C‑693/18, EU:C:2020:323, Nrn. 45 bis 54).


17      Vgl. Urteil X (Rn. 27 und 31).


18      Urteil X (Rn. 68).


19      Urteil X (Rn. 90).


20      Urteil X (Rn. 102).


21      Vgl. Urteil X (Rn. 115).


22      Urteil vom 29. April 2021, Bank BPH (C‑19/20, EU:C:2021:341, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).


23      Siehe Nr. 47 der vorliegenden Schlussanträge.


24      Siehe Nr. 83 der vorliegenden Schlussanträge.


25      Ähnlich heißt es in Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007, dass „[d]ie von dem Hersteller ergriffenen technischen Maßnahmen … sicherstellen [müssen], dass die Auspuff- und Verdunstungsemissionen während der gesamten normalen Lebensdauer eines Fahrzeuges bei normalen Nutzungsbedingungen entsprechend dieser Verordnung wirkungsvoll begrenzt werden“ (Hervorhebung nur hier).


26      Vgl. Urteil vom 29. April 2021, X (Europäischer Haftbefehl – Ne bis in idem) (C‑665/20 PPU, EU:C:2021:339, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).


27      Der NEFZ besteht in der Wiederholung von vier Stadtfahrzyklen, gefolgt von einem außerstädtischen Fahrzyklus, in einem Labor. Nach Abs. 6.1.1 des Anhangs 4 („Prüfung Typ I“) der Regelung Nr. 83 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN/ECE) – Einheitliche Bedingungen für die Genehmigung der Fahrzeuge hinsichtlich der Emission von Schadstoffen aus dem Motor entsprechend den Kraftstofferfordernissen des Motors (ABl. 2006, L 375, S. 246) muss „[d]ie Temperatur der Prüfkammer … während der Prüfung zwischen [...] (20 und 30 [Grad Celsius]) liegen“.


28      Wie sich aus den Erwägungsgründen 1 bis 3 der Verordnung 2017/1151 ergibt, wurde der NEFZ durch das WLTP (weltweit harmonisiertes Prüfverfahren für leichte Nutzfahrzeuge) abgelöst.


29      In diesem Sinne führt die deutsche Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen aus, nach heute übereinstimmender Meinung der Typgenehmigungsbehörden in der Union seien unter „normalen Betriebsbedingungen“ die „realen Betriebsbedingungen“ zu verstehen, wie sie in der Union typischerweise anzutreffen seien.


30      Vgl. Urteil X (Rn. 101).


31      Vgl. zur Diskrepanz zwischen den im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens und den im realen Fahrbetrieb gemessenen NOx-Emissionswerten das Themenpapier des Europäischen Rechnungshofs mit dem Titel „Die Reaktion der EU auf den ‚Diesel-Skandal‘“, Februar 2019, S. 15.


32      Vgl. vierter Erwägungsgrund der Verordnung 2016/427. Das RDE‑Prüfverfahren ist Gegenstand der verbundenen Rechtssachen Deutschland und Ungarn/Kommission sowie Kommission/Ville de Paris u. a. (C‑177/19 P bis C‑179/19 P). Generalanwalt Bobek hat seine Schlussanträge in diesen Rechtssachen am 10. Juni 2021 (EU:C:2021:476) vorgetragen.


33      Vgl. Art. 1 Nr. 1 der Verordnung 2016/427.


34      Vgl. Urteil X (Rn. 86).


35      In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass die durchschnittliche Höhe in Österreich ca. 900 Meter beträgt.


36      https://www.wien.gv.at/statistik/lebensraum/tabellen/temperatur-zr.html.


37      Der Deutsche Wetterdienst ist der meteorologische Dienst in Deutschland. Vgl. jeweils https://www.dwd.de/DE/presse/pressemitteilungen/DE/2017/20171229_deutschlandwetter_jahr2017_news.html#:~:text=Mit%209%2C6%20Grad%20Celsius,Abweichung%20%2B0%2C7%20Grad; https://www.dwd.de/DE/presse/pressemitteilungen/DE/2018/20181228_deutschlandwetter_jahr2018_news.html#:~:text=Die%20Temperatur%20lag%20im%20Jahr,den%20w%C3%A4rmsten%20Regionen%20in%20Deutschland; https://www.dwd.de/DE/presse/pressemitteilungen/DE/2019/20191230_deutschlandwetter_jahr2019.pdf?__blob=publicationFile&v=3.


38      Météo-France ist der offizielle Dienst für Meteorologie und Klimatologie in Frankreich. Vgl. jeweils http://www.meteofrance.fr/climat-passe-et-futur/bilans-climatiques/bilan-2017/bilan-climatique-de-l-annee-2017; http://www.meteofrance.fr/climat-passe-et-futur/bilans-climatiques/bilan-2018/bilan-climatique-de-l-annee-2018; http://www.meteofrance.fr/climat-passe-et-futur/bilans-climatiques/bilan-2019/bilan-climatique-de-l-annee-2019.


39      Das IMGW ist das Institut für Meteorologie und Wasserwirtschaft in Polen. Vgl. https://www.imgw.pl/sites/default/files/2021-04/imgw-pib-klimat-polski-2020-opracowanie-final-pojedyncze-min.pdf (S. 12).


40      In Nr. 9.5 des Anhangs IIIA der Verordnung 2017/1151 heißt es: „Werden die Umgebungsbedingungen in einem bestimmten Zeitraum nach Nummer 5.2 erweitert, sind die für diesen bestimmten Zeitraum nach Anlage 4 berechneten Schadstoffemissionen durch 1,6 zu dividieren, bevor sie im Hinblick auf die Einhaltung der Anforderungen dieses Anhangs bewertet werden.“


41      Die deutsche Regierung führt in ihren schriftlichen Erklärungen aus, eine Abschalteinrichtung, die derart konstruiert sei, dass die Abgasrückführung nur in einem Temperaturfenster zwischen 15 und 33 Grad Celsius zu 100 % funktioniere, sei nach dem aktuell erreichten technischen Entwicklungsstand unzulässig, da dieses Fenster deutlich oberhalb der Jahresdurchschnittstemperatur in Deutschland liege und eine Änderung dieses Fensters, die auch einen erweiterten Temperaturbereich insbesondere nach unten abdecke, technisch möglich sei. Für die früheren Jahre bedürfe es einer Einzelfallentscheidung der Typgenehmigungsbehörde bezogen auf einen bestimmten Fahrzeugtyp, bei der die Gegebenheiten der jeweiligen Motorisierung zu berücksichtigen seien.


42      Die beiden anderen in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b bzw. c der Verordnung Nr. 715/2007 vorgesehenen Ausnahmen sind in den Ausgangsverfahren nicht einschlägig.


43      Wegen der Verwendung der Konjunktion „und“ verstehe ich diese Bestimmung so, dass die vorgesehenen Voraussetzungen kumulativ sind. Die Voraussetzung des „sicheren Betriebs des Fahrzeugs“ ist also nicht unabhängig vom Vorliegen einer „Beschädigung“ oder eines „Unfalls“; eines dieser beiden Kriterien muss auf jeden Fall gegeben sein.


44      Urteil X (Rn. 106 und 107).


45      Urteil X (Rn. 108). Im Urteil vom 19. Dezember 2019, Niki Luftfahrt (C‑532/18, EU:C:2019:1127, Rn. 35), hat der Gerichtshof im gleichen Sinne entschieden, die gewöhnliche Bedeutung, die dem Begriff „Unfall“ zukomme, sei die eines „unvorhergesehenen, unbeabsichtigten, schädigenden Ereignisses“. Vgl. auch Urteil vom 12. Mai 2021, Altenrhein Luftfahrt (C‑70/20, EU:C:2021:379, Rn. 33).


46      Urteil X (Rn. 108).


47      Urteil X (Rn. 109).


48      Urteil X (Rn. 110).


49      Urteil X (Rn. 114).


50      Urteil X (Rn. 115).


51      Das Urteil X wurde nach Abschluss des schriftlichen Verfahrens in den vorliegenden Rechtssachen verkündet. Allerdings konnten die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache X von den Verfahrensbeteiligten kommentiert werden. Vor allem wurden die Verfahrensbeteiligten im Rahmen der schriftlich zu beantwortenden Fragen des Gerichtshofs gebeten, sich zur Bedeutung des Urteils X für die vorliegenden Rechtssachen zu äußern.


52      Wie das vorlegende Gericht in der Rechtssache C‑134/20 ausführt, leitet das AGR-Ventil Abgase vom Auslass des Motors in den Ansaugtrakt des Motors zurück, um dort einen Teil der Frischluft zu ersetzen, wodurch bei der Verbrennung die Spitzentemperatur reduziert und der Brennverlauf verlangsamt wird, was eine Verringerung der NOx-Emissionen zur Folge hat. Im Übrigen hat der AGR-Wärmeaustauscher die Funktion, die verbrannten Abgase zu kühlen (vgl. zur Funktionsweise des AGR-Ventils auch Urteil X, Rn. 33).


53      Die deutsche Regierung erklärt, bei Dieselmotoren der modernsten Generation Euro 6 spielten Thermofenster wegen des Einsatzes von Ladeluftkühlern eine untergeordnete Rolle; das AGR-System werde aber weiterhin bei extremen Umgebungstemperaturen wie etwa tiefem Frost von ‑10 Grad Celsius benötigt.


54      Schlussanträge in der Rechtssache CLCV u. a. (Abschalteinrichtung für Dieselmotoren) (C‑693/18, EU:C:2020:323).


55      Nr. 135 jener Schlussanträge.


56      „Schaden, Verschlechterung, Zerstörung, die auf einem Unfall oder einer Zerstörungsabsicht beruhen“. Vgl. https://www.dictionnaire-academie.fr/article/A9D0864.


57      „Beschädigung ist ein materieller Schaden, der an einer Sache verursacht wird.“ Vgl. https://www.collinsdictionary.com/dictionary/english/damage.


58      Vgl. https://www.rechtswoerterbuch.de/recht/b/beschaedigung/.


59      Hervorhebung nur hier. Art. 2 Nr. 18 der Verordnung 2017/1151 enthält dieselbe Definition.


60      Hervorhebung nur hier.


61      Dieselben Angaben finden sich in Anhang I Abschnitt 3.3 der Verordnung 2017/1151. Auch in Anlage 2 zu Anhang XI („On-Board-Diagnosesysteme für Kraftfahrzeuge“) der Verordnung Nr. 692/2008 wird zwischen Motor und Emissionsminderungssystem differenziert. Anlage 2 zu Anhang XI der Verordnung 2017/1151 enthält ebenfalls diese Unterscheidung.


62      Urteil X (Rn. 112).


63      Urteil X (Rn. 110).


64      Urteil X (Rn. 114).


65      Falls bei einer regelmäßigen und sachgemäßen Wartung des Fahrzeugs eine Fehlfunktion des AGR-Ventils verhindert werden kann, sind die unmittelbaren Beschädigungsrisiken, die zu einer konkreten Gefahr während des Betriebs des Fahrzeugs führen, durchaus vermeidbar. Es gibt dann meines Erachtens kein Problem mit der Funktionsweise des Motors und der Betriebssicherheit des Fahrzeugs.


66      Vgl. die in Nr. 86 der vorliegenden Schlussanträge angeführte Rechtsprechung.


67      Die Kommission erklärt, wenn der Einsatz einer zusätzlichen Emissionsminderungsstrategie mit dem Risiko eines plötzlichen und irreparablen Motorschadens begründet werde, sei dieses Risiko angemessen nachzuweisen und zu dokumentieren (vgl. Bekanntmachung der Kommission vom 26. Januar 2017 mit dem Titel „Leitlinien für die Bewertung zusätzlicher Emissionsstrategien und des Vorhandenseins von Abschalteinrichtungen im Hinblick auf die Anwendung der Verordnung [EG] Nr. 715/2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen [Euro 5 und Euro 6]“ C[2017] 352 final, Nr. 2.2, S. 8).


68      Sollte dies der Fall sein, wäre meines Erachtens auch die Voraussetzung gemäß Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 715/2007 erfüllt, wonach die Einrichtung notwendig sein muss, um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten.


69      Auf S. 44 seines Berichts vom 2. März 2017 über die Untersuchung der Emissionsmessungen in der Automobilindustrie hat das Europäische Parlament darauf hingewiesen, dass das „Fahren bei sehr niedrigen Umgebungstemperaturen (oder in sehr hohen Lagen mit niedrigem Luftdruck) … eine Herausforderung für das [AGR-System] darstellen [kann], weil es in solchen Situationen beispielsweise zur Bildung von Ruß, Kohlenwasserstoffen und Kondensaten kommen kann, die das [AGR-Ventil] oder den Ladeluftkühler verstopfen können, sowie zu erhöhten Feinstaub- oder Kohlenwasserstoffemissionen … Allerdings scheint es, dass die Hersteller die [AGR-Systeme] ungerechtfertigt schnell und ungerechtfertigt nahe des Temperaturbereichs, der im Prüfzyklus verwendet wird …, abschalten“.


70      Urteil X (Rn. 113).


71      In diesem Sinne verweist der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung auf den allgemeinen Grundsatz, wonach dem Schutz der öffentlichen Gesundheit gegenüber wirtschaftlichen Erwägungen zweifelsohne vorrangige Bedeutung beizumessen ist (Urteil vom 19. April 2012, Artegodan/Kommission, C‑221/10 P, EU:C:2012:216, Rn. 99 und die dort angeführte Rechtsprechung).


72      Siehe insbesondere Nr. 126 der vorliegenden Schlussanträge.


73      Siehe Nr. 126 der vorliegenden Schlussanträge.


74      Urteil vom 3. Oktober 2013, Duarte Hueros (C‑32/12, EU:C:2013:637, Rn. 25 und 26).


75      Vgl. zu den Grundsätzen des sekundären Unionsrechts im Bereich der Fahrzeugzulassung Schlussanträge des Generalanwalts Wahl in der Rechtssache RDW u. a. (C‑326/17, EU:C:2018:760, Nrn. 29 bis 38).


76      Gemäß Anhang IX Nr. 0 der Richtlinie 2007/46 stellt „[d]ie Übereinstimmungsbescheinigung … eine Erklärung des Fahrzeugherstellers dar, in der er dem Fahrzeugkäufer versichert, dass das von ihm erworbene Fahrzeug zum Zeitpunkt seiner Herstellung mit den in der Europäischen Union geltenden Rechtsvorschriften übereinstimmte“.


77      Dementsprechend hat der Gerichtshof entschieden, dass eine Person, die ein Fahrzeug erworben hat, berechtigterweise annehmen darf, dass dieses Fahrzeug den für den Automobilhersteller geltenden gesetzlichen Vorschriften entspricht (Urteil vom 9. Juli 2020, Verein für Konsumenteninformation, C‑343/19, EU:C:2020:534, Rn. 37). Für eine Analyse, wonach in den Beziehungen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern die Produkte und Dienstleistungen den berechtigten Erwartungen der Verbraucher entsprechen müssen, verweise ich auf Calais-Auloy, J., Temple, H., und Depincé, M., Droit de la consommation, 10. Aufl., Dalloz, Paris, 2020, S. 225 ff.


78      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Oktober 2018, Kommission/Deutschland (C‑668/16, EU:C:2018:802, Rn. 85 bis 89).


79      Urteil vom 3. Oktober 2013, Duarte Hueros (C‑32/12, EU:C:2013:637, Rn. 26 bis 28).


80      Urteil vom 23. Mai 2019, Fülla (C‑52/18, EU:C:2019:447, Rn. 61).


81      Wie in Nr. 126 der vorliegenden Schlussanträge erwähnt, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu ermitteln, ob dies der Fall ist.


82      Urteil vom 23. Mai 2019, Fülla (C‑52/18, EU:C:2019:447, Rn. 60).


83      Die letztere Variante trifft auf das Ausgangsverfahren nicht zu.


84      Es kann insoweit vom Verbraucher insbesondere nicht verlangt werden, das Ergebnis der Prüfung hinsichtlich der rechtlichen Bewertung der Vertragswidrigkeit des Verbrauchsguts vorwegzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2013, Duarte Hueros, C‑32/12, EU:C:2013:637, Rn. 40).


85      Der Begriff der „geringfügigen“ Vertragswidrigkeit findet sich schon im Vorschlag vom 18. Juni 1996 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Verbrauchsgüterkauf und ‑garantien (KOM[95] 520 endg., S. 1). In der Begründung dieses Vorschlags heißt es, dass „im Sinne [einer] Kompromisslösung und mit Blick auf eine den einzelnen nationalen Traditionen angepasste Umsetzung der Richtlinie den Mitgliedstaaten zugestanden [wird], die Wahlmöglichkeiten des Verbrauchers in Fällen geringfügiger Vertragswidrigkeit zu begrenzen“ (S. 15). Im Übrigen wird die Richtlinie 1999/44 mit Wirkung vom 1. Januar 2022 durch die Richtlinie 2019/771 aufgehoben, in der der Begriff der „‚geringfügigen‘ Vertragswidrigkeit“ ebenfalls nicht definiert ist.


86      In der Rechtssache, in der das Urteil vom 3. Oktober 2013, Duarte Hueros (C‑32/12, EU:C:2013:637, Rn. 17, 18 und 20), ergangen ist, hatte ein Verbraucher ein mit einem Schiebedach ausgestattetes Auto gekauft, in dessen Innenraum bei Regen Wasser durch das Dach eindrang. Als der Verbraucher die Auflösung des Kaufvertrags verlangte, stellte das vorlegende Gericht fest, dass der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Mangel „geringfügig“ im Sinne von Art. 3 Abs. 6 der Richtlinie 1999/44 sei. In ihren Schlussanträgen in der Rechtssache Duarte Hueros (C‑32/12, EU:C:2013:128, Nr. 57) wies Generalanwältin Kokott darauf hin, dass andere europäische Gerichte, darunter auch Höchstgerichte, in vergleichbaren Fällen entschieden hätten, der Eintritt von Wasser sei nicht als geringfügiger Mangel anzusehen, wobei der Umstand, dass das Fahrzeug trotz Wassereintritts weiterhin als Transportmittel benutzbar sei, bei diesen Entscheidungen keine Rolle gespielt habe.


87      Vgl. in diesem Sinne Durovic, M., „Consumer sales law in the European Union“, Comparative Consumer Sales Law, 2018, S. 1 bis 182 (41).


88      Urteil vom 23. Mai 2019, Fülla (C‑52/18, EU:C:2019:447, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).


89      Siehe auch Nr. 144 der vorliegenden Schlussanträge.