Language of document : ECLI:EU:C:2016:711

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MICHAL BOBEK

vom 21. September 2016(1)

Rechtssache C‑491/15 P

Typke

gegen

Kommission

„Rechtsmittel – Zugang zu Dokumenten der Organe – Verordnung Nr. 1049/2001 – Auswahlverfahren des Europäischen Amts für Personalauswahl (EPSO) – Datenbanken – Ersuchen um Bereitstellung einer eine Reihe von anonymisierten Daten enthaltenden Tabelle – Begriff des Dokuments – Neues oder vorliegendes Dokument“





I –    Einführung

1.        Herr Rainer Typke (der Rechtsmittelführer) hatte an den Zulassungstests zweier offener Auswahlverfahren des Europäischen Amtes für Personalauswahl (EPSO) teilgenommen. Nachdem ihm seine Ergebnisse mitgeteilt worden waren, beantragte er gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 (im Folgenden auch: Verordnung)(2) Zugang zu einer Tabelle, die eine Reihe von diese Tests betreffenden anonymisierten Daten enthalten sollte, um den von ihm gehegten Verdacht einer Ungleichbehandlung zu zerstreuen. Die Europäische Kommission lehnte seine Anträge auf Zugang zu diesen Daten ab. Der Rechtsmittelführer focht den Beschluss der Kommission vor dem Gericht an.

2.        Mit dem vorliegenden Rechtsmittel ficht der Rechtsmittelführer das Urteil des Gerichts an, mit dem seine Klage abgewiesen worden ist. Insbesondere greift er die Schlussfolgerung des Gerichts an, dass das von ihm angeforderte Dokument nicht vorliege und dass die Verordnung Nr. 1049/2001 das EPSO nicht verpflichte, ein neues Dokument zu erstellen.

3.        Entsprechend der Aufforderung durch den Gerichtshof konzentriere ich mich in den vorliegenden Schlussanträgen auf die Auslegung des Begriffs „vorliegendes Dokument“ im Kontext elektronischer Datenbanken – die wesentliche Rechtsfrage in der vorliegenden Rechtssache.

II – Rechtlicher Rahmen

4.        Zweck der Verordnung Nr. 1049/2001 ist es, die Arbeit der Organe der Europäischen Union transparenter zu machen und so das in Art. 1 Abs. 2 EUV verankerte Prinzip der Transparenz mit Leben zu erfüllen.

5.        Art. 2 der Verordnung trägt den Titel „Zugangsberechtigte und Anwendungsbereich“. Nach Art. 2 Abs. 1 hat „[j]eder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat … vorbehaltlich der in dieser Verordnung festgelegten Grundsätze, Bedingungen und Einschränkungen ein Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe“. Gemäß Art. 2 Abs. 3 „[gilt d]iese Verordnung … für alle Dokumente eines Organs, das heißt Dokumente aus allen Tätigkeitsbereichen der Union, die von dem Organ erstellt wurden oder bei ihm eingegangen sind und sich in seinem Besitz befinden“.

6.        Art. 3 enthält eine Reihe von Begriffsbestimmungen. Insbesondere bedeutet nach Art. 3 Buchst. a „,Dokument‘: Inhalte unabhängig von der Form des Datenträgers (auf Papier oder in elektronischer Form, Ton-, Bild- oder audiovisuelles Material), die einen Sachverhalt im Zusammenhang mit den Politiken, Maßnahmen oder Entscheidungen aus dem Zuständigkeitsbereich des Organs betreffen“.

7.        Art. 6 enthält die Regeln für Anträge auf Zugang zu einem Dokument. Er lautet:

„(1)      Anträge auf Zugang zu einem Dokument sind in schriftlicher, einschließlich elektronischer, Form in einer der in Artikel 314 des EG-Vertrags aufgeführten Sprachen zu stellen und müssen so präzise formuliert sein, dass das Organ das betreffende Dokument ermitteln kann. Der Antragsteller ist nicht verpflichtet, Gründe für seinen Antrag anzugeben.

(2)      Ist ein Antrag nicht hinreichend präzise, fordert das Organ den Antragsteller auf, den Antrag zu präzisieren, und leistet ihm dabei Hilfe, beispielsweise durch Informationen über die Nutzung der öffentlichen Dokumentenregister.

(3)      Betrifft ein Antrag ein sehr umfangreiches Dokument oder eine sehr große Zahl von Dokumenten, so kann sich das Organ mit dem Antragsteller informell beraten, um eine angemessene Lösung zu finden.

(4)      Die Organe informieren die Bürger darüber, wie und wo Anträge auf Zugang zu Dokumenten gestellt werden können, und leisten ihnen dabei Hilfe.“

8.        Art. 10 schließlich befasst sich mit den praktischen Fragen des tatsächlichen Zugangs zu Dokumenten, wenn einem Antrag stattgegeben worden ist. Gemäß Art. 10 Abs. 1 „[erfolgt d]er Zugang zu den Dokumenten … je nach Wunsch des Antragstellers entweder durch Einsichtnahme vor Ort oder durch Bereitstellung einer Kopie, gegebenenfalls in elektronischer Form“. Gemäß Art. 10 Abs. 3 „[werden d]ie Dokumente … in einer vorliegenden Fassung und Form (einschließlich einer elektronischen oder anderen Form, beispielsweise Braille-Schrift, Großdruck oder Bandaufnahme) zur Verfügung gestellt, wobei die Wünsche des Antragstellers vollständig berücksichtigt werden“.

III – Sachverhalt und Verfahren

9.        Herr Typke ist Bediensteter der Europäischen Kommission. Er nahm an den Zulassungstests zweier allgemeiner Auswahlverfahren des EPSO für die Einstellung von Beamten der Besoldungsgruppe AD 5 bzw. AD 7 teil. Nachdem ihm seine Ergebnissen mitgeteilt worden waren, stellte der Rechtsmittelführer beim EPSO nacheinander zwei Anträge auf Zugang zu Dokumenten, um zu überprüfen, ob die Tests, an denen er teilgenommen hatte, im Einklang mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz durchgeführt worden waren. Insbesondere hegte der Rechtsmittelführer den Verdacht, dass sich Übersetzungsfehler auf bestimmte Sprachgruppen nachteilig ausgewirkt haben könnten.

10.      Mit seinem Erstantrag (Verfahren Gestdem 2012/3258) begehrte der Rechtsmittelführer Zugang zu einer „Tabelle“, die eine Reihe von anonymisierten Daten zu den von ungefähr 45 000 Bewerber/‑innen absolvierten Tests enthalten sollte. Die Tabelle sollte folgende Informationen enthalten: eine Kennung für jede/n Bewerber/‑in, mit der diese Person mit den von ihr zu beantwortenden Fragen verknüpft werden kann, eine Kennung für jede gestellte Fragen ohne Angabe des Inhalts derselben, die Fragenkategorie, die Sprache, in der jede einzelne Frage jedem/r Bewerber/-in gestellt wurde, schließlich die von jedem/r Bewerber/‑in zur Beantwortung jeder einzelnen Frage aufgewendete Zeit.

11.      Der vom Rechtsmittelführer sechs Monate später gestellte Zweitantrag (Verfahren Gestdem 2013/0068) war nicht mehr auf die Bereitstellung einer Tabelle gerichtet, in der alle angeforderten Informationen kombiniert aufgeführt wären. Stattdessen wurde Zugang zu Teilen von in elektronischer Form vorliegenden Dokumenten beantragt, in denen dieselben Informationen enthalten sein sollten, die Gegenstand seines ersten Antrags gewesen waren, sowie Angaben zum Schwierigkeitsgrad jeder einzelnen jedem/r Bewerber/‑in gestellten Frage.

12.      Im ersten Verfahren lehnte das EPSO den ursprünglichen Antrag am 9. August 2012 ab. Es räumte dabei ein, im Besitz der Informationen zu sein, teilte jedoch mit, dass das angeforderte Dokument nicht vorliege. Der Rechtsmittelführer stellte daraufhin gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 einen Zweitantrag, mit dem er die Kommission um eine Überprüfung ihres Standpunkts ersuchte. Das Generalsekretariat der Kommission bestätigte im Wesentlichen die Auffassung des EPSO. Gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001 sei dieses nicht zur Verarbeitung von Daten verpflichtet, um in verschiedenen Datenbanken gespeicherte Informationen zu extrahieren.

13.      Im zweiten Verfahren antwortete das EPSO nicht auf den vom Rechtsmittelführer gestellten Zweitantrag. Daraufhin richtete der Rechtsmittelführer einen Zweitantrag an die Kommission.

14.      Mit Beschluss vom 5. Februar 2013 (im Folgenden: erster streitiger Beschluss) lehnte die Kommission den im ersten Verfahren gestellten Zweitantrag mit folgender Begründung ab: Erstens liege das angeforderte Dokument nicht vor. Die Zusammenstellung der angeforderten Tabelle mache nicht nur die Extrahierung von Informationen zu Zehntausenden betroffener Tests aus verschiedenen Datenbanken, sondern auch von Informationen aus anderen Datenbanken wie der allgemeinen Fragen-Datenbank erforderlich. Zweitens sei das Gewähren von Zugang zu einem solchen Dokument mit einem unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand verbunden.

15.      Einen Monat später erließ die Kommission mit Schreiben vom 13. März 2013 den „zweiten streitigen Beschluss“. In diesem Schreiben äußerte sich die Kommission nicht in der Sache zu dem Zweitantrag. Daher legte der Rechtsmittelführer das Schreiben nach Art. 8 Abs. 3 der Verordnung als Ablehnung seines im zweiten Verfahren gestellten Zweitantrags aus. Die Kommission erließ dann in diesem Verfahren am 27. Mai 2013 verspätet einen ausdrücklichen ablehnenden Beschluss.

IV – Angefochtenes Urteil und Verfahren vor dem Gerichtshof

16.      Vor dem Gericht beantragte Herr Typke die Nichtigerklärung des ersten und des zweiten streitigen Beschlusses mit der Begründung, diese verstießen gegen die Verordnung Nr. 1049/2001. Die Kommission beantragte, festzustellen, dass der Rechtsstreit in Bezug auf die Nichtigerklärung des zweiten streitigen Beschlusses aufgrund des Erlasses des ausdrücklichen ablehnenden Beschlusses vom 27. Mai 2013 im zweiten Verfahren in der Hauptsache erledigt ist. Die Kommission beantragte außerdem, die Klage abzuweisen, soweit sie gegen den ersten streitigen Beschluss gerichtet ist.

17.      Das Gericht folgte der Argumentation der Kommission(3). Es stellte in Bezug auf den Antrag auf Nichtigerklärung des stillschweigenden Beschlusses über die Verweigerung des Dokumentenzugangs im zweiten Verfahren (Nr. 1 des Tenors des angefochtenen Urteils) die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache fest, wies die Klage in Bezug auf den ersten streitigen Beschluss ab (Nr. 2) und erlegte Herrn Typke die Kosten auf (Nr. 3). Das Gericht vertrat insbesondere die Auffassung, dass es sich bei dem im ersten Verfahren angeforderten Dokument nicht um ein vorliegendes Dokument handle, zu dem gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001 Zugang beantragt werden könne.

18.      Vor dem Gerichtshof macht der Rechtsmittelführer geltend, dass die Nrn. 2 und 3 des Tenors des angefochtenen Urteils für nichtig erklärt werden müssten. Das Gericht habe rechtsfehlerhaft entschieden und mit der Feststellung, der Antrag des Rechtsmittelführers im ersten Verfahren beziehe sich nicht auf vorliegende Dokumente, den eindeutigen Sinngehalt der Beweise verfälscht. Ferner beantragt der Rechtsmittelführer die Nichtigerklärung des Beschlusses des Generalsekretariats der Europäischen Kommission im ersten Verfahren (Gestdem 2012/3258).

19.      Kern der vorliegenden Rechtsmittelsache ist die geltend gemachte rechtsfehlerhafte Auslegung des Begriffs „vorliegendes Dokument“ im Zusammenhang mit elektronischen Datenbanken. Der Rechtsmittelführer führt hierzu einen einzigen Rechtsmittelgrund an, der sich in zwei Hauptteile gliedert.

20.      Erstens macht der Rechtsmittelführer geltend, das Gericht habe die Verordnung Nr. 1049/2001, insbesondere Art. 3 Buchst. a und Art. 4 Abs. 6, fehlerhaft ausgelegt. Es sei unzutreffend davon ausgegangen, dass die Anwendung dieser Bestimmungen auf relationale Datenbanken eine Unterscheidung zwischen dem teilweisen Zugang zu den in einer relationalen Datenbank gespeicherten Dokumenten und dem bloßen Zugang zu den in einer solchen Datenbank enthaltenen Informationen erfordere.

21.      Zweitens argumentiert der Rechtsmittelführer, dass das Gericht unzutreffend festgestellt habe, dass sich sein Antrag nicht auf ein vorliegendes, sondern auf ein neues Dokument beziehe und jedenfalls nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung falle. Die angeforderte Kombination von Daten komme einem Dokument im Sinne der Verordnung gleich, da sie durch eine Recherche in der Datenbank unter Einsatz der für diese zur Verfügung stehenden Suchfunktionen erlangt werden könne. Die Verordnung nehme von ihrem Anwendungsbereich keinen Antrag auf Zugang zu einer relationalen Datenbank aus, dessen Bearbeitung es erfordere, Abfragen in der Programmiersprache SQL (Structured Query Language) zu formulieren, die von dem mit dem Antrag befassten Organ für die betreffende Datenbank nicht zuvor programmiert worden seien oder regelmäßig verwendet würden. Ferner laufe das angefochtene Urteil der praktischen Wirksamkeit der Verordnung zuwider. Der Zugang würde so tatsächlich auf diejenigen Daten beschränkt, für die das EPSO ex ante entschieden habe, sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ein Organ könne den Zugang zu Datenbanken auf diese Weise sogar bewusst ausschließen.

22.      In ihrer Erwiderung macht die Kommission insbesondere geltend, dass das Gericht den Begriff „vorliegendes Dokument“ korrekt angewandt habe. Nur die Ergebnisse bereits programmierter SQL-Abfragen könnten als vorliegende Dokumente angesehen werden. Das angeforderte Dokument, das das Programmieren neuer SQL-Abfragen erfordere, könne nicht durch eine normale oder routinemäßige Recherche im Sinne des Urteils Dufour(4) abgerufen werden. Weiterhin werde die praktische Wirksamkeit der Verordnung nicht untergraben, da diese nicht der Befriedigung des allgemeinen Informationsbedürfnisses der Bürger diene. Nach Auffassung der Kommission hat der Rechtsmittelführer keinen Beweis dafür erbracht, dass die Kommission jemals bewusst SQL-Anweisungen gelöscht habe, um ein Dokument zu verbergen. Demgemäß beantragt die Kommission, das Rechtsmittel zurückzuweisen und dem Rechtsmittelführer die Kosten aufzuerlegen.

V –    Würdigung

23.      Die vorliegenden Schlussanträge sind folgendermaßen aufgebaut: Als Erstes werde ich den Begriff „Dokument“ untersuchen, wie er im Kontext elektronischer Datenbanken und im Hinblick auf die Auslegung der Verordnung Nr. 1049/2001 zu verstehen ist (Abschnitt A). Als Zweites werde ich analysieren, was in diesem Kontext unter einem „vorliegenden“ Dokument im Unterschied zu der Erstellung eines „neuen“ Dokuments zu verstehen ist (Abschnitt B). Als Drittes werde ich mit Bezug zu der vorliegenden Rechtssache erörtern, ob die vom Rechtsmittelführer angeforderte Tabelle als ein „vorliegendes Dokument“ eingestuft werden könnte (Abschnitt C).

A –    Der Begriff „Dokument“ und die Zugangsmodalitäten im digitalen Zeitalter

24.      Die Verordnung Nr. 1049/2001 ist Ausdruck des in Art. 1 Abs. 2 EUV verankerten Prinzips der Transparenz(5). Sie soll dem Recht auf Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten größtmögliche Wirkung verschaffen(6), um die Arbeit der Organe der Union transparenter zu machen und eine größere Legitimität und Verantwortung gegenüber dem Bürger zu gewährleisten(7).

25.      Um diese Ziele zu erreichen, geht der Gesetzgeber in Art. 3 Buchst. a der Verordnung von einem sehr weiten Verständnis des Begriffs „Dokument“ aus. Danach bezeichnet „,Dokument‘: Inhalte unabhängig von der Form des Datenträgers (auf Papier oder in elektronischer Form, Ton-, Bild- oder audiovisuelles Material), die einen Sachverhalt im Zusammenhang mit den Politiken, Maßnahmen oder Entscheidungen aus dem Zuständigkeitsbereich des Organs betreffen“.

26.      Aus dieser weit gefassten Begriffsbestimmung ergibt sich, dass ein Dokument einen beliebigen Inhalt haben, in Form eines beliebigen Datenträgers vorliegen und ein beliebiges Handeln der Organe der Union betreffen kann.

27.      Entsprechend findet sich in der Richtlinie 2003/98/EG(8) ein ähnlich weites Verständnis des Begriffs „Dokument“. In Art. 2 Abs. 3 dieser Richtlinie ist „Dokument“ definiert als „jeder Inhalt unabhängig von der Form des Datenträgers (auf Papier oder in elektronischer Form, Ton-, Bild- oder audiovisuelles Material)“ oder als ein beliebiger Teil eines solchen Inhalts. Im elften Erwägungsgrund der Richtlinie heißt es ergänzend, dass der Begriff „Dokument“ „jede im Besitz öffentlicher Stellen befindliche Darstellung von Handlungen, Tatsachen oder Informationen – sowie jede Zusammenstellung solcher Handlungen, Tatsachen oder Informationen – unabhängig von der Form des Datenträgers (auf Papier oder in elektronischer Form, Ton-, Bild- oder audiovisuelles Material) [umfasst]“.

28.      Daher kann praktisch alles, können also jegliche Daten, Datensätze oder Bestände von Informationen ein Dokument im Sinne der Verordnung Nr. 1049/2001 darstellen.

29.      Dennoch ist die tatsächliche Bedeutung des zugegebenermaßen weiten Begriffs „Dokument“ gerade in Bezug auf elektronische Datenbanken und/oder auf die in solchen Datenbanken enthaltenen Dokumente recht unklar. Umfasst er alle in einer Datenbank enthaltenen Daten? Ist zu jeder beliebigen Kombination von Daten Zugang zu gewähren, die überhaupt, d. h. auch nach komplexen Recherchen abgerufen werden können?

30.      Abgesehen von einem einzigen Urteil des Gerichts(9) finden sich bis heute in der Rechtsprechung der Unionsgerichte zum Begriff „Dokument“, wie er im Zusammenhang mit elektronischen Datenbanken zu verstehen ist, wenig Hinweise. Ausgehend von den hilfreichen Hinweisen in der genannten Entscheidung des Gerichts sowie vom Wortlaut und Geist der Verordnung möchte ich daher vorschlagen, mindestens drei Arten von in elektronischen Datenbanken enthaltenen Informationen als „Dokument“ im Sinne der Verordnung Nr. 1049/2001 einzustufen:

–        einzelne Einträge, die eine identifizierbare semantische Einheit innerhalb einer größeren Datenbank oder eines größeren Datensatzes bilden;

–        in einer Datenbank, in einem Datensatz oder in einem abgegrenzten Bereich davon enthaltene Rohdaten;

–        die Datenbank bzw. der Datensatz in seiner Gesamtheit.

31.      Jede einzelne oder alle diese Informationsarten können im Allgemeinen als „Dokumente“ im Sinne des Art. 3 Buchst. a der Verordnung angesehen werden. Ob sie im Einzelfall als „Dokumente“ einzustufen sind, lässt sich nicht abstrakt sagen. Dies hängt von einer Reihe von Variablen ab, insbesondere von dem konkreten Typ und der Struktur der betreffenden Datenbank und von der Formulierung der konkreten Abfrage im Einzelfall. Selbstverständlich besteht ein großer Unterschied zwischen einer einfachen Tabelle von zehn Zeilen und zwei Spalten bloßer Zahlen einerseits und einer komplexen relationalen Datenbank, bei der zur Strukturierung der Rohdaten eine umfassende Kodierung erforderlich ist und die möglicherweise auf mehreren Servern betrieben wird, andererseits.

32.      Zunächst empfehlen sich einige allgemeine Anmerkungen, um diesen (wenigstens auf den ersten Blick) weiten Begriff „Dokument“, in Bezug auf elektronische Datenbanken richtig einzuordnen.

33.      Es ist klar, dass die Tatsache, dass eine Sammlung von Informationen als ein „Dokument“ im Sinne der Verordnung einzustufen ist, nicht automatisch bedeutet, dass ein Anspruch auf Zugang zu diesem Dokument besteht. Unstreitig ist auch, dass der Zugang zu Dokumenten aus sachlichen oder praktischen Gründen rechtmäßig begrenzt werden darf. Ferner schließen sich diese beiden Arten von Gründen nicht wechselseitig aus.

34.      Zum einen kann der Zugang aus sachlichen Gründen begrenzt oder gar verwehrt werden. In Art. 4 der Verordnung sind diese Gründe aufgezählt. Sie bilden rechtmäßige Ausnahmen von dem Anspruch auf (umfassenden) Zugang zu Dokumenten. Diese sachlich begründeten Ausnahmen weisen einen Bezug zu einer Reihe übergeordneter Interessen oder Werte auf, etwa dem öffentlichen Interesse(10), der Privatsphäre, der Integrität des Einzelnen und dem Schutz personenbezogener Daten(11) und den Rechten des geistigen Eigentums(12).

35.      Es ist allerdings deutlich hervorzuheben, dass das Vorliegen einer solchen Ausnahme im konkreten Fall für die Bestimmung des Begriffs „Dokument“ als solchen keinen Belang hat. Dies spiegelt sich insbesondere darin wider, dass das Verfahren zur Erlangung von Zugang zu Dokumenten aus zwei gesonderten Stufen besteht, in denen jeweils eine eigenständige Prüfung stattfindet(13). Liegt, erstens, ein Dokument im Sinne des Art. 3 Buchst. a der Verordnung vor? Gibt es, zweitens, sachliche Gründe, die eine Begrenzung oder gar ein Verbot des Zugangs rechtfertigen? Ausnahmen sind etwas anderes als Begriffsbestimmungen. Das etwaige Vorliegen von Ausnahmen kann die inhaltliche Reichweite des Begriffs „Dokument“ nicht schmälern. Mit anderen Worten darf nicht in umgekehrter Richtung geschlossen werden: Die Tatsache, dass Zugang zu einem Teil oder zur Gesamtheit eines Dokuments aufgrund einer der in Art. 4 aufgeführten Ausnahmen nicht gewährt wird, heißt nicht, dass kein „Dokument“ vorliegt.

36.      Der Zugang zu einem „Dokument“ kann zum anderen auch aus praktischen Gründen begrenzt sein. Drei solcher Gründe werden nachfolgend wegen ihrer besonderen Bedeutung im Kontext des Zugangs zu elektronischen Dokumenten Erwähnung finden.

37.      Die Gewährung von Zugang setzt erstens die Stellung eines präzisen Antrags voraus. Grundsätzlich liegt es bei dem/der Antragsteller/-in, das konkrete „Dokument“ zu ermitteln und benennen, zu dem er oder sie Zugang erhalten möchte. Diese Anforderung ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 und 2 der Verordnung. Gemäß diesen Bestimmungen müssen Anträge auf Zugang zu einem Dokument „so präzise formuliert sein, dass das Organ das betreffende Dokument ermitteln kann. … Ist ein Antrag nicht hinreichend präzise, fordert das Organ den Antragsteller auf, den Antrag zu präzisieren, und leistet ihm dabei Hilfe, beispielsweise durch Informationen über die Nutzung der öffentlichen Dokumentenregister.“

38.      Es ist verständlich, dass das Erfordernis einer präzisen Angabe praktische Probleme in Fällen aufwerfen kann, in denen ein Antragsteller Zugang zu Datensätzen oder Rohdaten beantragt, ohne die genaue Struktur der betreffenden Datenbank zu kennen. In solchen Fällen sollte dem Erfordernis des Art. 6 Abs. 2 der Verordnung vielleicht größeres Gewicht beigemessen werden, wonach das Organ dem Antragsteller bei der Präzisierung seines Antrags angemessene Hilfe zu leisten hat. Jedenfalls ist derselbe Antragsteller nicht daran gehindert, auf der Grundlage einer besserer Kenntnis der Struktur der betreffenden Datenbank, die er aus (einem) früheren Ablehnungsbescheid(en) gewonnen hat, einen neuen Antrag auf Dokumentenzugang zu stellen.

39.      Zweitens ist die Größe des Dokuments für seine Einordnung als „Dokument“ ohne Belang. Die Größe kann jedoch Auswirkung auf die Art und Weise haben, wie Zugang gewährt wird. Dies ergibt sich aus Art. 6 Abs. 3 und auch aus Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001. Der erstgenannte Artikel sieht vor, dass sich das betreffende Organ mit dem Antragsteller informell beraten kann, um eine angemessene Lösung zu finden(14), falls ein Antrag ein sehr umfangreiches Dokument oder eine sehr große Anzahl von Dokumenten betrifft. Die letztgenannte Bestimmung führt eine Reihe von Formen auf, in denen Zugang zu Dokumenten gewährt werden kann, etwa durch Einsichtnahme vor Ort (die wohl bei umfangreichen oder sensiblen Dokumenten in Betracht kommt).

40.      Beide Bestimmungen stellen außerdem klar, dass die Verordnung Nr. 1049/2001 das Recht auf Zugang zu Dokumenten regelt, nicht jedoch notwendigerweise das Recht, Kopien von Dokumenten zu erhalten. Beide Bestimmungen sind von erheblicher Bedeutung für elektronische Dokumente, bei denen eine Reihe „physischer“ Beschränkungen im Zusammenhang mit der Frage, welche Anzahl von Dokumenten nach vernünftigen Maßstäben verlangt werden kann(15), weitgehend wegfallen. Diese Bestimmungen implizieren, dass bestimmte notwendige und angemessene Beschränkungen hinsichtlich der Anzahl von Kopien von elektronischen Dokumenten, die von der öffentlichen Verwaltung verlangt werden können, verfügt werden können.

41.      Drittens kann auch der Verwaltungsaufwand, der mit der Gewährung von Zugang zu Dokumenten verbunden ist, ein Faktor sein. Die Organe müssen sicherstellen, dass ein gewisser Zugang zu einem „Dokument“ im Sinne der Verordnung Nr. 1049/2001 gewährt wird, es sei denn, der hiermit verbundene Arbeitsaufwand ist in besonderen Ausnahmesituationen unverhältnismäßig(16). Die Organe dürfen das Zugangsinteresse des Antragstellers gegen den aus der Bearbeitung des Antrags auf Zugang erwachsenden Arbeitsaufwand abwägen, um sicherzustellen, dass das Interesse an einer ordnungsgemäßen Verwaltung gewahrt ist(17).

B –    Ein vorliegendes Dokument

42.      Der Begriff „Dokument“ im Sinne der Verordnung Nr. 1049/2001, der in elektronischer Form vorliegende Dokumente einschließt, ist weit gefasst. Der Gerichtshof hat jedoch erklärt, dass das Recht auf Zugang zu im Besitz eines Organs befindlichen „Dokumenten“ nur für diesem Organ vorliegende Dokumente gilt(18).

43.      Die Beschränkung des Zugangs zu Dokumenten auf „vorliegende Dokumente“ ergibt sich klar sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem Geist der Verordnung. Was den Wortlaut angeht, verlangt Art. 6 Abs. 1 der Verordnung, dass der Antragsteller präzise formuliert, welche Dokumente er sucht, damit „das Organ das betreffende Dokument ermitteln kann“(19). Ebenso sind gemäß Art. 10 Abs. 3 „Dokumente in einer vorliegenden Fassung und Form zur Verfügung zu stellen“(20). Der Wortlaut dieser Bestimmungen zeigt, dass der Zugang zu Dokumenten auf vorliegende Dokumente beschränkt sein soll.

44.      Ihrem Geist nach zielt die Verordnung auf die Verbesserung der Transparenz. Transparenz erfordert das Bereitstellen von Dokumenten, die sich in den Akten der Organe befinden. Wie die Kommission in der vorliegenden Rechtssache vorgetragen hat, soll der Bürger durch Transparenz auf denselben Stand wie ein Beamter der Organe gebracht werden. Demgemäß erhalten grundsätzlich Bürger und Beamte Zugang zu denselben Dokumenten. In der Praxis bedeutet dies, dass ein Bürger dieselben Akten und Dokumente wie ein bei den Organen der Union tätiger Beamter lesen kann, ob nun auf Papier, am Bildschirm, durch Einsichtnahme vor Ort oder an einem entfernteren Ort. Umgekehrt kann die Verordnung nicht dahin gehend ausgelegt werden, dass sie die Organe verpflichtet, Dokumente zu erstellen, über die sie nicht bereits verfügen.

45.      Der Unterschied zwischen einem „vorliegenden“ und einem „neuen“ Dokument verwischt sich im Kontext elektronischer Datenbanken jedoch stärker. Bei Papierdokumenten mag der Beweis, ob ein bestimmter Text oder ein Teil desselben bereits irgendwo schriftlich festgehalten ist, manchmal schwierig sein, doch gilt dies nicht, wenn einmal festgestellt ist, dass ein solches Dokument körperlich vorhanden ist. Geht es jedoch um elektronische Datenbanken, ist der Begriff „vorliegendes Dokument“ schwerer inhaltlich zu fassen. Je nach Struktur und interner Organisation einer elektronischen Datenbank kann möglicherweise eine große Menge Informationen aus ihr gewonnen werden, und zwar oft mit sehr geringem Aufwand. Ganz ähnlich wie bei einem Blick durch ein Kaleidoskop kann eine kleine Drehung (ein Befehl oder ein Mausklick) das Bild vollständig verändern. Die Frage ist jedoch: Lag genau dieses „Dokument“ in seiner konkreten Datenkonfiguration bereits vor dem Mausklick vor, und bildete es daher ein „vorliegendes Dokument“, zu dem ein Antragsteller Zugang beanspruchen kann, oder handelt es sich um ein durch einen Mausklick erzeugtes „neues Dokument“, zu dem dem Antragsteller kein Zugang zusteht?

46.      Ohne an dieser Stelle in tiefer gehende ontologische Erörterungen des Wesens von Sein und Existenz eintreten zu wollen, zeigt sich vielleicht, dass vor einem so differenzierten technischen Hintergrund eine statische Unterscheidung zwischen „vorliegenden“ und „neuen“ Dokumenten, die ihren Ausgangspunkt in der stofflichen Welt des Papiers hat, wohl nicht wirklich weiterhilft. Ein Dokument, das sehr leicht aus einer Datenbank generiert werden kann, wird zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Zugang streng betrachtet vielleicht noch gar nicht in dieser konkreten Konfiguration „vorliegen“. Die Quelldaten aber, die für seine Erstellung benötigt werden, sind in einem umfangreicheren Datensatz enthalten. Daher sollte sich im besonderen Kontext elektronischer Datenbanken die Analyse, aus der sich die Unterscheidung zwischen „vorliegenden“ und „neuen“ Dokumenten ergibt, vielleicht darauf konzentrieren, welche Bedeutung der dynamischen, schöpferischen Seite im Prozess der Erstellung des angeforderten Dokuments zukommt.

47.      Meines Erachtens ließe sich der Begriff „vorliegendes Dokument“ im Kontext elektronischer Datenbanken auf zwei Arten abgrenzen: positiv und negativ. Die positive Begriffsbestimmung stützt sich auf eine Analogie zum Konzept des Schutzrechts sui generis bei Rechten des geistigen Eigentums(21). Gemeint ist damit, dass ein Dokument im Kontext elektronischer Datenbanken dann als „neu“ anzusehen ist, wenn es sich als das Ergebnis einer wesentlichen Investition darstellt, die eine Veränderung der Datenbank selbst nach sich zieht. Anders ausgedrückt, der Arbeitsaufwand, der für die Erstellung des angeforderten Dokuments in der Form einer Datenbank oder eines Datensatzes benötigt wird, ist so erheblich, dass de facto von einer anderen und daher neuen Datenbank bzw. einem ebensolchen Datensatz gesprochen werden muss.

48.      Ob eine derartige wesentliche Investition vorliegt, muss anhand der Umstände des Einzelfalls geprüft werden. Anschauliche Beispiele mögen jedoch Situationen sein, in denen zur Erstellung eines angeforderten Dokuments neue, in der vorhandenen Datenbank nicht enthaltene Werte (Felder, Indizes, Kennungen usw.) hinzugefügt werden müssen, in denen zur Erstellung des Dokuments komplexe, datenbankübergreifende Recherchen und Operationen erforderlich sind oder in denen die Erstellung des angeforderten Dokuments erhebliche Änderungen der Struktur der Datenbank selbst erforderlich machen würde, wie etwa eine neue Kodierung oder Indexierung der Datenbank. In allen diesen Beispielsfällen, die sich weder gegenseitig ausschließen noch eine abschließende Aufzählung bilden, ist wohl davon auszugehen, dass ein „neues Dokument“ erstellt werden müsste, um dem Informationsersuchen nachzukommen.

49.      Bei einer negativen Abgrenzung kann ein „neues Dokument“ im Sinne der Verordnung schwerlich durch bloßes Löschen oder Herausfiltern (einschließlich Anonymisierung) einiger der in der Datenbank oder im Datensatz vorhandenen Daten erstellt werden. Auch hier ist es, vorbehaltlich der genauen Struktur der Datenbank, unwahrscheinlich, dass derartige Operationen mit einer wesentlichen (intellektuellen) Investition verbunden sind, so dass es hier nicht zur Erstellung eines „neuen“, sondern lediglich zur Neuordnung eines vorliegenden Dokuments kommt.

50.      Beispielhaft für diese Kategorie der negativen Abgrenzung sind normale und routinemäßige Recherchen, die unter Verwendung der für die fragliche Datenbank verfügbaren Suchfunktionen durchgeführt werden können(22). Allerdings kommt auch das Löschen oder Herausfiltern bestimmter Daten aus einer vorhandenen Datenbank nicht der Erstellung eines „neuen Dokuments“ gleich. Die Anonymisierung ist meines Erachtens eine typische Art von Filter- oder Löschoperation. Sofern ihre Durchführung keine Änderungen an der Struktur der Datenbank erfordert, schafft die Anonymisierung keinen Mehrwert, da sie sich in der bloßen Entfernung bestimmter Informationen aus der Datenbank erschöpft.

51.      Als Schlussfolgerung aus den Ausführungen in diesem Abschnitt sollte klar geworden sein, dass der oben beschriebene Ansatz dazu führt, den Begriff „vorliegendes Dokument“ im Kontext von elektronischen Datenbanken weiter zu verstehen. Die Gründe hierfür sind wie bereits erläutert technischer Natur: Im Vergleich zur stofflichen Welt des Papiers kann in der Welt der elektronischen Datenbanken vieles mehr mit weniger Aufwand getan werden. Daher sollte die Auslegung des Begriffs „vorliegendes Dokument“ im Kontext von elektronischen Datenbanken nicht auf das statische, körperliche Vorhandensein eines Dokuments zum Zeitpunkt der Antragsstellung abstellen, sondern darauf, in welchem Umfang es eines schöpferischen Prozesses bedarf, um das angeforderte Dokument zu erstellen. Der Maßstab einer wesentlichen Investition bedeutet dann im Kontext elektronischer Datenbanken praktisch gesehen, dass – vielleicht im Gegensatz zum allgemeinen Sprachgebrauch – der Begriff „vorliegendes Dokument“ Dokumente umfassen würde, die zum Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang möglicherweise noch nicht in der konkreten Form oder Konfiguration körperlich vorlagen, zu deren Erstellung aber die Ausführung einer einfachen, mechanischen Operation genügt.

C –    Anwendung auf die vorliegende Rechtssache

52.      Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen wende ich mich nun der Frage zu, ob die mit dem Erstantrag des Rechtsmittelführers angeforderte Tabelle, die den Gegenstand des vorliegenden Rechtsmittels bildet, ein „Dokument“ im Sinne der Verordnung Nr. 1049/2001 ist.

53.      Wie das Gericht festgestellt hat(23), ersuchte Herr Typke mit seinem Erstantrag konkret um die Bereitstellung einer Tabelle, die die folgenden Informationen enthalten sollte:

–        „eine Kennung für jeden Bewerber, die zwar nicht dessen namentliche Identifizierung, wohl aber eine Verknüpfung zwischen ihm und den von ihm zu beantwortenden Fragen ermögliche;

–        eine Kennung für jede gestellte Frage, ohne jedoch deren Inhalt offenzulegen;

–        die Fragenkategorie, zu der jede gestellte Frage gehört habe, nämlich Frage zum sprachlogischen Denken, zum abstrakten Denken, zum Zahlenverständnis oder zum situationsbezogenen Urteilsvermögen;

–        die Sprache, in der jede einzelne Frage jedem Bewerber gestellt worden sei;

–        einen Hinweis auf eine etwaige Neutralisierung bestimmter Fragen;

–        eine Kennung für die erwartete Antwort, die, ohne den Inhalt der Frage offenzulegen, jeweils für jedes Frage-Antwort-Paar identisch sein müsse; der Kläger wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass in den Fällen, in denen die erwarteten Antworten nicht für alle Bewerber in derselben Reihenfolge aufgeführt worden seien, sicherzustellen sei, dass für jede erwartete Antwort dieselbe Kennung verwendet werde; außerdem sei für die Fragen zum situationsbezogenen Urteilsvermögen die gesamte erwartete Antwort, d. h. die beste sowie die schlechteste Möglichkeit anzugeben;

–        die Antwort jedes Bewerbers auf jede einzelne Frage, wobei der Kläger jedoch nicht den Inhalt der Antworten habe in Erfahrung bringen, sondern nur die richtigen und falschen Antworten der Bewerber habe feststellen wollen; der Kläger wies in diesem Zusammenhang zum einen darauf hin, dass eine unterschiedliche Kennung zu verwenden sei, wenn ein Bewerber eine Frage nicht beantwortet habe, und dass zum anderen für Fragen zum situationsbezogenen Urteilsvermögen die gesamte Antwort mitzuteilen sei;

–        schließlich die von jedem Bewerber zur Beantwortung jeder einzelnen Frage aufgewendete Zeit.“

54.      Das Gericht gelangte zu dem Ergebnis, dass die Erstellung der verlangten Tabelle zur Erstellung eines neuen Dokuments führen würde. Der Antrag des Rechtsmittelführers würde „eine Programmierung, nämlich die Erarbeitung neuer SQL-Abfragen, und folglich die Erstellung eines neuen Suchergebnisses in der Datenbank … erforderlich [machen] … [D]ie … Arbeitsvorgänge, die für eine solche Programmierung erforderlich wären, [können] nicht mit einer normalen oder routinemäßigen Suchabfrage in der betreffenden Datenbank unter Verwendung von Suchfunktionen, die der Kommission für diese Datenbank zur Verfügung stehen, gleichgesetzt werden.“(24)

55.      In seiner Rechtsmittelschrift macht der Rechtsmittelführer im Wesentlichen geltend, dass die Formulierung einer konkreten SQL-Suchabfrage, die zur Erstellung des Dokuments im Format einer Tabelle führen würde, aus der alle von ihm konkret beantragten Informationen ersichtlich wären, eine normale und routinemäßige Suchabfrage und daher keine Erstellung eines neuen Dokuments sei.

56.      Ausgehend von den Tatsachen, die das Gericht in Bezug auf den von der Kommission verwendeten Typ von Datenbanken und auf die konkrete Formulierung des vom Rechtsmittelführer gestellten Erstantrags festgestellt hat, meine ich, dass das EPSO sehr wohl ein neues Dokument hätte erstellen müssen, um dem konkreten Ersuchen des Antragstellers nachzukommen.

57.      Ohne hier in eine tatsächliche Bewertung eintreten zu wollen, welche SQL-Abfragen im Voraus programmiert sind und welches Niveau an Programmierungskompetenz nach vernünftigen Maßstäben von Nutzern und/oder Administratoren relationaler Datenbanken erwartet werden darf, scheint mir, dass die Erstellung der konkret vom Rechtsmittelführer angeforderten Tabelle eine wesentliche Investition in dem im vorstehenden Abschnitt beschriebenen Sinne erfordern würde. Insbesondere müssten, wie das Gericht im Einzelnen beschrieben hat, den ausgewählten Feldern der Datenbank neue Kennungen zugewiesen werden, womit erhebliche Kodierungs- und Indexierungsarbeit verbunden wäre, all dies zudem in Bezug auf mehrere Datenbanken.

58.      Aus diesen Gründen meine ich nicht, dass das Gericht rechtsfehlerhaft befunden hat, dass der im ersten Verfahren gestellte Antrag sich nicht auf Zugang zu einem „vorliegenden Dokument“ bezog.

59.      Zwei abschließende Bemerkungen sind noch anzufügen. Erstens erscheint in der vorliegenden Rechtssache der genaue Gegenstand der einzelnen Anträge, die in den beiden Verfahren gestellt wurden, etwas fließend, da der Rechtsmittelführer seine Anträge in unterschiedlichen Stadien offenbar unterschiedlich formuliert hat. Wie bereits in Nr. 37 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, ist der Antragsteller jedoch verpflichtet, präzise Angaben zum Gegenstand des Antrags zu machen. Andererseits wird diese relative(25) Strenge betreffend die Angaben zum Antragsgegenstand durch die Tatsache ausgeglichen, dass ein Antragsteller zu einem späteren Zeitpunkt einen neuen Zugangsantrag stellen kann.

60.      Zweitens ist daran zu erinnern, dass sich die drei oben in Nr. 30 der vorliegenden Schlussanträge aufgeführten Arten von Dokumenten im Kontext von elektronischen Datenbanken nicht gegenseitig ausschließen. Daher bedeutet die Tatsache, dass die von einem Antragsteller beantragte konkrete Kombination von Daten kein „vorliegendes Dokument“ darstellt, weil seine Erstellung eine wesentliche Investition erfordert, nicht, dass der Antragsteller die von ihm begehrten Informationen nicht durch Stellung eines neuen Antrags auf Zugang zu Rohdaten, zu einem Teil der Datenbank oder zu der Datenbank insgesamt erhalten kann.

61.      Rundheraus gesagt hat also niemand aufgrund der Verordnung einen Anspruch auf Zugang zu einem „maßgeschneiderten“, nach seinen Wünschen zu erstellenden Dokument, weil andernfalls die Verwaltung praktisch zu seiner privaten Rechercheagentur gemacht würde. Dagegen ist der Antragsteller nicht gehindert, die erforderliche Suche selbst auf der Grundlage der Rohdaten oder des Datensatzes durchzuführen. Wie bereits ausgeführt, müssen die Organe offenlegen, was ihnen vorliegt. Sie sind jedoch nicht verpflichtet, inhaltlich neue Dokumente nach den Wünschen der „Nutzer“ zu erstellen.

62.      Der alternativ gegebene Zugang zu Rohdaten schließlich unterliegt denselben Regeln und Ausnahmen, die bereits im ersten Abschnitt der vorliegenden Schlussanträge beschrieben worden sind. Insbesondere muss bei der Gewährung von Zugang zu größeren Rohdatenbeständen oder zu einer Datenbank insgesamt dem Schutz der Daten und der Persönlichkeitsrechte anderer Bewerber sowie den Rechten des geistigen Eigentums Dritter an der in der Datenbank enthaltenen Software und Programmierung ausreichend Rechnung getragen werden. Diese Erwägungen sind zusammen mit eher praktischen Überlegungen betreffend die Größe des tatsächlich angeforderten Dokuments bestimmend dafür, in welcher Weise eine Person konkret Zugriff auf die betreffenden Dokumente nehmen kann (z. B. ob das Dokument als Kopie oder durch Einsichtnahme vor Ort, möglicherweise unter Aufsicht eines IT‑Spezialisten und/oder eines Angehörigen des Sicherheitspersonals, zur Verfügung gestellt wird). Es ist Sache der Organe, festzustellen, worin im Einzelfall das richtige Gleichgewicht zwischen den beteiligten widerstreitenden Interessen zu sehen ist.

VI – Ergebnis

63.      Aus diesen Gründen und unbeschadet der Prüfung der Rüge einer Beweismittelverfälschung schlage ich dem Gerichtshof vor, das Rechtsmittel hinsichtlich der vom Rechtsmittelführer geltend gemachten Rechtsfehler zurückzuweisen.


1 – Originalsprache: Englisch.


2 – Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43).


3 – Urteil vom 2. Juli 2015, Typke/Kommission (T‑214/13, EU:T:2015:448).


4 – Urteil vom 26. Oktober 2011, Dufour/EZB (T‑436/09, EU:T:2011:634, Rn. 153).


5 – Vgl. erster Erwägungsgrund, wie er im Urteil vom 21. Juli 2011, Schweden/MyTravel und Kommission (C‑506/08 P, EU:C:2011:496, Rn. 72), ausgelegt wird.


6 – Vgl. vierter Erwägungsgrund, wie er z. B. in den Urteilen vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat (C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 33), und vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission (C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541, Rn. 69), ausgelegt wird.


7 – Vgl. Erwägungsgründe 2 und 3. Vgl. z. B. auch Urteil vom 18. Dezember 2007, Schweden/Kommission (C‑64/05 P, EU:C:2007:802, Rn. 54).


8 – Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. November 2003 über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors (ABl. 2003, L 345, S. 90) in der Fassung der Richtlinie 2013/37/EU (ABl. 2013, L 175, S. 1).


9 – Vgl. Urteil vom 26. Oktober 2011, Dufour/EZB (T‑436/09, EU:T:2011:634).


10 – Vgl. Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung.


11 – Vgl. Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung.


12 – Vgl. Art. 4 Abs. 2 der Verordnung.


13 – Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 2. Oktober 2014, Strack/Kommission (C‑127/13 P, EU:C:2014:2250, Rn. 40), und vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat (C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 35 und 36).


14 – Diese Lösung kann nur den Inhalt und die Anzahl der angeforderten Dokumente betreffen. Vgl. Urteil vom 2. Oktober 2014, Strack/Kommission (C‑127/13 P, EU:C:2014:2250, Rn. 26).


15 – Vgl. hierzu den letzten Satz des Art. 10 Abs. 1 der Verordnung, wonach Kopien von weniger als 20 A4-Seiten kostenlos sind.


16 – Urteil vom 2. Oktober 2014, Strack/Kommission (C‑127/13 P, EU:C:2014:2250, Rn. 28).


17 – Urteil vom 2. Oktober 2014, Strack/Kommission (C‑127/13 P, EU:C:2014:2250, Rn. 27).


18 – Vgl. Urteil vom 2. Oktober 2014, Strack/Kommission (C‑127/13 P, EU:C:2014:2250).


19 – Hervorhebung nur hier.


20 – Hervorhebung nur hier.


21 – Vgl. Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken (ABl. 1996, L 77, S. 20). In Art. 7 heißt es: „Die Mitgliedstaaten sehen für den Hersteller einer Datenbank, bei der für die Beschaffung, die Überprüfung oder die Darstellung ihres Inhalts eine in qualitativer oder quantitativer Hinsicht wesentliche Investition erforderlich ist, das Recht vor, die Entnahme und/oder die Weiterverwendung der Gesamtheit oder eines in qualitativer oder quantitativer Hinsicht wesentlichen Teils des Inhalts dieser Datenbank zu untersagen.“ Vgl. insbesondere Urteile vom 9. November 2004, Fixtures Marketing (C‑338/02, EU:C:2004:696, Rn. 19 ff.), vom 15. Januar 2015, Ryanair (C‑30/14, EU:C:2015:10, Rn. 34), und vom 19. Dezember 2013, Innoweb (C‑202/12, EU:C:2013:850, Rn. 36).


22 – Im Sinne des Urteils vom 26. Oktober 2011, Dufour/EZB (T‑436/09, EU:T:2011:634, Rn. 150 und 153).


23 – Vgl. Urteil vom 2. Juli 2015, Typke/Kommission (T‑214/13, EU:T:2015:448, Rn. 4).


24 – Vgl. Urteil vom 2. Juli 2015, Typke/Kommission (T‑214/13, EU:T:2015:448, Rn. 67 und 68 sowie Rn. 62 bis 64).


25 – „Relativ“, weil die Verwaltung gemäß Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 angemessene Hilfe bei der Präzisierung nicht hinreichend präziser Anträge zu leisten hat.