Language of document : ECLI:EU:T:2018:830

Rechtssache T31/17

Portugiesische Republik

gegen

Europäische Kommission

„EGFL – Von der Finanzierung ausgeschlossene Ausgaben – Sondermaßnahmen zugunsten der Regionen in äußerster Randlage – Art. 12 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 247/2006 – Technische Hilfe – Kontrollmaßnahmen – Verfahrensgarantien – Berechtigtes Vertrauen“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Neunte Kammer) vom 22. November 2018

1.      Landwirtschaft – Finanzierung durch den EGFL – Rechnungsabschluss – Ausarbeitung von Entscheidungen – Schriftliche Mitteilung, mit der die Kommission den Mitgliedstaaten die Ergebnisse ihrer Prüfungen übermittelt – Inhalt – Mindestanforderungen

(Verordnung Nr. 1290/2005 des Rates, Art. 31; Verordnung Nr. 885/2006 der Kommission, Art. 11)

2.      Landwirtschaft – Finanzierung durch den EGFL – Sondermaßnahmen zugunsten der Regionen in äußerster Randlage – Zuschussfähigkeit von Vorhaben und Ausgaben – Maßnahmen der technischen Hilfe – Begriff – Von den Mitgliedstaaten durchgeführte Kontrollmaßnahmen – Ausschluss

(Verordnungen des Rates Nr. 1290/2005, Art. 5 Buchst. a und Art. 11, und Nr. 247/2006, Art. 12 Buchst. c)

3.      Recht der Europäischen Union – Grundsätze – Vertrauensschutz – Voraussetzungen – Geltendmachung durch einen Mitgliedstaat – Zulässigkeit

4.      Landwirtschaft – Finanzierung durch den EGFL – Sondermaßnahmen zugunsten der Regionen in äußerster Randlage – Zuschussfähigkeit von Vorhaben und Ausgaben – Genehmigung eines von einem Mitgliedstaat vorgelegten Gesamtprogramms durch die Kommission – Folgen – Endgültige Stellungnahme zur Förderfähigkeit der fraglichen Ausgaben durch die Union – Fehlen

(Verordnungen des Rates Nr. 1290/2005, Art. 31, und Nr. 247/2006, Art. 24; Verordnung Nr. 793/2006 der Kommission, Art. 49)

1.      Im Rahmen des Rechnungsabschlussverfahrens des EAGFL muss die schriftliche Mitteilung der Kommission im Sinne von Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 885/2006 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung Nr. 1290/2005 hinsichtlich der Zulassung der Zahlstellen und anderen Einrichtungen sowie des Rechnungsabschlusses für den EGFL und den ELER dem betroffenen Mitgliedstaat eine umfassende Kenntnis von den Vorbehalten der Kommission hinsichtlich der Vereinbarkeit der fraglichen Ausgaben mit den Rechtsvorschriften der Union vermitteln, so dass sie den ihr nach dieser Bestimmung zukommenden Warnzweck erfüllen kann. Demnach erfordert Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 885/2006, dass die dem betroffenen Mitgliedstaat zur Last gelegte Unregelmäßigkeit in der schriftlichen Mitteilung nach Unterabs. 1 dieser Bestimmung hinreichend genau angegeben ist.

Im Übrigen kann sich die Kommission, wenn einer Kategorie oder einer Gruppe von Ausgaben derselbe Grund für ihre fehlende Förderfähigkeit entgegengehalten wird, auf eine globale Begründung für alle betroffenen Ausgaben beschränken.

(vgl. Rn. 29, 30, 36)

2.      Die Maßnahmen technischer Hilfe gemäß Art. 12 Buchst. c der Verordnung Nr. 247/2006 über Sondermaßnahmen im Bereich der Landwirtschaft zugunsten der Regionen in äußerster Randlage der Union, die in einem Förderprogramm zugunsten einer Region in äußerster Randlage vorgesehen sind, kommen grundsätzlich für eine Finanzierung durch die Union in Betracht, allerdings unter dem Vorbehalt, dass sie im Zusammenhang mit der Vorbereitung, der Durchführung oder der Anpassung der Fördermaßnahmen stehen. Allerdings geben die Verordnungen Nrn. 247/2006 und 793/2006 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 247/2006 nicht an, ob die Maßnahmen technischer Hilfe im Sinne von Art. 12 Buchst. c der Verordnung Nr. 247/2006 die durch die nationalen Behörden durchgeführten Kontrollen enthalten. Im Übrigen zeigt sich im Unionsrecht, insbesondere im Bereich des EGFL, zum einen, dass es keine allgemeine und übergreifende Definition des Begriffs „technische Hilfe“ gibt, der auf diesen Kontext übertragen werden kann, und zum anderen, dass der Ausdruck „technische Hilfe“ nicht zwingend ein Bündel von Maßnahmen einschließlich der Kontrollmaßnahmen bezeichnet.

Es bedarf einer Auslegung des Art. 12 Buchst. c der Verordnung Nr. 247/2006 unter Berücksichtigung nicht nur des Wortlauts dieser Vorschrift, sondern auch des Zusammenhangs, in dem sie steht, und der Ziele, die mit den Rechtsvorschriften verfolgt werden, zu denen sie gehört. Insoweit ist erstens festzustellen, dass weder die genannte Bestimmung noch die anderen einschlägigen Bestimmungen der Verordnungen Nrn. 247/2006 und 793/2006 die Bewertungs‑, Rechnungsprüfungs- und Kontrollmaßnahmen erwähnen. Zweitens können im Bereich des EGFL die Begriffe „technische Hilfe“ in bestimmten Fällen, insbesondere im Rahmen von Art. 5 Buchst. a der Verordnung Nr. 1290/2005 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik nicht auf eine Reihe von Maßnahmen einschließlich der Kontrollmaßnahmen Bezug nehmen, sondern nur die Maßnahmen zur administrativen und technischen Unterstützung im engeren Sinne bezeichnen. Drittens erfolgen nach Art. 11 der Verordnung Nr. 1290/2005 die Zahlungen bezüglich der in dieser Verordnung vorgesehenen Finanzierungen im Rahmen dieser Verordnung, soweit nichts anderes bestimmt ist, in voller Höhe an die Begünstigten. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass die für den EGFL bereitgestellten Mittel, insbesondere diejenigen, die den Mitgliedstaaten zugewiesen sind, grundsätzlich zur Finanzierung der operativen Ausgaben genutzt werden müssen, die in Zahlungen an die Begünstigten zum Ausdruck kommen. Daraus folgt, dass, soweit nichts anderes bestimmt ist, diese Mittel nicht verwendet werden dürfen, um die nationalen Behörden dabei zu unterstützen, administrative Tätigkeiten zu erfüllen, die ihnen normalerweise obliegen, wie Maßnahmen zur Überprüfung der Einhaltung der Bedingungen für die Gewährung von Beihilfen und Prämien.

Unter diesen Umständen ergibt die grammatikalische, systematische und teleologische Auslegung von Art. 12 Buchst. c der Verordnung Nr. 247/2006, dass die erwähnten „Maßnahmen … technischer Hilfe im Zusammenhang mit der … Durchführung … der [Förder‑]Maßnahmen“ nicht die von den nationalen Behörden durchgeführten Kontrollmaßnahmen enthalten.

(vgl. Rn. 47, 48, 61, 62, 66-71, 74)

3.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 85-87)

4.      Aus Art. 24 der Verordnung Nr. 247/2006 über Sondermaßnahmen im Bereich der Landwirtschaft zugunsten der Regionen in äußerster Randlage der Union und Art. 49 der Verordnung Nr. 793/2006 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 247/2006 ergibt sich, dass die Genehmigung von Fördermaßnahmen, die in den von den Mitgliedstaaten nach diesem Art. 24 vorgelegten Gesamtprogrammen enthalten sind, durch die Kommission eine unabdingbare Voraussetzung für die Finanzierung dieser Maßnahmen durch den EGFL darstellt.

Die Gesamtprogramme haben jedoch einen vorläufigen Charakter, so dass die Kommission mit ihrer Genehmigung grundsätzlich nicht abschließend Stellung nimmt zur Übereinstimmung der darin enthaltenen Maßnahmen mit allen einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts und damit zur Frage, ob diese Maßnahmen für eine Finanzierung durch die Union in Betracht kommen. Daher kann aus der bloßen Genehmigung eines Gesamtprogramms durch die Kommission nicht gefolgert werden, dass das Inbetrachtziehen dieser Maßnahmen für eine Finanzierung durch die Union nicht mehr von der Kommission in Frage gestellt werden kann, insbesondere im Rahmen des Konformitätsabschlussverfahrens gemäß Art. 31 der Verordnung Nr. 1290/2005 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik.

(vgl. Rn. 92, 93)