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Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 26. April 2007 (Vorabentscheidungsersuchen des Court of Appeal [Vereinigtes Königreich]) - Boehringer Ingelheim KG, Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG gegen Swingward Ltd, Boehringer Ingelheim KG, Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG gegen Dowelhurst Ltd, Glaxo Group Ltd gegen Swingward Ltd, Glaxo Group Ltd, The Wellcome Foundation Ltd. gegen Dowelhurst Ltd, SmithKline Beecham plc, Beecham Group plc, SmithKline & French Laboratories Ltd gegen Dowelhurst Ltd und Eli Lilly and Co. gegen Dowelhurst Ltd

(Rechtssache C-348/04)1

(Gewerbliches und kommerzielles Eigentum - Markenrecht - Arzneimittel - Parallelimport - Umpacken der mit der Marke versehenen Ware)

Verfahrenssprache: Englisch

Vorlegendes Gericht

Court of Appeal

Parteien des Ausgangsverfahrens

Klägerinnen: Boehringer Ingelheim KG, Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG, Glaxo Group Ltd, The Wellcome Foundation Ltd, SmithKline Beecham plc, Beecham Group plc, SmithKline & French Laboratories Ltd, Eli Lilly and Co.

Beklagte: Swingward Ltd, Dowelhurst Ltd

Gegenstand

Vorabentscheidungsersuchen - Court of Appeal - Freier Warenverkehr - Verwendung einer Arzneimittelmarke durch einen Parallelimporteur - Änderung der Verpackung - Mit dem Urteil des Gerichtshofs in den verbundenen Rechtssachen C-427/93, C-429/93 und C-436/93 (Bristol-Myers Squibb u. a.) festgelegte Voraussetzungen für das Inverkehrbringen - Auslegung

Tenor

Art. 7 Abs. 2 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken in der durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass der Inhaber der Marke sich dem weiteren Vertrieb eines aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführten Arzneimittels in seiner inneren und äußeren Originalverpackung, die vom Importeur mit einem zusätzlichen äußeren Aufkleber versehen wurde, widersetzen kann, es sei denn

es ist erwiesen, dass die Geltendmachung einer Marke durch den Markeninhaber zu dem Zweck, sich dem Vertrieb der mit einem neuen Aufkleber versehenen Ware unter der Marke zu widersetzen, zu einer künstlichen Abschottung der Märkte zwischen Mitgliedstaaten beitragen würde;

es ist dargetan, dass die Neuetikettierung den Originalzustand der in der Verpackung enthaltenen Ware nicht beeinträchtigen kann;

auf der Verpackung ist klar angegeben, von wem der neue Aufkleber auf der Ware angebracht worden ist und wer deren Hersteller ist;

das mit diesem neuen Aufkleber versehene Erzeugnis ist nicht so aufgemacht, dass dadurch der Ruf der Marke und ihres Inhabers geschädigt werden kann; der Aufkleber darf folglich nicht schadhaft, von schlechter Qualität oder unordentlich sein, und

der Importeur unterrichtet den Markeninhaber vor dem Inverkehrbringen des mit einem neuen Aufkleber versehenen Erzeugnisses und liefert ihm auf Verlangen ein Muster dieser Ware.

Die Voraussetzung, dass das Umpacken des Arzneimittels durch Neuverpackung und Wiederanbringung der Marke auf der Verpackung oder durch Aufkleben eines Etiketts auf der Verpackung der Ware für dessen weiteren Vertrieb im Einfuhrmitgliedstaat erforderlich ist, als eine der Voraussetzungen dafür, dass sich der Inhaber der Marke gemäß Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 diesem Vertrieb nicht widersetzen kann, betrifft nur das Umpacken als solches und nicht die Art und Weise, in der es vorgenommen wird.

Die Voraussetzung, dass die Aufmachung der umgepackten Ware nicht so sein darf, dass sie den Ruf der Marke oder ihres Inhabers schädigen kann, als notwendige Voraussetzung dafür, dass dieser sich nicht nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 in der durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum geänderten Fassung dem weiteren Vertrieb eines Arzneimittels widersetzen kann, wenn der Parallelimporteur es entweder neu verpackt und die Marke wieder darauf angebracht hat oder einen Aufkleber auf der Verpackung der Ware angebracht hat, ist nicht auf die Fälle beschränkt, in denen die durch das Umpacken geschaffene Verpackung schadhaft, von schlechter Qualität oder unordentlich ist.

Die Frage, ob es den Ruf der Marke schädigen kann, wenn der Parallelimporteur:

die Marke nicht auf dem neuen äußeren Karton anbringt ("de-branding") oder

entweder sein eigenes Logo oder ein Firmenmarkenzeichen, eine Firmenaufmachung oder eine für eine Reihe verschiedener Waren verwendete Aufmachung für den neuen äußeren Karton verwendet ("co-branding") oder

auf dieser Verpackung einen zusätzlichen Aufkleber so anbringt, dass die Marke des Inhabers ganz oder teilweise überklebt wird oder

auf dem zusätzlichen Aufkleber nicht den Inhaber der Marke angibt oder

den Namen des Parallelimporteurs in Großbuchstaben schreibt,

ist eine Sachfrage, über die nach dem jeweiligen Sachverhalt zu entscheiden Sache des nationalen Gerichts ist.

In Situationen, wie sie in den Ausgangsverfahren in Rede stehen, obliegt es den Parallelimporteuren, den Nachweis für das Vorliegen der Voraussetzungen zu erbringen, dass

die Geltendmachung der Marke durch den Markeninhaber zu dem Zweck, sich dem Vertrieb der umgepackten Waren unter der Marke zu widersetzen, zu einer künstlichen Abschottung der Märkte zwischen Mitgliedstaaten beitragen würde;

das Umpacken den Originalzustand der in der Verpackung enthaltenen Ware nicht beeinträchtigen kann;

auf der neuen Verpackung klar angegeben ist, von wem das Arzneimittel umgepackt worden ist und wer der Hersteller ist;

das umgepackte Arzneimittel nicht so aufgemacht sein darf, dass dadurch der Ruf der Marke und ihres Inhabers geschädigt werden kann; die durch das Umpacken geschaffene Verpackung darf folglich nicht schadhaft, von schlechter Qualität oder unordentlich sein;

der Importeur den Markeninhaber vor dem Inverkehrbringen des umgepackten Arzneimittels unterrichten und ihm auf Verlangen ein Muster der umgepackten Ware liefern muss,

bei deren Erfüllung sich der Inhaber der Marke dem weiteren Vertrieb eines umgepackten Arzneimittels nicht widersetzen kann.

Hinsichtlich der Voraussetzung, dass nachgewiesen werden muss, dass das Umpacken den Originalzustand der in der Verpackung enthaltenen Ware nicht beeinträchtigen kann, genügt es, wenn der Parallelimporteur Beweise erbringt, die vernünftigerweise vermuten lassen, dass diese Voraussetzung erfüllt ist. Dies gilt erst recht für die Voraussetzung, dass die Aufmachung der Ware nicht so sein darf, dass sie den Ruf der Marke und ihres Inhabers schädigen kann. Sofern der Importeur einen solchen Anfangsbeweis dafür erbringt, dass diese Voraussetzung erfüllt ist, ist es gegebenenfalls Sache des Markeninhabers, der am besten beurteilen kann, ob das Umpacken seinen Ruf und den der Marke schädigen kann, nachzuweisen, dass dies der Fall ist.

Wenn ein Parallelimporteur die vorherige Unterrichtung des Markeninhabers über ein umgepacktes Arzneimittel unterlassen hat, verstößt er bei jeder späteren Einfuhr dieser Ware gegen die Rechte dieses Inhabers, solange er ihn nicht unterrichtet. Die Sanktion dieses Verstoßes muss nicht nur verhältnismäßig, sondern auch effektiv und abschreckend genug sein, um die volle Wirksamkeit der Richtlinie 89/104 in der durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum geänderten Fassung sicherzustellen. Eine nationale Maßnahme, nach der der Inhaber der Marke im Fall eines solchen Verstoßes einen Anspruch auf finanzielle Entschädigung auf derselben Grundlage wie im Fall einer Fälschung hat, widerspricht als solche nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Es ist jedoch Sache des nationalen Gerichts, im Einzelfall insbesondere unter Berücksichtigung des Umfangs des dem Markeninhaber durch den Verstoß des Parallelimporteurs entstandenen Schadens und unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die Höhe der finanziellen Entschädigung zu bestimmen.

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1 - ABl. C 273 vom 6.11.2004.