Language of document : ECLI:EU:T:2012:351

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

10. Juli 2012(*)

„Staatliche Beihilfen – Verpackungsmittel aus Wellpappe – Beihilfe für den Bau einer Papierfabrik – Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung – Entscheidung, mit der die Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird – Zulässigkeit – Ordnungsgemäßheit der Prozessvollmacht der Anwälte einer juristischen Person – Erlass einer Entscheidung am Ende der Vorprüfungsphase – Klagebefugnis – Verfahrensrechte der Beteiligten – Ernsthafte Schwierigkeiten, die die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens rechtfertigen – Ausübung des Ermessens durch die Kommission – Art. 87 Abs. 3 Buchst. a EG – Art. 88 Abs. 2 und 3 EG – Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 – Art. 44 Abs. 5 und 6 der Verfahrensordnung“

In der Rechtssache T‑304/08

Smurfit Kappa Group plc mit Sitz in Dublin (Irland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte T. Ottervanger und E. Henny,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch B. Martenczuk und C. Urraca Caviedes als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Propapier PM 2 GmbH, vormals Propapier PM 2 GmbH & Co. KG, mit Sitz in Eisenhüttenstadt (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte H.‑J. Niemeyer und C. Herrmann,

Streithelferin,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung K(2008) 1107 der Kommission vom 2. April 2008, mit der die Regionalbeihilfe, die die deutschen Stellen der Propapier PM 2 GmbH für den Bau einer Papierfabrik in Eisenhüttenstadt (Region Brandenburg-Nordost) gewähren wollen (staatliche Beihilfe N 582/2007 – Deutschland), für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wurde,

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Azizi sowie der Richter S. Frimodt Nielsen (Berichterstatter) und A. Popescu,

Kanzler: N. Rosner, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 2011

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Klägerin, die Smurfit Kappa Group plc, ist ein internationales Unternehmen mit Sitz in Irland. Das Unternehmen ist im Verpackungssektor tätig, vornehmlich in Europa und Lateinamerika. Es produziert und vertreibt Wellpappenrohpapier (corrugated case material, im Folgenden: CCM), Bögen aus Voll- und Wellpappe, Kartons aus Voll- und Wellpappe sowie Grafik- und Spezialkarton. Es bereitet auch Altpapier auf.

2        Mit Schreiben vom 8. Oktober 2007 teilten die deutschen Behörden der Europäischen Kommission mit, dass sie beabsichtigten, der Propapier PM 2 GmbH & Co. KG für den Bau einer Papierfabrik und eines Kraftwerks in Eisenhüttenstadt in der Region Brandenburg-Nordost (Deutschland) eine Investitionsbeihilfe in Höhe von 82 509 500 Euro (Gegenwartswert: 72 154 700 Euro) (im Folgenden: in Rede stehende Beihilfe) zu gewähren. Die Kommission registrierte diese Anmeldung unter dem Aktenzeichen N 582/2007.

3        In der durch die in Rede stehende Beihilfe finanzierten Papierfabrik sollten zwei Arten von CCM hergestellt werden: Deckenpapier mit einem Gewicht von bis zu 150 g/m² und Wellenpapier aus Altpapier. Die Anlage sollte von Dezember 2007 bis Mitte des Jahres 2010 errichtet werden.

4        Am 9. November 2007 legte die Klägerin bei der Kommission eine vertrauliche Beschwerde gegen die in Rede stehende Beihilfe ein.

5        Mit Schreiben vom 7. Dezember 2007 forderte die Kommission bei der Bundesrepublik Deutschland zusätzliche Informationen an. Die deutschen Behörden antworteten mit Schreiben vom 3. Januar 2008.

6        Am 25. Januar 2008 fand ein Treffen zwischen den Dienststellen der Kommission und den deutschen Behörden statt, bei dem Vertreter der Streithelferin anwesend waren.

7        Am 29. Januar 2008 wurden von der Kommission zwei förmliche Beschwerden registriert und der Bundesrepublik Deutschland zur Stellungnahme übermittelt.

8        Mit Schreiben vom 1. Februar 2008 forderte die Kommission von der Bundesrepublik Deutschland erneut Informationen an.

9        Mit Schreiben vom 6. und 14. Februar 2008 antwortete die Bundesrepublik Deutschland auf die oben in Randnr. 7 genannten Beschwerden und das oben in Randnr. 8 genannte Auskunftsersuchen.

10      Am 20. Februar 2008 ging bei der Kommission eine dritte förmliche Beschwerde ein. Da sie inhaltlich den ersten beiden entsprach, wurde sie dem Mitgliedstaat nicht übermittelt.

11      Am 2. April 2008 erließ die Kommission, ohne das förmliche Prüfverfahren gemäß Art. 88 Abs. 2 EG zu eröffnen, die Entscheidung K(2008) 1107, mit der die in Rede stehende Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wurde (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

12      In der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission u. a. festgestellt, dass die in Rede stehende Beihilfe nicht die Schwellenwerte gemäß Punkt 68 der Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung 2007–2013 (ABl. 2006, C 54, S. 13) überschreitet; dieser Punkt lautet:

„Wenn die Gesamthöhe der Beihilfen aus allen Quellen mehr als 75 % des Höchstbetrags ausmacht, der für ein Investitionsvorhaben mit förderfähigen Ausgaben von 100 Mio. EUR nach den für große Unternehmen in der genehmigten Fördergebietskarte am Tag der Beihilfegewährung geltenden Standardhöchstsätzen gezahlt werden könnte, und wenn

(a)      der Beihilfeempfänger vor der Investition für mehr als 25 % des Verkaufs des/der betreffenden Produkts/Produkte auf dem (den) betreffenden Markt (Märkten) verantwortlich ist oder nach der Investition in der Lage sein wird, mehr als 25 % des Umsatzes zu gewährleisten, oder

(b)      die durch das Investitionsvorhaben geschaffene Kapazität, mehr als 5 % des Marktes belegt durch Daten über den sichtbaren Verbrauch, beträgt, es sei denn, die in den letzten fünf Jahren verzeichneten mittleren Jahreszuwachsraten des sichtbaren Verbrauchs liegen über der mittleren jährlichen Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts im Europäischen Wirtschaftsraum,

wird die Kommission eine regionale Investitionsbeihilfe nur genehmigen, nachdem sie nach Eröffnung des Verfahrens des Artikels 88 Absatz 2 [EG] eingehend geprüft hat, ob die Beihilfe als Investitionsanreiz notwendig ist und die Vorteile der Beihilfemaßnahme stärker ins Gewicht fallen als die Wettbewerbsverzerrungen und die Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten.“

13      In der zu dem genannten Punkt gehörenden Fn. 63 heißt es, die Kommission werde die Kriterien, die sie bei der Bewertung anwenden werde, ob die Beihilfe als Investitionsanreiz notwendig sei und die Vorteile der Beihilfemaßnahme stärker ins Gewicht fielen als die Wettbewerbsverzerrungen und die Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten, vor dem Inkrafttreten dieser Leitlinien, d. h. vor dem 1. Januar 2007, weiter präzisieren.

14      In den Erwägungsgründen 119 und 120 der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission die Argumente, die mit den Beschwerden, die bei ihr gegen die in Rede stehende Beihilfe eingelegt wurden (siehe oben, Randnrn. 4, 7 und 10), vorgebracht wurden, unter Hinweis darauf zurückgewiesen, dass die Leitlinien, nach denen sie in Fällen, in denen die Schwellenwerte gemäß Punkt 68 der Leitlinien nicht überschritten seien, kein förmliches Prüfverfahren eröffnen dürfe, für sie bindend seien. Durch die Einhaltung dieser für die Marktanteile und Kapazitätssteigerungen festgelegten Schwellenwerte werde bei jedem subventionierten Vorhaben sichergestellt, dass die zu erwartenden Wettbewerbsverzerrungen nicht die erhofften Vorteile überstiegen und dass ein hinreichender Beitrag zur Erreichung des Ziels der regionalen Entwicklung geleistet werde.

 Verfahren und Anträge der Parteien

15      Mit Klageschrift, die am 5. August 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

16      Die Propapier PM 2 GmbH & Co. KG (mittlerweile: Propapier PM 2 GmbH) hat mit einem Schriftsatz, der am 12. Dezember 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 21. April 2009 hat der Präsident der Dritten Kammer des Gerichts diesem Antrag stattgegeben.

17      Am 14. Mai 2009 hat die Streithelferin gerügt, ihr seien die Akten des schriftlichen Verfahrens nicht vollständig mitgeteilt worden. Mit Schreiben der Kanzlei ist ihr versichert worden, dass ihr alle Schriftstücke des schriftlichen Verfahrens mitgeteilt worden seien; die Streithelferin hat ihre Rüge nicht aufrechterhalten.

18      Die Klägerin hat beantragt, bestimmte Teile der im Rahmen des schriftlichen Verfahrens gewechselten Schriftsätze gegenüber der Streithelferin als vertraulich zu behandeln, während die Streithelferin beantragt hat, diesen Antrag teilweise zurückzuweisen; mit Beschluss vom 5. Juli 2010 hat der Präsident der Dritten Kammer den Anträgen der Klägerin teilweise stattgegeben. Folglich sind der Streithelferin bestimmte ergänzende Informationen mitgeteilt worden und ihr wurde nachgelassen, ihren Streithilfeschriftsatz zu ergänzen.

19      Infolge der Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts ist der ursprünglich bestimmte Berichterstatter der Ersten Kammer zugeteilt worden, der die vorliegende Rechtssache deshalb zugewiesen worden ist. Da ein Mitglied der Ersten Kammer an der weiteren Mitwirkung am Verfahren gehindert war, hat der Präsident des Gerichts gemäß Art. 32 § 3 der Verfahrensordnung einen anderen Richter bestimmt, durch den der Spruchkörper vervollständigt worden ist.

20      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        der Kommission und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

21      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

22      Die Streithelferin beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

23      Das Gericht (Erste Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und hat im Rahmen prozessleitender Maßnahmen gemäß Art. 64 der Verfahrensordnung schriftlich Fragen an die Parteien gestellt.

24      In der Sitzung vom 28. November 2011 haben die Parteien mündlich verhandelt und die Fragen des Gerichts beantwortet.

25      In der mündlichen Verhandlung haben die Kommission und die Streithelferin die Rüge der Unzulässigkeit der Klage, was die Beachtung der Verpflichtung aus Art. 44 § 5 Buchst. a der Verfahrensordnung angeht, zurückgenommen; dies ist in das Protokoll über die mündliche Verhandlung aufgenommen worden.

26      Am Ende der mündlichen Verhandlung hat das Gericht der Klägerin anheimgestellt, innerhalb einer Frist von drei Wochen ab Zustellung des Protokolls über die mündliche Verhandlung, die nach ihrer Auffassung für den Nachweis der Ordnungsgemäßheit der ihren Anwälten erteilten Prozessvollmacht erforderlichen Beweismittel vorzulegen.

27      Die von der Klägerin innerhalb der ihr gesetzten Frist eingereichten Schriftstücke sind der Kommission und der Klägerin zur Stellungnahme übermittelt worden. Nach Eingang dieser Stellungnahmen hat das Gericht das mündliche Verfahren am 25. Januar 2012 für abgeschlossen erklärt.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zulässigkeit

28      Die Kommission und die Streithelferin rügen, die Klage sei im Hinblick auf die Anforderungen des Art. 44 § 5 Buchst. b der Verfahrensordnung unzulässig. Die Kommission rügt ferner, die Klägerin sei nicht befugt, im Klageweg gegen die angefochtene Entscheidung vorzugehen.

 Zur Ordnungsgemäßheit der von der Klägerin ihren Anwälten erteilten Prozessvollmacht

29      Nach Art. 44 § 5 Buchst. b der Verfahrensordnung haben juristische Personen des Privatrechts mit der Klageschrift den Nachweis vorzulegen, dass die Prozessvollmacht ihres Anwalts von einem hierzu Berechtigten ordnungsgemäß ausgestellt ist. Entspricht die Klageschrift dieser Formvorschrift nicht, so setzt der Kanzler dem Kläger nach Art. 44 § 6 der Verfahrensordnung eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels oder zur Beibringung der genannten Unterlagen. Kommt der Kläger dieser Aufforderung vor Ablauf der Frist nicht nach, so entscheidet das Gericht, ob die Nichtbeachtung dieser Formvorschriften die Unzulässigkeit der Klage zur Folge hat.

30      Demnach ist der Kanzler des Gerichts verpflichtet, eine juristische Person des Privatrechts, wenn sie ihrer Verpflichtung, einen Nachweis für die Ordnungsgemäßheit der Prozessvollmacht ihrer Rechtsanwälte vorzulegen, nicht nachkommt, aufzufordern, den Mangel ihrer Klageschrift zu beheben, und das Gericht darf die Klage nur dann für unzulässig erklären, wenn die Klägerin der Aufforderung des Kanzlers innerhalb der ihr gesetzten Frist nicht nachkommt.

31      Die vorliegende Klageschrift ist am 5. August 2008 von T. Ottervanger und E. Henny, die in Amsterdam (Niederlande) als Rechtsanwälte zugelassen sind, im Namen der Klägerin eingereicht worden. Ihr war eine diesen Anwälten erteilte Vollmacht zur Erhebung der vorliegenden Klage beigefügt. Die Vollmacht war von Herrn M. O’Riordan als Generalsekretär der Gruppe ausgestellt worden.

32      Der Kanzler setzte der Klägerin nach Art. 44 § 6 der Verfahrensordnung eine Frist zur Vorlage des Nachweises, dass derjenige, der die Vollmacht ausgestellt hat, ermächtigt war, dies im Namen der Gesellschaft zu tun. Innerhalb dieser Frist hat die Klägerin eine zweite Vollmacht vorgelegt, gleichzeitig aber ihre Behauptung bekräftigt, dass der Generalsekretär der Gruppe nach irischem Recht befugt gewesen sei, den Anwälten im Namen der Gesellschaft eine Prozessvollmacht zu erteilen; die zweite Vollmacht datiert vom 28. August 2008 und ist von Herrn G. McGann als Verwalter ausgestellt worden.

33      Da die Streithelferin und die Kommission sowohl die Vertretungsmacht von Herrn O’Riordan als auch die von Herrn McGann bestritten haben, hat die Klägerin vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung einen Beschluss des Verwaltungsrats der Gesellschaft vom 8. Dezember 2011 vorgelegt, mit dem bestätigt wird, dass Herr McGann als Generaldirektor und Mitglied des Verwaltungsrats der Gesellschaft ermächtigt gewesen sei, die zweite Vollmacht auszustellen.

34      Als Erstes macht die Streithelferin geltend, bei einem Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 44 § 5 Buchst. b der Verfahrensordnung könne der Mangel nicht im Laufe des Verfahrens behoben werden. Dem kann nicht gefolgt werden, da die Möglichkeit einer solchen Behebung des Mangels in Art. 44 § 6 der Verfahrensordnung vorgesehen ist: Nach dieser Bestimmung setzt der Kanzler eine Frist zur Behebung des Mangels der Klageschrift, und das Gericht hat, wenn der Mangel innerhalb der gesetzten Frist nicht behoben ist, zu beurteilen, ob dies die Unzulässigkeit der Klage zur Folge hat (vgl. oben, Randnr. 29).

35      Wie oben in Randnr. 32 ausgeführt, hat die Klägerin im vorliegenden Fall die zweite Vollmacht innerhalb der vom Kanzler des Gerichts gesetzten Frist vorgelegt. Es ist somit als Zweites zu prüfen, ob diese zweite Vollmacht den Anforderungen des Art. 44 § 5 Buchst. b der Verfahrensordnung genügt.

36      Insofern machen die Kommission und die Streithelferin geltend, nach den Art. 66 bis 68 der dem Schriftsatz zur Behebung des Mangels beigefügten Satzung, bei der sie nicht mehr bestreiten, dass es sich um die Satzung der Klägerin handelt, falle die Entscheidung, eine Klage zu erheben und im Namen der Gesellschaft einen Rechtsanwalt zu beauftragen, in die kollegiale Zuständigkeit des Verwaltungsrats, die an ein Mitglied oder mehrere Mitglieder des Verwaltungsrats delegiert werden könne. Die Kommission und die Streithelferin machen mithin geltend, die Klägerin habe, da sie nicht den Nachweis für einen Beschluss des Verwaltungsrats, die Rechtsanwälte Ottervanger und Henny zu ermächtigen, eine Klage auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung zu erheben, und auch nicht für einen Beschluss, mit dem eine solche Befugnis Herrn McGann übertragen worden wäre, erbracht habe, gegen ihre Verpflichtung aus Art. 44 § 5 Buchst. b der Verfahrensordnung verstoßen.

37      Da die Klägerin keinen vorherigen Beschluss des Verwaltungsrats der Gesellschaft, die vorliegende Klage zu erheben oder Herrn McGann zu ermächtigen, über die Erhebung solcher Klagen zu entscheiden, vorgelegt hat, kann das Gericht es nicht als erwiesen ansehen, dass Herr McGann zum betreffenden Zeitpunkt ermächtigt gewesen wäre, die zweite Vollmacht auszustellen; jedenfalls ist aber festzustellen, dass der Verwaltungsrat mit Beschluss vom 8. Dezember 2011 bestätigt hat, dass Herr McGann, Generaldirektor und Mitglied des Verwaltungsrats der Gesellschaft, hierzu ermächtigt gewesen sei (vgl. oben, Randnr. 33).

38      Zwar erfolgte diese Bestätigung, wie die Streithelferin zu Recht geltend macht, mehr als drei Jahre nach der Erhebung der vorliegenden Klage, und möglicherweise hat sich die Zusammensetzung des Verwaltungsrats der Gesellschaft nach der Erteilung der zweiten Vollmacht geändert; es besteht aber kein Zweifel an dem Willen der Klägerin, die gesetzlich durch die ihren Verwaltungsrat vertreten wird, das vorliegende Verfahren durchzuführen.

39      Die von der Streithelferin und der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit, mit der geltend gemacht wird, die Klageschrift genüge nicht den Anforderungen gemäß Art. 44 § 5 Buchst. b der Verfahrensordnung, ist somit zurückzuweisen (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 11. Mai 1989, Maurissen und Union syndicale/Rechnungshof, 193/87 und 194/87, Slg. 1989, 1045, Randnrn. 33 und 34).

 Zur Klagebefugnis der Klägerin

40      Die Kommission macht, unterstützt durch die Streithelferin, geltend, die Klägerin sei zwar Beteiligte, aber von der angefochtenen Entscheidung nicht individuell betroffen. Die Klägerin sei daher nicht befugt, die Richtigkeit der in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Feststellungen zur Vereinbarkeit der in Rede stehenden Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt in Zweifel zu ziehen. Das gesamte Vorbringen in der Klageschrift ziele aber darauf ab, diese Feststellungen in Zweifel zu ziehen, und nicht die Verletzung der der Klägerin nach Art. 88 Abs. 2 EG zustehenden Verfahrensrechte geltend zu machen.

41      Die Kommission macht ferner geltend, das Argument der Klägerin, die Dauer des Verwaltungsverfahrens lasse erkennen, dass ernsthafte Schwierigkeiten bestanden hätten, wegen deren die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens gemäß Art. 88 Abs. 2 EG erforderlich gewesen wäre, sei erstmals in der Klagebeantwortung vorgebracht worden und daher auch unzulässig. Folglich sei kein Klagegrund zulässig.

42      Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass die Frage der Zulässigkeit des Antrags auf Nichtigerklärung allein auf der Grundlage von Art. 230 Abs. 4 EG zu entscheiden ist, auch wenn im Laufe des Verfahrens, am 1. Dezember 2009, Art. 263 AEUV in Kraft getreten ist (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse des Gerichts vom 7. September 2010, Norilsk Nickel Harjavalta und Umicore/Kommission, T‑532/08, Slg. 2010, II‑3959, Randnrn. 68 bis 75, und Etimine und Etiproducts/Kommission, T‑539/08, Slg. 2010, II‑4017, Randnrn. 74 bis 81), was unstreitig ist.

43      Nach Art. 230 Abs. 4 EG kann eine natürliche oder juristische Person nur dann eine Klage gegen eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung erheben, wenn diese Entscheidung sie unmittelbar und individuell betrifft.

44      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs können andere Personen als die Adressaten einer Entscheidung nur dann individuell betroffen sein, wenn diese Entscheidung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten einer solchen Entscheidung (Urteile des Gerichtshofs vom 15. Juli 1963, Plaumann/Kommission, 25/62, Slg. 1963, 213, 238, vom 19. Mai 1993, Cook/Kommission, C‑198/91, Slg. 1993, I‑2487, Randnr. 20, vom 15. Juni 1993, Matra/Kommission, C‑225/91, Slg. 1993, I‑3203, Randnr. 14, vom 13. Dezember 2005, Kommission/Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum, C‑78/03 P, Slg. 2005, I‑10737, Randnr. 33, und vom 11. September 2008, Deutschland u. a./Kronofrance, C‑75/05 P und C‑80/05 P, Slg. 2008, I‑6619, Randnr. 36).

45      Da die vorliegende Klage eine Entscheidung der Kommission im Bereich staatlicher Beihilfen betrifft, ist zu beachten, dass im Rahmen des Verfahrens zur Kontrolle staatlicher Beihilfen zwischen der Vorprüfungsphase nach Art. 88 Abs. 3 EG, die nur dazu dient, der Kommission eine erste Meinungsbildung über die teilweise oder völlige Vereinbarkeit der fraglichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt zu ermöglichen, und der in Art. 88 Abs. 2 EG geregelten Prüfungsphase zu unterscheiden ist. Nur in dieser Phase, die es der Kommission ermöglichen soll, sich umfassende Kenntnis von allen Gesichtspunkten des Falles zu verschaffen, sieht der Vertrag die Verpflichtung der Kommission vor, den Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung zu geben (vgl. in diesem Sinne, Urteil Deutschland u. a./Kronofrance, oben in Randnr. 44 angeführt, Randnr. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46      Stellt die Kommission, ohne das förmliche Prüfungsverfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG einzuleiten, mit einer Entscheidung auf der Grundlage von Art. 88 Abs. 3 EG fest, dass eine Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, können folglich die Personen, denen diese Verfahrensgarantien zugutekommen, deren Beachtung nur durchsetzen, wenn sie die Möglichkeit haben, diese Entscheidung vor dem Unionsrichter anzufechten. Deshalb erklärt dieser eine Klage auf Nichtigerklärung einer solchen Entscheidung, die von einem Beteiligten im Sinne des Art. 88 Abs. 2 EG erhoben wird, für zulässig, wenn der Kläger mit der Erhebung der Klage die Verfahrensrechte wahren möchte, die ihm nach der letztgenannten Bestimmung zustehen (vgl. Urteil Deutschland u. a./Kronofrance, oben in Randnr. 44 angeführt, Randnr. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47      Nach Art. 1 Buchst. h der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88 EG] (ABl. L 83, S. 1) sind Beteiligte im Sinne von Art. 88 Abs. 2 EG u. a. Personen, Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen, deren Interessen aufgrund der Gewährung einer Beihilfe beeinträchtigt sein können, d. h. insbesondere konkurrierende Unternehmen des Empfängers dieser Beihilfe. Nach der Rechtsprechung handelt es sich mit anderen Worten um eine unbestimmte Vielzahl von Adressaten (Urteil des Gerichtshofs vom 24. Mai 2011, Kommission/Kronoply und Kronotex, C‑83/09 P, Slg. 2011, I‑4441, Randnr. 63; vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichtshofs vom 14. November 1984, Intermills/Kommission, 323/82, Slg. 1984, 3809, Randnr. 16).

48      Stellt der Kläger dagegen die Richtigkeit der Entscheidung über die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt in Frage, so kann der Umstand, dass er als Beteiligter im Sinne von Art. 88 Abs. 2 EG betrachtet werden kann, nicht für die Annahme der Zulässigkeit der Klage ausreichen. Er muss daher dartun, dass ihm eine besondere Stellung im Sinne des Urteils Plaumann/Kommission (oben in Randnr. 44 angeführt) zukommt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Marktstellung des Klägers durch die Beihilfe, die Gegenstand der betreffenden Entscheidung ist, spürbar beeinträchtigt wird (vgl. Urteil Deutschland u. a./Kronofrance, oben in Randnr. 44 angeführt, Randnr. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      Was die Voraussetzung der spürbaren Beeinträchtigung der Position der Klägerin auf dem Markt angeht, genügt es nicht, dass eine Handlung geeignet ist, die auf dem betreffenden Markt bestehenden Wettbewerbsverhältnisse zu beeinflussen, und dass das betroffene Unternehmen in einer Wettbewerbsbeziehung zum Begünstigten der Entscheidung stand. Es reicht also nicht aus, wenn sich ein Unternehmen lediglich auf seine Eigenschaft als Mitbewerber des begünstigten Unternehmens beruft, sondern es muss darüber hinaus darlegen, dass tatsächliche Umstände vorliegen, die es in ähnlicher Weise individualisieren wie den Adressaten einer Entscheidung (Urteile des Gerichtshofs vom 22. November 2007, Spanien/Lenzing, C‑525/04 P, Slg. 2007, I‑9947, Randnrn. 32 und 33, und vom 22. Dezember 2008, British Aggregates/Kommission, C‑487/06 P, Slg. 2008, I‑10515, Randnrn. 47 und 48).

50      Schließlich ist es nach ständiger Rechtsprechung nicht Sache des Unionsrichters, eine Klage, mit der ausschließlich die Richtigkeit einer Entscheidung über die Beurteilung der Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt in Frage gestellt wird, dahin auszulegen, dass sie in Wirklichkeit auf die Wahrung der dem Kläger nach Art. 88 Abs. 2 EG zustehenden Verfahrensrechte abzielt, wenn der Kläger nicht ausdrücklich einen darauf gerichteten Klagegrund vorgebracht hat. In einem solchen Fall führte die Auslegung des Klagegrundes in Wirklichkeit zu einer Umdeutung des Gegenstands der Klage (Urteil Kommission/Kronoply und Kronotex, oben in Randnr. 47 angeführt, Randnr. 55; vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichtshofs vom 29. November 2007, Stadtwerke Schwäbisch Hall u. a./Kommission, C‑176/06 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 25).

51      Eine solche Beschränkung der Befugnis zur Auslegung der Klagegründe führt aber nicht dazu, dass der Unionsrichter daran gehindert wäre, die Sachargumente eines Klägers zu prüfen, um festzustellen, ob sie im Übrigen geeignet sind, einen Klagegrund zu stützen, mit dem ausdrücklich auf ernsthafte Schwierigkeiten hingewiesen wird, die geeignet sind, die Eröffnung des Verfahrens gemäß Art. 88 Abs. 2 EG zu rechtfertigen (Urteil Kommission/Kronoply und Kronotex, oben in Randnr. 47 angeführt, Randnr. 56).

52      Beantragt ein Kläger die Nichtigerklärung einer Entscheidung, keine Einwände zu erheben, rügt er nämlich im Wesentlichen, dass die Entscheidung über die Beihilfe getroffen worden sei, ohne dass die Kommission das förmliche Prüfverfahren eröffnet habe, und dass diese dadurch seine Verfahrensrechte verletzt habe. Um mit seiner Klage durchzudringen, kann der Kläger jeden Klagegrund anführen, der geeignet ist, zu zeigen, dass die Beurteilung der Informationen und Angaben, über die die Kommission in der Phase der Vorprüfung der angemeldeten Maßnahme verfügt, Anlass zu Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der fraglichen Maßnahme mit dem Gemeinsamen Markt hätte geben müssen. Der Vortrag solcher Argumente kann aber weder den Gegenstand der Klage noch die Voraussetzungen ihrer Zulässigkeit ändern. Vielmehr liegt im Bestehen von Bedenken hinsichtlich dieser Vereinbarkeit gerade der Nachweis, der zu erbringen ist, um zu zeigen, dass die Kommission verpflichtet war, das förmliche Prüfverfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 zu eröffnen (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 27. Oktober 2011, Österreich/Scheucher-Fleisch u. a., C‑47/10 P, Slg. 2011, I‑10707, Randnr. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

53      Die verfahrensrechtliche Stellung der Klägerin ist nach Maßgabe dieser Grundsätze zu prüfen.

54      Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerin unstreitig Beteiligte im Sinne von Art. 88 Abs. 2 EG ist. Sie macht nämlich, ohne dass die Kommission oder die Streithelferin ihr widersprochen hätten und ohne Widerspruch zu einem Schriftstück der Akten, geltend, dass sie ein unmittelbarer Mitbewerber der Streithelferin ist. Streitig ist hingegen, ob die Klägerin von der angefochtenen Entscheidung individuell betroffen und daher befugt ist, die Richtigkeit der in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Feststellungen zur Vereinbarkeit der in Rede stehenden Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt in Zweifel zu ziehen, und zwar unabhängig von der Wahrung ihrer Verfahrensrechte.

55      Die Klägerin hat zwar den Nachweis dafür erbracht, dass ihre Wettbewerbsstellung durch die in Rede stehende Beihilfe beeinträchtigt werden könnte, nicht hingegen dafür, dass ihre Position auf dem Markt im Sinne der oben in den Randnrn. 48 und 49 dargelegten Rechtsprechung spürbar beeinträchtigt werde.

56      Die Klägerin macht erstens geltend, sie habe, indem sie nach der Anmeldung der in Rede stehenden Beihilfe vertraulich eine Beschwerde eingelegt habe, am Verwaltungsverfahren mitgewirkt. Die Mitwirkung eines Unternehmens in der Vorprüfungsphase gemäß Art. 4 der Verordnung Nr. 659/1999 ist jedoch kein Beweis dafür, dass es als Person, die eine Beschwerde eingelegt hat, durch die am Ende dieses Verfahrens erlassene Entscheidung individuell betroffen wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 9. Juli 2009, 3F/Kommission, C‑319/07 P, Slg. 2009, I‑5963, Randnrn. 94 und 95).

57      Zweitens macht die Klägerin geltend, der CCM-Markt sei ein integrierter Markt und jede staatliche Beihilfe, die einem Erzeuger gewährt werde, habe Auswirkungen auf alle Mitbewerber im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Nach den Angaben der Klägerin in ihrer vertraulichen Beschwerde gehören im EWR zum CCM-Sektor aber etwa 130 Unternehmen. Mit diesem Vorbringen macht die Klägerin also letztlich geltend, dass sich die gewährte Beihilfe auf die Wettbewerbsbeziehungen zwischen den Wirtschaftsteilnehmern auswirke; das Vorbringen genügt aber nicht für den Nachweis einer spürbaren Beeinträchtigung der Wettbewerbsposition der Klägerin, die geeignet wäre, sie aus der Gesamtheit der Wirtschaftsteilnehmer herauszuheben.

58      Drittens macht die Klägerin geltend, mit der in Rede stehenden Beihilfe werde der Bau der größten CCM-Fabrik in Europa ermöglicht, und die Inbetriebnahme dieser Anlage werde sich zwangsläufig spürbar auf die Preise auswirken. Auch diese Behauptung, die im Übrigen von der Streithelferin bestritten wird, genügt nicht für den Nachweis, dass die Klägerin von der angefochtenen Entscheidung individuell betroffen wäre; die Klägerin macht nämlich keine Besonderheit ihrer Situation geltend, die für den Nachweis geeignet wäre, dass sie durch die Inbetriebnahme der genannten Fabrik auf eine Weise beeinträchtigt würde, die sie aus der Gesamtheit der anderen Mitbewerber der Streithelferin heraushöbe.

59      Viertens macht die Klägerin geltend, auf dem CCM-Markt bestehe ein strukturelles Ungleichgewicht, das durch einen Überschuss an Produktionskapazitäten gekennzeichnet sei; sie habe sich gezwungen gesehen, viele ihrer eigenen Anlagen stillzulegen. Wie die Streithelferin und die Kommission geltend machen, kann die Stilllegung von Anlagen aber darauf zurückzuführen sein, dass die Klägerin freie unternehmerische Entscheidungen getroffen hat, z. B. die Anpassung ihrer bestehenden Anlagen an den technischen Fortschritt oder die Rationalisierung ihrer Produktionsanlagen; die Klägerin hat nicht den Nachweis erbracht, dass sie ihre Anlagen nicht wegen Überalterung stillgelegt hat. Selbst wenn die Klägerin ihre Produktionskapazitäten wegen eines strukturellen Ungleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage hat stilllegen müssen, wäre dies nicht auf die subventionierte Anlage zurückzuführen und für sich genommen nicht geeignet, die Klägerin aus der Gruppe der anderen Mitbewerber der Streithelferin herauszuheben (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 18. November 2009, Scheucher-Fleisch u. a./Kommission, T‑375/04, Slg. 2009, II‑4155, Randnrn. 59 und 60).

60      Fünftens schließlich steht das Vorbringen der Klägerin, sie besitze in einem Umkreis von 800 bis 1 000 km von der durch die in Rede stehende Beihilfe subventionierten Anlage sechs Anlagen, und durch die Beihilfe werde die Streithelferin zu ihrem unmittelbaren Hauptmitbewerber, auf den ersten Blick im Widerspruch zu ihrem zweiten Argument, nämlich dass, da der CCM-Markt durch vollkommene Konkurrenz gekennzeichnet und integriert sei, jede irgendeinem Mitbewerber gewährte Beihilfe sich zwangsläufig auf die Preise aller Mitbewerber im EWR auswirke. Allein die Tatsache, dass die Klägerin in der Nähe der subventionierten Anlage sechs Anlagen besitzt und die in Rede stehende Beihilfe der Klägerin ermöglicht, ihre CCM-Produktion auf etwa 1 Mio. Tonnen jährlich zu steigern, während zum Vergleich die Produktion der Klägerin in den genannten sechs Anlagen jährlich insgesamt etwa [vertraulich](1) beträgt, lässt jedenfalls nicht den Schluss zu, dass die Position der Klägerin auf dem Markt spürbar beeinträchtigt würde. Die Streithelferin macht nämlich, ohne dass ihr widersprochen wird, geltend, dass die Klägerin nicht ihr unmittelbarster Mitbewerber sei, dass sie und die Klägerin verschiedene Absatzmärkte hätten und, falls es entscheidend auf die räumliche Nähe der Anlagen ankommen sollte, dass andere Mitbewerber als die Klägerin Anlagen besäßen, die näher zu der Anlage, die in Eisenhüttenstadt gebaut werden solle, lägen.

61      Die Klägerin hat somit nicht den Nachweis erbracht, dass die in Rede stehende Beihilfe geeignet wäre, ihre Position auf dem Markt spürbar zu beeinträchtigen. Als Beteiligte ist sie daher lediglich befugt, die ihr gemäß Art. 88 Abs. 2 EG zustehenden Verfahrensrechte durchzusetzen und sich dagegen zu wenden, dass die Kommission es abgelehnt hat, das förmliche Prüfverfahren zu eröffnen, nicht aber die Richtigkeit der Feststellungen, aufgrund deren die Kommission zu dem Schluss gelangt ist, dass die in Rede stehende Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, in Zweifel zu ziehen. Da die Kommission und die Streithelferin geltend machen, dass kein Klagegrund auf die Wahrung der Verfahrensrechte einer Beteiligten abziele, ist also die Natur der von der Klägerin geltend gemachten Klagegründe zu prüfen.

62      Nach der oben in den Randnrn. 50 bis 52 dargelegten Rechtsprechung kann die Klägerin auch dann, wenn ihr der Nachweis, dass ihre Position auf dem Markt durch die in Rede stehende Beihilfe spürbar beeinträchtigt worden wäre, nicht gelungen ist, Argumente zur Richtigkeit der Feststellungen der Kommission vorbringen, um darzutun, dass die Kommission Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der in Rede stehenden Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt hätte haben müssen, die die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens gemäß Art. 88 Abs. 2 EG gerechtfertigt hätten – unter der Voraussetzung allerdings, dass zumindest mit einem Klagegrund gerügt wird, die Kommission habe gegen ihre Verpflichtung zur Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens verstoßen. Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission verpflichtet ist, das förmliche Prüfverfahren insbesondere dann zu eröffnen, wenn sie sich in Anbetracht der im Vorprüfungsverfahren erhaltenen Auskünfte bei der Beurteilung der betreffenden Maßnahme weiterhin ernsthaften Schwierigkeiten gegenübersieht. Diese Verpflichtung ergibt sich unmittelbar aus Art. 88 Abs. 3 EG in seiner Auslegung durch die Rechtsprechung und, wenn die Kommission nach einer Vorprüfung feststellt, dass die rechtswidrige Maßnahme Anlass zu Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt gibt, aus Art. 4 Abs. 4 der Verordnung Nr. 659/1999 (Urteil des Gerichts vom 12. Februar 2008, BUPA u. a./Kommission, T‑289/03, Slg. 2008, II‑81, Randnr. 328).

63      Die Klägerin stellt aber zunächst klar, dass sie sich gegen die Annahme der Kommission wendet, eine Positiventscheidung erlassen zu dürfen, ohne das förmliche Prüfverfahren einzuleiten. Sie macht insbesondere geltend, die Kommission hätte nicht die in ihren Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung festgelegten Schwellenwerte vorschützen dürfen, um eine konkrete Beurteilung der Auswirkungen der in Rede stehenden Maßnahme abzulehnen. Diese Abwägung der Auswirkungen der streitigen Maßnahme hätte aber die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens gemäß Art. 88 Abs. 2 EG erforderlich gemacht. Außerdem sei sie durch die Nichteröffnung des förmlichen Prüfverfahrens daran gehindert worden, ihre Verfahrensrechte auszuüben.

64      Mit dem ersten Klagegrund wird demnach gerügt, die Kommission habe unter Verstoß gegen Art. 88 Abs. 2 EG und Art. 4 Abs. 4 der Verordnung Nr. 659/99 gegen die ihr im vorliegenden Fall obliegende Verpflichtung, das förmliche Prüfverfahren einzuleiten, verstoßen.

65      Zumindest ein Klagegrund zielt somit ausdrücklich auf die Wahrung der Verfahrensrechte der Klägerin ab. Daher ist deren Vorbringen, obwohl es sich auf die Richtigkeit der Feststellungen über die Vereinbarkeit der in Rede stehenden Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt bezieht, entgegen dem Vorbringen der Kommission und der Streithelferin insoweit zu prüfen, als es darauf abzielt, zu zeigen, dass es der Kommission nicht gelungen ist, die ernsthaften Schwierigkeiten zu lösen, denen sie sich in der Vorprüfungsphase gegenübergesehen hat (vgl. oben, Randnr. 52). Die von der Kommission gegen die gesamte Klage erhobene Einrede der Unzulässigkeit kann somit keinen Erfolg haben; vielmehr ist bei den Klagegründen und den in deren Rahmen jeweils vorgebrachten Argumenten im Einzelfall zu prüfen, ob sie zulässig sind.

 Zur Begründetheit

66      Mit dem ersten Klagegrund wird gerügt, die Kommission habe unter Verstoß gegen Art. 88 Abs. 2 EG und Art. 4 Abs. 4 der Verordnung Nr. 659/99 gegen die ihr im vorliegenden Fall obliegende Verpflichtung, das förmliche Prüfverfahren einzuleiten, verstoßen. Dieser Klagegrund ist zwar formal nicht in zwei Teilen geltend gemacht worden, enthält aber zwei gesonderte Rügen. Zum einen rügt die Klägerin, der Kommission sei dadurch ein Rechtsfehler unterlaufen, dass sie aus Punkt 68 der Leitlinien abgeleitet habe, bei Nichtüberschreitung der darin vorgesehenen Schwellenwerte auf die Vereinbarkeit der in Rede stehenden Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt schließen zu können und kein förmliches Prüfverfahren eröffnen zu müssen. Zum anderen bringt die Klägerin mehrere Argumente vor, um darzutun, dass die Kommission Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Kriterien gemäß Punkt 68 der Leitlinien gegenübergestanden sei, die die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens gerechtfertigt hätten.

 Zur Zulässigkeit des ersten Klagegrundes

67      Nach Auffassung der Kommission ist der erste Klagegrund unzulässig; die Klägerin habe in dessen Rahmen nämlich Argumente vorgebracht, die darauf abzielten, die Richtigkeit der in der angefochtenen Entscheidung enthalten Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

68      Es ist jedoch zu beachten, dass die Klägerin als Beteiligte befugt ist, geltend zu machen, dass die Kommission das förmliche Prüfverfahren hätte eröffnen müssen. Zur Stützung eines solchen Klagegrundes darf sie auch Argumente vorbringen, die geeignet sind, zu zeigen, dass die Beurteilung der Informationen und Beweismittel, über die die Kommission in der Phase der Vorprüfung der in Rede stehenden Beihilfe verfügte, Anlass zu Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt hätten geben müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil Österreich/Scheucher-Fleisch u. a., oben in Randnr. 52 angeführt, Randnr. 50).

69      In der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission bei der Beurteilung der Vereinbarkeit der in Rede stehenden Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt maßgeblich darauf abgestellt, dass die Schwellenwerte gemäß Punkt 68 der Leitlinien nicht überschritten seien.

70      Die Klägerin ist also befugt, zur Durchsetzung ihrer Verfahrensrechte den Rechtsfehler zu beanstanden, der der Kommission dadurch unterlaufen sein soll, dass sie aus der Nichtüberschreitung der Schwellenwerte gemäß Punkt 68 der Leitlinien auf die Vereinbarkeit der in Rede stehenden Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt geschlossen hat, und die tatsächlichen Feststellungen in Zweifel zu ziehen, aufgrund deren die Kommission zu dem Schluss gelangt ist, dass diese Werte im vorliegenden Fall nicht überschritten seien.

71      Die Kommission macht allerdings zu Recht geltend, dass die erstmals in der Erwiderung vorgebrachte Rüge, mit der die Dauer der Vorprüfungsphase beanstandet wird, neu ist und sich nicht dem Vorbringen in der Klageschrift zuordnen lässt. Diese Rüge ist folglich gemäß Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts unzulässig; nach dieser Bestimmung können neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.

72      Die von der Kommission gegen den ersten Klagegrund erhobene Einrede der Unzulässigkeit ist folglich insoweit zurückzuweisen, als sie nicht die Rüge betrifft, mit der die Dauer der Vorprüfungsphase beanstandet wird.

 Zur Begründetheit des ersten Klagegrundes

73      Im Rahmen des ersten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, die Kommission sei nach Art. 88 Abs. 2 EG und Art. 4 Abs. 4 der Verordnung Nr. 659/1999 verpflichtet, das förmliche Prüfverfahren zu eröffnen, wenn es ihr im Rahmen der Vorprüfung gemäß Art. 88 Abs. 3 EG nicht gelinge, alle Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt zu beseitigen. Die Vereinbarkeit der streitigen Maßnahme mit dem Gemeinsamen Markt sei aber nicht evident gewesen; bestimmte Beurteilungsschwierigkeiten hätten die Kommission veranlassen müssen, das förmliche Prüfverfahren zu eröffnen, da sich eine eingehendere Prüfung und weitere Ermittlungen als notwendig erwiesen hätten.

74      Insbesondere sei der Kommission dadurch ein Rechtsfehler unterlaufen, dass sie davon ausgegangen sei, sie dürfe bei Nichtüberschreitung der Schwellenwerte gemäß Punkt 68 der Leitlinien keine eingehendere Prüfung der Vereinbarkeit der in Rede stehenden Maßnahme mit dem Gemeinsamen Markt durchführen und sei durch diese – falsche – Auslegung dieser Bestimmung gebunden.

75      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die von der Kommission nach Art. 88 Abs. 3 EG vorgenommene Prüfung beabsichtigter staatlicher Beihilfen dazu dient, der Kommission eine erste Meinungsbildung über die teilweise oder völlige Vereinbarkeit der fraglichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt zu ermöglichen. Das förmliche Prüfverfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG soll die Rechte möglicherweise betroffener Dritter schützen und außerdem die Kommission in die Lage versetzen, sich vor Erlass ihrer Entscheidung umfassend über alle Umstände des Sachverhalts zu unterrichten, insbesondere durch Einholung der Stellungnahmen der betroffenen Dritten und der Mitgliedstaaten. Auch wenn sie in ihrer Entscheidung über die Verfahrenseröffnung gebunden ist, hat sie doch einen gewissen Spielraum bei der Ermittlung und Prüfung der Umstände des Einzelfalls, um festzustellen, ob diese ernsthafte Schwierigkeiten begründen. Nach dem Zweck des Art. 88 Abs. 3 EG und ihrer Verpflichtung zu ordnungsgemäßer Verwaltung kann die Kommission insbesondere einen Dialog mit dem anmeldenden Staat oder mit Dritten führen, um sich etwa ergebende Schwierigkeiten im Verlauf des Vorprüfungsverfahrens zu überwinden (vgl. Urteil des Gerichts vom 10. Februar 2009, Deutsche Post und DHL International/Kommission, T‑388/03, Slg. 2009, II‑199, Randnr. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung).

76      Nach ständiger Rechtsprechung ist das Verfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG unerlässlich, sobald die Kommission bei der Beurteilung der Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt auf ernsthafte Schwierigkeiten stößt (vgl. Urteil Deutsche Post und DHL International/Kommission, oben in Randnr. 75 angeführt, Randnr. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung).

77      Die Kommission hat daher nach den tatsächlichen und rechtlichen Umständen des Falles zu beurteilen, ob die Schwierigkeiten, auf die sie bei der Prüfung der Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt gestoßen ist, die Eröffnung dieses Verfahrens erforderlich machen. Diese Beurteilung muss drei Anforderungen genügen (vgl. Urteil Deutsche Post und DHL International/Kommission, oben in Randnr. 75 angeführt, Randnr. 89 und die dort angeführte Rechtsprechung).

78      Erstens beschränkt Art. 88 EG die Befugnis der Kommission zur Entscheidung über die Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt am Ende des Vorprüfungsverfahrens auf die Maßnahmen, die keine ernsthaften Schwierigkeiten aufwerfen, womit dies das ausschließliche Kriterium darstellt. Die Kommission darf also die Eröffnung des förmlichen Prüfungsverfahrens nicht wegen anderer Umstände wie Interessen Dritter oder Erwägungen der Verfahrensökonomie oder der administrativen oder politischen Zweckmäßigkeit ablehnen (vgl. Urteil Deutsche Post und DHL International/Kommission, oben in Randnr. 75 angeführt, Randnr. 90 und die dort angeführte Rechtsprechung).

79      Zweitens ist die Kommission, wenn sie ernsthaften Schwierigkeiten begegnet, zur Eröffnung des förmlichen Verfahrens verpflichtet und verfügt insoweit über keinerlei Ermessen (Urteil Deutsche Post und DHL International/Kommission, oben in Randnr. 75 angeführt, Randnr. 91).

80      Drittens ist der Begriff der ernsthaften Schwierigkeiten seinem Wesen nach objektiv. Ob solche Schwierigkeiten vorliegen, ist anhand der Umstände des Erlasses des angefochtenen Rechtsakts sowie seines Inhalts in objektiver Weise zu beurteilen, wobei die Gründe der Entscheidung zu den Angaben in Beziehung zu setzen sind, über die die Kommission verfügen kann, wenn sie sich zur Vereinbarkeit der streitigen Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt äußert. Die Rechtmäßigkeitskontrolle des Gerichts hinsichtlich der Frage, ob ernsthafte Schwierigkeiten vorgelegen haben, geht deshalb ihrem Wesen nach über die Prüfung offensichtlicher Beurteilungsfehler hinaus (vgl. in diesem Sinne Urteil Deutsche Post und DHL International/Kommission, oben in Randnr. 75 angeführt, Randnr. 92 und die dort angeführte Rechtsprechung).

81      Außerdem ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass es einen Anhaltspunkt für das Bestehen ernsthafter Schwierigkeiten darstellt, wenn die Prüfung durch die Kommission im Vorprüfungsverfahren unzureichend oder unvollständig war (vgl. Urteil Deutsche Post und DHL International/Kommission, oben in Randnr. 75 angeführt, Randnr. 95 und die dort angeführte Rechtsprechung).

82      Bei der Beurteilung der Vereinbarkeit der staatlichen Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt im Hinblick auf die Ausnahme gemäß Art. 87 Abs. 3 Buchst. a EG hat die Kommission das gemeinsame Interesse zu berücksichtigen und darf es nicht unterlassen, die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf den oder die relevanten Märkte im gesamten EWR zu untersuchen. In einem solchen Fall muss die Kommission nicht nur prüfen, ob diese Maßnahmen tatsächlich geeignet sind, die wirtschaftliche Entwicklung der betreffenden Gebiete zu fördern, sondern sie muss auch die Auswirkungen dieser Beihilfen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beurteilen und insbesondere die möglichen sektoralen Auswirkungen auf Gemeinschaftsebene bewerten (Urteil des Gerichtshofs vom 19. September 2002, Spanien/Kommission, C‑113/00, Slg. 2002, I‑7601, Randnr. 67).

83      Die Kommission verfügt bei der Anwendung des Art. 87 Abs. 3 EG über ein weites Ermessen, das sie nach Maßgabe komplexer wirtschaftlicher und sozialer Wertungen ausübt, die auf die Gemeinschaft als Ganzes zu beziehen sind. In diesem Rahmen ist die gerichtliche Nachprüfung der Ausübung dieses Ermessens auf die Überprüfung der Beachtung der Verfahrens- und Begründungsvorschriften sowie auf die Kontrolle der inhaltlichen Richtigkeit der festgestellten Tatsachen und des Fehlens von Rechtsfehlern, von offensichtlichen Fehlern bei der Bewertung der Tatsachen und von Ermessensmissbrauch beschränkt (vgl. Urteil Deutschland u. a./Kronofrance, oben in Randnr. 44 angeführt, Randnr. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

84      Dadurch, dass sie Verhaltensnormen erlässt und durch ihre Veröffentlichung ankündigt, dass sie diese von nun an auf die von ihnen erfassten Fälle anwenden werde, beschränkt die Kommission jedoch selbst die Ausübung ihres Ermessens und kann nicht von diesen Normen abweichen, ohne dass dies gegebenenfalls wegen eines Verstoßes gegen allgemeine Rechtsgrundsätze wie die der Gleichbehandlung oder des Vertrauensschutzes geahndet würde – es sei denn, sie gibt Gründe an, die im Hinblick auf diese Grundsätze eine Abweichung von ihren eigenen Normen rechtfertigen (vgl. Urteile des Gerichtshofs vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Randnr. 211, und Deutschland u. a./Kronofrance, oben in Randnr. 44 angeführt, Randnr. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).

85      Dabei ist zu beachten, dass Punkt 68 der Leitlinien einen Schwellenwert für den Marktanteil und bei Wirtschaftszweigen, deren Wachstumsrate nicht dauerhaft über der mittleren Zuwachsrate des Bruttoinlandsprodukts liegt, wie z. B. dem Wirtschaftszweig der Wellpappe, für die Steigerung der Produktionskapazität (5 %) festlegt, bei deren Überschreitung die Kommission das förmliche Prüfverfahren gemäß Art. 88 Abs. 2 EG eröffnen muss.

86      In der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission die Auffassung vertreten, aus dieser Bestimmung lasse sich ableiten, dass sie, weil sie im vorliegenden Fall festgestellt habe, dass die in Rede stehenden Schwellenwerte nicht überschritten seien, verpflichtet sei, die in Rede stehende Beihilfe als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erachten, ohne das förmliche Prüfverfahren zu eröffnen. Es ist also zu prüfen, ob der Kommission, wie die Klägerin geltend macht, auf diese Weise ein Rechtsfehler unterlaufen ist, der geeignet ist, sie daran zu hindern, alle Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der in Rede stehenden Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt zu beseitigen.

87      Wie sie im Übrigen in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, ging die Kommission davon aus, dass sie wegen Nichtüberschreitung der Schwellenwerte gemäß Punkt 68 der Leitlinien verpflichtet sei, das förmliche Prüfverfahren nicht zu eröffnen. Deshalb nahm die Kommission auch an, dass das Vorbringen der Beschwerdeführer jedenfalls zurückzuweisen sei.

88      Zwar begründet Punkt 68 der Richtlinien eine ausnahmslos geltende Verfahrenspflicht der Kommission, die bei Überschreitung der Schwellenwerte das Verfahren gemäß Art. 88 Abs. 2 EG eröffnen muss, und zwar selbst dann, wenn sie von vornherein der Auffassung ist, dass die in Rede stehende Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist; aus Punkt 68 ergibt sich aber nicht, dass die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens bei Nichtüberschreitung der Schwellenwerte ausgeschlossen wäre. Diese Bestimmung bewirkt nämlich nur, dass die Kommission verpflichtet ist, das förmliche Prüfverfahren zu eröffnen, wenn diese Schwellenwerte überschritten sind, aber in keiner Weise, dass die Kommission daran gehindert wäre, wenn sie nicht erreicht sind. Im letzteren Fall hat die Kommission gewiss die Möglichkeit, das förmliche Prüfverfahren nicht zu eröffnen; sie kann dies aber nicht damit begründen, dass sie dazu durch Punkt 68 der Leitlinien gezwungen sei.

89      Indem sie aus der Einhaltung der Schwellenwerte gemäß Punkt 68 der Leitlinien auf die Vereinbarkeit der in Rede stehenden Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt geschlossen hat, hat sich die Kommission somit über die Tragweite dieser Bestimmung geirrt.

90      Außerdem hat die Kommission, wie die Klägerin zu Recht geltend macht, als Folge dieses Irrtums bei der Beurteilung der Vereinbarkeit der in Rede stehenden Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt ihr Ermessen nicht in vollem Umfang ausgeübt wie sie es hätte tun müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. Juli 2011, Freistaat Sachsen/Kommission, T‑357/02 RENV, Slg. 2011, II‑5415, Randnr. 45).

91      Die Kommission ist insoweit nach der Rechtsprechung (vgl. oben, Randnrn. 82 und 83) verpflichtet, das ihr bei der Beurteilung der Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe, die in einem Problemgebiet gewährt wird, nach Art. 87 Abs. 3 EG zustehende weite Ermessen auszuüben, um festzustellen, ob die erhofften Vorteile hinsichtlich der regionalen Entwicklung stärker ins Gewicht fallen als die Wettbewerbsverzerrungen und die Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten durch das subventionierte Vorhaben.

92      Aus der angefochtenen Entscheidung geht aber nicht hervor, dass die Kommission, um zu dem Schluss zu gelangen, dass die in Rede stehende Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, tatsächlich eine solche Beurteilung vorgenommen hätte. Im 119. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission nämlich ausgeführt, dass sie die Frage, ob die Vorteile einer Beihilfemaßnahme stärker ins Gewicht fielen als die möglicherweise durch sie verursachten Wettbewerbsverzerrungen, bei Nichterreichen der Schwellenwerte gemäß Punkt 68 der Leitlinien nicht eingehend prüfen dürfe. Außerdem hat die Kommission im 120. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass bereits die Beachtung der Leitlinien gewährleiste, dass eine Beihilfemaßnahme zur regionalen Entwicklung beitrage.

93      Nach den Leitlinien wird neben der Beachtung der für Marktanteil und Produktionskapazitätssteigerung gemäß Punkt 68 festgelegten Schwellenwerte lediglich geprüft, erstens, ob die Region, in der das subventionierte Vorhaben liegt, tatsächlich für die Gewährung von Beihilfen „zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung von Gebieten, in denen die Lebenshaltung außergewöhnlich niedrig ist oder eine erhebliche Unterbeschäftigung herrscht” (Art. 87 Abs. 3 Buchst. a EG) in Betracht kommt, zweitens, ob die sich nach der regionalen Benachteiligung richtende Obergrenze für die Beihilfeintensität eingehalten ist, und drittens, ob bestimmten Anforderungen an das Verhalten, z. B. Einreichung eines Antrags auf Gewährung einer Subvention vor dem Beginn der Arbeiten und Verpflichtung des Empfängers, die subventionierte Anlage mindestens fünf Jahre zu betreiben, genügt ist. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, heißt das aber noch lange nicht, dass damit erwiesen wäre, dass die entsprechende Maßnahme sich positiv auf die regionale Entwicklung auswirkte.

94      Zwar ist der Kommission ein weites Ermessen zuzubilligen, was die Ermittlung und Prüfung der Umstände des Einzelfalls angeht, um zu bestimmen, ob festgestellt werden kann, dass eine Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden kann (vgl. Urteil Deutschland u. a./Kronofrance, oben in Randnr. 44 angeführt, Randnr. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Kommission hat im vorliegenden Fall aber lediglich geprüft, ob sich die Nachteile des subventionierten Vorhabens im Hinblick auf Wettbewerbsverzerrungen in Grenzen halten, nicht aber, ob die Vorteile für die regionale Entwicklung stärker ins Gewicht fallen als die genannten Nachteile, seien diese auch noch so gering.

95      Die Kommission beabsichtigte, die Leitlinien vor dem 1. Januar 2007 zu ergänzen; sie wollte die Kriterien angeben, die sie bei der Beurteilung der Frage anwenden werde, ob die untersuchten Beihilfen als Investitionsanreiz notwendig seien und die Vorteile der Beihilfemaßnahme stärker ins Gewicht fielen als die Wettbewerbsverzerrungen und die Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten (siehe oben, Randnr. 13).

96      Die Klägerin macht daher zu Recht geltend, dass die Kommission allein aufgrund der in der angefochtenen Entscheidung vorgenommenen Feststellungen nicht alle Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der in Rede stehenden Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt im Hinblick auf die Ausnahme gemäß Art. 87 Abs. 3 Buchst. a EG beseitigen konnte. Wie oben in Randnr. 91 ausgeführt, setzt die Anwendung dieser Ausnahme nämlich voraus, dass die Vorteile der in Rede stehenden Maßnahme stärker ins Gewicht fallen als ihre Nachteile, seien diese auch noch so begrenzt (vgl. in diesem Sinne Urteil Spanien/Kommission, oben in Randnr. 82 angeführt, Randnr. 67).

97      Somit hat die Kommission dadurch, dass sie, ohne die Bedeutung des subventionierten Vorhabens für die regionale Entwicklung zu beurteilen, daraus, dass die in Rede stehende Beihilfe mit den Leitlinien in Einklang stand, gefolgert hat, dass die Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sei und sie selbst verpflichtet sei, das förmliche Prüfverfahren nicht zu eröffnen, nicht nur die Tragweite der Leitlinien verkannt, sondern auch ihr Ermessen nicht ausgeübt. Die Klägerin macht daher zu Recht geltend, dass sich die Kommission, da sie bei ihrer Beurteilung die maßgeblichen Kriterien nicht berücksichtigt hat, nicht in die Lage versetzt hat, alle Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der in Rede stehenden Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt zu beseitigen.

98      Somit ist, ohne dass die Zulässigkeit der anderen Argumente der Klage geprüft und über deren Begründetheit entschieden zu werden braucht, festzustellen, dass die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären ist.

 Kosten

99      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission und die Streithelferin unterlegen sind, sind ihnen, wie von der Klägerin beantragt, die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung K(2008) 1107 der Kommission vom 2. April 2008, mit der die Regionalbeihilfe, die die deutschen Behörden der Propapier PM 2 GmbH für den Bau einer Papierfabrik in Eisenhüttenstadt (Region Brandenburg-Nordost) gewähren wollen (staatliche Beihilfe N 582/2007 – Deutschland), für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wurde, wird für nichtig erklärt.

2.      Die Europäische Kommission und die Propapier PM 2 GmbH tragen die Kosten.

Azizi

Frimodt Nielsen

Popescu

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 10. Juli 2012.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.


1 –      Vertrauliche Angabe nicht wiedergegeben.