Language of document : ECLI:EU:C:2023:1025

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

21. Dezember 2023(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Freier Warenverkehr – Art. 34 AEUV – Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen – Maßnahmen gleicher Wirkung – Nationale Regelung, die die Zigarettenmengen, die in einem bestimmten Zeitraum in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt werden dürfen, auf eine Höchstmenge beschränkt, die dem monatlichen Durchschnitt der in den vorangegangenen zwölf Monaten in den steuerrechtlich freien Verkehr überführten Mengen entspricht – Art. 36 AEUV – Rechtfertigung – Bekämpfung von Steuerhinterziehung und missbräuchlichen Verhaltensweisen – Schutz der öffentlichen Gesundheit – Steuerrecht – Verbrauchsteuern – Richtlinie 2008/118/EG – Art. 7 – Zeitpunkt der Entstehung des Verbrauchsteueranspruchs – Überführung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr – Art. 9 – Voraussetzungen für das Entstehen des Steueranspruchs und anzuwendende Verbrauchsteuersätze – Überschreitung der geltenden Mengenbeschränkung – Überschuss – Anwendung des Verbrauchsteuersatzes, der zum Zeitpunkt der Abgabe der das Verfahren abschließenden Erklärung gilt“

In der Rechtssache C‑96/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supremo Tribunal Administrativo (Oberstes Verwaltungsgericht, Portugal) mit Entscheidung vom 12. Januar 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Februar 2022, in dem Verfahren

CDIL – Companhia de Distribuição Integral Logística Portugal S.A.

gegen

Autoridade Tributária e Aduaneira

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter Z. Csehi, M. Ilešič (Berichterstatter), I. Jarukaitis und D. Gratsias,

Generalanwalt: P. Pikamäe,

Kanzler: L. Carrasco Marco,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. März 2023,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der CDIL – Companhia de Distribuição Integral Logística Portugal S.A., vertreten durch A. Moura Portugal und I. Teixeira, Advogados,

–        der portugiesischen Regierung, vertreten durch P. Barros da Costa, A. Rodrigues und N. Vitorino als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Björkland, I. Melo Sampaio und F. Thiran als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. Juni 2023

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 34 AEUV sowie der Art. 7 und 9 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. 2009, L 9, S. 12).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der CDIL – Companhia de Distribuição Integral Logística Portugal S.A. (im Folgenden: CDIL) und der Autoridade Tributária e Aduaneira (Steuer- und Zollbehörde, Portugal) über eine Nacherhebung der Verbrauchsteuern, die CDIL wegen der Überführung von Zigaretten in den steuerrechtlich freien Verkehr in Portugal schuldet.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Richtlinie 2008/118

3        In den Erwägungsgründen 2, 8, 9 und 31 der Richtlinie 2008/118 hieß es:

„(2)      Um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten, müssen die Voraussetzungen für die Erhebung von Verbrauchsteuern auf Waren, die der Richtlinie 92/12/EWG [des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. 1992, L 76, S. 1)] unterliegen (nachstehend ‚verbrauchsteuerpflichtige Waren‘ genannt), harmonisiert bleiben.

(8)      Da es nach wie vor für ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich ist, dass der Begriff der Verbrauchsteuer und die Voraussetzungen für die Entstehung des Verbrauchsteueranspruchs in allen Mitgliedstaaten gleich sind, muss auf Gemeinschaftsebene klargestellt werden, zu welchem Zeitpunkt die Überführung der verbrauchsteuerpflichtigen Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr erfolgt und wer der Verbrauchsteuerschuldner ist.

(9)      Da die Verbrauchsteuer auf den Verbrauch bestimmter Waren erhoben wird, sollte sie nicht auf Waren erhoben werden, die unter bestimmten Umständen zerstört wurden oder unwiederbringlich verloren gegangen sind.

(31)      Mitgliedstaaten sollte es erlaubt sein festzulegen, dass in den steuerrechtlich freien Verkehr überführte Waren mit Steuerzeichen oder mit nationalen Erkennungszeichen versehen sind. Die Verwendung solcher Steuer- bzw. Erkennungszeichen sollten keine Hemmnisse für den innergemeinschaftlichen Handel schaffen.

Da die Verwendung dieser Steuer- bzw. Erkennungszeichen nicht zu einer Doppelbesteuerung führen darf, sollte klargestellt werden, dass der Mitgliedstaat, der die Zeichen ausgegeben hat, jeden Betrag, der dafür bezahlt oder als Sicherheit geleistet wurde, erstattet, erlässt oder freigibt, wenn die Steuerschuld in einem anderen Mitgliedstaat entstanden ist und dort auch eingezogen wurde.

Um allerdings jede Form des Missbrauchs zu vermeiden, können die Mitgliedstaaten, die diese Steuer- bzw. Erkennungszeichen ausgegeben haben, die Erstattung, den Erlass oder die Freigabe davon abhängig machen, dass ein Nachweis für die Entfernung oder Zerstörung der Zeichen erbracht wird.“

4        Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 bestimmte:

„Diese Richtlinie legt ein allgemeines System für die Verbrauchsteuern fest, die mittelbar oder unmittelbar auf den Verbrauch folgender Waren (nachstehend ‚verbrauchsteuerpflichtige Waren‘ genannt) erhoben werden:

c)      Tabakwaren gemäß den Richtlinien 95/59/EG [des Rates vom 27. November 1995 über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer (ABl. 1995, L 291, S. 40)], 92/79/EWG [des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Annäherung der Verbrauchsteuern auf Zigaretten (ABl. 1992, L 316, S. 8)] und 92/80/EWG [des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Annäherung der Verbrauchsteuern auf andere Tabakwaren als Zigaretten (ABl. 1992, L 316, S. 10)].“

5        Art. 2 der Richtlinie 2008/118 sah vor:

„Verbrauchsteuerpflichtige Waren werden verbrauchsteuerpflichtig mit

a)      ihrer Herstellung, gegebenenfalls einschließlich ihrer Förderung, innerhalb des Gebiets der [Europäischen] Gemeinschaft;

b)      ihrer Einfuhr in das Gebiet der Gemeinschaft.“

6        Art. 7 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie 2008/118 bestimmte:

„(1)      Der Verbrauchsteueranspruch entsteht zum Zeitpunkt und im Mitgliedstaat der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr.

(2)      Als Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr im Sinne dieser Richtlinie gilt

a)      die Entnahme verbrauchsteuerpflichtiger Waren, einschließlich der unrechtmäßigen Entnahme, aus dem Verfahren der Steueraussetzung;

b)      der Besitz verbrauchsteuerpflichtiger Waren außerhalb eines Verfahrens der Steueraussetzung, wenn keine Verbrauchsteuer gemäß den geltenden Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts und des einzelstaatlichen Rechts erhoben wurde;

c)      die Herstellung verbrauchsteuerpflichtiger Waren, einschließlich der unrechtmäßigen Herstellung, außerhalb eines Verfahrens der Steueraussetzung;

d)      die Einfuhr verbrauchsteuerpflichtiger Waren, einschließlich der unrechtmäßigen Einfuhr, es sei denn, die verbrauchsteuerpflichtigen Waren werden unmittelbar bei ihrer Einfuhr in ein Verfahren der Steueraussetzung überführt.

(3)      Als Zeitpunkt der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr gilt

a)      in den Fällen des Artikels 17 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer ii der Empfang der verbrauchsteuerpflichtigen Waren durch den registrierten Empfänger;

b)      in den Fällen des Artikels 17 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer iv der Empfang der verbrauchsteuerpflichtigen Waren durch den Empfänger;

c)      in den Fällen des Artikels 17 Absatz 2 der Empfang der verbrauchsteuerpflichtigen Waren am Ort der Direktlieferung.“

7        In Art. 9 der Richtlinie 2008/118 hieß es:

„Die Voraussetzungen für das Entstehen des Steueranspruchs und der anzuwendende Verbrauchsteuersatz richten sich nach den Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Entstehens des Steueranspruchs in dem Mitgliedstaat gelten, in dem die Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr stattfindet.

Die Verbrauchsteuer wird nach den von jedem Mitgliedstaat festgelegten Verfahren erhoben und eingezogen, bzw. gegebenenfalls erstattet oder erlassen. Die Mitgliedstaaten wenden auf im Inland hergestellte Waren und auf Waren mit Herkunft aus anderen Mitgliedstaaten dieselben Verfahren an.“

8        Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 bestimmte:

„Neben den in Artikel 33 Absatz 6, Artikel 36 Absatz 5 und Artikel 38 Absatz 3 genannten Fällen sowie den Fällen, die in den in Artikel 1 genannten Richtlinien vorgesehen sind, kann die Verbrauchsteuer für in den steuerrechtlich freien Verkehr überführte verbrauchsteuerpflichtige Waren auf Antrag einer betroffenen Person von den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem die Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt wurden, in den von den Mitgliedstaaten festgelegten Situationen und zu den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Vorbeugung von Steuerhinterziehung oder Missbrauch festlegen, erstattet oder erlassen werden.“

9        Art. 39 Abs. 1 und Abs. 3 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/118 bestimmte:

„(1)      Unbeschadet des Artikels 7 Absatz 1 können die Mitgliedstaaten verlangen, dass verbrauchsteuerpflichtige Waren zu dem Zeitpunkt, zu dem sie in ihrem Gebiet in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt werden oder zu dem sie in den Fällen nach Artikel 33 Absatz 1 Unterabsatz 1 und Artikel 36 Absatz 1 in ihr Gebiet eingebracht werden, mit Steuerzeichen oder mit zu steuerlichen Zwecken verwendeten nationalen Erkennungszeichen versehen sind.

(3)      Die Mitgliedstaaten tragen unbeschadet der Vorschriften, die sie zur ordnungsgemäßen Anwendung dieses Artikels und zur Vorbeugung gegen Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch erlassen, dafür Sorge, dass die Steuer- bzw. Erkennungszeichen im Sinne des Absatz 1 keine Hemmnisse für den freien Verkehr von verbrauchsteuerpflichtigen Waren schaffen.

…“

10      Die Richtlinie 2008/118 wurde mit Wirkung vom 13. Februar 2023 durch die Richtlinie (EU) 2020/262 des Rates vom 19. Dezember 2019 zur Festlegung des allgemeinen Verbrauchsteuersystems (ABl. 2020, L 58, S. 4) aufgehoben.

11      In Art. 8 („Voraussetzungen für das Entstehen des Steueranspruchs und anzuwendende Verbrauchsteuersätze“) der Richtlinie 2020/262 heißt es:

„Die Voraussetzungen für das Entstehen des Steueranspruchs und der anzuwendende Verbrauchsteuersatz richten sich nach den Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Entstehens des Steueranspruchs in dem Mitgliedstaat gelten, in dem die Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr stattfindet.

Die Verbrauchsteuer wird nach den von jedem Mitgliedstaat festgelegten Verfahren erhoben und eingezogen, bzw. gegebenenfalls erstattet oder erlassen. Die Mitgliedstaaten wenden auf im Inland hergestellte Waren und auf Waren mit Herkunft aus anderen Mitgliedstaaten dieselben Verfahren an.

Abweichend von Absatz 1 kann bei einer Änderung der Verbrauchsteuersätze für Lagerbestände von bereits in den steuerrechtlich freien Verkehr überführten verbrauchsteuerpflichtigen Waren die Verbrauchsteuer gegebenenfalls erhöht oder gesenkt werden.“

 Portugiesisches Recht

12      Art. 8 („Steueranspruch“) des Código dos Impostos Especiais de Consumo (Verbrauchsteuergesetz, im Folgenden: CIEC) sieht vor:

„1 -      Der Steueranspruch im Inland entsteht zum Zeitpunkt der Überführung der in Art. 5 genannten Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr oder der Feststellung von Verlusten, die nach diesem Gesetz zu besteuern sind.

2 -      Im Inland ist der Steuersatz anzuwenden, der zum Zeitpunkt der Entstehung des Steueranspruchs gilt.“

13      Art. 9 („Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr“) CIEC bestimmt:

„1 -      Für die Zwecke dieses Gesetzes stellen eine Überführung von steuerpflichtigen Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr dar:

a)      die Entnahme, einschließlich der unrechtmäßigen Entnahme, dieser Waren aus dem Verfahren der Steueraussetzung;

b)      der Besitz dieser Waren außerhalb des Verfahrens der Steueraussetzung, ohne dass die geschuldete Steuer erhoben wurde;

c)      die Herstellung dieser Waren außerhalb des Verfahrens der Steueraussetzung, ohne dass die geschuldete Steuer erhoben wurde;

d)      die Einfuhr dieser Waren, es sei denn, sie werden unmittelbar nach ihrer Einfuhr dem Verfahren der Steueraussetzung unterworfen;

e)      die Einbringung, einschließlich der unrechtmäßigen Einbringung, dieser Waren in das nationale Hoheitsgebiet außerhalb des Verfahrens der Steueraussetzung;

f)      der Wegfall oder die Nichterfüllung der Voraussetzungen für einen Steuervorteil;

2 -      Als Zeitpunkt der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr gilt

a)      im Fall von Waren, die im Verfahren der Steueraussetzung aus einem Steuerlager an einen registrierten Empfänger befördert werden, der Zeitpunkt des Empfangs dieser Waren durch den betreffenden Empfänger;

b)      im Fall von Waren, die in einem Verfahren der Steueraussetzung zu einem der in Art. 6 Abs. 1 Buchst. a bis d genannten Empfänger befördert werden, der Zeitpunkt des Empfangs dieser Waren durch die betreffenden Empfänger;

c)      in dem in Buchst. f des vorstehenden Absatzes genannten Fall der Zeitpunkt des Wegfalls oder der Nichterfüllung der Voraussetzungen für einen Steuervorteil;

d)      in dem in Art. 35 Abs. 4 genannten Fall der Empfang der Waren am Ort der Direktlieferung.

…“

14      In Art. 106 („Besondere Regeln für die Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr“) CIEC heißt es:

„1 -      Die Überführung von Zigaretten in den steuerrechtlich freien Verkehr unterliegt einschränkenden Regelungen, die im Zeitraum zwischen dem 1. September und dem 31. Dezember eines jeden Kalenderjahres gelten.

2 -      In dem im vorstehenden Absatz genannten Zeitraum dürfen die Überführungen von Zigaretten in den steuerrechtlich freien Verkehr, die ein Wirtschaftsteilnehmer monatlich vornimmt, die Mengenbeschränkungen nicht überschreiten, die sich aus der Anwendung eines Erhöhungsfaktors von 10 % auf die durchschnittliche monatliche Menge an Zigaretten ergeben, die in den unmittelbar vorangegangenen zwölf Monaten in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden sind.

3 -      Für die Zwecke des vorstehenden Absatzes wird bei der Berechnung des Monatsdurchschnitts die Gesamtmenge der zwischen dem 1. September des Vorjahres und dem 31. August des Folgejahres getätigten Überführungen nicht steuerbefreiter Zigaretten in den steuerrechtlich freien Verkehr zugrunde gelegt.

4 -      Jeder Wirtschaftsteilnehmer übermittelt der zuständigen Zollstelle spätestens am 15. September eines jeden Jahres eine das Verfahren einleitende Erklärung, in der er seinen Monatsdurchschnitt angibt und in der die in seinem Fall daraus folgende, während des Einschränkungszeitraums geltende Mengenbeschränkung festgelegt ist.

5 -      In Ausnahmefällen, die durch unvermittelte und zeitlich begrenzte Änderungen des Verkaufsvolumens hinreichend begründet sind, kann die Außerachtlassung der genannten Mengenbeschränkungen genehmigt werden, jedoch bleiben diese Ausnahmefälle bei der Berechnung des Monatsdurchschnitts für das Folgejahr unberücksichtigt.

6 -      Nach Ablauf des Einschränkungszeitraums und spätestens Ende Januar eines jeden Jahres übermittelt der Wirtschaftsteilnehmer der zuständigen Zollstelle eine das Verfahren abschließende Erklärung, in der die Gesamtmenge der im Einschränkungszeitraum tatsächlich in den steuerrechtlich freien Verkehr überführten Zigaretten angegeben ist.

7 -      Die Zigarettenmengen, die die Mengenbeschränkung nach Abs. 4 überschreiten, unterliegen – unbeschadet eines etwaigen Deliktsverfahrens – der Steuer zum im Zeitpunkt der Einreichung der das Verfahren abschließenden Erklärung geltenden Steuersatz, wenn die Überschreitung durch einen Vergleich der in diesem Dokument enthaltenen Angaben mit den von der Verwaltung verarbeiteten Angaben festgestellt wird.

8 -      Die Bestimmungen der vorstehenden Absätze gelten auf dem portugiesischen Festland, in der Autonomen Region Azoren und in der Autonomen Region Madeira, wobei die in den vorstehenden Absätzen vorgesehenen Verpflichtungen bei der Zollstelle zu erfüllen sind, die die jeweilige Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr bearbeitet.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

15      CDIL, eine Gesellschaft portugiesischen Rechts, ist ein im Einzelhandel mit Tabakwaren tätiges Unternehmen, das als von der portugiesischen Steuer- und Zollbehörde zugelassener Lagerinhaber in der Autonomen Region Madeira tätig ist.

16      Am 15. September 2010 reichte CDIL gemäß Art. 106 Abs. 4 CIEC bei der Zollstelle Funchal (Portugal) eine das Verfahren einleitende Erklärung über die durchschnittliche monatliche Menge an Zigaretten ein, die in den unmittelbar vorangegangenen zwölf Monaten, d. h. zwischen dem 1. September 2009 und dem 31. August 2010, in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden waren.

17      Am 22. September 2010 wurde CDIL von der Zollstelle Funchal mitgeteilt, dass aufgrund der vorgelegten Informationen für den Einschränkungszeitraum vom 1. September 2010 bis zum 31. Dezember 2010 eine gemäß Art. 106 Abs. 1 und 2 CIEC berechnete monatliche Mengenbeschränkung von 1 644 005 Zigaretten festgesetzt worden sei.

18      Am 18. November 2010 beantragte CDIL gemäß Art. 106 Abs. 5 CIEC die Genehmigung, diese Mengenbeschränkung außer Acht zu lassen.

19      Am 7. Januar 2011 wies die Zollstelle Funchal diesen Antrag mit der Begründung zurück, dass die Außerachtlassung der in Rede stehenden Mengenbeschränkung nicht durch eine unvermittelte und zeitlich begrenzte Änderung des Verkaufsvolumens gerechtfertigt sei, wie es diese Vorschrift verlange. CDIL legte gegen diese Entscheidung Widerspruch ein, der ebenfalls abgewiesen wurde.

20      Am 18. Januar 2011 reichte CDIL gemäß Art. 106 Abs. 6 CIEC bei der Zollstelle Funchal eine das Verfahren abschließende Erklärung ein, die für den Zeitraum vom 1. September 2010 bis zum 31. Dezember 2010 die Überführung einer Zigarettenmenge in den steuerrechtlich freien Verkehr auswies, die mehr als dreimal höher war als die für diesen Zeitraum festgesetzte Mengenbeschränkung.

21      Gemäß Art. 106 Abs. 7 CIEC erging gegenüber CDIL eine Verbrauchsteuerberichtigung in Höhe von 4 607,69 Euro zuzüglich 1,80 Euro für die Anzahl der Zigaretten, die sie im Zeitraum vom 1. September bis zum 31. Dezember 2010 in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt hatte und die die in Art. 106 Abs. 2 CIEC vorgesehene Mengenbeschränkung überschritt. Gemäß Art. 106 Abs. 7 CIEC berechnete die Zollstelle die geschuldeten Verbrauchsteuern unter Anwendung des Steuersatzes, der zum Zeitpunkt der Abgabe der das Verfahren abschließenden Erklärung galt.

22      CDIL focht diese Berichtigung vor dem Tribunal Administrativo e Fiscal do Funchal (Verwaltungs- und Finanzgericht Funchal, Portugal) an, das die Klage mit Urteil vom 24. Juni 2016 abwies.

23      CDIL legte gegen dieses Urteil beim Supremo Tribunal Administrativo (Oberstes Verwaltungsgericht, Portugal), dem vorlegenden Gericht, ein Rechtsmittel ein.

24      Vor dem vorlegenden Gericht macht CDIL, die nicht bestreitet, während des fraglichen Einschränkungszeitraums die geltenden Mengenbeschränkungen überschritten zu haben, geltend, dass Art. 106 CIEC nicht mit dem Unionsrecht vereinbar sei.

25      Zum einen stelle nämlich die Auferlegung einer gesetzlichen Beschränkung der Zigarettenmenge, die in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt werden dürfe, da sie in der Praxis vor allem Zigaretten aus anderen Mitgliedstaaten betreffe, eine nach Art. 34 AEUV verbotene mengenmäßige Einfuhrbeschränkung dar, die nicht nach Art. 36 AEUV gerechtfertigt werden könne.

26      Zum anderen macht CDIL geltend, dass die Anwendung des Verbrauchsteuersatzes, der zum Zeitpunkt der Abgabe der das Verfahren abschließenden Erklärung gegolten habe, gegen die Art. 7 und 9 der Richtlinie 2008/118 verstoße, denen zufolge die Voraussetzungen für das Entstehen des Steueranspruchs und der anzuwendende Verbrauchsteuersatz diejenigen seien, die zu dem Zeitpunkt gälten, zu dem der Tabak in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden sei.

27      Die Steuer- und Zollbehörde macht ihrerseits geltend, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung keine mengenmäßige Beschränkung oder Maßnahme gleicher Wirkung vorsehe, die geeignet sei, den freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten zu behindern, da sie unterschiedslos auf alle Wirtschaftsteilnehmer Anwendung finde.

28      Außerdem stehe diese Regelung im Einklang mit der Richtlinie 2008/118, da nach dieser Regelung der Verbrauchsteueranspruch zum Zeitpunkt der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr entstehe, wie es die Art. 7 und 9 der Richtlinie 2008/118 verlangten.

29      Unter diesen Umständen hat das Supremo Tribunal Administrativo (Oberstes Verwaltungsgericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Können die in Art. 106 CIEC vorgesehenen Mengenbeschränkungen für die Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr, soweit sie bewirken, dass die Wirtschaftsteilnehmer in den letzten vier Monaten eines jeden Jahres verpflichtet sind, eine Menge in Verkehr zu bringen, die die durchschnittliche monatliche Menge der in den unmittelbar vorangegangenen zwölf Monaten in den steuerrechtlich freien Verkehr überführten Zigaretten nicht überschreitet, mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen oder Maßnahmen gleicher Wirkung im Sinne von Art. 34 AEUV darstellen?

2.      Steht es in Widerspruch zu den mit Art. 7 und 9 der Richtlinie 2008/118 eingeführten Vorschriften über die Entstehung des Verbrauchsteueranspruchs, die Menge an Zigaretten, die die in Art. 106 Abs. 2 CIEC vorgesehene Mengenbeschränkung für die Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr überschreitet, nach Abs. 7 dieser Bestimmung zu dem Steuersatz zu besteuern, der im Zeitpunkt der Einreichung der das Verfahren abschließenden Erklärung gilt?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

30      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Art. 34 und 36 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die vorsieht, dass die von einem Wirtschaftsteilnehmer in der Zeit vom 1. September bis 31. Dezember jedes Kalenderjahres monatlich in den steuerrechtlich freien Verkehr überführte Zigarettenmenge die durchschnittliche monatliche Menge an Zigaretten, die dieser Wirtschaftsteilnehmer in den vorangegangenen zwölf Monaten in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt hat, zuzüglich 10 % nicht überschreiten darf.

31      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der freie Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten ein elementarer Grundsatz des AEU‑Vertrags ist, der in dem in Art. 34 AEUV niedergelegten Verbot mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten sowie aller Maßnahmen gleicher Wirkung seinen Ausdruck gefunden hat (Urteil vom 23. März 2023, Booky.fi, C‑662/21, EU:C:2023:239, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32      Zum einen stellt aber eine Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die darin besteht, die Überführung von Zigaretten in den steuerrechtlich freien Verkehr im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats Mengenbeschränkungen zu unterwerfen, keine „mengenmäßige Einfuhrbeschränkung“ im Sinne von Art. 34 AEUV dar, da sie die Zigarettenmengen, die in diesen Mitgliedstaat eingeführt werden dürfen, nicht beschränkt.

33      Zum anderen erfasst das in Art. 34 AEUV aufgestellte Verbot von Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen nach ständiger Rechtsprechung jede Maßnahme der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den Zugang von Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten zum Markt eines Mitgliedstaats unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, auch wenn eine solche Maßnahme weder bezweckt noch bewirkt, Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten weniger günstig zu behandeln (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. März 2023, Booky.fi, C‑662/21, EU:C:2023:239, Rn. 33 und 34 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass eine Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die darin besteht, den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern Beschränkungen der Zigarettenmenge aufzuerlegen, die sie in den steuerrechtlich freien Verkehr überführen dürfen, geeignet ist, sie davon abzuhalten oder es in ihren Augen weniger attraktiv zu machen, in den Mitgliedstaat, der diese Maßnahme erlassen hat, Zigaretten in Mengen einzuführen, die über die festgelegten Grenzen hinausgehen.

35      Eine solche Maßnahme ist daher potenziell geeignet, den Zugang zum Markt des betreffenden Mitgliedstaats hinsichtlich Zigaretten zu behindern, die aus anderen Mitgliedstaaten eingeführt werden können, und stellt daher eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen im Sinne von Art. 34 AEUV dar, die grundsätzlich mit den sich aus diesem Artikel ergebenden Verpflichtungen unvereinbar ist.

36      Nach ständiger Rechtsprechung kann eine nationale Regelung, die eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen darstellt, dennoch durch einen der in Art. 36 AEUV genannten Gründe des Allgemeininteresses oder durch zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. In beiden Fällen muss die nationale Maßnahme geeignet sein, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was dazu erforderlich ist (vgl. u. a. Urteil vom 23. März 2023, Booky.fi, C‑662/21, EU:C:2023:239, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Maßnahme verhindern soll, dass die Wirtschaftsteilnehmer zu einem Zeitpunkt, zu dem der für Zigaretten im folgenden Jahr geltende Verbrauchsteuersatz bereits bekannt ist, die Überführung von Zigaretten in den steuerrechtlich freien Verkehr im Sinne der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung vornehmen, um bedeutende Lagerbestände an Zigaretten anzulegen, die einem niedrigeren Verbrauchsteuersatz unterliegen als in jenem Jahr, in dem sie tatsächlich vertrieben werden. Vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht zielt diese Maßnahme offenbar darauf ab, Steuerumgehungen zu bekämpfen und die Steuereinnahmen des portugiesischen Staates zu sichern. Laut der Regierung dieses Mitgliedstaats verfolgt diese Maßnahme auch einen Zweck der öffentlichen Gesundheit, da sie das Wirksamwerden der Erhöhung des Steuersatzes auf Tabakwaren gewährleisten soll.

38      In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung das Ziel, Steuerhinterziehung und ‑umgehung zu bekämpfen, einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellt, der eine Beschränkung der Verkehrsfreiheiten rechtfertigen kann (Urteil vom 27. Januar 2022, Kommission/Spanien [Informationspflicht in Steuersachen], C‑788/19, EU:C:2022:55, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39      Wie sich aus Art. 11 Abs. 1 und Art. 39 Abs. 3 Unterabs. 1 sowie aus dem 31. Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/118 ergibt, gehört dieses Ziel zusammen mit dem Ziel der Bekämpfung möglicher Missbräuche im Übrigen zu den mit dieser Richtlinie verfolgten Zielen. Der Gerichtshof hat entschieden, dass die Überführung von Zigarettenpackungen in übermäßig großen Mengen in den steuerrechtlich freien Verkehr zum Jahresende im Hinblick auf eine Erhöhung der Verbrauchsteuer eine Form des Missbrauchs darstellt, den die Mitgliedstaaten durch geeignete Maßnahmen zu verhindern berechtigt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juni 2017, Kommission/Portugal, C‑126/15, EU:C:2017:504, Rn. 59 und 60).

40      Außerdem gehört nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung der Schutz der Gesundheit von Menschen zu den in Art. 36 AEUV aufgeführten Gründen des Allgemeininteresses, und der Gerichtshof hat wiederholt festgestellt, dass unter den vom Vertrag geschützten Gütern und Interessen die Gesundheit und das Leben von Menschen den höchsten Rang einnehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Oktober 2016, Deutsche Parkinson Vereinigung, C‑148/15, EU:C:2016:776, Rn. 30).

41      Vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht ergibt sich somit aus den dem Gerichtshof zur Kenntnis gebrachten Angaben, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entsprechen kann, die grundsätzlich geeignet sind, eine Beschränkung des freien Warenverkehrs zu rechtfertigen.

42      Wie sich aus Rn. 36 des vorliegenden Urteils ergibt, ist noch zu prüfen, ob eine Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende geeignet ist, die Erreichung dieser legitimen Ziele zu gewährleisten, und ob sie nicht über das hinausgeht, was zu deren Erreichung erforderlich ist.

43      Insoweit ist es letztlich Sache des vorlegenden Gerichts, das allein für die Beurteilung des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits und die Auslegung der nationalen Regelung zuständig ist, zu bestimmen, ob und inwieweit diese Regelung diesen Anforderungen entspricht. Das vorlegende Gericht muss dafür mit Hilfe statistischer Daten, auf einzelne Punkte beschränkter Daten oder anderer Mittel objektiv prüfen, ob die von den Behörden des betreffenden Mitgliedstaats vorgelegten Beweise bei verständiger Würdigung die Einschätzung erlauben, dass die gewählten Mittel zur Verwirklichung der verfolgten Ziele geeignet sind, und ob es möglich ist, diese Ziele durch Maßnahmen zu erreichen, die den freien Warenverkehr weniger einschränken (Urteil vom 23. März 2023, Booky.fi, C‑662/21, EU:C:2023:239, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44      Der Gerichtshof, der dazu aufgerufen ist, dem nationalen Gericht zweckdienliche Antworten zu geben, ist jedoch befugt, dem vorlegenden Gericht auf der Grundlage der Akten des Ausgangsverfahrens und der vor ihm abgegebenen schriftlichen Erklärungen Hinweise zu geben, die diesem Gericht eine Entscheidung ermöglichen (Urteil vom 23. März 2023, Booky.fi, C‑662/21, EU:C:2023:239, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45      Erstens kann die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung im Hinblick auf ihre Geeignetheit zur Erreichung der angeführten Ziele die Wirtschaftsteilnehmer davon abhalten, zum Zweck der Neutralisierung einer künftigen Erhöhung des Verbrauchsteuersatzes am Jahresende Zigaretten anzusammeln, die in Wirklichkeit dazu bestimmt sind, im folgenden Jahr vertrieben zu werden. Umgekehrt würde das Fehlen von Mengenbeschränkungen für während des Einschränkungszeitraums auf den Markt gebrachte Zigaretten der künftigen Verbrauchsteuererhöhung, die im Allgemeinen zu einer Erhöhung des Einzelhandelsverkaufspreises für Zigarettenpackungen führt, ihre Wirkung nehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. März 2010, Kommission/Irland, C‑221/08, EU:C:2010:113, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung) und würde somit zumindest in gewissem Umfang die potenzielle abschreckende Wirkung einer solchen Erhöhung für die Verbraucher neutralisieren. Daher ist festzustellen, dass eine solche Regelung geeignet erscheint, die Ziele des Schutzes der öffentlichen Gesundheit und der Bekämpfung von Steuerumgehung oder missbräuchlichen Verhaltensweisen zu erreichen.

46      Zweitens ist hinsichtlich der Beurteilung der Erforderlichkeit einer Maßnahme wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden darauf hinzuweisen, dass die öffentliche Gesundheit, wie in Rn. 40 des vorliegenden Urteils ausgeführt, unter den vom AEU‑Vertrag geschützten Gütern und Interessen den höchsten Rang einnimmt und dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, zu bestimmen, auf welchem Niveau sie diesen Schutz gewährleisten wollen und wie dieses Niveau erreicht werden soll, so dass sie insoweit über einen Wertungsspielraum verfügen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. März 2018, CMVRO, C‑297/16, EU:C:2018:141, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47      Darüber hinaus scheint die Beeinträchtigung des freien Verkehrs von Zigaretten durch eine Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nicht über das hinauszugehen, was zur Erreichung der mit dieser Maßnahme verfolgten Ziele erforderlich ist.

48      Hierzu ist zum einen festzustellen, dass die Mengenbeschränkung, die die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung jedem Wirtschaftsteilnehmer auferlegt, anhand der durchschnittlichen, um 10 % erhöhten monatlichen Menge an Zigaretten bestimmt wird, die er in den vorangegangenen zwölf Monaten in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt hat, und dass diese Regelung keinen absoluten Charakter hat, da sie in Art. 106 Abs. 5 CIEC die Möglichkeit vorsieht, im Fall einer unvermittelten und zeitlich begrenzten Änderung des Verkaufsvolumens von dieser Mengenbeschränkung abzuweichen.

49      Zum anderen sieht diese Regelung zwar in Art. 106 Abs. 7 CIEC die Möglichkeit vor, ein Deliktsverfahren gegen den Wirtschaftsteilnehmer einzuleiten, der die ihm auferlegte Mengenbeschränkung überschritten hat, doch beeinträchtigt diese Möglichkeit als solche nicht die Verhältnismäßigkeit dieser Regelung, sofern die Sanktionen, die am Ende dieses Verfahrens verhängt werden können, selbst verhältnismäßig sind.

50      Dieses Ergebnis wird nicht durch den von der Klägerin des Ausgangsverfahrens angeführten Umstand in Frage gestellt, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung im Übrigen vorsehe, dass einmal in den Verkehr gebrachte Zigarettenpackungen nach dem dritten Monat des auf die Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr folgenden Jahres nicht mehr vermarktet oder verkauft werden dürften. Ein solches Verbot verstärkt nämlich ganz im Gegenteil die Wirksamkeit und die Kohärenz dieser Regelung, indem es den Wirtschaftsteilnehmern einen Anreiz bietet, in einem bestimmten Kalenderjahr im Hinblick auf eine Erhöhung der Verbrauchsteuern im folgenden Kalenderjahr keine übermäßigen Mengen an Zigaretten in den steuerrechtlich freien Verkehr zu überführen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juni 2017, Kommission/Portugal, C‑126/15, EU:C:2017:504, Rn. 66, 72, 78 und 79).

51      Nach alledem ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass die Art. 34 und 36 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, die zur Bekämpfung von Steuerumgehungen und missbräuchlichen Verhaltensweisen sowie zum Schutz der öffentlichen Gesundheit vorsieht, dass die von einem Wirtschaftsteilnehmer in der Zeit vom 1. September bis 31. Dezember jedes Kalenderjahres monatlich in den steuerrechtlich freien Verkehr überführte Zigarettenmenge die durchschnittliche monatliche Menge an Zigaretten, die dieser Wirtschaftsteilnehmer in den vorangegangenen zwölf Monaten in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt hat, zuzüglich 10 % nicht überschreiten darf.

 Zur zweiten Frage

52      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Art. 7 und 9 der Richtlinie 2008/118 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der die Zigarettenmenge, die die in dieser Regelung vorgesehene Mengenbeschränkung für die Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr überschreitet, zu dem Verbrauchsteuersatz besteuert wird, der zu einem späteren Zeitpunkt als dem ihrer Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr gilt.

53      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass mit der Richtlinie 2008/118 ihrem Art. 1 Abs. 1 zufolge ein allgemeines System für die Verbrauchsteuern festgelegt werden soll, die mittelbar oder unmittelbar auf den Verbrauch von Waren erhoben werden, zu denen Tabakwaren gehören, und zwar, wie sich aus dem achten Erwägungsgrund dieser Richtlinie ergibt, u. a., um sicherzustellen, dass der Begriff der Verbrauchsteuer und die Voraussetzungen für die Entstehung des Verbrauchsteueranspruchs in allen Mitgliedstaaten gleich sind (Urteil vom 9. Juni 2022, IMPERIAL TOBACCO BULGARIA, C‑55/21, EU:C:2022:459, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung), und somit das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts durch den freien Verkehr der betreffenden Waren in der Europäischen Union zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Januar 2022, MONO, C‑326/20, EU:C:2022:7, Rn. 28).

54      Insbesondere bestimmt Art. 2 der Richtlinie 2008/118, dass der Steuertatbestand im Sinne dieser Richtlinie darin besteht, dass verbrauchsteuerpflichtige Waren innerhalb des Gebiets der Union hergestellt oder in dieses Gebiet eingeführt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juni 2022, IMPERIAL TOBACCO BULGARIA, C‑55/21, EU:C:2022:459, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

55      Nach Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie entsteht jedoch der Verbrauchsteueranspruch zum Zeitpunkt und im Mitgliedstaat der Überführung der verbrauchsteuerpflichtigen Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr.

56      Im Einklang mit dem im achten Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/118 genannten Ziel, den Zeitpunkt der Entstehung des Verbrauchsteueranspruchs zu harmonisieren und so das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten, werden in Art. 7 Abs. 2 dieser Richtlinie die Fälle aufgeführt, in denen eine „Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr“ im Sinne der Richtlinie vorliegt.

57      Nach Art. 7 Abs. 2 Buchst. a dieser Richtlinie zählt zu dem Begriff „Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr“ u. a. jede – auch unrechtmäßige – Entnahme verbrauchsteuerpflichtiger Waren aus dem Verfahren der Steueraussetzung, das in Art. 4 Nr. 7 der Richtlinie definiert ist (Urteil vom 9. Juni 2022, IMPERIAL TOBACCO BULGARIA, C‑55/21, EU:C:2022:459, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58      Ein solches Aussetzungsverfahren ist dadurch gekennzeichnet, dass der Verbrauchsteueranspruch für die ihm unterliegenden Waren noch nicht entstanden ist, obwohl der Steuertatbestand bereits erfüllt ist. In Bezug auf die verbrauchsteuerpflichtigen Waren bewirkt diese Regelung daher den Aufschub der Steuerpflicht, bis eine Voraussetzung des Steueranspruchs erfüllt ist (Urteil vom 9. Juni 2022, IMPERIAL TOBACCO BULGARIA, C‑55/21, EU:C:2022:459, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59      Da die Verbrauchsteuer, wie im neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/118 ausgeführt wird, eine Steuer auf den Verbrauch ist, muss der Zeitpunkt der Entstehung des Steueranspruchs grundsätzlich möglichst nah am Tag des Verbrauchs der verbrauchsteuerpflichtigen Ware liegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juni 2022, IMPERIAL TOBACCO BULGARIA, C‑55/21, EU:C:2022:459, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

60      Nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 richten sich die Voraussetzungen für das Entstehen des Steueranspruchs und der anzuwendende Verbrauchsteuersatz nach den Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Entstehens des Steueranspruchs in dem Mitgliedstaat gelten, in dem die Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr stattfindet. Art. 9 Abs. 2 dieser Richtlinie bestimmt darüber hinaus, dass die Verbrauchsteuer nach den von jedem Mitgliedstaat festgelegten Verfahren erhoben und eingezogen bzw. gegebenenfalls erstattet oder erlassen wird.

61      Soweit Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie insbesondere hinsichtlich der Bestimmung der Voraussetzungen für das Entstehen des Steueranspruchs auf das zum Zeitpunkt des Entstehens des Verbrauchsteueranspruchs geltende nationale Recht verweist, impliziert dies zwangsläufig, dass die Mitgliedstaaten in diesem Bereich über eine gewisse Regelungsbefugnis verfügen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juni 2017, Kommission/Portugal, C‑126/15, EU:C:2017:504, Rn. 61).

62      Allerdings müssen im Einklang mit dem in den Rn. 53, 55 und 56 des vorliegenden Urteils angeführten Ziel der Richtlinie 2008/118, den Zeitpunkt der Entstehung des Verbrauchsteueranspruchs zu harmonisieren und so das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten, die in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 genannten „Voraussetzungen für das Entstehen des Steueranspruchs“ notwendigerweise von den Voraussetzungen der Entstehung selbst unterschieden werden, die, wie es im achten Erwägungsgrund dieser Richtlinie heißt, in allen Mitgliedstaaten gleich bleiben müssen.

63      Wie sich bereits aus dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie ergibt, beziehen sich die letztgenannten Voraussetzungen auf den Zeitpunkt des Entstehens des Verbrauchsteueranspruchs, auf den Mitgliedstaat, in dem die Verbrauchsteuer zu erheben ist, sowie auf den für die Bestimmung des anwendbaren Verbrauchsteuersatzes maßgeblichen Zeitpunkt.

64      Daraus folgt, dass Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 nicht dahin ausgelegt werden kann, dass er es den Mitgliedstaaten gestattet, von diesen Voraussetzungen abzuweichen, insbesondere von dem für die Bestimmung des anwendbaren Verbrauchsteuersatzes maßgeblichen Zeitpunkt.

65      Da diese Bestimmung vorsieht, dass dieser Zeitpunkt demjenigen des Entstehens des Verbrauchsteueranspruchs entsprechen muss, und da Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118, wie in Rn. 55 des vorliegenden Urteils festgestellt, klar und unbedingt vorschreibt, dass diese Entstehung an den Zeitpunkt der Überführung der dieser Steuer unterliegenden Ware in den steuerrechtlich freien Verkehr anzuknüpfen ist, ist zwangsläufig der Verbrauchsteuersatz anzuwenden, der zum Zeitpunkt der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr gilt.

66      Wie der Generalanwalt in den Nrn. 52 und 53 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, wird diese Auslegung durch die Bestimmungen des Kapitels V („Beförderung und Besteuerung verbrauchsteuerpflichtiger Waren nach der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr“) der Richtlinie 2008/118 bestätigt, die ausdrücklich die Fälle regeln, in denen der Verbrauchsteueranspruch für eine bereits in den steuerrechtlich freien Verkehr überführte Ware zu einem späteren Zeitpunkt als dem der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr entsteht. Diese Bestimmungen regeln die Fälle, in denen eine verbrauchsteuerpflichtige Ware, die in einem Mitgliedstaat in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden ist, anschließend in einen anderen Mitgliedstaat verbracht wird. Wie der Generalanwalt in Nr. 53 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, steht fest, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Maßnahme unter keine dieser Situationen fällt.

67      Daher können die Mitgliedstaaten im Rahmen der Regelung, die sich aus Art. 7 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 in der Fassung vor ihrer Aufhebung und Ersetzung durch die Richtlinie 2020/262 ergibt, deren Art. 8 Abs. 3 insoweit Art. 9 der Richtlinie 2008/118 ändert, nicht vorsehen, dass für Zigaretten, die unter Verstoß gegen die in der nationalen Regelung festgelegte Mengenbeschränkung in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden sind, der Verbrauchsteuersatz gilt, der zu einem späteren Zeitpunkt als dem ihrer Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr gilt.

68      Zwar hindert die Richtlinie 2008/118, wie in den Rn. 38 und 39 des vorliegenden Urteils ausgeführt, die Mitgliedstaaten nicht daran, Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und möglichen Missbräuchen zu erlassen, doch darf ihre Regelungsbefugnis zum Erlass solcher Maßnahmen nicht unter Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Richtlinie und insbesondere deren Art. 7 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 ausgeübt werden, da anderenfalls das vom Unionsgesetzgeber verfolgte und insbesondere im achten Erwägungsgrund dieser Richtlinie dargelegte Harmonisierungsziel beeinträchtigt würde.

69      Nach alledem ist auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass die Art. 7 und 9 der Richtlinie 2008/118 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der die Zigarettenmenge, die die in dieser Regelung vorgesehene Mengenbeschränkung für die Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr überschreitet, zu dem Verbrauchsteuersatz besteuert wird, der zu einem späteren Zeitpunkt als dem ihrer Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr gilt.

 Kosten

70      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Die Art. 34 und 36 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, die zur Bekämpfung von Steuerumgehungen und missbräuchlichen Verhaltensweisen sowie zum Schutz der öffentlichen Gesundheit vorsieht, dass die von einem Wirtschaftsteilnehmer in der Zeit vom 1. September bis 31. Dezember jedes Kalenderjahres monatlich in den steuerrechtlich freien Verkehr überführte Zigarettenmenge die durchschnittliche monatliche Menge an Zigaretten, die dieser Wirtschaftsteilnehmer in den vorangegangenen zwölf Monaten in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt hat, zuzüglich 10 % nicht überschreiten darf.

2.      Die Art. 7 und 9 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG

sind dahin auszulegen, dass

sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der die Zigarettenmenge, die die in dieser Regelung vorgesehene Mengenbeschränkung für die Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr überschreitet, zu dem Verbrauchsteuersatz besteuert wird, der zu einem späteren Zeitpunkt als dem ihrer Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr gilt.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Portugiesisch.