Mit Schreiben vom 4. Oktober 1995 lehnte es das für Wettbewerbssachen
zuständige Mitglied der Kommission ab, dem Antrag der Klägerinnen auf
Erstattung nachzukommen. Dieses Schreiben hat folgenden Wortlaut: „In your letter of 24 November 1993 you asked the Commission to review the
position of your clients (.the Swedish respondents') in light of the Court's
judgment of 31 March 1993. More specifically, you requested the Commission to
return the fines relating to the infringements found in the parts of its decision
which had been annulled by the aforesaid judgment. Having received a preliminary
reaction of my services (letter of 4 February 1994 signed by the Director General
for Competition), you reiterated your request in your letters of 8 April, 24 October
and 21 December 1994.
I do not see any possibility to accept your request. Article 3 of the decision
imposed a fine on each of the producers on an individual basis. Consequently, in
point 7 of the operative part of its judgment, the Court annulled or reduced the
fines imposed on each of the undertakings who were applicants before it. In the
absence of an application of annulment on behalf of your clients, the Court did not
and indeed could not annul the parts of Article 3 imposing a fine on them. It
follows that the obligation of the Commission to comply with the judgment of the
Court has been fulfilled in its entirety by the Commission reimbursing the fines paid
by the successful applicants. As the judgment does not affect the decision with
regard to your clients, the Commission was neither obliged nor indeed entitled to
reimburse the fines paid by your clients.
As your clients' payment is based on a decision which still stands with regard to
them, and which is binding not only on your clients but also on the Commission,
your request for reimbursement cannot be granted.“
[In Ihrem Schreiben vom 24. November 1993 fordern Sie die Kommission auf, die
Stellung Ihrer Mandanten (die schwedischen Adressaten) im Lichte des Urteils des
Gerichtshofes vom 31. März 1993 zu überprüfen. Insbesondere verlangen Sie, die
Kommission solle die Geldbußen erstatten, die sich auf die Verstöße beziehen, die
in dem Teil der Entscheidung genannt sind, der durch dieses Urteil aufgehoben
wurde. Sie haben auf eine vorläufige Reaktion meiner Dienste hin (Schreiben vom
4. Februar 1994 mit der Unterschrift des Generaldirektors Wettbewerb) Ihr
Verlangen mit Schreiben vom 8. April, 24. Oktober und 21. Dezember 1994
wiederholt.
Ich kann Ihrem Verlangen nicht Folge leisten. Artikel 3 der Entscheidung legte den
Erzeugern jeweils für sich eine Geldbuße auf. Demgemäß hat der Gerichtshof in
Nummer 7 des Tenors die Geldbußen aufgehoben oder herabgesetzt, die den
Unternehmen auferlegt worden waren, die vor ihm Klage erhoben hatten. Da Ihre
Mandanten keine Anfechtungsklage erhoben hatten, hob der Gerichtshof die Teile
des Artikels 3 nicht auf, die ihnen Geldbußen auferlegt hatten; er konnte dies auch
nicht tun. Die Kommission ist ihrer Verpflichtung, dem Urteil des Gerichtshofes
nachzukommen, somit in vollem Umfang dadurch gerecht geworden, daß sie die
von den erfolgreichen Klägerinnen gezahlten Geldbußen erstattet hat. Da das
Urteil die Entscheidung insoweit nicht berührt, als sie Ihre Mandanten betrifft, war
die Kommission weder verpflichtet noch auch nur berechtigt, die von Ihren
Mandanten gezahlten Geldbußen zu erstatten.
Da die Zahlung durch Ihre Mandanten auf einer Entscheidung beruht, die Ihnen
gegenüber nach wie vor Bestand hat und nicht nur ihre Mandanten, sondern auch
die Kommission bindet, kann Ihrem Erstattungsersuchen nicht stattgegeben
werden.]
Verfahren und Anträge der Parteien
16. Die Klägerinnen haben mit Klageschrift, die am 15. Dezember 1995 bei der Kanzlei
des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.
17. Das Gericht hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche
Verhandlung zu eröffnen, und die Kommission aufgefordert, sich in der Sitzung zur
möglichen Bedeutung des Urteil des Gerichtshofes vom 22. März 1961 in den
Rechtssachen 42/59 und 49/59 (Snupat/Hohe Behörde, Slg. 1961, 109) zu äußern.
18. In der Sitzung vom 11. September 1996 wurden die Parteien gehört und die Fragen
des Gerichts beantwortet, das aus dem Präsidenten H. Kirschner sowie den
Richtern B. Vesterdorf, C. W. Bellamy, A. Kalogeropoulos und A. Potockizusammengesetzt war.
19. Nach dem Ableben des Richters Kirschner am 6. Februar 1997 wurde das
vorliegenden Urteil gemäß Artikel 32 der Verfahrensordnung von den drei
unterzeichneten Richtern beraten.
20. Die Klägerinnen beantragen,
die Entscheidung vom 4. Oktober 1995 aufzuheben;
der Kommission aufzugeben, alles zur Durchführung des Urteils des
Gerichtshofes vom 31. März 1993 Erforderliche zu unternehmen,
insbesondere die jeweils von ihnen oder ihren Rechtsvorgängern gezahlten
Geldbußen in Höhe der im Anhang 6 zur Klageschrift genannten Beträge
zu erstatten;
der Kommission aufzugeben, vom Tage der Zahlung der Geldbußen durch
die schwedischen Adressaten bis zur Erstattung der geforderten Beträge
durch die Kommission folgende Zinsen in der in Anhang 9 zur Klageschrift
angegebenen Höhe aus diesen Beträgen zu zahlen:
den jeweiligen Satz des Europäischen Fonds zur Zusammenarbeit auf
dem Gebiet des Währungswesens und des Europäischen
Währungsinstituts zuzüglich 1,5 % oder
den jeweiligen Grundausleihsatz der Banque Nationale de Belgique
zuzüglich 1 %;
der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
21. Die Kommission beantragt,
die Klage als unzulässig abzuweisen;
hilfsweise, die Klage als unbegründet abzuweisen;
den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.
Der Antrag auf Aufhebung der Entscheidung, die sich im Schreiben vom 4.
Oktober 1995 finden soll
Zulässigkeit
Parteivorbringen
22. Die Kommission hält den Anfechtungsantrag für unzulässig, weil das Schreiben vom
4. Oktober 1995 die Zellstoffentscheidung, soweit diese die Klägerinnen betreffe,
nur wiederhole. Das Schreiben sei daher keine anfechtbare Handlung.
23. Das Schreiben vom 4. Oktober 1995 enthalte gegenüber der Zellstoffentscheidung
keine neuen Gesichtspunkte, die die Rechtslage der Klägerinnen ändern würden.
Es bestätige nur, daß die Zellstoffentscheidung bezüglich der Klägerinnen Bestand
habe und daher keiner Überprüfung bedürfe.
24. Wenn die Klage auch auf Aufhebung einer neuen Entscheidung gerichtet sei, die
sich angeblich im Schreiben vom 4. Oktober 1995 finde, so betreffe sie in
Wirklichkeit doch die Zellstoffentscheidung. Da die Frist für die Erhebung einer
Anfechtungsklage gegen die Zellstoffentscheidung seit langem abgelaufen sei, sei
die vorliegende Klage unzulässig.
25. Die Klägerinnen machen geltend, das Schreiben vom 4. Oktober 1995 stelle eine
anfechtbare Handlung im Sinne des Artikels 173 EG-Vertrag dar.
26. Dieses Schreiben enthalte gegenüber der Zellstoffentscheidung eine neue
Entscheidung. Hier werde zum ersten Mal die Auffassung der Kommission zu ihren
Verpflichtungen aus dem Urteil vom 31. März 1993 festgelegt; hierauf gestützt
enthalte das Schreiben die Entscheidung, die von den Klägerinnen und ihren
Rechtsvorgängern gezahlten Geldbußen nicht zu erstatten.
27. Es treffe deshalb nicht zu, daß das Schreiben vom 4. Oktober 1995 keine
Gesichtspunkte enthalte, die sich nicht bereits in der Zellstoffentscheidung fänden.
In dieser Entscheidung habe die Kommission behauptet, daß die Klägerinnen
verschiedene Wettbewerbsverstöße begangen hätten, ihnen aufgegeben, diese zu
beenden, und ihnen Geldbußen auferlegt. Im Schreiben vom 4. Oktober 1995 habe
die Kommission es hingegen zum ersten Mal eindeutig und abschließend abgelehnt,
die Geldbußen zu erstatten.
28. Dabei handele es sich um eine Handlung, die die Rechtslage der betroffenen
Unternehmen unmittelbar irreversibel berühre (Urteil des Gerichtshofes vom 11.
November 1981 in der Rechtssache 60/81, IBM/Kommission, Slg. 1981, 2639; Urteil
des Gerichts vom 18. Dezember 1992 in den Rechtssachen T-10/92, T-11/92,
T-12/92 und T-15/92, Cimenteries CBR u. a./Kommission, Slg. 1992, II-2667).
Rechtliche Würdigung
29. Nach ständiger Rechtsprechung sind Klagen gegen wiederholende Verfügungen
früherer Entscheidungen, die nicht fristgerecht angefochten worden waren,
unzulässig (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Dezember 1988 in den Rechtssachen
166/86 und 220/86, Irish Cement/Kommission, Slg. 1988, 6473, Randnr. 16; Urteil
des Gerichts vom 14. Juli 1995 in der Rechtssache T-275/94, Croupement des cartes
bancaires CB/Kommission, Slg. 1995, II-2169, Randnr. 27). Eine Rechtshandlung
nämlich, mit der lediglich eine frühere Rechtshandlung bestätigt wird, eröffnet den
Beteiligten nicht die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit des bestätigten Aktes erneut
in Frage zu stellen (Urteil vom 22. März 1961, Snupat/Hohe Behörde, Slg. 1961,
158).
30. Im vorliegenden Fall haben die Klägerinnen die Kommission mit Schreiben vom
24. November 1993 aufgefordert, im Lichte der Begründung des Urteils vom 31.
März 1993 die Rechtswirkungen der Zellstoffentscheidung ihnen gegenüber zu
überprüfen. Insbesondere haben sie die Kommission aufgefordert, ihnen die
Geldbußen zu erstatten, die sich auf Verstöße bezogen, die in den Teilen der
Zellstoffentscheidung festgestellt worden waren, die mit dem Urteil vom 31. März
1995 aufgehoben wurden.
31. Diese Aufforderung zur Überprüfung wurde mit Schreiben vom 4. Oktober 1995
mit der Begründung zurückgewiesen, die Kommission sei ihrer Verpflichtung, dem
Urteil vom 31. März 1993 nachzukommen, durch die Erstattung der gezahlten
Geldbußen gerecht geworden, die durch das Urteil aufgehoben worden waren.
32. Die Frage, ob die Weigerung der Kommission, die Rechtmäßigkeit der
Zellstoffentscheidung zu überprüfen, soweit sie die Klägerinnen betrifft, eine
wiederholende Verfügung darstellt, läßt sich nur nach einer Prüfung der Frage
beantworten, ob Artikel 176 EG-Vertrag ihr eine solche Überprüfung auferlegte.
33. Nur in diesem Falle nämlich könnte das Schreiben der Kommission vom 4. Oktober
1995, mit dem sie sich stillschweigend über die Grenzen der Verpflichtungen
äußerte, die ihr Artikel 176 EG-Vertrag infolge des Urteils vom 31. März 1993
auferlegte, eine neue Entscheidung darstellen, die mit einer Anfechtungsklage
angefochten werden könnte (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 26. April 1988 in
den Rechtssachen 97/86, 193/86, 99/86 und 215/86, Asteris u. a./Kommission, Slg.
1988, 2181, Randnrn. 8, 32 und 33), weil diese letzte Entscheidung dann in einer
anderen rechtlichen Zusammensetzung ergangen wäre als die Zellstoffentscheidung.
34. Da die Frage, ob das Urteil vom 31. März 1993 eine Verpflichtung zur Folge hatte,
die Rechtmäßigkeit der Zellstoffentscheidung zu überprüfen, soweit sie die
Klägerinnen betraf, zur Begründetheit gehört, ist die Frage der Zulässigkeit
zusammen mit der Begründetheit zu prüfen.
Begründetheit
Parteivorbringen
35. Die Klägerinnen bringen einen einzigen Klagegrund vor: Die Kommission habe mit
ihrer Weigerung, die Zellstoffentscheidung insoweit, als sie sie betreffe, im Lichte
des Urteils vom 31. März 1993 zu überprüfen und die gezahlten Geldbußen zu
erstatten, die Rechtsfolgen verkannt, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofes vom
31. März 1993 ergäben. Dieser Klagegrund hat zwei Teile.
36. Zunächst machen die Klägerinnen geltend, die Kommission habe das
gemeinschaftsrechtliche Prinzip verkannt, daß ein Aufhebungsurteil die
angefochtene Entscheidung, im vorliegenden Fall die Zellstoffentscheidung, erga
omnes und ex tunc vernichte.
37. Aus Artikel 174 Absatz 1 EG-Vertrag ergebe sich, daß ein Urteil über die
Aufhebung einer Entscheidung wie der Zellstoffentscheidung ebenso erga omnes
wirke wie ein Urteil über die Nichtigerklärung einer Verordnung, da diese
Bestimmung zwischen den Rechtsfolgen der Nichtigkeit nicht nach Maßgabe der
Rechtsform der Handlung unterscheide.
38. Entgegen dem Vorbringen der Kommission sei die Zellstoffentscheidung nicht als
Bündel von Einzelfallentscheidungen zu betrachten, sondern als eine Entscheidung,
die an zahlreiche Unternehmen adressiert sei. Das entspreche den Feststellungen
des Gerichtshofes im Urteil vom 31. März 1993, die Kommission habe nicht
versucht, darzulegen, inwieweit die in Artikel 1 Nummern 1 und 2 des verfügenden
Teils der Entscheidung angeführten Verstöße die Adressaten jeweils beträfen,
indem sie angegeben hätte, zwischen welchen Adressaten die Abstimmung während
welcher Zeiträume stattgefunden habe.
39. Daß ein Aufhebungsurteil erga omnes wirke, entspreche im übrigen ständiger
Rechtsprechung (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 21. Dezember 1954 in der
Rechtssache 2/54, Italien/Hohe Behörde, Slg. 1954/55, 78; vom 11. Februar 1955
in den Rechtssachen 3/54, Assider/Hohe Behörde, Slg. 1954/55, 131, und 4/54,
ISA/Hohe Behörde, Slg. 1954/55, 189; vom 28. Juni 1955 in der Rechtssache 5/55,
Assider/Hohe Behörde, Slg. 1954/55, 275; vom 22. März 1961, Snupat/Hohe
Behörde; die Schlußanträge der Generalanwälte Lagrange in den Rechtssachen
28/62, 29/62 und 30/62, Da Costa en Schaake u. a., Slg. 1963, 85; Gand in der
Rechtssache 50/69 R, Deutschland/Kommission, Slg. 1969, 454; Dutheillet de
Lamothe in den Rechtssachen 9/71 und 11/71, Compagnie d'approvisionnement et
des Grands moulins de Paris/Kommission, Slg. 1972, 411; das Urteil des
Gerichtshofes vom 25. November 1976 in der Rechtssache 30/76, Küster/Parlament,
Slg. 1976, 1719; sowie die Schlußanträge des Generalanwalts Reischl in dieser
Rechtssache, Slg. 1976, 1730; die Urteile des Gerichtshofes vom 5. März 1980 in
der Rechtssache 76/79, Könecke/Kommission, Slg. 1980, 665; vom 13. Mai 1981 in
der Rechtssache 66/80, Internationale Chemical Corporation, Slg. 1981, 1191;
Asteris u. a./Kommission, a. a. O.; vom 2. März 1989 in der Rechtssache 359/87,
Pinna, Slg. 1989, 585; sowie die Schlußanträge des Generalanwalts Lenz in dieser
Rechtssache, Nrn. 13 bis 16 und 29).
40. Auch wenn der Gemeinschaftsrichter die Erga-omnes-Wirkungen seiner Urteile
begrenzen könne (vgl. beispielsweise Urteile des Gerichts vom 29. Juni 1995 in der
Rechtssache T-30/91, Solvay/Kommission, Slg. 1995, II-1775, und in der
Rechtssache T-36/91, ICI/Kommission, Slg. 1995, II-1847), so habe der Gerichtshof
doch von dieser Befugnis im Urteil vom 31. März 1993 keinen Gebrauch gemacht.
Anders als Artikel 1 Nummer 4 der Zellstoffentscheidung sei Artikel 1 Nummern
1 und 2 ohne Einschränkung hinsichtlich der Folgen aufgehoben worden, so daß
die in diesen Bestimmungen enthaltenen Feststellungen auch hinsichtlich der
Klägerinnen aufgehoben worden seien.
41. Nummer 7 des Tenors jenes Urteils, wonach „die gegen die Klägerinnen
festgesetzten Geldbußen ... aufgehoben [würden]“, ändere daran nichts. Auf die
„Klägerinnen“ werde nur Bezug genommen, um die Unternehmen, deren
Geldbußen der Gerichtshof insgesamt aufgehoben habe, von denjenigen zu
unterscheiden, bei denen er die Geldbußen ganz oder teilweise bestätigt habe.
42. Daher verpflichte das Urteil des Gerichtshofes vom 31. März 1993 die Kommission,
die Zellstoffentscheidung zurückzunehmen, soweit sie den schwedischen Adressaten
Geldbußen für Verstöße auferlege, die in Artikel 1 Nummern 1 und 2 festgestellt
seien, und diese Geldbuße teilweise zuzüglich von Zinsen zu erstatten, deren Satz
dem wirtschaftlichen Nutzen der Verfügungsgewalt über diese Beträge entspreche,
solle es nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung kommen.
43. Zum anderen machen die Klägerinnen geltend, die Kommission habe gegen Artikel
176 EG-Vertrag verstoßen.
44. Dieser verpflichte das betroffene Organ, die sich aus dem Aufhebungsurteil
ergebenden Maßnahmen nicht nur im Hinblick auf die Prozeßparteien, sondern
auch im Hinblick auf andere Parteien zu ergreifen. Die Verpflichtung, dem Urteil
nachzukommen, beinhalte insbesondere die Pflicht des beklagten Organs, ähnliche
Sachverhalte im Lichte des Urteils zu überprüfen. Im vorliegenden Fall sei die
Kommission insbesondere gehalten gewesen, dafür zu sorgen, daß die schwedischen
Adressaten, die sich in einer ähnlichen Situation befunden hätten wie die
Klägerinnen vor dem Gerichtshof, mit diesen gleichbehandelt würden (Urteil vom
22. März 1961, Snupat/Hohe Behörde; auch Urteile des Gerichtshofes vom 6. März
1979 in der Rechtssache 92/78, Simmenthal/Kommission, Slg. 1979, 777; und vom
5. März 1980 in der Rechtssache 76/79, Könecke/Kommission, a. a. O.).
45. Dabei hätte die Kommission nicht nur den Tenor des Urteils, sondern auch dessen
Gründe beachten müssen (Urteil Asteris u. a./Kommission). Das Urteil vom 31.
März 1993 enthalte allgemeine Erwägungen, die auch für die Feststellungen von
Verstößen gälten, die den Klägerinnen zur Last gelegt würden.
46. Insbesondere habe der Gerichtshof Artikel 1 Nummer 1 der Zellstoffentscheidung
mit der Begründung aufgehoben, die Kommission habe den Beweiswert bestimmter
Unterlagen nicht erklärt und nicht nachgewiesen, daß eine Preisabstimmung die
einzige einleuchtende Erklärung für das von ihr angeführte Parallelverhalten sei.
Entsprechend sei Artikel 1 Nummer 2 mit der Begründung aufgehoben worden,
daß der fragliche Verstoß in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht aufgeführt
worden sei, was einen Verstoß gegen die Verfahrensrechte und damit einen von
der Kommission verursachten Mangel des Verfahrens im Hinblick auf sämtliche
Adressaten dieser Mitteilung der Beschwerdepunkte dargestellt habe, denen später
vorgeworfen worden sei, an diesem Verstoß teilgenommen zu haben. Daher hätten
alle Geldbußen, die wegen dieser Verstöße gezahlt worden seien, erstattet werden
müssen.
47. Die Kommission führt aus, die entscheidende Frage im vorliegenden Fall sei es, ob
ein Unternehmen, dem die Kommission wegen eines Wettbewerbsverstoßes eine
Geldbuße auferlegt habe und das diese Geldbuße gezahlt habe, ohne die
Entscheidung im Klagewege anzufechten, später die Erstattung der Geldbuße mit
der Begründung verlangen könne, der Gemeinschaftsrichter habe Geldbußen
aufgehoben, die anderen Unternehmen auferlegt worden seien, die fristgerecht
Anfechtungsklage erhoben und mit dieser Klage obsiegt hätten.
48. Diese Frage sei zu verneinen, weil Entscheidungen über GeldbußenEinzelfallentscheidungen seien, die an einzelne Adressaten gerichtet seien. Nur der
Adressat selbst könne Anfechtungsklage gegen diese Entscheidung erheben. Erhebe
ein Adressat nicht fristgerecht Anfechtungsklage, so habe die Entscheidung gemäß
Artikel 189 EG-Vertrag ihm gegenüber Bestand und bleibe in all ihren Teilen
verbindlich. Es gebe somit keinen Grund, der die Kommission verpflichte oder
es ihr auch nur gestatte , die fraglichen Geldbußen auch nur teilweise zu erstatten.
Dem Verlangen der Klägerinnen stattzugeben, liefe auf eine Umgehung der
Klagefristen des Artikels 173 EG-Vertrag hinaus.
49. Die Auffassung der Klägerinnen, die Aufhebung des Artikels 1 Nummern 1 und 2
der Zellstoffentscheidung durch den Gerichtshof habe Wirkung erga omnes, so daß
die Kommission verpflichtet sei, die wegen der Feststellungen in diesen Nummern
gezahlten Geldbußen zu erstatten, treffe nicht zu.
50. Die Klägerinnen verwechselten Entscheidungen und Verordnungen. Verordnungen
hätten Wirkungen für Personengruppen, die allgemein und abstrakt bestimmt seien.
Entscheidungen seien individuelle Verwaltungsakte, die die Rechtslage individueller
Adressaten berührten. Der Umstand allein, daß die Entscheidungen, mit denen den
Klägerinnen Geldbußen auferlegt worden seien, gleichzeitig mit Entscheidungen
erlassen worden seien, die andere Unternehmen beträfen, ändere nichts daran, daß
die Entscheidungen Einzelfallentscheidungen seien. Die Nichtigerklärung einer
Verordnung könne allgemeine Wirkungen zeitigen. Die Aufhebung einer
Entscheidung berühre hingegen nur die Rechtslage des obsiegenden Klägers.
51. Die Zellstoffentscheidung stelle in Wirklichkeit ein Bündel von
Einzelfallentscheidungen dar, die an eine Mehrzahl von Adressaten gerichtet seien
und individuelle Geldbußen auferlegt hätten. Daher habe das Urteil vom 31. März
1993 keine Wirkung erga omnes in dem Sinne, den die Klägerinnen verträten. Dem
entspreche der Wortlaut des Tenors des Urteils, mit dem der Gerichtshof „die
gegen die Klägerinnen festgesetzten Geldbußen“ aufgehoben oder herabgesetzt
habe, also die Geldbußen, die denjenigen Unternehmen auferlegt worden seien, die
Klage erhoben hätten. Der Gerichtshof hätte die Geldbußen, die den schwedischen
Adressaten auferlegt worden seien, nicht aufheben können.
52. Die Behauptung, die Kommission habe Artikel 176 EG-Vertrag verletzt, treffe
nicht zu. Sie habe ihrer Verpflichtung, dem Urteil vom 31. März 1993
nachzukommen, vollinhaltlich entsprochen, indem sie die von den Klägerinnen, die
vor dem Gerichtshof obsiegt hätten, gezahlten Geldbußen erstattet habe. Den
Klägerinnen der vorliegenden Rechtssache, also den schwedischen Adressaten, die
Geldbußen zu erstatten, sei sie weder verpflichtet noch auch nur berechtigt.
53. Die Behauptungen der Klägerinnen, die Kommission habe dafür zu sorgen, daß die
schwedischen Adressaten, die sich in einer ähnlichen Lage wie die Klägerinnen vor
dem Gerichtshof befänden, mit diesen gleichbehandelt würden, sei offenkundig
irrig. Die schwedischen Adressaten seien nämlich nicht in der gleichen Lage wie die
anderen Adressaten der Zellstoffentscheidung, da sie in den Fristen des Artikels
173 EG-Vertrag gerade keine Anfechtungsklage erhoben hätten.
54. In der Sitzung hat die Kommission auf eine Frage des Gerichts ausgeführt, die
Entscheidung in der Rechtssache Snupat/Hohe Behörde lasse sich auf den
vorliegenden Fall nicht übertragen. Es gebe erhebliche Unterschiede zwischen dem
Kontext der vorliegenden Rechtssache und demjenigen der Rechtssache Snupat
(vgl. neben dem Urteil vom 22. März 1961, Snupat/Hohe Behörde, die Urteile des
Gerichtshofes vom 17. Juli 1959 in den Rechtssachen 32/58 und 33/58, Snupat/Hohe
Behörde, Slg. 1959, 287, und vom 12. Juli 1962 in der Rechtssache 14/61,
Hoogovens/Hohe Behörde, Slg. 1962, 511). Zunächst habe Snupat anders als die
schwedischen Adressaten rechtzeitig alle Klagewege bestritten, um die
beschwerenden Entscheidungen der Hohen Behörde anzufechten. Dann habe die
Rechtssache Snupat eine Ausgleichsregelung betroffen, die ihrer Natur nach eine
Verbindung zwischen den Behandlungen schaffe, die die Hohe Behörde mehreren
Unternehmen zuteil werden lasse. Die bestimmten Unternehmen gewährten
Entlastungen hätten nämlich automatisch höhere Abgaben für andere
Unternehmen, darunter die Klägerin Snupat, zur Folge gehabt. Ein solcher
Zusammenhang zwischen den Adressaten bestehe im vorliegenden Fall nicht.
Rechtliche Würdigung
55. Nach Auffassung der Klägerinnen hatte das Urteil vom 31. März 1993 Wirkungen
erga omnes. Mit dem Urteil sei Artikel 1 Nummern 1 und 2 der
Zellstoffentscheidung uneingeschränkt aufgehoben worden, so daß die
Feststellungen der Kommission bezüglich der in diesen Bestimmungen festgestellten
Verstöße auch mit Wirkung gegen die Klägerinnen aufgehoben worden seien.
56. Dem ist nicht zu folgen. Zwar steht es der Kommission frei, über mehrere Verstöße
in einer einzigen Entscheidung zu entscheiden, selbst wenn nicht allen Adressaten
alle Verstöße vorgeworfen werden, sofern die Entscheidung es jedem Adressaten
erlaubt, festzustellen, welche Vorwürfe ihm gemacht werden (Urteil des
Gerichtshofes vom 16. Dezember 1975 in den Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73,
54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Suiker Unie u. a./Kommission, Slg. 1975,
1663, Randnr. 111). Die Zellstoffentscheidung ist zwar in Form nur einer
Entscheidung abgefaßt und veröffentlicht, stellt aber ein Bündel von
Einzelfallentscheidungen dar, mit denen festgestellt wird, welcher Verstoß oder
welche Verstöße den jeweiligen Adressaten zur Last gelegt werden, und mit denen
diesen gegebenenfalls eine Geldbuße auferlegt wird. Somit hätte die Kommission,
wenn sie es gewollt hätte, auch formell mehrere getrennte Einzelfallentscheidungen
erlassen können, mit denen sie Verstöße gegen Artikel 85 EG-Vertrag festgestellt
hätte.
57. Diese Einschätzung entspricht auch dem Wortlaut des verfügenden Teils der
Zellstoffentscheidung, welche für jedes Unternehmen gesondert feststellt, welche
Verstöße ihm vorgeworfen werden, und folglich den Adressaten der Entscheidung
jeweils für sich Geldbußen auferlegt (siehe namentlich die Artikel 1 und 3 der
Zellstoffentscheidung).
58. Nach Artikel 189 EG-Vertrag ist jede dieser Einzelentscheidungen, die Teil der
Zellstoffentscheidung sind, in allen Teilen für diejenigen verbindlich, die sie
bezeichnet. Soweit ein Adressat gegen die Zellstoffentscheidung für sich keine
Anfechtungsklage nach Artikel 173 eingereicht hat, hat diese Entscheidung somit
Bestand und bleibt bindend (ebenso Urteil des Gerichtshofes vom 9. März 1994 in
der Rechtssache C-188/92, TWD Textilwerke Deggendorf, Slg. 1994, I-833,
Randnr. 13).
59. Soweit also ein Adressat Anfechtungsklage erhebt, ist der Gemeinschaftsrichter nur
mit den Teilen der Entscheidung befaßt, die diesen Adressaten betreffen. Die
übrigen, nicht angefochtenen Teile der Entscheidung werden hingegen nicht
Streitgegenstand.
60. Der Gemeinschaftsrichter kann im Rahmen einer Anfechtungsklage nur über den
Streitgegenstand entscheiden, der ihm von den Parteien vorgelegt wird. Eine
Entscheidung wie die Zellstoffentscheidung kann daher nur insoweit aufgehoben
werden, als ihre Adressaten mit ihrer Klage vor dem Gemeinschaftsrichter obsiegt
haben.
61. Daher sind die Punkte 1 und 2 des Tenors des Urteils des Gerichtshofes dahin zu
verstehen, daß Artikel 1 Nummern 1 und 2 der Zellstoffentscheidung nur insoweit
aufgehoben wurde, als er die vor dem Gerichtshof obsiegenden Parteien betrifft.
Das wird durch Nummer 7 des Tenors des Urteils bestätigt, der „die gegen die
Klägerinnen festgesetzten Geldbußen“ aufhebt oder herabsetzt.
62. Die Rechtsprechung, auf die sich die Klägerinnen zur Stützung ihrer These einer
Wirkung erga omnes berufen, ist im vorliegenden Fall, wie die Kommission zu
Recht geltend macht, nicht einschlägig, da sämtliche angeführten Urteile andere
Rechtsfragen betreffen, die sich auf besonders gelagerte Sachverhalte beziehen.
63. Nach alledem ist der erste Teil des Klagegrundes unbegründet.
64. Somit ist der zweite Teil des Klagegrundes zu untersuchen. Danach stellt es einen
Verstoß gegen Artikel 176 EG-Vertrag dar, daß die Kommission ihre
Verpflichtung, die Rechtmäßigkeit der Zellstoffentscheidung insoweit zu
überprüfen, als sie die schwedischen Adressaten betrifft, mißachtet hat.
65. Artikel 176 Absatz 1 EG-Vertrag lautet: „Das oder die Organe, denen das für
nichtig erklärte Handeln zur Last fällt ..., haben die sich aus dem Urteil des
Gerichtshofes ergebenden Maßnahmen zu ergreifen.“