Language of document : ECLI:EU:C:2014:2032

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MELCHIOR WATHELET

vom 25. Juni 2014(1)

Rechtssache C‑249/13

Khaled Boudjlida

gegen

Préfet des Pyrénées-Atlantiques

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal administratif de Pau [Frankreich])

„Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – Richtlinie 2008/115/EG – Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger – Verfahren zum Erlass einer Rückkehrentscheidung – Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte – Recht, vor dem Erlass einer Rückkehrentscheidung, die geeignet ist, die Interessen eines illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen zu beeinträchtigen, gehört zu werden – Inhalt der Verteidigungsrechte und des Rechts, gehört zu werden – Recht, einen Standpunkt mit ausreichender Bedenkzeit zu äußern – Recht auf einen Beistand – Einschränkungen des Rechts, gehört zu werden“





I –    Einleitung

1.        Das vorliegende, am 6. Mai 2013 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangene Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal administratif de Pau (Frankreich) betrifft das Wesen und die Tragweite des in Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) vorgesehenen Anspruchs auf rechtliches Gehör vor dem Erlass einer Rückkehrentscheidung gemäß der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger(2).

2.        Dieses Ersuchen ist im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Boudjlida und dem Préfet (Präfekt) des Pyrénées-Atlantiques ergangen. Herr Boudjlida beantragt insbesondere die Nichtigerklärung der Entscheidung vom 15. Januar 2013, mit der der Préfet des Pyrénées-Atlantiques seinen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abgelehnt hat, ihn verpflichtet hat, das französische Hoheitsgebiet innerhalb einer Frist von 30 Tagen zu verlassen, und Algerien oder jedes andere Land, in das er nachweislich rechtmäßig einreisen könne, als das Ziel seiner möglichen Abschiebung bestimmt hat.

3.        Im Rahmen der vorliegenden Schlussanträge werde ich die Voraussetzungen und die Modalitäten erörtern, unter denen ein illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, gegen den eine Rückkehrentscheidung zu erlassen ist, sein in der Rechtsprechung des Gerichtshofs verankertes und durch Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta bestätigtes Recht, gehört zu werden, ausüben können muss, und insbesondere die Frage, ob es ihm ermöglicht werden muss, alle ihm hinsichtlich seines Aufenthaltstitels entgegengehaltenen Gesichtspunkte zu prüfen, nach einer Bedenkzeit seinen Standpunkt zu äußern und einen Beistand seiner Wahl in Anspruch zu nehmen.

II – Richtlinie 2008/115

4.        Art. 3 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2008/115 bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnen die Ausdrücke:

4)      „Rückkehrentscheidung“: die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird;

…“

5.        Art. 5 („Grundsatz der Nichtzurückweisung, Wohl des Kindes, familiäre Bindungen und Gesundheitszustand“) der Richtlinie 2008/115 lautet:

„Bei der Umsetzung dieser Richtlinie berücksichtigen die Mitgliedstaaten in gebührender Weise:

a)      das Wohl des Kindes,

b)      die familiären Bindungen,

c)      den Gesundheitszustand der betreffenden Drittstaatsangehörigen,

und halten den Grundsatz der Nichtzurückweisung ein.“

6.        Art. 6 („Rückkehrentscheidung“) dieser Richtlinie sieht vor:

„(1)      Unbeschadet der Ausnahmen nach den Absätzen 2 bis 5 erlassen die Mitgliedstaaten gegen alle illegal in ihrem Hoheitsgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung.

(4)      Die Mitgliedstaaten können jederzeit beschließen, illegal in ihrem Hoheitsgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen wegen Vorliegen eines Härtefalls oder aus humanitären oder sonstigen Gründen einen eigenen Aufenthaltstitel oder eine sonstige Aufenthaltsberechtigung zu erteilen. In diesem Fall wird keine Rückkehrentscheidung erlassen. Ist bereits eine Rückkehrentscheidung ergangen, so ist diese zurückzunehmen oder für die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels oder der sonstigen Aufenthaltsberechtigung auszusetzen.

(6)      Durch diese Richtlinie sollen die Mitgliedstaaten nicht daran gehindert werden, … mit einer einzigen behördlichen oder richterlichen Entscheidung eine Entscheidung über die Beendigung eines legalen Aufenthalts sowie eine Rückkehrentscheidung und/oder eine Entscheidung über eine Abschiebung und/oder ein Einreiseverbot zu erlassen.“

III – Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

7.        Herr Boudjlida, der die algerische Staatsangehörigkeit besitzt, kam am 26. September 2007 in Frankreich an und erhielt in seiner Eigenschaft als Student mehrere Aufenthaltstitel. Er beantragte weder eine Verlängerung seines letzten Aufenthaltstitels, dessen Gültigkeit am 31. Oktober 2012 endete, noch die Erteilung eines neuen Titels.

8.        Trotz seines illegalen Aufenthalts im französischen Hoheitsgebiet beantragte er am 7. Januar 2013 bei der Union de recouvrement des cotisations de sécurité sociale et d’allocations familiales (Urssaf) zur Gründung eines Kleinstunternehmens im Bereich des Ingenieurwesens die Registrierung als selbständiger Unternehmer.

9.        Aufgrund seines illegalen Aufenthaltsstatus erhielt er am 15. Januar 2013 von der Grenzpolizei eine Vorladung, der er freiwillig nachkam. Von dieser Dienststelle wurde er zu seiner Situation im Hinblick auf sein Aufenthaltsrecht in Frankreich gehört. Das Gespräch, das 30 Minuten dauerte, bezog sich auf seinen Antrag auf Registrierung als selbständiger Unternehmer sowie auf die Umstände seiner Ankunft in Frankreich, die Aufenthaltsbedingungen als Student in der Folgezeit und seine familiären Bindungen in Frankreich und in Algerien. Die Frage, ob er im Fall einer entsprechenden Entscheidung der Präfektur damit einverstanden wäre, das französische Hoheitsgebiet zu verlassen, wurde von ihm bejaht.

10.      Nach diesem Gespräch erließ der Préfet des Pyrénées-Atlantique noch an diesem 15. Januar 2013 eine Verfügung, nach der Herr Boudjlida verpflichtet war, das französische Hoheitsgebiet zu verlassen, und worin ihm eine Frist für die freiwillige Rückkehr von 30 Tagen eingeräumt und insbesondere Algerien als Zielland bestimmt wurde.

11.      Am 18. Februar 2013 erhob Herr Boudjlida beim Tribunal administratif de Pau Klage auf Nichtigerklärung dieser Verfügung.

12.      Herr Boudjlida macht vor dem vorlegenden Gericht insbesondere geltend, dass die Verfügung vom 15. Januar 2013 rechtsfehlerhaft sei, da sie angesichts seiner Integration in Frankreich und seines universitären Werdegangs sowie des Umstands, dass zwei seiner Onkel – beide Universitätsprofessoren – in Frankreich lebten, sein Privatleben unverhältnismäßig beeinträchtigen würde. Außerdem sei die Frist von 30 Tagen für eine Person, die sich seit mehr als fünf Jahren im Inland aufhalte, zu kurz bemessen, und er habe das Recht, vor dem Erlass der Ausreiseanordnung in zweckdienlicher Weise gehört zu werden, nicht wirksam in Anspruch nehmen können.

13.      Der Préfet des Pyrénées-Atlantiques wies darauf hin, dass gegen Herrn Boudjlida keine Entscheidung über die Ablehnung eines Aufenthaltstitels getroffen worden sei. Herr Boudjlida habe zwischen dem 26. September 2007 und dem 31. Oktober 2012 problemlos die Verlängerung seiner Aufenthaltskarten erhalten und habe die Verlängerung seines letzten Aufenthaltstitels nicht unter den in den französischen Rechtsvorschriften vorgesehenen Bedingungen, also zwei Monate vor dem Erlöschen des letztgültigen Titels, beantragt. Herr Boudjlida sei daher am Tag des Erlasses der angefochtenen Verfügung illegal aufhältig gewesen. Die Verpflichtung zur Ausreise sei begründet, da der Ausländer illegal aufhältig sei. Die streitige Verfügung beeinträchtige nicht unverhältnismäßig das Recht von Herrn Boudjlida auf sein Privat- und Familienleben, da seine familiären Bindungen in Frankreich nicht stärker seien als in seinem Herkunftsland. Überdies sei die Frist, die für die Erfüllung dieser Verpflichtung eingeräumt worden sei, die Regelfrist. Besondere Umstände, die eine längere Frist gerechtfertigt hätten, seien nicht behauptet worden.

14.      Der Préfet des Pyrénées-Atlantiques verteidigt die Rechtmäßigkeit seiner Verfügung mit einem Verweis auf ein Urteil der Cour administrative d’appel de Lyon, wonach das Recht nach Art. 41 der Charta, gehört zu werden, für die Verwaltung nicht die Verpflichtung bedeute, von Amts wegen ein Gespräch mit dem Betroffenen zu führen oder ihn zur Stellungnahme aufzufordern, zumal eine Beeinträchtigung dieses Rechts nur dann die Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens berühren könne, wenn der Betroffenen nachweise, dass ihm die Möglichkeit genommen worden sei, relevante Gesichtspunkte vorzutragen, die die Entscheidung inhaltlich hätten beeinflussen können (Urteil vom 14. März 2013, Klage Nr. 12LY02737).

15.      Der Präfekt wies außerdem darauf hin, dass das Recht von Herrn Boudjlida, gehört zu werden, gewahrt worden sei, da er 30 Minuten lang mit der Polizei ein Gespräch sowohl über seinen Antrag auf Registrierung als selbständiger Unternehmer als auch über die Umstände seiner Ankunft in Frankreich, seine Aufenthaltsbedingungen als Student in der Folgezeit und die Situation seiner Familie in Frankreich habe führen können. Daraus habe sich ergeben, dass er illegal aufhältig sei, seine Bindungen in Frankreich nicht stärker seien als in Algerien und es keine besonderen Umstände gebe, die eine längere Frist für seine freiwillige Ausreise rechtfertigten.

16.      Das vorlegende Gericht stellt fest, weder die Richtlinie 2008/115 noch die französischen Bestimmungen zu ihrer Umsetzung hätten die Bedingungen festgelegt, unter denen ein Ausländer zu hören sei, bevor gegen ihn eine für ihn zwangsläufig nachteilige Rückkehrentscheidung ergehe. Aus dem Urteil M. (C‑277/11, EU:C:2012:744) folge jedoch, dass die Verwaltung gemäß dem in Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta verankerten Recht einem illegal aufhältigen Ausländer, bevor sie ihn zur Ausreise verpflichte, Gelegenheit zu einer Anhörung geben müsse, auch wenn die Richtlinie 2008/115 und die sie umsetzende französische Regelung dies nicht ausdrücklich vorsähen.

17.      Nach dieser Rechtsprechung verlangen es die Verteidigungsrechte und der daraus folgende Anspruch auf rechtliches Gehör im allgemeineren Rahmen des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens, dass eine Person, die Adressat einer nachteiligen Maßnahme ist, in die Lage versetzt wird, alle ihr entgegengehaltenen Gesichtspunkte zu prüfen(3) und ihren Standpunkt vorzutragen(4), wofür ihr eine Bedenkzeit eingeräumt werden muss, die ausreichend ist und gleichzeitig der Notwendigkeit eines effektiven Handelns der Verwaltung Rechnung trägt(5), gegebenenfalls mit Unterstützung durch einen Beistand, der bereits im Stadium der Voruntersuchung tätig werden kann(6). Gleichwohl ist das Gericht der Ansicht, dass in Anbetracht der genannten Rechtsprechung diese unterschiedlichen Elemente des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens und der Verteidigungsrechte von der Art der von der Verwaltung verfolgten Ziele und den rechtlichen Möglichkeiten abhingen, die ihr zu deren Erreichung zur Verfügung stünden. Es sei daher nicht sicher, dass alle diese Elemente mit dem Recht, in zweckdienlicher und effektiver Weise gehört zu werden, wie es in Art. 41 der Charta verankert sei, verknüpft seien.

18.      Es stelle sich auch die Frage, ob die Ausgewogenheit zwischen der notwendigen Achtung von Art. 41 der Charta auf der einen Seite und der notwendigen Durchführung einer wirksamen Rückkehrpolitik auf der anderen Seite es rechtfertigen könne, dass ein illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger einer oder mehrerer Anpassungen oder Beschränkungen seines Rechts hinnehmen müsse, in die Lage versetzt zu werden, dass er die ihm in Bezug auf sein Aufenthaltsrecht entgegengehaltenen Gesichtspunkte prüfen könne, sowie mündlich oder schriftlich mit ausreichender Bedenkzeit und gegebenenfalls mit Hilfe des Beistands seiner Wahl seinen Standpunkt vorzutragen, und wenn ja, ob das Ausmaß dieser Anpassungen von der Dauer und der Art der Verbindungen zum Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem er sich befinde, oder von irgendeinem anderen zu berücksichtigenden Kriterium abhänge.

19.      In diesem Zusammenhang hat das Tribunal administratif de Pau beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Welchen Inhalt hat das Recht, gehört zu werden, im Sinne von Art. 41 der Charta für einen illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Rückkehrentscheidung ergehen soll?

Umfasst dieses Recht insbesondere den Anspruch, Gelegenheit zur Prüfung aller Gesichtspunkte, die ihm bezüglich seines Aufenthaltstitels entgegengehalten werden, zu erhalten, seinen Standpunkt schriftlich oder mündlich nach ausreichender Bedenkzeit mitzuteilen und von einem Beistand seiner Wahl unterstützt zu werden?

2.      Ist dieser Inhalt gegebenenfalls im Hinblick auf das in der Richtlinie 2008/115 genannte, dem Gemeinwohl dienende Ziel der Rückkehrpolitik anzupassen oder einzuschränken?

3.      Falls dies zu bejahen ist: Welche Änderungen sind zuzulassen und nach welchen Kriterien sind diese festzulegen?

IV – Verfahren vor dem Gerichtshof

20.      Herr Boudjlida, die französische Regierung, die niederländische Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Herr Boudjlida, die französische Regierung und die Europäische Kommission haben in der mündlichen Verhandlung, die am 8. Mai 2014 stattgefunden hat, mündliche Erklärungen abgegeben.

V –    Rechtliche Würdigung

A –    Vorbringen der Parteien

21.      Herr Boudjlida ist der Ansicht, er habe weder seine Argumente geltend machen noch die Gründe für seine Rückführung erörtern können, da die Präfektur ihre Rückkehrentscheidung nicht im Rahmen eines kontradiktorischen Verwaltungsverfahrens getroffen habe. Die Rückkehrentscheidung ergehe „automatisch, sobald die Präfektur den illegalen Aufenthalt feststellt, und es gibt keine tatsächliche Möglichkeit, sich wirksam dagegen zu verteidigen, bevor die Entscheidung erlassen wird, angesichts des unmittelbaren Ergehens der Verfügung, mit der zur Ausreise verpflichtet wird, weshalb praktisch keine andere Möglichkeit bleibt, als das Verwaltungsgericht anzurufen, um sie danach anzufechten“.

22.      Herr Boudjlida trägt vor, er sei von den dafür allein zuständigen Dienststellen der Präfektur zu keinem Zeitpunkt zur Verlängerung seines Aufenthaltsrechts oder zu einer Rückkehrentscheidung förmlich gehört worden. Das Gespräch mit der Polizei habe es ihm weder ermöglicht, seine Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen noch vor ihr seine Argumente gegen eine Rückkehrentscheidung geltend zu machen, während er in keiner Weise gewusst habe, welche Entscheidung die Verwaltungsbehörde treffen werde. Er habe absolut nicht damit gerechnet, dass eine Rückkehrentscheidung am selben Tag getroffen werden könne, ohne dass er zu deren Gründen gehört werde. Folglich habe er sich nicht dagegen verteidigen können, zumal er zu dem beabsichtigten Inhalt der Rückkehrentscheidung nicht gehört worden sei. Im Gespräch mit der Polizei habe er erklärt, dass er auf eine Antwort auf seinen Einbürgerungsantrag warte, und auf die Frage, ob er damit einverstanden wäre, auszureisen, wenn die Präfektur dies beschließen sollte, habe er geantwortet, dass er zur Ausreise bereit sei, wenn er dies müsse. Nichts in diesem Gespräch deute darauf hin, dass er das Recht gehabt hat, Stellung zu nehmen und vor einer Rückkehrentscheidung, die am selben Tag getroffen werden sollte, gehört zu werden.

23.      Herr Boudjlida weist darauf hin, er hätte vor der Präfektur Argumente vortragen können, die zur Änderung dieser Entscheidung hätten führen können, wenn er darüber informiert worden wäre, dass eine Rückkehrentscheidung getroffen werden sollte. Hätte er hierzu Gelegenheit gehabt, hätte er in Anbetracht seiner vollständigen Integration in Frankreich vor der Rückkehrentscheidung eine unverhältnismäßige Verletzung seines Rechts auf Achtung seines Privatlebens und einen Verstoß gegen Art. L.313-11, 7º, des Code de l’entrée et du séjour des étrangers et du droit d’asile (Gesetzbuch über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern und über das Asylrecht, im Folgenden: Ceseda) geltend machen können.

24.      Außerdem komme man nicht umhin, „festzustellen, dass ein einziges, 30 Minuten dauerndes Gespräch mit der Polizei in keiner Weise dem Recht entspricht, von der Verwaltung im Laufe des Verwaltungsverfahrens gehört zu werden“, wie es in der Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickelt worden sei. Die Rückkehrentscheidung sei somit nach dem Gespräch mit der Polizei ohne einen Beistand und unter Verstoß gegen die Rechtsprechung des Gerichtshofs getroffen worden.

25.      Das Recht auf eine gute Verwaltung, wie es insbesondere in Art. 41 Abs. 2 der Charta vorgesehen sei, impliziere im Rahmen der Durchführung der Richtlinie 2008/115 das Recht eines jeden, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine für sie nachteilige individuelle Maßnahme getroffen werde. Das Recht, gehrt zu werden, müsse als das Recht eines jeden definiert werden, im Verwaltungsverfahren vor jeder ihn beschwerenden Entscheidung in zweckdienlicher und wirksamer Weise schriftlich oder mündlich Stellung zu nehmen. Das Recht, gehört zu werden, setze voraus, dass die Person, gegen die die nachteilige Entscheidung ergehe, in die Lage versetzt werde, alle Gesichtspunkte zu prüfen, die ihr entgegenhalten würden, und ihren Standpunkt nach einer angemessenen Bedenkzeit und mit Hilfe eines Beistands, der bereits im Stadium der Untersuchung vor der Mitteilung der Rügen tätig werden könne, vorzutragen.

26.      Die französische Regierung ist der Ansicht, aus dem Wortlaut von Art. 41 der Charta folge, dass sich diese Vorschrift nicht an die Mitgliedstaaten, sondern ausschließlich an die Organe, Einrichtungen und Agenturen der Union richte(7). Nach ständiger Rechtsprechung sei jedoch das Recht, gehört zu werden, ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der nicht nur zu dem in Art. 41 der Charta verankerten Recht auf eine gute Verwaltung gehöre, sondern auch zur Wahrung der Verteidigungsrechte und zum Recht auf einen fairen Prozess im Sinne der Art. 47 und 48 der Charta. Die Wahrung des Rechts, gehört zu werden, obliege daher nicht nur nach Art. 41 der Charta den Unionsorganen, sondern, da es einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstelle, auch den Verwaltungen eines jeden Mitgliedstaats, wenn sie im Geltungsbereich des Unionsrechts Entscheidungen erließen, und zwar auch dann, wenn die anwendbare Regelung nicht ausdrücklich ein solches Verfahrensrecht vorsieht(8).

27.      Die Richtlinie 2008/115 beziehe sich nur auf die Rückkehr illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger und bezwecke daher nicht, die nationalen Rechtsvorschriften über den Aufenthalt von Ausländern insgesamt zu harmonisieren(9). Deshalb fielen die Modalitäten der Prüfung, ob der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen rechtmäßig ist, und die Modalitäten, nach denen ein Ausländer im Rahmen dieser Prüfung gegebenenfalls gehört wird, unter das nationale Recht der Mitgliedstaaten. Sei jedoch die Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts erwiesen, seien die Mitgliedstaaten gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115 zum Erlass einer Rückkehrentscheidung verpflichtet, es sei denn, es lägen die in den Abs. 2 bis 5 dieses Artikels genannten besonderen Fälle vor. Da die Rückkehrentscheidung zwangsläufig aus der Entscheidung über die Feststellung der Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts der betroffenen Person folge, müsse diese vor dem Erlass einer Rückkehrentscheidung nicht erneut gehört werden, wenn sie nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaats im Rahmen des Verfahrens zur Prüfung seines Aufenthaltsrechts geschehen sei. Sehe das Recht eines Mitgliedstaats in diesem Rahmen dagegen keine Anhörung der betroffenen Person vor, müsse diese in die Lage versetzt werden, vor dem Erlass einer gegen sie gerichteten Rückkehrentscheidung Stellung zu nehmen.

28.      Der Erlass einer Rückkehrentscheidung könne wie im Ausgangsverfahren im Anschluss an die polizeiliche Kontrolle eines nicht im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels befindlichen Drittstaatsangehörigen erfolgen. In einem solchem Fall müsse die Verwaltung vor dem Erlass einer Rückkehrentscheidung die persönliche Situation des Betroffenen prüfen und ihn in die Lage versetzen, zu einem möglichen Aufenthaltsrecht Stellung zu nehmen. Die Anhörung des Betroffenen müsse jedoch unter Bedingungen stattfinden, die die Wirksamkeit des Rückkehrverfahrens nicht beeinträchtigten und sowohl der Dringlichkeit des Handelns der Verwaltung als auch der Fluchtgefahr Rechnung tragen. Wie im Ausgangsverfahren könne solche Anhörung stattfinden, wenn der Betroffene damit einverstanden sei, sich zur Anhörung zu seiner Situation in die Polizeidienststelle zu begeben. In anderen Fällen könne die Prüfung seiner Situation auch den zeitweiligen Entzug seiner Freiheit erfordern.

29.      Das französische Recht sehe zwar im Rahmen eines Verfahrens der Ingewahrsamnahme oder der Inhaftierung zur Prüfung des Aufenthaltsrechts die Möglichkeit der Beiziehung eines Rechtsanwalts vor, doch folge dieses Erfordernis allein aus dem Umstand, dass sich der Betroffene in diesem Fall in einer Situation des Freiheitsentzugs befindet. Dagegen sei das Recht auf einen Beistand seiner Wahl im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vor dem Erlass einer Rückkehrentscheidung kein Bestandteil des Rechts, gehört zu werden. Art. 47 Abs. 3 der Charta sehe zwar die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für Personen vor, die nicht über ausreichende Mittel verfügten, soweit diese Hilfe erforderlich sei, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu gewährleisten, doch ergebe sich aus dem Wortlaut dieser Vorschrift, dass diese Hilfe nur im Rahmen von Gerichtsverfahren Anwendung finde.

30.      Die französische Regierung schlägt, hilfsweise, vor, auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass die Richtlinie 2008/115 dahin auszulegen sei, dass der Inhalt des Rechts, gehört zu werden, beschränkt werden könne, um das Ziel dieser Richtlinie zu berücksichtigen, das darin bestehe, die Rückkehr illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger wirksam zu sichern. Diese Beschränkungen müssten gesetzlich vorgesehen, erforderlich und verhältnismäßig sein und den Wesensgehalt dieses Rechts wahren.

31.      Nach Ansicht der niederländischen Regierung haben Ausländer wie Herr Boudjlida in ihren Beziehungen zu einem Mitgliedstaat kein Recht aus Art. 41 der Charta. Aus dessen Wortlaut ergebe sich, dass das Recht auf eine gute Verwaltung durch Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union gewährleistet werde. Diese Vorschrift erfasse also nicht die Mitgliedstaaten(10). Art. 41 der Charta beruhe jedoch auf einem tragenden Grundsatz des Unionsrechts; wenn die nationale Verwaltung beabsichtige, gegen eine Person eine beschwerende Maßnahme zu erlassen, seien die Verteidigungsrechte zu wahren(11).

32.      Die Verteidigungsrechte umfassten insbesondere das Recht, vor dem Erlass einer beschwerenden Maßnahme gehört zu werden. Der Inhalt dieser Rechte hänge von den konkreten Umständen einer Sache und dem anzuwendenden Rechtsrahmen ab. Eine Kontrolle illegal aufhältiger Ausländer falle stets in die Zuständigkeit der Dienststellen der Polizei und/oder der Einwanderungsbehörde. Für diese Stellen sei es in Anbetracht der Ziele der Richtlinie 2008/115 wichtig, dass rasch geklärt werde, ob sich ein Ausländer legal oder illegal aufhalte, und im Fall eines illegalen Aufenthalts dafür zu sorgen, dass dieser schnellstmöglich beendet werde. Die Vorbereitung einer derartigen Entscheidung erfordere nicht zwingend ein detailliertes schriftliches Verfahren. Die Rückkehrentscheidung selbst müsse gemäß Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115 selbstverständlich schriftlich erlassen werden.

33.      Die Rückkehrentscheidung stelle den einleitenden Schritt des Rückkehrverfahrens dar(12). Sie stelle fest, dass sich ein Drittstaatsangehöriger illegal aufhalte und begründe eine Verpflichtung zur Rückkehr. Zur Feststellung der Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts eines Drittstaatsangehörigen bemerkt die niederländische Regierung, dass die rechtlichen Folgen dieser Feststellung den betroffenen Ausländer nicht (in besonderem Maß) belasteten, da die Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts des Betroffenen bereits durch das Fehlen eines gültigen Aufenthaltstitels erwiesen sei und daher nicht aus der Rückkehrentscheidung folge.

34.      Nach Ansicht der niederländischen Regierung müssen die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats gemäß dem Urteil M. (EU:C:2012:744) dem Ausländer im Rahmen eines Verfahrens, das die Frage betrifft, ob sein Aufenthalt in diesem Staat legal oder illegal ist, die Möglichkeit geben, sachdienlich und wirksam seinen Standpunkt mitzuteilen und den von ihm in dieser Hinsicht abgegebenen Erklärungen jede erforderliche Aufmerksamkeit widmen. Hätten die betreffenden Behörden festzustellen, ob ein Ausländer einen gültigen Aufenthaltstitel besitze, müssten sie nicht alle Aufenthaltsrechte berücksichtigen, die der Ausländer (möglicherweise) beanspruchen könnte.

35.      Nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115 sei gegen einen Ausländer, der sich illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhalte, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Zum Ausgangsverfahren bemerkt die niederländische Regierung, Herr Boudjlida halte sich illegal in Frankreich auf, da er keinen Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis gestellt habe. Nach den Angaben in der Vorlageentscheidung sei erwiesen, dass er zum Zeitpunkt des Erlasses der Rückkehrentscheidung keinen Aufenthaltstitel besessen habe. In diesem spezifischen Fall seien die Verteidigungsrechte nicht verletzt worden. In Anbetracht des spezifischen Charakters der Rückkehrentscheidung bedürfe der Ausländer nur einer begrenzten Zeit, um zu reagieren, und es gebe keinen Grund zur Annahme, dass die Bedenkzeit im Ausgangsverfahren zu kurz gewesen sei. Das Recht, beim Erlass einer Rückkehrentscheidung gehört zu werden, umfasse nicht das Recht auf kostenlose Rechtsberatung.

36.      Die Kommission trägt vor, das Recht, in jedem Verfahren gehört zu werden, sei in Art. 41 der Charta verankert. Auch wenn darauf hinzuweisen sei, dass dieser Artikel der Charta nur auf die Organe und Einrichtungen der Union anzuwenden sei, so habe der Gerichtshof in dem Urteil M. (EU:C:2012:744) festgestellt, dass „[d]iese Bestimmung …, wie sich bereits aus ihrem Wortlaut ergibt, allgemein anwendbar [ist]“(13). Nach ihrer Ansicht führen die Mitgliedstaaten, wenn sie Rückkehrentscheidungen erlassen, Unionsrecht durch. Sie seien daher an die sich aus der Charta ergebenden Verpflichtungen gebunden(14).

37.      Die Kommission ist der Auffassung, da die Mitgliedstaaten gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115 verpflichtet seien, gegen jeden illegal aufhältigen Ausländer eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, bestehe der Hauptzweck seines Rechts, vor dem Erlass einer Rückkehrentscheidung gehört zu werden, darin, zu den Modalitäten der Rückkehr oder zur Anwendbarkeit der in Art. 6 Abs. 2 bis 5 der Richtlinie 2008/115 vorgesehenen Ausnahmen Stellung nehmen zu können. Vor dieser Entscheidung könne der Ausländer auch zu der Frage Stellung nehmen, ob sein Aufenthalt illegal oder legal sei, wonach sich bestimme, ob er in den Anwendungsbereich des Rückkehrverfahrens falle.

38.      Da die Richtlinie 2008/115 so gut wie keine Vorschrift über den Erlass der Rückkehrentscheidung festlege, könne nicht darauf geschlossen werden, dass das Recht, gehört zu werden, die Durchführung eines kontradiktorischen Verfahren verlange, wie dies zur Durchführung der Art. 101 AEUV und 102 AEUV vorgesehen sei. Der Zweck dieser Richtlinie bestehe darin, ein effizientes Verfahren vorzusehen, das die schnellstmögliche Rückkehr illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger in ihr Herkunftsland gewährleiste. In Rückkehrangelegenheiten müsse der nationale Richter das angemessene Gleichgewicht finden zwischen der Notwendigkeit einer „wirksame[n] Rückkehrpolitik als notwendiger Bestandteil einer gut geregelten Migrationspolitik“(15) und der Verpflichtung der Mitgliedstaaten, zu „gewährleisten, dass der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen im Wege eines fairen und transparenten Verfahrens beendet wird“(16). Die Tragweite des Rechts, gehört zu werden, könne unter bestimmten Umständen eingeschränkt werden, wenn Gefahr bestehe, dass ein höherrangiges öffentliches Interesse beeinträchtigt werde(17).

39.      Entsprechend der Stellungnahme des Gerichtshofs im Urteil M. (EU:C:2012:744, Rn. 95) bedeute das Recht, vor dem Erlass einer Rückkehrentscheidung schriftlich oder mündlich seinen Standpunkt zu äußern, daher nicht, dass die nationale Behörde den Adressaten der Entscheidung über die von ihr beabsichtigte Entscheidung in Kenntnis setzen oder ihm die Erwägungen, auf die sie sie zu stützen gedenkt, mitteilen oder ihm vor dem Erlass dieser Entscheidung eine Bedenkzeit einräumen müsse. Der Ausländer werde Gelegenheit haben, sich gegen die Beurteilung durch die Verwaltung im Rahmen eines Rechtsbehelfs zu wenden.

40.      Das Recht, vor dem Erlass einer Rückkehrentscheidung gehört zu werden, müsse es der Verwaltung ermöglichen, den Vorgang so zu bearbeiten, dass eine Entscheidung in voller Sachkenntnis getroffen und begründet werden könne, damit der Betroffene gegebenenfalls wirksam von seinem Klagerecht Gebrauch machen könne. Im Hinblick auf die Frage, ob das Recht, gehört zu werden, das Recht umfasse, sich von einem Beistand seiner Wahl unterstützen zu lassen, weist die Kommission darauf hin, dass Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie 2008/115 die Mitgliedstaaten erst dann dazu verpflichte, illegal aufhältigen Ausländern Rechtsberatung zu gewähren, wenn sie einen wirksamen Rechtsbehelf im Sinne von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie einlegen wollten, d. h. „bei einer zuständigen Justiz- oder Verwaltungsbehörde oder einem zuständigen Gremium, dessen Mitglieder unparteiisch sind und deren Unabhängigkeit garantiert wird“.

41.      Aus der Rückkehrentscheidung ergebe sich, dass Herr Boudjlida illegal aufhältig sei, was den Erlass einer Rückkehrentscheidung zur Folge habe, und dass er vor dem Erlass dieser Entscheidung mündlich zur Frage der Unrechtmäßigkeit seines Aufenthalts, zu seinen familiären Bindungen in Frankreich, seinem akademischen Werdegang und seiner Integration im Land sowie zu einer möglichen Abschiebung habe abgeben können. In Anbetracht dessen sei das Recht auf Anhörung offenbar gewahrt worden. Es sei jedoch Sache des nationalen Richters, zu beurteilen, ob die Dauer des Gesprächs ausreichend gewesen sei, um Herrn Boudjlida die Möglichkeit zu geben, zu allen angesprochenen Punkten Stellung zu nehmen, so dass die zuständige Behörde die erforderlichen Informationen gehabt habe, bevor sie ihm aufgegeben habe, gemäß den in der Rückkehrentscheidung festgelegten Modalitäten das Hoheitsgebiet zu verlassen.

B –    Rechtliche Würdigung

1.      Vorbemerkungen

42.      Bezüglich des Handelns der Mitgliedstaaten ist der Anwendungsbereich der Charta in deren Art. 51 Abs. 1 festgelegt, wonach die Charta für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union gilt.

43.      Wie der Gerichtshof ausgeführt hat, bestätigt Art. 51 der Charta „also die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu der Frage, inwieweit das Handeln der Mitgliedstaaten den Anforderungen genügen muss, die sich aus den in der Unionsrechtsordnung garantierten Grundrechten ergeben“(18).

44.      Wie der Gerichtshof in Rn. 19 des Urteils Åkerberg Fransson (EU:C:2013:105) und Rn. 33 des Urteils Pfleger u. a. (EU:C:2014:281) ausführt, ergibt sich nämlich aus seiner „ständigen Rechtsprechung … im Wesentlichen, dass die in der Unionsrechtsordnung garantierten Grundrechte in allen unionsrechtlich geregelten Fallgestaltungen, aber nicht außerhalb derselben Anwendung finden. Insoweit hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass er eine nationale Rechtsvorschrift nicht im Hinblick auf die Charta beurteilen kann, wenn sie nicht in den Geltungsbereich des Unionsrechts fällt. Sobald dagegen eine solche Vorschrift in den Geltungsbereich des Unionsrechts fällt, hat der im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens angerufene Gerichtshof dem vorlegenden Gericht alle Auslegungshinweise zu geben, die es benötigt, um die Vereinbarkeit dieser Regelung mit den Grundrechten beurteilen zu können, deren Wahrung er sichert.“

45.      Außerdem hat der Gerichtshof in Rn. 21 des Urteils Åkerberg Fransson (EU:C:2013:105) und in Rn. 34 des Urteils Pfleger u. a. (EU:C:2014:281) ausgeführt, dass, „[d]a folglich die durch die Charta garantierten Grundrechte zu beachten sind, wenn eine nationale Rechtsvorschrift in den Geltungsbereich des Unionsrechts fällt, … keine Fallgestaltungen denkbar [sind], die vom Unionsrecht erfasst würden, ohne dass diese Grundrechte anwendbar wären. Die Anwendbarkeit des Unionsrechts umfasst die Anwendbarkeit der durch die Charta garantierten Grundrechte.“

46.      Es trifft zu, dass Art. 41 der Charta – ungeachtet deren Art. 51, der im Titel „Allgemeine Bestimmungen über die Auslegung und Anwendung der Charta“ deren Anwendungsbereich sowohl für die Union als auch für die Mitgliedstaaten festlegt – das Recht, gehört zu werden, nur in Bezug auf „Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Union“(19) proklamiert, worauf der Gerichtshof in dem von der französischen Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen(20) angeführten Urteil Cicala (EU:C:2011:868, Rn. 28) hingewiesen hat, ohne dies jedoch als ausschlaggebendes Argument für die in diesem Urteil gefundene Lösung zu betrachten.

47.      Mir erschiene es weder kohärent noch im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs(21), wenn der Wortlaut von Art. 41 der Charta in dieser Weise eine Ausnahme von der in Art. 51 der Charta vorgesehenen Regel einführen könnte, die es den Mitgliedstaaten erlauben würde, einen Artikel der Charta auch dann nicht anzuwenden, wenn sie Unionsrecht durchführen. Ich bekunde daher meine klare Präferenz dafür, dass Art. 41 der Charta für die Mitgliedstaaten gilt, wenn sie das Unionsrecht durchführen. Jedenfalls stellt aber das Recht auf Anhörung, worauf die französische Regierung hingewiesen hat, nach ständiger Rechtsprechung einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts dar, der „seine Grundlage nicht nur in dem in Art. 41 der Charta verankerten Recht auf eine gute Verwaltung, sondern auch in der Achtung der Verteidigungsrechte und des in den Art. 47 und 48 der Charta garantierten Rechts auf einen fairen Prozess findet“(22). Die Wahrung dieses Rechts obliegt daher auf dieser Grundlage zumindest den Behörden „eines jeden Mitgliedstaats, wenn sie Entscheidungen erlassen, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen“(23).

48.      Wie ich in Nr. 49 meiner Stellungnahme in der Rechtssache G. und R. (C‑383/13 PPU, EU:C:2013:553) ausgeführt habe, ist „[d]ie Verpflichtung der nationalen Behörden, den Anspruch auf rechtliches Gehör zu beachten, bevor sie eine für die Interessen einer Person nachteilige Entscheidung erlassen … seit Langem in ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs anerkannt. Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta bestätigt diese Verpflichtung und verleiht ihr Verfassungsrang.“

49.      Im vorliegenden Fall wird mit dem Erlass einer Rückkehrentscheidung durch einen Mitgliedstaat Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115 und damit das Unionsrecht durchgeführt im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs und von Art. 51 Abs. 1 der Charta. Daraus folgt, dass die Mitgliedstaaten in einer solchen unionsrechtlich geregelten Situation die in der Rechtsordnung der Union gewährleisteten Grundrechte und damit auch das Recht, gehört zu werden, anwenden müssen, wenn die nationale Behörde beabsichtigt, gegen eine Person eine beschwerende Entscheidung zu erlassen(24).

50.      Eine solche Rückkehrentscheidung, wie sie in Art. 3 Abs. 4 definiert und in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115 vorgesehen ist, stellt eine ihren Adressaten beschwerende Entscheidung dar. Ein Mitgliedstaat erklärt mit ihr den Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen für illegal und erlegt eine Rückkehrverpflichtung auf oder stellt sie fest(25).

51.      Der sechste Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/115 stellt klar, dass die Mitgliedstaaten beim Erlass von Rückkehrentscheidungen ein faires und transparentes Verfahren einhalten müssen.

52.      Allerdings sieht die Richtlinie 2008/115 für die Anhörung eines Drittstaatsangehörigen vor dem Erlass einer Rückkehrentscheidung kein spezifisches Verfahren vor(26). Die Verfahrensgarantien in Kapitel III der Richtlinie 2008/115 betreffen nur die Form der Rückkehrentscheidung (Art. 12)(27), die Rechtsbehelfe (Art. 13) und die Garantien bis zur Rückkehr (Art. 14).

53.      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das Recht auf Anhörung aber auch dann zu wahren, wenn die anwendbare Regelung ein solches Verfahrensrecht nicht ausdrücklich vorsieht(28).

54.      Daraus folgt, dass sich die Bedingungen, unter denen die Wahrung der Verteidigungsrechte illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger zu gewährleisten ist, und die Folgen der Missachtung dieser Rechte nach nationalem Recht richten, sofern die in diesem Sinne getroffenen Maßnahmen nicht nachteiliger als diejenigen sind, die für den Einzelnen in vergleichbaren unter das nationale Recht fallenden Situationen gelten (Äquivalenzgrundsatz), und soweit sie die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz)(29).

55.      Wie der Gerichtshofs im Urteil M. (EU:C:2012:744, Rn. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung) ausgeführt hat, garantiert „[d]as Recht auf Anhörung … jeder Person die Möglichkeit, im Verwaltungsverfahren, bevor ihr gegenüber eine für ihre Interessen nachteilige Entscheidung erlassen wird, sachdienlich und wirksam ihren Standpunkt vorzutragen“. Weiter heißt es dort, dass „[d]ieses Recht … auch voraus[setzt], dass die Verwaltung mit aller gebotenen Sorgfalt die entsprechenden Erklärungen der betroffenen Person zur Kenntnis nimmt, indem sie sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls untersucht und ihre Entscheidung eingehend begründet“(30).

56.      Demzufolge kann die mit dem Fehlen eines spezifischen Verfahrens in der Richtlinie 2008/115 einhergehende verfahrensrechtliche Autonomie der Mitgliedstaaten nicht dazu führen, dass einem Drittstaatsangehörigen das Recht genommen wird, vor dem Erlass einer Rückkehrentscheidung von der zuständigen nationalen Behörde gehört zu werden.

57.      Art. 52 Abs. 1 der Charta lässt jedoch Einschränkungen der Ausübung der in der Charta verankerten Rechte zu, sofern die betreffende Einschränkung gesetzlich vorgesehen ist, den Wesensgehalt des betreffenden Grundrechts achtet sowie unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich ist und den von der Europäischen Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen tatsächlich entspricht(31). Daraus folgt, dass die Verteidigungsrechte offenbar nicht schrankenlos gewährleistet sind, sondern unter bestimmten Umständen Beschränkungen unterworfen sein können(32).

58.      Bevor die Anwendung dieser Grundsätze im Hinblick auf die Umstände des Ausgangsrechtsstreits im Einzelnen geprüft wird, halte ich es für sachdienlich, darauf hinzuweisen, dass das in Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta vorgesehene Recht, gehört zu werden, zum einen bezweckt, so genau und korrekt wie möglich eine Untersuchung des Falles und eine Ermittlung des Sachverhalts zu ermöglichen, und zum anderen, einen wirksamen Schutz des Betroffenen zu sichern(33). Insbesondere soll diese Bestimmung gewährleisten, dass jede für eine Person nachteilige Entscheidung in voller Sachkenntnis getroffen wird.

2.      Zur ersten Vorlagefrage

59.      Diese Frage betrifft die Elemente, die im Rahmen des Erlasses einer Rückkehrentscheidung zum Recht auf Anhörung, wie es in der Rechtsprechung des Gerichtshofs vorgegeben und in Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta verankert ist, gehören müssen, und insbesondere die Frage, ob die Anhörung von Herrn Boudjlida durch die Grenzpolizei am 15. Januar 2013 mit diesen Erfordernissen im Einklang stand.

a)      Allgemeine Erwägungen

60.      Die Anhörung des Betroffenen soll nicht nur gewährleisten, dass eine beschwerende Entscheidung in voller Sachkenntnis getroffen wird(34), sie soll es außerdem der Verwaltung ermöglichen, ihrer Verpflichtung zur angemessenen Begründung ihrer Entscheidungen nachzukommen(35). Eine angemessene Begründung ermöglicht es zum einen, dem Betroffenen die Gründe für die getroffene Rückkehrentscheidung in Erfahrung zu bringen, um seine Rechte im Fall eines Rechtsbehelfs gegen die Entscheidung zu verteidigen, und zum anderen der Behörde oder dem in Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115 genannten Gremium, die Rechtmäßigkeit der Entscheidung zu prüfen.

61.      Das Recht eines jeden, vor dem Erlass einer für ihn nachteiligen individuellen Maßnahme gehört zu werden, ist daher von der Frage der Verhältnismäßigkeit oder der Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme zu unterscheiden, da das Recht, gehört zu werden, keinen Anspruch auf eine günstige Entscheidung begründet. Denn die Prüfung, ob das Recht, gehört zu werden, gewahrt wurde, betrifft nicht die Stichhaltigkeit der Rückkehrentscheidung. Es handelt sich insoweit um zwei unterschiedliche Rügen, die im Rahmen eines Rechtsbehelfs im Sinne von Art. 13 der Richtlinie 2008/115 geltend gemacht werden können(36).

62.      Außerdem können die Modalitäten des Rechts, gehört zu werden, im Rahmen des Erlasses einer Rückkehrentscheidung nicht von ihrem Zusammenhang mit dem Ziel der Richtlinie 2008/115 getrennt werden, wonach „[e]ine wirksame Rückkehrpolitik als notwendiger Bestandteil einer gut geregelten Migrationspolitik … mit klaren, transparenten und fairen Vorschriften unterlegt werden [muss]“(37).

63.      Dabei ist zu beachten, dass nach ständiger Rechtsprechung die zuständigen nationalen Behörden nach Art. 6 Abs. 1 der genannten Richtlinie und unbeschadet der in Art. 6 Abs. 2 bis 5 dieser Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen eine Rückkehrentscheidung erlassen müssen, wenn sich herausstellt, dass der Aufenthalt illegal ist(38).

64.      In Anbetracht dieser Pflicht der Mitgliedstaaten bin ich mit der Kommission der Auffassung, dass das Recht, vor dem Erlass einer Rückkehrentscheidung gehört zu werden, darauf gerichtet ist, den Betroffenen zur Rechtmäßigkeit seines Aufenthalts, zur möglichen Anwendung von Ausnahmen im Sinne von Art. 6 Abs. 2 bis 5 dieser Richtlinie und zu den Modalitäten seiner Rückkehr zu hören. Darüber hinaus bin ich der Ansicht, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 5 der Richtlinie 2008/115 („Grundsatz der Nichtzurückweisung, Wohl des Kindes, familiäre Bindungen und Gesundheitszustand“) bei deren Durchführung zum einen das Wohl des Kindes, familiäre Bindungen und den Gesundheitszustand des betroffenen Drittstaatsangehörigen gebührend zu berücksichtigen und zum anderen den Grundsatz der Nichtzurückweisung zu wahren haben. Das hat zur Folge, dass die zuständige nationale Behörde, wenn sie den Erlass einer Rückkehrentscheidung beabsichtigt, zwingend die ihr gemäß Art. 5 der Richtlinie 2008/115 auferlegten Pflichten wahren und den Betroffenen hierzu anhören muss.

65.      Es obliegt im Übrigen dem Betroffenen, bei seiner Anhörung mit der zuständigen nationalen Behörde zusammenzuarbeiten, um ihr alle relevanten Informationen über seine persönliche und familiäre Situation und insbesondere jene Auskünfte zu geben, die gegen den Erlass einer Rückkehrentscheidung sprechen, vorausgesetzt, dass sich in diesem Stadium die Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Betroffenen gar nicht stellt, wenn dieser nicht einmal geeignete Schritte unternommen hat, um das Aufenthaltsrecht in dem betreffenden Staat zu erhalten.

b)      Die Modalitäten des Rechts, gehört zu werden

66.      Der vorlegende Richter erwähnt in seinen Fragen und seiner Vorlageentscheidung insbesondere 1. die Möglichkeit für den Ausländer, alle ihm entgegengehaltenen Gesichtspunkte zu prüfen, was voraussetzt, dass die nationale Verwaltung sie ihm vorher mitteilt und ihm vor der Anhörung eine ausreichende Bedenkzeit einräumt, 2. das Recht des Ausländers auf Unterstützung durch einen Beistand seiner Wahl und 3. die Dauer dieser Anhörung. Des Weiteren wird 4. die Frist von 30 Tagen erwähnt, die Herrn Boudjlida zum Verlassen Frankreichs eingeräumt wurde.

i)      Die vorherige Mitteilung der Argumente der Verwaltung und die Bedenkzeit

67.      In Ermangelung unionsrechtlicher Bestimmungen über ein spezifisches Verfahren, das illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen das Recht, vor einer Rückkehrentscheidung gehört zu werden, gewährleisten soll(39), bin ich der Ansicht, dass Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta nicht dahin ausgelegt werden kann, dass die zuständige nationale Behörde verpflichtet ist, vor dem Erlass einer Rückkehrentscheidung die Gesichtspunkte mitzuteilen, auf die sie diese Entscheidung stützen will, und nach einer Bedenkzeit die Stellungnahme des Betroffenen dazu einzuholen(40).

68.      Die Richtlinie 2008/115 sieht kein derartiges kontradiktorisches Verfahren vor.

69.      Eine Ausnahme zum Vorstehenden ist jedoch dann zuzulassen, wenn der Drittstaatsangehörige vernünftigerweise nicht mit den ihm vorgehaltenen Gesichtspunkten rechnen konnte oder nur nach bestimmten Nachprüfungen oder Schritten im Hinblick insbesondere auf den Erhalt von Nachweisen angemessen darauf antworten könnte.

70.      Bezüglich des Ausgangsverfahrens ergibt sich aus dem Protokoll des Gesprächs, das Herr Boudjlida mit den Dienststellen der Grenzpolizei geführt hatte, dass er am 15. Januar 2013 aufgefordert wurde, sich entweder noch am selben Tag oder am 16. Januar 2013 vormittags „zur Prüfung [seines] Aufenthaltsrechts“ bei der Polizeidienststelle einzufinden. Er entschied sich freiwillig für den 15. Januar 2013. Daraus folgt, dass er sich auch dafür entschieden hat, die ihm von der Polizei angebotene eintägige Bedenkzeit von einem Tag nicht in Anspruch zu nehmen und auch keinen Rechtsbeistand beizuziehen.

71.      Dem Protokoll der Anhörung von Herrn M. Boudjlida ist auch zu entnehmen, dass er wusste, dass sein „Aufenthaltstitel … ungültig [war]“ und dass er wissen musste, dass er sich wegen der unterbliebenen Stellung eines Antrags auf Verlängerung seines am 31. Oktober 2012 ungültig gewordenen Aufenthaltstitels illegal in Frankreich aufhielt. Darüber hinaus setzte ihn die Polizei ausdrücklich davon in Kenntnis, dass gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen werden könnte, und befragte ihn dazu, ob er damit einverstanden wäre, Frankreich zu verlassen, wenn eine entsprechende Entscheidung gegen ihn ergehen würde. Herr Boudjlida antwortete auf diese Frage mit „sicherlich“ und fügte hinzu, dass „[er] … bereit [ist], in der Dienststelle am Empfang auf die Antwort der Préfecture de Pau zu warten, die [ihn] möglicherweise auffordert, das Hoheitsgebiet zu verlassen, oder [ihn] in ein Rückführungszentrum einweist oder [ihn] auffordert, [seine] Situation zu legalisieren“.

72.      Infolgedessen war Herr Boudjlida vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht über den Grund für die in Rede stehende Anhörung informiert, und er kannte das Thema, zu dem er gehört würde und die möglichen Folgen dieser Anhörung. Zudem bezog sich diese Anhörung unter demselben Vorbehalt und unter Wahrung des Rechts des Betroffenen, gehört zu werden, eindeutig auf die Informationen, die im Hinblick auf die Durchführung der Richtlinie 2008/115 relevant und erforderlich waren.

73.      Bei seinem Gespräch mit der Polizei wurde Herr Boudjlida nämlich u. a. zu seiner Identität, seiner Staatsangehörigkeit, seinem Familienstand, der Illegalität seines Aufenthalts in Frankreich, den Verfahrensschritten, die er bei dem Versuch der Legalisierung seines Aufenthalts unternommen hatte, der Gesamtdauer seines Aufenthalts in Frankreich, seinen früheren Aufenthaltstiteln, seinem schulischen und beruflichen Werdegang, seinen finanziellen Mitteln und seiner familiären Situation in Frankreich und in Algerien gehört. Schließlich wurde er von der Polizei gefragt, ob er damit einverstanden sei „das französische Hoheitsgebiet zu verlassen, wenn dies der Inhalt der Entscheidung der Préfecture de Pau wäre“(41).

ii)    Das Recht auf einen Beistand

74.      Das Recht auf Rechtsberatung ist nach Art. 13 der Richtlinie 2008/115 nur nach dem Erlass einer Rückkehrentscheidung(42) und nur für den Fall vorgesehen, dass diese Entscheidung mit einem Rechtsbehelf angefochten wird(43). Unter bestimmten Umständen ist auf Antrag kostenlose Rechtsberatung zu gewähren(44).

75.      Niemand kann daran gehindert werden, bei seiner Anhörung durch die zuständigen nationalen Behörden auf eigene Kosten einen Rechtsberater beizuziehen, sofern die Ausübung dieses Rechts nicht den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens beeinträchtigt und die wirksame Durchführung der Richtlinie 2008/115 gefährdet. Bei seiner Anhörung hat Herr Boudjlida nicht die Beiziehung eines Rechtsberaters verlangt.

iii) Die Dauer der Anhörung

76.      Herr Boudjlida und die Kommission weisen auf die kurze, 30-minütige Dauer der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Anhörung hin. Ich halte die Dauer der Anhörung nicht für ausschlaggebend. Maßgebend ist die Frage, ob Herr Boudjlida in hinreichendem Maß zur Rechtmäßigkeit seines Aufenthalts und zu seiner persönlichen Situation gehört wurde(45), was für mich aus den Nrn. 70 bis 73 der vorliegenden Schlussanträge folgt.

iv)    Die für das Verlassen des französischen Hoheitsgebiets eingeräumte Frist

77.      Hierzu stelle ich fest, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115 insbesondere „eine angemessene Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise“ vorsieht. Außerdem müssen die Mitgliedstaaten nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 „soweit erforderlich“ „die Frist für die freiwillige Ausreise unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls – wie etwa Aufenthaltsdauer, Vorhandensein schulpflichtiger Kinder und das Bestehen anderer familiärer und sozialer Bindungen – um einen angemessenen Zeitraum“ verlängern.

78.      Dem Protokoll der Anhörung von Herrn Boudjlida ist zu entnehmen, dass er insbesondere zu der Dauer seines Aufenthalts in Frankreich, seinem Studium in Frankreich und seinen familiären Bindungen in Frankreich angehört wurde. Vorbehaltlich einer Prüfung durch das vorliegende Gericht hat es für mich den Anschein, dass er zur möglichen Anwendung der Kriterien, die eine Verlängerung der Frist für die Ausreise gemäß Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 zulassen, gehört wurde. Zur Angemessenheit der Herrn Boudjlida gewährten Frist für die Ausreise insbesondere in Anbetracht seiner Erklärungen während seiner Anhörung durch die Polizei, ist festzustellen, dass die Prüfung dieser Frage die materielle Rechtmäßigkeit der Maßnahme betrifft(46).

79.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die erste Vorlagefrage wie folgt zu antworten:

–        Aufgrund des Rechts eines illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen, vor dem Erlass einer gegen ihn gerichteten Rückkehrentscheidung gehört zu werden, hat die zuständige nationale Behörde, den Betroffenen zur Rechtmäßigkeit seines Aufenthalts, zur möglichen Anwendung von Art. 5 der Richtlinie 2008/115 sowie zu den in Art. 6 Abs. 2 bis 5 dieser Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen und zu den Modalitäten seiner Rückkehr zu hören.

–        Dagegen ist die zuständige nationale Behörde, abgesehen von dem Fall, dass der Drittstaatsangehörige vernünftigerweise nicht ahnen konnte, dass eine Rückkehrentscheidung ergehen könnte oder welche Gesichtspunkte ihm entgegengehalten werden könnten, was ihn verpflichten würde, bestimmte Schritte zur Nachprüfung oder zum Erhalt von Nachweisen zu unternehmen, nach dem Unionsrecht nicht verpflichtet, ihn vor der im Hinblick auf den Erlass dieser Entscheidung angesetzten Anhörung über ihre Absicht, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, zu informieren oder ihm die Gesichtspunkte mitzuteilen, auf die sie diese stützen will, oder ihm vor der Einholung seiner Stellungnahme eine Bedenkzeit einzuräumen.

–        Kann der Drittstaatsangehörige, bevor die zuständige nationale Behörde eine Rückkehrentscheidung erlässt, bei seiner Anhörung durch die zuständigen nationalen Behörden einen Rechtsbeistand beiziehen unter der Voraussetzung, dass die Ausübung dieses Rechts nicht den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens beeinträchtigt und nicht die wirksame Durchführung der Richtlinie 2008/115 gefährdet, sind die Mitgliedstaaten nach dem Unionsrecht nicht verpflichtet, die Kosten für diese Beratung im Rahmen der Prozesskostenhilfe zu übernehmen.

3.      Zur zweiten und zur dritten Vorlagefrage

80.      Mit diesen Fragen will das vorlegende Gericht vom Gerichtshof wissen, ob und gegebenenfalls nach welchen Kriterien das Recht eines illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen, nach Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta vor dem Erlass einer gegen ihn gerichteten Rückkehrentscheidung gehört zu werden, unter Berücksichtigung des in der Richtlinie 2008/115 genannten, dem Gemeinwohl dienenden Ziel der Rückkehrpolitik anzupassen oder einzuschränken ist.

81.      Angesichts meiner Antwort auf die erste Frage sind die zweite und die dritte Vorlagefrage zu verneinen.

VI – Ergebnis

82.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die vom Tribunal administratif de Pau zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen wie folgt zu antworten:

1.      Aufgrund des Rechts eines illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen, vor dem Erlass einer gegen ihn gerichteten Rückkehrentscheidung gehört zu werden, hat die zuständige nationale Behörde den Betroffenen zur Rechtmäßigkeit seines Aufenthalts, zur möglichen Anwendung von Art. 5 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger sowie zu den in Art. 6 Abs. 2 bis 5 dieser Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen und zu den Modalitäten seiner Rückkehr zu hören.

Dagegen ist die zuständige nationale Behörde, abgesehen von dem Fall, dass der Drittstaatsangehörige vernünftigerweise nicht ahnen konnte, dass eine Rückkehrentscheidung ergehen könnte oder welche Gesichtspunkte ihm entgegengehalten werden könnten, was ihn verpflichten würde, bestimmte Schritte zur Nachprüfung oder zum Erhalt von Nachweisen zu unternehmen, nach dem Unionsrecht nicht verpflichtet, ihn vor der im Hinblick auf den Erlass dieser Entscheidung angesetzten Anhörung über ihre Absicht, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, zu informieren oder ihm die Gesichtspunkte mitzuteilen, auf die sie diese zu stützen gedenkt, oder ihm vor der Einholung seiner Stellungnahme eine Bedenkzeit einzuräumen.

Kann der Drittstaatsangehörige, bevor die zuständige nationale Behörde eine Rückkehrentscheidung erlässt, bei seiner Anhörung durch die zuständigen nationalen Behörden einen Rechtsbeistand beiziehen unter der Voraussetzung, dass die Ausübung dieses Rechts nicht den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens beeinträchtigt und nicht die wirksame Durchführung der Richtlinie 2008/115 gefährdet, sind die Mitgliedstaaten nach dem Unionsrecht nicht verpflichtet, die Kosten für diese Beratung im Rahmen der Prozesskostenhilfe zu übernehmen.

2.      Der Inhalt des Rechts, gehört zu werden, ist in Anbetracht des allgemeinen Ziels der Richtlinie 2008/115 nicht anzupassen oder anderweitig einzuschränken.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – ABl. L 348, S. 98.


3 – Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission (100/80 bis 103/80, EU:C:1983:158, Rn. 14 bis 23).


4 – Urteil Hoechst/Kommission (46/87 und 227/88, EU:C:1989:337, Rn. 52 und 56).


5 – Urteil Dokter u. a. (C‑28/05, EU:C:2006:408, Rn. 73 bis 79).


6 – Urteil Hoechst/Kommission (EU:C:1989:337, Rn. 14 bis 16) zum Recht auf einen Rechtsbeistand, der in Wettbewerbssachen schon im Untersuchungsverfahren vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte tätig werden kann.


7 – Urteil Cicala (C‑482/10, EU:C:2011:868, Rn. 28).


8 – Urteil M. (EU:C:2012:744, Rn. 82 bis 86).


9 – Urteil Achughbabian (C‑329/11, EU:C:2011:807, Rn. 28).


10 – Urteil Cicala (EU:C:2011:868, Rn. 28).


11 – Urteile Kommission/Lisrestal u. a. (C‑32/95 P, EU:C:1996:402, Rn. 30) und Sopropé (C‑349/07, EU:C:2008:746, Rn. 26).


12 – Urteil El Dridi (C‑61/11 PPU, EU:C:2011:268, Rn. 35 und 36).


13 – Rn. 84.


14 – Urteil Åkerberg Fransson (C‑617/10, EU:C:2013:105, Rn. 21).


15 – Vierter Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/115.


16 – Sechster Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/115.


17 – Schlussanträge des Generalanwalts Bot in der Rechtssache M. (C‑277/11, EU:C:2012:253, Rn. 41).


18 – Urteile Åkerberg Fransson (EU:C:2013:105, Rn. 18) und Pfleger u. a. (C‑390/12, EU:C:2014:281, Rn. 32).


19 – Die derzeitige Tragweite von Art. 41 der Charta war Gegenstand einer Diskussion im Präsidium des Konvents, das die Charta ausgearbeitet hat. Vorgeschlagene Änderungen in Bezug auf eine Ausdehnung und eine Klarstellung seines Anwendungsbereichs wurden nicht angenommen. Vgl. Entwurf der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Zusammenfassung der Änderungen, vorgelegt vom Vorsitzenden des Präsidiums (Charte 4284/00 CONVENT 37).


20 – Vgl. Nr. 26 der vorliegenden Schlussanträge.


21 – Vgl. Urteil N. (C‑604/12, EU:C:2014:302, Rn. 49 und 50).


22 – Vgl. Erklärungen der französischen Regierung in Nr. 26 der vorliegenden Schlussanträge.


23 – Ebd.


24 – Urteil Sopropé (EU:C:2008:746, Rn. 36).


25 – Vgl. Art. 3 Abs. 4 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115.


26 – Es ist durchaus überraschend, dass ein solches spezifisches Verfahren in der Richtlinie 2008/115 nicht vorgesehen ist, angesichts der bedeutsamen Auswirkungen, die eine Rückkehrentscheidung auf das Leben eines Menschen haben kann, während im Zoll- und Wettbewerbsrecht ein solches Verfahren zur Gewährleistung der Wahrung des Rechts auf Anhörung vorgesehen wurde! Vgl. zum Zollrecht Art. 22 Abs. 6 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9.Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269, S. 1, Berichtigung ABl. 2013, L 287, S. 90) und meine Schlussanträge in der Rechtssache Kamino International Logistics und Datema Hellman Worldwide Logistics (C‑129/13 und C‑130/13, EU:C:2014:94, Rn. 51 bis 57). Im Wettbewerbsrecht bestimmt Art. 27 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [81 EG] und [82 EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1), dass „[v]or einer Entscheidung gemäß den Artikeln 7, 8, 23 oder 24 Absatz 2 … die Kommission den Unternehmen und Unternehmensvereinigungen, gegen die sich das von ihr betriebene Verfahren richtet, Gelegenheit [gibt], sich zu den Beschwerdepunkten zu äußern, die sie in Betracht gezogen hat. Die Kommission stützt ihre Entscheidung nur auf die Beschwerdepunkte, zu denen sich die Parteien äußern konnten. Die Beschwerdeführer werden eng in das Verfahren einbezogen“ (Hervorhebung nur hier).


27 – Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/115 sieht vor, dass „Rückkehrentscheidungen sowie … Entscheidungen über ein Einreiseverbot oder eine Abschiebung [schriftlich] ergehen … und … eine sachliche und rechtliche Begründung sowie Informationen über mögliche Rechtsbehelfe [enthalten]“.


28 – Vgl. Urteil M. (EU:C:2012:744, Rn. 86).


29 – Vgl. Urteil G. und R. (C‑383/13 PPU, EU:C:2013:533, Rn. 35). Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Achtung des Effektivitätsgrundsatzes wird von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV bekräftigt, wonach die Mitgliedstaaten „die erforderlichen Rechtsbehelfe [schaffen], damit ein wirksamer Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet ist“.


30 – Urteil M. (EU:C:2012:744, Rn. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung).


31 – Vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission u. a. /Kadi (C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 101) und Schwarz (C‑291/12, EU:C:2013:670, Rn. 34).


32 – Vgl. Urteil Dokter u. a. (EU:C:2006:408, Rn. 75). Vgl. auch Urteil G. und R. (EU:C:2013:533, Rn. 36), in dem der Gerichtshof entschieden hat, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, die Ausübung der Verteidigungsrechte von Drittstaatsangehörigen nach denselben Modalitäten zu erlauben, wie sie für innerstaatliche Sachverhalte festgelegt sind, wobei diese Modalitäten jedoch im Einklang mit dem Unionsrecht stehen müssen und insbesondere nicht die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 2008/115 in Frage stellen dürfen.


33 – Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Bot in der Rechtssache M. (EU:C:2012:253, Nrn. 35 und 36).


34 – Vgl. Nr. 58 der vorliegenden Schlussanträge.


35 – Vgl. Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115 und Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta.


36 – Vgl. entsprechend Urteil Solvay/Kommission (C‑455/11 P, EU:C:2013:796, Rn. 89 und die dort angeführte Rechtsprechung).


37 – Vierter Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/115 (Hervorhebung nur hier).


38 – Vgl. in diesem Sinne Urteile El Dridi (EU:C:2011:268, Rn. 35) und Achughbabian (EU:C:2011:807, Rn. 31). Die Richtlinie 2008/115 bezieht sich nämlich nur auf die Rückführung von Drittstaatsangehörigen, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten, und hat somit nicht zum Ziel, die nationalen Rechtsvorschriften über den Aufenthalt von Ausländern insgesamt zu harmonisieren. Urteile Achughbabian (EU:C:2011:807, Rn. 28) und Sagor (C‑430/11, EU:C:2012:777, Rn. 31).


39 – Vgl. Nr. 52 der vorliegenden Schlussanträge.


40 – Vgl. entsprechend Urteil M. (EU:C:2012:744, Rn. 60 und 61).


41 – Vgl. Nr. 71 der vorliegenden Schlussanträge.


42 – Und gegebenenfalls der mit der Rückkehr zusammenhängenden Entscheidungen, die in Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115 genannt sind, d. h. die Entscheidungen über das Einreiseverbot sowie über die Abschiebung.


43 – Es muss betont werden, dass gegen Herrn Boudjlida im Ausgangsverfahren kein Strafverfahren durchgeführt wurde und dass er sich weder in Gewahrsam befand noch dass er während seiner Anhörung durch die Polizei seiner Freiheit entzogen war. Nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/48/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs (ABl. L 294, S. 1) können „vor ihrer Befragung durch die Polizei“ „Verdächtige oder beschuldigte Personen … unverzüglich Zugang zu einem Rechtsbeistand erhalten“. Gemäß Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2013/48 müssen die Mitgliedstaaten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft setzen, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie bis zum 27. November 2016 nachzukommen.


44 –      Vgl. Art. 13 Abs. 4 der Richtlinie 2008/115. Nach Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2008/115 können die Mitgliedstaaten Vorschriften erlassen oder beibehalten, die für die Betroffenen günstiger sind, sofern diese Vorschriften mit der Richtlinie 2008/114 im Einklang stehen.


45 – Vgl. Nr. 64 der vorliegenden Schlussanträge.


46 – Vgl. Nr. 61 der vorliegenden Schlussanträge.