Language of document : ECLI:EU:T:2013:224

URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

30. April 2013(*)

„Dumping – Einfuhren von Zeolith-A-Pulver mit Ursprung in Bosnien und Herzegowina – Normalwert – Repräsentativität der inländischen Verkäufe – Gewinnspanne – Normaler Handelsverkehr“

In der Rechtssache T‑304/11

Alumina d.o.o. mit Sitz in Zvornik (Bosnien-Herzegowina), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte J.‑F. Bellis und B. Servais,

Klägerin,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch J.-P. Hix als Bevollmächtigten im Beistand von Rechtsanwalt G. Berrisch und Rechtsanwältin A. Polcyn,

Beklagter,

unterstützt durch

Europäische Kommission, vertreten durch É. Gippini Fournier und H. van Vliet als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

wegen Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 464/2011 des Rates vom 11. Mai 2011 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren von Zeolith-A-Pulver mit Ursprung in Bosnien und Herzegowina (ABl. L 125, S. 1), soweit diese Verordnung die Klägerin betrifft,

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten N. J. Forwood (Berichterstatter) sowie der Richter F. Dehousse und J. Schwarcz,

Kanzler: C. Kristensen, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Januar 2013

folgendes

Urteil

1        Auf einen am 4. Januar 2010 eingereichten Antrag hin veröffentlichte die Europäische Kommission am 17. Februar 2010 eine Bekanntmachung der Einleitung eines Antidumpingverfahrens betreffend die Einfuhren von Zeolith-A-Pulver mit Ursprung in Bosnien und Herzegowina (ABl. C 40, S. 5).

2        Die Klägerin, die zu der Unternehmensgruppe Birac gehörende Alumina d.o.o., legte am 9. April 2010 ihre Antworten auf den Antidumping-Fragebogen vor. Die Kommission führte vom 29. Juni bis 1. Juli 2010 einen Kontrollbesuch am Unternehmenssitz der Klägerin durch.

3        Mit der Verordnung (EU) Nr. 1036/2010 der Kommission vom 15. November 2010 zur Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf Einfuhren von Zeolith-A-Pulver mit Ursprung in Bosnien und Herzegowina (ABl. L 298, S. 27, im Folgenden: vorläufige Verordnung) führte die Kommission einen vorläufigen Antidumpingzoll in Höhe von 28,1 % auf die Einfuhren von Zeolith-A-Pulver, auch Zeolith-NaA-Pulver oder Zeolith-A4-Pulver genannt, mit Ursprung in Bosnien und Herzegowina ein. Laut Randnr. 11 der vorläufigen Verordnung reichte der Untersuchungszeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2009.

4        Den Erwägungsgründen 3 und 10 der vorläufigen Verordnung ist zu entnehmen, dass die Unternehmensgruppe Birac, der die Klägerin angehört, der einzige exportierende Hersteller der betroffenen Ware in Bosnien und Herzegowina ist.

5        Um den Normalwert zu berechnen, bediente sich die Kommission, weil die Verkäufe der Klägerin auf dem Inlandsmarkt nicht im Sinne des Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 des Rates vom 30. November 2009 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. L 343, S. 51, mit Berichtigung im ABl. 2010, L 7, S. 22, im Folgenden: Grundverordnung) repräsentativ waren, der in Abs. 3 dieses Artikels vorgesehenen Methode. Zur Ermittlung des Normalwerts verwendete die Kommission den gewogenen Durchschnitt des von der Unternehmensgruppe, der die Klägerin angehört, mit Inlandsverkäufen der gleichartigen Ware erzielten Gewinns (Erwägungsgründe 21 bis 26 der vorläufigen Verordnung).

6        Mit Schreiben vom 16. November 2010 übermittelte die Kommission der Klägerin gemäß Art. 20 der Grundverordnung eine Kopie der vorläufigen Verordnung, eine Mitteilung speziell zur Berechnung der Dumpingspanne, eine weitere Mitteilung speziell zur Berechnung der Schadensspanne und schließlich eine Erwiderung auf die Stellungnahme der Klägerin zur Einleitung der Untersuchung.

7        Mit Schreiben vom 1. Dezember 2010 erläuterte die Klägerin ihre Auffassung und machte geltend, es liege ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 3 und 6 der Grundverordnung vor, weil der Ermittlung des Normalwerts die Gewinnspanne bei den Verkäufen an ihren einzigen Inlandskunden zugrunde gelegt worden sei, die aber mit einem erhöhten Risiko des Zahlungsausfalls oder ‑verzugs belastet gewesen seien und daher nicht zum normalen Handelsverkehr gehört hätten.

8        Mit Schreiben vom 16. März 2011 übermittelte die Kommission der Klägerin gemäß Art. 20 der Grundverordnung eine endgültige Unterrichtung und eine Antwort, mit der sie die in der vorstehenden Randnummer wiedergegebenen Ausführungen zu den inländischen Verkäufen zurückwies. Mit Schreiben vom 18. März 2011 bekräftigte die Klägerin hingegen ihre in der vorstehenden Randnummer zusammengefasste Position.

9        Mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 464/2011 des Rates vom 11. Mai 2011 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren von Zeolith-A-Pulver mit Ursprung in Bosnien und Herzegowina (ABl. L 125, S. 1, im Folgenden: angefochtene Verordnung) wurde ein endgültiger Antidumpingzoll auf die Einfuhren der oben in Randnr. 3 genannten Waren in Höhe von 28,1 %, bezogen auf ihren Nettopreis frei Grenze der Union, unverzollt, eingeführt und der hierfür bereits bestehende vorläufige Antidumpingzoll endgültig vereinnahmt.

10      Zur Ermittlung des Normalwerts führt der Rat der Europäischen Union in den Erwägungsgründen 19 und 20 der angefochtenen Verordnung aus, dass die Inlandsverkäufe im normalen Handelsverkehr stattgefunden hätten und sich die Organe auf diese Daten stützen dürften, obgleich diese nicht im Sinne von Art. 2 Abs. 2 der Grundverordnung repräsentativ seien. Da die fraglichen Verkäufe gewinnbringend gewesen seien, sei der ermittelte Normalwert der gleiche wie der, der sich bei der Anwendung von Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 der Grundverordnung ergeben hätte.

11      Mit dem Beschluss 2011/279/EU der Kommission vom 13. Mai 2011 zur Annahme eines Verpflichtungsangebots im Zusammenhang mit dem Antidumpingverfahren betreffend die Einfuhren von Zeolith-A-Pulver mit Ursprung in Bosnien und Herzegowina (ABl. L 125, S. 26) nahm die Kommission ein Verpflichtungsangebot der Klägerin in Form eines Mindestpreises an.

 Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

12      Mit am 16. Juni 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

13      Mit am 29. Juli 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz hat die Kommission beantragt, im vorliegenden Verfahren als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 12. September 2011 hat der Präsident der Zweiten Kammer des Gerichts diesem Antrag stattgegeben.

14      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Verordnung für nichtig zu erklären, soweit diese sie betrifft;

–        dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

15      Der Rat beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

16      Die Kommission beantragt, die Klage abzuweisen.

 Entscheidungsgründe

17      Die Klägerin macht zwei Klagegründe geltend, mit denen sie einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 3 und 6 der Grundverordnung und einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 6 Satz 1 dieser Verordnung rügt.

18      Im Rahmen ihres ersten Klagegrundes trägt die Klägerin vor, dass gemäß Art. 2 Abs. 3 der Grundverordnung der Normalwert, wenn die inländischen Verkäufe unzureichend seien, in Einklang mit Abs. 6 dieses Artikels zu ermitteln sei. Diese Berechnungsweise, die der ständigen Praxis der Organe entspreche, wenn die inländischen Verkäufe nicht die Schwelle der Repräsentativität erreichten, könne ihrem Wesen nach nicht identisch sein mit einer Berechnung des Normalwerts auf der Grundlage inländischer Verkäufe, die nicht im Sinne von Art. 2 Abs. 2 der Grundverordnung repräsentativ seien. Vielmehr sei nach den Umständen des vorliegenden Falles eine angemessene Gewinnspanne gemäß Art. 2 Abs. 6 Buchst. c der Grundverordnung heranzuziehen. Der gewogene Durchschnitt der Gewinnspanne der Unternehmensgruppe der Klägerin, der für die Berechnung des Normalwerts verwendet worden sei, aber belaufe sich auf 58,89 % im Verhältnis zu den Herstellungskosten und auf 37,06 % im Verhältnis zum Umsatz, womit diese Gewinnspanne offensichtlich unangemessen sei, was im Übrigen durch den Vergleich mit der Spanne von 5,9 % bestätigt werde, die zur Beseitigung der Schädigung der Industrie der Union errechnet worden sei.

19      Mit ihrem zweiten Klagegrund macht die Klägerin – als einen ersten Teil dieses Klagegrundes – geltend, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht repräsentative Verkäufe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 der Grundverordnung nicht als Geschäfte im normalen Handelsverkehr angesehen werden könnten. Der Begriff der repräsentativen Verkäufe einerseits und der der Verkäufe im normalen Handelsverkehr andererseits hingen nämlich ihrem Wesen nach miteinander zusammen. Da im Untersuchungszeitraum die von den Organen berücksichtigten Inlandsverkäufe nur 1,9 % der Ausfuhren in die Union ausgemacht hätten, sei der Schluss zwingend, dass die Organe den Normalwert unter Verstoß gegen Art. 2 Abs. 6 Satz 1 der Grundverordnung auf der Grundlage nicht repräsentativer Geschäfte und damit von Geschäften außerhalb des normalen Handelsverkehrs errechnet hätten.

20      Im Rahmen eines zweiten Teils dieses Klagegrundes fügt die Klägerin hinzu, dass der Kommission im Verwaltungsverfahren Informationen darüber unterbreitet worden seien, dass die Preise für Verkäufe an das Unternehmen D als einzigem berücksichtigten Inlandskunden der Klägerin um einen Zuschlag in Höhe von 25 % für das Risiko des Zahlungsverzugs oder ‑ausfalls erhöht worden seien, so dass diese Preise keinen Geschäften im normalen Handelsverkehr entsprochen hätten. Dass die Kommission sich dafür entschieden habe, diese Belege bei ihrem Kontrollbesuch nicht zu überprüfen, sei unerheblich. Überdies seien, wie die Klägerin der Kommission erläutert habe, die Schulden des Unternehmens D bei der Klägerin über eine lange Zeit hinweg durch Ausgleichsleistungen oder Forderungsabtretungen beglichen worden, so dass die Verkäufe an dieses Unternehmen in den Bereich des Tauschhandels und der Ausgleichsvereinbarungen fielen, wodurch eine besondere Marktlage im Sinne von Art. 2 Abs. 3 der Grundverordnung entstanden sei.

21      Wie aus den Randnrn. 27, 29 und 50 der Klageschrift hervorgeht, zielt das Vorbringen der Klägerin im Rahmen beider Klagegründe darauf ab, dass im vorliegenden Fall Art. 2 Abs. 6 Satz 1 der Grundverordnung nicht anwendbar sei. Die Klägerin stützt ihr Vorbringen im Wesentlichen auf zwei Erwägungen. Die erste Erwägung geht dahin, dass mit der Ermittlung eines Wertes auf der Grundlage der Gewinnspanne bei den Verkäufen an das Unternehmen D als einzigem berücksichtigten Inlandskunden der Klägerin nur nicht repräsentative Geschäfte berücksichtigt worden seien, was Art. 2 Abs. 2 der Grundverordnung zuwiderlaufe (erster Klagegrund). Mit der zweiten Erwägung wird geltend gemacht, dass die Verkäufe an das Unternehmen D nicht im normalen Handelsverkehr stattgefunden hätten, da sie zum einen nicht repräsentativ gewesen seien und da zum anderen die hierbei angewandten Preise um eine zusätzliche Spanne erhöht gewesen seien, die auf der besonderen wirtschaftlichen Lage dieses Kunden beruht habe (zweiter Klagegrund).

22      Auf Fragen in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin angegeben, dass sie, selbst wenn die Inlandsverkäufe die in Art. 2 Abs. 2 der Grundverordnung festgesetzte Schwelle der Repräsentativität erreicht hätten, dennoch der Beurteilung entgegenträte, dass diese Verkäufe im normalen Handelsverkehr getätigt worden seien, weil die Organe den auf der besonderen wirtschaftlichen Lage des Unternehmens D beruhenden Zuschlag eingerechnet hätten.

23      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass mit der Prüfung des zweiten Klagegrundes, der unter dem Gesichtspunkt des Begriffs der Geschäfte im normalen Handelsverkehr mit der Repräsentativität der Inlandsverkäufe und der Einberechnung des Zuschlags von 25 % in die Gewinnspanne zusammenhängt, das zentrale Argument der Klägerin behandelt wird, so dass dieser Klagegrund als Erstes zu prüfen ist.

24      Insoweit ist hinsichtlich des ersten Teils dieses Klagegrundes zu beachten, dass die Frage der Repräsentativität der Inlandsverkäufe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 der Grundverordnung, die ein quantitatives Kriterium bildet, grundsätzlich eine andere ist als die Frage, ob diese Verkäufe im normalen Handelsverkehr im Sinne von Art. 2 Abs. 3 und 6 der Grundverordnung stattfanden, bei der es sich um ein qualitatives Kriterium handelt, das den Charakter der fraglichen Verkäufe für sich betrachtet betrifft (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 13. Februar 1992, Goldstar/Rat, C‑105/90, Slg. 1992, I‑677, Randnr. 13). Gleichwohl bildet der Umfang der inländischen Verkäufe einen Faktor, der die Preisbildung beeinflussen kann, so dass zwischen den beiden Kriterien eine Wechselwirkung bestehen kann, so beispielsweise dann, wenn der Inlandsmarkt derart begrenzt ist, dass die Preise nicht aus dem Spiel von Angebot und Nachfrage resultieren (vgl. in diesem Sinne Urteil Goldstar/Rat, Randnrn. 15 bis 18).

25      Diese mögliche Wechselwirkung bedeutet jedoch nicht, dass die Inlandsverkäufe, wenn die Schwelle der Repräsentativität von 5 % nicht erreicht wird, nicht als Geschäfte im normalen Handelsverkehr anzusehen wären. Es lässt sich nämlich nicht völlig ausschließen, dass diese Inlandsverkäufe trotz ihres geringen Volumens im normalen Handelsverkehr getätigt werden, wenn sie nämlich dennoch ein normales Verhalten der daran beteiligten Wirtschaftsteilnehmer widerspiegeln. Unter diesen Umständen ist zunächst über die Einberechnung des Zuschlags von 25 % in die Gewinnspanne zu befinden und demgemäß erst der zweite, oben in Randnr. 20 wiedergegebene Teil des zweiten Klagegrundes zu prüfen.

26      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach der in Art. 1 Abs. 2 der Grundverordnung gegebenen Definition des Begriffs des Dumpings der Preis bei der Ausfuhr mit dem Preis der gleichartigen Ware im normalen Handelsverkehr im Ausfuhrland zu vergleichen ist, wie es ebenso in Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 6 der Grundverordnung vorgesehen ist und im fünften Erwägungsgrund dieser Verordnung zum Ausdruck kommt, wonach sich die Ermittlung des Normalwerts in allen Fällen auf repräsentative Verkäufe im normalen Handelsverkehr im Ausfuhrland stützen muss.

27      Im Übrigen wird, wenn der Normalwert nicht gemäß Art. 2 Abs. 1 der Grundverordnung festgelegt werden kann, mit seiner Ermittlung gemäß Art. 2 Abs. 3 und 6 der Grundverordnung bezweckt, einen Wert zu finden, der so nahe wie möglich an dem Verkaufspreis liegt, den das betreffende Erzeugnis hätte, wenn es im normalen Handelsverkehr des Ursprungs- oder Ausfuhrlands verkauft würde (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 10. März 1992, Minolta Camera/Rat, C‑178/87, Slg. 1992, I‑1577, Randnr. 17).

28      Folglich soll es die Ermittlung des Normalwerts den Organen ermöglichen, zu beurteilen, ob im Untersuchungszeitraum eine Dumpingpraxis angewandt wurde, und zwar nach Regeln mit objektiver Bedeutung unbeschadet des Ergebnisses dieser Berechnung. Der Begriff des normalen Handelsverkehrs soll also bei der Ermittlung des Normalwerts Fälle ausschließen, in denen die Verkäufe auf dem Inlandsmarkt nicht unter solchen Bedingungen getätigt wurden, insbesondere dann, wenn ein Erzeugnis zu einem Preis unter den Herstellungskosten verkauft wird oder wenn Geschäfte zwischen Partnern geschlossen werden, die einem Unternehmenszusammenschluss angehören oder die eine Ausgleichsvereinbarung getroffen haben (Urteil Goldstar/Rat, oben in Randnr. 24 angeführt, Randnr. 13). Wie aus Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 3 und Art. 2 Abs. 4 der Grundverordnung hervorgeht und vom Rat in Randnr. 57 der Klagebeantwortung unterstrichen worden ist, handelt es sich bei diesen Umständen um Beispiele für Verkäufe, die nicht als im normalen Handelsverkehr getätigt angesehen werden können.

29      In diesem Kontext hat der Begriff der Verkäufe im normalen Handelsverkehr eine objektive Bedeutung und kann nicht nur von den Organen geltend gemacht werden, um Praktiken zur Verschleierung eines Dumpings oder seines Umfangs (Ausgleichsvereinbarungen mit künstlich niedrigen Verkaufspreisen, Verkäufe im Inland zu Preisen unter den Herstellungskosten über einen langen Zeitraum) zu neutralisieren, sondern auch von den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern in Anbetracht von Umständen, die den normalen Charakter der fraglichen Geschäfte berühren (vgl. zur Veranschaulichung Urteil des Gerichtshofs vom 9. Januar 2003, Petrotub und Republica, C‑76/00 P, Slg. 2003, I‑79, Randnrn. 65 bis 68 und 84 und 86).

30      Folglich haben die Organe Verkäufe, die nicht im normalen Handelsverkehr stattfanden, von der Berechnung des Normalwerts unabhängig davon auszuschließen, ob der Verkaufspreis über dem Preis, der im normalen Handelsverkehr praktiziert worden wäre, oder unter diesem Preis lag, aus welchem Grund das Geschäft nicht im normalen Handelsverkehr stattfand und wie sich dieser Ausschluss auf die Feststellung auswirkt, ob ein Dumping vorliegt oder welchen Umfang es hat. Eine Berücksichtigung von Verkäufen außerhalb des normalen Handelsverkehrs, gleichviel ob zu niedrigen oder erhöhten Preisen, würde nämlich, wie das Berufungsgremium der Welthandelsorganisation (WTO) zu Art. 2.1 des Übereinkommens zur Durchführung des Artikels VI des Allgemeinen Zoll‑ und Handelsabkommens 1994 (GATT) (ABl. L 336, S. 103), das dem Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) als Anhang 1 A beigefügt ist (ABl. 1994, L 336, S. 3), festgestellt hat, den Wert verfälschen, der als ein „Normalwert“ definiert ist (Bericht des Berufungsgremiums der WTO vom 24. Juli 2011 in der Sache „USA – Antidumping-Maßnahmen für bestimmte Waren aus Warmwalzstahl mit Ursprung in Japan“, Randnrn. 144 und 145).

31      Im vorliegenden Fall legte die Klägerin in ihren Antworten auf den Antidumping-Fragebogen vom 9. April 2010 dar, dass sich ihre finanziellen Beziehungen zu dem Unternehmen D als ihrem einzigen Inlandskunden wegen Zahlungsrückständen verschlechtert hätten, was die Berechnung eines Risikozuschlags auf die Verkaufspreise für Zeolith-A gerechtfertigt habe. Ergänzende Angaben hierzu machte die Klägerin in ihrem Schreiben vom 1. Dezember 2010 (vgl. oben, Randnr. 7), dem u. a. ein Vertrag vom 29. Mai 2009 zwischen der Klägerin und dem Unternehmen D beigefügt war, der die Festsetzung des fraglichen Zuschlags auf 25 % enthielt.

32      Hierauf erwiderte die Kommission in ihrem Schreiben vom 16. März 2011 (vgl. oben, Randnr. 8), sie habe, da das Unternehmen D der einzige Inlandskunde der Klägerin sei, nicht überprüfen können, ob die Verkaufspreise gegenüber diesem Unternehmen wirklich einen Risikozuschlag von 25 % enthalten hätten. Nach Ansicht der Kommission war daher dieses Vorbringen der Klägerin außer Betracht zu lassen, ohne dass auch nur zu prüfen gewesen wäre, ob diese Verkäufe außerhalb des normalen Handelsverkehrs stattgefunden hätten. Gleichwohl heißt es im 20. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung, „die Untersuchung [habe ergeben], dass die Daten und Beweise, die von Birac vorgelegt wurden, eine verlässliche Grundlage für die Bestimmung des Normalwertes darstellten“, so dass das Vorbringen der Klägerin, wonach die Inlandsverkäufe nicht im normalen Handelsverkehr stattgefunden hätten, zurückgewiesen wurde.

33      Insoweit ist erstens darauf hinzuweisen, dass entgegen den Ausführungen der Kommission in ihrem Schreiben vom 16. März 2011 das Fehlen von Inlandsverkäufen an andere Kunden als das Unternehmen D eine solche Überprüfung nicht unmöglich macht. Zunächst nämlich hatte die Klägerin die Angabe, dass ein Risikozuschlag berechnet worden sei, schon bei ihrer Beantwortung des Antidumping-Fragebogens gemacht, also bereits vor dem Kontrollbesuch. Weiter ist in dem Vertrag, den die Klägerin der Kommission vorlegte (vgl. oben, Randnr. 31), in dessen Art. 6 der Risikozuschlag eindeutig ausgewiesen, wobei im Übrigen die Berechnung einer Gewinnspanne von 58,89 % im Verhältnis zu den Herstellungskosten oder von 37,06 % im Verhältnis zu dem Umsatz ernste Anhaltspunkte dafür bildete, dass der Zuschlag wirklich angewandt wurde. Sodann ergibt sich aus den Anlagen 3.2 und 3.3 zum Schreiben der Klägerin vom 1. Dezember 2010, dass das Unternehmen D seine Schulden mindestens seit 2008 mit Verzögerungen beglich und sich diese Tendenz im Jahr 2009 fortsetze, wie durch eine Tabelle in der Anlage 2 zu diesem Schreiben belegt wird. Schließlich wurde das Argument, dass der Zuschlag von 25 % tatsächlich berechnet worden sei, von der Kommission in ihrem Schreiben vom 16. März 2011 akzeptiert und sogar verwendet, um auf ein anderes Argument der Klägerin zu erwidern, mit dem diese den normalen Charakter der fraglichen Verkäufe, in diesem Fall wegen Ausgleichsvereinbarungen mit dem Unternehmen D, bestritten hatte.

34      Zweitens wird mit der Behauptung der Kommission, die Klägerin habe nicht dargetan, dass die in Frage stehenden Geschäfte keine normalen Geschäfte gewesen seien, außer Betracht gelassen, dass die Klägerin in ihren Antworten auf den Antidumping-Fragebogen angegeben hatte, dass die dem Unternehmen D berechneten Preise einen Risikozuschlag enthalten hätten, und dass sie dieses Vorbringen auf den S. 7 bis 9 ihres Schreibens vom 1. Dezember 2010 näher ausgeführt hatte.

35      Drittens hat der Rat in Randnr. 30 seiner Gegenerwiderung erklärt, dass die Kommission diesen Aspekt nicht überprüft habe, da sie die Darlegungen der Klägerin deshalb zurückgewiesen habe, weil diese Umstände die fraglichen Geschäfte nicht zu „anormalen“ Geschäften machten. Wenn der 20. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung (vgl. oben, Randnr. 32) in diesem Sinne zu verstehen sein sollte, ist dazu Folgendes zu bemerken.

36      Ein Risikozuschlag wie der hier fragliche bildet in Wirklichkeit die Gegenleistung für das Risiko, das der Lieferant damit eingeht, dass er einem bestimmten Kunden Waren verkauft und ihm dabei eine Zahlungsfrist einräumt. Der Zuschlag bildet daher nicht einen Teil des Werts der verkauften Ware und hängt auch nicht mit ihren Merkmalen zusammen, sondern die Erhebung des Zuschlags und seine Höhe richten sich nach der Identität des Kunden und danach, wie der Lieferant dessen Zahlungsfähigkeit einschätzt. Folglich wird mit der Berücksichtigung eines solchen Zuschlags in die Berechnung des Normalwerts ein Faktor eingeführt, der nicht zur Ermittlung des Preises geeignet ist, zu dem die Ware in ihrem Ursprungsland verkauft worden wäre (vgl. oben, Randnr. 27), sondern der sich ausschließlich auf die Finanzkraft des speziellen inländischen Käufers bezieht.

37      In diesem Zusammenhang wird durch das vom Rat in Randnr. 58 der Klagebeantwortung vorgetragene Argument, dass einem mit der Finanzkraft des Kunden zusammenhängenden Risiko mit Schadensersatz, Kreditbriefen oder Vorauszahlungen, nicht aber mit einem Risikozuschlag begegnet werden könne, nicht erklärt, warum die Wahl eines Risikozuschlags dem Verkäufer nicht offenstehen soll, und damit auch nicht, warum das Bestehen eines solchen Risikos nicht die Erhöhung des Verkaufspreises um einen Zuschlag rechtfertigen kann, der sowohl dieses Risiko selbst als auch die etwaigen Kosten ausgleichen soll, die dem Lieferanten entstünden, wenn er letztlich gegen seinen Kunden gerichtlich vorgehen müsste.

38      Unter den Umständen des vorliegenden Falles wird durch die Einberechnung eines Risikozuschlags wie des fraglichen in die Gewinnspanne zur Ermittlung des Normalwerts ein Element berücksichtigt, das nicht einen Teil des Werts der verkauften Ware widerspiegelt und damit das Ergebnis der Berechnung des Normalwerts künstlich erhöht, so dass dieses Ergebnis nicht so genau wie möglich – vorbehaltlich einer späteren geeigneten Berichtigung gemäß Art. 2 Abs. 10 Buchst. k der Grundverordnung – den Verkaufspreis widerspiegelt, den die Ware hätte, wenn sie im Ursprungsland im normalen Handelsverkehr verkauft würde (vgl. oben, Randnrn. 27 bis 30).

39      Es ist hinzuzufügen, dass im vorliegenden Fall auch das Vorbringen des Rates und der Kommission in der mündlichen Verhandlung nicht durchgreift, wonach es für die Festsetzung von Antidumpingzöllen unerheblich sei, aus welchen Gründen ein Hersteller ein Dumping praktiziere. Auch wenn nämlich die Gründe, aus denen ein Ausführer möglicherweise ein Dumping praktiziert, für die entsprechenden Berechnungen unerheblich sind, ändert dies doch nichts daran, dass die Feststellung eines Dumpings, das erste Stadium bei der Prüfung der Frage, ob ein Antidumpingzoll festzusetzen ist, sich auf einen rein objektiven Vergleich zwischen dem Normalwert und den Ausfuhrpreisen stützt (Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 2006, Ritek und Prodisc Technology/Rat, T‑274/02, Slg. 2006, II‑4305, Randnr. 59). Im vorliegenden Fall betrifft der von der Klägerin gerügte Mangel, der in der Einbeziehung des Risikozuschlags liegen soll, die Richtigkeit der Normalwertberechnung zur Beurteilung der Frage, ob ein Dumping vorliegt, und ist damit der Feststellung des Vorliegens einer solchen Praktik vorgelagert, so dass er die Stichhaltigkeit dieser Feststellung selbst berühren kann.

40      Ebenso wenig kann sich der Rat auf die Rechtsprechung berufen, die Inlandsverkäufe zu Preisen betrifft, die angeblich wegen eines dem Warenhersteller zustehenden Patentschutzes erhöht gewesen seien (Urteil des Gerichtshofs vom 3. Mai 2001, Ajinomoto und NutraSweet/Rat und Kommission, C‑76/98 P und C‑77/98 P, Slg. 2001, I‑3223, und Urteil des Gerichts vom 18. Dezember 1997, Ajinomoto und NutraSweet/Rat, T‑159/94 und T‑160/94, Slg. 1997, II‑2461). Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Klägerinnen in diesen Rechtssachen, wie das Gericht und der Gerichtshof ausgeführt haben, nicht geltend gemacht hatten, dass das Bestehen des Patentschutzes nicht die wirkliche Marktsituation in dem betroffenen Drittland widerspiegele oder dass die berücksichtigten Verkäufe nicht im normalen Handelsverkehr stattgefunden hätten (Urteil Ajinomoto und NutraSweet/Rat und Kommission, Randnr. 41, und Urteil Ajinomoto und NutraSweet/Rat, Randnrn. 127 bis 129). Hierzu ist ergänzend zu bemerken, dass die Verordnung (EWG) Nr. 2423/88 des Rates vom 11. Juli 1988 über den Schutz gegen gedumpte oder subventionierte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. L 209, S. 1), in deren Rahmen die vorgenannte Rechtsprechung erging, insofern einer anderen Konzeption folgte als die Grundverordnung, als sie nicht die Möglichkeit einer Berichtigung des Normalwerts vorsah, wenn die Käufer infolge bestimmter Faktoren, die auf dem Inlandsmarkt bestehen und die Vergleichbarkeit der Preise beeinträchtigen, auf diesem Markt anhaltend unterschiedliche Preise zahlen, während Art. 2 Abs. 10 Buchst. k der Grundverordnung diese Möglichkeit vorsieht.

41      Nach alledem ist, ohne dass die Rechtmäßigkeit der Heranziehung von Art. 2 Abs. 6 Satz 1 der Grundverordnung im Licht der im Rahmen des ersten Klagegrundes erhobenen Rügen geprüft werden müsste, der Klage stattzugeben und die angefochtene Verordnung für nichtig zu erklären, soweit diese die Klägerin betrifft.

 Kosten

42      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Rat unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen. Gemäß Art. 87 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung hat die Kommission ihre eigenen Kosten zu tragen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 464/2011 des Rates vom 11. Mai 2011 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren von Zeolith-A-Pulver mit Ursprung in Bosnien und Herzegowina wird für nichtig erklärt, soweit diese Verordnung die Alumina d.o.o. betrifft.

2.      Der Rat der Europäischen Union trägt neben seinen eigenen Kosten die Kosten, die der Alumina d.o.o. entstanden sind.

3.      Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten.

Forwood

Dehousse

Schwarcz

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 30. April 2013.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Französisch.