Language of document : ECLI:EU:T:2011:276

URTEIL DES GERICHTS (Sechste erweiterte Kammer)

16. Juni 2011(*)

„Wettbewerb – Kartelle – Wasserstoffperoxid und Natriumperborat – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird – Dauer der Zuwiderhandlung – Begriffe ‚Vereinbarung‘ und ‚abgestimmte Verhaltensweise‘ – Akteneinsicht – Geldbußen – Mitteilung über Zusammenarbeit – Gleichbehandlung – Vertrauensschutz – Begründungspflicht“

In der Rechtssache T‑186/06

Solvay SA mit Sitz in Brüssel (Belgien), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte O. W. Brouwer und D. Mes sowie Solicitors M. O’Regan und A. Villette, dann Rechtsanwälte O. W. Brouwer und A. Stoffer sowie Solicitors M. O’Regan und A. Villette,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten zunächst durch F. Arbault, dann durch V. Di Bucci und V. Bottka als Bevollmächtigte im Beistand von M. Gray, Barrister,

Beklagte,

wegen teilweiser Nichtigerklärung der Entscheidung K (2006) 1766 endg. der Kommission vom 3. Mai 2006 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR‑Abkommen (Sache COMP/F/38.620 – Wasserstoffperoxid und Perborat) einerseits und Nichtigerklärung oder Herabsetzung der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße andererseits

erlässt

DAS GERICHT (Sechste erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung der Richter V. Vadapalas (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten, A. Dittrich und L. Truchot,

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. März 2010

folgendes

Urteil

 Sachverhalt

1        Die Klägerin, die Solvay SA, ist eine Gesellschaft belgischen Rechts, die zur Zeit des Sachverhalts u. a. Wasserstoffperoxid (im Folgenden: HP) und Natriumperborat (im Folgenden: PBS) herstellte.

2        Am 7. Mai 2002 erlangte die Klägerin die 100%ige Kontrolle über die Ausimont SpA (später Solvay Solexis SpA), die zur Zeit des Sachverhalts zu 100 % von der Montedison SpA (später Edison SpA) kontrolliert wurde.

3        Im November 2002 teilte die Degussa AG der Kommission der Europäischen Gemeinschaften das Bestehen eines Kartells auf dem HP- und dem PBS-Markt mit und beantragte die Anwendung der Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit).

4        Degussa legte der Kommission konkrete Beweise vor, aufgrund deren diese am 25. und 26. März 2003 Nachprüfungen in den Geschäftsräumen von drei Unternehmen, darunter denen der Klägerin, durchführen konnte.

5        Im Anschluss an diese Nachprüfungen beantragten mehrere Unternehmen, u. a. die EKA Chemicals AB, die Arkema SA (vormals Atofina SA) und die Klägerin, die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit und übermittelten der Kommission Beweise für das fragliche Kartell.

6        Am 26. Januar 2005 übersandte die Kommission der Klägerin und den anderen betroffenen Unternehmen eine Mitteilung der Beschwerdepunkte.

7        Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 29. April und 27. Juni 2005 Einsicht zum einen in die nichtvertraulichen Fassungen der Antworten der anderen betroffenen Unternehmen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte und zum anderen in bestimmte vertrauliche Unterlagen der von Degussa vorgelegten Akten.

8        Mit Schreiben vom 4. Mai und 20. Juli 2005 verweigerte die Kommission zum einen die Einsicht in die Antworten auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte und gab zum anderen einen Teil der von Degussa vorgelegten Unterlagen frei.

9        Nach Anhörung der betroffenen Unternehmen am 28. und 29. Juni 2005 erließ die Kommission die Entscheidung K (2006) 1766 endg. vom 3. Mai 2006 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR‑Abkommen gegen Akzo Nobel NV, Akzo Nobel Chemicals Holding AB, EKA Chemicals, Degussa, Edison, FMC Corp., FMC Foret SA, Kemira Oyj, L’Air liquide SA, Chemoxal SA, SNIA SpA, Caffaro Srl, die Klägerin, Solvay Solexis, Total SA, Elf Aquitaine SA und Arkema (Sache COMP/F/38.620 – Wasserstoffperoxid und Perborat) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung), von der eine Zusammenfassung im Amtsblatt der Europäischen Union vom 13. Dezember 2006 (ABl. L 353, S. 54) veröffentlicht wurde. Die Entscheidung wurde der Klägerin mit Schreiben vom 8. Mai 2006 bekannt gegeben.

 Angefochtene Entscheidung

10      Die Kommission führte in der angefochtenen Entscheidung aus, dass deren Adressaten in Bezug auf HP und das nachgelagerte PBS an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) teilgenommen hätten (zweiter Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

11      Die festgestellte Zuwiderhandlung umfasste vor allem den Austausch geschäftlich wichtiger und vertraulicher Markt- und/oder Unternehmensinformationen durch die Wettbewerber, die Einschränkung und Kontrolle der Produktion und der potenziellen und vorhandenen Produktionskapazitäten, die Aufteilung der Marktanteile und der Kunden sowie die Festsetzung und Überwachung der Einhaltung von Zielpreisen.

12      Zur Berechnung der Höhe der Geldbußen wandte die Kommission das Verfahren an, das in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 [KS] festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien), festgelegt ist.

13      Die Kommission setzte die Grundbeträge der Geldbußen nach Maßgabe der Schwere und Dauer des Verstoßes fest (452. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), wobei dieser als sehr schwer eingestuft wurde (457. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

14      Aufgrund einer differenzierten Behandlung wurde die Klägerin als einer der größten Anbieter auf den betreffenden Märkten im EWR der ersten Gruppe zugeordnet, was einem Ausgangsbetrag von 50 Millionen Euro entspricht (460. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

15      Um eine hinreichend abschreckende Wirkung sicherzustellen, wurde in Anbetracht des bedeutenden Umsatzes der Klägerin auf diesen Ausgangsbetrag ein Multiplikator von 1,5 angewandt (463. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

16      Da die Klägerin nach Auffassung der Kommission vom 31. Januar 1994 bis 31. Dezember 2000, d. h. während eines Zeitraums von sechs Jahren und elf Monaten, an der Zuwiderhandlung beteiligt war, wurde der Ausgangsbetrag ihrer Geldbuße um 65 % erhöht (467. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

17      Unter Berücksichtigung der erschwerenden Umstände wurde der Grundbetrag der Geldbuße wegen der Tatwiederholung um 50 % erhöht (469. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

18      Die Kommission war der Auffassung, dass die Klägerin das dritte Unternehmen gewesen sei, das die in Nr. 21 der Mitteilung über Zusammenarbeit vorgesehene Bedingung erfüllt habe, und gewährte ihr daher eine Herabsetzung der Geldbuße um 10 % (Erwägungsgründe 501 bis 524 der angefochtenen Entscheidung).

19      Art. 1 Buchst. m der angefochtenen Entscheidung zufolge hat die Klägerin gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 EWR-Abkommen verstoßen, indem sie sich vom 31. Januar 1994 bis 31. Dezember 2000 an der Zuwiderhandlung beteiligt hat.

20      Der Endbetrag der gegen die Klägerin gemäß Art. 2 Buchst. h der angefochtenen Entscheidung festgesetzten Geldbuße beträgt 167,062 Millionen Euro.

 Verfahren und Anträge der Parteien

21      Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 17. Juli 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

22      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Sechsten Kammer zugeteilt worden, und nach Anhörung der Parteien ist die vorliegende Rechtssache der Sechsten erweiterten Kammer zugewiesen worden.

23      Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen vom 22. Juli 2009 und 6. Januar 2010 hat das Gericht schriftliche Fragen an die Parteien gerichtet, die diese am 15. September 2009 und 29. Januar 2010 beantwortet haben.

24      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Die Parteien haben in der Sitzung vom 3. März 2010 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

25      Da zwei Mitglieder der Kammer verhindert waren, an der Beratung teilzunehmen, sind gemäß Art. 32 der Verfahrensordnung des Gerichts die Beratungen des Gerichts von den drei Richtern fortgesetzt worden, die das vorliegende Urteil unterzeichnet haben.

26      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung ganz oder teilweise für nichtig zu erklären, insbesondere soweit die Kommission darin die Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung in der Zeit vom 31. Januar 1994 bis August 1997 und vom 18. Mai bis 31. Dezember 2000 festgestellt hat;

–        die gegen sie und gegen Solvay Solexis verhängten Geldbußen für nichtig zu erklären oder erheblich herabzusetzen;

–        die Kommission zur Tragung der Kosten des Verfahrens einschließlich der für die Stellung einer Bankbürgschaft zur Sicherung der Zahlung der Geldbuße anfallenden Kosten zu verurteilen.

27      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

28      Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 15. September 2009 den zweiten Klageantrag teilweise zurückgenommen, sofern er die Nichtigerklärung oder Herabsetzung der gegen Solvay Solexis verhängten Geldbuße betraf. Diese Rücknahme ist in der mündlichen Verhandlung bestätigt worden, was im Sitzungsprotokoll vermerkt worden ist.

 Rechtliche Würdigung

29      Die Klägerin stützt ihre Klage auf fünf Klagegründe, mit denen sie Rechtsfehler und Fehler bei der Beurteilung des Sachverhalts rügt, und zwar erstens bezüglich der Feststellung ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung vom 31. Januar 1994 bis August 1997, zweitens bezüglich der Feststellung ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung vom 18. Mai bis 31. Dezember 2000, drittens bezüglich der Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit, viertens bezüglich der Festsetzung der Geldbuße und fünftens bezüglich der Verweigerung der Einsicht in bestimmte Aktenstücke.

30      Dem Vorbringen der Klägerin ist zu entnehmen, dass die Klagegründe bezüglich der Dauer ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung (erster und zweiter Klagegrund) und der Akteneinsicht (fünfter Klagegrund) im Rahmen ihres Antrags auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung vorgetragen werden, während die Klagegründe bezüglich der Festsetzung der Geldbuße (vierter Klagegrund) und deren Herabsetzung gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit (dritter Klagegrund) im Rahmen ihres Antrags auf Nichtigerklärung der Geldbuße oder deren Herabsetzung vorgetragen werden.

31      Die Klagegründe sind daher in dieser Reihenfolge zu prüfen.

 Zur Dauer der Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung

 Vorbringen der Parteien

32      Mit dem ersten und dem zweiten Klagegrund rügt die Klägerin die Feststellung, dass sie in der Anfangs- und der Endphase des Kartells, d. h. vom 31. Januar 1994 bis August 1997 und vom 18. Mai bis 31. Dezember 2000 an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei.

–       Zum Zeitraum vom 31. Januar 1994 bis August 1997

33      Die Klägerin stellt die Feststellung der Kommission in Frage, dass sie vom 31. Januar 1994 bis August 1997 an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei. Sie unterscheidet zwischen der Zeit vor Mai 1995 und der Zeit von Mai 1995 bis August 1997.

34      Für die Zeit vom 31. Januar 1994 bis Mai 1995 habe die Kommission nicht dargetan, dass die Klägerin an Besprechungen oder einem Informationsaustausch mit Wettbewerbern beteiligt gewesen sei.

35      Erstens sei für das Treffen von Stockholm zwischen EKA Chemicals und Kemira am 31. Januar 1994, dem vermeintlichen Beginn der Zuwiderhandlung, nicht klar nachgewiesen, dass es tatsächlich stattgefunden habe, denn es sei von Kemira nicht bestätigt worden.

36      Die Aufzeichnungen, die EKA Chemicals während dieses Treffens gemacht habe und die auf einen Austausch von Kemira mit anderen Unternehmen, u. a. der Klägerin, Bezug nähmen, belegten außerdem nicht die Rechtswidrigkeit dieser Besprechungen. Es seien hierfür auch keine anderen Belege vorgebracht worden, die es ermöglichten, einen Zusammenhang zwischen dem bilateralen Kartell zwischen EKA Chemicals und Kemira auf dem skandinavischen Markt und dem angeblichen Kartell auf europäischer Ebene herzustellen.

37      Da die Aufzeichnungen von EKA Chemicals erwähnten, dass die Ergebnisse der Besprechungen mit Air liquide „nicht sehr gut gewesen seien“ und die Diskussionen mit der Klägerin „zufriedenstellendere Fortschritte gemacht hätten“, zeigten sie, dass Kemira weder eine Einigung mit Air liquide noch mit der Klägerin erzielt habe. Da die Kommission festgestellt habe, dass sich Air liquide zu diesem Zeitpunkt nicht an der Zuwiderhandlung beteiligt habe, hätte sie in Bezug auf die Klägerin daraus denselben Schluss ziehen müssen.

38      Zweitens habe das Treffen in Göteborg vom 2. November 1994 kein wettbewerbswidriges Ziel gehabt. Die Behauptung der Kommission, bei diesem Treffen seien Geschäftsdaten ausgetauscht worden, werde durch die von EKA Chemicals vorgelegten Beweise nicht bestätigt und stehe im Widerspruch zu den Informationen, die die Klägerin geliefert habe.

39      Drittens reichten, was die Kontakte am Rande der Sitzungen des European Chemical Industry Council (CEFIC) am 29. April 1994 in Rom und am 25. November 1994 in Zaventem betreffe, die Erklärungen von Degussa über den Austausch „sensibler Wettbewerbsinformationen“ nicht aus, um die Rechtswidrigkeit dieser Kontakte darzutun.

40      Für die Zeit von Mai 1995 bis August 1997 räumt die Klägerin zwar ein, dass es zu einem Informationsaustausch mit Wettbewerbern gekommen sei, dieser Austausch könne aber nicht als Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise eingestuft werden.

41      Der bloße Wunsch, den Wettbewerb zu beeinträchtigen, stelle keinen Verstoß gegen Art. 81 EG dar. Die Kommission hätte das Vorliegen einer Vereinbarung beweisen müssen, die von dem gemeinsamen Wunsch getragen werde, sich auf dem Markt in bestimmter Weise zu verhalten. Sämtliche in der angefochtenen Entscheidung angeführten bis August 1997 abgehaltenen Treffen seien beendet worden, ohne dass sich die Unternehmen über irgendein rechtswidriges Verhalten geeinigt hätten.

42      Entgegen der im 305. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführten Rechtsprechung habe die Kommission daher nicht dargetan, dass sich die betroffenen Unternehmen über eine spezifische Verhaltensweise geeinigt hätten, die den Wettbewerb beeinträchtige.

43      Die Kommission habe auch nicht dargetan, dass der Informationsaustausch in dem fraglichen Zeitraum eine abgestimmte Verhaltensweise dargestellt habe.

44      Eine abgestimmte Verhaltensweise setze voraus, dass sich Wettbewerber auf ein bestimmtes Verhalten einigten, dass sie aufgrund von Kontakten zwischen den Unternehmen jede Ungewissheit hinsichtlich ihres gegenseitigen Verhaltens ausschließen könnten und dass sich dies auf das Marktverhalten auswirke.

45      Die im 298. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführte Rechtsprechung, nach der der Informationsaustausch zur Vorbereitung eines Kartells als eine abgestimmte Verhaltensweise betrachtet werden könne, könne nur herangezogen werden, sofern eine Vereinbarung bereits getroffen worden sei und der Austausch zu deren Umsetzung stattfinde. Vorliegend habe es vor dem fraglichen Informationsaustausch jedoch keine Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise gegeben.

46      Die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Teilnehmern der fraglichen Treffen seien so schwerwiegend gewesen, dass es zwischen ihnen keine praktische Zusammenarbeit und daher keine abgestimmte Verhaltensweise habe geben können.

47      Darüber hinaus seien die ausgetauschten Informationen weder geeignet gewesen, das Verhalten der Wettbewerber zu beeinflussen, noch, die Ungewissheit hinsichtlich des Marktverhaltens der anderen Unternehmen deutlich zu verringern.

48      Im fraglichen Zeitraum hätten sich die Besprechungen auf die Kapazitäten und Mengen der verschiedenen Lieferanten sowie darauf konzentriert, das Problem neuer Kapazitäten zu lösen und die zusätzliche Nachfrage aufzuteilen. Der Informationsaustausch habe sich auf die Produktionsmengen bezogen und sei dazu bestimmt gewesen, Modelle zur Art der Aufteilung dieser Mengen zu erstellen, um eine angemessene Kapazitätsauslastung zu gewährleisten, nicht jedoch zur Aufteilung des Marktes. Die Unternehmen hätten aufgrund dieser Informationen ihr Geschäftsverhalten nicht anpassen können.

49      Da die Kommission es versäumt habe, zu prüfen, ob die ausgetauschten Informationen zu wettbewerbswidrigen Zwecken hätten verwendet werden können, habe sie keinen Kausalzusammenhang zwischen den mutmaßlichen abgestimmten Verhaltensweisen und dem Marktverhalten herstellen können.

50      Der Hinweis von Degussa auf den Austausch „sensibler Wettbewerbsinformationen“ sei kein hinreichender Beleg für dessen Rechtswidrigkeit.

51      Degussa habe in ihrem Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung und ihrer Antwort vom 5. September 2003 auf das Auskunftsersuchen der Kommission ohne jede Präzisierung zum Inhalt der ausgetauschten Informationen Kontakte mit Wettbewerbern erwähnt, die angeblich mehrere Jahre gedauert hätten. Solche Angaben im Rahmen eines Antrags auf Anwendung der Kronzeugenregelung seien mit Vorsicht zu verstehen. Die Erklärungen von Degussa seien mehrdeutig und von zweifelhaftem Beweiswert, da sie nicht aus der Zeit des Sachverhalts stammten und nicht die Identifizierung einzelner Zeugen zuließen. Da sie nicht durch andere Aktenstücke bestätigt würden, reichten sie nicht aus, um die Zuwiderhandlung nachzuweisen.

52      Degussa selbst habe nicht bekannt, vor „Mitte 1997“ eine Zuwiderhandlung begangen zu haben. Sie habe festgestellt, dass „der Ausdruck ‚Austausch sensibler Marktinformationen‘ den typischen Inhalt einer Diskussion zwischen Geschäftsleuten konkurrierender Unternehmen [kennzeichne]“ und diese „keine aktive Abstimmung der Unternehmenspolitik“ voraussetze. Ein solcher Austausch „[habe] nur den Umfang der für die künftigen Unternehmensentscheidungen erforderlichen Informationen verbessern sollen“. Er habe daher einem anderen Zweck gedient als der Schaffung eines „Klimas“, in dem Entscheidungen für die Zukunft getroffen werden könnten.

53      Die Erklärungen von Degussa seien von den anderen Unternehmen nicht bekräftigt worden. Die Unterlagen, die EKA Chemicals vorgelegt habe, bestätigten nur einen Informationsaustausch zwischen ihr und Kemira. Arkema habe nur Diskussionen über ein Modell erwähnt, das zur Aufteilung der Produktions„kapazitäten“ herangezogen werden könne, und die gescheitert seien. Daraus folge, dass die Hersteller Anfang 1997 trotz entsprechender Bemühungen weder eine Vereinbarung getroffen noch sich über eine „Marktorganisation auf europäischer Ebene“ verständigt hätten.

54      Gegen das Vorliegen einer Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise spreche zum einen das damalige Verhalten von Degussa, insbesondere ihr Projekt „WAR“, das der Umsatzsteigerung ohne Berücksichtigung der Preise habe dienen sollen, und zum anderen das Scheitern der Erörterungen bei dem Treffen im Mai 1997 in Sevilla, die Degussa und Arkema wegen des mangelnden Vertrauens zwischen den Herstellern als „in einer Sackgasse“ befindlich beschrieben hätten. Die Kommission habe im 164. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung selbst eingeräumt, dass bei diesem Treffen, bei dem der Vertreter der Klägerin „türeschlagend“ den Saal verlassen habe, noch keine Vereinbarung zustande gekommen sei.

55      Ohne das Vorliegen einer Abstimmung nachgewiesen zu haben, hätte die Kommission nicht davon ausgehen können, dass die Unternehmen die Informationen, die sie von anderen Unternehmen erhalten hätten, berücksichtigt hätten. Anders als in der Rechtssache, in der das Urteil des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Hüls/Kommission (C‑199/92 P, Slg. 1999, I‑4287, Randnrn. 161 und 162), ergangen sei, seien die betreffenden Unternehmen vorliegend nicht in der Lage gewesen, eine Einigung über irgendeinen Aspekt ihrer Geschäftspolitik zu erzielen, und die ausgetauschten Informationen seien jedenfalls nicht geeignet gewesen, bei Umsetzung einer abgestimmten Verhaltensweise berücksichtigt zu werden.

56      Gegen eine abgestimmte Verhaltensweise spreche auch, dass der HP-Markt bis August 1997 stark umkämpft gewesen sei. Vor allem seien die HP-Preise Ende 1996 und Anfang 1997 so weit gesunken, dass sie unter das Niveau der variablen Kosten gefallen seien.

57      Aus den von mehreren Unternehmen im Verwaltungsverfahren vorgelegten Belegen folge, dass der Markt im fraglichen Zeitraum stark umkämpft gewesen sei. Angesichts dieser Tatsache hätte die Kommission dartun müssen, dass der Informationsaustausch das Verhalten der Unternehmen auf dem Markt tatsächlich beeinflusst habe.

58      In Bezug auf PBS schließlich gebe es keinen Anhaltspunkt, dass die Klägerin vor dem Treffen am 14. Mai 1998 in Evian-les-Bains an einer Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei. Es sei vor diesem Zeitpunkt keine Vereinbarung getroffen worden, und es habe kein Austausch sensibler Geschäftsinformationen zwischen den Herstellern stattgefunden.

59      Die Kommission macht geltend, in rechtlich hinreichender Weise nachgewiesen zu haben, dass das Verhalten der Klägerin ab dem 31. Januar 1994 unter das Verbot gemäß Art. 81 Abs. 1 EG gefallen sei.

60      Sie habe festgestellt, dass die betroffenen Unternehmen in der Zeit vom 31. Januar 1994 bis August 1997 sensible Informationen mit dem Ziel ausgetauscht hätten, ihr jeweiliges Marktverhalten hinsichtlich des Produktionsvolumens, ihrer möglichen Rabatte und einer möglichen Verhinderung des Markteintritts neuer Kapazitäten vorherzusehen (Erwägungsgründe 104 bis 170 und 304 der angefochtenen Entscheidung).

61      Die Erklärungen von Degussa zeigten, dass die Unternehmen im Lauf der 1990er Jahre „sensible Wettbewerbsinformationen“ ausgetauscht hätten. Aus der von Degussa vorgelegten Beschreibung gehe hervor, dass sich die offengelegten Informationen auf das angestrebte Marktverhalten bezogen hätten, d. h. die „Entwicklung von Mengen und Preisen“ und den „Eintritt oder [das] Ausscheiden von Konkurrenten“ (104. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

62      Dies werde durch schriftliche Beweise von EKA Chemicals bestätigt, der zufolge „die Lieferanten übereingekommen seien, nicht in den jeweils anderen Markt einzutreten“. EKA Chemicals habe eine Liste der Treffen vorgelegt, die ihrer Auffassung nach durch kollusives Zusammenwirken gekennzeichnet seien. In den Aufzeichnungen, die EKA Chemicals bei einem bilateralen Treffen mit Kemira am 31. Januar 1994 in Stockholm gefertigt habe, werde auf Besprechungen u. a. mit der Klägerin Bezug genommen. Aus diesen Informationen ergebe sich eindeutig, dass die Hersteller das Verhalten ihrer Wettbewerber gegenseitig kontrolliert hätten und es Air liquide insofern an Disziplin gemangelt habe, während die Klägerin den Erwartungen der anderen entsprochen habe. EKA Chemicals habe auch auf ein bilaterales Treffen zwischen ihr und der Klägerin am 2. November 1994 in Göteborg verwiesen (Erwägungsgründe 106 bis 108 und 111 der angefochtenen Entscheidung).

63      Entgegen dem Vorbringen der Klägerin habe Kemira ihre Teilnahme an dem Treffen mit EKA Chemicals am 31. Januar 1994 nicht bestritten, sondern vielmehr ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung ab diesem Zeitpunkt zugegeben. Da dieses bilaterale Treffen ein rechtswidriges Ziel gehabt habe, sei offensichtlich, dass die Verhandlungen mit den anderen in den Aufzeichnungen von EKA Chemicals erwähnten Wettbewerbern, u. a. der Klägerin, ebenfalls rechtswidrig gewesen seien.

64      Die Klägerin habe zu Unrecht geltend gemacht, dass es für die Rechtswidrigkeit ihres Treffens mit EKA Chemicals am 2. November 1994 in Göteborg keinen Beweis gebe. Aus den von EKA Chemicals vorgelegten Informationen gehe nämlich hervor, dass bei diesem Treffen Geschäftsdaten ausgetauscht worden seien (113. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

65      Degussa habe erwähnt, dass der Austausch „sensibler Wettbewerbsinformationen“ auch am Rande des CEFIC am 29. April 1994 in Rom und am 25. November 1994 in Zaventem stattgefunden habe (114. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

66      Dies werde durch die Erklärungen von Arkema bestätigt, denen zufolge die Klägerin im April oder Juni 1995 an Diskussionen über die „Entwicklung des Marktes und die Neueinsteiger“ teilgenommen habe, in deren Rahmen „Degussa und [die Klägerin] den Wunsch geäußert hätten, dass der Markt und ihre jeweiligen Marktpositionen möglichst stabil blieben“ und „ein Modell der Aufteilung der nationalen Märkte seit 1994-1995 erörtert worden sein dürfte“ (Erwägungsgründe 115 und 116 der angefochtenen Entscheidung).

67      Außerdem habe die Klägerin in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte eingeräumt, dass sie Kontakte mit ihren Wettbewerbern gehabt und seit Mai 1995 marktbezogene Informationen ausgetauscht habe.

68      Diese Kontakte, die während der einleitenden Phase des Kartells stattgefunden, die Beschränkung des Wettbewerbs bezweckt und zum Abschluss einer Vereinbarung über die Preise und die Aufteilung der Märkte geführt hätten, fielen unter das Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG (305. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Sie könnten als Teile desselben kollusiven Plans betrachtet werden.

69      Die Kommission räumt ein, dass keine „feste“ Vereinbarung über das Modell der Aufteilung der Märkte geschlossen worden sei, das am 31. Oktober 1995 in Mailand und im Mai 1997 in Sevilla erörtert worden sei. Der Umstand, dass ein solches Modell vorgeschlagen und diskutiert worden sei, könne aber bereits den Schluss auf einen Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG rechtfertigen.

70      Schon die Tatsache, dass im fraglichen Zeitraum die Mengen, die Preise und die Modelle der Aufteilung von Kunden erörtert worden seien, zeige einen gemeinsamen Willen, den Wettbewerb zu beschränken. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin habe es nicht nur eine „einfache Absicht“, sondern einen gemeinsamen Plan gegeben, dessen Ziel darin bestanden habe, zu einer Vereinbarung zu gelangen, die sich auf ihr Marktverhalten auswirke.

71      Hilfsweise macht die Kommission geltend, das Verhalten der Wettbewerber während der fraglichen Zeit stelle eine abgestimmte Verhaltensweise im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG dar. Daher könne es so eingestuft werden, dass es vom Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG erfasst werde, obwohl es die Phase, in der „man von einer Vereinbarung [als solcher], die abgeschlossen worden sei“, sprechen könne, nicht erreicht habe (309. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

72      Während dieser Zeit hätten die Wettbewerber nämlich Informationen über das Absatzvolumen, die Preise und die Kunden ausgetauscht, die geeignet gewesen seien, ihr Marktverhalten anzupassen (308. Erwägungsgrund sowie Erwägungsgründe 120, 127 und 144 der angefochtenen Entscheidung).

73      Die ausgetauschten Informationen hätten ausgereicht, um die Ungewissheit hinsichtlich des Marktverhaltens der Wettbewerber zu beseitigen. Die Klägerin habe selbst eingeräumt, dass sie ab Mai 1995 mit ihren Wettbewerbern vertrauliche Informationen ausgetauscht habe, und erklärt, dass „die Beteiligten die möglichen Optionen geprüft hätten, die Marktlage zu verbessern und zu einem Kapazitätszuwachs auf dem Markt zu gelangen“, wobei es fraglich gewesen sei, „ob es möglich sei, zu einer Vereinbarung zu gelangen“ (Nrn. 130 und 133 der Antwort der Klägerin auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte und Erwägungsgründe 317 bis 319 der angefochtenen Entscheidung). Dies bestätige, dass die Wettbewerber ihr Marktverhalten aufgrund des fraglichen Austauschs hätten anpassen können. Außerdem habe dieser Austausch dazu gedient, für die Preiserhöhungen und die Marktaufteilungspraktiken „den Weg zu ebnen“.

74      Daher habe bei einer Gesamtwürdigung das in der angefochtenen Entscheidung angeführte Indizienbündel den Anforderungen an Aussagekraft und Konkordanz genügt, um die feste Überzeugung zu begründen, dass die Klägerin die Zuwiderhandlung seit dem 31. Januar 1994 begangen habe.

–       Zum Zeitraum vom 18. Mai bis 31. Dezember 2000

75      Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe bei ihrer Feststellung, dass das Kartell nach dem 18. Mai 2000 fortbestanden habe, Rechtsfehler und Fehler bei der Beurteilung des Sachverhalts begangen.

76      Zum einen habe die Kommission nicht bewiesen, dass die Teilnehmer bei dem Treffen von Turku am 18. Mai 2000 beschlossen hätten, eine Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise weiter umzusetzen.

77      Die Kommission habe sich nur auf einen Beweis von Arkema gestützt, der nicht maßgebend oder durch andere Beweise gestützt worden sei. Die Angaben von Arkema seien widersprüchlich, da diese auch vorgetragen habe, die fragliche Sitzung sei „für einige Erzeuger die Gelegenheit gewesen sei, zu zeigen, dass sich die Zeiten geändert hätten“, und „die Unterbrechung der Zusammenarbeit anzukündigen“. Ihrer Feststellung, dass in der fraglichen Sitzung ein „Konsens“, erzielt worden sei, werde von anderen Unternehmen widersprochen.

78      Die Klägerin habe Degussa vor dem Treffen vom 18. Mai 2000, bei einem bilateralen Treffen in Krefeld, darüber informiert, dass sie nicht mehr an dem Kartell interessiert sei. Die Kommission habe fälschlicherweise festgestellt, das Treffen in Krefeld habe nach dem Treffen in Turku stattgefunden.

79      Was einen bilateralen Kontakt zwischen der Klägerin und FMC Foret Ende 2002 betreffe, sei dieser für sich allein nicht geeignet gewesen, die Fortführung des Kartells in Bezug auf HP nachzuweisen. In Bezug auf PBS sei das Kartell schon beendet gewesen, und FMC Foret habe ihre Beteiligung an dem Kartell in Bezug auf HP Ende 1999 beendet.

80      Zum anderen habe sich die Kommission fälschlicherweise auf die Vermutung gestützt, dass die Auswirkungen des Kartells nach Mai 2000 fortgedauert hätten. Um darzutun, dass die Auswirkungen der nicht mehr geltenden Vereinbarung fortbestanden hätten, hätte die Kommission deren Auswirkungen auf die Preise dartun müssen.

81      Die Kommission habe u. a. die Beweismittel außer Acht gelassen, denen zufolge der Markt nach Mai 2000 wettbewerbsorientiert gewesen sei. In Bezug auf die Preisentwicklung habe sich die Kommission nur auf ein Schriftstück von Arkema gestützt, aus dem hervorgegangen sei, dass ihre Durchschnittspreise 2000 während des ganzen Jahres verhältnismäßig stabil geblieben seien. Aus anderen Unterlagen von Arkema ergebe sich jedoch, dass ihre Preise in der Europäischen Union im Jahr 2000 gefallen seien und dass der Durchschnittspreis nicht nur auf der Grundlage der Verkäufe im EWR berechnet worden sei. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Preise stabil geblieben seien, könnte dies zudem auf den starken Anstieg der Nachfrage und die steigenden Kosten zurückzuführen sein.

82      Soweit die Kommission festgestellt habe, dass die Klägerin sich nach dem 18. Mai 2000 nicht eindeutig von dem Kartell distanziert habe, habe sie verkannt, dass das Kartell zu diesem Zeitpunkt „zusammengebrochen“ gewesen sei, und damit die Beweislast unter Verletzung des Grundsatzes der Unschuldsvermutung umgekehrt.

83      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin u. a. unter Verweis auf die in den Erwägungsgründen 355 bis 360 der angefochtenen Entscheidung enthaltene Begründung entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

84      Gemäß Art. 81 Abs. 1 EG sind mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken.

85      Eine Vereinbarung im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG liegt schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten (Urteile des Gericht vom 17. Dezember 1991, Hercules Chemicals/Kommission, T‑7/89, Slg. 1991, II‑1711, Randnr. 256, und vom 20. März 2002, HFB Holding u. a./Kommission, T‑9/99, Slg. 2002, II‑1487, Randnr. 199).

86      Eine Vereinbarung im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG kann als geschlossen betrachtet werden, wenn eine grundsätzliche Willensübereinstimmung hinsichtlich einer Wettbewerbsbeschränkung vorliegt, selbst wenn über die spezifischen Elemente der vorgesehenen Beschränkungen noch verhandelt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil HFB Holding u. a./Kommission, oben in Randnr. 85 angeführt, Randnrn. 151 bis 157 und 206).

87      Der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise ist eine Form der Koordinierung zwischen Unternehmen, die zwar noch nicht bis zum Abschluss eines Vertrags im eigentlichen Sinne gediehen ist, jedoch bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt (Urteile des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C‑49/92 P, Slg. 1999, I‑4125, Randnr. 115, und Hüls/Kommission, oben in Randnr. 55 angeführt, Randnr. 158).

88      Insofern steht Art. 81 Abs. 1 EG jeder mittelbaren oder unmittelbaren Fühlungnahme zwischen Wirtschaftsteilnehmern entgegen, durch die entweder das Marktverhalten eines tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerbers beeinflusst oder ein solcher Wettbewerber über das Marktverhalten, zu dem man selbst entschlossen ist oder das man in Erwägung zieht, ins Bild gesetzt wird, wenn die Fühlungnahme die Beschränkung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 87 angeführt, Randnrn. 116 und 117).

89      Der Umstand, dass ein Unternehmen seinen Wettbewerbern zur Vorbereitung einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung Auskünfte erteilt, genügt als Beweis für das Vorliegen einer abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Art. 81 EG (Urteile des Gerichts vom 6. April 1995, Tréfilunion/Kommission, T‑148/89, Slg. 1995, II‑1063, Randnr. 82, und vom 8. Juli 2008, BPB/Kommission, T‑53/03, Slg. 2008, II‑1333, Randnr. 178).

90      Nach ständiger Rechtsprechung erfassen die Begriffe Vereinbarung und abgestimmte Verhaltensweise im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG Formen der Kollusion, die in ihrer Art übereinstimmen, und unterscheiden sich nur in ihrer Intensität und ihren Ausdrucksformen (Urteile Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 87 angeführt, Randnrn. 131 und 132, und HFB Holding u. a./Kommission, oben in Randnr. 85 angeführt, Randnr. 190).

91      Bei einer komplexen Zuwiderhandlung, an der über mehrere Jahre mehrere Hersteller beteiligt waren und deren Ziel die gemeinsame Regulierung des Marktes war, kann von der Kommission nicht verlangt werden, dass sie die Zuwiderhandlung entweder als Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise qualifiziert, da jedenfalls beide Formen der Zuwiderhandlung von Art. 81 EG umfasst werden (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 87 angeführt, Randnrn. 111 bis 114, und Urteil des Gerichts vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, T‑305/94 bis T‑307/94, T‑313/94 bis T‑316/94, T‑318/94, T‑325/94, T‑328/94, T‑329/94 und T‑335/94, Slg. 1999, II‑931, Randnr. 696).

92      Die doppelte Qualifizierung der Zuwiderhandlung als Vereinbarung „und/oder“ abgestimmte Verhaltensweise ist so zu verstehen, dass sie sich auf einen Komplex von Einzelakten bezieht, von denen einige als Vereinbarung und andere als abgestimmte Verhaltensweise im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG anzusehen sind, der für diesen Typ einer komplexen Zuwiderhandlung keine spezifische Qualifizierung vorschreibt (Urteile Hercules Chemicals/Kommission, oben in Randnr. 85 angeführt, Randnr. 264, und HFB Holdings u. a./Kommission, oben in Randnr. 85 angeführt, Randnr. 187).

93      In Bezug auf die Erbringung des Nachweises für die Zuwiderhandlung ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission die Beweismittel beizubringen hat, die geeignet seien, das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG darstellenden Tatsachen in rechtlich hinreichender Weise darzutun (Urteil des Gerichtshofs vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C‑185/95 P, Slg. 1998, I‑8417, Randnr. 58).

94      Sie muss hierzu hinreichend aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beibringen (vgl. Urteil des Gerichts vom 6. Juli 2000, Volkswagen/Kommission, T‑62/98, Slg. 2000, II‑2707, Randnr. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

95      Jedoch muss nicht jeder der von der Kommission vorgelegten Beweise diesen Kriterien notwendig hinsichtlich jedes Merkmals der Zuwiderhandlung genügen. Es reicht aus, dass das von der Kommission angeführte Indizienbündel bei einer Gesamtwürdigung dieser Anforderung genügt (vgl. Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, JFE Engineering u. a./Kommission, T‑67/00, T‑68/00, T‑71/00 und T‑78/00, Slg. 2004, II‑2501, Randnr. 180 und die dort angeführte Rechtsprechung).

96      Die Indizien, die die Kommission in der Entscheidung anführt, um einen Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG zu beweisen, sind nicht einzeln, sondern in ihrer Gesamtheit zu würdigen (vgl. Urteil BPB/Kommission, oben in Randnr. 89 angeführt, Randnr. 185 und die dort angeführte Rechtsprechung).

97      Es ist auch zu berücksichtigen, dass die wettbewerbswidrigen Tätigkeiten heimlich ablaufen und deshalb in den meisten Fällen das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise oder Vereinbarung aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden muss, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, Slg. 2004, I‑123, Randnrn. 55 bis 57).

98      Was den Umfang der gerichtlichen Kontrolle anbelangt, hat das Gericht nach ständiger Rechtsprechung bei einer Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung nach Art. 81 Abs. 1 EG generell eine umfassende Prüfung der Frage vorzunehmen, ob die Tatbestandsmerkmale von Art. 81 Abs. 1 EG erfüllt sind (vgl. Urteil des Gerichts vom 26. Oktober 2000, Bayer/Kommission, T‑41/96, Slg. 2000, II‑3383, Randnr. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

99      Hat das Gericht Zweifel, so muss dies nach dem Grundsatz der Unschuldsvermutung, der als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts insbesondere in Verfahren wegen Verletzung der für die Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln, die zur Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern führen können, dem Unternehmen zugutekommen, an das sich die Entscheidung richtet, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird (Urteil Hüls/Kommission, oben in Randnr. 55 angeführt, Randnrn. 149 und 150, und Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Dresdner Bank u. a./Kommission, T‑44/02 OP, T‑54/02 OP, T‑56/02 OP, T‑60/02 OP und T‑61/02 OP, Slg. 2006, II‑3567, Randnrn. 60 und 61).

100    Vor diesem Hintergrund ist zu prüfen, ob die Kommission vorliegend in rechtlich hinreichender Weise nachgewiesen hat, dass das Verhalten der Klägerin eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG darstellt.

–       Zum Zeitraum vom 31. Januar 1994 bis Mai 1995

101    Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Kommission habe den Sachverhalt fehlerhaft gewürdigt, indem sie als Beginn der Zuwiderhandlung den 31. Januar 1994 festgesetzt habe. Es sei nicht nachgewiesen, dass sie vor Mai 1995 an einem Kontakt mit Wettbewerbern beteiligt gewesen sei, der geeignet gewesen sei, gegen Art. 81 Abs. 1 EG zu verstoßen.

102    Aus den Erwägungsgründen 104 bis 114 und 351 der angefochtenen Entscheidung geht hervor, dass die Kommission den 31. Januar 1994 aufgrund der Erklärungen von Degussa im Rahmen ihres Antrags auf Gewährung von Immunität, die durch die schriftlichen Beweise von EKA Chemicals und die Erklärungen von Arkema bestätigt worden sind, als Beginn der Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung angenommen hat.

103    Die Kommission wies zunächst darauf hin, dass die Wettbewerber den Erklärungen von Degussa zufolge im Lauf der 90er Jahre immer häufiger „sensible Wettbewerbsinformationen“, d. h. „marktbezogene Informationen“ ausgetauscht hätten. In diesen Erklärungen heiße es: „Der Ausdruck ‚Austausch sensibler Wettbewerbsinformationen‘ kennzeichnet den typischen Inhalt einer Besprechung zwischen Geschäftsleuten konkurrierender Unternehmen. Die mündlich mitgeteilten Informationen betrafen die Entwicklung von Mengen und Preisen, das Marktverhalten von Wettbewerbern und Kunden, den Eintritt und das Scheiden von Konkurrenten, die Entwicklung von Produktionskapazitäten, die Innovation im Zusammenhang mit den Produkten auf der Angebots- und der Nachfrageseite sowie andere derartige Fragen“ (104. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Nach Auffassung von Degussa haben die Wettbewerber solche Diskussionen vor allem geführt, um die Marktanteile der Wettbewerber zu bestimmen und zu prüfen und Auskünfte über das Verhalten der Abnehmer zu liefern (105. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

104    Zum genauen Anfangszeitpunkt der Zuwiderhandlung wies die Kommission darauf hin, dass sich der erste Beweis für die Erklärungen von Degussa, der vor allem die Klägerin betroffen habe, auf das Treffen in Stockholm vom 31. Januar 1994 zwischen EKA Chemicals und Kemira sowie das Treffen vom selben Tag zwischen Degussa und EKA Chemicals bezogen habe. Dieser Beweis zeige, dass „EKA [Chemicals], Kemira, Degussa und [die Klägerin] mindestens seit Anfang 1994 an kollusiven Verhaltensweisen“ beteiligt gewesen seien (Erwägungsgründe 106 bis 108 und 351 der angefochtenen Entscheidung).

105    Die Kommission wies schließlich auf das Vorliegen weiterer rechtswidriger Kontakte zwischen 1994 und 1995 hin, die von EKA Chemicals (Erwägungsgründe 110 und 111 der angefochtenen Entscheidung), Degussa (114. Erwägungsgrund) und Arkema (115. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) berichtet worden seien.

106    Hierzu ist zunächst festzustellen, dass die Erklärungen von Degussa, deren Inhalt von der Klägerin in Abrede gestellt wird, allein keinen hinreichenden Beweis für deren Beteiligung an der Zuwiderhandlung darstellen können.

107    Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichts kann nämlich eine Erklärung, die ein der Beteiligung an einer Absprache beschuldigtes Unternehmen abgibt und deren Richtigkeit von den beschuldigten Unternehmen bestritten wird, nicht als hinreichender Beweis für die Begehung einer Zuwiderhandlung durch diese anderen Unternehmen angesehen werden, wenn sie nicht durch andere Beweismittel untermauert wird (Urteile des Gerichts JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 95 angeführt, Randnr. 219, und vom 25. Oktober 2005, Groupe Danone/Kommission, T‑38/02, Slg. 2005, II‑4407, Randnr. 285).

108    Diese Überlegung gilt wegen des allgemeinen Charakters der von Degussa verwendeten Begriffe, die sich auf sämtliche Treffen beziehen, die in der einleitenden Phase des Kartells zwischen 1994 und 1996 stattgefunden haben, erst recht im vorliegenden Fall. Diese Erklärungen können daher als solche nicht ausreichen, um als Zeitpunkt für den Beginn der Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung Anfang 1994 festzusetzen.

109    Soweit sich die Kommission auf die Erklärungen von Degussa bezieht, denen zufolge bei den multilateralen Kontakten am Rande der Sitzungen des CEFIC am 29. April und 25. November 1994 „sensible Wettbewerbsinformationen“ ausgetauscht worden seien (114. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), ist zu beachten, dass diese Feststellung, in der die Klägerin nicht ausdrücklich erwähnt wird, Teil jener Erklärungen von Degussa ist und daher nicht als ein Beweis betrachtet werden kann, der sie belegen kann.

110    Was sodann den von der Kommission beigebrachten Beweis zur Bestätigung der den fraglichen Zeitraum betreffenden Erklärungen von Degussa betrifft, steht fest, dass die Klägerin nicht an den im 351. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung genannten Treffen, d. h. dem Treffen in Stockholm am 31. Januar 1994 zwischen EKA Chemicals und Kemira und dem Treffen vom selben Tag zwischen EKA Chemicals und Degussa teilgenommen hat.

111    Im Zusammenhang mit diesen Treffen bezog sich die Kommission nur auf Aufzeichnungen von EKA Chemicals aus der Zeit des Sachverhalts, denen zufolge EKA Chemicals und Kemira im Rahmen des Treffens vom 31. Januar 1994 Informationen über den skandinavischen Markt ausgetauscht hätten und Kemira „angekündigt [habe], dass [sie] in Verhandlungen mit [Air liquide] stehe, die Ergebnisse dieser Besprechungen aber nicht sehr gut gewesen seien. Dagegen liefen die Diskussionen mit [Degussa] und [der Klägerin] besser“ (106. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

112    Obwohl sich diese Unterlagen einerseits auf den Informationsaustausch zwischen den skandinavischen Erzeugern, Kemira und EKA Chemicals und andererseits auf die Besprechungen zwischen den letztgenannten und bestimmten Herstellern auf dem „kontinentaleuropäischen Markt“ beziehen, stellt die Bezugnahme auf die Klägerin in diesem Zusammenhang keinen hinreichenden Beweis für ihre Beteiligung an den rechtswidrigen Kontakten anlässlich der fraglichen Zusammenkunft dar.

113    Es handelt sich nämlich um einen indirekten Nachweis, der von dem Unternehmen stammt, das nicht an den angeblichen Diskussionen mit der Klägerin beteiligt war, und der von Kemira nicht bestätigt worden ist. Außerdem lassen die in den betreffenden Aufzeichnungen enthaltenen Feststellungen nicht erkennen, was Gegenstand der fraglichen Besprechungen gewesen ist.

114    Insofern ist die Kommission zu Unrecht davon ausgegangen, dass sie „keinen Grund [habe], zu bezweifeln, dass die in diesem Dokument enthaltenen Informationen die Diskussionen genau wiedergäben, die seinerzeit geführt worden seien“ und die das Kartell ausgemacht hätten (317. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

115    In Bezug auf sonstige von EKA Chemicals berichtete bilaterale Kontakte von 1994 bezieht sich die Kommission auf das Treffen am 2. November 1994 zwischen EKA Chemicals und der Klägerin in Göteborg, bei dem die Beteiligten nach Aussage von EKA Chemicals „über den HP-Markt in Europa diskutiert“ haben (111. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

116    Es ist jedoch festzustellen, dass dieser allgemein formulierte Hinweis allein nicht genügt, um den rechtswidrigen Charakter des fraglichen Treffens festzustellen, da die Klägerin diesen in Abrede stellt. Die Rechtswidrigkeit des Gegenstands dieses Treffens kann auch nicht dadurch dargetan werden, dass, wie es die Kommission getan hat, auf andere Erklärungen von EKA Chemicals Bezug genommen wird, da sich diese nicht ausdrücklich auf dieses Treffen beziehen, sondern es darin nur heißt, dass „sich ab den 90er Jahren die Treffen zwischen EKA Chemicals und [der Klägerin] im Wesentlichen auf allgemeine Fragen des Marktes, wie Informationen über die Preise, die Prognosen zum Markt usw., bezogen hätten“ (113. Erwägungsgrund und Fn. 84 der angefochtenen Entscheidung).

117    Auch wenn die Kommission schließlich davon ausging, dass die Erklärungen von Degussa durch die Erklärungen von Arkema zu den Treffen bestätigt worden seien, die 1995 stattgefunden hätten und denen zufolge u. a. „seit 1994/1995 ein Modell zur Aufteilung zwischen den Herstellern in der Diskussion [gewesen] sein dürfte“ (Erwägungsgründe 104 und 115 der angefochtenen Entscheidung), ist festzustellen, dass sich diese Erklärungen auf das multilaterale Treffen von April oder Mai 1995 (115. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) sowie die nachfolgenden Kontakte beziehen und daher nicht als Nachweis für die Erklärungen von Degussa hinsichtlich der Teilnahme der Klägerin an der Zuwiderhandlung in den vorangegangenen Zeiträumen dienen können.

118    Nach alledem stellen die in den Erwägungsgründen 104 bis 115 und 351 der angefochtenen Entscheidung dargelegten Faktoren kein hinreichendes Indizienbündel dar, um die Feststellung der Kommission zur Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung im Zeitraum vom 31. Januar 1994 bis Mai 1995 zu begründen.

119    Zum einen reichen nämlich die in den Erwägungsgründen 104 und 105 der angefochtenen Entscheidung erwähnten Erklärungen von Degussa allein nicht aus, um nachzuweisen, dass die Klägerin an dem kollusiven Verhalten seit 1994 teilgenommen hat, und zum anderen liefern die übrigen in den Erwägungsgründen 106 bis 115 und 351 der angefochtenen Entscheidung dargelegten Faktoren keinen hinreichenden Nachweis, um diese Erklärungen im Hinblick auf die Beteiligung der Klägerin an den rechtswidrigen Kontakten vor Mai 1995 zu bestätigen.

120    Folglich ist die von der Klägerin erhobene Rüge eines Beurteilungsfehlers hinsichtlich ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung vom 31. Januar 1994 bis Mai 1995 begründet.

–       Zum Zeitraum von Mai 1995 bis August 1997

121    Die Kommission stellte in der angefochtenen Entscheidung fest, dass deren Adressaten, u. a. die Klägerin, an einem komplexen Kartell beteiligt gewesen seien, das in einer Vielzahl von Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen bestanden habe, die auf eine Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG abzielten. Zu dessen Hauptaspekten hätten der Austausch von Informationen über die Märkte, die Beschränkung der Produktion und deren Kapazitäten, die Marktaufteilung und die Festlegung der Preise gehört (337. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

122    Speziell zur Anfangsphase des Kartells stellte die Kommission u. a. fest, dass sich die Kartellmitglieder zumindest seit 31. Januar 1994 regelmäßig getroffen hätten, um sensible Marktinformationen auszutauschen und die Produktionsvolumen, deren mögliche Reduzierung oder die Möglichkeit zu diskutieren, den Eintritt neuer Kapazitäten auf dem Markt zu verhindern (304. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), und dass diese kollusiven Kontakte, die zum Abschluss fester Vereinbarungen über die Preise und über die Marktaufteilung geführt hätten, als Teil desselben kollusiven Plans betrachtet werden könnten (305. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

123    Außerdem habe der Austausch von Informationen über die Verkaufsvolumen, Preise und Kunden während der Anfangsphase des Kartells es den fraglichen Unternehmen ermöglicht, diese Informationen zu berücksichtigen, um ihr eigenes Marktverhalten zu bestimmen, und daher könne vermutet werden, dass diese Unternehmen die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen berücksichtigt hätten, um ihr eigenes Marktverhalten zu bestimmen (308. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

124    Folglich könne „das fragliche Verhalten, auch wenn es nicht von Beginn der Zuwiderhandlung an die Phase erreicht habe, in der von einer Vereinbarung [im eigentlichen Sinne] gesprochen werden könne, die geschlossen worden sei, zumindest als vom Verbot gemäß Art. 81 Abs. 1 [EG] erfasst bezeichnet werden, [da] das kollusive Verhalten insgesamt in seinen unterschiedlichen Formen sämtliche Kennzeichen einer Vereinbarung und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweise [aufweise]“ (309. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

125    Für die Zeit von Mai 1995 bis August 1997 stützte sich die Kommission hierzu u. a. auf folgende Tatsachen:

–        das multilaterale Treffen von April oder Mai 1995 in Paris sei mit dem Ziel ausgerichtet worden, ständige Kontakte zwischen den Wettbewerbern herzustellen, da Degussa und die Klägerin den Wunsch geäußert hätten, die bestehenden Marktpositionen so weit wie möglich zu stabilisieren (Erwägungsgründe 115 bis 117 der angefochtenen Entscheidung);

–        bilaterale Kontakte am Rande der Sitzung des CEFIC vom 11. oder 12. Mai 1995 in Dresden hätten sich auf die Frage der Preissenkung bezogen, die aufgrund der Fertigstellung neuer Produktionsanlagen zu erwarten gewesen sei (Erwägungsgründe 118 und 119 der angefochtenen Entscheidung);

–        die bilateralen Treffen vom Juni 1995 zwischen Atofina und Air liquide (120. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), zwischen Atofina und Degussa (121. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) sowie zwischen Degussa und EKA Chemicals (122. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) hätten die Diskussionen über die Überkapazität auf dem HP-Markt und die Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen den Herstellern auf der Grundlage einer Tabelle zum Gegenstand gehabt, die detaillierte Angaben nach Kunde und Hersteller, einschließlich Angaben zur Klägerin, enthalten habe;

–        allgemein hätten um 1995 mehr als ein Jahr lang verschiedene Vorschläge zu den Verkaufsquoten und der Kontrolle der Überkapazität „zirkuliert“ und seien zwischen Atofina, Degussa und der Klägerin diskutiert worden (Erwägungsgründe 123 und 124 der angefochtenen Entscheidung);

–        das Treffen zwischen Atofina, Degussa und Chemoxal am 23. Oktober 1995 in Paris habe sich u. a. auf einen bezifferten Vorschlag zur Beschränkung der neuen Kapazitäten, u. a. aus einer neuen Fabrik der Klägerin, sowie einen Vorschlag für eine Preisvereinbarung bezogen (Erwägungsgründe 126 und 127 der angefochtenen Entscheidung);

–        die Hersteller seien in zwei Gruppen, „A“ und „B“, aufgeteilt worden, die von der Klägerin bzw. von Degussa koordiniert worden seien, wobei die Gruppe „B“ die von der Gruppe „A“, in der sich die Marktführer, nämlich Degussa und die Klägerin, sowie die skandinavischen Unternehmen, EKA Chemicals und Kemira, zusammengefunden hätten, festgelegten Marktanteile habe aufteilen sollen (Erwägungsgründe 130 und 131 der angefochtenen Entscheidung);

–        in dem Treffen der Gruppe „B“ am 31. Oktober 1995 in Mailand sei es um „die Grundlagen eines Modells [gegangen], anhand dessen der Zuwachs aufgeteilt werden könne“, und die bei diesem Anlass gefertigten Aufzeichnungen bezögen sich vor allem auf Informationen über die Klägerin (Erwägungsgründe 132 und 133 der angefochtenen Entscheidung);

–        die bilateralen Kontakte am Rande der Sitzung des CEFIC am 21. und 22. November 1995 in Brüssel, an denen die Klägerin ebenfalls teilgenommen habe, sowie das Treffen in Italien seien mit dem Austausch marktbezogener Informationen und der Bestimmung des Preisniveaus für HP für das folgende Jahr verbunden gewesen, das jedoch nicht eingehalten worden sei (Erwägungsgründe 134 und 136 der angefochtenen Entscheidung);

–        das bilaterale Treffen zwischen Atofina und der Klägerin Anfang 1996 in Paris habe das Ziel gehabt, die Positionen der Gruppen „A“ und „B“ zu vergleichen (139. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung);

–        bei den Treffen am Rande der Sitzung des CEFIC am 24. Mai 1996 in Göteborg und am 27. November 1996 in Brüssel, an denen die Klägerin teilgenommen habe, sei es um die bezifferten Vorschläge zur Marktaufteilung und die Preise gegangen, ohne dass jedoch eine genaue Vereinbarung zustande gekommen sei (Erwägungsgründe 141 bis 145 der angefochtenen Entscheidung);

–        zahlreiche bilaterale Kontakte zwischen 1996 und 1997, u. a. das Treffen zwischen EKA Chemicals und der Klägerin im April oder Mai 1997 in Kopenhagen, bei dem die Klägerin die Frage gestellt habe, ob EKA Chemicals bereit sei, sich mit den anderen Herstellern zur Abstimmung über einen Kapazitätsabbau zusammenzutun, wiesen auf die Pläne zum Kapazitätsabbau hin (Erwägungsgründe 154 und 155 der angefochtenen Entscheidung);

–        die Treffen vom 28. oder 29. Mai 1997 am Rande der Sitzung des CEFIC in Sevilla hätten die Gruppen „A“ und „B“ zusammengebracht und sich auf ein gegliedertes Modell zur Aufteilung des HP-Marktes bezogen, wobei jedoch keine endgültige Einigung gefunden und die Diskussion auf August 1997 verschoben worden sei (Erwägungsgründe 156 bis 167 der angefochtenen Entscheidung);

–        diesen Treffen seien im Sommer 1997 bilaterale Kontakte zwischen der Klägerin, EKA Chemicals und Degussa gefolgt (Erwägungsgründe 168 bis 170 der angefochtenen Entscheidung).

126    Die Klägerin stellt weder diese Kontakte noch den Inhalt der Besprechungen in Abrede, der in den vorstehend genannten Erwägungsgründen der angefochtenen Entscheidung wiedergegeben worden ist.

127    Sie weist jedoch darauf hin, dass diese Tatsachen nicht den Schluss auf das Vorliegen einer Vereinbarung oder einer abgestimmten Verhaltensweise vor dem Termin für das multilaterale Treffen vom August 1997 in Brüssel zugelassen hätten, das zu einer festen Vereinbarung über die Preiserhöhung von HP geführt habe (Erwägungsgründe 171 bis 174 der angefochtenen Entscheidung) und das von ihr als der Zeitpunkt des Beginns ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung betrachtet werde.

128    Die Klägerin macht erstens unter Hinweis auf die Feststellungen in den Erwägungsgründen 115 bis 170 der angefochtenen Entscheidung geltend, dass die Teilnehmer der fraglichen Besprechungen bis zu diesem Treffen im August 1997 keine Einigung über die Marktaufteilung und über die Preise hätten erzielen können und keine abgestimmten Verhaltensweisen praktiziert hätten.

129    Die Kommission habe insofern eine falsche Auslegung des Begriffs der Vereinbarung oder der aufeinander abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG zugrunde gelegt und einen Fehler bei Beurteilung des Sachverhalts begangen.

130    Zu dem angeblichen Rechtsirrtum ist festzustellen, dass die Kommission im Rahmen der komplexen Zuwiderhandlung nicht jede festgestellte Verhaltensweise als Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG einzustufen braucht, sofern es sich um Formen der Kollusion handelt, die in ihrer Art übereinstimmen. Außerdem kann von der Kommission nicht verlangt werden, dass sie die Zuwiderhandlung entweder als Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise qualifiziert, da auf jeden Fall beide Arten der Zuwiderhandlung von der genannten Vorschrift umfasst werden (siehe oben, Randnrn. 90 und 91).

131    Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Kommission die fraglichen Verhaltensweisen insgesamt so verstanden hat, dass sie sämtliche Merkmale „eines Abkommens und/oder einer abgestimmten Verhaltensweise“ aufweisen, sofern sie als eine der beiden Arten des Zusammenwirkens im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG betrachtet werden könnten.

132    Zur angeblich fehlerhaften Würdigung des Sachverhalts macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass die Wettbewerber vor August 1997 zum einen über das spezifische Verhalten auf dem Markt kein Einvernehmen erzielt hätten und zum anderen keine Form der Koordinierung vorgenommen hätten, die als abgestimmte Verhaltensweise eingestuft werden könne.

133    Sie bezieht sich insbesondere auf die in der angefochtenen Entscheidung angeführten Informationen, wonach die Diskussionen im Jahr 1996 „seit einem Jahr keinen Schritt vorankämen“ und „in der Sackgasse“ zu sein schienen. Noch im Mai 1997 sei „ein Vertrauensmangel ein Grund für das Fehlen einer Stillhaltevereinbarung hinsichtlich der Marktanteile gewesen“, „da sich die kleinsten Hersteller gegen die Bestimmung von Marktanteilen ausgesprochen hätten“ (Erwägungsgründe 140, 142 und 164 der angefochtenen Entscheidung).

134    Obwohl sich aus den von der Klägerin angeführten Faktoren ergibt, dass, wie die Kommission selbst im 309. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, die an den Treffen zwischen Mai 1995 und August 1997 beteiligten Hersteller im Hinblick auf die Marktaufteilung keine Vereinbarung „als solche“ hätten erzielen können, haben sie gleichwohl über einen längeren Zeitraum regelmäßige Besprechungen über den Entwurf einer solchen Vereinbarung geführt.

135    Aus den von der Klägerin nicht bestrittenen Tatsachen geht nämlich hervor, dass im Mai 1995 nach wiederholter Aufforderung von Degussa und der Klägerin gegenüber deren Wettbewerbern auf dem HP-Markt Treffen mit dem Ziel stattfanden, ständige Kontakte zwischen den Wettbewerbern aufzubauen. Die Teilnehmer tauschten sich über die Entwicklungen des Marktes und die Neueinsteiger auf dem europäischen HP-Markt aus, da Degussa und die Klägerin wünschten, dass die bestehenden Marktpositionen so stabil wie möglich blieben (Erwägungsgründe 115 bis 117 der angefochtenen Entscheidung).

136    Zwischen Mai 1995 und August 1997 fanden regelmäßige Diskussionen über Vorschläge zu den Verkaufsquoten und der Kontrolle der Überkapazität (Erwägungsgründe 123 und 124 der angefochtenen Entscheidung), einen bezifferten Vorschlag zur Begrenzung neuer Kapazitäten u. a. der Klägerin sowie einen Vorschlag für eine Preisvereinbarung (Erwägungsgründe 126 und 127 der angefochtenen Entscheidung), „die Grundlagen eines Modells zur Ankurbelung des Wachstums“ (Erwägungsgründe 132 und 133 der angefochtenen Entscheidung), bezifferte Vorschläge zur Marktaufteilung und eine Preisvereinbarung (Erwägungsgründe 143 bis 145 der angefochtenen Entscheidung), koordinierte Bestrebungen zur Kapazitätsverringerung (Erwägungsgründe 154 und 155 der angefochtenen Entscheidung) sowie ein gegliedertes Modell zur Aufteilung des HP-Marktes (Erwägungsgründe 159 bis 167 der angefochtenen Entscheidung) statt.

137    Der von der Klägerin nicht bestrittene Inhalt der Diskussionen lässt einen gemeinsamen Willen erkennen, den Wettbewerb zu beschränken.

138    Diese Abfolge regelmäßiger Treffen, bei denen die Unternehmen zusammenkamen, um Pläne zur Beschränkung neuer Kapazitäten, die Aufteilung von Marktanteilen und eine Preisvereinbarung zu diskutieren, wäre nicht möglich gewesen, wenn es seinerzeit keinen gemeinsamen Willen der Teilnehmer dieser Treffen gegeben hätte, den Markt durch wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen zu stabilisieren (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 20. März 2002, Dansk Rørindustri/Kommission, T‑21/99, Slg. 2002, II‑1681, Randnr. 46).

139    Da die fraglichen Diskussionen klar von einem gemeinsamen Willen der Teilnehmer getragen wurden, sich dem Grundsatz nach über eine Wettbewerbsbeschränkung zu einigen, kann dieser Überlegung nicht entgegenstehen, dass die spezifischen Gesichtspunkte der angestrebten Beschränkung bis August 1997 Gegenstand von Verhandlungen zwischen den Beteiligten waren und dass die feste Vereinbarung von August 1997 über eine abgestimmte Preiserhöhung für HP mit anderen Modalitäten als den bei den vorangegangenen Sitzungen erörterten geschlossen wurde.

140    Die Beteiligung der Klägerin an diesen kollusiven Kontakten ergibt sich im Übrigen eindeutig aus ihrer aktiven Teilnahme an den Diskussionen. Im fraglichen Zeitraum beteiligte sie sich an den meisten Treffen dadurch, dass sie „die Vorschläge zusammenfasste“ (Erwägungsgründe 123 und 124 der angefochtenen Entscheidung) und die Gruppe der „Marktführer“ koordinierte (Erwägungsgründe 130 und 131 der angefochtenen Entscheidung).

141    Insofern stellt die Bezugnahme der Klägerin darauf, dass ihr Vertreter bei einem Treffen im Mai 1997, „irritiert durch die Anfragen der kleinen Hersteller, türeschlagend den Saal verlassen habe“ (162. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), keinen Hinweis darauf dar, dass ihre Teilnahme an dem fraglichen Treffen und erst recht an sämtlichen fraglichen Kontakten ohne jede wettbewerbswidrige Absicht erfolgte.

142    Vor diesem Hintergrund konnte die Kommission zu Recht feststellen, dass die fraglichen zu einer einleitenden Phase eines Kartells gehörenden Verhaltensweisen, an denen die Klägerin beteiligt gewesen war, Teil desselben wettbewerbswidrigen Plans waren und daher unter das Verbot gemäß Art. 81 Abs. 1 EG fielen.

143    Zum einen ist festzustellen, dass davon ausgegangen werden kann, dass eine Vereinbarung im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG getroffen worden ist, soweit es eine grundsätzliche Willensübereinstimmung hinsichtlich einer Wettbewerbsbeschränkung gibt, selbst wenn über die spezifischen Elemente der vorgesehenen Beschränkungen noch verhandelt wird (siehe oben, Randnr. 86).

144    Die Klägerin kann daher nicht mit Erfolg behaupten, dass das fragliche Verhalten, sofern sich die Unternehmen nicht auf ein spezifisches Marktverhalten geeinigt hätten, höchstens eine bloße Absicht darstelle, den Wettbewerb zu beschränken, die nicht unter die Formen des Zusammenwirkens im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG falle.

145    Da die oben dargelegten Faktoren zeigen, dass bei den Wettbewerbern bereits ein gemeinsamer auf eine wettbewerbswidrige Vereinbarung gerichteter Plan bestand, müssen diese Diskussionen so verstanden werden, dass sie über eine einfache Absicht oder den Versuch, ein Abkommen zu schließen, hinausgehen.

146    Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass die Kontakte in dem fraglichen Zeitraum auf jeden Fall als abgestimmte Verhaltensweise gemäß Art. 81 Abs. 1 EG eingestuft werden konnten.

147    Es ist zu beachten, dass der Umstand, dass ein Unternehmen seinen Wettbewerbern zur Vorbereitung einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung Auskünfte erteilt, nach ständiger Rechtsprechung als Beweis für das Vorliegen einer abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Art. 81 EG genügt (siehe oben, Randnr. 89).

148    Selbst wenn die Kommission nicht darzutun vermag, dass die Unternehmen eine Vereinbarung im engeren Sinne getroffen haben, genügt es für die Feststellung einer Zuwiderhandlung gemäß Art. 81 Abs. 1 EG, dass die Wettbewerber unmittelbare Kontakte zur „Stabilisierung des Marktes“ aufgenommen haben (vgl. in diesem Sinne Urteil BPB/Kommission, oben in Randnr. 89 angeführt, Randnr. 170).

149    Vor diesem Hintergrund ist das Vorbringen der Klägerin, die Erteilung von Auskünften gegenüber den Wettbewerbern könne nur als abgestimmtes Verhalten angesehen werden, wenn bereits eine wettbewerbswidrige Vereinbarung geschlossen worden sei und Verhandlungen nur zu deren Umsetzung erfolgten, zurückzuweisen.

150    Die Kommission hat nachgewiesen, dass die Klägerin an einer bestimmten Zahl von Zusammenkünften mit ihren Wettbewerbern teilgenommen hat und dass bei diesen Treffen Informationen über die Marktbedingungen ausgetauscht worden sind, das Preisniveau diskutiert worden ist und die Teilnehmer ihre geplante Geschäftsstrategie auf dem Markt dargelegt haben. Außerdem ist nachgewiesen, dass der fragliche Informationsaustausch darauf gerichtet war, eine Vereinbarung über die Aufteilung des Marktes oder über die Preise und daher mit offensichtlich wettbewerbswidrigem Ziel vorzubereiten.

151    Die Kommission konnte daher zu Recht feststellen, dass die Klägerin an einer abgestimmten Verhaltensweise teilgenommen hat, die das Ziel hatte, den Wettbewerb zu beschränken.

152    Diese Feststellung wird nicht durch das Vorbringen der Klägerin in Frage gestellt, dass aufgrund des mangelnden gegenseitigen Vertrauens zwischen den Wettbewerbern eine Abstimmung ihrer Verhaltensweisen unvorstellbar sei.

153    Die unterschiedlichen Standpunkte der Beteiligten, d. h. das mangelnde gegenseitige Vertrauen, reichen als solche nicht aus, um das Vorliegen einer Konzertierung auszuschließen, die als abgestimmte Verhaltensweise eingestuft werden kann. Das Vorbringen der Klägerin stellt den von der Kommission bewiesenen Sachverhalt nicht in Frage, wonach die Wettbewerber ungeachtet des mangelnden gegenseitigen Vertrauens im betreffenden Zeitraum regelmäßig zusammengekommen sind und Informationen über die Marktbedingungen und ihre Geschäftsstrategie mit dem Ziel ausgetauscht haben, eine wettbewerbswidrige Vereinbarung vorzubereiten.

154    Der Kommission kann entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht vorgeworfen werden, sie habe nicht dargetan, dass die ausgetauschten Informationen ihrem Inhalt nach geeignet gewesen seien, zu wettbewerbswidrigen Zwecken verwendet zu werden.

155    Das wettbewerbswidrige Ziel des fraglichen Verhaltens ergibt sich eindeutig aus der Art der bei den Treffen im entsprechenden Zeitraum ausgetauschten Informationen, die Verkaufszahlen für die vorangegangenen Jahre und Vorhersagen für die Zukunft enthalten (120. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), sowie aus den diskutierten Vorschlägen, die sich auf die Aufrechterhaltung des status quo auf dem Markt, die Aufteilung neuer Produktionskapazitäten und die Bestimmung des Preisniveaus für HP bezogen haben (vgl. z. B. Erwägungsgründe 115, 127, 133, 136 und 144 der angefochtenen Entscheidung).

156    Die Kommission hat folglich in rechtlich hinreichender Weise nachgewiesen, dass der fragliche Informationsaustausch dazu gedient hat, für die Preiserhöhungen und die damit verbundenen Verhaltensweisen zur Marktaufteilung „den Weg zu ebnen“, und eine Art heimlicher Absprache im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG darstellte.

157    Nach alledem hat die Kommission zu Recht festgestellt, dass die streitigen Verhaltensweisen als unter Art. 81 Abs. 1 EG fallend gelten konnten, soweit sie zu einem Verhalten gehörten, das die Merkmale einer Vereinbarung und/oder eines abgestimmten Verhaltens aufwies (Erwägungsgründe 308 und 309 der angefochtenen Entscheidung).

158    Zum Vorbringen der Klägerin, der HP-Markt sei bis August oder September 1997 vom Wettbewerb bestimmt geblieben, da die Preise Anfang 1997 erheblich gesunken seien, ist festzustellen, dass bei der Anwendung von Art. 81 Abs. 1 EG nach ständiger Rechtsprechung die tatsächlichen Auswirkungen einer Vereinbarung oder einer abgestimmten Verhaltensweise nicht berücksichtigt zu werden brauchen, wenn die Zuwiderhandlung eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckt (Urteile des Gerichtshofs vom 19. März 2009, Archer Daniels Midland/Kommission, C‑510/06 P, Slg. 2009, I‑1843, Randnr. 140, und vom 4. Juni 2009, T‑Mobile Netherlands u. a., C‑8/08, Slg. 2009, I‑4529, Randnr. 29).

159    Da die Kommission festgestellt hat, dass die Klägerin an einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung und/oder einer abgestimmten Verhaltensweise beteiligt gewesen sei, die eine Einschränkung des Wettbewerbs auf dem HP-Markt bezweckt habe, musste sie die konkreten Auswirkungen des fraglichen Verhaltens nicht berücksichtigen.

160    Speziell in Bezug auf eine abgestimmte Verhaltensweise besteht nach ständiger Rechtsprechung vorbehaltlich des den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern obliegenden Gegenbeweises die Vermutung, dass die an der Abstimmung beteiligten und weiterhin auf dem Markt tätigen Unternehmen die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Festlegung ihres Marktverhaltens berücksichtigen (Urteile Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 87 angeführt, Randnrn. 118 und 121, und Hüls/Kommission, oben in Randnr. 55 angeführt, Randnrn. 161 und 162).

161    Selbst wenn feststünde, dass diese Verhaltensweisen im fraglichen Zeitraum keinen Einfluss auf die Preise gehabt hätten, würde insofern die Rechtmäßigkeit der Würdigung der Kommission dadurch nicht in Frage gestellt.

162    Insbesondere steht der Umstand, dass eine abgestimmte Verhaltensweise keinen unmittelbaren Einfluss auf das Preisniveau hatte, nicht der Feststellung entgegen, dass sie den Wettbewerb zwischen den betroffenen Unternehmen u. a. dadurch beschränkt hat, dass sie den Wettbewerbsdruck beseitigte (vgl. in diesem Sinne Urteil Dansk Rørindustri/Kommission, oben in Randnr. 138 angeführt, Randnrn. 139 bis 140).

163    Daher kann das Vorbringen der Klägerin, die Kommission habe nicht den Beweis erbracht, dass der Markt im fraglichen Zeitraum wettbewerbsbestimmt geblieben sei, keinen Erfolg haben.

164    Zum Vorbringen der Klägerin, die in der angefochtenen Entscheidung im Hinblick auf den fraglichen Zeitraum festgestellten Tatsachen beträfen vorwiegend den HP- und nicht den PBS-Markt, ist darauf hinzuweisen, dass die angefochtene Entscheidung von einer einheitlichen Zuwiderhandlung ausgeht, die sich auf die beiden in Rede stehenden Märkte bezieht (Erwägungsgründe 328 ff. der angefochtenen Entscheidung); diese Einstufung wird von der Klägerin nicht beanstandet.

165    Sofern die Kommission das fragliche Kartell als einheitliche Zuwiderhandlung eingestuft hat, musste sie bei dieser Einstufung nicht auf die unterschiedliche Dauer der Handlungen eingehen, die sich nur auf den PBS-Markt bezogen. Sofern es sich nicht um verschiedene Zuwiderhandlungen handelt, musste sie diesen Unterschied auch nicht berücksichtigen, um die Dauer der Zuwiderhandlung insgesamt zu bestimmen.

166    Es wäre nämlich gekünstelt, ein durch ein einziges Ziel gekennzeichnetes kontinuierliches Verhalten in mehrere selbständige Zuwiderhandlungen zu zerlegen, weil sich die kollusiven Verhaltensweisen je nach betroffenem Markt in ihrer Intensität unterschieden. Diese Faktoren sind nur bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und gegebenenfalls bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen (vgl. entsprechend Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 87 angeführt, Randnr. 90).

167    Entsprechend diesen Erwägungen hat die Kommission festgestellt, dass sie für die Bemessung der Geldbuße in Bezug auf PBS habe berücksichtigen müssen, dass das Kartell später als in Bezug auf HP begonnen habe und dass es früher beendet worden sei (331. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

168    Das Vorbringen der Klägerin, die Beweise für die wettbewerbswidrigen Handlungen auf dem PBS-Markt reichten für den fraglichen Zeitraum nicht aus, kann daher keinen Erfolg haben.

169    Da die Klägerin schließlich nicht dargetan hat, dass die angefochtene Entscheidung mit einem Rechtsfehler bei der Anwendung von Art. 81 Abs. 1 EG behaftet ist, ist ihr im Wesentlichen auf derselben Annahme beruhendes Vorbringen, die Kommission habe diese Vorschrift unter Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen zu weit ausgelegt, auch insofern zurückzuweisen.

170    Nach alledem ist die Rüge hinsichtlich der Feststellung der Zuwiderhandlung für die Zeit von Mai 1995 bis August 1997 zurückzuweisen.

–       Zum Zeitraum vom 18. Mai bis 31. Dezember 2000

171    Zur Endphase der Zuwiderhandlung führte die Kommission im 356. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung aus, dass Art. 81 Abs. 1 EG auf ein Kartell anwendbar sei, das seine Wirkungen über seine förmliche Beendigung hinaus entfalte, und dies vor allem zutreffe, wenn Unternehmen die bei den Kartelltreffen vereinbarten Preise weiterhin anwendeten.

172    Aufgrund dieser Erwägungen stellte die Kommission fest, dass man den mit anderen Beweisen übereinstimmenden Erklärungen von Arkema zufolge bei dem multilateralen Treffen am 18. Mai 2000 in Turku allgemein übereingekommen sei, das Preisniveau für das ganze Jahr 2000 zu halten, und dass daher angenommen werden könne, dass die Wirkung auf die Preise zumindest im zweiten Halbjahr 2000 fortgedauert habe (357. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Der 31. Dezember 2000 wurde daher u. a. in Bezug auf die Klägerin als Zeitpunkt für das Ende der Zuwiderhandlung betrachtet (360. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

173    Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Kommission habe einen Rechtsfehler und einen Fehler bei der Würdigung des Sachverhalts begangen, indem sie festgestellt habe, dass das Kartell nach dem Treffen vom 18. Mai 2000 fortgedauert habe.

174    Hierzu ist festzustellen, dass Art. 81 EG nach ständiger Rechtsprechung auch für Vereinbarungen gilt, deren Wirkungen über ihre formelle Beendigung hinaus fortdauern (Urteil des Gerichtshofs vom 3. Juli 1985, Binon, 243/83, Slg. 1985, 2015, Randnr. 17, und Urteil des Gerichts vom 10. März 1992, Montedipe/Kommission, T‑14/89, Slg. 1992, II‑1155, Randnr. 231).

175    Insbesondere kann die Kommission zu Recht feststellen, dass die Wirkungen des Kartells über die formelle Beendigung der kollusiven Treffen hinaus fortbestanden, soweit die bei diesen Treffen vereinbarten Preiserhöhungen für einen späteren Zeitraum gelten sollten (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 26. April 2007, Bolloré u. a./Kommission, T‑109/02, T‑118/02, T‑122/02, T‑125/02, T‑126/02, T‑128/02, T‑129/02, T‑132/02 und T‑136/02, Slg. 2007, II‑947, Randnr. 186).

176    Da die Kommission vorliegend festgestellt hat, dass auf dem Treffen vom 18. Mai 2000 ein allgemeiner Konsens zustande gekommen sei, das Preisniveau im zweiten Halbjahr 2000 zu halten, konnte sie zu Recht schließen, dass die Wirkungen des Kartells bis zum 31. Dezember 2000 fortbestanden hätten.

177    Dieses Ergebnis wird nicht durch das Vorbringen der Klägerin in Frage gestellt, als Erstes seien die von der Kommission vorgebrachten Beweise unzureichend.

178    Es ist festzustellen, dass die Klägerin weder das fragliche informelle Treffen noch ihre Teilnahme an diesem Treffen in Abrede stellt. Insofern trägt sie zu Unrecht vor, die Erklärungen von Arkema, die sich auf einen „Konsens“ bezögen, implizierten keinen gemeinsamen Willen der Teilnehmer, dass die Wirkungen der Vereinbarung fortdauerten. Dem steht nämlich der Wortlaut dieser Erklärungen entgegen, die sich auf das Vorliegen „letzter Besprechungen“ hinsichtlich der Preise für den 1. Januar 2001 und eines „allgemeinen Konsenses“ hinsichtlich der Beibehaltung des Preisniveaus bezogen (282. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

179    Ebenfalls zu Unrecht beruft sich die Klägerin auf den angeblichen Widerspruch zwischen der Feststellung von Arkema zum Konsens hinsichtlich der Preise und deren anderen Erklärungen, denen zufolge das Treffen von Turku „für einige Hersteller die Gelegenheit war, zu zeigen, dass sich die Zeiten geändert haben“, sowie „die Unterbrechung der Zusammenarbeit anzukündigen und damit die Kontrolle des Marktes zu beenden“. Diese Erklärungen, in denen es um die Absicht geht, das wettbewerbswidrige Verhalten zu beenden, und die damit die förmliche Beendigung des Kartells ankündigten, stehen nicht im Widerspruch zum Vorliegen eines Konsenses, dessen Wirkungen bis zum Jahresende aufrechtzuerhalten.

180    Im Übrigen stehen, entgegen dem Vorbringen der Klägerin, die Erklärungen von Arkema im Einklang mit anderen Aktenstücken, u. a. mit der von mehreren Unternehmen bestätigten und von der Klägerin nicht in Abrede gestellten Information, dass die Preise im Rahmen der Zusammenkünfte, die am Rande der halbjährlichen Sitzungen des CEFIC stattgefunden hätten, gewöhnlich für die sechs Folgemonate festgelegt worden seien (357. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

181    Hierzu ist festzustellen, dass es angesichts eines übereinstimmenden Indizienbündels, das auf das Vorliegen eines Kartells hinweist, einer wirklich stichhaltigen Erklärung bedarf, um darzutun, dass bei einer bestimmten Sitzung etwas ganz anderes als bei früheren Sitzungen geschah, wenn sämtliche Sitzungen mit demselben Teilnehmerkreis unter denselben äußeren Umständen und unbestritten mit demselben Ziel abgehalten wurden (Schlussanträge des zum Generalanwalt bestellten Richters Vesterdorf in der Rechtssache T-1/89, Rhône-Poulenc/Kommission, Urteil vom 24. Oktober 1991, Slg. 1991, II-867, II-954).

182    Jedenfalls wurde die Feststellung, dass mehrere Wettbewerber die geheimen Absprachen trotz deren formeller Beendigung mindestens bis Ende 2000 weiterverfolgt haben, durch bestimmte bilaterale Kontakte nach dem Treffen vom 18. Mai 2000 bestätigt (357. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

183    Das Vorbringen der Klägerin zum Nachweis der Rechtmäßigkeit eines dieser Kontakte, und zwar ihres Treffens mit FMC Foret, ist insofern nicht geeignet, die Feststellung der Kommission, dass das Kartell weiterhin Wirkungen entfaltet habe, in Frage zu stellen, da diese Feststellung nicht auf diesem Faktor allein beruht, der in dem von der Kommission vorgebrachten Indizienbündel nur zweitrangig ist.

184    Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, sie habe bei dem bilateralen Treffen mit Degussa im Mai oder Juni 2000 festgestellt (Erwägungsgründe 283 bis 285 der angefochtenen Entscheidung), dass „es nicht mehr möglich war, auf der Grundlage der Diskussionen zwischen den Herstellern über den Markt zu einer Aufteilung der Kapazitäten und deren Neuverteilung zu gelangen“.

185    Hierzu genügt die Feststellung, dass dieser von der Klägerin bei einem bilateralen Kontakt zum Ausdruck gebrachte Standpunkt, der zudem dahin ausgelegt werden kann, dass er die Schwierigkeiten zusammenfasst, das Kartell aufrechtzuerhalten, nicht zeigt, dass sie sich damit öffentlich von der Zuwiderhandlung distanziert hat, indem sie ihre Beteiligung an dem Kartell beendet.

186    Nach alledem hat die Kommission in rechtlich hinreichender Weise nachgewiesen, dass das Treffen vom 18. Mai 200 zu einem allgemeinen Konsens über die Beibehaltung des Preisniveaus und damit dazu geführt hat, dass die Wirkungen des Kartells im zweiten Halbjahr 2000 fortbestanden haben.

187    Diese Folgerung wird nicht durch das Vorbringen der Klägerin entkräftet, mit dem als Zweites geltend gemacht wird, es fehle eine Prüfung der Preise, die im fraglichen Zeitraum auf dem Markt praktiziert worden seien, und die Akten enthielten Hinweise darauf, dass der Markt vom Wettbewerb geprägt gewesen sei.

188    Sofern die Kommission nämlich dargetan hat, dass das Preisniveau, über das im Rahmen des fraglichen Treffens allgemeiner Konsens bestanden habe, im zweiten Halbjahr 2000 angewandt werden musste, konnte sie feststellen, dass die Wirkungen des Kartells in dieser Zeit fortbestanden hätten, ohne nachweisen zu müssen, dass das Kartell konkrete Auswirkungen auf die tatsächlichen Preise hatte (vgl. in diesem Sinne Urteil Bolloré u. a./Kommission, oben in Randnr. 175 angeführt, Randnr. 186).

189    Da diese Feststellung auf der in rechtlich hinreichender Weise nachgewiesenen Erwägung beruht, dass ein gemeinsamer Wille der Parteien bestand, die Wirkungen des Kartells ungeachtet seiner formellen Beendigung zu verlängern, wird damit entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht die Beweislast umgekehrt, so dass sie dem Grundsatz der Unschuldsvermutung nicht entgegenstehen kann.

190    Nach alledem ist festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerin die Feststellung der Kommission, die Zuwiderhandlung habe bis zum 31. Dezember 2000 fortbestanden, nicht in Frage gestellt hat.

191    Daher kann auch diese Rüge nicht durchgreifen.

192    Zur Prüfung des ersten und des zweiten Klagegrundes ist abschließend festzustellen, dass die Kommission nicht in rechtlich hinreichender Weise dargetan hat, dass die Klägerin in der Zeit vom 31. Januar 1994 bis Mai 1995 an der Zuwiderhandlung beteiligt war.

193    Im Übrigen sind der erste und der zweite Klagegrund zurückzuweisen.

194    Demzufolge ist Art. 1 Buchst. m der angefochtenen Entscheidung aufzuheben, soweit die Kommission darin die Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung in der Zeit vor Mai 1995 festgestellt hat, und die Höhe der in Art. 2 Buchst. h der angefochtenen Entscheidung gegen die Klägerin verhängten Geldbuße neu zu berechnen, um der kürzeren Dauer ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung Rechnung zu tragen. Die konkreten Folgen dieser Neuberechnung werden unten in den Randnrn. 440 und 441 dargestellt.

 Zum Vorwurf einer Verletzung der Verteidigungsrechte

 Vorbringen der Parteien

195    Im Rahmen des fünften Klagegrundes macht die Klägerin geltend, die Kommission habe ihr die Einsicht zum einen in einen Teil der von Degussa vorgelegten Aktenunterlagen und zum anderen in die Antworten der anderen betroffenen Unternehmen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte verweigert. Diese Weigerung führe zur Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerin sowie von Art. 27 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [81 EG] und [82 EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1).

196    Die Klägerin weist als Erstes darauf hin, dass sie einen begrenzten Zugang zu den von Degussa vorgelegten Unterlagen gehabt habe, die deren interne Monatsberichte über den HP-Markt für das Jahr 2000 enthalten hätten. Die Kommission habe einen Rechtsfehler und einen Beurteilungsfehler begangen, indem sie der Klägerin die uneingeschränkte Einsicht in diese Unterlagen verweigert habe.

197    Die fraglichen Informationen hätten objektiv nicht als vertraulich betrachtet werden können, da es sich um mindestens fünf Jahre alte Berichte gehandelt habe, in denen kurzfristige Strategien wiedergegeben worden seien. Zu vergleichbaren Informationen der Klägerin sei die Kommission der Auffassung gewesen, dass diese nach drei Jahren nicht mehr als vertraulich betrachtet werden könnten.

198    Im Übrigen stelle die Vertraulichkeit eines Dokuments kein absolutes Hindernis für seine Offenlegung dar. Die Verteidigungsrechte der Klägerin hätten die Vertraulichkeit der Unterlagen zurücktreten lassen müssen. Es wäre möglich gewesen, angemessene Maßnahmen zum Schutz der Vertraulichkeit der Informationen zu ergreifen.

199    Die Unterlagen von Degussa seien für die Feststellung, ob nach dem Treffen von Turku am 18. Mai 2000 eine Zuwiderhandlung begangen worden sei, erheblich und daher für die Verteidigung der Klägerin unentbehrlich gewesen. Die Auszüge aus den Unterlagen von Degussa in Bezug auf das Jahr 2000 hätten gezeigt, dass der Markt vom Wettbewerb geprägt gewesen sei, so dass das Vorliegen einer Zuwiderhandlung in diesem Zeitraum hätte zurückgewiesen werden können.

200    Die Klägerin macht als Zweites geltend, die Kommission habe gegen Art. 27 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 und ihre Verteidigungsrechte verstoßen, indem sie ihr die Einsicht in die Antworten der anderen betroffenen Unternehmen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte verweigert habe.

201    Die Kommission trage zu Unrecht vor, dass das Gemeinschaftsrecht keine solche Akteneinsicht verlange. Sie habe die Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte in früheren Verfahren offengelegt. Nr. 27 der Mitteilung der Kommission über die Regeln für die Einsicht in Kommissionsakten in Fällen einer Anwendung der Artikel 81 [EG] und 82 [EG], Artikel 53, 54 und 57 des EWR-Abkommens und der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 (ABl. 2005, C 325, S. 7) sei rechtswidrig, soweit sie die Einsicht in die fraglichen Antworten grundsätzlich ausschließe.

202    Die Klägerin macht geltend, die Antworten der anderen betroffenen Unternehmen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte hätte ihre Haltung zur Dauer der Zuwiderhandlung bestätigen können, da diese anderen Unternehmen ebenfalls den Beginn und das Ende des Kartells und vor allem die Verfolgung der Zuwiderhandlung vom 18. Mai bis 31. Dezember 2000 in Abrede gestellt hätten.

203    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

204    Art. 27 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 lautet:

„Die Verteidigungsrechte der Parteien müssen während des Verfahrens in vollem Umfang gewahrt werden. Die Parteien haben Recht auf Einsicht in die Akten der Kommission, vorbehaltlich des berechtigten Interesses von Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse. …“

205    Nach ständiger Rechtsprechung impliziert das Recht auf Akteneinsicht als Ausfluss des Grundsatzes der Wahrung der Verteidigungsrechte, dass die Kommission dem betreffenden Unternehmen die Möglichkeit einräumen muss, sämtliche Schriftstücke in der Ermittlungsakte, die möglicherweise für seine Verteidigung erheblich sind, zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 2. Oktober 2003, Corus UK/Kommission, C‑199/99 P, Slg. 2003, I‑11177, Randnrn. 125 bis 128, und Urteil des Gerichts vom 29. Juni 1995, Solvay/Kommission, T‑30/91, Slg. 1995, II‑1775, Randnr. 81).

206    Zu ihnen gehören vorbehaltlich der Geschäftsgeheimnisse anderer Unternehmen sowohl belastende als auch entlastende Schriftstücke, interne Schriftstücke der Kommission und andere vertrauliche Informationen (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 97 angeführt, Randnr. 68).

207    In Bezug auf belastende Schriftstücke stellt die unterbliebene Übermittlung eines Schriftstücks nur dann eine Verletzung der Verteidigungsrechte dar, wenn das betreffende Unternehmen zum einen dartut, dass sich die Kommission zur Untermauerung ihres Vorwurfs, dass eine Zuwiderhandlung vorliege, auf dieses Schriftstück gestützt hat, und zum anderen, dass dieser Vorwurf nur durch Heranziehung des fraglichen Schriftstücks belegt werden kann. Das betroffene Unternehmen muss daher dartun, dass das Ergebnis, zu dem die Kommission in ihrer Entscheidung gekommen ist, anders ausgefallen wäre, wenn dieses nicht übermittelte Schriftstück als Beweismittel ausgeschlossen werden müsste (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 97 angeführt, Randnrn. 71 bis 73).

208    Wurde demgegenüber ein entlastendes Schriftstück nicht übermittelt, muss das betroffene Unternehmen nur nachweisen, dass die Vorenthaltung dieses Schriftstücks den Verfahrensablauf und den Inhalt der Entscheidung der Kommission zu seinen Ungunsten beeinflussen konnte. Es genügt, dass das Unternehmen dartut, dass es die fraglichen entlastenden Schriftstücke zu seiner Verteidigung hätte einsetzen können (Urteil des Gerichts vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, Slg. 2002, I‑8375, Randnr. 318, und Urteil Hercules Chemicals/Kommission, oben in Randnr. 85 angeführt, Randnr. 81), indem es u. a. zeigt, dass es Faktoren hätte geltend machen können, die nicht mit den im Stadium der Mitteilung der Beschwerdepunkte von der Kommission gezogenen Schlüssen übereinstimmten und daher, in welcher Weise auch immer, die in der Entscheidung vorgenommenen Beurteilungen hätten beeinflussen können (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 97 angeführt, Randnr. 75).

209    Im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes macht die Klägerin geltend, keine Einsicht zum einen in einen Teil der von Degussa vorgelegten Aktenunterlagen der Kommission und zum anderen in die Antworten der anderen betroffenen Unternehmen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte gehabt zu haben.

–       Zur Einsicht in die Unterlagen von Degussa

210    Aus den Akten geht hervor, dass die Klägerin während des Verwaltungsverfahrens die Einsicht in die Vertriebsberichte von Degussa für den Zeitraum der Zuwiderhandlung beantragte.

211    Die Kommission gewährte die uneingeschränkte Einsicht in die Unterlagen der Jahre 1996 bis 1999, legte aber auf Antrag von Degussa aus den als vertraulich betrachteten Unterlagen für die Jahre 2000 und 2001 nur Auszüge offen.

212    Die Klägerin rügt im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes die Vorenthaltung der Einsicht in die vollständige Fassung der Unterlagen für das Jahr 2000, indem sie zum einen eine Verletzung von Art. 27 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 und zum anderen eine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte geltend macht.

213    Es ist darauf hinzuweisen, dass das Recht auf Akteneinsicht gemäß Art. 27 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 zu den Verfahrensgarantien gehört, die die Verteidigungsrechte schützen und insbesondere die effektive Ausübung des Anhörungsrechts sicherstellen sollen.

214    Somit ist die Akteneinsicht kein Selbstzweck, sondern dient dem Schutz der Verteidigungsrechte (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 15. März 2000, Cimenteries CBR u. a./Kommission, T‑25/95, T‑26/95, T‑30/95 bis T‑32/95, T‑34/95 bis T‑39/95, T‑42/95 bis T‑46/95, T‑48/95, T‑50/95 bis T‑65/95, T‑68/95 bis T‑71/95, T‑87/95, T‑88/95, T‑103/95 und T‑104/95, Slg. 2000, II‑491, Randnr. 156).

215    Daraus folgt, dass die Klägerin unter Berufung auf die Vorenthaltung der uneingeschränkten Einsicht in die fraglichen Unterlagen eine Verletzung von Art. 27 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 nur geltend machen kann, sofern diese Unterlagen möglicherweise für ihre Verteidigung erheblich gewesen sind; es obliegt ihr, dies darzutun.

216    Die Klägerin macht hierzu geltend, dass die fraglichen Unterlagen Angaben dazu hätten enthalten können, dass der HP-Markt im zweiten Halbjahr 2000 vom Wettbewerb geprägt gewesen sei, und diese Angaben in Bezug auf die Verfolgung der Zuwiderhandlung in diesem Zeitraum entlastende Faktoren darstellen könnten. Die offengelegten Auszüge zeigten bereits, dass der HP-Markt 2000 vom Wettbewerb geprägt gewesen sei, da die Produktionskosten gestiegen und die Preise unverändert geblieben seien.

217    Wie oben in Randnr. 188 festgestellt, konnte die Kommission, da sie in rechtlich hinreichender Weise festgestellt hat, dass bei dem Treffen in Turku ein allgemeiner Konsens darüber bestanden habe, das Preisniveau im zweiten Halbjahr 2000 beizubehalten, zu Recht den Schluss ziehen, dass die Auswirkungen des Kartells bis zum Ende dieses Zeitraums fortgedauert hätten, ohne mögliche Anzeichen dafür berücksichtigen zu müssen, dass es nicht möglich gewesen sei, die Ziele dieses Konsenses zu erreichen.

218    Daher waren die Anzeichen in Bezug auf die Lage des Marktes im zweiten Halbjahr 2000 und vor allem auf das tatsächliche Preisniveau der betroffenen Unternehmen nicht geeignet, die Würdigung der Kommission zu beeinflussen, dass die Zuwiderhandlung bis Ende 2000 fortdauerte. Sie konnten daher keine entlastenden Faktoren hinsichtlich der Fortdauer des Kartells in dieser Zeit darstellen.

219    Da die Klägerin nicht dargetan hat, dass sie aus den fraglichen Unterlagen etwas zu ihrer Verteidigung hätte ableiten können, ist die vorliegende Rüge zurückzuweisen, ohne dass das Vorbringen der Klägerin zu prüfen ist, mit dem ein Fehler der Kommission bei der Würdigung der Vertraulichkeit dieser Unterlagen geltend gemacht wird.

–       Zur Einsicht in die Antworten der anderen Unternehmen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte

220    Aus den Akten geht hervor, dass die Kommission im Verwaltungsverfahren den Antrag der Klägerin auf Einsicht in die nicht vertraulichen Fassungen der Antworten der anderen Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte auf diese Mitteilung zurückgewiesen hat.

221    Die Klägerin macht geltend, die Verweigerung der Akteneinsicht habe ihre Verteidigungsrechte verletzt, da die fraglichen Antworten Entlastendes zu ihren Gunsten hätten enthalten können.

222    Es ist darauf hinzuweisen, dass die Mitteilung der Beschwerdepunkte eine Rechtshandlung ist, die eine Eingrenzung des Gegenstands des gegen ein Unternehmen eingeleiteten Verfahrens bewirken und eine wirksame Ausübung der Verteidigungsrechte gewährleisten soll (vgl. Urteil des Gerichts vom 8. Oktober 2008, Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, T‑69/04, Slg. 2008, II‑2567, Randnr. 80 und die dort angeführte Rechtsprechung).

223    Dies ist im Hinblick darauf, dass die Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte gemäß dem Grundsatz der Beachtung der Verteidigungsrechte, u. a. des Rechts auf Einsicht in die Akten der Kommission, verfahrensrechtlichen Schutz genießen.

224    Die Antworten auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte gehören nicht zu den eigentlichen Ermittlungsunterlagen (Urteil Cimenteries CBR u. a./Kommission, oben in Randnr. 214 angeführt, Randnr. 380).

225    Da es sich um Unterlagen handelt, die nicht zu den bei der Mitteilung der Beschwerdepunkte erstellten Akten gehören, ist die Kommission nur verpflichtet, diese Antworten anderen Beteiligten offenzulegen, wenn sie neue belastende oder entlastende Faktoren enthalten.

226    Nach ständiger Rechtsprechung müssen insofern zum einen hinsichtlich der neuen belastenden Faktoren die anderen Beteiligten dieses Verfahrens, wenn sich die Kommission auf einen in einer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltenen Faktor stützen will, um das Bestehen einer Zuwiderhandlung nachzuweisen, in die Lage versetzt werden, sich zu einem solchen neuen Beweismittel zu äußern (Urteile des Gerichts Cimenteries CBR u. a./Kommission, oben in Randnr. 214 angeführt, Randnr. 386, und vom 27. September 2006, Avebe/Kommission, T‑314/01, Slg. 2006, II‑3085, Randnr. 50).

227    Was zum anderen die neuen entlastenden Faktoren betrifft, ist die Kommission nach dieser Rechtsprechung nicht verpflichtet, sie von sich aus zugänglich zu machen. Hat die Kommission im Verwaltungsverfahren den Antrag eines Klägers auf Einsicht in Unterlagen, die sich nicht in der Ermittlungsakte befinden, abgelehnt, so kann eine Verletzung der Verteidigungsrechte nur dann festgestellt werden, wenn nachgewiesen ist, dass das Verwaltungsverfahren möglicherweise zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, wenn der Kläger die fraglichen Unterlagen in diesem Verfahren hätte einsehen können (Urteil Cimenteries CBR u. a./Kommission, oben in Randnr. 214 angeführt, Randnr. 383).

228    Außerdem kann die Klägerin sich nicht auf die Erwägung im Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission (oben in Randnr. 97 angeführt, Randnr. 126), berufen, wonach es nicht allein Sache der Kommission sein kann, die für die Verteidigung des betroffenen Unternehmens nützlichen Unterlagen zu bestimmen. Diese Erwägung in Bezug auf die Unterlagen der Kommissionsakte ist nicht auf die Antworten der anderen betroffenen Unternehmen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte durch die Kommission anwendbar.

229    Daher können die auf die Beachtung des Grundsatzes der Waffengleichheit und die Beachtung der Verteidigungsrechte gestützten Erwägungen entgegen dem Vorbringen der Klägerin grundsätzlich nicht dazu führen, die Kommission zu verpflichten, die betreffenden Antworten anderen Parteien preiszugeben, damit diese das Fehlen möglicherweise entlastender Faktoren prüfen können.

230    Sofern sich die Klägerin auf das Vorliegen angeblich entlastender Faktoren in den nicht übermittelten Antworten beruft, obliegt es ihr, einen ersten Hinweis auf die Sachdienlichkeit dieser Unterlagen für ihre Verteidigung zu geben.

231    Sie muss vor allem die fraglichen möglicherweise entlastenden Faktoren angeben oder einen Anhaltspunkt für ihr Vorliegen und damit ihre Zweckdienlichkeit für das Verfahren vorlegen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Jungbunzlauer/Kommission, T‑43/02, Slg. 2006, II‑3435, Randnrn. 351 bis 359).

232    Die Klägerin macht geltend, dass die Antworten der anderen Unternehmen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte ihre Argumente zugunsten einer kürzeren Dauer der Zuwiderhandlung hätten bestätigen können. Vor allem hätten bestimmte andere Unternehmen den Zeitpunkt des Beginns und des Endes des Kartells angefochten, indem sie die Untersuchung der Kommission hinsichtlich der Fortdauer des Kartells bis Ende 2000 in Abrede gestellt hätten. Außerdem hätten die fraglichen Antworten Faktoren enthalten können, die das Vorliegen einer Zuwiderhandlung im zweiten Halbjahr 2000 in einem anderen Licht hätten erscheinen lassen können, vor allem, weil kein Beweis für eine Auswirkung auf die Preise in diesem Zeitraum vorgelegen habe.

233    Gleichwohl genügt nach der Rechtsprechung der bloße Umstand, dass die anderen betroffenen Unternehmen im Wesentlichen dieselben Argumente zur Dauer der Zuwiderhandlung vorgetragen haben wie die Klägerin, nicht, um diese Argumente als entlastendes Material anzusehen (vgl. in diesem Sinne Urteil Jungbunzlauer/Kommission, oben in Randnr. 231 angeführt, Randnrn. 353 und 355).

234    Ebenso bedeutet der Umstand, dass bestimmte Unternehmen in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte dargetan haben, dass ihre Teilnahme an den behaupteten Zuwiderhandlungen nicht hinreichend nachgewiesen war, keineswegs, dass diese Antworten Faktoren enthielten, die die unmittelbaren schriftlichen Beweise, auf die sich die Kommission stützte, in einem neuen Licht erscheinen lassen können (Urteil Cimenteries CBR u. a./Kommission, oben in Randnr. 214 angeführt, Randnr. 405).

235    Dies gilt umso mehr, als die Kommission in der angefochtenen Entscheidung die von den anderen betroffenen Unternehmen in ihren Antworten auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgebrachten Argumente zurückgewiesen hat. Unter diesen Umständen hätten die möglichen Bemerkungen, die die Klägerin unter Berufung auf diese Antworten hätte machen können, nur Faktoren enthalten können, die bereits vollständig von der Kommission berücksichtigt worden waren, und hätten das Verfahren nicht zu einem anderen Ergebnis führen können.

236    Im Übrigen waren, wie bereits oben in den Randnrn. 188, 217 und 218 hervorgehoben, die möglichen Angaben dazu, dass der Markt vom Wettbewerb geprägt war, und das tatsächliche Preisniveau vom 18. Mai bis 31. Dezember 2000, der Endphase des Kartells, nicht geeignet, die Feststellung der Kommission zu beeinflussen, nach der das Kartell in diesem Zeitraum fortbestanden habe, und konnten daher nicht als entlastende Faktoren angesehen werden.

237    Nach alledem findet sich in den von der Klägerin vorgetragenen Argumenten kein erster Hinweis darauf, dass die Antworten der anderen betroffenen Unternehmen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte für ihre Verteidigung zweckdienlich waren.

238    Es ist folglich festzustellen, dass die Klägerin nicht dargetan hat, dass der Umstand, dass sie keine Einsicht in diese Antworten hatte, sie in ihrer Verteidigung beeinträchtigen konnte.

239    Sofern die Klägerin eine falsche Anwendung von Nr. 27 der Mitteilung der Kommission über die Regeln für die Einsicht in Kommissionsakten in Fällen einer Anwendung der Art. 81 EG und 82 EG, Art. 53, 54 und 57 des EWR-Abkommens und der Verordnung Nr. 139/2004 oder hilfsweise deren Rechtswidrigkeit geltend macht, genügt der Hinweis, dass die fragliche Mitteilung, die im Übrigen in der angefochtenen Entscheidung nicht herangezogen wird, am 22. Dezember 2005 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden ist und daher aufgrund ihrer zeitlichen Geltung nicht auf die Versagung der streitigen Akteneinsicht angewandt werden kann, die am 4. Mai 2005 erfolgte.

240    Das Vorbringen der Klägerin zu dieser Mitteilung geht daher ins Leere.

241    Nach alledem müssen die Rüge bezüglich der Verweigerung der Einsicht in die Antworten der anderen betroffenen Unternehmen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte sowie der vorliegende Klagegrund insgesamt als unbegründet zurückgewiesen werden.

 Zum Vorwurf von Fehlern bei der Festsetzung der Geldbuße

 Vorbringen der Parteien

242    Der vierte Klagegrund besteht aus vier Rügen, die sich auf die Würdigung der Kommission bei der Festsetzung der Geldbuße beziehen, und zwar erstens bezüglich der Schwere der Zuwiderhandlung, zweitens bezüglich ihrer Dauer, drittens bezüglich der abschreckenden Wirkung der Geldbuße und viertens bezüglich des Umstands, dass die Zusammenarbeit der Klägerin nicht als mildernder Umstand berücksichtigt worden sei.

243    Die Klägerin macht als Erstes geltend, die Kommission habe bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung Rechts- und Beurteilungsfehler begangen. Der Grundbetrag der Geldbuße sei daher überhöht und unverhältnismäßig.

244    Zum einen habe die Kommission im Rahmen der Bestimmung des Ausgangsbetrags außer Acht gelassen, dass das Kartell im Hinblick auf PBS von kürzerer Dauer gewesen sei als im Hinblick auf HP. Der Ausgangsbetrag sei ausgehend von der Gesamtgröße des kombinierten HP- und PBS-Marktes im Jahr 1999 im EWR festgesetzt worden, ohne dass berücksichtigt worden sei, dass das Kartell in Bezug auf PBS von kürzerer Dauer gewesen sei. Da der HP-Markt zwischen 60 % und 65 % des kombinierten Marktes der beiden Produkte ausgemacht habe, hätte die Kommission den Ausgangsbetrag herabsetzen müssen, damit er den Zeitraum der Zuwiderhandlung widerspiegele, in dem nur der HP-Markt betroffen gewesen sei.

245    Zum anderen habe es die Kommission versäumt, die Auswirkungen des Kartells auf den Markt zu prüfen. Eine solche Prüfung sei für sämtliche Zeiträume mit Ausnahme derjenigen erforderlich gewesen, in denen die Preisabsprachen tatsächlich angewandt worden seien, nämlich von August 1997 bis 18. Mai 2000 für HP und vom 14. Mai 1998 bis 19. Dezember 1999 für PBS. Die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass es nicht möglich gewesen sei, die tatsächlichen Auswirkungen der Zuwiderhandlung zu bemessen (455. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), ohne dies jedoch zu begründen.

246    Da die Kommission nicht festgestellt habe, dass die Zuwiderhandlung in der Anfangs- und Endphase des Kartells Auswirkungen auf die Preise gehabt habe, hätte sie daher die Geldbuße herabsetzen müssen. Die Kommission habe einen Rechtsfehler begangen, indem sie weder untersucht habe, ob die wettbewerbswidrigen Praktiken durchgeführt worden seien, noch versucht habe, deren Auswirkungen auf den Markt zu quantifizieren.

247    Im Übrigen weise die angefochtene Entscheidung im Hinblick auf die Festsetzung des Ausgangsbetrags von 50 Millionen Euro einen Begründungsfehler auf, da die Kommission lediglich angegeben habe, dass dies der Betrag sei, der „verhängt werden muss“. Dieser Betrag sei nach Maßgabe der Leitlinien und der Entscheidungspraxis der Kommission unverhältnismäßig.

248    Als Zweites durfte die Kommission nach Auffassung der Klägerin bei der Bemessung der Geldbuße nur den Zeitraum von Februar 1998 bis Mai 2000 berücksichtigen.

249    Zum einen habe die Kommission nämlich nur den Beweis für die Zuwiderhandlung erbracht, die die Klägerin von August 1997 bis 18. Mai 2000 begangen habe. Zum anderen sei die Klägerin das erste Unternehmen gewesen, das Beweise für das Bestehen eines Kartells von August 1997 bis Februar 1998 geliefert habe. Dieser Zeitraum hätte daher bei der Bemessung der Geldbuße nicht berücksichtigt werden dürfen.

250    Die Kommission habe als Drittes die Erhöhung der Geldbuße zu Abschreckungszwecken in keiner Weise begründet. Sie habe nicht erklärt, warum diese Erhöhung notwendig gewesen sei und warum ohne eine solche Erhöhung eine Tatwiederholung wahrscheinlich sei.

251    Die fragliche Erhöhung sei im Hinblick auf das Ziel, eine Tatwiederholung zu unterbinden, überhöht und unverhältnismäßig. Die Höhe der Geldbuße vor dieser Erhöhung habe unabhängig vom Umsatz und den Mitteln der Klägerin offensichtlich ausgereicht, um eine abschreckende Wirkung zu entfalten.

252    Die Klägerin macht als Viertes geltend, die Kommission habe ihre Mitarbeit im Rahmen des Verfahrens nicht in vollem Umfang bei der Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit berücksichtigt. So hätte sie diese außerhalb des Rahmens dieser Mitteilung berücksichtigen müssen, um nicht die Leitlinien sowie den Verhältnismäßigkeits- und den Gleichbehandlungsgrundsatz zu verletzen.

253    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

–       Zur Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und der Höhe des Ausgangsbetrags der Geldbuße

254    Gemäß Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 sind bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen.

255    Nach ständiger Rechtsprechung ist die Schwere einer Zuwiderhandlung unter Berücksichtigung einer Vielzahl von Faktoren zu ermitteln, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, hinsichtlich deren die Kommission über ein Ermessen verfügt (Urteile des Gerichtshofs vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Randnr. 241, und vom 10. Mai 2007, SGL Carbon/Kommission, C‑328/05 P, Slg. 2007, I‑3921, Randnr. 43).

256    Nach Nr. 1 Abschnitt A Abs. 1 der Leitlinien „[sind b]ei der Ermittlung der Schwere eines Verstoßes … seine Art und die konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, sowie der Umfang des betreffenden räumlichen Marktes zu berücksichtigen“.

257    Um die Zuwiderhandlung als sehr schwer einzustufen, hat die Kommission hier der Art der begangenen Zuwiderhandlung, die in Verhaltensweisen bestand, die zu den schwerwiegendsten Zuwiderhandlungen gemäß Art. 81 EG gehörten, der Tatsache, dass sie sich auf den gesamten EWR erstreckte, auf dem der kombinierte HP- und PBS-Markt einen beträchtlichen Gesamtwert ausmachte, und dem Umstand Rechnung getragen, dass diese Zuwiderhandlung Auswirkungen auf den Markt haben musste, selbst wenn diese nicht messbar waren (Erwägungsgründe 453 bis 457 der angefochtenen Entscheidung).

258    Anschließend wurde der allgemeine Ausgangsbetrag der Geldbuße für jeden Beteiligten insbesondere nach dessen jeweiligem Gewicht auf dem Markt bestimmt. Gegen die Klägerin als den größten Hersteller auf dem kombinierten HP- und PBS-Markt wurde ein Ausgangsbetrag von 50 Millionen Euro festgesetzt (Erwägungsgründe 460 bis 462 der angefochtenen Entscheidung).

259    Als Erstes hält die Klägerin diesen Beurteilungen entgegen, die Kommission hätte berücksichtigen müssen, dass das Kartell in Bezug auf PBS von viel kürzerer Dauer gewesen sei als in Bezug auf HP und dass der HP-Markt zwischen 60 % und 65 % des kombinierten Marktes beider Erzeugnisse ausgemacht habe.

260    Es ist festzustellen, dass der Ausgangsbetrag im Fall einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung zwar nach Maßgabe der Schwere der Zuwiderhandlung insgesamt bestimmt wird, es sich aber als angebracht erweisen kann, in diesem Stadium der Bemessung der Geldbuße der unterschiedlichen Intensität der Zuwiderhandlung Rechnung zu tragen (vgl. in diesem Sinne Urteil BPB/Kommission, oben in Randnr. 89 angeführt, Randnr. 364).

261    Die Kommission hat vorliegend im 331. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass „sie zwar weiterhin überzeugt ist, dass es um eine einheitliche Zuwiderhandlung ging, die sich gleichzeitig auf HP und PBS bezog“, für die Bemessung der Geldbuße aber berücksichtigt habe, „dass das PBS-Kartell später als das [HP-]Kartell begonnen hat und vor diesem beendet wurde“.

262    Entgegen dem Vorbringen der Klägerin hat die Kommission daher im Zusammenhang mit der Bemessung der Geldbuße berücksichtigt, dass das kollusive Verhalten in Bezug auf PBS von kürzerer Dauer war als die gesamte Zuwiderhandlung.

263    Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Kommission in Wirklichkeit nicht in dieser Weise vorgegangen sei, nur weil in den Erwägungsgründen 457 bis 462 der angefochtenen Entscheidung auf die Größe des kombinierten HP- und PBS-Marktes Bezug genommen und nicht genau angegeben wird, wie sich die Dauer des kollusiven Verhaltens für jedes einzelne Erzeugnis in der Bemessung des Ausgangsbetrags niederschlägt.

264    Zum einen braucht nämlich die Kommission in der Begründung ihrer Entscheidung keine Zahlenangaben oder detailliertere Aufstellung des Berechnungsmodus für die Geldbuße zu machen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Cascades/Kommission, C‑279/98 P, Slg. 2000, I‑9693, Randnr. 50).

265    Zum anderen hat die Kommission in ihrer Antwort auf die schriftliche Frage des Gerichts festgestellt, dass sie die unterschiedliche Dauer der kollusiven Verhaltensweisen in Bezug auf PBS tatsächlich nicht im Rahmen der Erhöhung der Geldbuße nach Maßgabe der Dauer, sondern vielmehr bei der Bemessung des Ausgangsbetrags berücksichtigt habe, wobei es sich nur um einen der bei Bemessung des Ausgangsbetrags auf einer angemessenen Höhe berücksichtigten Faktoren gehandelt habe.

266    Mit ihrer Auffassung, die Berücksichtigung der kürzeren Dauer der kollusiven Verhaltensweisen auf dem PBS-Markt hätte sich in einer anteiligen Herabsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße niederschlagen müssen, hat die Klägerin insoweit die Rechtsprechung außer Acht gelassen, wonach die Festsetzung eines angemessenen Ausgangsbetrags nicht das Ergebnis eines bloßen Rechenvorgangs sein kann, wobei die Größe des betroffenen Marktes im Übrigen nur einen der Faktoren darstellt, die zur Bemessung dieses Betrags berücksichtigt werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 255 angeführt, Randnr. 243).

267    Die Rüge der Nichtberücksichtigung der beschränkten Dauer der Verhaltensweisen in Bezug auf PBS ist daher nicht begründet.

268    Als Zweites macht die Klägerin geltend, dass der Ausgangsbetrag der Geldbuße, der auf 50 Millionen Euro festgesetzt sei, im Hinblick auf die Leitlinien sowie die frühere Verwaltungspraxis der Kommission unverhältnismäßig und die angefochtene Entscheidung insofern unzureichend begründet sei.

269    Zu der von der Klägerin herangezogenen früheren Verwaltungspraxis ist festzustellen, dass die Kommission bei der Festsetzung der Geldbußen über ein Ermessen verfügt, um die Unternehmen dazu anhalten zu können, die Wettbewerbsregeln einzuhalten. Die Kommission ist somit dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in bestimmter Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert, dieses Niveau jederzeit anzuheben, um die Durchführung der Wettbewerbspolitik sicherzustellen und um die abschreckende Wirkung der Geldbußen zu verstärken (vgl. Urteil des Gerichts vom 8. Oktober 2008, SGL Carbon/Kommission, T‑68/04, Slg. 2008, II‑2511, Randnr. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

270    Zu den Leitlinien ist darauf hinzuweisen, dass, da es sich hier, wie von der Klägerin nicht in Frage gestellt, um eine als sehr schwerwiegend eingestufte Zuwiderhandlung handelt, ein Ausgangsbetrag von 50 Millionen Euro angesichts der in den Leitlinien vorgesehenen Tabelle nicht als offensichtlich unverhältnismäßig betrachtet werden kann.

271    Was den Vorwurf der unzureichenden Begründung der angefochtenen Entscheidung im Hinblick auf die Bestimmung des Ausgangsbetrags der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbuße anbelangt, sind nach ständiger Rechtsprechung die Anforderungen aufgrund dieses wesentlichen Formerfordernisses erfüllt, wenn die Kommission in ihrer Entscheidung die Beurteilungsgesichtspunkte angibt, die es ihr ermöglicht haben, Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung zu ermitteln (vgl. Urteil Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, oben in Randnr. 208 angeführt, Randnr. 463 und die dort angeführte Rechtsprechung).

272    Die Kommission hat diese Anforderungen erfüllt, indem sie in den Erwägungsgründen 453 bis 462 die Beurteilungsfaktoren aufgeführt hat, die es ermöglicht haben, die Schwere der betreffenden Zuwiderhandlung zu ermitteln, nämlich die Faktoren im Zusammenhang mit deren Art, dem Ausmaß und der Größe der fraglichen Märkte, und deren Anwendung auf den vorliegenden Fall erklärt hat.

273    Im Übrigen ist in Bezug auf die Begründung des Ausgangsbetrags in absoluten Zahlen darauf hinzuweisen, dass die Geldbußen ein Instrument der Wettbewerbspolitik der Kommission darstellen, die bei ihrer Festsetzung einen Ermessensspielraum benötigt, um die Unternehmen dazu anhalten zu können, die Wettbewerbsregeln einzuhalten. Daher kann nicht verlangt werden, dass die Kommission insoweit andere als die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung betreffende Begründungsfaktoren liefert (Urteil vom 8. Oktober 2008, SGL Carbon/Kommission, oben in Randnr. 269 angeführt, Randnr. 32).

274    Die zweite Rüge ist daher unbegründet.

275    Als Drittes macht die Klägerin geltend, die Kommission habe es zu Unrecht versäumt, die tatsächlichen Auswirkungen des Kartells auf den Markt während der Zeiträume, in denen die Preisabsprachen nach Auffassung der Klägerin nicht tatsächlich angewandt worden seien, zu prüfen, nämlich von August 1997 bis 18. Mai 2000 für HP und vom 14. Mai 1998 bis 19. Dezember 1999 für PBS.

276    Die Kommission sei verpflichtet gewesen, zu prüfen, inwieweit die Preise betroffen worden seien, oder zumindest die Wahrscheinlichkeit tatsächlicher Auswirkungen auf den Markt in den fraglichen Zeiträumen zu schätzen.

277    Hierzu ist festzustellen, dass die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt zwar ein Faktor sind, der bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen ist, dass es sich jedoch um ein Kriterium neben anderen handelt, wie Art der Zuwiderhandlung und Umfang des räumlichen Marktes. Zudem geht aus Nr. 1 Abschnitt A Abs. 1 der Leitlinien hervor, dass diese Auswirkungen nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie messbar sind.

278    Es ist auch darauf hinzuweisen, dass horizontale Preisabsprachen oder Marktaufteilungen wie die vorliegende Zuwiderhandlung allein aufgrund ihrer Art als besonders schwere Verstöße angesehen werden können, ohne dass die Kommission konkrete Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt dartun müsste. Die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung sind nur ein Faktor neben anderen, der der Kommission, wenn er messbar ist, erlauben kann, den Ausgangsbetrag der Geldbuße über den voraussichtlichen Mindestbetrag von 20 Millionen Euro zu erhöhen (Urteil des Gerichtshofs vom 3. September 2009, Prym und Prym Consumer/Kommission, C‑534/07 P, Slg. 2009, I‑7415, Randnrn. 74 und 75).

279    Aus dem 455. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ergibt sich, dass die Kommission der Auffassung war, es sei nicht möglich gewesen, die tatsächlichen Auswirkungen der fraglichen Zuwiderhandlungen insgesamt auf den Markt des EWR zu messen, und dass sie sich, insbesondere aufgrund der Überlegung, dass die tatsächlichen Auswirkungen nur berücksichtigt werden müssten, wenn sie messbar seien, daher nicht speziell auf solche Auswirkungen gestützt hat.

280    Im selben Erwägungsgrund stellte die Kommission fest, dass die kollusiven Absprachen von den europäischen Herstellern durchgeführt worden seien und dass sich dies sehr wohl auf den Markt ausgewirkt habe, selbst wenn diese tatsächlichen Auswirkungen „ex hypothesi schwer zu messen“ gewesen seien.

281    Im Übrigen hat sich die Kommission im 457. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, der den Schluss enthält, dass die Zuwiderhandlung als sehr schwerwiegend einzustufen sei, nicht nur auf die Art der Zuwiderhandlung, den räumlichen Umfang und die Größe des Marktes bezogen, sondern auch auf den Umstand, dass die Zuwiderhandlung „Auswirkungen gehabt haben musste“.

282    Da das fragliche Kartell im gesamten EWR durchgeführt wurde und als Zweck die Aufteilung von Märkten und die Zuteilung von Abnehmern sowie die Festsetzung und Überwachung von Zielpreisen hatte, konnte die Kommission die Zuwiderhandlung aufgrund ihrer Art zu Recht als sehr schwer einstufen, ohne konkrete Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt dartun zu müssen.

283    Die Feststellung der Kommission, dass die Zuwiderhandlung insgesamt „Auswirkungen [auf den Markt] gehabt haben musste“, kann daher nur als ein nachrangiges Kriterium angesehen werden, das bei der Bestimmung ihrer Schwere berücksichtigt wird.

284    Im Übrigen stellt die Klägerin diese Feststellung als solche nicht in Abrede, sondern beschränkt sich auf den Hinweis, die Kommission hätte beachten müssen, dass die Zuwiderhandlung während bestimmter Zeiträume keine tatsächlichen Auswirkungen gehabt habe, und hätte dies bei der Bemessung des Ausgangsbetrags berücksichtigen müssen.

285    Dieses Vorbringen richtet sich daher in Wirklichkeit nicht gegen die Einstufung der Zuwiderhandlung als sehr schwerwiegend, sondern zielt darauf ab, die Höhe der von der Kommission aufgrund der Schwere der Zuwiderhandlung verhängten Geldbuße in Frage zu stellen.

286    Hierzu ist festzustellen, dass die konkreten Auswirkungen des Verstoßes zwar, wenn sie messbar sind, einen der Faktoren darstellen, die geeignet sind, zu einer Erhöhung des Ausgangsbetrags der Geldbuße über den voraussichtlichen Mindestbetrag hinaus zu führen, dass aber aus dem 455. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung eindeutig hervorgeht, dass die Kommission angenommen hat, dass die fraglichen Auswirkungen nicht messbar gewesen seien und daher bei der Bemessung der Geldbuße nicht hätten berücksichtigt werden können.

287    Sofern sich die Klägerin auf das Urteil vom 5. April 2006, Degussa/Kommission (T‑279/02, Slg. 2006, II‑897, Randnrn. 241 bis 254), bezieht, in dem das Gericht die nach Maßgabe der Schwere des Verstoßes festgesetzte Geldbuße im Anschluss an die Feststellung herabgesetzt hat, dass die Kommission diesen Betrag unter Berücksichtigung der konkreten Auswirkungen auf den Markt bestimmt hat, obwohl dieser Umstand nicht für die gesamte Dauer des Verstoßes dargetan war, ist darauf hinzuweisen, dass im Unterschied zu den Umständen jener Rechtssache sich die Kommission im vorliegenden Fall bei der Festsetzung der Geldbuße nicht auf die konkreten Auswirkungen des Verstoßes auf den Markt gestützt hat.

288    Da es sich um ein fakultatives Element im Rahmen der Festsetzung der Geldbuße handelt, kann die Klägerin der Kommission im Übrigen nicht mit Erfolg vorwerfen, die Gründe ihrer Feststellung zur mangelnden Messbarkeit der konkreten Auswirkungen des Verstoßes nicht erläutert zu haben.

289    Die Kommission konnte nämlich bei der Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße zu Recht, ohne dies begründen zu müssen, den fraglichen Faktor außer Acht lassen und sich auf andere Faktoren, wie die Art des Verstoßes, den räumlichen Umfang und die Größe des Marktes, stützen.

290    Folglich macht die Klägerin zu Unrecht geltend, dass die Kommission die konkreten Auswirkungen des Kartells auf den Markt bestimmen und das Fehlen solcher Auswirkungen während bestimmter Zeiten der Zuwiderhandlung berücksichtigen oder auch die spezifischen Gründe für ihre Auffassung darstellen musste, dass diese Auswirkungen nicht messbar gewesen seien.

291    Die Rügen hinsichtlich der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und der Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße können demnach keinen Erfolg haben.

–       Zur abschreckenden Wirkung

292    Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe die Erhöhung der Geldbuße zum Zweck der Abschreckung nicht begründet, da sie es unterlassen habe, deren Notwendigkeit im Hinblick auf ihre besondere Lage zu erläutern und die Wahrscheinlichkeit einer Tatwiederholung zu bewerten. Im Übrigen sei die fragliche Erhöhung um 50 % angesichts ihres Zwecks, eine Tatwiederholung zu verhindern, überhöht und unabhängig von der Größe ihres Unternehmens unverhältnismäßig.

293    Was die Begründung der angefochtenen Entscheidung betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission festgestellt hat, dass die Geldbuße in einer Höhe festzusetzen sei, die nach Maßgabe der Größe des jeweiligen Unternehmens eine hinreichend abschreckende Wirkung entfalte (463. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

294    Im selben Erwägungsgrund hat die Kommission angesichts der erheblichen Größe der Klägerin die Anwendung eines Multiplikators von 1,5 des Ausgangsbetrags der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße festgelegt, der sich aus deren beträchtlichem Umsatz in dem der angefochtenen Entscheidung vorausgegangenen Haushaltsjahr ergebe.

295    Es ist festzustellen, dass die Kommission mit dieser Begründung in rechtlich hinreichender Weise die Faktoren zur Erhöhung der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße zum Zweck der Abschreckung dargelegt hat, wodurch sie es dieser ermöglichte, die Gründe für die angesichts ihrer besonderen Lage vorgenommene Erhöhung zu erkennen und ihre Rechte geltend zu machen, sowie dem Unionsrichter, seine Kontrolle auszuüben.

296    Die Kommission muss bei der Begründung der Höhe der Geldbuße keine Angaben zu den Zahlen machen, von denen sie sich speziell hinsichtlich der angestrebten Abschreckungswirkung leiten ließ, als sie ihr Ermessen ausübte (vgl. in diesem Sinne Urteil Cascades/Kommission, oben in Randnr. 264 angeführt, Randnrn. 39 bis 48, und Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Akzo Nobel/Kommission, T‑330/01, Slg. 2006, II‑3389, Randnr. 125).

297    Zur Begründetheit der angefochtenen Entscheidung ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Kommission bei der Bemessung der Geldbuße sicherstellen muss, dass diese eine abschreckende Wirkung entfaltet (Urteile des Gerichtshofs vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnr. 106, und Archer Daniels Midland/Kommission, oben in Randnr. 158 angeführt, Randnr. 63).

298    Hierbei muss die Kommission vor allem die Größe und Wirtschaftskraft des fraglichen Unternehmens berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteile Musique Diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 297 angeführt, Randnr. 120, und Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 255 angeführt, Randnr. 243).

299    Ebenso ist es gemäß Nr. 1 Abschnitt A Abs. 4 der Leitlinien nötig, die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Urheber der Verstöße, Wettbewerber und den Verbraucher wirtschaftlich in erheblichem Umfang zu schädigen, zu berücksichtigen und die Geldbuße auf einen Betrag festzusetzen, der eine hinreichend abschreckende Wirkung entfaltet.

300    Zum Vorbringen der Klägerin, die fragliche Erhöhung sei unverhältnismäßig, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission, sofern die geahndete Zuwiderhandlung Verhaltensweisen entspricht, deren Rechtswidrigkeit die Kommission, seit sie auf diesem Gebiet tätig ist, mehrfach bestätigt hat, die Geldbuße auf einen hinreichend abschreckenden Betrag festsetzen konnte, ohne die Wahrscheinlichkeit einer Tatwiederholung durch die Klägerin beurteilen zu müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2007, BASF und UCB/Kommission, T‑101/05 und T‑111/05, Slg. 2007, II‑4949, Randnrn. 46 und 47).

301    Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission über einen Wertungsspielraum bei der Bemessung der Geldbußen verfügt, um das Verhalten der Unternehmen in Richtung der Einhaltung der Wettbewerbsregeln zu lenken. Angesichts der durch ihre weltweit besonders hohen Umsätze bestätigten Größe der Klägerin kann die fragliche Erhöhung um 50 % nicht als unverhältnismäßig im Hinblick auf den Abschreckungszweck betrachtet werden.

302    Da die fragliche Erhöhung auf der bei der Festsetzung der Geldbuße nicht berücksichtigten Erwägung beruht, dass sichergestellt werden muss, dass die Geldbuße unter Berücksichtigung der erheblichen Ressourcen der Klägerin insgesamt eine abschreckende Wirkung entfaltet, kann diese im Übrigen nicht mit Erfolg geltend machen, dass dem Abschreckungszweck durch den Ausgangsbetrag hinreichend Rechnung getragen worden sei.

303    Die vorliegende Rüge kann demnach keinen Erfolg haben.

–       Zur Dauer der Zuwiderhandlung

304    Die Kommission hat im 467. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass die Klägerin an einer lang andauernden Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei, die sich vom 31. Januar 1994 bis 31. Dezember 2000, d. h. über sechs Jahre und elf Monate, erstreckt habe. Der Ausgangsbetrag ihrer Geldbuße wurde daher um 65 %, d. h. um 10 % für jedes vollständige Jahr der Beteiligung an der Zuwiderhandlung und um 5 % für die übrige Zeit erhöht.

305    Zum einen tritt die Klägerin dieser Einschätzung mit dem Vorbringen entgegen, dass die Kommission ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung weder für die Zeit vor August 1997 noch für die Zeit nach dem 18. Mai 2000 dargetan habe.

306    Da sich diese Rüge jedoch vollständig mit dem Vorbringen der Klägerin im Rahmen der ersten beiden oben geprüften Klagegründe zur Dauer der Zuwiderhandlung überschneidet, ist sie nicht gesondert zu prüfen.

307    Zum anderen macht die Klägerin geltend, sie sei das erste Unternehmen gewesen, das im Rahmen seiner Zusammenarbeit mit der Kommission Beweise zum Vorliegen eines Kartells von August 1997 bis Februar 1998 vorgelegt habe. Die Kommission hätte diesen Zeitraum daher bei der Festsetzung der Geldbuße nicht berücksichtigen dürfen.

308    Im letzten Absatz der Nr. 23 Buchst. b der Mitteilung über Zusammenarbeit heißt es: „Falls ein Unternehmen Beweismittel für einen Sachverhalt vorlegt, von denen die Kommission zuvor keine Kenntnis hatte und die die Schwere oder Dauer des mutmaßlichen Kartells unmittelbar beeinflussen, lässt die Kommission diese Faktoren bei der Festsetzung der Geldbuße gegen das Unternehmen, das diese Beweismittel geliefert hat, unberücksichtigt.“

309    Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, dass die Beweise für die Zuwiderhandlung, die sie im Rahmen ihrer Zusammenarbeit geliefert habe, die Feststellung der Dauer des Kartells unmittelbar beeinflusst hätten, da sie es der Kommission ermöglicht hätten, August 1997 als Beginn der Zuwiderhandlung festzusetzen.

310    Dieses Argument beruht auf der Erwägung, dass die Kommission das Vorliegen der Zuwiderhandlung in der Zeit vor August 1997 nicht in rechtlich hinreichender Weise dargetan habe.

311    Da diese Erwägung im Rahmen der Prüfung des ersten Klagegrundes (siehe oben, Randnr. 170) zurückgewiesen worden ist, kann das vorliegende Vorbringen ebenfalls keinen Erfolg haben. Da die Kommission nämlich zu Recht festgestellt hat, dass sich das Kartell auf Zeiten vor August 1997 bezogen habe, konnte der von der Klägerin beigebrachte Beweis in Bezug auf den nachfolgenden Zeitraum die Feststellung der Dauer des Kartells nicht unmittelbar beeinflussen.

312    Nach alledem bedarf die vorliegende Rüge, soweit sie die Dauer der Zuwiderhandlung betrifft, keiner selbständigen Prüfung neben der vorstehenden Prüfung des ersten und des zweiten Klagegrundes und ist im Übrigen nicht begründet.

–       Zur Nichtberücksichtigung der Zusammenarbeit der Klägerin außerhalb der Mitteilung über Zusammenarbeit

313    Hilfsweise macht die Klägerin im Rahmen des dritten Klagegrundes, mit dem eine fehlerhafte Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit gerügt wird, die unten geprüft wird, geltend, die Kommission habe ihre Zusammenarbeit außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Mitteilung nicht in vollem Umfang als mildernden Umstand berücksichtigt.

314    Hierzu genügt der Hinweis, dass der Betroffene bei Zuwiderhandlungen, die in den Anwendungsbereich der Mitteilung über Zusammenarbeit fallen, der Kommission grundsätzlich nicht mit Erfolg vorwerfen kann, dass sie den Umfang seiner Zusammenarbeit nicht außerhalb des rechtlichen Rahmens der Mitteilung über Zusammenarbeit als mildernden Umstand berücksichtigt habe (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 15. März 2006, BASF/Kommission, T‑15/02, Slg. 2006, II‑497, Randnr. 586 und die dort angeführte Rechtsprechung).

315    Dies gilt hier umso mehr, als die Kommission die Zusammenarbeit der Klägerin berücksichtigt hat, indem sie die Geldbuße gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit herabgesetzt hat. Der Kommission kann demnach nicht mit Erfolg vorgeworfen werden, die gegen die Klägerin verhängte Geldbuße nicht zusätzlich außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Mitteilung herabgesetzt zu haben.

316    Daher sind die vorliegende Rüge und folglich der vierte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

 Zur Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit

 Vorbringen der Parteien

317    Der vorliegende Klagegrund gliedert sich in drei Rügen, und zwar erstens bezüglich der Bestimmung des Zeitpunkts des Antrags der Klägerin auf Anwendung der Kronzeugenregelung, zweitens bezüglich ihrer Einstufung gegenüber zwei weiteren betroffenen Unternehmen und drittens bezüglich des Umfangs der gewährten Ermäßigung der Geldbuße.

–       Zur Bestimmung des Zeitpunkts der Antragstellung durch die Klägerin

318    Die Klägerin macht geltend, die Kommission sei zu Unrecht davon ausgegangen, sie habe ihren Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung am 4. April 2003 gestellt, statt am 3. April um 9.30 Uhr, dem Zeitpunkt, als sie telefonisch Kontakt zur Kommission aufgenommen und ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung eingeräumt sowie einen dringenden Termin für ein Treffen beantragt habe, um einen mündlichen Beweis anzutreten.

319    Die Anträge auf Anwendung der Kronzeugenregelung seien in der Reihenfolge ihres Erhalts unabhängig davon zu prüfen, ob der Antragsteller die Informationen schriftlich oder mündlich liefern wolle. Die Klägerin habe ihren Antrag während der telefonischen Unterredung am 3. April 2003 gestellt, im Anschluss an welche am selben Tag um 13.24 Uhr ein Fax übermittelt worden sei, in dem die Klägerin um einen dringlichen Termin für ein Treffen gebeten habe, um eine mündliche Erklärung abzugeben.

320    Die Weigerung der Kommission, eine solche Bitte als Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung zu betrachten, benachteilige das Unternehmen, das eine mündliche Erklärung abgeben wolle, die in organisatorischer Hinsicht Zeit erfordere. Wenn ein Unternehmen eine Zuwiderhandlung zugebe und zusammenarbeiten wolle, indem es unverzüglich und zu einem mit der Kommission abgesprochenen Zeitpunkt eine Erklärung abgebe, müsse sein Antrag als zu dem Zeitpunkt gestellt angesehen werden, zu dem es um einen Termin für ein Treffen mit der Kommission nachgesucht habe, um seine Erklärung abzugeben.

321    Mündliche Unternehmenserklärungen seien ein anerkanntes Mittel, einen Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung zu stellen. Die Vorgehensweise der Kommission in der angefochtenen Erklärung entmutige jedoch die Unternehmen, einen mündlichen Beweis zu liefern, und widerspreche den Zielen der Mitteilung über Zusammenarbeit. Die Klägerin sei das einzige Unternehmen gewesen, das seine Führungskräfte als unmittelbare Zeugen für das Kartell angeboten habe, damit sie mündliche Erklärungen abgäben und die Fragen der Kommission beantworteten.

322    Sie habe ihre Bitte um einen Termin zur Stellung eines Antrags auf Anwendung der Kronzeugenregelung durch den Telefonanruf und das Fax vom 3. April 2003 bestätigt, in denen die Art der Informationen angegeben gewesen seien, die sie der Kommission so schnell wie möglich habe mitteilen wollen. In einem zweiten Fax, das am selben Tag um 17.24 Uhr übermittelt worden sei, habe die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie bereit sei, unverzüglich Informationen zu geben, und der Kommission für ein gemeinsames Treffen am selben oder am nächsten Tag zur Verfügung stehe.

323    In den fraglichen Mitteilungen sei daher eindeutig auf den Zweck des Treffens und die Art der Informationen hingewiesen worden, die die Klägerin der Kommission zur Verfügung habe stellen wollen. Es sei unerheblich, dass die Angaben über die Zuwiderhandlung darin selbst nicht enthalten gewesen seien.

324    Dadurch, dass die Kommission es abgelehnt habe, zu berücksichtigen, dass die Klägerin ihren Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung am 3. April 2003 um 9.30 Uhr oder, hilfsweise, um 13.24 Uhr gestellt habe, habe sie unter Verstoß gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 und die Nrn. 21 bis 23 der Mitteilung über Zusammenarbeit die spezifischen Besonderheiten eines mündlichen Antrags verkannt.

325    Im Übrigen habe die Kommission gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen. Die Klägerin habe zu Recht annehmen können, dass ihr Antrag als zum Zeitpunkt ihres Telefonanrufs gestellt betrachtet werde. Es sei daher Sache der Kommission gewesen, der Klägerin mitzuteilen, wie sie die Mitteilung über Zusammenarbeit anwenden wolle, so dass die Klägerin unverzüglich einen schriftlichen Antrag per Fax hätte stellen können.

326    Indem die Kommission dem Unternehmen, das die Unterlagen per Fax übermittelt habe, eine Vorzugsbehandlung habe zuteil werden lassen, habe sie zulasten der Klägerin, die den mündlichen Beweis habe liefern wollen, gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen.

327    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

–       Zur Einstufung der Klägerin gegenüber zwei anderen betroffenen Unternehmen

328    Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe zu Unrecht festgestellt, EKA Chemicals und Arkema hätten zum Zeitpunkt ihrer jeweiligen Anträge auf Anwendung der Kronzeugenregelung die Voraussetzung gemäß Nr. 21 der Mitteilung über Zusammenarbeit erfüllt.

329    Die Kommission habe nur den Zeitpunkt der Anträge von EKA Chemicals und Arkema auf Anwendung der Kronzeugenregelung berücksichtigt, es jedoch unter Verletzung der Nrn. 21 bis 23 der Mitteilung über Zusammenarbeit, Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 sowie ihrer Begründungspflicht versäumt, zu prüfen, ob sie einen Beweis mit einem erheblichen Mehrwert vorgelegt hätten.

330    Die von EKA Chemicals und Arkema gelieferten Beweisstücke hätten keinen Beweis mit einem erheblichen Mehrwert dargestellt und daher nicht die Voraussetzung gemäß Nr. 21 der Mitteilung über Zusammenarbeit erfüllt.

331    Was EKA Chemicals betreffe, hätten sich die meisten der in ihrem Fax vom 29. März 2003 und in ihrer mündlichen Erklärung vom 31. März 2003 gelieferten Beweise auf die Übereinkommen zwischen den beiden skandinavischen Herstellern bezogen und seien daher nicht einschlägig gewesen, um das Kartell im EWR darzutun. Ein Großteil der Informationen habe sich auf den Sachverhalt vor Beginn des Kartells bezogen.

332    Die Kommission habe sich in der angefochtenen Entscheidung nur sechsmal und nur für den Zeitraum vor August 1997 auf die von EKA Chemicals beigebrachten Beweise bezogen. Diese Beweise seien, da nicht untermauert, ungenau und nicht überzeugend, von begrenztem Wert gewesen. Tatsächlich habe die Kommission nur die von EKA Chemicals am 8. Oktober 2004 gelieferten Beweisstücke verwendet. Da EKA Chemicals sich nur bis zu ihrem Eintritt in den „Kontinentalmarkt“ an dem Kartell beteiligt habe (364. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), habe sie keine Informationen über diesen Markt liefern können.

333    Was Arkema betreffe, hätten deren Rechtsberater der Kommission am 3. April 2003 ein Fax mit 13 Anlagen übermittelt, die angeblich Unterlagen zu der Zuwiderhandlung enthalten hätten.

334    Es habe sich um nicht datierte Notizen und handschriftliche Aufzeichnungen ohne Überschrift gehandelt, von denen einige schwer lesbar und von schlechter Qualität oder unvollständig gewesen seien und andere Symbole oder Abkürzungen enthalten hätten, die ohne weitere Erklärungen unverständlich gewesen seien. Die Kommission habe in ihrem Schreiben an die Klägerin vom 1. April 2005 selbst festgestellt, dass diese Unterlagen schwer lesbar gewesen seien. Erst am 26. Mai 2003 habe Arkema Erläuterungen und Kommentare zu diesen Unterlagen geliefert.

335    Die fraglichen Unterlagen hätten nicht als Beweisstücke betrachtet werden können, da sie ohne zusätzliche Erläuterungen keine Feststellung des Sachverhalts ermöglicht hätten. Sie hätten keine Angaben zu den Daten, den Orten, dem Besprechungsgegenstand und den Beteiligten enthalten, und man habe daraus nicht ableiten können, dass sie sich auf HP bezögen.

336    Erst die späteren Erläuterungen, die am 26. Mai 2003 beigebracht worden seien, hätten den fraglichen Unterlagen eine Beweiskraft verliehen. Für jede der Unterlagen vom 3. April 2003 sei zum Verständnis ihres Inhalts und zur Beurteilung ihrer Tragweite nämlich eine ausführliche Erklärung erforderlich gewesen, die am 26. Mai 2003 gegeben worden sei.

337    Erst am 26. Mai 2003, ungefähr sieben Wochen nach dem ursprünglichen Fax, habe Arkema Beweise geliefert. Die Dauer des Zeitraums, der erforderlich gewesen sei, um diese Beweise beizubringen, zeige, dass die Mitteilung vom 3. April 2003, die auf einen „überstürzten und deplazierten Versuch“ von Arkema zurückzuführen gewesen sei, in mehreren Rechtssachen gleichzeitig in den Genuss der Kronzeugenregelung zu gelangen, ungeeignet und unvollständig gewesen sei. Diese Überstürzung werde dadurch deutlich, dass die am 3. April 2003 übermittelten Anlagen falsch geordnet und unvollständig gewesen seien und durch die am 26. Mai 2003 beigebrachten Unterlagen hätten vervollständigt werden müssen.

338    Die Kommission habe sich in der angefochtenen Entscheidung gleichzeitig auf die am 3. April 2003 und die am darauffolgenden 26. Mai 2003 gelieferten Unterlagen sowie die am selben Tag beigebrachten Erläuterungen gestützt. Soweit sich die Kommission auf ein am 3. April 2003 beigebrachtes Dokument beziehe, stütze sie sich ausdrücklich auf die Erläuterungen vom 26. Mai 2003 (vgl. z. B. 185. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Die am 3. April 2003 übermittelten Unterlagen seien nur als Referenz für eine einzige Sitzung verwendet worden (192. Erwägungsgrund der angefochten Entscheidung), und auch insofern sei erforderlich gewesen, dass auf die Erläuterungen vom 26. Mai 2003 Bezug genommen werde.

339    Im Übrigen habe Arkema die Anwendung der Kronzeugenregelung nicht in Bezug auf PBS beantragt und vor dem 15. Juli 2003 keinen Beweis zu PBS erbracht. Die Kommission habe daher nicht schließen dürfen, dass die am 3. April 2003 beigebrachten Unterlagen beide von der Untersuchung erfassten Erzeugnisse betroffen hätten.

340    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

–       Zum Umfang der der Klägerin gewährten Ermäßigung

341    Hilfsweise trägt die Klägerin vor, die Kommission habe dadurch einen Rechtsfehler und einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, dass sie es abgelehnt habe, ihr aufgrund ihrer Zusammenarbeit die maximale Ermäßigung von 20 % zu gewähren, die für das dritte Unternehmen vorgesehen sei, das die Voraussetzung gemäß Nr. 21 der Mitteilung über Zusammenarbeit erfülle.

342    Die Ermäßigung werde unter Berücksichtigung des Zeitpunkts, zu dem die Beweise geliefert worden seien, und des erheblichen Mehrwerts dieser Beweise festgesetzt. Die Kommission habe jedoch nicht geprüft, inwiefern die Angaben der Klägerin einen beträchtlichen Mehrwert dargestellt hätten.

343    Außerdem habe die Kommission die Tragweite der Informationen der Klägerin nicht richtig bewertet. Die Informationen der Klägerin hätten sich im Unterschied zu denjenigen von EKA Chemicals und Arkema auf HP und auf PBS bezogen. Die Klägerin habe detaillierte und genaue Angaben zu allen wichtigen von August 1997 bis Ende 1998 für HP und von Mai 1998 bis Dezember 1999 für PBS ausgerichteten Treffen beigebracht, die in der angefochtenen Entscheidung erwähnt worden seien. Die Kommission habe sich für den Nachweis der Zuwiderhandlung auf praktisch alle Treffen gestützt, die die Klägerin erwähnt habe.

344    Hierbei hätte die Kommission berücksichtigen müssen, dass die Klägerin als Erste detaillierte und damit neue Informationen zu sämtlichen dieser Treffen geliefert habe, die das Wesentliche des Kartells ausgemacht hätten. Die Kommission habe zu Unrecht erklärt, sie sei bereits von anderen Unternehmen über diese Treffen unterrichtet worden. Sie hätte sich nicht darauf beschränken dürfen, den von der Klägerin beigebrachten Beweis „als Ganzes“ zu würdigen, sondern hätte jedes der Beweisstücke würdigen müssen.

345    Die Kommission habe die Art der Informationen der Klägerin verkannt, indem sie festgestellt habe, dass diese nur die bereits von Degussa beigebrachten Informationen bestätigt hätten. Die Klägerin habe wesentliche zusätzliche Beweise einschließlich direkter Zeugenaussagen geliefert. Die Kommission habe sich nur zehnmal auf die Informationen von Degussa gestützt, die sich nicht auf die von der Klägerin aufgedeckten Treffen von 1997 in Bezug auf HP bezogen hätten.

346    Die Kommission hätte berücksichtigen müssen, dass ihr nur die Klägerin ihre Führungskräfte zur Verfügung gestellt habe, die den direkten Beweis für die Zuwiderhandlung geliefert hätten, dass sie sich nicht darauf beschränkt habe, schriftliche Erklärungen über ihre Anwälte abzugeben, und dass sie nach ihrem Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung kontinuierlich mit ihr zusammengearbeitet habe, indem sie die Auskunftsersuchen beantwortet und von sich aus zusätzliche Informationen geliefert habe. Die Kommission habe den mündlichen Zeugenaussagen der Teilnehmer eines Treffens zu Unrecht einen geringeren Beweiswert beigemessen als den schriftlichen Unterlagen.

347    Die angefochtene Entscheidung stütze sich weitgehend auf die von der Klägerin gelieferten Informationen. Die Kommission habe dadurch, dass sie den erheblichen Umfang dieser Zusammenarbeit nicht berücksichtigt habe, Nr. 23 der Mitteilung über Zusammenarbeit nicht richtig angewandt.

348    Die der Klägerin gewährte Ermäßigung sei sowohl in Bezug auf die von der Mitteilung über Zusammenarbeit vorgesehene höchstmögliche Ermäßigung als auch in Bezug auf die den anderen Betroffenen, insbesondere Arkema, gewährte Ermäßigung besonders gering und unverhältnismäßig, was zu einem Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz geführt habe. Die Klägerin habe weit mehr zur Feststellung der Zuwiderhandlung beigetragen als Arkema. Die der Klägerin gewährte Ermäßigung der Geldbuße sei daher „offensichtlich rechtswidrig und unvernünftig gering“ gewesen.

349    Die Kommission macht geltend, sie habe im 523. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung in rechtlich hinreichender Weise die Gründe aufgeführt, aus denen sie der Klägerin aufgrund ihrer Zusammenarbeit eine Ermäßigung ihrer Geldbuße um 10 % gewährt habe.

350    In Bezug auf die Tragweite und den Umfang des Mehrwerts der von der Klägerin beigebrachten Beweise habe sie sehr wohl berücksichtigt, dass sich die fraglichen Beweise auf HP und auf PBS bezogen hätten. Die Klägerin habe daher im Wesentlichen Beweisstücke geliefert, die bestimmte Informationen von Degussa und Arkema hätten bestätigen können.

351    Zwar würden die von der Klägerin gelieferten Beweise in der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf sämtliche multilateralen Treffen in der Zeit von 1997 bis 2000 aufgeführt, zum Zeitpunkt des Antrags auf Anwendung der Kronzeugenregelung hätten aber bereits Hinweise anderer Unternehmen auf diese Treffen vorgelegen. Die Kommission habe daher die Auffassung vertreten können, dass die von der Klägerin gelieferten Beweise nur das bestätigten, was sie über die Zuwiderhandlung insgesamt bereits gewusst habe.

352    Was den Umfang und die Kontinuität der Zusammenarbeit der Klägerin nach Beantragung der Anwendung der Kronzeugenregelung anbelange, gehe aus dem letzten Satz von Nr. 23 Buchst. b Abs. 2 der Mitteilung über Zusammenarbeit hervor, dass die Kommission nicht verpflichtet sei, diese Faktoren zu berücksichtigen. Von der kontinuierlichen Zusammenarbeit müsse ausgegangen werden, und aufgrund der erwähnten Vorschrift könne vielmehr eine geringfügige Zusammenarbeit nach Beantragung der Anwendung der Kronzeugenregelung geahndet werden.

353    Was den Vorwurf eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz betreffe, sei die Lage der Klägerin aus den in den Erwägungsgründen 510 und 513 der angefochtenen Entscheidung aufgeführten Gründen nicht mit der Lage von Arkema vergleichbar und dieser Unterschied rechtfertige es, Arkema, nicht aber der Klägerin, die höchstmögliche Ermäßigung zu gewähren. Im Übrigen habe die Kommission im 515. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich dem Zeitpunkt Rechnung getragen, zu dem die Klägerin die Beweise vorgelegt habe.

 Würdigung durch das Gericht

354    Die Nrn. 21 bis 23 der Mitteilung über Zusammenarbeit lauten:

„21.       Um für eine Ermäßigung der Geldbuße in Betracht zu kommen, muss das Unternehmen der Kommission Beweismittel für die mutmaßliche Zuwiderhandlung vorlegen, die gegenüber den bereits im Besitz der Kommission befindlichen Beweismitteln einen erheblichen Mehrwert darstellen, und seine Beteiligung an der mutmaßlich rechtswidrigen Handlung spätestens zum Zeitpunkt der Beweisvorlage einstellen.

22.       Der Begriff ‚Mehrwert‘ bezieht sich auf das Ausmaß, in dem die vorgelegten Beweismittel aufgrund ihrer Eigenschaft und/oder ihrer Ausführlichkeit der Kommission dazu verhelfen, den betreffenden Sachverhalt nachzuweisen. Bei ihrer Würdigung wird die Kommission im Allgemeinen schriftlichen Beweisen aus der Zeit des nachzuweisenden Sachverhalts einen größeren Wert beimessen als solchen, die zeitlich später einzuordnen sind. Ebenso werden Beweismittel, die den fraglichen Sachverhalt unmittelbar beweisen, höher eingestuft als jene, die nur einen mittelbaren Bezug aufweisen.

23.       Die Kommission wird in ihrer am Ende des Verwaltungsverfahrens erlassenen endgültigen Entscheidung darüber befinden,

a)       ob die von einem Unternehmen vorgelegten Beweismittel einen erheblichen Mehrwert gegenüber den Beweismitteln aufweisen, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Besitz der Kommission befanden

b)       und in welchem Umfang die Geldbuße, die andernfalls verhängt worden wäre, ermäßigt wird:

–        für das erste Unternehmen, das die Voraussetzungen unter Randnummer 21 erfüllt, eine Ermäßigung zwischen 30 % und 50 %;

–        für das zweite Unternehmen, das die Voraussetzungen unter Randnummer 21 erfüllt, eine Ermäßigung zwischen 20 % und 30 %;

–        für jedes weitere Unternehmen, das die Voraussetzungen unter Randnummer 21 erfüllt, eine Ermäßigung bis zu 20 %.

Um den Umfang der Ermäßigung der Geldbuße innerhalb dieser Bandbreiten zu bestimmen, wird die Kommission den Zeitpunkt berücksichtigen, zu dem das Beweismittel, das die Voraussetzungen unter Randnummer 21 erfüllt, vorgelegt wurde, sowie den Umfang des mit dem Beweismittel verbundenen Mehrwerts. Sie kann ebenfalls berücksichtigen, ob das Unternehmen seit der Vorlage des Beweismittels kontinuierlich mit ihr zusammengearbeitet hat.

Falls ein Unternehmen Beweismittel für einen Sachverhalt vorlegt, von denen die Kommission zuvor keine Kenntnis hatte und die die Schwere oder Dauer des mutmaßlichen Kartells unmittelbar beeinflussen, lässt die Kommission diese Faktoren bei der Festsetzung der Geldbuße gegen das Unternehmen, das diese Beweismittel geliefert hat, unberücksichtigt.“

355    Im vorliegenden Fall stellte die Kommission gemäß diesen Bestimmungen fest, dass Degussa die Voraussetzungen für einen vollständigen Erlass der Geldbuße erfüllt habe. Da EKA Chemicals und Arkema als das erste und das zweite Unternehmen betrachtet wurden, die die Voraussetzung gemäß Nr. 21 der Mitteilung erfüllten, wurde ihre Geldbuße jeweils um 40 % und 30 % herabgesetzt. Die Klägerin, die als das dritte Unternehmen betrachtet worden ist, das diese Voraussetzung erfüllt hat, kam in den Genuss einer Ermäßigung um 10 % (Erwägungsgründe 501 bis 524 der angefochtenen Entscheidung).

–       Zur Bestimmung des Zeitpunkts der Antragstellung durch die Klägerin

356    Aus der angefochtenen Entscheidung geht hervor, dass EKA Chemicals ihren Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung am 29. März 2003 stellte, die mündliche Erklärung am 31. März 2003 abgab und in derselben Woche die Beweismittel für die Zuwiderhandlung lieferte (Erwägungsgründe 67, 503 und 505 der angefochtenen Entscheidung).

357    Arkema übermittelte der Kommission ihren Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung durch Fax vom 3. April 2003 um 15.50 Uhr, dem 13 Anlagen beigefügt waren, die Unterlagen zu dem fraglichen Kartell enthalten sollten. Am 26. Mai 2003 legte Arkema der Kommission neue Beweismittel zu ihrem Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung vor, u. a. Erläuterungen zu den am 3. April 2003 übermittelten Unterlagen (Erwägungsgründe 69, 510 und 516 der angefochtenen Entscheidung).

358    Aus den Akten sowie den Erwägungsgründen 68 bis 71 der angefochtenen Entscheidung geht hervor, dass die Klägerin am Morgen des 3. April 2003 telefonischen Kontakt mit der Kommission aufnahm.

359    Mit Fax vom selben Tag um 13.15 Uhr teilte die Klägerin der Kommission mit, dass sie „hiermit“ einen Antrag auf Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit stellen wolle und dass sie, da es sich um einen mündlichen Beweis handele, „die Kommission so schnell wie möglich zu treffen wünscht, um ihr diese Beweismittel gemäß dem Verfahren, dem zufolge mündliche Erklärungen abgegeben werden können, zukommen zu lassen“. Die Klägerin beantragte von der Kommission schließlich eine Bestätigung, dass sie „für ein Treffen [am nächsten Tag] zur Verfügung steht“.

360    Die Klägerin teilte mit Fax vom selben Tag um 17.24 Uhr mit, dass sie „bereit ist, die zusätzlichen Folgeinformationen zu geben und sich daher der Kommission für ein Treffen [am selben oder am folgenden Tag] vollkommen zur Verfügung hält“. Mit Fax vom selben Tag um 17.28 Uhr bestätigte die Klägerin ihre Teilnahme an dem Treffen mit der Kommission, das für den nächsten Tag, den 4. April 2003, um 14.15 Uhr vorgesehen war.

361    Die Klägerin gab am 4. April 2003 in den Räumen der Kommission eine mündliche Erklärung ab, der Zeugenaussagen ihrer Verantwortlichen beigefügt waren. Am 9. April 2003 gab sie eine mündliche Erklärung speziell zu PBS ab. Am 11. und 16. April 2003 bestätigte sie ihre Erklärungen schriftlich, indem sie bestimmte ergänzende Beweismittel hinzufügte.

362    Aufgrund dieser Umstände, die von der Klägerin nicht bestritten werden, stellte die Kommission in der angefochtenen Entscheidung fest, dass „[die Klägerin] am 4. April 2003 einen Antrag auf Anwendung der Mitteilung über [Zusammenarbeit] gestellt hat, der in einer mündlichen Erklärung bestand“ (515. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

363    Im Zusammenhang mit der vorliegenden Rüge macht die Klägerin geltend, die Kommission habe einen Rechtsirrtum bei Anwendung der Nrn. 21 bis 23 der Mitteilung über Zusammenarbeit begangen. Nach Auffassung der Klägerin muss der Antrag eines Unternehmens, das zusammenarbeiten will, indem es unverzüglich und zu einem mit der Kommission vereinbarten Zeitpunkt eine Erklärung abgibt, als zu dem Zeitpunkt gestellt betrachtet werden, zu dem es zur Abgabe dieser Erklärung Kontakt mit der Kommission aufgenommen habe.

364    Hierzu ist festzustellen, dass aus den Nrn. 21 und 23 der Mitteilung über Zusammenarbeit hervorgeht, dass ein Unternehmen, um eine Ermäßigung der Geldbuße beanspruchen zu können, der Kommission Beweismittel liefern muss, die einen erheblichen Mehrwert gegenüber den Beweismitteln darstellen, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits in ihrem Besitz befanden. Im Übrigen muss die Kommission für die Anwendung der in Nr. 23 Buchst. b dieser Mitteilung vorgesehenen Bandbreiten der Ermäßigung den Zeitpunkt bestimmen, zu dem das Unternehmen diese Voraussetzung erfüllt hat.

365    Aus den fraglichen Bestimmungen geht daher eindeutig hervor, dass die Kommission für die Anwendung der in Nr. 23 Buchst. b der Mitteilung über Zusammenarbeit für die Ermäßigung der Geldbuße vorgesehenen Bandbreiten den Zeitpunkt bestimmen muss, zu dem das Unternehmen ihr tatsächlich die Beweismittel geliefert hat, die einen erheblichen Mehrwert gegenüber den Beweismitteln darstellen, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits in ihrem Besitz befanden.

366    Diese Auslegung wird durch die dem System der fraglichen Mitteilung innewohnenden Erwägungen bestärkt, wonach die Kommission den genauen Zeitpunkt bestimmen muss, zu dem das betroffene Unternehmen die Voraussetzungen für die Ermäßigung der Geldbuße erfüllt, indem sie die vorgelegten Beweismittel mit denjenigen vergleicht, die sich bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung in ihrem Besitz befanden, und daher tatsächlich über die fraglichen Beweismittel verfügen muss.

367    Zu dem Vorbringen der Klägerin, dass dieses Vorgehen, das auf den Zeitpunkt abstellt, zu dem die von dem Unternehmen, das einen Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung gestellt hat, vorgelegten Beweismittel tatsächlich beigebracht worden sind, den Anreiz für die betroffenen Unternehmen beschränke, einen mündlichen Beweis zu erbringen, obwohl dieser Zeugenaussagen von Personen einschließen könne, die unmittelbar an den Zuwiderhandlungen beteiligt gewesen seien, ist festzustellen, dass diese Erwägung, selbst wenn sie zuträfe, nicht geeignet ist, die sich aus dem Wortlaut der Mitteilung über Zusammenarbeit ergebende Auslegung in Frage zu stellen.

368    Jedenfalls macht die Klägerin zu Unrecht geltend, dass das fragliche Vorgehen zu einer Ungleichbehandlung zulasten der Unternehmen führen könne, die eine mündliche Erklärung abgeben wollten.

369    Die fraglichen Bestimmungen der Mitteilung über Zusammenarbeit, die die Bestimmung des genauen Zeitpunkts verlangen, zu dem die Beweismittel vorgelegt worden sind, die einen erheblichen Mehrwert gegenüber denjenigen besitzen, die sich bereits im Besitz der Kommission befanden, sind in gleicher Weise auf jedes Unternehmen anwendbar, das einen Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung stellt.

370    Soweit es um die Bestimmung des Antragszeitpunkts geht, ist davon auszugehen, dass Unternehmen, die einen Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung stellen, unabhängig von den Modalitäten der Vorlage der Beweismittel, für die sich der Antragsteller entschieden hat, als in vergleichbaren Situationen befindlich angesehen werden müssen. Diese Situationen sind mithin gleichzubehandeln.

371    Der Auffassung der Klägerin, zum Zweck der Bestimmung der Bandbreite der Ermäßigung der Geldbuße sei der Zeitpunkt zu berücksichtigen, zu dem das Unternehmen Kontakt mit der Kommission aufgenommen habe, um eine mündliche Erklärung abzugeben, kann daher nicht gefolgt werden.

372    Es steht fest, dass die Klägerin vor ihrer mündlichen Erklärung vom 4. April 2003 der Kommission kein Beweismittel für die fragliche Zuwiderhandlung vorgelegt hatte. Die Kommission hat daher zu Recht festgestellt, dass die Klägerin die Voraussetzung gemäß Nr. 21 der Mitteilung über Zusammenarbeit zu diesem Zeitpunkt erfüllt hat.

373    Die Klägerin kann sich insoweit nicht mit Erfolg auf zeitliche Zwänge im Zusammenhang mit der Abgabe ihrer mündlichen Erklärung berufen.

374    Gerade weil sich die mündliche Übermittlung von Informationen als eine prinzipiell weniger schnelle Kooperationsweise als die Übermittlung von Informationen auf schriftlichem Weg erweist, muss das betreffende Unternehmen bei mündlicher Übermittlung der Informationen das Risiko berücksichtigen, dass ein anderes Unternehmen der Kommission schriftlich und vor ihm Angaben von entscheidender Bedeutung für den Beweis des Bestehens des Kartells zukommen lässt (vgl. in diesem Sinne Urteil BASF/Kommission, oben in Randnr. 314 angeführt, Randnr. 505).

375    Außerdem macht die Klägerin nicht geltend, dass der Zeitpunkt, zu dem sie die Anwendung der Kronzeugenregelung beantragt habe, in irgendeiner Weise davon abhängig gewesen sei, dass Ressourcen der Kommission zur Verfügung gestanden hätten. Ferner geht aus den Umständen des Falles hervor, dass die Kommission die Dringlichkeit, auf die die Klägerin hingewiesen hat, berücksichtigt und ein Treffen zu dem vorgeschlagenen Termin angesetzt hat, um ihren Antrag entgegenzunehmen.

376    Was den Vorwurf des Verstoßes gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes angeht, kann sich nach ständiger Rechtsprechung jeder auf diesen Grundsatz berufen, aus dessen Lage sich ergibt, dass die Unionsbehörden bei ihm begründete Erwartungen geweckt haben (vgl. Urteil des Gerichts vom 7. Juni 2006, Österreichische Postsparkasse und Bank für Arbeit und Wirtschaft/Kommission, T‑213/01 und T‑214/01, Slg. 2006, II‑1601, Randnr. 210 und die dort angeführte Rechtsprechung).

377    Die Klägerin beschränkt sich darauf, geltend zu machen, dass die Kommission sie darüber hätte unterrichten müssen, wie sie die Mitteilung über Zusammenarbeit anwenden wolle.

378    Angesichts des eindeutigen Wortlauts der genannten Bestimmungen der Mitteilung über Zusammenarbeit, die Beweismittel verlangen, die einen erheblichen Mehrwert gegenüber denjenigen darstellen, die sich bereits im Besitz der Kommission befanden, durfte die Klägerin nicht annehmen, dass die Rangfolge ihrer Zusammenarbeit zum Zweck der Anwendung der Bandbreiten der Ermäßigung der Geldbuße nach Maßgabe des Zeitpunkts ihrer Mitteilungen vom 3. April 2003 bestimmt werde, da im Rahmen dieser Mitteilungen kein Beweismittel vorgelegt worden ist.

379    Im Übrigen behauptet die Klägerin nicht, dass die Kommission ihr irgendeine Zusicherung gegeben habe, dass ihr Antrag als am 3. April 2003 eingereicht behandelt werde, und wirft ihr nicht vor, nicht mit der unter den Umständen gebotenen Eile gehandelt zu haben.

380    Es ist daher festzustellen, dass die Kommission keine Maßnahme ergriffen und kein Verhalten gezeigt hat, die bei der Klägerin eine rechtmäßige Erwartung dahin gehend entstehen lassen konnten, dass ihr Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung so angesehen wird, dass er die Voraussetzung gemäß Nr. 21 der Mitteilung über Zusammenarbeit zum Zeitpunkt ihrer Kontaktaufnahme mit der Kommission am 3. April 2003 erfüllt.

381    Daher ist das Vorbringen der Klägerin, mit dem ein Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes sowie der ordnungsgemäßen Verwaltung, die beide auf denselben Argumenten beruhen, gerügt wird, zurückzuweisen.

382    Nach alledem ist die Rüge in Bezug auf die Bestimmung des Zeitpunkts des Antrags der Klägerin auf Anwendung der Kronzeugenregelung nicht begründet.

–       Zur Beurteilung der von zwei anderen betroffenen Unternehmen beigebrachten Informationen

383    Die Klägerin macht geltend, weder EKA Chemicals noch Arkema hätten Beweismittel geliefert, die einen erheblichen Mehrwert gegenüber den Beweismitteln dargestellt hätten, die sich zum Zeitpunkt der entsprechenden Anträge bereits im Besitz der Kommission befunden hätten.

384    Als Erstes führt sie aus, die Kommission habe für die Anwendung der in Nr. 23 Buchst. b der Mitteilung über Zusammenarbeit vorgesehenen Bandbreiten der Ermäßigung der Geldbuße nur den Zeitpunkt ihrer jeweiligen Anträge auf Anwendung der Kronzeugenregelung berücksichtigt, ohne den Mehrwert der gelieferten Beweismittel in Betracht zu ziehen. Außerdem sei die fragliche Beurteilung nicht hinreichend begründet.

385    Es ist zunächst festzustellen, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 503 und 509 der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, dass sowohl EKA Chemicals als auch Arkema Beweismittel mit einem erheblichen Mehrwert gegenüber den Beweismitteln beigebracht hätten, die sich zum Zeitpunkt ihres jeweiligen Beitrags bereits im Besitz der Kommission befunden hätten.

386    In Bezug auf EKA Chemicals wies die Kommission u. a. darauf hin, dass diese ihr für den Zeitraum vom 31. Januar 1994 bis 14. Oktober 1997 Beweismittel vorgelegt habe, die sich auf Umstände bezogen hätten, die ihr zuvor nicht bekannt gewesen seien und die sich daher unmittelbar auf die Feststellung der Dauer des Kartells ausgewirkt hätten. Außerdem habe EKA Chemicals Beweismittel vorgelegt, die die von Degussa für die Zeit zwischen dem 14. Oktober 1997 und dem 31. Dezember 1999 gelieferten Beweise bestätigt und vervollständigt hätten (506. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

387    Obwohl diese Erwägungen im Zusammenhang mit der Beurteilung der Ermäßigung der Geldbuße innerhalb der anwendbaren Bandbreite angestellt worden sind, hat sich die Kommission auf solche Überlegungen auch gestützt, um die auf EKA Chemicals anwendbare Bandbreite im Hinblick auf die von dieser zwischen dem 29. und 31. März 2003 beigebrachten Beweismittel zu bestimmen, da zwischen diesen beiden Daten kein weiterer Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung gestellt worden sei.

388    In Bezug auf Arkema stellt die Kommission fest, deren Mitteilung vom 3. April 2003 habe handschriftliche Unterlagen enthalten, die das Vorliegen wettbewerbswidriger Verhaltensweisen hinsichtlich beider von der Untersuchung betroffenen Erzeugnisse bestätigt hätten, und diese Unterlagen seien als solche, obwohl sie anschließend vervollständigt worden seien, hinreichend eindeutig gewesen, um von ihr verstanden zu werden (510. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission befand daher, dass die erste Mitteilung von Arkema, die einen erheblichen Mehrwert dargestellt habe, vom 3. April 2003 stamme (513. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

389    Aus diesen Gründen geht, entgegen dem Vorbringen der Klägerin, eindeutig hervor, dass die Kommission zur Bestimmung der anwendbaren Bandbreite der Ermäßigung der Geldbuße den erheblichen Mehrwert der Beiträge von EKA Chemicals und Arkema im Verhältnis zu den Beweismitteln geprüft und festgestellt hat, die sich zum Zeitpunkt des jeweiligen Antrags bereits in ihrem Besitz befanden.

390    Das Vorbringen der Klägerin, mit dem ein Rechtsirrtum bei der Beurteilung der fraglichen Anträge gerügt wird, ist daher zurückzuweisen.

391    Im Übrigen lassen die vorgenannten Erwägungsgründe der angefochtenen Entscheidung klar und eindeutig die wesentlichen Teile der Überlegung erkennen, aufgrund deren die Kommission festgestellt hat, dass jeder der fraglichen Beiträge zu dem Zeitpunkt, als er vorgetragen wurde, einen erheblichen Mehrwert im Sinne von Nr. 21 der Mitteilung über Zusammenarbeit bedeutet habe, was bei der Bestimmung der für die beiden Unternehmen gemäß Nr. 23 Buchst. b dieser Mitteilung geltenden Bandbreite der Ermäßigung der Geldbuße berücksichtigt wurde.

392    Das Vorbringen der Klägerin, mit dem eine Verletzung der Begründungspflicht gerügt wird, kann daher keinen Erfolg haben.

393    Die Klägerin macht als Zweites geltend, die fragliche Beurteilung der Kommission sei offensichtlich fehlerhaft.

394    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im Rahmen ihrer Beurteilung der Kooperation von Mitgliedern eines Kartells den Grundsatz der Gleichbehandlung zwar nicht außer Acht lassen kann, aber über ein weites Ermessen bei der Beurteilung der Qualität und des Nutzens der von einem bestimmten Unternehmen geleisteten Zusammenarbeit verfügt. Daher kann nur ein offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission beanstandet werden (vgl. Urteil des Gerichts vom 6. Mai 2009, Wieland-Werke/Kommission, T‑116/04, Slg. 2009, II‑1087, Randnr. 124 und die dort angeführte Rechtsprechung).

395    Daraus geht hervor, dass sich die Klägerin nicht darauf beschränken kann, in den Anlagen ihrer Klageschrift ihre eigene Beurteilung der Beiträge von EKA Chemicals und Arkema vorzuschlagen, sondern mit einem konkreten Vorbringen dartun muss, inwiefern die Beurteilung durch die Kommission mit einem offensichtlichen Fehler behaftet ist.

396    Hierzu ist in Bezug auf den Beitrag von EKA Chemicals zunächst darauf hinzuweisen, dass aus dem 506. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, dass dieses Unternehmen zu bestimmten Treffen und anderen kollusiven Kontakten Unterlagen aus der fraglichen Zeit geliefert hat, die sich auf Tatsachen bezogen, die der Kommission zuvor unbekannt waren und die sich, sofern sie den Zeitraum vom 31. Januar 1994 bis 14. Oktober 1997 betrafen, unmittelbar auf die Feststellung der Dauer des Kartells auswirkten, sowie auf Beweise, die die von Degussa vorgelegten Beweise für den späteren Zeitraum bestätigten und ergänzten.

397    Was die Feststellung anbelangt, die Zuwiderhandlung beziehe sich auf das gesamte Gebiet des EWR, wird die Richtigkeit dieser Beurteilung durch das Vorbringen der Klägerin, die Informationen von EKA Chemicals hätten hauptsächlich den skandinavischen Markt betroffen, nicht in Frage gestellt. Es ist darauf hinzuweisen, dass EKA Chemicals Informationen über Kontakte mit den „kontinentalen“ Herstellern übermittelte und dass sich einige der Zuwiderhandlungen ohne Unterschied auf den skandinavischen und den „kontinentalen“ Markt bezogen (vgl. u. a. Erwägungsgründe 106 und 144 der angefochtenen Entscheidung).

398    Sofern die Klägerin den Beweiswert der von EKA Chemicals gelieferten Beweismittel in Abrede stellt, ist ferner darauf hinzuweisen, dass die Kommission aufgrund dieser Beweismittel den Beginn des Kartells auf den 31. Januar 1994 festlegen und die Erklärungen von Degussa zur Anfangsphase des Kartells bestätigen konnte. Der Beweiswert dieser Beweismittel im Hinblick auf die Feststellung des Kartells als solches wird nicht dadurch geschmälert, dass sie im Rahmen der Prüfung des ersten Klagegrundes für nicht ausreichend erachtet worden sind, um die Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung von diesem Zeitpunkt an darzutun.

399    Ferner beruht das Vorbringen der Klägerin, der Beitrag von EKA Chemicals habe sich weitgehend auf einen Sachverhalt vor Beginn des Kartells bezogen, auf ihrer Rüge, das Kartell habe im August 1997 begonnen, die am Ende der Prüfung des ersten Klagegrundes als unbegründet zurückgewiesen worden ist (siehe oben, Randnr. 170).

400    Die nach Ansicht der Klägerin geringe Zahl der Erwägungsgründe der angefochtenen Entscheidung schließlich, in denen auf die von EKA Chemicals vorgelegten Beweismittel Bezug genommen worden ist, stellt nicht deren Beweiswert in Frage. Außerdem reicht der bloße Umstand, dass sich einige dieser Erwägungsgründe auf Beweismittel beziehen, die im Anschluss an den ursprünglichen Antrag von EKA Chemicals gestellt worden sind, nicht aus, um die Behauptung der Klägerin zu rechtfertigen, die Kommission habe sich in Wirklichkeit auf Informationen gestützt, die EKA Chemicals nach ihrem Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung geliefert habe.

401    Angesichts dieser Erwägungen ist festzustellen, dass die Klägerin mit ihrem Vorbringen nicht dartut, dass die Kommission einen offensichtlichen Fehler begangen hat, indem sie zu dem Schluss gelangt ist, dass EKA Chemicals vor dem Antrag der Klägerin auf Anwendung der Kronzeugenregelung Beweismittel mit einem erheblichen Mehrwert im Sinne von Nr. 21 der Mitteilung über Zusammenarbeit vorgelegt habe.

402    Was die von Arkema vorgelegten Beweismittel anbelangt, stellte die Kommission in der angefochtenen Entscheidung u. a. Folgendes fest: „Die erste Mitteilung von [Arkema] enthielt 13 handschriftliche Unterlagen, die sich auf das Vorliegen wettbewerbswidriger Verhaltensweisen zwischen den Wettbewerbern in Bezug auf die beiden in der Untersuchung geprüften Erzeugnisse bezogen. Obwohl diese Unterlagen als solche hinreichend eindeutig waren, um in Verbindung mit den der Kommission schon vorliegenden Informationen für sie verständlich zu sein, hat [Arkema] ihre ursprüngliche Mitteilung erst am 26. Mai 2003 durch eine schriftliche Erklärung ergänzt mit Einzelheiten zu sämtlichen am 3. April 2003 übermittelten Unterlagen und neuen Unterlagen mit entsprechenden Erläuterungen“ (510. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

403    Sie wies allgemein darauf hin, dass die von Arkema vorgelegten Beweismittel „auf ein Kartell für beide Erzeugnisse hinwiesen, da [Arkema] im Wesentlichen Unterlagen aus der Tatzeit vorgelegt hat, die es der Kommission ermöglicht haben, die bereits von Degussa erhaltenen Auskünfte zu bestätigen und die erschöpfend in der vorliegenden Entscheidung verwendet wurden“ (513. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

404    Zu dieser Beurteilung macht die Klägerin geltend, die von Arkema am 3. April 2003 beigebrachten Beweismittel hätten keinen Beweiswert gehabt, da es sich um nicht datierte Notizen und handschriftliche Aufzeichnungen ohne Überschrift gehandelt habe, die schwer lesbar und/oder unvollständig gewesen seien, da sie Symbole oder Abkürzungen enthalten hätten, und die daher ohne zusätzliche Erklärungen unverständlich gewesen seien. Beweiskraft sei ihrem Beitrag durch zusätzliche Erklärungen von Arkema vom 26. Mai 2003 verliehen worden.

405    Hierzu ist festzustellen, dass die fraglichen Beweismittel heimliche Verhaltensweisen betreffen, die geheim gehaltene Treffen und eine auf das Mindestmaß beschränkte Dokumentation implizieren.

406    Hinsichtlich der Schwierigkeit, unmittelbare Beweise, wie Aufzeichnungen oder Sitzungsprotokolle aus der Zeit der Zuwiderhandlung, für solche Verhaltensweisen zu erhalten, kann ihr Beweiswert nicht allein dadurch in Frage gestellt werden, dass sie handschriftlich oder unvollständig sind, dass sie Abkürzungen und Symbole enthalten und dass sie möglicherweise zusätzlicher Erklärungen bedürfen oder im Zusammenhang mit anderen Informationen im Besitz der Kommission geprüft werden müssen.

407    Insbesondere steht die Tatsache, dass zum Verständnis solcher Unterlagen eine Klärung bestimmter Angaben, wie die Verwendung von Abkürzungen, erforderlich ist, nicht der Feststellung entgegen, dass sie hinreichend klar sind (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 18. Juni 2008, Hoechst/Kommission, T‑410/03, Slg. 2008, II‑881, Randnr. 561).

408    Die hier fraglichen Unterlagen, die Arkema am 3. April 2003 übermittelt hat, enthalten Aufzeichnungen und Zahlentabellen, die zur Zeit der Zuwiderhandlung verfasst worden sind und die einen unmittelbaren schriftlichen Beweis für den wettbewerbswidrigen Inhalt der seinerzeit geführten Gespräche darstellen. Der Beweiswert dieser Unterlagen wird nicht dadurch geschmälert, dass ihr Inhalt nicht vollständig verständlich ist, ohne dass die Unterlagen in ihrem Zusammenhang gesehen und mit anderen Informationen verglichen oder die darin verwendeten Symbole und Abkürzungen genauer erklärt werden.

409    Im Übrigen ist festzustellen, dass zumindest ein Teil der fraglichen Unterlagen, und zwar die damaligen Aufzeichnungen, die die Namen von Personen und Unternehmen, Daten und bezifferte Vorschläge von Preiszielen und Marktanteilen enthalten, geeignet waren, als selbständige Beweise für die Zuwiderhandlung zu dienen. Die Kommission hat bestimmte dieser Beweise als solche in der angefochtenen Entscheidung, insbesondere in den Erwägungsgründen 176 und 181, verwendet, um die konkreten Ergebnisse der Kartelltreffen zu belegen.

410    Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Kommission zum Zeitpunkt der Antragstellung von Arkema bereits über eine beträchtliche Zahl von Beweisen zum Ablauf des Kartells verfügte, die in den Beiträgen von Degussa und EKA Chemicals enthalten waren, und dass die von Arkema vorgelegten Beweise im Zusammenhang mit diesen Informationen, die sich bereits im Besitz der Kommission befanden, verwendet werden konnten.

411    Der Umstand, dass sich die Kommission dadurch, dass sie sich in einigen Gründen der angefochtenen Entscheidung auf diese Gesichtspunkte berufen hat, auf ein am 3. April 2003 vorgelegtes Schriftstück und auf die Erklärungen von Arkema vom 26. Mai 2003 bezogen hat, bedeutet im Übrigen nicht, dass sie eingeräumt hat, dass die ursprünglich vorgelegten Unterlagen als solche keinen Beweiswert besitzen. Auch wenn die am 26. Mai 2003 gelieferten Beweismittel tatsächlich gewisse Erläuterungen oder Erklärungen zu den Unterlagen vom 3. April 2003 enthielten, präzisierten die meisten dieser Informationen lediglich die bereits vorgelegten Unterlagen.

412    Daher kann das Vorbringen der Klägerin, die Unterlagen, die Arkema am 3. April 2003 vorgelegt habe, besäßen keinen Beweiswert, keinen Erfolg haben.

413    Was den erheblichen Mehrwert der fraglichen Beweismittel betrifft, ist festzustellen, dass es sich um Unterlagen aus der damaligen Zeit zu den kollusiven Treffen der Jahre 1997 und 1998 handelte, die in der angefochtenen Entscheidung weitgehend für diesen Zeitraum herangezogen und von denen einige unmittelbar zitiert werden.

414    Soweit die Klägerin geltend macht, die Kommission habe zu Unrecht festgestellt, dass der ursprüngliche Antrag von Arkema beide in Rede stehenden Produkte betroffen habe, ist hierzu lediglich darauf hinzuweisen, dass sich die Unterlagen, die Arkema am 3. April 2003 vorgelegt hat, zwar nur auf die Zuwiderhandlungen in Bezug auf HP bezogen, dies aber nicht die Schlussfolgerung hinsichtlich des erheblichen Mehrwerts ihrer Zusammenarbeit in Frage stellen kann, da es sich vorliegend um eine einheitliche Zuwiderhandlung handelte, die sich auf die beiden Märkte bezog.

415    Demnach ist nicht nachgewiesen, dass die Kommission dadurch einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, dass sie zu dem Ergebnis kam, dass Arkema mit Fax vom 3. April 2003 Beweismittel mit einem erheblichen Mehrwert im Sinne von Nr. 21 der Mitteilung über Zusammenarbeit vorgelegt habe.

416    Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung zum ersten Mal einen Unterschied zwischen der hier in Rede stehenden Beurteilung und der Beurteilung durch die Kommission im Hinblick auf die Zusammenarbeit von Arkema in der Sache, in der die Entscheidung K (2006) 2098 vom 31. Mai 2006 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und nach Artikel 53 [EWR-Abkommen] (Sache COMP/F/38.645 – Methacrylat) ergangen ist, geltend gemacht.

417    Die Kommission, die hierzu befragt worden ist, hat sich nicht dagegen ausgesprochen, dass dieses neue Vorbringen herangezogen werde.

418    Es ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Lauf des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden können, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.

419    Selbst wenn man annähme, dass das fragliche Vorbringen als ein neuer Klagegrund betrachtet werden könne, fiele es nicht unter dieses Verbot, da es auf einer tatsächlichen Beurteilung beruht, die in der Entscheidung K (2006) 2098 vorgenommen wurde, die, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, erst nach Abschluss des schriftlichen Verfahrens in der vorliegenden Sache veröffentlicht worden ist.

420    Zu diesem Vorbringen ist in der Sache festzustellen, dass aus dem Fax vom 3. April 2003, das der Klageschrift als Anlage beigefügt ist, hervorgeht, dass Arkema durch dieses Vorbringen die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit beantragt hat, indem sie Unterlagen zu drei Erzeugnissen, u. a. zu dem in der angefochtenen Entscheidung geprüften HP und dem in der Entscheidung K (2006) 2098 geprüften Methacrylat, beigebracht hat.

421    Die Kommission stellte in dem von der Klägerin herangezogenen 405. Erwägungsgrund der Entscheidung K (2006) 2098 im Zusammenhang mit der Bestimmung des Umfangs der Arkema zu gewährenden Herabsetzung der Geldbuße fest, dass sie, „obwohl [diese] einen Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung in einem verhältnismäßig frühen Verfahrensstadium, nämlich am 3. April 2003, d. h. im Lauf des auf die Nachprüfungen folgenden Monats, gestellt hat, erst nach Erhalt ihrer späteren Erläuterungen zu dem Ergebnis gelangt [ist], dass dieses Unternehmen aufgrund der Art und dem Grad der Genauigkeit der beigebrachten Beweismittel, die seine Fähigkeit, die fraglichen Tatsachen darzutun, bekräftigen, die Bedingungen für die Anwendung der Kronzeugenregelung erfüllt hat. Selbst wenn [Arkema] Beweise geliefert hat, die seit ihrer ersten Einlassung einen erheblichen Mehrwert darstellen, ist der Mehrwert, den sie [ihren] Argumenten hinzugefügt hat, während des gesamten Verfahrens begrenzt geblieben.“

422    Aus dieser Beurteilung geht hervor, dass die Kommission in der Sache, in der die Entscheidung K (2006) 2098 ergangen ist, befunden hat, dass sie, obwohl Arkema ihren Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung am 3. April 2003 eingereicht habe, erst nach Erhalt ihrer späteren Erklärungen zu dem Schluss gelangt sei, dass dieses Unternehmen Beweismittel geliefert habe, die einen erheblichen Mehrwert darstellten.

423    Entgegen dem Vorbringen der Klägerin reicht die fragliche Erwägung gleichwohl nicht aus, um darzutun, dass die Kommission bei der Würdigung des im vorliegenden Fall fraglichen Beitrags auch die zeitlich nach ihrem Fax vom 3. April 2003 liegenden Erklärungen von Arkema berücksichtigt hat.

424    Zum einen betraf die in der Entscheidung K (2006) 2098 enthaltene Beurteilung der Unterlagen in den Anlagen A 14 und A 15 des Fax vom 3. April 2003 nicht dieselben Beweismittel, wie sie hier in Rede stehen und die dieser Mitteilung in den Anlagen A 1 bis A 13 beigefügt waren. Außerdem betraf die geltend gemachte Beurteilung die Bestimmung der Herabsetzung der Geldbuße innerhalb der anwendbaren Bandbreite gemäß Nr. 23 Buchst. b Abs. 2 der Mitteilung über Zusammenarbeit und nicht die Bestimmung der ohne Weiteres anwendbaren Bandbreite im Sinne von Nr. 23 Buchst. b Abs. 1 der Mitteilung, die hier umstritten ist.

425    Zum anderen geht aus der Entscheidung K (2006) 2098 hervor, dass in der Sache, in der diese Entscheidung ergangen ist, zwischen dem 3. April 2003 und dem Eingang der späteren Erklärungen von Arkema bei der Kommission kein Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung gestellt worden ist. Daher konnte die Kommission im Unterschied zu dem Fall, der zu der Entscheidung K (2006) 2098 geführt hat, zu Recht die in Rede stehenden späteren Erklärungen berücksichtigen, um zu bestimmen, ob Arkema die in der Mitteilung über Zusammenarbeit vorgesehenen Bedingungen für die Herabsetzung der Geldbuße erfüllt hat.

426    Daher kann die in der Entscheidung K (2006) 2098 vorgenommene Beurteilung nicht die Rechtmäßigkeit der im vorliegenden Fall angestellten Beurteilung in Frage stellen.

427    Nach alledem ist die Rüge der Klägerin in Bezug auf die Beurteilung der Beiträge von EKA Chemicals und von Arkema als unbegründet zurückzuweisen.

–       Zum Umfang der der Klägerin gewährten Ermäßigung der Geldbuße

428    In den Erwägungsgründen 523 und 524 der angefochtenen Entscheidung stellte die Kommission fest, dass die Klägerin das dritte Unternehmen gewesen sei, das die Voraussetzung gemäß Nr. 21 der Mitteilung über Zusammenarbeit erfüllt habe, da sie am 4. April und 17. Mai 2003 Unterlagen zu einem Kartell auf europäischer Ebene in Bezug auf die beiden betreffenden Erzeugnisse vorgelegt habe. Zum Mehrwert dieser Zusammenarbeit stellte die Kommission fest, dass die Klägerin „im Wesentlichen die Beweismittel beigebracht hat, die es [ihr] ermöglicht haben, bestimmte schon von Degussa und [Arkema] mitgeteilte Angaben zu bestätigen, und die in der [angefochtenen Entscheidung] weitgehend verwendet werden“. Aufgrund dieser Erwägungen setzte die Kommission der Geldbuße der Klägerin um 10 % herab.

429    Hilfsweise trägt die Klägerin vor, die Kommission habe es zu Unrecht abgelehnt, ihr die höchstmögliche Herabsetzung um 20 % innerhalb der auf das dritte Unternehmen gemäß Nr. 23 Buchst. b Abs. 1 der Mitteilung über Zusammenarbeit anwendbaren Bandbreite einzuräumen.

430    Es ist zu beachten, dass die Kommission gemäß Nr. 23 Buchst. b Abs. 2 der Mitteilung über Zusammenarbeit zur Bestimmung der Herabsetzung der Geldbuße innerhalb der anwendbaren Bandbreite den Zeitpunkt der Erbringung, das Ausmaß des Mehrwerts der gelieferten Beweismittel sowie das Ausmaß und die Kontinuität der Zusammenarbeit berücksichtigen kann.

431    Im 515. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission festgestellt, dass die Klägerin in einem frühen Verfahrensstadium, kurz nach den Nachprüfungen, aufgetreten sei, dass ihr Beitrag einen erheblichen Mehrwert dargestellt habe und fortlaufend geliefert worden sei, da Beweismittel u. a. am 4., 9., 11. und 16. April sowie am 17. Mai 2003 vorgelegt worden seien. Es steht fest, dass die von der Klägerin beigebrachten Beweismittel in der angefochtenen Entscheidung in weitem Umfang zur Feststellung einer Zuwiderhandlung vor allem für die Zeit von 1997 bis 2000 verwendet worden sind.

432    Außerdem war, wie aus der Antwort der Kommission vom 15. September 2009 auf eine schriftliche Frage des Gerichts hervorgeht, die Klägerin die erste, die Beweisstücke hinsichtlich einer Reihe von Treffen zwischen August und November 1997 in Brüssel beigebracht hat. Es ist auch festzustellen, dass die Angaben zu diesen Treffen es der Kommission ermöglicht haben, bestimmte Hauptmerkmale des fraglichen Kartells festzustellen, z. B. das Vorliegen von verbindlichen Vereinbarungen über die abgestimmten Höchstpreise für HP und die Initiativen für eine Kollusion in Bezug auf PBS.

433    Es ist folglich festzustellen, dass die Kommission im 523. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht befunden hat, dass zum einen die von der Klägerin gelieferten Beweisstücke im Wesentlichen bestimmte schon von Degussa und Arkema mitgeteilte Angaben belegten und dass zum anderen die in diesem Erwägungsgrund aufgeführten Beweismittel nach Maßgabe der Kriterien gemäß Nr. 23 Buchst. b Abs. 2 der Mitteilung über Zusammenarbeit in keiner Weise die Anwendung des fraglichen Kürzungssatzes innerhalb der anwendbaren Bandbreite rechtfertigten.

434    Daher hat die Kommission die der Klägerin aufgrund ihrer Zusammenarbeit zu gewährende Ermäßigung der Geldbuße eindeutig zu Unrecht auf 10 % festgesetzt.

435    Im Übrigen widerspricht die fragliche Beurteilung, die zur Gewährung einer geringen Herabsetzung der Geldbuße gegenüber der Klägerin geführt hat, der Beurteilung der Zusammenarbeit von Arkema, da die Kommission festgestellt hat, dass diese erst am 26. Mai 2003, d. h. mehrere Wochen nach ihrem ursprünglichen Antrag, zusätzliche Beweismittel übermittelt habe, sie ihr aber die höchstmögliche Ermäßigung innerhalb der anwendbaren Bandbreite gewährt hat (Erwägungsgründe 510 und 513 der angefochtenen Entscheidung).

436    Im Übrigen lieferten die von der Klägerin abgegebenen Erklärungen im Unterschied zu den Erklärungen von Arkema den Beweis für die Zuwiderhandlung hinsichtlich der beiden betroffenen Erzeugnisse, da die Erklärungen der Klägerin detaillierte und durch Zeugenaussagen unmittelbar an dem Kartell Beteiligter untermauerte Informationen über den Inhalt der rechtswidrigen Vereinbarungen enthielten, was im Übrigen dadurch deutlich wird, dass sie in der angefochtenen Entscheidung in weitem Umfang verwendet wurden.

437    Angesichts dieser Erwägungen ist dieser letzten Rüge der Klägerin zu folgen.

438    Im Übrigen ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.

439    Das Gericht ist in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Auffassung, dass angesichts der Erwägungen in den vorstehenden Randnrn. 430 bis 437 die der Klägerin aufgrund ihrer Zusammenarbeit gewährte Ermäßigung der Geldbuße auf 20 % festzusetzen ist. Daher ist die gegen die Klägerin festgesetzte Geldbuße herabzusetzen.

 Zur Bemessung der endgültigen Geldbuße

440    Im Anschluss an die Prüfung der von der Klägerin geltend gemachten Klagegründe und im Rahmen der Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung durch das Gericht ist die gegen die Klägerin festgesetzte Geldbuße dahin abzuändern, dass die von der Kommission vorgenommene Erhöhung des Ausgangsbetrags aufgrund der Dauer der Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung auf 55 % herabgesetzt und die aufgrund der Mitteilung über Zusammenarbeit vorgenommene Ermäßigung auf 20 % erhöht wird.

441    Infolge dieser Abänderung wird die gegen die Klägerin verhängte Geldbuße auf 139,5 Millionen Euro festgesetzt.

 Kosten

442    Nach Art. 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt.

443    Da die Klägerin im vorliegenden Fall mit ihrer Klage teilweise obsiegt hat, erscheint es unter Berücksichtigung der Umstände des Falles angemessen, dass die Klägerin 80 % ihrer eigenen Kosten und der Kosten der Kommission trägt, während die Kommission 20 % ihrer eigenen Kosten und der Kosten der Klägerin trägt.

444    Im Übrigen ist der von der Klägerin im Rahmen ihres Kostenantrags gestellte Antrag, die Kommission zur Erstattung der Kosten zu verurteilen, die sich aus der Stellung einer Bürgschaft zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung der angefochtenen Entscheidung ergeben, zurückzuweisen. Nach ständiger Rechtsprechung stellen solche Kosten keine Verfahrenskosten dar (vgl. in diesem Sinne Urteil Cimenteries CBR u. a./Kommission, oben in Randnr. 214 angeführt, Randnr. 5133 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Art. 1 Buchst. m der Entscheidung K (2006) 1766 endg. der Kommission vom 3. Mai 2006 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR‑Abkommen (Sache COMP/F/38.620 – Wasserstoffperoxid und Perborat) wird insoweit für nichtig erklärt, als die Europäische Kommission darin festgestellt hat, dass die Solvay SA in der Zeit vor Mai 1995 an der Zuwiderhandlung beteiligt war.

2.      Die in Art. 2 Buchst. h der Entscheidung K (2006) 1766 endg. gegen Solvay verhängte Geldbuße wird auf 139,5 Millionen Euro festgesetzt.

3.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4.      Solvay trägt 80 % ihrer Kosten und der Kosten der Kommission.

5.      Die Kommission trägt 20 % ihrer Kosten und der Kosten von Solvay.

Vadapalas

Dittrich

Truchot

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. Juni 2011.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Sachverhalt

Angefochtene Entscheidung

Verfahren und Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

Zur Dauer der Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung

Vorbringen der Parteien

– Zum Zeitraum vom 31. Januar 1994 bis August 1997

– Zum Zeitraum vom 18. Mai bis 31. Dezember 2000

Würdigung durch das Gericht

– Zum Zeitraum vom 31. Januar 1994 bis Mai 1995

– Zum Zeitraum von Mai 1995 bis August 1997

– Zum Zeitraum vom 18. Mai bis 31. Dezember 2000

Zum Vorwurf einer Verletzung der Verteidigungsrechte

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

– Zur Einsicht in die Unterlagen von Degussa

– Zur Einsicht in die Antworten der anderen Unternehmen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte

Zum Vorwurf von Fehlern bei der Festsetzung der Geldbuße

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

– Zur Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und der Höhe des Ausgangsbetrags der Geldbuße

– Zur abschreckenden Wirkung

– Zur Dauer der Zuwiderhandlung

– Zur Nichtberücksichtigung der Zusammenarbeit der Klägerin außerhalb der Mitteilung über Zusammenarbeit

Zur Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit

Vorbringen der Parteien

– Zur Bestimmung des Zeitpunkts der Antragstellung durch die Klägerin

– Zur Einstufung der Klägerin gegenüber zwei anderen betroffenen Unternehmen

– Zum Umfang der der Klägerin gewährten Ermäßigung

Würdigung durch das Gericht

– Zur Bestimmung des Zeitpunkts der Antragstellung durch die Klägerin

– Zur Beurteilung der von zwei anderen betroffenen Unternehmen beigebrachten Informationen

– Zum Umfang der der Klägerin gewährten Ermäßigung der Geldbuße

Zur Bemessung der endgültigen Geldbuße

Kosten


* Verfahrenssprache: Englisch.