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Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 22. September 2020 (Vorabentscheidungsersuchen der Cour de cassation - Frankreich) – Cali Apartments SCI (C‑724/18), HX (C‑727/18)/Procureur général près la cour d'appel de Paris, Ville de Paris

(Verbundene Rechtssachen C-724/18 und C-727/18)1

(Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2006/123/EG – Anwendungsbereich – Regelmäßige Kurzzeitvermietung von möblierten Räumen an Personen, die sich lediglich vorübergehend in der betreffenden Gemeinde aufhalten, ohne dort einen Wohnsitz zu begründen – Nationale Regelung, die für bestimmte Gemeinden eine Regelung der vorherigen Genehmigung vorsieht und die betreffenden Gemeinden damit betraut, die Voraussetzungen für die Erteilung der entsprechenden Genehmigungen festzulegen – Art. 4 Abs. 6 – Begriff der Genehmigungsregelung – Art. 9 – Rechtfertigung – Unzureichendes Angebot an Wohnungen, die längerfristig zu einem erschwinglichen Preis vermietet werden – Verhältnismäßigkeit – Art. 10 – Anforderungen an die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigungen)

Verfahrenssprache: Französisch

Vorlegendes Gericht

Cour de cassation

Parteien des Ausgangsverfahrens

Kläger: Cali Apartments SCI (C-724/18), HX (C-727/18)

Beklagte: Procureur général près la cour d’appel de Paris, Ville de Paris

Tenor

Die Art. 1 und 2 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt sind dahin auszulegen, dass die Richtlinie auf eine Regelung eines Mitgliedstaats über gewerblich oder privat ausgeübte Tätigkeiten der regelmäßigen Kurzzeitvermietung von möblierten Wohnungen an Personen, die sich lediglich vorübergehend in der betreffenden Gemeinde aufhalten, ohne dort einen Wohnsitz zu begründen, anwendbar ist.

Art. 4 der Richtlinie 2006/123 ist dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung, die die Ausübung bestimmter Tätigkeiten der Wohnraumvermietung von einer vorherigen Genehmigung abhängig macht, unter den Begriff der Genehmigungsregelung im Sinne von Nr. 6 der Vorschrift fällt.

Art. 9 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 2006/123 ist dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung, die bestimmte Tätigkeiten der regelmäßigen Kurzzeitvermietung von möblierten Wohnungen an Personen, die sich lediglich vorübergehend in der betreffenden Gemeinde aufhalten, ohne dort einen Wohnsitz zu begründen, um ein ausreichendes Angebot an Wohnungen, die längerfristig zu erschwinglichen Preisen vermietet werden, zu gewährleisten, in bestimmten Gemeinden mit besonders hohem Mietpreisdruck einer Regelung der vorherigen Genehmigung unterwirft, durch den zwingenden Grund des Allgemeininteresses der Bekämpfung des Mietwohnungsmangels gerechtfertigt und in Bezug auf das angestrebte Ziel verhältnismäßig ist, da dieses nicht durch ein milderes Mittel erreicht werden kann, insbesondere weil eine nachträgliche Kontrolle zu spät erfolgen würde, um wirksam zu sein.

Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2006/123 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, mit der eine Regelung eingeführt wird, die die Ausübung bestimmter Tätigkeiten der Vermietung von möblierten Wohnungen von einer vorherigen Genehmigung, die auf den Kriterien beruht, dass es sich um eine „regelmäßige Kurzzeitvermietung … an Personen, die sich lediglich vorübergehend in der betreffenden Gemeinde aufhalten, ohne dort einen Wohnsitz zu begründen“, handelt, abhängig macht und die örtlichen Behörden ermächtigt, die Voraussetzungen für die Erteilung der entsprechenden Genehmigungen nach den Vorgaben der Regelung im Hinblick auf das Ziel der sozialen Vermischung und unter Berücksichtigung der Lage auf den örtlichen Wohnungsmärkten und der Erforderlichkeit, den Wohnungsmangel nicht zu verstärken, im Einzelnen festzulegen und die Genehmigungen bei Bedarf mit der Verpflichtung zu einem Ausgleich durch gleichzeitige akzessorische Umwandlung von anders genutztem Raum in Wohnraum zu verbinden, nicht entgegensteht, sofern die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigungen den Anforderungen des Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2006/123 entsprechen und die Ausgleichspflicht unter transparenten und zugänglichen Bedingungen erfüllt werden kann.

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1     ABl. C 35 vom 28.1.2019.