Language of document : ECLI:EU:T:2012:626

BESCHLUSS DES GERICHTS (Erste Kammer)

27. November 2012(*)

„Nichtigkeitsklage – An einen Mitgliedstaat gerichtete Beschlüsse zur Beendigung eines übermäßigen Defizits – Kein unmittelbares Betroffensein – Unzulässigkeit“

In der Rechtssache T‑541/10

Anotati Dioikisi Enoseon Dimosion Ypallilon (ADEDY) mit Sitz in Athen (Griechenland),

Spyridon Papaspyros, wohnhaft in Athen,

Ilias Iliopoulos, wohnhaft in Athen,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin M.-M. Tsipra,

Kläger,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch T. Middleton, A. De Gregorio Merino und E. Chatziioakeimidou als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch

Europäische Kommission, vertreten durch B. Smulders, J.‑P. Keppenne und M. Konstantinidis als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

betreffend eine Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses 2010/320/EU des Rates vom 10. Mai 2010 gerichtet an Griechenland zwecks Ausweitung und Intensivierung der haushaltspolitischen Überwachung und zur Inverzugsetzung Griechenlands mit der Maßgabe, die zur Beendigung des übermäßigen Defizits als notwendig erachteten Maßnahmen zu treffen (ABl. L 145, S. 6, berichtigt in ABl. 2011, L 209, S. 63) sowie des Beschlusses 2010/486/EU des Rates vom 7. September 2010 zur Änderung des Beschlusses 2010/320 (ABl. L 241, S. 12)

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Azizi (Berichterstatter) sowie des Richters S. Frimodt Nielsen und der Richterin M. Kancheva,

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

 Rechtlicher Rahmen 

 Der Vertrag über die Europäische Union

1        Art. 3 Abs. 4 EUV lautet:

„Die Union errichtet eine Wirtschafts- und Währungsunion, deren Währung der Euro ist.“

 Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

2        In Art. 119 AEUV heißt es:

„(1)      Die Tätigkeit der Mitgliedstaaten und der Union im Sinne des Artikels 3 des Vertrags über die Europäische Union umfasst nach Maßgabe der Verträge die Einführung einer Wirtschaftspolitik, die auf einer engen Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten, dem Binnenmarkt und der Festlegung gemeinsamer Ziele beruht und dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet ist.

(2)      Parallel dazu umfasst diese Tätigkeit nach Maßgabe der Verträge und der darin vorgesehenen Verfahren eine einheitliche Währung, den Euro, sowie die Festlegung und Durchführung einer einheitlichen Geld- sowie Wechselkurspolitik, die beide vorrangig das Ziel der Preisstabilität verfolgen und unbeschadet dieses Zieles die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Union unter Beachtung des Grundsatzes einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb unterstützen sollen.

(3)      Diese Tätigkeit der Mitgliedstaaten und der Union setzt die Einhaltung der folgenden richtungweisenden Grundsätze voraus: stabile Preise, gesunde öffentliche Finanzen und monetäre Rahmenbedingungen sowie eine dauerhaft finanzierbare Zahlungsbilanz.“

3        Art. 126 AEUV sieht das Verfahren bei übermäßigem Defizit vor, dessen Zweck darin besteht, den betreffenden Mitgliedstaat dazu anzuhalten und, wenn erforderlich, dazu zu zwingen, das gegebenenfalls festgestellte öffentliche Defizit zu verringern. Die einschlägigen Bestimmungen dieses Artikels lauten wie folgt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten vermeiden übermäßige öffentliche Defizite.

(2)      Die Kommission überwacht die Entwicklung der Haushaltslage und der Höhe des öffentlichen Schuldenstands in den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Feststellung schwerwiegender Fehler. Insbesondere prüft sie die Einhaltung der Haushaltsdisziplin anhand von zwei Kriterien, nämlich daran,

a)      ob das Verhältnis des geplanten oder tatsächlichen öffentlichen Defizits zum Bruttoinlandsprodukt einen bestimmten Referenzwert überschreitet, es sei denn, dass

–        entweder das Verhältnis erheblich und laufend zurückgegangen ist und einen Wert in der Nähe des Referenzwerts erreicht hat

–        oder der Referenzwert nur ausnahmsweise und vorübergehend überschritten wird und das Verhältnis in der Nähe des Referenzwerts bleibt,

b)      ob das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstands zum Bruttoinlandsprodukt einen bestimmten Referenzwert überschreitet, es sei denn, dass das Verhältnis hinreichend rückläufig ist und sich rasch genug dem Referenzwert nähert.

Die Referenzwerte werden in einem den Verträgen beigefügten Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit im Einzelnen festgelegt.

(6)      Der Rat beschließt auf Vorschlag der Kommission und unter Berücksichtigung der Bemerkungen, die der betreffende Mitgliedstaat gegebenenfalls abzugeben wünscht, nach Prüfung der Gesamtlage, ob ein übermäßiges Defizit besteht.

(7)      Stellt der Rat nach Absatz 6 ein übermäßiges Defizit fest, so richtet er auf Empfehlung der Kommission unverzüglich Empfehlungen an den betreffenden Mitgliedstaat mit dem Ziel, dieser Lage innerhalb einer bestimmten Frist abzuhelfen. Vorbehaltlich des Absatzes 8 werden diese Empfehlungen nicht veröffentlicht.

(8)      Stellt der Rat fest, dass seine Empfehlungen innerhalb der gesetzten Frist keine wirksamen Maßnahmen ausgelöst haben, so kann er seine Empfehlungen veröffentlichen.

(9)      Falls ein Mitgliedstaat den Empfehlungen des Rates weiterhin nicht Folge leistet, kann der Rat beschließen, den Mitgliedstaat mit der Maßgabe in Verzug zu setzen, innerhalb einer bestimmten Frist Maßnahmen für den nach Auffassung des Rates zur Sanierung erforderlichen Defizitabbau zu treffen.

Der Rat kann in diesem Fall den betreffenden Mitgliedstaat ersuchen, nach einem konkreten Zeitplan Berichte vorzulegen, um die Anpassungsbemühungen des Mitgliedstaats überprüfen zu können.

(11)      Solange ein Mitgliedstaat einen Beschluss nach Absatz 9 nicht befolgt, kann der Rat beschließen, eine oder mehrere der nachstehenden Maßnahmen anzuwenden oder gegebenenfalls zu verschärfen, nämlich

–        von dem betreffenden Mitgliedstaat verlangen, vor der Emission von Schuldverschreibungen und sonstigen Wertpapieren vom Rat näher zu bezeichnende zusätzliche Angaben zu veröffentlichen,

–        die Europäische Investitionsbank ersuchen, ihre Darlehenspolitik gegenüber dem Mitgliedstaat zu überprüfen,

–        von dem Mitgliedstaat verlangen, eine unverzinsliche Einlage in angemessener Höhe bei der Union zu hinterlegen, bis das übermäßige Defizit nach Ansicht des Rates korrigiert worden ist,

–        Geldbußen in angemessener Höhe verhängen.

Der Präsident des Rates unterrichtet das Europäische Parlament von den Beschlüssen.

(12)      Der Rat hebt einige oder sämtliche Beschlüsse oder Empfehlungen nach den Absätzen 6 bis 9 und 11 so weit auf, wie das übermäßige Defizit in dem betreffenden Mitgliedstaat nach Ansicht des Rates korrigiert worden ist. Hat der Rat zuvor Empfehlungen veröffentlicht, so stellt er, sobald der Beschluss nach Absatz 8 aufgehoben worden ist, in einer öffentlichen Erklärung fest, dass in dem betreffenden Mitgliedstaat kein übermäßiges Defizit mehr besteht.

(13)      Die Beschlussfassung und die Empfehlungen des Rates nach den Absätzen 8, 9, 11 und 12 erfolgen auf Empfehlung der Kommission.

…“

4        Art. 136 Abs. 1 AEUV bestimmt:

„Im Hinblick auf das reibungslose Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion erlässt der Rat für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, Maßnahmen …, um

a)      die Koordinierung und Überwachung ihrer Haushaltsdisziplin zu verstärken,

b)      für diese Staaten Grundzüge der Wirtschaftspolitik auszuarbeiten, wobei darauf zu achten ist, dass diese mit den für die gesamte Union angenommenen Grundzügen der Wirtschaftspolitik vereinbar sind, und ihre Einhaltung zu überwachen.“

5        Art. 1 des Protokolls Nr. 12 über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit bestimmt:

„Die in Art. 126 Abs. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union genannten Referenzwerte sind:

–        3 % für das Verhältnis zwischen dem geplanten oder tatsächlichen öffentlichen Defizit und dem Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen,

–        60 % für das Verhältnis zwischen dem öffentlichen Schuldenstand und dem Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen.“

 Der Stabilitäts- und Wachstumspakt

6        Auf seiner Tagung in Amsterdam (Niederlande) vom 17. Juni 1997 hat der Europäische Rat einen Rechtsrahmen zur Koordinierung der nationalen Haushaltspolitiken der Mitgliedstaaten festgelegt, die an der Wirtschafts- und Währungsunion teilnehmen. Dieser Rahmen erhielt die Form eines Stabilitäts- und Wachstumspakts, der auf dem Ziel einer gesunden öffentlichen Finanzlage als Mittel zur Verbesserung der Voraussetzungen für Preisstabilität und ein starkes, nachhaltiges Wachstum, das der Schaffung von Arbeitsplätzen förderlich ist, beruht (vgl. Entschließung des Europäischen Rates vom 17. Juni 1997 über den Stabilitäts- und Wachstumspakt [ABl. C 236, S. 1]).

7        Der Stabilitäts- und Wachstumspakt setzt sich aus drei Teilen zusammen: erstens der in der vorstehenden Randnr. 6 genannten Entschließung, zweitens der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (ABl. L 209, S. 1) und drittens der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit (ABl. L 209, S. 6).

8        Art. 3 der Verordnung Nr. 1466/1997 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1055/2005 des Rates vom 27. Juni 2005 (ABl. L 174, S. 1) geänderten Fassung verpflichtet die Mitgliedstaaten, die die einheitliche Währung eingeführt haben, dem Rat der Europäischen Union und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften regelmäßig ein Stabilitätsprogramm mit Informationen über ihre Wirtschaftspolitiken vorzulegen.

9        Nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung Nr. 1466/1997 in der durch die Verordnung Nr. 1055/2005 geänderten Fassung liefert das Stabilitätsprogramme folgende Angaben:

„eine detaillierte und quantitative Bewertung der haushaltspolitischen und sonstigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die zur Erreichung der Programmziele unternommen und/oder vorgeschlagen werden, darunter eine ausführliche Kosten-Nutzen-Analyse der größeren Strukturreformen, die direkte langfristige Kosteneinsparungseffekte – auch durch Steigerung des Potenzialwachstums – haben“.

10      Art. 3 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1467/1997 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1056/2005 des Rates vom 27. Juni 2005 (ABl. L 174, S. 5) geänderten Fassung lautet:

„In der Empfehlung des Rates nach Artikel [126] Absatz 7 [AEUV] wird dem betreffenden Mitgliedstaat eine Frist von höchstens sechs Monaten für die Ergreifung wirksamer Maßnahmen gesetzt. In der Empfehlung des Rates wird ferner eine Frist für die Korrektur des übermäßigen Defizits gesetzt; diese Korrektur sollte in dem Jahr erreicht werden, das auf die Feststellung eines übermäßigen Defizits folgt, sofern keine besonderen Umstände vorliegen. In der Empfehlung ersucht der Rat den Mitgliedstaat, eine jährliche Mindestverbesserung des konjunkturbereinigten Saldos, für die ein Satz von mindestens 0,5 % des BIP als Richtwert dient, ohne Anrechnung einmaliger und befristeter Maßnahmen zu erzielen, um die Korrektur des übermäßigen Defizits innerhalb der in der Empfehlung gesetzten Frist zu gewährleisten.“

11      Art. 5 der Verordnung Nr. 1467/1997 in der durch die Verordnung Nr. 1056/2005 geänderten Fassung bestimmt:

„(1)      Beschließt der Rat, den betreffenden teilnehmenden Mitgliedstaat gemäß Artikel [126] Absatz 9 [AEUV] mit der Maßgabe in Verzug zu setzen, Maßnahmen zum Defizitabbau zu treffen, so ergeht dieser Beschluss innerhalb von zwei Monaten, nachdem der Rat gemäß Artikel [126] Absatz 8 [AEUV] festgestellt hat, dass keine wirksamen Maßnahmen ergriffen wurden. In der Inverzugsetzung ersucht der Rat den Mitgliedstaat, eine jährliche Mindestverbesserung des konjunkturbereinigten Saldos zu erzielen, für die ein Satz von mindestens 0,5 % des BIP als Richtwert dient, ohne Anrechnung einmaliger und befristeter Maßnahmen, um die Korrektur des übermäßigen Defizits innerhalb der in der Inverzugsetzung gesetzten Frist zu gewährleisten.

(2)      Sind in Befolgung einer Inverzugsetzung nach Artikel [126] Absatz 9 [AEUV] wirksame Maßnahmen ergriffen worden und treten nach der Annahme dieser Inverzugsetzung unerwartete nachteilige wirtschaftliche Ereignisse mit sehr ungünstigen Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen ein, so kann der Rat auf Empfehlung der Kommission eine geänderte Inverzugsetzung nach Artikel [126] Absatz 9 [AEUV] aussprechen. In dieser geänderten Inverzugsetzung kann unter Berücksichtigung der einschlägigen Faktoren im Sinne des Artikels 2 Absatz 3 dieser Verordnung namentlich die Frist für die Korrektur des übermäßigen Defizits um ein Jahr verlängert werden. Der Rat beurteilt anhand der in seiner Inverzugsetzung enthaltenen Wirtschaftsprognose, ob unerwartete nachteilige wirtschaftliche Ereignisse mit sehr ungünstigen Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen vorliegen.“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

 Die griechische Schuldenkrise und der zwischenstaatliche Mechanismus zur finanziellen Unterstützung der Hellenischen Republik

12      Am 21. Oktober 2009 übermittelte die Hellenische Republik Eurostat (Statistisches Amt der Europäischen Union) statistische Daten, mit denen ihr öffentliches Defizit für das Jahr 2008 korrigiert wurde, das von 5,0 % ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) (dem von der Hellenischen Republik im April 2009 mitgeteilten Wert) auf 7,7 % des BIP stieg. Gleichzeitig korrigierten die griechischen Behörden die für 2009 erwartete Defizitquote des Landes, die sie von 3,7 % des BIP (dem im Frühjahr 2009 mitgeteilten Wert) auf 12,5 % des BIP erhöhten.

13      Diese Korrektur der Wirtschaftsdaten weckte auf den Märkten Zweifel an der Zahlungsfähigkeit des Landes, wodurch dessen Staatsschuldenkrise beschleunigt wurde. In den ersten Monaten des Jahres 2010 führte das Verhalten der Investoren auf dem Markt zu einem Anstieg der Zinssätze griechischer Anleihen. Ende April 2010 stufte eine Kreditratingagentur die Bewertung griechischer Anleihen von BBB- auf BB+ herab, eine Kategorie, bei der die Märkte ein hohes Ausfallrisiko annehmen.

14      Da sich die griechische Schuldenkrise auf andere Mitgliedstaaten des Euroraums auszuwirken drohte und die Stabilität des gesamten Euroraums gefährdete, kamen die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets auf der Tagung des Europäischen Rates vom 25. März 2010 überein, einen zwischenstaatlichen Mechanismus zur Unterstützung der Hellenischen Republik in Gestalt koordinierter bilateraler Darlehen zu nichtkonzessionären Zinssätzen, d. h. zu Zinssätzen ohne Subventionselement, zu schaffen. Die Auszahlung der Darlehen sollte an strenge Bedingungen geknüpft sein und auf einen Antrag der Hellenischen Republik hin erfolgen. Der Unterstützungsmechanismus sollte auch eine substanzielle Beteiligung des Internationalen Währungsfonds einschließen.

15      Dieser zwischenstaatliche Mechanismus stützt sich auf zwei Instrumente: ein „intercreditor agreement“ (Gläubigervereinbarung), dessen Vertragsparteien die Hilfe leistenden Staaten sind und das die wesentlichen Regeln enthält, nach denen die Darlehensgeber die Darlehensvergabe untereinander koordinieren, sowie ein „loan facility agreement“ (Vereinbarung über die Darlehensfazilität) zwischen den Hilfe leistenden Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets (sowie einem deutschen öffentlichen Finanzunternehmen, das den Weisungen der Bundesrepublik Deutschland unterliegt, die für dieses Unternehmen bürgt) und der Hellenischen Republik sowie der griechischen Zentralbank.

16      Am 23. April 2010 beantragte die Hellenische Republik, den genannten zwischenstaatlichen Unterstützungsmechanismus in Gang zu setzen.

17      Am 2. Mai 2010 gaben die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets ihr Einverständnis, der Hellenischen Republik 80 Mrd. Euro innerhalb eines gemeinsam mit dem IWF bewilligten Finanzrahmens von 110 Mrd. Euro zur Verfügung zu stellen.

18      Am 3. Mai 2010 unterzeichneten die Vertreter der Hellenischen Republik und der Kommission – Letztere im Auftrag der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets handelnd – ein als „Memorandum of Understanding“ bezeichnetes Dokument, in dem ein vom griechischen Finanzministerium in Zusammenarbeit mit der Kommission, der Europäischen Zentralbank und dem IWF erarbeitetes Programm mit einer Laufzeit von drei Jahren beschrieben wird, dessen Ziel eine Verbesserung der griechischen öffentlichen Finanzen und die Wiederherstellung des Vertrauens der Märkte hinsichtlich des Zustands dieser Finanzen und der griechischen Wirtschaft im Allgemeinen ist. Dieses „Memorandum of Understanding“ setzt sich aus drei spezifischen Memoranden zusammen: einem „Memorandum of Economic and Financial Policies“, einem „Memorandum of Understanding on Specific Economic Policy Conditionality“ und einem „Technical Memorandum of Understanding“.

19      Am 8. Mai 2010 wurden die vorerwähnte Gläubigervereinbarung und die vorerwähnte Vereinbarung über die Darlehensfazilität (vgl. Randnr. 15 des vorliegenden Beschlusses) unterzeichnet.

 Das Verfahren wegen übermäßigen Defizits gegen die Hellenische Republik

 Das Verfahren vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidungen

20      Am 27. April 2009 entschied der Rat gemäß Art. 104 Abs. 6 EG (jetzt Art. 126 Abs. 6 AEUV), dass in Griechenland ein übermäßiges Defizit bestehe, und sprach gemäß Art. 104 Abs. 7 EG (jetzt Art. 126 Abs. 7 AEUV) sowie Art. 3 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1467/97 gegenüber der Hellenischen Republik Empfehlungen aus mit dem Ziel, dieses Defizit bis spätestens 2010 zu beenden. Außerdem setzte der Rat gegenüber der Hellenischen Republik den 27. Oktober 2009 als Frist zur Ergreifung wirksamer Maßnahmen fest.

21      Am 30. November 2009 stellte der Rat gemäß Art. 126 Abs. 8 AEUV fest, dass die Hellenische Republik auf die Empfehlungen vom 27. April 2009 hin keine wirksamen Maßnahmen ergriffen habe.

22      Am 16. Februar 2010 erließ der Rat auf der Grundlage von Art. 126 Abs. 9 AEUV und Art. 136 AEUV den Beschluss 2010/182/EU zur Inverzugsetzung Griechenlands mit der Maßgabe, die zur Beendigung des übermäßigen Defizits als notwendig erachteten Maßnahmen zu treffen (ABl. L 83, S. 13).

23      In Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2010/182 heißt es, dass die Hellenische Republik das derzeitige übermäßige Defizit so rasch wie möglich, spätestens aber im Jahr 2012 beendet.

24      Art. 2 des Beschlusses 2010/182 sieht eine Reihe von Konsolidierungsmaßnahmen vor, die die Hellenische Republik zu ergreifen hatte, um das übermäßige Defizit zu beenden, einschließlich der Maßnahmen, die im von der Hellenischen Republik vorgelegten Stabilitätsprogramm genannt werden (vgl. Randnrn. 8 und 9 des vorliegenden Beschlusses).

25      Art. 5 des Beschlusses 2010/182 setzte der Hellenischen Republik eine Frist zur Ergreifung wirksamer Maßnahmen bis zum 15. Mai 2010.

 Angefochtene Rechtsakte

–       Beschluss 2010/320/EU

26      Am 10. Mai 2010 erließ der Rat den Beschluss 2010/320/EU gerichtet an Griechenland zwecks Ausweitung und Intensivierung der haushaltspolitischen Überwachung und zur Inverzugsetzung Griechenlands mit der Maßgabe, die zur Beendigung des übermäßigen Defizits als notwendig erachteten Maßnahmen zu treffen (ABl. L 145, S. 6, berichtigt in ABl. 2011, L 209, S. 63) (im Folgenden: Basisrechtsakt).

27      Rechtsgrundlage des Basisrechtsakts sind Art. 126 Abs. 9 AEUV und Art. 136 AEUV.

28      In den Erwägungsgründen 4 und 5 des Basisrechtsakts wird im Wesentlichen erläutert, dass im Falle Griechenlands unerwartete nachteilige wirtschaftliche Ereignisse mit sehr ungünstigen Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen als gegeben angesehen werden können, so dass eine Änderung des Inhalts der ursprünglichen Inverzugsetzung, die am 16. Februar 2010 mit der Entscheidung 2010/182 vorgenommen wurde, und der Erlass einer geänderten Inverzugsetzung nach Art. 126 Abs. 9 AEUV und Art. 136 AEUV gerechtfertigt seien.

29      Art. 8 des Basisrechtsakts nimmt wie folgt auf den zwischenstaatlichen Mechanismus für die der Hellenischen Republik gewährte finanzielle Unterstützung Bezug:

„Die außerordentlich gravierende Verschlechterung der Finanzlage der griechischen Regierung hat die Mitgliedstaaten des Euroraums veranlasst, mit Blick auf die Sicherung der finanziellen Stabilität im gesamten Euroraum die Gewährung einer Stabilitätshilfe für Griechenland – kombiniert mit einer multilateralen Unterstützung durch den Internationalen Währungsfonds – zu beschließen. Die von den Mitgliedstaaten des Euroraums gewährte Hilfe wird in Form von bilateralen Darlehen unter Koordinierung der Kommission zusammengeführt. Die Darlehensgeber haben beschlossen, die Gewährung der Hilfe daran zu knüpfen, dass Griechenland die in diesem Beschluss festgelegten Bedingungen einhält. Insbesondere wird von Griechenland erwartet, dass es die in diesem Beschluss genannten Maßnahmen nach dem vorgegebenen Zeitplan durchführt …“

30      Art. 1 des Basisrechtsakts verlängert die Frist zur Korrektur des übermäßigen Defizits Griechenlands bis zum Jahr 2014 (anstelle des Jahres 2012, das im Beschluss 2010/182 festgelegt worden war).

31      Art. 2 des Basisrechtsakts sieht vor, dass die Hellenische Republik gemäß dem in diesem Artikel vorgesehenen Zeitplan eine Reihe von Hauskonsolidierungsmaßnahmen zur drastischen Kürzung der öffentlichen Ausgaben und Erhöhung der Staatseinnahmen, von Maßnahmen zur Stärkung der haushaltspolitischen Überwachung und Haushaltsdisziplin und von strukturellen Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft im Allgemeinen ergreift.

32      Die in Art. 2 des Basisrechtsakts enthaltenen Maßnahmen betreffen eine Vielzahl von Bereichen, nämlich u. a. die Finanzpolitik, das Renten- und Pensionssystem, die Organisation der öffentlichen Verwaltung und das Bankensystem.

33      Art. 4 Abs. 1 des Basisrechtsakts verpflichtet die Hellenische Republik, dem Rat und der Kommission vierteljährlich einen Bericht vorzulegen, in dem die zur Umsetzung des Basisrechtsakts getroffenen Maßnahmen dargelegt werden.

34      Nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. a und b des Basisrechtsakts müssen in dem vorgenannten Bericht ausführliche Angaben zu konkreten Maßnahmen, die von der Hellenischen Republik bis zum Berichtstermin durchgeführt wurden, um dem Basisrechtsakt nachzukommen, einschließlich ihrer quantifizierten Haushaltsauswirkungen und zu konkreten Maßnahmen, die von der Hellenischen Republik nach dem Berichtstermin durchgeführt werden sollen, um dem Basisrechtsakt nachzukommen, sowie der Zeitplan für die Umsetzung dieser Maßnahmen und eine Schätzung ihrer Haushaltsauswirkungen enthalten sein.

35      Nach Art. 4 Abs. 3 des Basisrechtsakts analysieren die Kommission und der Rat die vorgenannten Berichte, um die Befolgung des Basisrechtsakts durch die Hellenische Republik zu bewerten. Im Rahmen dieser Bewertungen kann die Kommission Maßnahmen nennen, die erforderlich sind, um den im Basisrechtsakt vorgezeichneten Anpassungspfad zur Korrektur des übermäßigen Defizits einzuhalten.

36      Nach seinem Art. 5 tritt der Basisrechtsakt am Tag seiner Bekanntgabe in Kraft.

37      Der Basisrechtsakt ist nach seinem Art. 6 an die Hellenische Republik gerichtet.

–       Beschluss 2010/486/EU

38      Am 7. September 2010 erließ der Rat den Beschluss 2010/486/EU zur Änderung des Basisrechtsakts (ABl. L 241, S. 12) (im Folgenden zusammen: angefochtene Rechtsakte). Auch der Beschluss 2010/486 hat Art. 126 Abs. 9 AEUV und Art. 136 AEUV als Rechtsgrundlage und ist an die Hellenische Republik gerichtet.

39      Aus den Erwägungsgründen 5 bis 8 des Beschlusses 2010/486 geht hervor, dass nach dem Erlass des Basisrechtsakts bestimmte wirtschaftliche Prognosen, auf deren Grundlage dieser Rechtsakt erlassen worden war, korrigiert werden mussten. Es schien daher angebracht, den Basisrechtsakt in verschiedenen Punkten zu ändern, wobei die darin festlegte Frist für die Korrektur des übermäßigen Defizits unverändert bleiben sollte.

40      Der Beschluss 2010/486 hebt bestimmte im Basisrechtsakt vorgesehene Maßnahmen auf, fügt andere hinzu und ändert, präzisiert oder gestaltet den Wortlaut hinsichtlich bestimmter dort vorgesehener Maßnahmen um.

41      Nach seinem Art. 2 wird der Beschluss 2010/486 am Tag seiner Bekanntgabe wirksam.

 Verfahren und Anträge der Parteien

42      Mit Klageschrift, die am 22. November 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Kläger, die Anotati Dioikisi Enoseon Dimosion Ypallilon (ADEDY), Spyridon Papaspyros und Ilias Iliopoulos, die vorliegende Klage erhoben.

43      Mit besonderem Schriftsatz, der am 3. März 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Rat eine Unzulässigkeitseinrede gemäß Art. 114 der Verfahrensordnung des Gerichts erhoben.

44      Mit Schriftsatz, der am 7. März 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission beantragt, im vorliegenden Verfahren als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen zu werden. Diesem Antrag ist durch Beschluss des Präsidenten der Ersten Kammer des Gerichts vom 27. Juni 2011 stattgegeben worden.

45      Die Kläger haben am 29. April 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eine Stellungnahme zu der vom Rat erhobenen Unzulässigkeitseinrede eingereicht.

46      Am 8. September 2011 hat die Kommission bei der Kanzlei des Gerichts einen Streithilfeschriftsatz eingereicht.

47      Die Kläger haben am 27. Oktober 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eine Stellungnahme zu dem Streithilfeschriftsatz der Kommission eingereicht.

48      In ihrer Klageschrift beantragen die Kläger,

–        die Klage für zulässig und begründet zu erklären;

–        die angefochtenen Rechtsakte aufzuheben;

–        dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

49      Der Rat beantragt,

–        die Klage in Bezug auf die angefochtenen Rechtsakte als offensichtlich unzulässig abzuweisen;

–        hilfsweise, die Klage in Bezug auf den Basisrechtsakt als offensichtlich unbegründet abzuweisen;

–        den Klägern die Kosten aufzuerlegen.

50      Die Kommission beantragt, die Klage als offensichtlich unzulässig abzuweisen.

51      In ihrer Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit beantragen die Kläger, die vom Rat erhobene Unzulässigkeitseinrede zurückzuweisen und diesem die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

52      Nach Art. 114 § 1 der Verfahrensordnung kann das Gericht auf Antrag einer Partei vorab über die Unzulässigkeit entscheiden. Nach Abs. 3 dieses Artikels wird über den Antrag mündlich verhandelt, sofern das Gericht nichts anderes bestimmt.

53      Im vorliegenden Fall ist das Gericht in der Lage, auf der Grundlage des Akteninhalts ohne mündliche Verhandlung über den Antrag des Rates zu entscheiden.

54      Aus den Akten geht hervor, dass die erste der Klageparteien, die ADEDY, eine griechische Gewerkschaftsvereinigung ist, deren Mitglieder Gewerkschaften von im öffentlichen Sektor bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts und Gebietskörperschaften beschäftigten Arbeitnehmern sind, die zu diesen in einem öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Beschäftigungsverhältnis stehen. Den Klägern zufolge erfasst die ADEDY im Ganzen betrachtet alle Beamten und Beschäftigten von juristischen Personen des öffentlichen Rechts und vertritt deren Interessen.

55      Der zweite und der dritte Kläger sind Beamte und Präsident bzw. Generalsekretär der ADEDY. Sie erheben die vorliegende Klage für sich selbst und im Auftrag der ADEDY.

56      Mit ihrer Klage rügen die Kläger, dass die angefochtenen Rechtsakte eine Reihe von Bestimmungen enthielten, die die finanziellen Interessen und die Arbeitsbedingungen griechischer Beamter berührten.

57      Der Rat macht, unterstützt von der Kommission, geltend, dass die Klage unzulässig sei. Der Rat trägt in erster Linie vor, dass den Klägern die Klagebefugnis im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV fehle, und beschränkt sein Vorbringen auf die Frage des individuellen Betroffenseins der Kläger durch die angefochtenen Rechtsakte, während die Kommission auch auf die Zulässigkeit der Klage unter dem Gesichtspunkt des Erfordernisses des unmittelbaren Betroffenseins eingeht. Hilfsweise macht der Rat, unterstützt von der Kommission, geltend, dass die Klage in Bezug auf den Basisrechtsakt unzulässig sei, da sie verspätet erhoben worden sei.

58      Die Kläger behaupten, von den angefochtenen Rechtsakten unmittelbar und individuell betroffen zu sein. Sie treten darüber hinaus der vom Rat und von der Kommission hilfsweise vertretenen Auffassung entgegen, dass die Klage in Bezug auf den Basisrechtsakt wegen verspäteter Klageerhebung unzulässig sei. Schließlich vertreten sie die Ansicht, dass ihnen, falls ihre Klage für unzulässig erklärt würde, das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz entzogen würde.

59      Zunächst ist die Zulässigkeit der Klage hinsichtlich der angefochtenen Rechtsakte unter dem Gesichtspunkt der Klagebefugnis der Kläger zu prüfen.

 Zur Klagebefugnis der Kläger

60      Gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV kann „[j]ede natürliche oder juristische Person … gegen die an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, Klage erheben“.

61      Nach dieser Vorschrift sind die Nichtigkeitsklagen natürlicher oder juristischer Personen auf drei Kategorien von Maßnahmen beschränkt, nämlich erstens auf Maßnahmen, die an diese Person gerichtet sind, zweitens auf Rechtsakte, die diese unmittelbar und individuell betreffen, und drittens auf Maßnahmen, die diese unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen.

62      Im vorliegenden Fall steht fest, dass die angefochtenen Rechtsakte nicht an die Kläger gerichtet sind; diese behaupten jedoch, von ihnen unmittelbar und individuell betroffen zu sein.

63      Angesichts der Umstände des vorliegenden Falles ist zunächst das Kriterium der unmittelbaren Betroffenheit zu prüfen, das der zweiten und der dritten Kategorie der in Randnr. 61 des vorliegenden Beschlusses genannten Maßnahmen gemeinsam ist.

64      Nach ständiger Rechtsprechung zu Art. 230 Abs. 4 EG erfordert die Voraussetzung, dass eine natürliche oder juristische Person von der mit der Klage angefochtenen Entscheidung unmittelbar betroffen ist, grundsätzlich das kumulative Vorliegen zweier Kriterien, nämlich erstens, dass die beanstandete Maßnahme sich auf die Rechtsstellung dieser Person unmittelbar auswirkt, und zweitens, dass sie ihren Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, kein Ermessen lässt, ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung anderer Durchführungsvorschriften ergibt (Urteile des Gerichtshofs vom 22. März 2007, Regione Siciliana/Kommission, C‑15/06 P, Slg. 2007, I‑2591, Randnr. 31, vom 10. September 2009, Kommission/Ente per le Ville Vesuviane und Ente per le Ville Vesuviane/Kommission, C‑445/07 P und C‑455/07 P, Slg. 2009, I‑7993, Randnr. 45, und Beschluss des Gerichtshofs vom 15. September 2009, Município de Gondomar/Kommission, C‑501/08 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 25).

65      Da, was die Prüfung der vorliegenden Klage betrifft, das in Art. 263 Abs. 4 AEUV aufgestellte Erfordernis des unmittelbaren Betroffenseins nicht geändert worden ist, ist festzustellen, dass diese Rechtsprechung auch auf den vorliegenden Fall übertragen werden kann.

66      Im vorliegenden Fall beantragen die Kläger, dass die angefochtenen Rechtsakte in vollem Umfang für nichtig erklärt werden. Sie bezeichnen jedoch in der Klageschrift eine Reihe von Bestimmungen, die die Rechtsstellung der Beamten betreffen und ihnen einen Nachteil zufügen sollen, nämlich zunächst der ADEDY als gewerkschaftliche Organisation, die die Gesamtheit der Beamten vertrete, und sodann Herrn Papaspyros und Herrn Iliopoulos selbst in ihrer Eigenschaft als Beamte.

67      So führen die Kläger in der Klageschrift aus, dass der eingetretene Nachteil zum einen in der in Art. 2 Abs. 1 Buchst. f des Basisrechtsakts vorgesehenen Kürzung des Oster-, Urlaubs- und Weihnachtsgelds bestehe und zum anderen in der in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b des Basisrechtsakts vorgesehenen Erhöhung des Renteneintrittsalters und Kürzung der an die derzeit aktiven Beamten zu zahlenden Renten infolge der Umgestaltung des Rentensystems. Als weiteren Nachteil erwähnen die Kläger eine Verschlechterung des reibungslosen Funktionierens der öffentlichen Dienste infolge der Einschränkung bei der Ersetzung ausscheidender Beamter, die in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Basisrechtsakts in der Fassung des Beschlusses 2010/486 vorgesehen sei.

68      Es ist daher zunächst zu prüfen, ob die Kläger von den genannten, eindeutig bezeichneten Bestimmungen, die ihnen einen Nachteil zufügen sollen, unmittelbar beeinträchtigt sind, und anschließend, ob sie von den übrigen Vorschriften der angefochtenen Rechtsakte unmittelbar betroffen sind.

 Zum unmittelbaren Betroffensein der Kläger durch Art. 2 Abs. 1 Buchst. f des Basisrechtsakts, Art. 2 Abs. 2 Buchst. b des Basisrechtsakts und Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Basisrechtsakts in der durch den Beschluss 2010/486 geänderten Fassung

–       Art. 2 Abs. 1 Buchst. f des Basisrechtsakts

69      Art. 2 Abs. 1 Buchst. f des Basisrechtsakts sieht vor:

„Griechenland trifft bis Ende Juni 2010 folgende Maßnahmen:

f)      Kürzung des Oster-, Urlaubs- und Weihnachtsgelds für Beamte mit dem Ziel einer Einsparung von 1 500 Mio. EUR jährlich (1 100 Mio. EUR für den Rest des Jahres 2010) …“

70      Diese Vorschrift ist unbestimmt, da sie die Einzelheiten der vorgesehenen Kürzung, die Art und Weise ihrer Umsetzung und die Kategorien der Beamten, die betroffen sein werden, nicht festlegt. Sie gibt hingegen ein eindeutiges Ziel vor, das durch die Kürzung der Sonderzahlungen an die Beamten erreicht werden soll, nämlich die Erzielung jährlicher Einsparungen in einer bestimmten Höhe. Diese Vorschrift hindert die Hellenische Republik somit u. a. nicht daran, von der grundsätzlichen Kürzung der Sonderzahlungen bestimmte Beamtenkategorien auszunehmen, sofern das Ziel der zu verwirklichenden Einsparungen erreicht wird. Die betreffende Vorschrift lässt den griechischen Behörden folglich einen Handlungsspielraum, um alle Einzelheiten der Kürzung der Sonderzahlungen im Wege nationaler Durchführungsmaßnahmen festzulegen, und erst diese Durchführungsmaßnahmen werden gegebenenfalls die Rechtsstellung der Kläger unmittelbar berühren. Vom Inhalt dieser Maßnahmen wird es nämlich abhängen, ob und in welchem Umfang für bestimmte Kläger die Sonderzahlungen gekürzt werden. Diese Kläger können auch eine Klage gegen die betreffenden nationalen Durchführungsmaßnahmen bei den nationalen Gerichten erheben.

71      Zur Stützung ihres Vorbringens, von Art. 2 Abs. 1 Buchst. f des Basisrechtsakts unmittelbar betroffen zu sein, berufen sich die Kläger auf eine gefestigte Rechtsprechung, wonach eine Person von einem Rechtsakt unmittelbar beeinträchtigt ist, wenn für den Adressaten des Rechtsakts die Möglichkeit, ihm nicht Folge zu leisten, nur eine rein theoretische ist, weil der Wille der Adressaten, ihm nachzukommen, keinem Zweifel unterliegt (vgl. Urteile des Gerichtshofs vom 17. Januar 1985, Piraiki-Patraiki u. a./Kommission, 11/82, Slg. 1985, 207, Randnrn. 8 bis 10, vom 5. Mai 1998, Dreyfus/Kommission, C‑386/96 P, Slg. 1998, I‑2309, Randnr. 44; Urteil des Gerichts vom 15. September 1998, Oleifici Italiani und Fratelli Rubino/Kommission, T‑54/96, Slg. 1998, II‑3377, Randnr. 56). Insoweit tragen die Kläger sinngemäß vor, dass die Hellenische Republik den angefochtenen Rechtsakten einfach Folge leisten müsse, da die Befolgung dieser Rechtsakte die Voraussetzung dafür sei, dass diesem Staat die finanzielle Unterstützung über den zwischenstaatlichen Mechanismus gewährt werde, was u. a. der achte Erwägungsgrund des Basisrechtsakts belege.

72      Dieses Vorbringen kann nicht verfangen. Schon aus dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 Buchst. f des Basisrechtsakts selbst geht nämlich hervor, dass diese Bestimmung der Hellenischen Republik die Verpflichtung auferlegt, ein Haushaltsziel zu erreichen, nämlich 1 500 Mio. Euro jährlich (1 100 Mio. Euro im Jahr 2010) durch Kürzung von Sonderzahlungen an Beamte einzusparen. Dagegen bestimmt diese Vorschrift weder die Modalitäten dieser Kürzung noch die davon betroffenen Beamtenkategorien; diese Gesichtspunkte bleiben ins Ermessen der Hellenischen Republik gestellt, wie in Randnr. 70 des vorliegenden Beschlusses ausgeführt worden ist.

73      Daraus folgt, dass Art. 2 Abs. 1 Buchst. f des Basisrechtsakts nicht geeignet ist, sich unmittelbar auf die Rechtsstellung der Kläger auszuwirken, und dass die griechischen Behörden bei seiner Durchführung über einen erheblichen Gestaltungsspielraum verfügen. Im Ergebnis ist somit festzustellen, dass die Kläger von dieser Bestimmung nicht im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV unmittelbar betroffen sind.

–       Art. 2 Abs. 2 Buchst. b des Basisrechtsakts

74      Art. 2 Abs. 2 Buchst. b des Basisrechtsakts verpflichtet die Hellenische Republik, bis Ende September 2010 ein Gesetz zur Reformierung des Rentensystems und zur Gewährleistung seiner mittel- und langfristigen Tragfähigkeit zu erlassen. Diese Vorschrift legt außerdem die inhaltlichen Grundzüge dieses Gesetzes fest. Dort ist u. a. vorgesehen, dass ein einheitliches gesetzliches Renteneintrittsalter von 65 Jahren, eine Verschmelzung der bestehenden Rentenfonds zu drei Fonds, eine Herabsetzung der Rentenobergrenze, eine schrittweise Erhöhung der Mindestbeitragszeiten für den Bezug einer vollen Rente und strengere Vorschriften für den Bezug einer Invalidenrente eingeführt werden sollten. Schließlich wird ausgeführt, dass mit der Durchführung dieses Gesetzes der projizierte Anstieg der Rentenausgaben im Verhältnis zum BIP in den kommenden Jahrzehnten unter den Durchschnittswert im Euroraum abgesenkt und der Anstieg der Rentenausgaben des öffentlichen Sektors im Zeitraum 2010–2060 auf weniger als 2,5 % des BIP begrenzt werden dürfte.

75      Es ist festzustellen, dass Art. 2 Abs. 2 Buchst. b des Basisrechtsakts mit Art. 1 Abs. 2 des Beschlusses 2010/486 aufgehoben worden ist. Da die Kläger in keiner Weise geltend gemacht haben, dass die aufgehobene Vorschrift gerade während ihrer Gültigkeitsdauer, d. h. in der Zeit zwischen dem Tag der Bekanntgabe des Basisrechtsakts an die Hellenische Republik und dem Datum der Bekanntgabe des Beschlusses 2010/486 an diese, für sie nachteilige Rechtswirkungen entfaltet hätte, ist im Ergebnis festzustellen, dass sich die Kläger vergeblich auf Art. 2 Abs. 2 Buchst. b des Basisrechtsakts berufen, um ihre Klagebefugnis in Bezug auf den Basisrechtsakt darzutun.

76      Jedenfalls betraf diese Vorschrift während ihrer Gültigkeitsdauer die Kläger nicht unmittelbar. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung geht nämlich hervor, dass zu ihrer Durchführung der Erlass eines nationalen Gesetzes erforderlich war. Die Bestimmung gab das Ziel vor, das dieses Gesetz erreichen musste, nämlich die Tragfähigkeit des griechischen Rentensystems, und legte auf allgemeine Art und Weise einige der Maßnahmen fest, die das Gesetz vorsehen musste. In Anbetracht u. a. der Tragweite dieser Bestimmung – die nicht nur Beamte betraf, sondern alle in den Ruhestand tretenden Beschäftigten im Privat- und im öffentlichen Sektor – war sie nicht dafür gedacht, das griechische Rentensystem vollständig und eigenständig zu regeln, ohne dass Durchführungsmaßnahmen erforderlich wären, und rein automatisch und allein aus sich heraus durchgeführt zu werden. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b des Basisrechtsakts beließ den griechischen Behörden folglich einen ganz erheblichen Gestaltungsspielraum bei der inhaltlichen Festlegung des Gesetzes, mit dem er durchgeführt werden sollte – sofern das Gesetz die mittel- und langfristige Tragfähigkeit des griechischen Rentensystems gewährleistet. Es wäre daher dieses Gesetz gewesen, das gegebenenfalls die Rechtsstellung der Kläger unmittelbar berührt hätte. Daraus folgt, dass die Kläger von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b des Basisrechtsakts nicht im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV unmittelbar betroffen sind.

–       Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Basisrechtsakts in der durch den Beschluss 2010/486 geänderten Fassung

77      Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Basisrechtsakts in der durch den Beschluss 2010/486 geänderten Fassung sieht vor:

„Griechenland trifft bis Ende September 2010 folgende Maßnahmen:

a)      … Ersetzung von lediglich 20 % der in den Ruhestand tretenden Bediensteten des öffentlichen Sektors (Zentralregierung, lokale Gebietskörperschaften, Sozialversicherung, öffentliche Unternehmen, staatliche Agenturen und sonstige öffentliche Einrichtungen) …“

78      Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Basisrechtsakts in durch den Beschluss 2010/486 geänderten Fassung betrifft die Kläger nicht unmittelbar, da er eine allgemeine Maßnahme zur Organisation und Steuerung der öffentlichen Verwaltung darstellt, der ihre Rechtsstellung nicht unmittelbar berührt. Soweit diese Bestimmung eine Verschlechterung des reibungslosen Funktionierens der öffentlichen Dienste zur Folge haben und die Arbeitsbedingungen der Kläger verschlechtern sollte, wie von diesen vorgetragen, würde es sich um einen Umstand handeln, der nicht deren Rechtsstellung, sondern allein deren faktische Lage beträfe (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Gerichts vom 21. Mai 2010, ICO Services/Parlament und Rat, T‑441/08, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

79      In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen ist im Ergebnis festzustellen, dass die Kläger von keiner der drei von ihnen eindeutig bezeichneten Bestimmungen der angefochtenen Rechtsakte im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV unmittelbar betroffen sind.

 Zum unmittelbaren Betroffensein der Kläger durch die übrigen Vorschriften der angefochtenen Rechtsakte

80      Was die vorliegende Klage betrifft, sehen die übrigen Vorschriften der angefochtenen Rechtsakte vor, dass die Hellenische Republik eine Reihe von Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen, von Maßnahmen zur Intensivierung der haushaltspolitischen Überwachung und der Haushaltsdisziplin sowie von Maßnahmen struktureller Art zur Verbesserung insbesondere der Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft im Allgemeinen erlässt, wobei das Endziel die Verringerung des übermäßigen öffentlichen Defizits des Landes ist.

81      Unter diesen übrigen Vorschriften finden solche, die Beamte im Allgemeinen betreffen und die die Kläger in der Klageschrift lediglich angeführt haben, ohne im Einzelnen zu erläutern, in welcher Weise diese Vorschriften sie unmittelbar berühren und die Beamten im Allgemeinen beschweren sollten.

82      Beispielhaft lassen sich folgende Bestimmungen anführen, die von den Klägern angeführt worden sind: Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Basisrechtsakts, der vorsieht, dass die Hellenische Republik bis Ende Juni 2010 ein Gesetz zur Aufhebung sämtlicher Steuerbefreiungen und autonomer Steuerregelungen, auch für Einkünfte aus Sonderzulagen für Beamte, erlässt; Art. 2 Abs. 5 Buchst. a des Basisrechtsakts, der vorsieht, dass die Hellenische Republik bis Ende Juni 2011 eine Straffung und Vereinheitlichung der Tarifstruktur im öffentlichen Sektor vornimmt, wobei sich die Vergütung an der Produktivität und den Aufgaben orientieren sollte; den mit dem Beschluss 2010/486 eingefügten Art. 2 Abs. 3 Buchst. m des Basisrechtsakts, der vorsieht, dass die Hellenische Republik bis Ende Juni 2010 ein Gesetz erlässt, das den lokalen Gebietskörperschaften Defizite bis mindestens 2014 untersagt; schließlich den mit dem Beschluss 2010/486 eingefügten Art. 2 Abs. 5 Buchst. e des Basisrechtsakts, der vorsieht, dass die griechischen Behörden bis Ende Juni 2011 die Funktionsweise der zusätzlichen Altersversorgungssysteme/Rentenersatzkassen mit dem Ziel überprüfen, die Ausgaben zu stabilisieren und die Haushaltsneutralität dieser Systeme sicherzustellen.

83      In Bezug auf die vorstehend genannten und allgemein auf alle übrigen Bestimmungen der angefochtenen Rechtsakte, sind zwei Feststellungen zu machen.

84      Erstens bedürfen alle diese Vorschriften angesichts ihrer Tragweite nationaler Durchführungsmaßnahmen, die ihren Inhalt im Einzelnen festlegen. Im Rahmen dieser Durchführung verfügen die griechischen Behörden über einen erheblichen Gestaltungsspielraum, sofern das Endziel der Verringerung des übermäßigen Defizits beachtet wird. Es werden diese nationalen Maßnahmen sein, die gegebenenfalls die Rechtsstellung der Kläger unmittelbar berühren.

85      Was zweitens die eventuellen negativen Folgen betrifft, die diese Vorschriften für die Kläger und die Beamten im Allgemeinen als Mitglieder der ADEDY in wirtschaftlicher Hinsicht sowie hinsichtlich der Arbeitsbedingungen haben können, so betreffen diese nicht deren Rechtsstellung, sondern allein deren faktische Lage (vgl. Randnr. 78 des vorliegenden Beschlusses).

86      Folglich ist mangels eines detaillierteren Vorbringens der Kläger im Ergebnis festzustellen, dass diese von den übrigen Vorschriften der angefochtenen Rechtsakte nicht im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV unmittelbar betroffen sind.

87      Demzufolge sind die Kläger von den angefochtenen Rechtsakten nicht unmittelbar betroffen.

88      Es ist daher im Ergebnis festzustellen, dass die Kläger eine der in Art. 263 Abs. 4 AEUV aufgestellten Zulässigkeitsvoraussetzungen, nämlich die für Klagen gegen die zweite und die dritte Kategorie der in dieser Vorschrift genannten Maßnahmen geltende Voraussetzung des unmittelbaren Betroffenseins (vgl. Randnr. 61 des vorliegenden Beschlusses), nicht erfüllen, so dass es nicht erforderlich ist, zu prüfen, ob die Kläger von den angefochtenen Rechtsakten individuell betroffen sind oder ob die angefochtenen Rechtsakte Rechtsakte mit Verordnungscharakter im Sinne dieser Vorschrift sind (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Gerichts vom 15. Juni 2011, Ax/Rat, T‑259/10, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 25).

 Zum effektiven gerichtlichen Rechtsschutz für die Kläger

89      Hinsichtlich des Vorbringens der Kläger, dass ihnen, wenn ihre Klage für unzulässig erklärt würde, das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz entzogen würde, ist festzustellen, dass nach einer gefestigten Rechtsprechung der Vertrag mit Art. 263 AEUV und Art. 277 AEUV einerseits und Art. 267 AEUV andererseits ein vollständiges System von Rechtsbehelfen und Verfahren geschaffen hat, das die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Organe, mit der der Unionsrichter betraut wird, gewährleisten soll. Nach diesem System haben natürliche oder juristische Personen, die wegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen des Art. 263 AEUV Unionshandlungen allgemeiner Geltung wie die im vorliegenden Fall in Rede stehenden nicht unmittelbar anfechten können, u. a. die Möglichkeit, die Ungültigkeit solcher Handlungen vor den nationalen Gerichten geltend zu machen und diese Gerichte, die nicht selbst die Ungültigkeit der genannten Handlungen feststellen können, zu veranlassen, dem Gerichtshof insoweit Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 25. Juli 2002, Unión de Pequeños Agricultores/Rat, C‑50/00 P, Slg. 2002, I‑6677, Randnr. 40, vom 1. April 2004, Kommission/Jégo-Quéré, C‑263/02 P, Slg. 2004, I‑3425, Randnr. 30, und vom 23. April 2009, Sahlstedt u. a./Kommission, C‑362/06 P, Slg. 2009, I‑2903, Randnr. 43).

90      So haben die Kläger im vorliegenden Fall in Anbetracht der Tatsache, dass die angefochtenen Rechtsakte Durchführungsmaßnahmen seitens der Hellenischen Republik erfordern, die Möglichkeit, diese Durchführungsmaßnahmen vor einem nationalen Gericht anzufechten und im Rahmen dieses Prozesses die Ungültigkeit der angefochtenen Rechtsakte geltend zu machen, wodurch sie das nationale Gericht zu einem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof veranlassen.

91      Um ihre Auffassung zu rechtfertigen, dass ihnen das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz entzogen würde, führen die Kläger die Länge der Verfahren vor den griechischen Verwaltungsgerichten sowie den Umstand an, dass sich aus dem Umstand, dass aus der Abweisung ihrer Klage durch das Unionsgericht als unzulässig eine Rechtmäßigkeitsvermutung zugunsten der angefochtenen Rechtsakte ergeben würde.

92      Dieses Vorbringen kann nicht verfangen.

93      Zum einen ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage vor dem Unionsrichter nicht von der Frage abhängen kann, ob es einen Rechtsbehelf vor einem nationalen Gericht gibt, der die Prüfung der Gültigkeit des Rechtsakts, dessen Nichtigerklärung beantragt wird, ermöglicht (vgl. Beschluss des Gerichts vom 28. November 2005, EEB u. a./Kommission, T‑94/04, Slg. 2005, II‑4919, Randnr. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung). Erst recht kann die Zulässigkeit der Klage vor dem Unionsrichter nicht von der behaupteten Länge nationaler Verfahren abhängen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 19 Abs. 1 EUV die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechtsbehelfe zu schaffen haben, damit ein wirksamer Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet ist.

94      Zum anderen wird durch die Abweisung der vorliegenden Klage als unzulässig für das nationale Gericht keine Vorentscheidung in der Sache getroffen.

95      Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Behauptung der Kläger, dass eine eventuelle Abweisung ihrer Klage als unzulässig ihr Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz berühren würde, zurückzuweisen ist.

96      Schließlich ist das Vorbringen der Kläger, dass die Klage auf ihre Begründetheit geprüft werden müsse, weil die Fehler, mit denen die angefochtenen Rechtsakte behaftet seien, so schwerwiegend seien, dass sie das Vertrauen der Bürger in die Unionsorgane erschütterten, zurückzuweisen. Der Unionsrichter darf sich nämlich nicht über die in Art. 263 AEUV aufgestellten Zulässigkeitsregeln für Nichtigkeitsklagen hinwegsetzen.

97      Nach alledem ist die vorliegende Klage unzulässig. Infolgedessen braucht über die vom Rat hilfsweise erhobene Unzulässigkeitseinrede wegen verspäteter Erhebung der Klage in Bezug auf den Basisrechtsakt nicht entschieden zu werden.

 Kosten

98      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kläger unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag des Rates die Kosten aufzuerlegen.

99      Nach Art. 87 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Die Kommission trägt daher ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

beschlossen:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Anotati Dioikisi Enoseon Dimosion Ypallilon (ADEDY), Spyridon Papaspyros und Ilias Iliopoulos tragen ihre eigenen Kosten sowie die Kosten des Rates der Europäischen Union.

3.      Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 27. November 2012

Der Kanzler

 

       Der Präsident

E. Coulon

 

       J. Azizi

Inhaltsverzeichnis


Rechtlicher Rahmen

Der Vertrag über die Europäische Union

Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt

Vorgeschichte des Rechtsstreits

Die griechische Schuldenkrise und der zwischenstaatliche Mechanismus zur finanziellen Unterstützung der Hellenischen Republik

Das Verfahren wegen übermäßigen Defizits gegen die Hellenische Republik

Das Verfahren vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidungen

Angefochtene Rechtsakte

– Beschluss 2010/320/EU

– Beschluss 2010/486/EU

Verfahren und Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

Zur Klagebefugnis der Kläger

Zum unmittelbaren Betroffensein der Kläger durch Art. 2 Abs. 1 Buchst. f des Basisrechtsakts, Art. 2 Abs. 2 Buchst. b des Basisrechtsakts und Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Basisrechtsakts in der durch den Beschluss 2010/486 geänderten Fassung

– Art. 2 Abs. 1 Buchst. f des Basisrechtsakts

– Art. 2 Abs. 2 Buchst. b des Basisrechtsakts

– Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Basisrechtsakts in der durch den Beschluss 2010/486 geänderten Fassung

Zum unmittelbaren Betroffensein der Kläger durch die übrigen Vorschriften der angefochtenen Rechtsakte

Zum effektiven gerichtlichen Rechtsschutz für die Kläger

Kosten


* Verfahrenssprache: Griechisch.